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Donata Hopfen über die Digitalisierung der Bild-Gruppe
21. März 2017, mit Joel Kaczmarek, Katja Nettesheim
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Medien-Digital-Podcast. Ich bin Joel Kaczmarek und neben mir sitzt wieder Katja. Hallo Katja.
Katja Nettesheim: Hallo Joel.
Joel Kaczmarek: So, ich halte hier einen Stift in den Händen. Auf dem Klemmer steht irgendwie Bild drauf und der Stift sagt, größer denken, größer schreiben. So, wir wollen heute genau in die Richtung auch mal so ein bisschen schauen und zwar
Katja Nettesheim: Größer denken und größer reden.
Joel Kaczmarek: Genau. Jetzt haben wir eine ganz, ganz spannende Person aus genau diesem Universum hier bei uns. Und wir wollen natürlich so ein bisschen versuchen, die Digitalstrategie von Bild und im größeren Sinne Springer zu verstehen. Und da im spezifischen Paid Content, weil das ja irgendwie so ein Thema ist, was viele Verlage beschäftigt. Wie bringe ich mein Geschäftsmodell eigentlich von analog Zeitung verkaufen Richtung digital? Und da haben wir mit der Donata einen sehr spannenden Gast heute hier. Stell dich mal ganz kurz vor. Hallo. Hallo.
Donata Hopfen: Ja, ich bin Donata Hopfen. Ich bin Verlagsgeschäftsführerin bei der BILD. Ich habe ursprünglich digital angefangen. Ich habe eigentlich seit 2000 nur digitale Projekte gemacht und digitale Jobs, bis mir dann 2014 auch die Printverantwortung von BILD zugetragen wurde. Und seitdem mache ich nicht mehr nur digitale Innovationen, sondern vor allem auch Transformationen und Change. Und wir versuchen das ganze Thema Chance der Digitalisierung nicht nur für die Digitalen, sondern auch für die ehemals aus dem Print kommenden Kollegen zu denken und die Marke erfolgreich in die Zukunft zu führen.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, es ist auch durchaus so ein bisschen so ein Zeichen, wenn man jetzt sagt, man gibt das Printgeschäft in die Hand von jemandem, der eigentlich digital denkender ist und eher von dem Digital-First-Gedanken herkommt. Also das passt ja eigentlich so in eurer Gesamtstrategie, wie ihr vorgeht. Was würdest du denn sagen, wenn wir da mal so ein bisschen anfangen einzutauchen, was ist denn grob die Strategie von Build, wenn es um dieses ganze Thema digitale Transformation geht?
Donata Hopfen: Also für BILD ist es wichtig, dass wir, genau wie wir es im Print immer waren, die größte und wichtigste Meinungsquelle für Nachrichten und Entertainment sind und bleiben. Und das war für die Zeitung immer so. Wir waren und sind die größte Zeitung in Europa. Und das ist auch die Zielsetzung, die wir uns im Digitalen gesetzt haben. Diesen USP, die Art, Geschichten zu erzählen, die Art, Meinungen zu transportieren und die Art, Massen zu informieren, das ist eben auch unsere Leitschnur für das Digitale. Und ja, wir wollen das Einlauftor für Nachrichten sein und bleiben und das mediale Massenmedium in Deutschland.
Joel Kaczmarek: Was heißt das für euch dann konkret? Also was ändert sich für euch, wenn ihr diese Zielsetzung habt und jetzt eher das Ganze digital denkt als analog?
Donata Hopfen: Also ändern tut sich eigentlich gar nichts, weil für uns die Digitalisierung ein Evolutionsprozess ist. Wir machen die Digitalisierung von BILD seit 1997 eigentlich. 1997 haben wir angefangen und ab 2002 haben wir es dann deutlich intensiviert. Und seitdem gab es bei BILD immer die Printaktivitäten und die Digitalaktivitäten und jetzt seit knapp fünf Jahren das gemeinsame Denken für die Marke. Das heißt, es ist eine Evolution und wir haben sukzessive versucht, das Digitalgeschäft zu verstehen und auf unsere eigenen Erfahrungen aufzubauen und die Marke und ihre DNA zu verändern. ständig auf die neuen Auslasskanäle im Prinzip zu adaptieren. Ich glaube, das, was sich ändert, ist, dass es ständig neue Auslasskanäle, ständig neue Screengrößen, ständig neue Transportmittel für unsere Nachrichten gibt, auf die wir uns immer wieder anpassen müssen und unsere DNA neu interpretieren müssen.
Joel Kaczmarek: Also ich weiß, der Kollege Heinemann, der sagt ja manchmal ganz gerne, so ein E-Commerce-Unternehmen muss eigentlich alle fünf Jahre seine Plattform neu bauen, weil sich so viel ändert. Du hast ja gerade selber schon ein bisschen gesagt, Mobile, die ganzen Social-Kanäle. Ist das bei euch auch so ein bisschen so, dass ihr euch regelmäßig eigentlich komplett neu erfinden müsst? oder ist das eher so ein granularer Prozess, wo man sagt, das ist so eine Evolution, wie du gerade gesagt hast, dass man eher neue Schichten hinzuträgt?
Donata Hopfen: Also ich weiß ja, dass Flo das sehr kritisch sieht mit den Plattformen und dem E-Commerce. Wir haben uns bisher ganz gut gehalten, weil wir ein zentrales System haben, in dem wir im Prinzip unseren Content einphasen und aus dem heraus fieden wir dann wieder die Plattform. Das heißt, wir haben, glaube ich, eine ganz gute Strategie und auch eine ganz gute Aufstellung, sodass wir uns nicht ständig neu erfinden müssen. Aber klar, bei uns ist auch die Frage, Contents werden einmal erstellt und werden dann unterschiedlich verwendet und ich muss diese Contents teilweise für die Plattform anpassen. Also es ist Was anderes, ob ich eine Geschichte auf Instagram erzähle oder jetzt sogar auf Snapchat oder ob ich sie in der Zeitung erzähle oder auf dem stationären Internet. Das haben wir sehr früh gemerkt, weil wir festgestellt haben, dass wir unsere ersten Erfahrungen auf dem Handy, wir hatten völlig andere Zugriffszeiten als stationär im Internet. Also gerade so Champions League oder die Leute nehmen das Telefon mit ans Bett, das wissen wir alle, bedeutet halt für einen redaktionellen Ablauf, dass ich zu einer ganz anderen Zeit aktuell sein muss, als ich das ursprünglich mal war. Und so geht das ständig weiter. Die Art des Konsumierens auf den sozialen Netzwerken, auf Instagram, Snapchat, Facebook, auf Twitter sind anders als auf anderen Plattformen. Und so, glaube ich, haben wir es ganz gut geschafft, aus unserem Kern, aus unserem Content-Management-System immer gut andere Plattformen anzusteuern und anzudoggen. Und das machen wir auch mit ständig neuen Teams. Das machen wir nicht mit den gleichen Leuten.
Katja Nettesheim: Okay, wollte ich gerade fragen, wie sehen da konkret eure Prozesse aus? Also wie viele verschiedene Versionen einer Story macht ihr und wer macht das? Wie läuft das?
Donata Hopfen: Also das ist ja jetzt ein redaktionelles Thema und die Kollegen haben in ihren Redaktionsprozessen sich auch ständig erneuert, weil früher hat man ein Angebot für die Zeitung gemacht und heute haben wir im Prinzip unterschiedliche Verantwortliche für die unterschiedlichen Auslasskanäle. Es gibt jemanden, der hat den mobilen Hut auf, es gibt jemanden, der hat den App-Hut auf, es gibt jemanden, der hat den Instagram-Hut auf und den Snapchat-Hut auf. Und aus einem Angebot werden dann im Prinzip die unterschiedlichen Geschichten rausgezogen oder aber auch es entstehen unter Tage Geschichten, die auf einer Plattform gut laufen. Das sehen wir dann in unserem Analytics-System und dann gucken sich die anderen Plattformen die Geschichten an. Also das ist ein sehr intensives Kommunizieren und Analysieren, was wo gut läuft. Und wir haben eben auch ein Team, was sich rein journalistisch damit beschäftigt, zu gucken, was trendet gerade in den unterschiedlichen Plattformen. Und was vielleicht ganz spannend ist, wenn eine neue Plattform aufkommt, dann gucken wir sehr früh, dass wir Erfahrung sammeln. Teilweise mit der Marke Bild, teilweise auch mit Subbrands, die wir haben, wenn wir noch nicht klar sind, wie wir das mit Bild machen würden. Und dann fangen wir an, unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln. Das machen wir meistens in einem Team von Leuten, die echt heiß sind auf das Thema und denen wir totale Freiheit geben.
Joel Kaczmarek: Ich könnte mir vorstellen, dass so das ganze Thema Social Distribution, also wie nehme ich meinen Inhalt, der eigentlich früher auf meiner Plattform lag, wo ich früher den Gedanken hatte, der Leser kommt zu mir, wie bringe ich den jetzt eigentlich zum Nutzer hin? Das wird ja irgendwie immer komplexer. Was sind denn so deine Haupt-Takeaways, worauf es dabei ankommt? Also du hast ja schon so ein bisschen was gesagt, man muss gucken, was ist Trending, man muss das andere Kommunikationsverhalten bedenken, man muss schauen, dass man sozusagen für den Kanal eine eigene Aufbereitungsform gibt, aber gibt es sonst irgendwie noch Gesetze, wo du sagst, diese ganze Distribution eurer Inhalte über diese Dutzenden von Kanälen, wie ihr da vorgeht?
Donata Hopfen: Also ich glaube, man muss ganz viel Gefühl für die Zielgruppen entwickeln. Hinter jeder Plattform hängt eine andere Zielgruppe und ein anderer Use Case. Also die Leute erwarten halt bei Twitter was anderes, als sie bei Instagram oder bei Snapchat erwarten. Und je näher ich dran bin an meiner Zielgruppe, je mehr ich in die Interaktion gehe, je besser weiß ich, was funktioniert. Und ich glaube, unsere Strategie dazu ist, dass wir tatsächlich dedizierte Spezialisten für die jeweiligen Plattformen haben. Das ist ehrlich gestanden echt teuer, weil das, was früher mal Degradationstod hieß, als es darum ging, Websites für unterschiedliche Handys aufzubereiten, das kann man heute eigentlich wieder aus der Tasche ziehen, weil ich meine Inhalte in unterschiedliche Dimensionen bringen muss und das funktioniert nicht immer vollautomatisch. Das heißt, ich glaube, am Ende des Tages haben wir als Bild eine Super Position, weil wir groß sind und weil sich bei uns aufgrund der Größe noch relativ viel lohnt. Aber ich glaube, für kleinere Marken, die vielleicht nicht so die Power haben, stelle ich mir das deutlich schwieriger vor.
Joel Kaczmarek: Ich meine, das musst du doch eigentlich auch selber mitkriegen. Du hast ja auch gesagt, ihr arbeitet mit Sub-Brands. Also wenn man jetzt irgendwie auf bild.de mal geht, dann sieht man öfters mal irgendwie einen Travel-Book, macht Reisegeschichten. Ich glaube, Style-Book heißt das, macht so Fashion. Dann habt ihr irgendwie einen Jugendableger.
Donata Hopfen: Neues, genau, ja.
Joel Kaczmarek: Also in meiner Wahrnehmung ist es zum Beispiel so, wenn man als neue Brand jetzt auf Facebook zum Beispiel startet, man wird ja unglaublich limitiert, weil die sozusagen eigentlich ihre Social Relevance monetarisieren und wollen, dass du Geld ausgibst für Werbung. Also so ein bisschen als duale Frage gedacht, sind Sub-Brands bei euch ein wichtiges Element, um irgendwie diese Reichweite, die ihr habt, so ein bisschen plattformmäßig auch zu nutzen? und was sind irgendwie die Erfahrungen, wenn man da quasi nochmal jetzt nicht von neuem von null startet, aber zumindest so ein bisschen so einen anderen Take-Off hat?
Donata Hopfen: Also Sub-Brands sind aus meiner Sicht sehr wichtig, weil es ist eine Art auch Kunden und Nutzer zu segmentieren. Also BILD ist traditionell immer noch männlich, also 60, 40, 70, 30, je nachdem wie ich mir den Kanal angucke. Sehr viel Sport nach wie vor und es ist halt eher ein männlicher Brand. Und da stellt sich ja dann als Stratege immer die Frage, in welche Richtung arbeite ich? Versuche ich die männliche Zielgruppe einfach besser anzusprechen oder versuche ich es zu verweiblichen? Und wir haben uns dann entschieden, dass wir diese DNA nicht verändern wollen, weil das natürlich auch eine Riesenstärke ist. Absolut. Und haben dann aber gesagt, wir müssen mal gucken, dass wir die anderen Zielgruppen auch erwischen. Und mit Stylebook, das war unser erster Ableger, haben wir gesagt, komm, wir machen ein Angebot, was speziell für Frauen ist oder für weibliche Interessen, News, Fashion und Beauty. Versuchen einfach mal, die riesen Reichweiten, die wir haben, anders zu channeln und in Stylebook reinzuschieben. Das hat auch super funktioniert. Wir haben da halt dann mit einer sehr weiblichen Zielgruppe zu tun und so hat jede unserer Aktivitäten und Sub-Brands irgendwo seine Legitimation. Beim Tech-Book, da geht es ganz speziell um Tech-Themen. Wir haben ein Travel-Book, da geht es um Travel-Themen und wir haben jetzt ganz neu ein neues N-O-I-Z-Z-Jugendportal, wo wir ganz stark auf das Lebensgefühl der jungen Digitalen setzen. Es müssen nicht zwingend junge Leute sein, aber die müssen sich zumindest jung fühlen.
Joel Kaczmarek: Und habt ihr da irgendwie Erfahrung gemacht, was anders ist, wenn man so eine Marke jetzt sozusagen neu startet? Also ist ja sicherlich mit einem gewissen Dach, was man irgendwie dann auch nutzen kann. Aber hast du da irgendwie Veränderungen bemerkt?
Donata Hopfen: Also BILD ist total dankbar, weil es eine Marke ist, die total bekannt ist. Und BILD ist eine der großen Destinationen in Deutschland. Das ist auch strategisch für uns total wichtig. Also wenn wir uns Sachen angucken, heißt es immer so, wie können wir als News Destination und als wirkliches Eintrittstor erhalten bleiben in der Zukunft. Ich will, dass die Leute Bild direkt klicken und nicht über irgendwelche anderen Kanäle. Das ist natürlich sehr dankbar und da gibt es sehr viel zu verwalten und auch darauf aufzusetzen. Und wenn ich mit Stylebook neu komme, dann ist das natürlich viel, viel komplizierter, Nutzer zu gewinnen. Ich habe zwar immer meine Bild als Contentquelle, aber am Ende des Tages muss ich auch da eben, früher war es SEO oder jetzt eben Social Marketing machen und mir Kooperationsideen ausdecken, die da funktionieren. und Ich glaube, wir merken an den Stellen ganz oft wieder, wie dankbar man sein kann, dass man mit Bild so groß ist und so relevant und was man da eigentlich an Assets hat. Weil so einfach ist es nicht, sowas aufzubauen. Muss man ganz ehrlich sagen. Es funktioniert immer wieder, aber es ist nicht ganz einfach.
Joel Kaczmarek: Ist Marke denn generell irgendwie ein Faktor, der irgendwie jetzt im digitalen Journalismus nochmal wichtiger geworden ist? Weil ich weiß, viele Startups, sei es jetzt mal E-Commerce oder irgendwelche anderen Themenbereiche, also wirklich Core Internet, die entdecken ja so ein bisschen die Marke für sich. Also viele machen ja immer so Performance-Marketing. Wie kriege ich Kunden? Zu welchem Preis? Ich habe so das Gefühl, dass so eine Sensitivität wieder zunimmt für Marke.
Donata Hopfen: Also ich glaube total an Marke insgesamt. Es gibt immer Leute, die sind gut und günstig, aber es gibt eben auch Marken, die haben eine Reputation und die haben ein Markenversprechen und auch ein Vertrauen. Und gerade im Internet oder im digitalen Nutzung, glaube ich, für Nachrichten wird das Thema Marke jetzt mehr denn je entscheidend sein. Wir sehen das Thema Fake News, wir sehen das Thema, dass immer mehr Inhalte von irgendwelchen Quellen in irgendwelche Richtungen geschoben werden. Keiner weiß, ob es wahr oder nicht ist. Und ich sehe eine Riesenchance für verlässliche Quellen, nämlich für die etablierten Medienmarken, aus diesem Trend, der aus meiner Sicht ein wirklich etwas besorgniserregender Trend ist, eine Tugend zu machen. Und Bild mag man mögen oder nicht, das Gute bei Bild ist immer, es polarisiert. Aber es steht zumindest für sichere Quelle, es steht für guten Journalismus, es steht für eine Recherche, es steht dafür, dass die journalistischen Kriterien von Bild und von Axel Springer angewendet wurden. Und Bild soll polarisieren und Bild polarisiert, aber es ist zumindest eine sichere Quelle. Und ich glaube, in der heutigen Zeit, gerade wenn man sich mal anguckt, was man bei Facebook teilweise an Nachrichten angeboten bekommt, da ist es ganz gut, wenn man da einige seriöse Quellen dazwischen hat, die einem wirklich die Dinge richtig einordnen.
Katja Nettesheim: Apropos Facebook und Marke. Ganz viele Medienmarken sagen ja, sie machen nicht viel Distributed Content, weil sie Angst haben um ihre Marke, weil bei Facebook eben Facebook der primäre Absender ist. Und sie meinen dann, die Absenderschaft der Medienmarke nicht mehr wahrgenommen werden würde. Jetzt macht ihr sehr viel Facebook. Habt ihr irgendwelche Erfahrungen gemacht, wie sich das auf die Marke auswirkt? Also wie hoch ist der Anteil der Leser, die noch die Nachricht auf Facebook zu Bild zuordnen können?
Donata Hopfen: Also ich glaube halt immer, du kannst Trends und Tendenzen nicht aufhalten. Finde ich auch. Und wenn ich als Medienhaus, Medienpräsent sein möchte und man erkennt, dass ein großes Einflugstor der Social-Kanal ist, dann muss ich darauf eine Antwort finden. Absolut. Ich mache mal eine Klammer, sofern da auch ein Geschäftsmodell dahinter liegt. Ja, auch das. Aber was wir machen und wir experimentieren ganz früh und ganz viel. Ich glaube halt immer, du musst es selber am eigenen Leib erfahren, um zu sehen, ob es für dich eine Chance ist oder nicht. Und wenn man sich die Bildvideos oder die Bildartikel anguckt, wir branden schon sehr, sehr stark. Wir branden teilweise sieben, acht Mal in einem Clip. Also das geht von der Haube des Mikrofons über das klassische Taggen des Videos. Und das ist, glaube ich, wichtig. Du musst versuchen Köpfe zu etablieren, die deiner Marke zugeordnet werden. Und du musst versuchen, deine Marke einfach so prominent wie möglich zu setzen. Und es hilft natürlich auch, wenn du eine spezielle Art des Storytellings hast, das sich immer wieder auch zu deiner Marke zuordnet. Und so nutzen wir Social Media und probieren viel, merken, dass es auch ganz gut funktioniert und dass die Artikel auch großteils uns zugeordnet werden.
Katja Nettesheim: Sehr schön. Danke.
Joel Kaczmarek: Ich staune ja trotzdem manchmal so ein bisschen, als jemand, der relativ weit weg ist von euch, dass ein Facebook, finde ich, von der deutschen Verlagswelt, aber auch sicherlich von euch im Speziellen, relativ hofiert wird, während ihr in Google zum Beispiel immer sehr aggressiv gesehen habt. Wenn ich so an das ganze Thema Leistungsschutzrecht denke und so. Also seht ihr nicht eigentlich ein Facebook auch ein Stück weit als Risiko für euch?
Donata Hopfen: Also ich würde an keiner Stelle unterschreiben, dass wir Facebook kaufieren.
Joel Kaczmarek: Ich erinnere mich noch, wie der bei euch einen Preis gekriegt hat, der Mark Zuckerberg. Ich habe schon so das Gefühl, dass gerade auch Döpfner irgendwie sehr, sehr positiv Facebook kauft.
Donata Hopfen: Also ich glaube, jeder Medienschaffende heute kennt die Risiken und Chancen von Facebook. Und jeder Medienschaffende kennt auch die Risiken und Chancen von Google. Ich glaube, dass am Ende des Tages für Medienhäuser wichtig ist, dass man eine Strategie findet, all along in diesen Plattformen zu funktionieren und ein Geschäftsmodell zu haben, um auch in die Zukunft zu gehen. Und je mehr Plattformen da sind, je größere Pluralität da ist, je besser ist das. Ich glaube, das Leistungsschutzrecht, was sicherlich viele nicht richtig verstanden haben, weil es auch teilweise vielleicht nicht richtig erklärt war, ist an sich schon ein sehr wichtiges Asset, damit das, was Journalisten machen, irgendwo einen Schutz bekommt und damit man daraufhin auch, versuchen kann, das Geld zu verdienen, was einem zusteht, um es jetzt mal ganz platt zu sagen. Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen, aber ich glaube, dass ein großer Teil der Diskussionen, die heute stattfinden, auch zeigen, dass die Richtung, dass journalistische Inhalte schützenswert sind, dass die irgendwie ihre Legitimation haben. Genau, Facebook, Google, Snapchat, wer auch immer kommt, je mehr Plattformen es gibt und je höher der Wettbewerb ist, je besser ist das für uns. und ich würde alle, die da kommen, als Frenemies bezeichnen, weil sie auf der einen Seite uns eine Riesenchance ermöglichen, auf der anderen Seite auch brandgefährlich sind.
Joel Kaczmarek: Siehst du denn Geschäftsmodelle für Fully Distributed Content? Also dass man sagt, ich werde dezentraler, ich muss nicht mehr den Nutzer bei mir auf der Seite haben oder ist das was, was du eher ausschließt?
Donata Hopfen: Ich glaube ehrlich gestanden, es kommt da total darauf an, von wo ich komme. Es gibt sehr viele Startups, die mit sehr geringen Kostenbasis ihr Geschäftsmodell auf die Social Media Plattform geschrieben haben und denen reichen sehr kleine Margen. Das ist aber auch oftmals jetzt nicht das Geschäftsmodell, was einem klassischen Mediengeschäftsmodell ähnelt. Wenn wir unser Geschäft angucken, dann setzt sich ja so ein Medienangebot aus Geschichten zusammen, die besonders interessant sind und ganz besonders unterhaltsam sind. Und eben auch aus Geschichten, die gesellschaftspolitisch total relevant sind. Also Kriegsberichterstattung, Krisenberichterstattung, dieses. ich recherchiere acht Wochen an einer Geschichte, weil ich glaube, da ist was dran. Das wird nicht immer einen Klickrekord bringen, aber das ist für die Meinungspluralität, für das, was wir als Medienhäuser glauben, machen möglich. zu müssen, nämlich denen die Verantwortung tragen, auf die Finger zu gucken, ist total wichtig. Und da bin ich mir nicht ganz sicher, ob da ein Social-Media-Modell alleine reicht. Also anders, ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht reicht. Das heißt, ich glaube, seriöser Journalismus, der muss noch andere Revenue-Quellen haben als bloß die Mini-Cent, die aus den Social-Media-Distributionen kommen.
Katja Nettesheim: Es sei denn natürlich, es gäbe irgendwie ein zweites, ein Paid-Content-Geschäftsmodell über Social-Media. Und da ist weniger die Frage, ob die Verlage das wollen, weil die würden wahrscheinlich dann doch eher zustimmen, aber ob Facebook das will. Man kann ja darüber nachdenken, einen Buy-Button einzubauen, analog E-Commerce-Geschäftsmodellen und da über Nano-Payments was zu machen. Aber das geht halt nur mit Zustimmung und Wollen von Facebook.
Donata Hopfen: Und meine ganz feste Überzeugung ist, das wird kommen, weil es wird auch E-Commerce über Social Media intensiver kommen. Und in dem Moment, wo die Strukturen da sind, ist es egal, ob ich da Turnschuhe, Schallplatten oder Contents verkaufe.
Katja Nettesheim: Ja, wobei man muss ein bisschen gucken, die Beträge sind halt andere. Ab wann ist es ökonomisch noch sinnvoll, da Beträge abzuwickeln? auf E-Commerce?
Donata Hopfen: Ja, aber das können ja Abo-Modelle sein. Das sind ja in meisten Fällen Abo-Modelle. Ich glaube, dass das ein Weg sein kann, um die Medienhäuser aus der eher traditionellen Welt kommend bei Laune zu halten. Facebook kann auch das anders machen und die ganzen Medienhäuser jetzt vergrätzen und denen sagen, ihr habt bei uns kein Geschäftsmodell und wir lassen das alles. Ich glaube nur, dass das für die Qualität von Facebook am Ende des Tages nicht zuträglich ist.
Katja Nettesheim: Das ist auch nicht in deren Interesse, glaube ich.
Donata Hopfen: Ich glaube das auch nicht, deswegen wird es da sicherlich irgendwo eine Lösung geben.
Joel Kaczmarek: Aber das ist ja mal eine ganz gute Brücke zu diesem ganzen Thema. Paid Content. Ihr seid ja da durchaus jemand, der sich da sehr verdient gemacht hat und der das irgendwie sehr, also das kann man auch mal positiv sehen für so ein Geschäftsmittel.
Donata Hopfen: Du bist sehr kritisch, merke ich mit der Bild insgesamt. Sehr, sehr kritisch. Das kann man ja mal positiv sehen. Ja, Wahnsinn.
Joel Kaczmarek: Ich sehe das positiv. Also ich finde euren, sozusagen diesen Ansatz zu sagen.
Katja Nettesheim: Er ist immer so. Es hat nichts mit euch zu tun.
Donata Hopfen: Alles gut.
Joel Kaczmarek: Du hast ja gerade gesagt, kritischer Journalismus muss seinen Platz haben. Auf jeden Fall. Nein, vielleicht kannst du ja mit eigenen Worten mal zusammenfassen, was ist denn so eure Paid-Content-Strategie derzeit?
Donata Hopfen: Die Geschichte ist relativ einfach erzählt. Wir haben ja schon glaube ich 2009 uns sehr intensiv darüber Gedanken gemacht, wie wir mit unseren Contents eigentlich langfristig im Digitalen umgehen. Es hat dann, das werden viele nicht mehr erinnern, aber es gab dann plötzlich bei Apple auf den iPhones einen App-Store. Das war damals sehr neu und toll und da konnte man Sachen verkaufen. Und da haben wir uns entschieden, dass wir unsere Inhalte page stellen, dass wir die Bild-App, die wir entwickeln, nur verkaufen. Und das war eigentlich der Start in der klassischen Bild-Strategie zu sagen, komm, wir probieren das mal aus, wenn das funktioniert, dann haben wir ein Geschäftsmodell gefunden und wenn das nicht funktioniert, dann können wir es immer noch gratis stellen. Das war eigentlich der Start und so haben wir weitergemacht und festgestellt, dass das für uns echt gut funktioniert und haben uns dann entschieden, entschieden, das ganze Thema breiter aufzusetzen und haben 2011 BILDplus gestartet, das Paid-Content-Modell von BILD. Die Strategie ist recht einfach. Alles, was ganz klassische Nachrichten sind, die eher aus Agenturen kommen und die jeder hat, die sind weiterhin gratis. Das ist auch wichtig, weil wir eine große, große Reichweite haben, die wir sehr gut monetarisieren und noch nicht verlieren wollen. Und alle die Inhalte, die nur Bild so bringen kann, wie Bild sie bringt, indem sie entweder exklusiv sind, einen besonderen Dreh haben, ein besonderes Foto haben oder aber eine besondere Zusammensetzung haben, die sind eben nur noch mehr nach Bezahlung erhältlich. Und dazu haben wir 2011 noch ein spezielles Recht der Fußball-Bundesliga bekommen, nämlich Highlight-Rechte, die wir ab 60 Minuten nach Spielende verwerten. Und das zusammen haben wir in Paid-Produkte geschnürt und sind 2011 an den Start gegangen. Ja, seitdem ständig gewachsen. Es gab noch keinen Monat, wo das nach unten gegangen ist, worauf wir sehr stolz sind. Möge es nicht der nächste sein. Ich meine, Kismet wäre es. Nein, nein. Nein, aber wir sind jetzt bei 347.697, also nach 348.000 bezahlenden Abonnenten. Die zahlen Rund fünf Euro im Monat und das gerne auch über viele Monate am Stück. Und deswegen kann man sagen, für uns ist das super aufgegangen. Das ist nach wie vor im Test, weil da ist kein Tag wie der andere und jedes Schraubchen muss ständig nachgedreht werden. Aber unsere Paid-Content-Strategie ist eben genau darauf weiter aufzusetzen und zu gucken, dass wir eben das Geschäftsmodell, was es im traditionellen Mediengeschäft ja gab, nämlich Vertriebserlöse und Anzeigenerlöse, dass wir das eben auch ins Digitale transformieren. Und ich glaube, das haben wir jetzt auch geschafft.
Joel Kaczmarek: Hast du so ein Gefühl dafür bekommen, was ein Content haben muss, damit du den im Prinzip konvertiert kriegst in so einen Abonnenten? Weil das ist ja im Prinzip so ein bisschen so ein Appetizer-Element. Auch gewisse Sachen gibt es kostenlos und ihr macht dann auch so ein anderes und dann muss, wenn man weiterlesen will, muss man zahlen. Also was sind da so eure Learnings, wie die konvertieren, was man tun muss damit?
Donata Hopfen: Also unsere Learnings sind eigentlich, dass du einen Artikel setzt und dann guckst, wie er funktioniert und dann guckst du, dass der gut funktioniert und dann musst du an dem Artikel weiterarbeiten oder an der Kooperation. Wir machen sehr viel Conversion, das ist der Hauptteil der Conversion über unsere Artikel und über den Content, machen natürlich aber auch Kooperationsgeschäfte. Aber es zeigt meistens die Analytik sehr, sehr schnell, welche Artikel gut funktionieren und welche nicht. Es gibt so einige Themen, die einfach gut funktionieren. Das ist das klassische Boulevard, wo BILD oftmals Hintergründe und Exklusivitäten hat. Es gibt spezielle Reportagen, die gut funktionieren, beziehungsweise ein Thema, was hervorragend funktioniert, ist immer wieder Rocker. Da wäre jetzt niemand drauf gekommen, aber Rockerkrieg vor und zurück funktioniert hervorragend. Genauso mal spezielle Drehs bei Interpretationen von irgendwas, was im Fernsehen gelaufen ist, aber auch mal harte politische Geschichten. Ja, also zum Beispiel eines der sehr gut konvertierendsten, wenn nicht sogar bestkonvertierendsten Artikel war die Akte des Germanwings-Piloten damals nach dem Absturz. Ja, klar. Es sind sowohl harte als auch weiche Geschichten und was wir feststellen ist, Bild ist auch digital, wir sind einfach echt groß und es ist ein Abbild der Bevölkerung. und unser Eindruck ist, die Menschen sind mit dieser Aufforderung zur Bezahlung mehrfach in Kontakt gekommen und dann ist es der entscheidende Artikel, der sie interessiert, der sie dann im Prinzip dazu bringt zu kaufen. Es gibt immer Trends, aber es kann auch tatsächlich mal der Einzelartikel sein, der dann fünf bis zehn User überzeugt.
Katja Nettesheim: Also steht der Tropfen, hüllt den Stein.
Donata Hopfen: Total. Also unsere Kollegen sagen immer, don't set it and forget it, sondern du musst halt ständig dranbleiben, ständig nachschrauben. Und es ist irrsinnig viel Analyse. Also Analytics spielt einen Riesen.
Katja Nettesheim: Hast du eine Größenordnung, wie viele Kontakte der braucht, bis er dann kauft? Oder bist du dann subscribed?
Donata Hopfen: Also habe ich jetzt nicht im Kopf, aber es ist tatsächlich so, wenn wir eine gute Geschichte haben oder eine gute Kooperation, dann können es Leute sein, die deswegen kommen und es lesen wollen. Auf der anderen Seite gibt es auch Leute, die sind 20 Mal dagegen gelaufen und entscheiden sich dann am 21. Mal.
Katja Nettesheim: Also große Spannbreite.
Donata Hopfen: Totale Spannbreite, wie bei allem, was wir machen.
Katja Nettesheim: Ganz kurz nochmal das Kooperationsgeschäft, von dem du gerade sprichst. Das heißt, ihr habt dann Inhaltekooperationen mit anderen Medienpartnern oder was?
Donata Hopfen: Ja, das sind unterschiedliche Sachen. Bundle-Geschäfte, teilweise sind es exklusive Video-Inhalte. Wir machen eine Kooperation mit Vodafone zum Beispiel. Also jeder, der sich da anbietet, der entweder einen guten Sales-Funnel hat oder der gute Contents hat, die wir gut bündeln können, probieren wir aus.
Joel Kaczmarek: Also Resending ist eigentlich ein Konzept, was irgendwie auch bei Paid-Content funktionieren kann. Höre ich da so ein bisschen raus?
Donata Hopfen: Ja, total. Also ich meine, nichts anderes hat man in der Vergangenheit auch gemacht. Es ist ein bisschen ehrlich gestanden wie das Pay-TV-Modell. Wenn wir uns angucken, was Sky macht oder so, dann machen wir das zwar sehr im Kleinen, aber es ist im Prinzip sehr ähnlich. Ständig andere Bundles schnüren, damit ich andere Zielgruppen bediene oder interessiere, an den Preisen schrauben, damit man immer wieder Angebote hat.
Joel Kaczmarek: Ich glaube, das funktioniert ganz gut. Ich weiß, mein Vater hat auch mit Plus geklickt, weil er Karten von den Rolling Stones haben wollte, die man bei euch erstellen konnte. Ja, genau.
Donata Hopfen: Das war ehrlich gesagt echt cool, weil da gab es einen Vorabverkauf von Rolling Stones exklusiv und ich glaube, die Tickets waren ausverkauft nach BILD+.
Joel Kaczmarek: Aber ich glaube, so um 12 Uhr live geschaltet, um 12 Uhr eins weg, also das ist ja raketenhaft.
Donata Hopfen: Ja, und das war ein guter BILD+.
Joel Kaczmarek: Hast du auch so ein bisschen, auch wenn man als Verlag vielleicht nicht so gerne darüber redet, Startups interessieren sich auch mal für Retention. Also wie lange nutzt ein User typischerweise so ein Abo? Ist das was sehr Long-Termiges oder ist das eher so, man gewinnt den, verliert den wieder, gewinnt ihn zurück?
Donata Hopfen: Also es kommt sehr auf die Kohorte an und es kommt auch sehr darauf an, wie die Nutzer gewonnen wurden. Wir sagen zu unseren CLVs nichts, aber es ist total klar, dass diejenigen, die über den Content kommen, diejenigen sind am stickiesten sind. Während die, die über Kooperationen kommen, teilweise auch dann irgendwann wieder weg sind, wenn die Kooperation für sie sich erledigt hat. Insofern ist das eine gute Mischung und wir sind mit den Lifetimes aber tatsächlich sehr zufrieden. Und BILD Plus Nutzer am Ende des Tages sind BILD Markenliebhaber und das merkt man.
Joel Kaczmarek: Was glaubst du denn, wie wichtig ist denn in einer Welt von Paid Content eigentlich Personalisierung mit der Zeit?
Donata Hopfen: Ja, aus meiner Sicht gibt es ein großes Für und Wider für Personalisierung. Die Marke Bild ist von der DNA her eher so, dass die Art des Zusammensetzens der Themen sehr viel Markenkern ist. Und die Art, wie diese Zeitungen oder auch die digitalen Inhalte zusammengesetzt werden, gehört total mit zum USP. Und dazu gehört auch, dass die Schlagzeile zumindest mal weitestgehend ähnlich ist in ganz Deutschland. Wir haben zwar 23 Regionalausgaben im Print, aber wenn was Wichtiges passiert, sieht die auch immer gleich aus. So, das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite wissen wir alle, dass jeder immer mehr von dem lesen möchte, was ihn eigentlich wirklich sehr interessiert. Und deswegen ist Personalisierung ein großes Thema. Wir machen das auch mit verwandten Artikeln oder Ähnlichem zum Thema eigentlich bei uns in jeder Seite. Aber ich glaube, da muss man auch sehr vorsichtig sein, dass man am Ende die Marke nicht beschädigt. Es muss eine gute Mischung sein. und die Journalisten und Redakteure, die bei BILD arbeiten, die haben ein super Bauchgefühl und ich glaube halt, dass du dieses Bauchgefühl nicht mit Mathematik tot machen darfst.
Joel Kaczmarek: Ja, weil ich finde, darin seid ihr eigentlich Weltmeister, eure Bildseite sozusagen gefühlt im Fünf-Minuten-Takt oder noch kleiner neu zu erfinden, dass ich eigentlich regelmäßig auf eure Seite kommen kann und es ist komplett anders orchestriert und diese Geschwindigkeit da, um die Sachen raufzunehmen. Also das finde ich sehr, sehr spannend. Habt ihr denn eigentlich so internationale Vorbilder oder vielleicht auch national, wenn es rund um das Thema Paid Content geht?
Donata Hopfen: Also national ist ganz schwer.
Katja Nettesheim: Ja. Okay, ihr habt auch die meisten Paid-Subscriber.
Donata Hopfen: Ja, wir waren die ersten. Wir sind der absolute Innovationsführer, auch wenn es gut klingt, wenn man es selber sagt.
Katja Nettesheim: Naja, dann sage ich das. Ihr seid der absolute Innovationsführer bei Paid-Content.
Donata Hopfen: Danke. Was wir machen ist, wir haben vor vier Jahren angefangen, die wenigen internationalen Player immer zusammen zu trommeln. ein Paid-Content-Summit veranstaltet. Das waren damals echt nicht viele. Und das sind am Ende die großen Amerikaner, ein paar Player in Europa und ein bisschen was in Australien und Asien. Und heute ist das aus unserer Sicht eine der wertvollsten Veranstaltungen, die wir bei Axel Springer jedes Jahr machen, immer im Februar. Heute, dieses Jahr hatten wir da über 80 Teilnehmer und jeder darf eigentlich immer nur mit zwei Leuten kommen. Insofern könnt ihr euch vorstellen, dass das echt eine super Runde ist. Und das Spannende ist, gerade wenn ich international schaue, ich habe ja dann keinen Wettbewerb, sondern kann mich da sehr, sehr offen zeigen, was funktioniert und was nicht funktioniert hat. Und für uns New York Times und Wall Street Journal machen da schon der Washington Post zusammen einen super Job. Kann man nicht anders sagen. Und jeder ist unterschiedlich und jeder hat seine Strategie auf seine Marke angepasst. Aber das sind die, mit denen wir uns intensiv austauschen.
Katja Nettesheim: Wie haben sich denn die Themen verändert über die vier Jahre in dem Paid Content Summit?
Donata Hopfen: Also am Anfang war das ein Gespräch, was auch viel um Technik ging. Wie hast du die Authentifizierung gelöst? Welche Schranke oder welche Paywall hast du dich entschieden? Machst du irgendwie Mietert oder machst du ein Abo-Modell im klassischen Sinne? Oder machst du Freemium? Und das ist jetzt im Prinzip bei allen irgendwo gesetzt. Jeder hat die Vor- und Nachteile seines Modells festgestellt und kann auch sehr gut darüber reden. Es geht jetzt vielmehr darum, wie kann man die Conversion optimieren? Es gibt jetzt bei der New York Times so eine dynamische Paywall. Das finden wir total spannend. weil wir glauben, dass das ein Personalisierungsthema ist, das gut funktionieren kann. Es geht ganz stark auch um Marketingmodelle. Es geht ganz stark darum zu überlegen, wie kann man das Paid-Content-Modell auch mit dem Print noch stärker verknüpfen. Und auch das Thema Distributed Content spielt natürlich dafür Paid-Content eine große Rolle. Also man merkt, das ist jetzt nicht mehr so eine experimentelle Gruppe von Anfängern, sondern das sind halt jetzt Leute, die sind jetzt da im Geschäft. Und ich glaube, für jemanden, der sich damit noch nicht beschäftigt, der versteht auch gar nichts mehr. Solche Sachen werden dann ja alle sehr speziell irgendwann. Ich glaube, da sind wir jetzt gelandet.
Joel Kaczmarek: Super. Wie bepreist man denn eigentlich digitale Inhalte? Gerade wenn immer alles kostenlos ist, sagen ja immer alle, dann wird das irgendwie so schwierig. Hast du da irgendwie was gelernt oder eine Daumenregel, wo du sagst
Donata Hopfen: Also wir haben das so gemacht, wir haben uns alle mal aufgeschrieben, was unser Gefühl ist, was man wie bepreisen müsste. Dann haben wir eine riesen Preismarktforschung gemacht. Richtig teuer, richtig aufwendig. Also richtig so viel irgendwie von allem. Und dann kam irgendwie genau das raus, was wir uns vorher alle aufgeschrieben hatten. Okay. Insofern, das ist auch immer das, was ich sage, wenn mich jemand fragt, was würdest du anders machen? Ich würde zwei Sachen anders machen. Ich würde mit einer viel einfacheren Technik anfangen. Ich würde nicht jeden hypothetischen Use Case einbauen, sondern ich würde mit einem MVP anfangen und dann einfach loslegen und gucken, was passiert. Und ich würde den Preis so setzen, wie ich glaube, dass ich ihn setzen würde. Und dann würde ich mich von da aus entlanghangeln. Weil es ist so ein bisschen wie damals diese Aussage von Steve Jobs, hätte ich jemanden gefragt, ob er ein Handy oder ein Display haben will, hätte keiner das gewollt, weil sich keiner vorstellen kann. Paid Content wollte ja auch keiner. Und die Leute wollen dafür auch nichts zahlen. Deswegen brauchst du auch keine Preissensibilitäten abzufragen eigentlich.
Katja Nettesheim: Ja, weil es per se eine Negativnachricht ist, weil es bisher ja kostenlos war. Da will niemand was für zahlen.
Donata Hopfen: Du hast ein Gefühl, was das wert sein könnte. Setz das irgendwie ins Verhältnis zu deinen Preisen, die du sonst hast in deinen Produktwelten und damit musst du loslegen.
Katja Nettesheim: Ja, wobei ganz kurz, es gibt ja auch Medienunternehmen, die sehr stark danach argumentieren, also das muss unser Content dem Kunden schon wert sein. Das kann es halt auch nicht sein. Also ich glaube, die Mischung zwischen dem, was der gezeigten Zahlungsbereitschaft des Kunden für andere Medienunternehmen und dem Werte, die man selber dem Content zuschreibt, da wird ein Schuh draus.
Donata Hopfen: Am Ende ist es eine Preisabsatzfunktion und die muss jeder für sich interpretieren. und ich glaube, egal ob du mit einem Preis anfängst, der zu hoch ist oder der zu tief ist, am Ende wirst du, wenn du das gut machst, irgendwo in die optimierte Preisabsatzfunktion laufen. Wenn du flexibel bist, genau. Selbst wenn du glaubst, das müssten meine Kunden bereit sein zu zahlen, du probierst es aus und sie sind es nicht, dann wirst du deinen Preis anpassen müssen. Du musst ständig damit arbeiten und das ständig ausprobieren. Und ob du dich von unten oder von oben näherst, ist am Ende ein bisschen Glück.
Joel Kaczmarek: Wie wichtig sind denn im Prinzip die Payment-Upläufe? Total wichtig.
Donata Hopfen: Warum?
Joel Kaczmarek: Oder was ist da so?
Donata Hopfen: Ja, weil die Leute Wenn ich mir einen Schuh kaufen möchte, dann möchte ich mir einen Schuh kaufen. Und das ist offensichtlich, dass ein Schuh Geld kostet. Bei Paid Content am Anfang und auch heute noch ist es ja so, die Leute wollen Artikel lesen und den wollen sie möglichst schnell lesen. Und wenn sie den nicht schnell lesen können, dann machen die was anderes. Das heißt, da Hürden einzubauen, weil das nicht wirklich seamless und einfach ist, das ist schlecht. Ist echt schlecht. Deswegen so einfach wie möglich den Leuten das authentifizieren und bezahlen machen, ist glaube ich total key.
Joel Kaczmarek: Und was ist dann so dein Learning, was du mitgenommen hast, wenn du dir das Produkt eurer Kollegen vom Spiegel anguckst mit irgendwie Laterpay, die ja gesagt haben, die versuchen genau sowas zu senken, die sagen, du kannst erst ein paar Mal lesen und zahlst dann in so 5-Euro-Chunks. Macht sowas Sinn?
Donata Hopfen: Also ich bin total froh, dass der Spiegel das jetzt ausprobiert und ich wünsche ihm auch alles Gute dabei, weil das ist total wichtig, dass wir hier alle ein Geschäftsmodell haben in der Zukunft und dass wir hier unsere ganzen wertvollen Medienmarken erhalten. Ich kann vielleicht sagen, warum wir es anders gemacht haben. Ich glaube halt, dass du eine hohe Bezahlbereitschaft hast in dem Moment, wo die Leute das Interesse haben, sich mit deinem Produkt zu beschäftigen. Und wenn ich einen Artikel zwingend lesen möchte, dann bin ich bereit, meine Daten da einmal einzugeben und meine Bankbeziehungen da abzugeben. Das ist dann einmal gemacht und getan und dann ist man in einer Beziehung. Dann kann man die Leute wieder kontaktieren, dann kann man die Leute abrechnen oder eben auch nicht. Aber ich bin eben der festen Überzeugung, dass das ein guter Moment ist. Wir haben auch mal probiert, die Leute gratis lesen zu lassen und dann später zu konvertieren. Auch da wieder, das ist ja am Ende des Tages immer eine Frage, wie viel kommt oben in den Trichter rein und wie viel kommt unten am Ende raus. Und für uns ist diese Rechnung total eindeutig, dass ein Modell wie Laterpay für uns schlechtweg nicht funktioniert hätte. Okay.
Joel Kaczmarek: Habt ihr mal drüber nachgedacht, eigentlich euer ganzes Wissen und eure Plattform dafür vielleicht zu lizenzieren?
Donata Hopfen: Ja, haben wir sehr viel drüber nachgedacht. Theoretisch wäre das genau das Richtige. Praktisch ist das total kompliziert, weil das hängt natürlich alles an Systemen. Und wir wissen alle, wie kompliziert Systeme sind und wie einzigartig die Systeme eines jeden Hauses sind. Und die einfache Schnittstelle, in der ich das einfach mal kurz jemandem andocke, die gibt es eben leider nicht. Aber vielleicht gibt es die in der Zukunft. Also ich glaube, das wäre super, wenn es das gäbe und daran arbeiten wir natürlich irgendwo auch, aber alles andere als einfach.
Katja Nettesheim: Washington Post macht es ja mit dem CMS, aber das ist immer noch kein Checkout-System.
Donata Hopfen: Jeder macht es anders und es gibt halt leider nicht die Blaupause.
Joel Kaczmarek: Vielleicht, wenn wir über Monetarisierung von Reichweite reden, auch nochmal ein ganz anderer Punkt. Ihr macht es ja auch irgendwie sehr erfolgreich und ich finde irgendwie passend zur Marke, dass ihr gerne diese Volksprodukte schafft, also Volksversicherungen, Volksrasierer, dass ihr eigentlich eure Reichweite nutzt, um auch irgendwie E-Commerce-Ansätze so ein Stück weit zu fahren. Und das müssen ja nicht mal nur reale Güter sein, das sind ja auch manchmal virtuelle. Wie funktioniert denn sowas für euch und wie kamt ihr darauf?
Donata Hopfen: Das Modell ist schon total alt, das haben wir damals glaube ich 2003 oder 2004 ins Leben gerufen und die Idee war damals, dass wir im Prinzip die digitalen Geschichten auch in Print erzählt haben und dem ganzen Kind einen Namen gegeben haben. Das war der erste Volks-PC, daher kommt das. Da haben wir nämlich angefangen zu überlegen, wie können wir den Leuten helfen, ins Internet zu kommen. Und dann haben wir gesagt, komm, wir liefern einfach einen Volks-PC, der ist einfach und günstig, mit Bildinhalten drauf und erklären, wie es geht. Und so ist das entstanden. Dann gab es das Volks-Notebook, dann gab es die Volks-Kamera, das war damals die erste Digitalkamera. Und daraus hat sich ein Vermarktungsmodell entwickelt, was heute Volks-Rasierer, Volks-Zahnbürste, Volks-Datenspeicher oder sonst was sein kann. Und es ist tatsächlich ein Modell, was sehr gut funktioniert. Wir sind allerdings da eben nicht der Händler, sondern machen das mit Händlern zusammen und haben eben diese spezielle Art, das Produkt zu bewerben. Wir machen aber auch tatsächlich im Build-Shop eigene E-Commerce-Sachen, ganz viel zum Thema Technik und Sport. Und wir suchen ständig natürlich nach neuen Geschäftsmodellen. Das ist ja total klar. Das Geschäft muss ständig sich neu erfinden. Wir machen natürlich auch Content-Marketing, haben ein Brand-Studio, mit dem wir jetzt sehr viel Native machen und gucken uns auch an, was wir im Bereich Video machen können. Und für uns ist tatsächlich die Innovationsführerschaft wichtig. Überhaupt nicht auf das Redaktionelle begrenzt, sondern es geht auch ganz stark um die Art, wie wir Vermarktungsprodukte schaffen und wie wir unsere Vermarktungsgeschichte erzählen.
Joel Kaczmarek: Okay, spannend. Also dann denkt man als Verlag auch wirklich in die Richtung Native Advertising, dass man gar nicht nur zum Journalisten sozusagen den Inhalt macht, sondern auch irgendwie richtig in die Vermarktung, in die Werbeerzeugung reingeht?
Donata Hopfen: Ja, natürlich in getrennten Teams. Das ist total wichtig. Wir haben ja ganz klar redaktionelle Unabhängigkeit bei Axel Springer als Konzept, was ich auch für total wichtig halte. Und trotzdem können wir gut Geschichten erzählen und daraus dann im Prinzip gekennzeichnet neue Geschichten zu machen. Das funktioniert hervorragend. Das nennt sich Build Brand Studio und da setzen wir eben Konzepte für Kunden um. Und aus unserer Sicht ist das für uns natürlich wie gemacht. Das ist unser Kerngeschäft und ich glaube, wir können es auch besser als viele andere.
Joel Kaczmarek: Ich finde das mega schlau. Das ist eigentlich, da bist du wieder beim Thema Marke und ich finde, das macht ja eigentlich als sehr einheitliche Welt auch gerade diese Volksprodukte. Ich finde, das ist sehr konsistent, also macht sehr, sehr viel Sinn. Lass uns doch dann mal so als kleinen Ausblick sozusagen abschließen, so ein bisschen den Blick in die Kristallkugel wagen. Was glaubst du denn, wenn du jetzt mal irgendwie fünf Jahre down the road guckst? Man sagt ja immer, ich glaube, man überschätzt, was man in fünf Jahren schaffen kann und unterschätzt, was man in zehn schaffen kann. Wir sind jetzt mal irgendwie ein bisschen konservativ. Fünf Jahre down the road, was glaubst du, wie viel Umsatz werdet ihr da digital machen und was sind vielleicht noch so Reisen, die ihr antreten werdet, die du jetzt noch gar nicht kennst?
Donata Hopfen: Wenn ich sie nicht kenne, wird es schwierig. Aber nein, ich glaube, wir werden digital weiterhin unser Geschäftsmodell finden und uns weiterentwickeln. Das Digitalgeschäft ist da tatsächlich wirklich sehr schnell in der Transformation. Wir werden weiterhin mit Plattformen zu tun haben und ich glaube, das Thema wird sehr, sehr stark in ein Bewegtbild gehen. Das ist für Bild eine Riesenchance. weil anders als im klassischen journalistischen Geschäft kannibalisieren wir uns nicht, denn Bild ist keine Bewegtbildmarke. Und alles, was wir da an zusätzlichen Story erzählen, sowohl journalistisch inhaltlich als auch in der Vermarktung, ist für uns halt ein Riesenasset. Ich denke, das Thema Rechte wird uns begleiten. Es wird eine andere Art des Live-Konsums von Content geben. Und wir werden ständig unsere Produkte dahingehend anpassen. Es ist echt schwierig heutzutage bei der Medienwelt in fünf oder zehn Jahren zu gucken, weil wir einfach wissen, wie schnell sich der Markt wandelt. Aber ich glaube, es wird BILD weiterhin die Content-Destination in Deutschland sein, das größte Nachrichtenportal. Also ja, das wäre meine Antwort.
Joel Kaczmarek: Ja, und die ist ja ein wesentliches Takeover, was eigentlich auch am Anfang schon ein bisschen rauskam, dass man eigentlich merken muss, okay, die Geschäftsmodellzyklen werden kürzer, die Distributionszyklen verändern sich sehr, sehr schnell. Also das ist ein bisschen eins der Hauptsachen, die ich heute mitnehme. Von daher, ja, spannende, danke. Cool. Ich danke dir ganz, ganz herzlich, dass du uns diesen fleißigen Ritt gemacht hast. Katja danke ich natürlich, dass sie uns auch kompetent unterstützt hat oder ich ihr beiwohnen durfte vielmehr. Ja, ich wünsche dir ganz viel Erfolg und schau gerne mal wieder rein.
Donata Hopfen: Hat Spaß gemacht, danke.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Medien: Denn Modelle, die in der Vergangenheit viel Geld in die Kassen der großen Medien und Verlage gespült haben, tun heute mitunter gähnende Leere auf. Was also tun? Dazu haben wir regelmäßig mit Medienexpertin Katja Nettesheim gesprochen, um die Geschäftsmodelle der Verlagswelt in der digitalen Zukunft sowie die Herausforderungen auf dem Weg dorthin zu verstehen.