Clash of Cultures – wenn Corporates und Startups kooperieren

6. April 2018, mit Joel KaczmarekKatja Nettesheim

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Mediendigital-Podcast von Digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und ich musste viel zu lange verzichten hier auf meine Digitalisierungsexpertin, die gute Katja. Schön, dich nach langer Zeit wiederzusehen. Wir haben uns viel zu lange nicht gehört, was natürlich auch normal ist, wenn man mit so kompetenten, gefragten Menschen wie dir zu tun hat. Von daher freue ich mich, dass wir wieder loslegen. Und sag doch trotzdem nochmal einen Satz für alle, die das jetzt in den letzten paar Monaten vergessen haben, was du tust, weil sie dich so lange nicht gehört haben. was du genau machst.

Katja Nettesheim: Ja, gerne. Mein Name ist Katja Nettesheim. Ich bin Gründerin und Geschäftsführerin von Mediate. Mediate ist eine Transformations-Boutique. Also wir helfen etablierten Unternehmen dabei, ihre digitalen Umsätze zu steigern und dabei natürlich auch digitales Know-how ins Unternehmen zu holen und innovative Denkweisen und Methoden den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Und unser Ziel ist dabei immer, dass auf den Projekten mit uns dann eine neue Art des Arbeitens und Innovationsfähigkeit quasi entfesselt werden, sodass unsere Kunden dann danach alleine weitermachen können und wir uns anderen Kunden zuwenden können.

Joel Kaczmarek: Das ist ja ein schöner Begriff, Boutique. Finde ich immer schön. Das hat so diesen Manufakturgedanken und trotzdem ist so dieses Alteingesessene. Das finde ich super spannend und spannend.

Katja Nettesheim: Was es für uns auch ausdrückt, ist eben klein und fein, fokussiert, spezialisiert und vor allem schnell. Bei uns gibt es halt nicht große Management Boards oder sonst irgendwas. Wir können Leuten schnell und unkompliziert helfen und haben auch keine Standardprozesse. Natürlich haben wir Erfahrungen, wir machen das seit zwölf Jahren, wir haben also ein Frameworks und strukturierte Prozesse, die wir auch in unseren Projekten den Kunden übermitteln. Aber wenn es gerade nicht passt für den Kunden, dann machen wir das anders und da brauchen wir niemanden zu fragen und das ist ein echter Vorteil.

Joel Kaczmarek: So, und ich kann ja schon mal hervorwegnehmen, wir werden unser Format Medien digital, vielleicht nehmen wir es sogar um, mal gucken. Wir werden das sukzessive auch nochmal weiterdenken, als nur Medien, die digital werden, weil Medien sind ja sicherlich so ein erster Schritt, wo es sinnvoll ist. Aber ich glaube, wir werden das auch noch weiter spannen. Und heute soll es mal um diesen Clash of Cultures geben, den es gibt, wenn Corporates oder Mittelständler, vielleicht auch eher, vielleicht müssen ja gar nicht mal groß sein, so Mittelständler, aber eher alteingesessene Unternehmen mit jungen Startups zusammenarbeiten. Das ist ja wahrscheinlich auch ein Großteil deiner Arbeit, solche Reibungsflächen irgendwie zu reduzieren, oder?

Katja Nettesheim: Naja, absolut. Also wenn wir darüber reden, digitale Umsätze zu steigern, dann gibt es ja drei Wege. Entweder wir machen das organisch, das heißt, wir arbeiten mit den Unternehmen, damit sie selber neue digitale Geschäftsmodelle finden und danach umsetzen. Und es gibt zwei, die haben letztendlich mit Startups zu tun. Der eine Weg ist Investment und der zweite ist Partnering. Und bei beiden Wegen gibt es massive Clashes of Culture und unsere Aufgabe ist ehrlich gesagt meistens, diese Clashes zu vermeiden oder zu überbrücken.

Joel Kaczmarek: Hör doch mal ganz grundlegend an. Wir können ja so ein bisschen spiegeln. Ich mache mal so die Startup-Perspektive und du viel die Corporate-Perspektive. Was siehst du so als Anreize, warum Corporates eigentlich, also Corporates ist mal stellvertretend für alle Größen, das müssen jetzt nicht nur so 10.000 Mannbetriebe sein. Was siehst du für Anreize, dass solche Unternehmen mit jungen Startups kooperieren wollen?

Katja Nettesheim: Es gibt also verschiedene Buckets, würde ich mal sagen, in die diese Anreize fallen. Wenn ich mal den weniger invasiven, also den kleineren Bucket nehme, dann geht es natürlich häufig darum, Dienstleistungen von Startups zu beziehen, wobei das dann schon eher Startups auf der Schwelle zu den Grown-ups sind. die Technologie einfach zu nutzen oder Zugang zu innovativem Know-how zu haben, teilweise auch eine gemeinsame Forschung und Entwicklung zu machen, neue Kundengruppen sich zu erschließen, teilweise durch die Start-ups selber. und ganz häufig als Nebeneffekt einen Einblick in die Startup-Kultur zu bekommen. Das sind eher die minimalinvasiven Motivationen.

Joel Kaczmarek: Ja, der Kollege Heinemann ist ja auch immer dabei, Innovationspipeline ist ja, glaube ich, sein Lieblingswort. Der hat ja durchaus auch mit dem einen oder anderen Corporate zu tun. Also das wäre so, was du als Forschung und Entwicklung meinst, dass so ein Corporate eigentlich hingeht und diese Innovationsfaktoren seines Geschäftsmodells, also im Prinzip digitales Neugeschäft, sich auf dem Wege zusammenarbeitet mit so Startups?

Katja Nettesheim: Eine Möglichkeit, ja. Es gibt tatsächlich etablierte Unternehmen, die so systematisch da auch vorgehen, gerade die größeren. Und die dann auch eben systematisches Screening haben über all das, was bei ihren wesentlichen Innovationsfaktoren in der Startup-Welt passiert.

Joel Kaczmarek: Wenn ich die Startup-Seite spiele, habe ich so das Gefühl, dass vieles so in Richtung Brand und PR geht. Und da musst du mich mal reflektieren, ob das richtig ist und ob das auch funktioniert. Da werden wir sicherlich im Laufe unseres Gesprächs noch darauf eingehen. Einerseits diesen Brand-Effekt, einen großen Corporate dabei zu haben, dass das halt dein Produkt auch in irgendeiner Weise, ich sag mal, legitimiert. Weil wenn du sagen kannst, ich mache das für die Deutsche Bahn, wo jeder so ein Gefühl hat, wie die Prozesse da gestrickt sind. dann trauen sich das auch andere zu kaufen. Plus man kann es in der Presse verkaufen. Und natürlich das ganze Thema so Economies of Scale. Die Metro zum Beispiel mit ihrem Accelerator habe ich ja live erleben dürfen, geht ja im Prinzip zum Beispiel hin und sagt, passt mal auf Freunde der Sonne, wir bieten euch im Prinzip den gesamten Metro-Apparat als Leverage für eure Produkte. Und das meint gar nicht mal nur Verkaufen, das meint auch viel Zielgruppenverständnis. Also die gehen zum Beispiel hin und machen Sales-Schulungen mit denen und arbeiten mit Beratungen zusammen, die ihnen im Prinzip bei der Produktentwicklung helfen. Also Scale, PR, Brand sind so die Faktoren, die ich sehe bei den Startups. Spiegelt sich das aus deiner Erfahrung? Habe ich vielleicht auch noch was vergessen?

Katja Nettesheim: Ja, das sind schon wesentliche Punkte. Was halt noch dazu kommt, es gibt tatsächlich auch Angebote und es gibt auch noch Startups, die das als Vorteil sehen, wo es darum geht, dass die Corporates, insbesondere Konzerne, ihre internen Konzern-Dienstleister dem Startup als Dienstleister zur Verfügung stellen. Das ist aber erfahrungsgemäß echt schwierig. Da würde ich auch jedem Startup raten, genau hinzuschauen, wer das ist und wie die ticken, bevor man dafür eventuell Equity abgibt. Aber talking about Equity, vielleicht das nochmal abzuschließen, der zweite Bucket, warum Corporates gerne sich mit Startups zusammentun und dann eben auch nicht mehr minimalinvasiv, sondern dann auch schon mit Anteilen. ist halt, dass sie allen Druck haben, ihre Umsatzquellen zu diversifizieren. Und wenn sie tatsächlich digital Umsatz von Startups mit in ihrer G&V drin haben wollen, dann muss es sich sogar um eine wesentliche Beteiligung an den Startups handeln. Genau das Gleiche, wenn wir über digitales EBIT oder EBITDA sprechen. Geringere Anteilshöhen lang, wenn es darum geht, Veräußerungserlöse zu generieren, also nicht kurzfristig die P&L zu verschönern, sondern mittel- bis langfristig. Oder eine Story für den Kapitalmarkt zu bauen, siehe ProSiebenSat1. Also die haben das ja par excellence vorgeführt bis, sagen wir mal, letztes Jahr, wie schön man eine Story für den Kapitalmarkt bauen kann durch Beteiligungen an Startups, die teilweise noch nicht mal mit Geld finanziert, sondern mit Media finanziert waren. Also Sensationell. Und wenn man dann als Corporate noch stärkeren Einblick haben will in die Workings und gerade die Zahlen von Startups, dann führt um einen Investment selten was herum, weil man nur dann noch wirklich einen Anspruch hat, da reinzugucken.

Joel Kaczmarek: Wobei ich ja schade finde, dass viele Corporates eigentlich immer hingehen und diesen Investmentgedanken so stark auf Neugeschäft ausrichten und manchmal gar nicht so sehr auf Know-how, habe ich das Gefühl. Also so ein klassisches Beispiel von Know-how-Akquise war ja zum Beispiel damals Zalando, was solche Buden wie Nugget mit Trigo gekauft hat. Dass man eigentlich hingegangen ist und hat sich Tools geholt, die man gekauft hat, aber gar nicht so sehr, weil man jetzt direkte Euros machen wollte, sondern wenn man das Know-how, was da drin steckte, halt applizieren konnte auf das, was man schon tut oder tun will. Ist das eine Fehlwahrnehmung? Ist das vielleicht sogar doch verbreiteter, als man denkt, dass Unternehmen hingehen und sich auch durchaus aus Know-how-Gründen Unternehmen kaufen?

Katja Nettesheim: In der Medienbranche sehe ich das selten. Da ist es vor allem Umsatz und EBIT getrieben. Meistens nur Umsatz, weil es noch nicht profitabel ist. In der Industrie sieht man das häufiger, weil das dann halt auch IP-lastiger insgesamt ist.

Joel Kaczmarek: Ja, aber ich meine, wenn man jetzt mal zum Beispiel so über den Teich denkt, Facebook hat jetzt in Instagram glaube ich nicht gekauft, weil es so geil viel Geld einnimmt.

Katja Nettesheim: Naja, also dieses ganze Phänomen von Acquihires ist natürlich in den USA deutlich stärker ausgeprägt als hier.

Joel Kaczmarek: Würdest du denn grundsätzlich sagen, wir wollen es jetzt nicht zu stark vertiefen, weil das, glaube ich, eine eigene Diskussion ist, aber diesen Investmentweg, den du geschildert hast, ist es denn, was ist, glaube ich, eine gute Brücke, um mal so Formen der Zusammenarbeit jetzt abzureiten, muss man Startups als Corporate denn immer besitzen, um im Prinzip an diese Dinge ranzukommen? Ich habe just gerade dem Tarek Müller zugehört von About You, der halt gesagt hat, er findet das eigentlich veraltete Denke, weil

Katja Nettesheim: Ja, also, entschuldige, ich wollte dich nicht unterbrechen. Sag mal weiter.

Joel Kaczmarek: Ja, seine Argumentation war im Prinzip, man muss ein Startup nicht besitzen, um davon zu profitieren, sondern man profitiert im Prinzip, indem man einem Startup Relevanz gibt und Mehrwerte in der Einbringung. Und wenn man jemanden eigentlich besitzt und sozusagen nur auf diesem Wege kontrolliert, ist dem ja eigentlich gar nichts wert, weil die guten Leute sich nicht besitzen lassen. So, das war so seine

Katja Nettesheim: Ja. Ich schätze Tarek sehr und auch an der Stelle hat er mal wieder recht gehabt. Denn das ist tatsächlich so und das ist auch tatsächlich veraltete Denke. Also das habe ich bei mehreren Unternehmen, die ich enger begleitet habe, habe ich auch diesen Weg miterlebt. Ich habe ja lange Jahre M&A gemacht und früher hieß es immer wir brauchen jetzt mindestens 25,1 Prozent mit einer Option auf 50,1, damit wir hier auch das Sagen haben. Danach hieß es genau das Gleiche. Das war nämlich dann als Anteil an digital vom Gesamtumsatz zum neuen Master KPI wurde. Dann wurde die gleiche Philosophie gefahren, damit man es konsolidieren kann. Teilweise eben auch drunter, aber da ging es eben immer darum zu besitzen und zu konsolidieren. Und die Zuhörer wissen alle gut genug, wie so ein Cap Table funktioniert. Und wenn da jetzt ein etabliertes Unternehmen mit solchen Forderungen reinkommt und man ist gleichzeitig VC getrieben, das explodiert, das funktioniert einfach nicht. Und dann war es eben tatsächlich so, dass die sich gewundert haben, warum sie nicht reingekommen sind mit diesen Forderungen in die Unternehmen, die sie wirklich haben wollten. Zum einen, weil das CapTable explodiert und zum zweiten, weil das eben auch eine Art des Denkens zeigt, die, genau wie Tarek sagt, gute Leute, die Optionen haben, nicht mitmachen. Und das ist, vielleicht um das Fazit vorwegzunehmen, das ist generell das, was ich den etablierten Unternehmen auch immer wieder sage, einfach ein bisschen Vorsicht und Augenmaß, weil gute Startups, die, die ihr haben wollt, brauchen euch weniger als umgekehrt. Und das ist eine Denke, die noch nicht immer bei allen angekommen ist.

Joel Kaczmarek: Dann können wir, wie gesagt, jetzt mal durchdeklinieren, was es eigentlich so für Formen der Zusammenarbeit gibt, von denen wir dann aus in die Clashes der Kulturen rüberrobben können. Also wir haben ja jetzt schon gesagt, investieren-kaufen wäre eine Geschichte, Acceleratoren sicherlich auch noch. Also ich habe heute just die Pressemitteilung von N26 im Postkasten gehabt, die irgendwie 160 Millionen Euro oder so aufgenommen haben, den Dreh. Also es kann ja durchaus hoch erfolgreich sein. Die sind ja in dem ganzen Plug-and-Play-Umfeld entstanden. Das wäre glaube ich so etwas, was ähnlich in diesem Bereich investieren, kaufen geht. Was siehst du sonst noch so? Ich finde zum Beispiel auch ganz spannend, was gerade so DM ist ja so jemand, der sich zum Beispiel über eher so Lieferantenbeziehungen gerade aufschlaut und dort Kontakte aufbaut. Also wenn ich jetzt in so einen DM-Supermarkt gehe, dann sehe ich da auf einmal Höhle der Löwen-Produkte oder Einhorn-Kondome. Die haben eine eigene Zeitschrift rausgebracht, wo du auf jeder dritten Seite irgendwie ein Start-up siehst. Also Während in Berlin Startup-Supermärkte aufmachen, hat man das Gefühl, jeder DM versucht zumindest online auch mit Amorelie oder so schon mal ein Startup-Supermarkt zu sein. Das finde ich ein ganz interessantes Beispiel für so Lieferantengeschichten in Anführungsstrichen. Was siehst du noch so?

Katja Nettesheim: Bei der tatsächlichen Equity-Beteiligung Oder Vorstufen davon, da hast du es eigentlich alles gehabt. Wenn wir nochmal zurückgehen auf unseren ersten Bucket mit den minimalinvasiven Engagements, da sind wir in der ganzen Bandbreite von unterschiedlichen, letztendlich schuldrechtlichen Verträgen. Also entweder ein Kooperationsvertrag oder ein Joint-Venture-Vertrag. Teilweise auch mit einer gemeinsamen Gesellschaft und dann ist es nicht mehr wieder rein schuldrechtlich richtigerweise. Oder einfache Lieferantenbeziehungen, Dienstleistungsverträge, was auch immer. Da sind der Fantasie, der juristischen Fantasie keine Grenzen gesetzt. Es muss halt passen auf das, was die Parteien voneinander wollen.

Joel Kaczmarek: Gut, also mal so zusammengefasst, da haben wir eigentlich schon ganz viele Formen unter einem Hut, also akzelerieren, investieren, kaufen, man könnte vielleicht noch Ausgründen dazu nehmen, sowas wie das About You, dann hat man eigentlich nicht so diese zwei Entitäten, wir wollen ja jetzt wirklich Clashes of Culture so betrachten, wenn man davon ausgeht, ein gestandenes Startup trifft auf ein gestandenes Unternehmen, aber wäre auch ein Beispiel, richtige Joint Ventures, fällt dir ein schönes Beispiel eigentlich ein für Joint Ventures?

Katja Nettesheim: Im technischen Bereich gibt es, glaube ich, das eine oder andere. Also gerade im hochtechnischen Bereich, wo Startups zusammen mit Corporates gemeinsam dann Forschung vorantreiben.

Joel Kaczmarek: Jetzt gibt es ja unterschiedliche Clashes, über die wir reden wollen, zwischen diesen beiden Kulturen Corporate und Startup. Das erste, was mir so einfällt, ist, ich wurde mal vor nicht allzu langer Zeit gefragt von einem schon eher Corporate-lastigen Unternehmen, da ging es um die Bestückung und eine Art Beirat. Und da habe ich ihm gesagt, dass sich so die hippen Startups, glaube ich, schon latent eher sträuben, weil sie halt sich eigentlich ausgenutzt fühlen mehr. Dass die sagen, warum soll ich denn dich irgendwie kostenlos aufschlauen in Sachen digitalen Know-how? Dieser Gedanke, ich bin jetzt irgendwie Corporate XYZ und das Startup freut sich, wenn es bei mir am Tisch sitzen kann. Also ich glaube, die Zeiten sind so ein bisschen vorbei. Also so ein Ausgenutztgefühl ist so das, was bei mir als erstes im Kopf aufkommt. Hast du das auch in deiner Praxis?

Katja Nettesheim: Ja, absolut. Also ich habe jetzt in Vorbereitung für diesen Podcast mir nochmal einen Vortrag angeguckt, den ich gehalten habe 2014 vor Corporates, wo es auch darum ging, wie können wir mit Startups kooperieren. und ich habe die dann auch mal sensibilisiert für bestimmte Befindlichkeiten von Startups und da war das damals 2014. schon ganz weit oben. Also da habe ich noch echte Quotes eingesammelt und da haben mir dann Gründer gesagt, am Anfang waren wir noch geschmeichelt von diesen Einladungen, aber dann haben wir gemerkt, dass es denen nur um kostenlose Innovationsberatung geht. Und auch hier wieder mit der steigenden Lernkurve, die Startups, die schon länger am Markt sind, jetzt hinter sich haben und genau das sind ja die, die auch interessant sind für Corporates, funktioniert das halt nicht mehr. Weil wenn ein Startupgründer bei einer Sache einen Engpass hat, dann ist es Zeit. Und warum soll er die Corporates zur Verfügung stellen, die dann nicht in die Pötte kommen? Was anderes ist ja, wenn man wirklich die Möglichkeit hat, gemeinsam was zu machen, was sich für das Startup dann auch positiv auswirkt. Sei es über mehr Umsatz, Brand, Skalierung. Wir haben es ja gerade alles gehabt. Nur die Schwierigkeit ist halt dass von Seiten der Startups häufig auch viel versprochen wird und wenig eingehalten wird. Und das größtenteils unabsichtlich. Also ich will da gar keine böse Absicht dahin vermuten, sondern es ist größtenteils unabsichtlich. Es kommt, und da sind wir direkt bei dem Clashes of Culture, es kommt bei den Startups so an, als würden die sich nicht bemühen und dabei bemühen sich die Corporates, aber es dauert halt so lang. Und die Erwartungen an der Erfolgswahrscheinlichkeit, ist in einem Corporate wahrscheinlich bei 30 Prozent und bei einem Startup bei 80 Prozent von der Businessbeziehung. Und da fängt es ja schon an.

Joel Kaczmarek: Ja, aber ich kann mir das total gut vorstellen, dass du da so einen jungen Gründer hast, der erstmal die geile Chance sieht, große Marke, im Prinzip Chance auf viel Ansehen und auf viel Umsatz. und dann hat man so das Gefühl, man ist da voll am Hasseln und der andere macht halt nichts. Ich habe die Tage witzigerweise gerade in Corporate gehabt, sehr, sehr großer irgendwie in Deutschland, wo dann der Innovationsmitarbeiter eigentlich gesagt hat, der im Prinzip einen neuen Bereich für dich aufbaut, ja, es hat ihn, ich glaube, drei Wochen gekostet und gefühlte 15 angestoßene Prozesse, die dann in Euros umgerechnet wurden, was die gekostet haben, um seine E-Mails auf dem Handy lesen zu können.

Katja Nettesheim: Oh nein, ja, Katastrophe.

Joel Kaczmarek: Also vielleicht mal zur Desensibilisierung hier im Thema ausgenutzt fühlen, ich mache so viel, der Corporate macht nichts, wenn die ihre eigenen Leute nicht mal dahin kriegen, dass die E-Mails lesen können, ohne dass es 700 Euro kostet, weil da irgendwelche Leute arbeiten. Also das ist ja manchmal das Level, auf dem man sich da bewegt, nehme ich an.

Katja Nettesheim: Ja, absolut. Und das ist halt eine Katastrophe aus vielen verschiedenen Gründen und auch, weil Startups dafür keine Toleranz haben. Ein weiterer Punkt, wenn wir bei Pain Points von Startups sind in der Interaktion mit Corporates, ist, dass ich glaube, dass Startups einen deutlich stärkeren Grad an Fokussierung gewöhnt sind. Auch wieder wegen Ressourcenknappheit. Die müssen halt genau wissen, was sie tun und warum sie es tun. Und das ist bei Corporates, bei guten Corporates ist das auch der Fall, aber halt auch nicht immer in allen Ebenen. Und dann muss man hier noch abstimmen und da noch abstimmen. Und im Thema digitale Transformation ist halt auch allenthalben noch. Jugend forscht bei den Corporates. Das heißt, die wissen häufig gar nicht so genau, in welche Richtung sie wollen und suchen sich dann Inspiration bei Startups. Und das führt natürlich auch zu Frustration.

Joel Kaczmarek: Ich meine, du hast doch auch viel so im Bereich Media for Equity gemacht. Das finde ich mal einen ganz interessanten Case, um auch mal zu betrachten, was hast du denn eigentlich für Bewertungsmaßstäbe und für Erwartungen, die im Prinzip beide Seiten an den Tisch bringen, wenn man über so etwas redet? Weil ich könnte mir vorstellen, was ich gerade gesagt habe, Brand versus Scale versus Innovation Know-how, dass man da schon Missmatches hat des Öfteren, um mal hier englische Buzzwords ein bisschen zu säen.

Katja Nettesheim: Sehr gut. Ja, also wenn wir den Media-for-Equity-Fall jetzt konkret nehmen, gibt es dann natürlich auch von Akteur zu Akteur selbst auf der gleichen Seite unterschiedliche Erwartungshaltungen. Aber was üblicherweise von Seiten der Medienunternehmen erwartet wird, ist eine Wertsteigerung beim Start-up. damit man dann die Anteile gut verkaufen kann und Veräußerungserlöse erzielt, die man vorher nicht hatte. Teilweise auch noch ein Know-how-Aufbau, dadurch, dass man lernt, wie die Media funktioniert. Und ja, Start-up-Befruchtung, gegebenenfalls auch noch Kapitalmarkt-Story. kann gut funktionieren, da ist die größte Unbekannte eigentlich die Frage Wertsteigerung, ja oder nein. Und sehr häufig sind die Medienunternehmen auch sehr überzeugt davon, wie gut ihre eigene Media funktioniert, weil sie tatsächlich das Branding der Startups oder das Image der Startups, die Bekanntheit, erheblich befeuert. Also man denke an den alten Fall von Zalando bei ProSiebenSat.1, damals das war 2000 und, lass mich lügen, 2010, 2011 hatte Zalando diese Media4Equity-Kampagne bei ProSieben mit dem FKK-Campingplatz. Und die waren 2011 Nummer zwei in der Markenbekanntheit in Deutschland hinter VW. Das ist schon geil, muss man sagen. Also schlicht und ergreifend. Aber wenn wir über Erwartungshaltungen sprechen, gibt es dann halt auch viele Startups, die noch oder auch dauerhaft rein performanceorientiert sind. Und die sagen den Medienpartnern häufig, naja, ich finde das mit eurer Bekanntheit ist alles schön und gut. Ob gestützt oder ungestützt, wird total egal. Cash in the Tash. Meine Conversions haben sich nicht so wahnsinnig gesteigert. Oder ich habe da keine Umsätze mitgemacht. Da haben wir auch einen massiven Clash der Kulturen immer noch. Und da sind wir schon echt auch als Pendel-Diplomaten unterwegs.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wenn man jetzt heutzutage auch mal in so einen Fernsehwerbe-Blog guckt, hat man ja sowieso das Gefühl, dass der zu zwei Drittel mit irgendwelchen Internetbuden ausgestattet ist. Ich kriege das mit, Sven Schmidt mokiert sich ja bei den Rockstars irgendwie immer so ein bisschen darüber, habe ich das Gefühl, dass das so Reste-Rampe ist, dass das eigentlich gar nicht mehr so ein Value hat, dieses Werbeformat. Also wenn du sagst, und das wäre so meine Brücke zu einem nächsten Clash, den ich vermute, wenn du sagst, die sind sich immer sehr selbstbewusst, was den Wert ihrer Media-Geschichten angeht, Ist da vielleicht manchmal auch fast so ein bisschen Egoarroganz drin und so Übersteigerung, dass das vielleicht mit der Realität nicht immer mehr, also auf beiden Seiten übereintrifft?

Katja Nettesheim: Ja, also das Thema Arroganz ist tatsächlich auch so ein Clash-Thema und zwar tatsächlich, wie du sagst, auf beiden Seiten. Ich sehe leider immer noch Unternehmen und ich habe diesen Vortrag, also den ich mir jetzt nochmal angeguckt habe, der ist schon echt länger her und ich habe das jetzt alles nochmal aktualisiert und da hat sich leider nicht genug getan. Also es gibt immer noch genügend etablierte Unternehmen, die sagen, naja, diese Startups, die sollen erstmal profitabel sein und dann reden wir mit denen. wo wir immer noch sagen müssen, ganz ehrlich, die könnten von jetzt auf gleich profitabel sein, die fahren das Ding halt anders. Also da ist schon auch noch ein gehöriges Maß an Arroganz dabei. Sicher getrieben zu großen Teilen auch aus Unsicherheit und Unverständnis gegenüber dem, was da kommt. Auf der anderen Seite ist aber auch seitens der Startups häufig ein hohes Maß an Arroganz da, wenn die Leute nicht sofort verstehen, was man meint mit dem Passwort Bingo, wenn die nicht gleich schnell sind und wenn die nicht irgendwie über Slack kommunizieren. Und wenn die sagen, nee, unsere Dokumente lieber nicht auf Google Drive.

Joel Kaczmarek: Na, wir werden ja nach hinten raus sicherlich auch mal so ein paar Tipps machen, wie man solche Sachen irgendwie auflösen kann. Aber ich habe da schon manchmal auch so, also genau diesen Verdacht, wie du das auch beschreibst, dass man so ein bisschen, jeder sich seiner Fründe irgendwie sehr sicher ist und dann eigentlich nicht bereit ist, auch mal sich zu öffnen für diese andere Denkweise. Und gerade dieses mit der Profitabilität habe ich nie verstanden. Das ist aber auch so ein deutsches Ding, glaube ich.

Katja Nettesheim: Total.

Joel Kaczmarek: Was haben die Leute über Zalando gekotzt? Die sind ja gar nicht profitabel. und die sind ja so, als sie in die Börse gegangen sind, haben sie es gerade mal auf profitabel gedreht, das Deutschlandgeschäft, international noch nicht. Warum man da immer so drauf fixiert, das macht auch keinen Sinn.

Katja Nettesheim: Ich glaube, das ist wie bei so vielem im Menschlichen. Das, womit man sich selber am meisten quält, diesen Maßstab legt man natürlich umso stärker bei anderen an. Da musst du dir nur mal Mütter angucken untereinander, da siehst du genau den gleichen Mechanismus. So ein schwäbischer Unternehmer, der ein Familienunternehmen führt in der fünften Generation, da auch in gewissem Maße eingekesselt ist in seiner Tradition und spart, spart, spart, spart, damit das Ding möglichst profitabel ist, sieht dann diese jungen Typen, die hochgelobt werden mit einer negativen EBIT-Marge, die auch nicht besser wird. Natürlich kotzt der. Und dann kommt auch noch ein zweiter Punkt dazu. Das sehe ich häufig. Und Stichwort Clash of Cultures fällt mir jetzt erst auf. Das ist eigentlich der größte Clash of Cultures. Schau dir diesen schwäbischen Unternehmer an. Der führt sein Unternehmen. Gerade wenn es ein Familienunternehmer ist, der hat eine Ochsentour hinter sich, bevor er das Unternehmen überhaupt übergeben bekommt. Weil ihm alle sagen, du bist noch zu jung, du hast keine Erfahrung. Der muss also häufig weil sein Vater genauso gequält worden ist, wird der gequält, bis er dann angeblich genügend Erfahrung hat, um das Ding zu übernehmen. Und der guckt dann nach Berlin und sieht da irgendwie 25-Jährige, die Milliardenunternehmen, also Umsatzmilliardenunternehmen führen. Da fragt er sich auch, was, what the fuck, ja, entschuldige, aber, und was dahinter steht? aus meiner Sicht, ist halt einfach eine ganz unterschiedliche Kultur der Unternehmensführung. Der eine sagt mir, das Wichtigste für mich ist Erfahrung. Und die anderen sagen, Erfahrung ist mir scheißegal, weil ich habe Daten. Und deswegen funktioniert das ganz unterschiedlich und auf beiden Seiten mehr oder minder gut. Es gibt immer bessere und schlechtere. Aber ich glaube, das ist auch das, was da noch dahinter steckt.

Joel Kaczmarek: Da kannst du gut recht haben. Ich erinnere mich, ich habe, glaube ich, insgesamt drei Vorträge gehalten, drei oder vier, vor Logistikern. Damals über Movinga, so dieses Hype-Thema schlechthin. Und ich habe so alle Phasen mitgenommen, der hochgradigen Aggression, also man war richtig so verhärtet gegeneinander, bis hin, es hat sich irgendwie im Prinzip befriedet. Also ich hatte dann auch mal beide Seiten im Podcast, sowohl Mo Winger als auch irgendwie den Verbandschef.

Katja Nettesheim: Akut.

Joel Kaczmarek: Ja, das war echt ganz lustig. Ich hätte gedacht, die fetzen sich voll. Dann habe ich gemerkt, nee, hätte ich das irgendwie ein Jahr vorher gemacht, den Podcast, wäre es viel aggressiver geworden. Da waren die schon so auf Annäherungskurs. Aber es war ganz lustig, weil ich war einmal irgendwie beim Hauptverband der ganzen Logistiker, dann war ich in NRW, dann war ich irgendwie im Schwäbenländle. Und es kam immer wieder dasselbe. Das war für Menschen, wie du sagst, die ein Umzugsunternehmen mit einem Fuhrpark von 10, 20 Karren haben, von Ur-Ur-Ur-Opa, für die war das völlig unverständlich, wie man 35 Millionen Euro für was ausgeben kann, was nur miese macht, was nur irgendwie virtuell ist, wo man ja auch gar keinen Fingerschlag in deren Wahrnehmung rührt. Also das war sehr interessant mal da. Wie erklärst du so jemandem, der wirklich Autos managt und Menschen und Fahrpläne und Disponent ist, warum jemand als 22-jähriger Uni, noch nicht mal Absolvent, so und so viele Millionen Euro bekommt? Da gebe ich dir recht. Was ist denn eigentlich mit dem ganzen Thema sonst Speed, Geschwindigkeit? Weil also das Erste, was mir mal einfällt, ist dieses Ausnutzungsgefühl und das Zweite, also was wahrscheinlich das Wesentlichste ist, ist, dass mir so Startups eigentlich immer spiegeln, ja, dieses Prozessgetriebene, was ich gerade gesagt habe, ja, irgendwie drei Wochen und so und so viele Euros und Manntage, bis man seine E-Mails auf dem Handy lesen kann. Das sind vielleicht Extrembeispiele, aber im Groben gibt es ja schon viele Sachen, wo man sagt, Corporates haben oft die Probleme, die Geschwindigkeit von Startups zu gehen, weil die halt Prozesse haben und die haben sie ja auch nicht aus dem hohlen Raum raus. Also, dass die Sachen nicht bei Dropbox reinlegen, hat schon einen guten Grund. Oder dass sie bei manchen Sachen zwei Leute drauf gucken lassen und nicht nur irgendwie eine halbe Person. Das ist doch schon so ein Clash eigentlich, der eigentlich sehr primär sein dürfte, oder?

Katja Nettesheim: Ja, absolut. Also dieses Geschwindigkeitsthema ist massiv und das sehen wir an allen Ecken und Enden. Und wenn wir das thematisieren, kriegen wir natürlich als erste Antwort immer, ja, wir sind so überlastet, als ob Startups das nicht wären. Ich glaube, es liegt tatsächlich an zwei Themen. Das eine ist die Zeit, die die Abstimmung frisst und der Rhythmus der Abstimmung. Dieses Management-by-Jour fixe, Also ich habe das bei keinem Startup bisher so intensiv gesehen. Das führt einfach zu einer unglaublichen Verlangsamung der Prozesse, weil man alle Themen, die man hat, die man abstimmen muss mit einer Person, verschiebt man bis zum nächsten Jour Fix. Wenn der jetzt nur zweiwöchentlich ist, kann es sein, dass ein Thema, was eigentlich in zwei Minuten erledigt ist, zwei Wochen liegt. bis der nächste Show fix stattfindet. Und der fällt dann auch noch aus. Dann liegt es vier Wochen und das ist einfach eine Katastrophe. Und das ist was, wo ich selber auch massiv darunter leide. Nicht nur, weil es nervt, sondern weil es halt auch zusätzliche Arbeit macht, weil man dauernd nachhaken muss und weil es auch Energie frisst, also Energie und Dynamik frisst. Und da habe ich schon ein gewisses Verständnis für Startups. Auf der anderen Seite, wenn man mit Corporates kooperieren will, muss man das leider in Kauf nehmen und dann muss man sich irgendwelche Workarounds darum finden.

Joel Kaczmarek: Was wäre denn die Alternative, wenn jetzt ein Corporate zuhört und ist besserungswillig? Was findest du spannender als so fixbasierte Abfragungen von solchen Themen?

Katja Nettesheim: Naja, also wenn das Corporate oder der Mitarbeiter in einem Corporate in der Lage ist, bei seinem Chef zu platzieren, dass Startup-relevante Themen Fast-Track-Themen sind und um es zumindest ein bisschen zu sammeln, ihm einmal am Tag zu wenn es einen Abstimmungsbedarf gibt, eine E-Mail schreibt und das per E-Mail abgestimmt wird und der Vorgesetzte dann meinetwegen per E-Mail sagt, ja passt oder passt nicht, dann wäre das zum Beispiel eine Möglichkeit.

Joel Kaczmarek: Ich meine, ich überlege gerade so zurück, wir hatten zum Beispiel bei Gründerszene damals, als wir Start-up waren, hatten wir schon Fixes und wir haben aber eigentlich erst die Probleme bekommen, finde ich, der Verlangsamung, als die Ebenen zugenommen haben. Also ich finde, diesen Scale, den man als Corporate hat, bei mir zum Beispiel, man kann das mal an Beispielen so schön bildlich machen, früher konnte ich einen Artikel schreiben, wie ich Bock hatte und irgendwann kam dann halt der Moment, da musstest du deine Redaktionsleiterin dafür abholen, dass wir irgendwas bestimmtes tun, die musste hinterher sich überlegen, welchen der Redakteure? gibt man vielleicht irgendeinen Unterteil des Artikels, wenn das mit Events zu tun hatte, musstest du deine Eventverantwortliche noch mit reinholen. Wenn der Geschäftsführer irgendwie einen Punkt hatte, weil was mit Sales war, also sagen wir mal, im schlimmsten Fall war genau auf dieser Brücke, man will was verkaufen, es hat mit Events zu tun und mit Content, hast du auf einmal drei Parteien am Tisch, die du alle abholen musstest und die Abstimmungszyklen wuchsen ins Unendliche. Und das hat man ja irgendwie in so einem Corporate nochmal mal fünf gefühlt.

Katja Nettesheim: Ja, arbeitsteilige Gesellschaft. Dafür optimalerweise schaffst du auch fünfmal so viel. Und das mit den Jofixes, ich muss das nochmal ein bisschen präzisieren, es ist ja nichts gegen Jofixes als Touchpoint zu sagen. Aber das Aufschieben von Entscheidungen, die eigentlich schnell gehen könnten, auf einen Sure-Fix in unbestimmter Zukunft, das ist halt meines Erachtens tödlich.

Joel Kaczmarek: Ist diese Größe manchmal so ein bisschen das eigentliche Problem von so einem Corporate, dass ihm seine eigene Größe, die ihn eigentlich schneller machen sollte, wenn man mehr geschafft kriegt, eigentlich viel, viel langsamer macht?

Katja Nettesheim: Ja klar, also die Synergien gibt es immer.

Joel Kaczmarek: Weil ich glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass mehr Leute mehr schaffen. Da gibt es doch, glaube ich, Metriken, dass du sagen kannst, ab so viel kippt das.

Katja Nettesheim: Deswegen habe ich ja auch gesagt, optimalerweise, ja.

Joel Kaczmarek: Okay, ich habe wieder die Ironie nicht gehört. Ach Mann. Ja, aber das wäre so mein Gefühl, was man da an Thema hat, wenn ich mit so einem Corporate zusammenarbeite, was glaube ich so die meiste Aufmerksamkeit frisst, sich durch diese Prozesse zu graben.

Katja Nettesheim: Ja, und dann eben tatsächlich dieses Thema, nicht zu wissen, wie entschieden die sind. Man hört auch von einigen Startups, die sagen, Mensch, ich habe das Gefühl, das ist so ein bisschen Selbstbeschäftigung. Solange man mit Startups redet, ist man dabei und kriegt sein Fleißbienchen ins Heft. Das darf halt schon nicht sein, weil es eigentlich niemandem hilft, niemandem wirklich hilft und die Zeit der Startups verschwendet.

Joel Kaczmarek: Ich kann das auch echt nachvollziehen. Ich habe das teilweise auch irgendwie so im Retail-Bereich auch mit Food-Sachen bemerkt. Die haben ja manchmal wirklich Bock und Interesse, aber die sind ja auch dann ordentlich irgendwie am Kurbeln in ihrem Hamsterrad, wenn sie das dann im Corporate im Prinzip nach oben und nach unten irgendwie verargumentieren wollen. Also du merkst, der Geist ist willig und das Fleisch, der ist B-Mod drumherum ist schwach. Gar nicht mal das eigene so ein bisschen. Gut, also wenn ich mal so ein bisschen zusammenfasse, meine Clashes waren im Prinzip dieses Ausgenutzt-Fühlen. Was hat man eigentlich für Erwartungen aneinander? Ego, Arroganz und dieses ganze Thema Geschwindigkeit aus der Prozessgeschichte heraus. Das wäre so was, was mir als Startup-Guy einfallen würde. Was sind so Pain-Points, die du noch hast an Clashes?

Katja Nettesheim: Also aus Startup-Sicht höre ich häufig auch diesen Pain-Point, dass die KPIs nicht passen. Wir hatten es ja gerade eben schon mal ganz kurz mit der unterschiedlichen Bewertung von Medialeistungen. Das ist aus beiden Seiten total legitim, aber es ist halt einfach eine Denkweise. Und das setzt sich fort auch in Bezug auf, was ist zum Beispiel ein vernünftiger Return? Was ist eine vernünftige Geschwindigkeit für ein Break-Even? Guckt man zurück oder guckt man vor? Mit welchem Faktor diskontiert man? Da gibt es halt auch häufig dann auf diesen Detailebenen große Unterschiede. Und jeder ist da in seinem System gefangen.

Joel Kaczmarek: Was hast du noch so für Pain-Points? Sind das so die wesentlichen? Das deckt ja so ein bisschen oder geht ja in die Richtung der Bewertung oder der Erwartung. Also Erwartungsmanagement ist teilweise anders. Also auch KPIs finde ich interessant. Hast du wahrscheinlich recht. Florian Heinemann hat auch viel darüber geredet. Beim Kaufen, Verkaufen hat man ja auch ganz andere Erwartungen und Ziele. Ein Corporate kauft ja mit einem anderen Ziel, als jetzt. irgendwie ein Gründer verkauft manchmal. Kann ich mir total gut vorstellen. Gibt es noch so ein, zwei geile Zitate auch vielleicht, die du mal irgendwie aufgenommen hast in dem ganzen Thema?

Katja Nettesheim: Also was ich auch noch habe hier ist, wenn Corporates investieren, insbesondere wenn sie erstmals investieren oder noch nicht so viel Erfahrung haben, werden sie natürlich durch das Startup verglichen mit professionellen VCs. Und da kommt es häufig zu massiven Pain Points. Also ein Founder sagte mir, als Geschäftsführer interessiert mich nur, mein Startup schnell groß zu machen. Ich muss ohnehin mindestens ein Drittel meiner Zeit mit Fundraising verbringen. Mehr darf es dann aber auch nicht sein. Und dann muss es schon nach professioneller VC-Art verlaufen. Das heißt also, Corporates sind da, wenn sie einen Fuß in die Tür bekommen wollen und noch nicht so viel Erfahrung haben, sind da schon sehr gut beraten, professionelles Verhalten an den Tag zu legen. Entweder indem sie sich jemanden mitnehmen, der es kann, oder jemanden einstellen, der es kann.

Joel Kaczmarek: Hast du eigentlich in dem Zuge auch so ein bisschen, so Scale merke ich, ist so eins meiner Lieblingsbegriffe, weil Größenunterschiede wahrscheinlich ganz viel von diesen Clashes produzieren. Hast du da manchmal auch das Problem, man sagt ja immer so diesen flotten Satz, doesn't move the needle. Wenn Springer jetzt irgendeine Digitalbutze kauft, die man wegen Werbeausspielung ganz toll kann. dann ist das im Vergleich zum, also der Umsatzimpact ist sehr überschaubar. oder VW oder Bayern oder whoever it is. Also da gibt es ja im Prinzip oft so die Problematik, dass man dann so ganz viel Ambitionen hat, will digital werden, macht was und merkt dann, okay, der Impact ist aber gar nicht so groß. Vielleicht, weil manche auch neu geschäftsgetrieben und nicht know-how getrieben sind. Und dann hat man ja manchmal die Gefahr, dass es dann brutal fallen gelassen wird oder man einfach sozusagen merkt, okay, dieser Clash der Größe, das was für so ein Startup schon voll relevant wirkt, also ich habe das im Medienbereich auch erlebt, wenn man dann ein Format vorschlägt, mit dem jeder irgendwie seine 15.000 Euro im Monat verdienen würde, das ist für ein kleines Medienunternehmen gar nicht so schlecht, für so ein Verlag, da lacht er drüber, das sind so die Spesen von einer Person pro Jahr oder so, ja?

Katja Nettesheim: Ja, das ist sogar ein noch besseres Beispiel für diese KPI-Unterschiede, die ich vorhin erwähnt habe. Eigentlich das beste Beispiel. In welchen Referenzrahmen setzt du es? Und wenn du als Corporate ernsthaft mit Startups Geschäfte machen willst und keine Gelegenheiten verpassen willst, ja, dann musst du dir halt auch ein separates Set an KPIs für diese Geschäfte zurechtlegen und den Leuten, die einimpfen und sagen, wenn wir sonst sagen, nichts unter zwei Millionen, im Startup-Bereich sagen wir halt nichts unter 200.000 zum Beispiel. Das muss so eine Führungskraft dann auch erst mal im Kopf klarkriegen, aber das geht. Pain Points ist mir eine Sache noch eingefallen, Politik. Das möchte ich ganz gerne noch mal als übergreifenden Punkt machen. Wir hatten das Thema Abstimmung, wir hatten das Thema Geschwindigkeit, aber was da zudem noch kommt, ist das Thema Politik. Und da bitte ich auch ein bisschen um Verständnis für die Corporate Ansprechpartner. Die müssen natürlich auch in ihre Gremien, gerade bei Investments müssen sie in ihre Gremien. Und da kann es schon passieren, dass da Dinge entweder getradet werden und etwas, wo man meinte, man hätte super vorbereitet, sodass die Zustimmung des Gremiums sicher ist, dann plötzlich doch gegen irgendwas anderes getauscht wird und dann doch keine Zustimmung kommt. Oder dass das Gremium halt auch irgendwie gerade auf einem anderen Trip ist. Schlecht gelaunt, eine neue Information gehabt oder so. Und dann kommen Entscheidungen zustande, die niemand vorher gesehen hat. Auch die internen Ansprechpartner beim Corporate nicht. Und die müssen es dann immer ausbaden, die Enttäuschung des Startups. Aber manchmal, und das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich war ja auch lang genug Corporate, manchmal ist es selbst für einen selber intern erratisch.

Joel Kaczmarek: Aber hat dann ein Startup nicht irgendwie sogar die berechtigte Sorge, dass das, was das Gegenüber im Prinzip ihm erzählt und verspricht, nicht so den Gehalt hat, dass er eigentlich gar nicht im Driver-Seat ist, was die Entscheidungsfindung angeht?

Katja Nettesheim: In gewissem Maße ja. Das ist eine Sorge, die ist da und die ist in gewissem Maße auch berechtigt. Aber das liegt eben daran, dass es Gremienvorbehalte gibt. Also Vorstandsvorbehalte teilweise, wenn es um große Investments geht, auch Aufsichtsratsvorbehalte. Und das lässt sich halt auch nicht ändern. Und da kann man wirklich als kluger Corporate-Mitarbeiter, bereitet man das natürlich alles vor. Aber das kann, also in den Gremien ist es genauso wie auf Gericht und hoher See. Ja.

Joel Kaczmarek: Gut, also man muss mit dem arbeiten, was man hat. Und da können wir vielleicht mal den Bogen nach hinten raus spannen. Was siehst du denn für Möglichkeiten? Was hast du für Tipps, um diese Clashes abzumildern, zu umschiffen oder vielleicht sogar aufzulösen?

Katja Nettesheim: Also wenn man jetzt mal erstmal aus Corporate-Sicht guckt, was können Corporates machen, um mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit mit Startups zusammenarbeiten, würde ich sagen, als erstes sich schon mal klarzumachen, welche Strategie man damit verfolgt. Was will man konkret von diesem Startup? Was kann man selber diesem Startup auch bieten? Und es in gewissem Maße auch wie eine Bewerbung zu betrachten. Ich wiederhole mich da gerne, gute Startups brauchen Corporates weniger als umgekehrt.

Joel Kaczmarek: Das sagt sich immer so leicht. Man denkt ja irgendwie immer, die sind so Exit getrieben und voll am Hasseln und Strampeln, um da Cash zu machen. Aber muss man erst mal schlucken, die Pille.

Katja Nettesheim: So, dann das Zweite ist, eine Ressource als Geschäftsführer einzusetzen, der so viel wie möglich Kapazitäten hat. Das heißt, dass der so viel wie nur irgendwie möglich selber entscheiden kann und der vor allem einen Rückhalt von oben hat. Was ich manchmal auch sehe, dass der Trainee auf die Start-up-Themen gesetzt wird, weil der spricht doch die gleiche Sprache. Nur dass der Trainee überhaupt nichts voranbringen kann, weil er keinen Rückhalt hat, weil er keine Agency hat, wird bei der Gelegenheit häufig vergessen. Und das führt auch wieder zu Frustration. Das Dritte ist, und das geht auf unsere vorherigen Punkte zurück, es wäre extrem hilfreich für die Erfolgswahrscheinlichkeit von Startup-Gesprächen, wenn man Prozesse wirklich transparent macht und auch Genehmigungserfordernisse am Anfang schon transparent macht. Weil es bricht ja niemandem ein Zacken aus der Krone. Zu sagen so, wir können das jetzt hier miteinander verhandeln. Ich mache das auch im besten Wissen und Gewissen. Aber seid euch dessen bewusst, dass ich danach damit noch in den Vorstand und in den Aufsichtsrat muss und der Aufsichtsrat tagt nur einmal im Quartal. Dann ist da eine Erwartungshaltung da. Und zwar auch die richtige Erwartungshaltung. Dann ein kleinerer Tipp, der sich in meiner Erfahrung gut bewährt hat, ist das Thema kluges Management von Anwälten. Ich bin ja selber Anwältin, deswegen kann ich das ein bisschen sagen, aber gerade in so kleineren Deals sind nicht alle Anwälte immer konstruktiv. Das heißt, ich würde immer raten, Anwälte dann erst an den Tisch zu bringen, wenn kommerziell alles klar ist. Und man hat als Mandant, wenn man einen Deal zustande bringen will, meines Erachtens auch eine Obliegenheit zu überwachen, dass der Anwalt sich nicht zu viel Raum nimmt. Und der vierte Punkt, und das zieht eigentlich alles zusammen, ist der Punkt, versuchen Sie sich reinzuversetzen, sage ich den Corporates immer, in die Ressourcenausstattung und auch in die finanzielle Situation eines Startups. Gerade im B2B-Bereich können die Kosten von so einer aufwändigen Vertragsverhandlung ein Startup an den Rand seiner Finanzierung bringen. Und da geht es nicht mehr um, machen wir jetzt noch irgendwie die zweite Nachkommastelle im Vertrag schick, sondern da geht es darum, müssen wir Insolvenz anmelden, ja oder nein. Und da würde ich wirklich an alle appellieren, ein bisschen Augenmaß walten zu lassen und, und das ist wichtig, auch den internen Abteilungen, den internen Dienstleistern, Rechtsabteilung, Controlling, Steuern, Bilanzen, wer auch immer da noch dabei ist, noch nicht mal die Erlaubnis, sondern die Anweisung zu geben, in solchen Fällen auch wirklich Augenmaß walten zu lassen, damit die sich nicht auf Kosten des Startups profilieren. Ja, das ist im Prinzip so das Wesentliche.

Joel Kaczmarek: Ich habe ja mitgenommen, ehrlich gesagt, diesen Punkt Empathie. Also als du vom schwäbischen Familiengründer erzählt hast, der ins Internat musste und irgendwie sich 15 Jahre lang von seinem Vater anhören, dass er nicht genug leistet.

Katja Nettesheim: Das, was du jetzt rein interpretiert hast.

Joel Kaczmarek: Das kann ich nicht. Das ist doch ein schönes Bild, oder? Da sieht man dann auf einmal so eine Verhandlung ganz, ganz anders. Also das nehme ich so mit, dass Empathie füreinander und für die gegenseitigen Zustände vielleicht. Hast du noch Startup-Tipps, wie man sich irgendwie auf Corporates besser einstellen kann?

Katja Nettesheim: Empathie ist eine tolle Brücke und vielen Dank für dieses Wort. Letztendlich fasst das sehr viel von dem hier zusammen. Auch bei Startups hilft eine gewisse Empathie für ihr Gegenüber. Ja, weil man muss einfach verstehen, dass die schon auch gebunden sind an die Prozesse, wenn sie irgendwas durchbringen wollen. Teilweise oder häufig auch zugunsten des Startups. Da hat man ja, wenn man das Verhältnis anguckt zwischen Corporate-Gesprächspartner und seinen übergeordneten Gremien, hat man plötzlich ja wieder aligned interests zwischen dem Startup und dem Corporate-Ansprechpartner. Das heißt also, da auch eine gewisse Empathie zu entwickeln für die Zwänge, in denen er lebt, hilft. Dann natürlich eine eiserne Wiedervorlage. Häufig ist es echt so, wer am lautesten und am häufigsten schreit, der kriegt es dann auch, leider Gottes. Und der Tipp ist absolut, einen langen Prozess einkalkulieren. Also fear the worst, einfach nur aus Zweckpessimismus. Man lässt sich doch lieber positiv überraschen. Und dann kann man natürlich auch um den Zeitaufwand ein bisschen geringer halten, kann man natürlich auch überlegen, ob man sich jemanden dazu holt, der das verhandelt. Gegebenenfalls dann auf die Art und Weise, sich ein bisschen diesen ganzen Ärger vom Hals hält, nur noch das Ende mitbekommt und dann auch positiver gestimmt in die Partnerschaft startet.

Joel Kaczmarek: Ich glaube, das war ein schöner Ritt durch die ganzen Emotionalitäten, die man da hat. Wir haben ganz viele unterschiedliche Sachen zusammengeworfen und können das aber, glaube ich, an unterschiedlichen Stellen fließt das alles zusammen, merkt man so. Also wenn man an einzelnen Fäden zieht, kann man ganz viele Sachen, glaube ich, parallel auflösen. Ich finde das sehr spannend und würde das den Leuten mal mitgeben. Transparenz, Empathie, Offenheit sind so irgendwie die drei Eigenschaften, die ich jetzt mitgenommen habe aus diesem Clash, um den zu bewältigen. in diesem Sinne. Feedback freuen wir uns natürlich davon. Vielleicht haben wir noch Clashes vergessen oder Lösungsstrategien. Schreibt uns E-Mails, schreibt uns Kommentare unter unseren Artikel. Unser Messenger freut sich immer, digitalkompakt.de. Du freust dich, glaube ich, auch, wenn du mal bei dem einen oder anderen als Therapeut, Berater, Unterstützer, Philanthrop, Katalysator helfen kannst. Sowieso.

Katja Nettesheim: Sowieso. Und tatsächlich, wenn wir viel Feedback bekommen, das ist jetzt nicht abgestimmt, aber ich verspreche das jetzt trotzdem mal, wenn wir viel Feedback bekommen, können wir ja auch nochmal einen Nachklapp dazu machen.

Joel Kaczmarek: Finde ich keine schlechte Idee. In diesem Sinne danke ich dir ganz herzlich.

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