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Digitale Kultur: Wie transformiere ich eine Medienorganisation?
19. August 2016, mit Joel Kaczmarek, Katja Nettesheim
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem komplett neuen Podcast-Format von Digitalkompakt. Und zwar trägt es den schönen Namen Mediendigital. Es gibt natürlich viele Fragen, die man in dem Bereich hat und wir wollen aber Antworten auch liefern. So, wir impliziert ja, ich bin nicht alleine. Stell dich doch mal ganz kurz vor.
Katja Nettesheim: Hallo, Katja Nettesheim ist mein Name. Ich bin Gründerin und Geschäftsführerin von Mediate. Mediate ist eine Firma, die etablierte Medienunternehmen dabei unterstützt, neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Und die sind im Wesentlichen digital.
Joel Kaczmarek: Sehr gut. Also man merkt so ein bisschen, es geht um die Medienlandschaft. Also viel Verlagswelt, aber auch natürlich irgendwie kleine Medien, junge Medien, alte Medien. Wir wollen da so ein bisschen eintauchen und gucken, wie sieht das Thema Digitalisierung im Medienbereich aus. Da bist du ja irgendwie von Berufswege schon für qualifiziert. Und ich finde immer ganz spannend, wenn man am Anfang so ein bisschen sagt, warum macht man das eigentlich? Also ich für meinen Teil habe so ein bisschen eine Passion für das Thema. Also klar kann man sich immer auch so strategisch überlegen, es hilft mir, wenn mich viele Journalisten kennen oder wenn man im Medienspektrum irgendwie bekannt ist. Aber ich merke so ein bisschen, Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse im Medienbereich sind irgendwie sehr, sehr spannend aus unterschiedlichen Gründen. Gleichzeitig wird gar nicht so viel darüber geredet. Und Digitalisierung ist aber bei allen Thema. Und manche machen es sehr, sehr gut und manche so lala und manche machen es gar nicht. Und das ist so ein bisschen, was so meine Motivation ist. Ich habe mich dafür entschieden, das mit dir zu machen, weil ich dich extrem gut finde beim ganzen Thema Verhandeln. Also ich glaube, du bist sozusagen Sehr gut darin. Verhandeln impliziert ja immer, dass man sich selber versteht und weiß, was man will, aber auch das Gegenüber. Und das machst du halt irgendwie in einem Bereich, wo das stattfindet. Aber sag doch auch nochmal mit eigenen Worten, was ist denn bei dir so der Hintergrund, warum du das irgendwie spannend findest, jenseits jetzt von Geschäft für dich? Ich glaube, das ist schon ein bigger picture.
Katja Nettesheim: Ja, absolut. Ach, ich habe irgendwann vor zehn Jahren mein Herz an die Medienindustrie verloren. Das war im Rahmen eines Beratungsprojektes, was ich damals noch mit Boston Consulting gemacht habe und bin dann danach zu Axel Sprenger gegangen in der logischen Folge. Und ich finde einfach, dass Medien und gerade Journalismus eine wahnsinnig wichtige Funktion haben in unserer Gesellschaft. Und wenn ich sehe, wie die Erlöse zurückgehen, sowohl Vertriebserlöse als auch Anzeigenerlöse, welche Bedrohungen die Medien sich ausgesetzt sehen momentan, möchte ich gerne meinen Beitrag dazu leisten, dass die Medienindustrie möglichst lange noch guten, hochwertigen Journalismus machen kann.
Joel Kaczmarek: Da gibt es natürlich ganz, ganz viele Bereiche, in die man da eintauchen kann. Wir haben uns dazu erschlossen, beim ersten Mal so richtig basic zu werden. Und da geht es so ein bisschen um Kultur. Also ich habe auch oft den Fall, dass ich irgendwie auf Konferenzen angefragt werde, kannst du mal irgendwie was sagen über Startups und warum diese toll sind und irgendwie das Beste seit geschnitten Brot. Dann gehe ich eigentlich immer an so ein Thema ran. Ich erzähle den Leuten nicht von, das ist ein Startup, das müsst ihr nachmachen, sondern ich sage immer, oder ein Digitalunternehmen, sondern ich sage immer, das ist ein Digitalunternehmen, das hat eine gewisse Kultur. Also man hat eine digitale Kultur, von der man sich etwas abschneiden kann. Deswegen ist das so ein bisschen unser erstes Thema. Was ist sozusagen eine Digitalkultur? Wie hilft die mir? Und was sind da so ein bisschen die Eigenheiten? Lass uns doch mal da durchreiten. Wir haben uns ja so ein bisschen versucht, das Ganze zu strukturieren und ich würde sagen, das ist so ein bisschen so eine Trias. Also man sagt ja immer, der Fisch stinkt vom Kopf her. Das heißt, ich glaube, wenn man eine Digitalkultur in seinem Medienunternehmen etablieren will, ist Führungsstil so das Erste, was einem in den Sinn kommt. Was ist denn dein Blick auf das Thema?
Katja Nettesheim: Also ich würde auch sagen, es sind drei Punkte. Führungsstruktur, geistige Flexibilität und Schnelligkeit. Und bei Führungsstruktur ist es definitiv, oder Führungsstil muss man genauer sagen. Also alle führen das Wort Digitalisierung und agiles Unternehmen und Startup-Spirit bei uns im Konzern im Munde. und sind sich alle einig, wohin sie sich entwickeln wollen, nur ganz viele Unternehmen sehen eben nicht, dass damit auch das Führungsinstrumentarium komplett umgestellt werden muss. Und das ist ein Prozess, der auf der einen Seite einfach ist, weil er nichts kostet, auf der anderen Seite ist er auch unglaublich schwer, weil das das Handeln, das eingeübte Handeln des Managements für die letzten 30 Jahre auf den Kopf stellt. Und da sind zum einen Gewohnheiten dabei, die umgestellt werden müssen. Das ist total schwierig. Rein menschlich schon ist das total schwierig. Und da sind auch gerade sehr liebgewonnene Gewohnheiten betroffen, die einem Manager bisher das Leben leichter gemacht haben. Und auch Herrschaftsinstrumente, die er jetzt aus der Hand geben müsste. Und das ist natürlich echt schwer. Es kostet zwar nichts, aber es ist wirklich schwer. Also um das mal ein bisschen konkreter zu machen, ein sehr eindrückliches Beispiel, wie ich finde, Es sagen ja alle, wir schaffen eine neue Fehlerkultur, wir sind jetzt fehlertolerant etc. Das funktioniert aber nur dann, wenn man auch aufhört, Mittelmanager zum Beispiel dazu einzusetzen, sich gegenseitig zu kontrollieren. Also ein beliebtes Führungsinstrument ist ja, dass man Leute gegeneinander laufen lässt und dann schon darauf vertraut, dass jeder sofort petzt, wenn der andere einen Fehler macht. Das hat eine extrem motivatorische Wirkung, das funktioniert auch ziemlich gut. Nur gleichzeitig kann man keine Fehlertoleranz predigen, wenn man eben auf diesen Mechanismus noch setzt. Das heißt, man müsste eigentlich, anstatt denjenigen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit der Beförderung zu belohnen, deren Fehler petzt, müsste man denjenigen, der einen Fehler petzt, jetzt in Zukunft selber, ich will nicht sagen an die Wand stellen, aber schon ihm deutlich machen, dass dieses Verhalten nicht mehr als positiv gewertet wird, sondern eher
Joel Kaczmarek: als negativ. Eigentlich müsste es ja sogar hingehen und denjenigen befördern, der Fehler macht. Absolut. Ich beobachte das auch oft. Ich finde, bei Digitalunternehmen ist so ein bisschen dieses schnell iterieren, ist ja so ein bisschen das Geheimnis, schnelle Entscheidungswege. Ich fand immer so total toll dieses Interessens. Edison-Zitat, so ja, I failed my way to success. Der auch mal erzählt so, ich kenne 99 Wege, wie ich keine Glühbirne baue und habe dadurch den einen gefunden, wie man eine Glühbirne baut. Mir geht das auch ein bisschen so. Also ich habe so ein bisschen die Beobachtung, als Deutscher bist du ja einerseits, wenn man jetzt mal so in der Tradition von Goethe, Lessing und so denkt, Dichter und Denker. Das ist intellektuell und Fehler verträgt sich nicht so. Und du bist Autobauer. Also das ist ja so ein bisschen die andere Stärke, die wir haben. Mechaniker verträgt sich auch nicht mit Fehlermachen. Da geht es ja um Leben. Und jetzt bringt man aber Leuten bei, sie sollen sogar Fehler machen und das sogar noch honorieren. Kannst du mal so ein bisschen aus der Praxis sagen, wie du da rangehst?
Katja Nettesheim: Ich weiß selber, dass das extrem schwierig ist und ich merke das auch bei mir selber und im eigenen Unternehmen, wie unglaublich deutsch ich an der Stelle selber auch bin. Versuche mit meinen Mitarbeitern da deutlich stärker fehlertolerant zu sein und Eigeninitiative zu belohnen, selbst wenn die zu einem Fehler führt. Und ich versuche auch mit mir selber da hin und wieder ein bisschen gnädiger zu sein. Das ist der schwerste Teil, ehrlich gesagt. Aber bei meinen Kunden predigen wir natürlich auch das Thema Fehlerkultur. Und wichtig ist, dass Leute was ausprobieren und dass sie was wagen und dass sie den Freiraum dafür haben und dass sie eben keine Angst haben müssen, an die Wand gestellt zu werden, wenn dann eben mal ein Fehler passiert. Und wir haben gerade letzte Woche so eine Gelegenheit gehabt, wo wir das auch mit einer großen Geschäftsleitung diskutiert haben. Und dann sagt der Geschäftsführer so im Scherz, ja, ja, das haben wir auch schon mal gemacht hier. Dann hat auch jemand einen Fehler gemacht, aber der ist nicht mehr im Unternehmen. Super, der hat das im Scherz gemeint, aber das war halt total kontraproduktiv. Und wir haben dann wirklich echt arbeiten müssen, allen, die dabei waren, dann doch nochmal deutlich zu machen, dass das jetzt nur ein Scherz war.
Joel Kaczmarek: Das Schlimme ist, dass der Tragkraftsystem wahrscheinlich gar nicht so bewusst ist.
Katja Nettesheim: Das war dem gar nicht bewusst. Nein, nein, der wollte einen Scherz machen. Aber dadurch ist eben erstmal, ist manchen Leuten erstmal bewusst geworden, dass man gegebenenfalls für sowas auch fliegen kann. Die trauen sich das nächste Mal natürlich nichts mehr. Eins, was ich sehr, sehr gerne mag, ist, dass man zum Beispiel im Intranet quasi so einen Fehlerblock führt. wo Leute wirklich ermutigt werden zu sagen, hier, ich habe das und das ausprobiert, es hat nicht funktioniert, aber das und das habe ich davon gelernt und ich veröffentliche das jetzt, damit jeder im Unternehmen davon lernen kann. Aber bis das in Gang kommt, muss natürlich der Vorstand oder der Geschäftsführer das erst mal selber dreimal gemacht haben. Und da sind wir wieder beim Thema, der Fisch stinkt vom Kopf. Für so einen Vorstand ist es natürlich am allerschwersten, Fehler einzugestehen, weil der in der alten Logik, in der Oldschool-Führung ja dahin gekommen ist, wo er hinkommt, weil er unfehlbar ist. Das ist ja teilweise wie der Papst. Und zum einen ist es intellektuell schwierig, diesen Wechsel zu vollbringen. Und zweitens, ich meine, da hat ja auch die Historie hinter sich. Er ist konditioniert worden darauf. Und das ist, also wer da diesen Wechsel schafft, dafür habe ich hohen Respekt vor, das erfordert ein großes Maß an geistiger Flexibilität, ist aber nötig.
Joel Kaczmarek: Um mal aus der Digitalbranche ein Beispiel zu nennen, ich habe mich mit Christian Nagel unterhalten von Early Bird, das war ein relativ bekannter Venture Capitalist, der sagte, er war mal in den USA und ein noch bekannter Venture Capitalist sozusagen, also ein bekannter Ami, sagte einem bekannten Deutschen, die Ausbildung eines VCs kostet 50 Millionen Dollar. Ja. Und er meinte so, ja, what the fuck, was will der mir denn hier sagen? Und ich glaube, fünf bis zehn Jahre down the road hat er verstanden, was er meinte. Du musst halt eigentlich teilweise erstmal Sachen versenken, um hinterher einen Lerneffekt daraus zu haben. Der Gedanke von so einer Fehlerkultur und dem schnellen Iterieren ist ja eigentlich ein Learning Scene, weil dadurch gewinnst du ja was. Also mir ging es auch mal so, wenn ich irgendwie einen tollen Artikel geschrieben habe, wusste ich manchmal gar nicht, warum der toll war. Wenn der schlecht war, wusstest du es dann irgendwie schon. oder wenn du ein schlechtes Feature gebaut hast. Jetzt frage ich mich immer so ein bisschen, wie initiierst du denn das? Du hast ja einerseits so ein Thema, das musst du in deinen Alltag kriegen. Also du hast so Management-Trägheit drin. Dann hast du das irgendwie, diese alte Kultur. Und mir geht es immer so, ich finde, das ist ein bisschen wie bei einer Therapie.
Katja Nettesheim: Ja, das hat viel davon, ja.
Joel Kaczmarek: Und dann ist ja eigentlich das Ziel, dass du über etwas redest und in dem Prozess des drüber Redens selbst eine Einsicht gewinnst, die du gar nicht gewonnen hättest, wenn du es nicht so gemacht hättest. Also latent sind die Sachen bewusst, aber es braucht oft eine externe Quelle, um irgendwie da reinzustechen und dich darauf zu bringen. Und dann ist der beste Lerneffekt zu sagen, ich habe das selbst erkannt mit diesem Anschluss.
Katja Nettesheim: Aber es wird eben durch unsere Impulse an die Oberfläche gebracht, beziehungsweise manchmal geben wir auch eine gewisse Legitimation. Also da schadet es dann auch manchmal nicht, wenn man dann sagen kann, ja, die Frau Professor hat gesagt, so und so müsste das sein. Aber Hauptsache, es bewegt sich was. Und gerade dieser benannte Fehlerblock ist was, was man mit einem mutigen Vorstand oder mit einer mutigen Geschäftsführung sehr gut und einfach einführen kann. Das kostet nicht viel Geld und damit kann man einfach anfangen. Es gibt andere Maßnahmen, die da auch sehr, sehr hilfreich sind, aber schwieriger einzuführen. Zum Beispiel das Thema Bonussysteme. Das Thema Bonussysteme ist für Fehlerkultur unglaublich wichtig, weil niemand wird Experimente machen, wenn sein Bonus daran gemessen wird, dass er punktgenau das Ziel erreicht. Das heißt, man sagt ja immer, Culture is strategy for breakfast and structure for lunch. Also so eine Kultur ist total prägend. Und wenn eine Kultur bisher die letzten 20, 30 Jahre auf Zielerreichung und Planerfüllung ausgerichtet ist, dann wird sich da nicht viel ändern, es sei denn, man geht mit genauso schweren Geschützen dagegen. Und hier Bonusregelungen sind ein extrem wirksames Instrument dafür.
Joel Kaczmarek: Wie sähe denn eine Bonusregelung bei einem fehleraffinen Unternehmen aus?
Katja Nettesheim: Gute Frage. Also man könnte, es hängt so ein bisschen davon ab, welche Komponenten da als Leistungskomponenten mit drin sind. Also normalerweise hat man ja irgendwie eine unternehmensweite und eine persönliche Komponente drin und eine quantitative und eine qualitative Komponente. Man könnte zum Beispiel relativ einfach die Qualitative höher bewerten als die Quantitative und in der Qualitativen sehr viele Experimente quasi als 100-Prozent-Ziel festsetzen. Also man könnte zum Beispiel sagen, du musst im Laufe des nächsten Jahres drei neue Geschäftsmodelle ausprobieren. Das wäre schön, wenn eins davon gelänge. Wenn die, die nicht gelingen, bitte bereite die Fehler oder die Lektionen daraus so auf, dass alle was davon haben.
Joel Kaczmarek: Ist denn eigentlich so ein Thema wie OKR sozusagen in digitalen Medien größerer Art, sagen wir jetzt mal, auch ein Thema? Also das steht ja irgendwie für Objectives and Key Results, das ist diese Google-Methode, wo man sagt, man setzt irgendwie drei Ziele fest, definiert pro Ziel vier bis fünf Key Results, also Schlüsselergebnisse, die erzielt werden sollen. Und dann wird sozusagen losgeritten. Das ist eigentlich ein Kulturinstrument, mit dem man versucht, Wissen zu teilen. Also ich kann irgendwie gucken, welche Key Results hat irgendwie der Geschäftsführer oder der Online-Print-Chef erzielt. Also das ist so ein bisschen Transparenz, Paaren mit die Organisation, Abstimmen aufeinander. Oder beobachtest du oft eher, dass das wirklich so krass alte Schule ist, ich sag mal Smart Goals und solche Geschichten?
Katja Nettesheim: Mhm. Also OKR habe ich in der Praxis jetzt noch nicht gesehen bei Medienunternehmen, aber ich kenne natürlich auch nicht alle von innen. Was ich sehe, ist eigentlich eher alte Schule. Da muss man natürlich auch ein gewisses Verständnis haben, weil es gibt gerade in größeren Medienunternehmen, gibt es einfach wahnsinnig viele Leute, die ihre Existenzberechtigung zum Beispiel dadurch ziehen, dass sie harte quantitative Ziele vorgeben, also so einen Kulturwandel vorgeben. kann zum Beispiel auch nur funktionieren, wenn man wirklich alle Stabsabteilungen auch mitnimmt. Kulturwandel, der nicht das Controlling mit einbezieht oder die Rechtsabteilung einbezieht, wird nicht funktionieren. Und im Gegenteil könnte man tatsächlich überlegen, ob man nicht im Rahmen eines Kulturwandels gerade solche Abteilungen wie Controlling, wie Rechtsabteilung, wie Revision als erste damit beschäftigt und zum Agenten des Wandels macht. Weil die haben mit allen anderen Abteilungen zu tun. Und das sind auch diejenigen, die sehr häufig am schwersten zu bewegen sind und damit den Wandel, der in operativen Abteilungen schon eingetreten ist, gewissermaßen wieder zurückdrehen. Das heißt also, diese Player als Erste mit dem Wandel zu beschäftigen und auch zum Beispiel Fehler toleranter zu machen, wäre ein ziemlich gutes Vorgehen. Und jetzt werden natürlich die geneigten Hörer sich denken, Controlling, was fehlertolerant ist, was ist denn das dann noch für ein Controlling? Aber das ist natürlich eine Frage der Definition.
Joel Kaczmarek: Was ja viele machen, ist ja, die schaffen sich so eine kleine Enklave. Also ich sage mal, ein Spiegel geht zum Beispiel hin und baut sich ein Bento. Oder ein Bild geht hin und baut sich ein BU. So eine neue Zielgruppe wird erschlossen, man versucht etwas radikal Neues. Jetzt wird auf einmal mit Snapchat etwas gemacht oder was weiß ich. Das heißt, man hat so eine ganz andere Denke. Ist das auch ein Case, der funktionieren kann in deiner Wahrnehmung, dass man so ein Spillover hat, weil das ist irgendwie eine Entität, die wir geschaffen haben, da geht es im kleinen Rahmen und jetzt übertragen wir das mal auf größer und lernen ein bisschen auch von diesem Spirit?
Katja Nettesheim: Also das muss sehr, sehr gut gemacht sein, damit es keinen Graben gibt. Also wenn man so kleine digitale oder innovative Inseln schafft, dann hat das den Vorteil, dass man relativ schnell vorankommt in dieser Insel. Man hat aber die riesengroße Gefahr, dass die Insel sich abkoppelt bzw. die anderen dieser Insel mit großem Misstrauen entgegentreten. Man hat dann zwei Klassen von Bürgern im Unternehmen drin. Also die anderen sagen dann so, super, wir müssen hier mit unseren alten Produkten das Geld verdienen, was die da drüben ausgeben können. Und die müssen sich nicht an unsere RRI-Vorgaben halten, die können das ganze Geld verpulvern, nur die haben Spaß und wir nicht. Das passiert schneller, als man gucken kann. Das heißt, da muss man ganz massiv gegensteuern mit Rotationen, mit Kommunikation. Und dann das zweite Thema ist, es braucht auch eine kritische Masse an innovativen Inseln. Nur weil man irgendwie mal fünf Leute in einer, sage ich mal, Millennial-Facing-Redaktion hat, heißt es noch lange nicht, dass der Rest dann irgendwann transformiert, selbst wenn die viel miteinander reden. Es ist auch eine Frage der Mengenverhältnisse. Auch da wieder, es ist ein Blumenstrauß an Maßnahmen.
Joel Kaczmarek: Glaube ich dir sofort, dass sich so eine Mentalität einstellt, die da drüben geben das aus, was sie verdienen. Das kann ich mir lebhaft vorstellen.
Katja Nettesheim: Das war schon in vielen Verlagen vorher schon so, als es Print gegen Print ging. Es gab irgendwie ein Objekt, was viel Geld verdient hat und das andere Objekt, was weniger Geld verdient hat. Ich habe schon so oft gehört, die da drüben, die geben das Geld aus, was wir so hart verdienen. Oder ich zahle die ganze Party bei denen, ja. Also ich will jetzt keine Namen nennen, aber die Zuhörer, die aus der Branche sind, wissen genau, was ich meine. Also das gibt es immer. Das ist Oldschool-Management durch Abgrenzung, durch Wagenburg-Mentalität. Und das bringt uns, wenn man tatsächlich über digitale Kultur sprechen will, nicht weiter. Das ist einer der eklatantesten Unterschiede, wenn ich Medienunternehmen und Startups zusammenbringe, diese Medienunternehmen sehr stark noch auf Abgrenzung sich definieren und im Sinne von, mal gucken, was wir von denen kriegen können, wohingegen Startups sehr viel, nicht alle, da gibt es auch Ausnahmen, aber sehr viele eben auf Kollaboration aus sind und man hilft sich gegenseitig und jeder hat so ein laufendes Gefälligkeitskonto.
Joel Kaczmarek: Bevor wir mal so in diesen, wir sind ja schon fast auf der Brücke. zum zweiten Punkt, geistige Flexibilität. Ich glaube, das Thema Offenheit ist da irgendwie sehr, sehr wichtig. Lass uns nochmal einen Satz ganz kurz sagen zu dem ganzen Thema Leadership. Ich finde manchmal dieses Jim Collins, from good to great, Level 5 Leadership, dieses ein bescheidener Macher. Ich habe immer dieses Bild, ich fand zwei Zitate von dem sehr, sehr cool. Das eine ist, ein Zirkus fährt, hat einen tollen Auftritt, aber ein Ackergaul kann gut flügen. Mhm. Also so ansehen sollte eigentlich nach der eigentlichen Arbeitsleistung kommen. Und das andere ist, bei Erfolg, ich stelle mir mal so eine Fabrik vor, bei Erfolg guckt man aus dem Fenster, also auf sein Team und bei Misserfolg in den Spiegel und nicht umgekehrt. Dass man Erfolg dem Team attribuiert und bei Misserfolg selbstkritisch ist. Das ist, wenn ich mir die Medienlandschaft angucke, gefühlt manchmal jetzt diametral gegenübergesetzt von dem, was die Praxis zeigt. Also ich habe so ein Bild von Medienunternehmern, sehr, sehr ego-driven, sehr viel auf Ansehen, ja, was du gesagt hast, so ein bisschen dieses Leute gegeneinander laufen lassen und dann irgendwie gucken, wer macht als erstes den Fehler und den, der ihn nicht gemacht hat, aber angezeigt, den ignorieren, also ist das vielleicht eine Fehlwahrnehmung, ist das ein Vorurteil, will ich ja nicht ausschließen, vielleicht gibt es ja total viele, vielleicht sind die viel moderner, als ich gerade denke, aber wie gehst du sonst mit so etwas um, mit diesem Ungleichgewicht und dass das so ein bisschen so ein Ego-Business ist?
Katja Nettesheim: Naja, also es gibt sicher solche, es gibt auch einige solche, aber es gibt auch ganz viele extrem beeindruckende, gerade mittelständische Medienunternehmer. Also das habe ich in den letzten Jahren auch gerade durch ein paar meiner Kunden erlebt. hat sich mir da auch ein Horizont erweitert, was es für viele verschiedene Arten von Medienunternehmern gibt. Und es gibt ja auch ganz viele Familienunternehmen in den Medien, das darf man nicht vergessen, gerade im Bereich der Regionalzeitungen und der Fachzeitschriften, die in vierter oder fünfter Generation Unternehmer sind. Und die haben natürlich deutlich stärkere Verantwortlichkeit, die sie da spüren, weil sie häufig ein großer Arbeitgeber am Ort sind und so weiter.
Joel Kaczmarek: Und die haben schon auch echt Druck. Ich würde gerade sagen, das ist ja noch schlimmer, da hast du ja noch tiefere Gräben teilweise, da hast du ja noch irgendwie, das ist ja wie ein Erbe, da lastet ja deine vier Generationen auf dir, dann willst du was umstellen, dann hast du irgendwie so wir und der Chef, also sind ja noch Firmen, früher hat man Firmen gegründet, heute gründet man Unternehmen, weißt du, wie ich meine, das hat so einen anderen Geschmack, das war noch eine ganz andere Entität, irgendwie der Chef, also hast du das da nicht noch krasser? Diese Gräben?
Katja Nettesheim: Teils, teils. Also wirklich, das ist wirklich Typfrage. Man hat in großen Unternehmen Managern, die sehr teamorientiert sind und sagen Team for Ego. Man hat in großen Unternehmen aber auch viele andere, was sicher mit damit zu tun hat, dass es so wahnsinnig viel Wettbewerb voraussetzt, hochzukommen in einem Unternehmen und das häufig der Teamplayer-Eigenschaft widerspricht. Das ist eher eine Systemfrage als eine Persönlichkeitsfrage, würde ich sagen. Naja, und dann bei den Mittelständlern gibt es sicher auch den einen oder anderen Verleger, der noch unglaublich geprägt ist von seiner Deutungs- und Interpretationsmacht als Verleger, gerade im lokalen Raum. Also da muss man ja auch mal sagen, für die ist die Digitalisierung ein echter Identitätswechsel oder ein Identitätsverlust, weil es gibt im lokalen Raum, bei den Lokalzeitungsverlegern auch noch welche, die immer noch glauben, es passiert nur das, was sie in die Zeitung setzen. Und wenn dann plötzlich irgendwie digitale Medien auftauchen und Blogger und so weiter, dann verlieren die ihre komplette Deutungsmacht und ihre Identität.
Joel Kaczmarek: Muss man fairerweise auch sagen, die haben ja auch eine gewisse Hoheit. Also wenn man sich mal so umguckt, wenn du jetzt irgendwie tief im Märkisch-Oderland oder so hockst oder im Saarland, was da regional passiert, das liest du teilweise aus der Tageszeitung. Ich glaube halt nur, dass das so eine gewisse Endlichkeit hat, die man vielleicht noch nicht so merkt, wenn man da irgendwie noch oben auf ist.
Katja Nettesheim: Ja, es gibt manche, die merken das und es gibt manche, die merken es nicht. Also gerade wenn man so Verleger in der fünften Generation ist und so ein bisschen der König im Ort war, dann ist es halt auch relativ schwer, das zu merken, weil das eben an die Identität geht und man ist halt auch mit gewissen Glaubenssätzen aufgewachsen. Im mittelständischen Zeitschriftbereich zum Beispiel kenne ich sehr viele, die sehr vorne dran sind, was Digitalisierung anbetrifft, weil die sich nämlich konsequent auch in der Kultur draußen wenden. Und das ist meines Erachtens ein Schlüssel zum Glück, ein Geheimnis des Erfolges. Diese externe Orientierung, die sind nämlich gerade zum Beispiel bei den Fachzeitschriften extrem nah dran an ihren Communities und wissen, was die für Probleme haben und entwickeln eben daraufhin Lösungen. Und das ist dann egal, ob Print oder Digital.
Joel Kaczmarek: Dann lass uns doch mal an diese drei Punkte reingehen, die wir gerade hatten. Also zur Führungstheorie haben wir schon viel gesagt. Jetzt sind wir schon so ein bisschen bei geistiger Flexibilität und ich glaube, wir kriegen da auch die Brücke gebaut zur Schnelligkeit. Was ich so gemerkt habe, ist, in der Digitalbranche ist es oft so, es gibt ein sehr, sehr schönes Buch, dieses Hilfe, ich arbeite in einem Irrenhaus, wo ein Berater beschreibt, wie er oft in Unternehmen so völlige Skurrilitäten bemerkt. Und der hat eine Entwicklung skizziert, die ich auch bei Digitalunternehmen oft beobachte und es ist, Es fängt so kulturell oft an mit so einer Art Dorfkultur. Es ist alles noch sehr klein, wie in so einem Vorort. Man kennt sich. Wenn du irgendwie von jemandem was willst, dann gehst du zur Tür rüber und rufst ihm zu. Also man hat so eine Zurufmentalität, das ist alles noch sehr, sehr klein. Dann nimmt das irgendwann zu. Die Anzahl der Mitarbeiter nimmt zu, die Verantwortung nimmt zu, die Reichweite des Portals nimmt zu. Bei Gründerszene habe ich das auch gemerkt. Wir hatten zum Beispiel so einen brutalen Shift zwischen, wir sitzen alle in einem Raum und wir sitzen in zwei Räumen.
Katja Nettesheim: Gott, zwei Räume.
Joel Kaczmarek: Ja. Ja, das klingt total banal, aber du hast ja dann auf einmal so Psychologien, die dann gehen, wir und die da drüben. Ja, genau. Also auf drei Etagen und man verteilt dieses wir und die da oben oder die aus der Mitte oder die aus ganz unten. Das heißt, irgendwann setzt so ein Dschungel-Effekt ein, es kommt zu so einem gewissen Dickicht, es wird alles so ein bisschen intransparent, es wird irgendwie anstrengend. Und dann kommt das, was wir dann, glaube ich, auch immer gemacht haben, man baut irgendwie Städte. Das heißt, man hat eine Dorfkultur, die wandelt sich in eine Dschungelkultur, man muss handeln, dann kommt so eine Stadtkultur. Alles wird planiert, man hat auf einmal Wege, auf denen gegangen wird, es gibt Regeln für alles, es ist alles geordnet, da gibt es Gesetze. Und in dieser Logik heißt es dann, dass irgendwann so der Absprung kommt, dass du dann sagst, es wird so eine Wanderkultur, weil vielleicht diejenigen, die am Anfang dieses Dorfige geschätzt haben, finden sich jetzt in einer Stadt wieder und haben keine Lust mehr drauf. Jetzt sind wir in einer Welt, die ist städtisch, ich würde sogar schon fast sagen, metropolisch manchmal. Und die regt man jetzt manchmal an, wieder ein bisschen mehr dörfisch zu werden. Also wieder so ein bisschen die Uhr zurückzudrehen. Thema Offenheit war ja so ein bisschen ein Aspekt, den du gesagt hast. Wie schafft man sowas?
Katja Nettesheim: recht schwierig. Geistige Flexibilität, Offenheit oder der Gegenbegriff dazu, den ich gerne verwende, ist die geistige Anhaftung, ist nach dem Führungsstil für mich das zweitgrößte Hindernis zur Einführung einer digitalen Kultur. Und das ist auch total menschlich. Also wenn man irgendwie zehn Jahre lang darauf getrimmt wurde, IVW-Auflage hochzutreiben, dann ist das eben das Koordinatensystem, in dem man sich bewegt, weil man auch eine relativ starke Sicherheit hat, dass wenn man irgendwas macht und dass die IVW-Auflage hochtreibt, dass man dann dafür belobigt wird und im anderen Fall, dass man eher negative Konsequenzen zu befürchten hat. Und solche geistigen Strukturen aufzubrechen, ist wahnsinnig schwer. weil man da eigentlich mit jedem Einzelnen arbeiten muss und der Mensch ja sich an Sicherheit klammert. Wie man sowas macht, also man macht es nicht auf Basis von PowerPoint. Also es hat noch nie jemand sein Leben geändert auf Basis von einer schönen Folie. sondern man muss das, was man versuchen will zu vermitteln, erlebbar machen. Ein Beispiel zum Beispiel, was man machen kann, ist Jobrotationen zu vermitteln in Unternehmen, die ganz anders ticken, damit diejenigen, die jetzt da speziell deren geistige Strukturen mal ein bisschen auf den Prüfstand gestellt werden sollen, mal wirklich erleben, wie andere Leute arbeiten, denken und dass das auch nicht der Untergang des Abendlandes ist. Also das ist natürlich mit einem Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitern nicht mit allen machbar. Aber man kann kleine Proxys für solche Erlebnisse ja auch schaffen, indem man wirklich tiefen Dialog geht mit Unternehmen, die eine andere Kultur haben, mit Digitalunternehmen. Und da rede ich jetzt nicht von irgendwelchen Startup-Touren, wo man irgendwie von einer Communicationskraft durch die Räume geführt wird, sondern dass man sich wirklich mit Startup-Unternehmern oder Digital-Mitarbeitern wirklich austauscht. Was wird denn bei euch belobigt? Woran werdet ihr gemessen? Habt ihr ein Bonussystem? Wie funktioniert das? Oder sind das einfach nur die Optionen?
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, was ich mich dann immer nur so frage, ist, ich habe das auch schon manchmal erlebt, ich glaube, es gibt keine frustrierendere Erfahrung, als wenn du so ein Heiland wirst oder mit so einem Heiland in Verbindung gebracht wirst. Ja, also ich sage mal, du bist in einer steifen Struktur, die ist auf irgendeine Art defizitär, dir wird die Möglichkeit gegeben, woanders einzutauchen. Du erlebst etwas, was dich total anregt, was total toll ist, kommst zurück. Du bist ja auf einmal ungleich. Du bist ja auf einmal mit einem ganz anderen Mindset unterwegs. Und dann kommen die anderen und sagen, also die haben ja nicht diese Erfahrung gemacht. Du musst es dann schaffen, die anzustecken. Ist das nicht total schwierig?
Katja Nettesheim: Klar ist das schwierig. Also all das hier ist schwierig, wovon wir reden. Weil sonst könnte es ja jeder. Na klar ist das schwierig. Aber nur weil es schwierig ist, ist ja kein Grund, es nicht zu tun.
Joel Kaczmarek: Ich meine, es gibt ja durchaus auch Leute, ich erinnere mich, ich habe gerade jüngst einen Podcast von Florian Heinemann gehört mit Kollegen Alexander Graf.
Katja Nettesheim: Weil du gerade über Heiland sprichst, oder?
Joel Kaczmarek: Ja, genau. Da ging es um Digitalisierung von Konzernen. allerdings, also Medien sind vielleicht nochmal was Spezielles. Die Grundthese, die die so ein bisschen hatten, war, es gibt quasi keine Beispiele, die das hinkriegen. So nach dem Motto, Neubauen ist besser als Abreißen und Renovieren, dass das sehr, sehr selten bis gar nicht funktioniert.
Katja Nettesheim: Ja, ich habe das auch gehört und war ein sensationell guter Podcast, den ich jedem nur empfehlen kann, abgesehen davon, dass ich jedem nur empfehlen kann, sich mit Florian Heinemann zu unterhalten. Ich schätze ihn sehr. Ich habe an der Stelle ein bisschen eine andere Meinung als er, weil ich eine andere Perspektive habe. Der guckt halt als VC und ich habe die beiden tatsächlich so verstanden, dass sie davon ausgegangen sind, wenn ich ein Unternehmen transformieren will, so dass es in die Liga von Amazon, Google und Facebook kommt. Und dann haben die total recht. Aber aus einer Nicht-VC-Brille muss das nicht für alle Unternehmen das Ziel sein. Die haben schon recht. Es gibt wenig traditionelle Medienunternehmen, von denen ich sagen würde, die haben die Chance, nächstes Google, Amazon oder Facebook zu werden. Wenig bis gerade keiner. Aber das müssen die auch nicht, wenn man nicht mit einer reinen VC-Brille drauf guckt.
Joel Kaczmarek: Wie ist denn das eigentlich, funktioniert auch Kaufen an dieser Stelle? Weil ich habe ja zum Beispiel Springer, ist ja so ein Beispiel. Die sind ja nun massiv in Szene gesetzt mit dem ganzen Thema Digital-Digitalkompetenz. Ich würde sagen, sie haben weniger Digitalkompetenz, als sie glauben, sind aber digital sehr, sehr stark positioniert und wahrscheinlich gibt das irgendwann so ein Spillover. Also beteiligen sich an der NOAH-Konferenz, kaufen sich eine Gründerszene, kaufen sich irgendwie einen Business Insider. Da kannst du ja sehr viel machen. Frage ist immer, wirst du dadurch digitaler, indem du dir etwas Digitales einkaufst?
Katja Nettesheim: Das ist tatsächlich die berechtigte Frage. Aber auch hier ist es eine, ich nenne es mal Politik der tausend Nadelsteche, wobei sich das so anhört, als ob es weh täte. Aber man kann es positiver auch wenden, dass man wieder auf diesen Blumenstrauß kommt. Nur akquisitorisch funktioniert es selten. Nur organisch ist extrem schwierig. Das heißt, man muss das kombinieren und wir würden sogar noch einen Drittstrang dazu sehen, das ist nämlich partizipatorisch, also mit Digitalunternehmen tatsächlich auf einer operativen Ebene zusammenzuarbeiten und sich dann Umsätze zu teilen oder was weiß ich was, ja. Kein Mittel auslassen, alles machen und dann kommt es tatsächlich zu einem Tipping Point. Wenn man das Kerngeschäft transformieren will, muss man auch organisch arbeiten. Das heißt also auch eigene Geschäfte, digitale Geschäftsmodelle entwickeln, die bestehenden Leute dort mit digitaler Kultur und digitalem Know-how vertraut machen und vor allem die Hemmschwellen abbauen.
Joel Kaczmarek: Dann lass uns doch mal so ein bisschen zu dem letzten Punkt Schnelligkeit überreiten. Also wir haben ja schon viel über die Fehlerkultur gesagt. Und Fehlerkultur hat ja so ein bisschen den Gedanken zu lernen und Anpassbarkeit hervorzurufen. Das ist sicherlich ein wichtiger Baustein dazu. Was siehst du denn da sonst noch? Weil was ich in der Digitalbranche so ein bisschen sehe ist, das Mindset ist ja leicht anders. Man geht ja nicht hin und definiert Regeln und agiert dann, sondern eigentlich ist es oft so, man definiert eher bestimmte Werte und bestimmte Ziele. Und die formieren dann irgendwann eine Kultur. Und auf Basis dieser Kultur kannst du eigentlich sehr eigenverantwortlich agieren, weil du genau weißt, was ist dein Rahmen, ohne dass es sich wie eine Regel anfühlt, sondern mehr wie ein gemeinsames Mindset. Ist das so ein Hebel oder siehst du da irgendwie andere Wege, wie man an das ganze Thema Schnelligkeit rankommt?
Katja Nettesheim: Also ich finde das einen sehr, sehr wichtigen Hebel. Weg von Prozesskultur hin zu Zielkultur und innerhalb dessen wirklich den Leuten auch Freiraum geben, die Ziele zu erreichen auf die Art und Weise, wie sie das selber tun wollen. Also ein wesentlicher Grund für mangelnde Schnelligkeit ist eben die Notwendigkeit der Einhaltung von sehr detaillierten Prozessen mit da einer Zwischenabstimmung und da einer Zwischenabstimmung und da einer Zwischenabstimmung, weil nämlich gleichzeitig auch diese ganzen Zwischen- und Endabstimmungen und Jure-Fixe und so weiter dazu führen, dass alle Kalender verschwinden. mega mäßig voll sind. Also ich kenne Kalender von Leuten, die jeden Tag von 9 bis 18 Uhr, 30, 19 Uhr back to back voll sind und teilweise sogar doppelt und dreifach. Wie soll da Raum sein für ein schnelles Agieren? Also wie kann man da schnell Opportunitäten wahrnehmen? Und gerade in Zusammenarbeit mit Startups, und du weißt ja selber, wie es ist, Finanzierungsrunden zum Beispiel, haben keine vier Monate Zeit, bis der Vorstand dann den nächsten freien Termin hat, sondern da muss man halt entweder jetzt nächste Woche dabei sein oder eben nicht. Häufig, da fehlt es eben beidseitig ein bisschen an Verständnis. Also ich versuche dann irgendwie mit den Digitalunternehmen zu erklären, dass die Terminlage so ist, wie sie ist und dass sie das auch nicht böse meinen und das keine Abwertung bedeutet. Aber umgekehrt muss man eben auch Medienunternehmen hin und wieder mal verdeutlichen, dass die guten Digitalunternehmen, wenn wir über Beteiligungen sprechen, halt auch nicht darauf warten.
Joel Kaczmarek: Die Guten haben nämlich innerhalb von zwei Wochen einen Investor. Und wie kriegst du das konkret hin, das zu beschleunigen? Also ich meine, aus meiner eigenen Geschichte weiß ich auch noch, bei Gründerszene war es auch früher so, anfangs waren wir irgendwie zwei Mann, dann drei, dann fünf, dann zehn. Irgendwann hattest du eine Situation, dann musstest du deine Redaktionsleiterin für ein Thema mit abholen, dann musstest du vielleicht mit dem Eventverantwortlichen nochmal reden, weil das kann ja Spillover-Effekte auf das Event haben. Dann musstest du mit Sales reden, weil haben wir irgendwie ein Anzeigenthema, was damit konfligiert oder Neutralität hin oder her. Am Ende des Tages musst du diese Ebenen in irgendeiner Form berücksichtigen.
Katja Nettesheim: Klar, auf jeden Fall.
Joel Kaczmarek: Wie kriegst du das beschleunigt? Wie kriegst du diese Tetris-Kalender irgendwie entleert?
Katja Nettesheim: Also der eine Hebel ist, wie du sagst, weniger Abstimmungen, weil die Arten und Weisen, wie Ziele erreicht werden, nicht mehr so streng festgeschrieben sind. Das heißt, man muss weniger abstimmen, hauptsache das Ziel wird erreicht. Und das zweite ist, glaube ich, eine ganz praktische Geschichte. Weniger Präsenzmeeting, mehr Abstimmung durch Gruppenkommunikation, zum Beispiel über Slack.
Joel Kaczmarek: Slack ist ja für wahrscheinlich ein Medienunternehmer, was ist das?
Katja Nettesheim: Was ist das? Ja, und Slack hat auch seine Nachteile. Ich finde, man muss bei Slack sehr diszipliniert sein, in welchem Channel man was macht, sonst kriegt man einfach zu viel Neues rein. Aber wenn man einfach mal darüber nachdenkt, welche Informationen muss ich wirklich regelmäßig zum Jour Fix austauschen und welche kann ich vielleicht vorher schon durch eine Mail an eine Gruppe oder eine Nachricht, eine Message an eine Gruppe jedem zur Kenntnis geben, Wenn man das mal systematisch durchgeht, hat man irgendwie ein, zwei, drei Termine pro Woche, vielleicht weniger im Kalender. Das schafft wieder Raum für Wahrnehmung von Opportunitäten und vielleicht auch mal Strategie. Also Raum fürs Denken, kann ja auch nicht schaden. Das ist das eine. Und das zweite ist, das ist auch ganz praktisch, dieses Sammeln aller Punkte, die man so auf der Liste hat für den nächsten Jour fix mit dem Chef. führt halt wieder zu einer Verzögerung von vier bis fünf Tagen, vorausgesetzt man hat wöchentliche Showfixe und es ist halt gerade blöd gelaufen, dass der letzte gerade vorbei war. Das ist teilweise schon zu lang. Da kann man mit einfachen, aber vielleicht ein bisschen mutigen Mitteln in der Arbeitsorganisation schon sehr viel mehr Schnelligkeit herbeiführen. Ein weiterer Punkt, der da wirklich, wir hatten es gerade vorhin schon von den Konzernabteilungen, in dem Bereich. meines Erachtens spielt die IT eine ganz, ganz wesentliche Rolle, weil viele von den Mitteln, die du und ich kennen, sei es jetzt Slack, sei es irgendwie InVision, sei es Weebly oder sonst irgendwas, Fast Prototyping und so weiter. Viele dieser Tools kannst du auf Konzernrechnern nicht installieren aus irgendwelchen Gründen. Da wäre es mal ein Ansatz, darüber nachzudenken, was ist eigentlich die Zielstellung für die IT? Muss nicht vielleicht die Zielstellung für die IT auch sein, möglichst agiles, schnelles Arbeiten zu ermöglichen, anstatt die Ziele, die sie jetzt so haben.
Joel Kaczmarek: Ich sehe schon, da poppt ein anderes Thema auf, das ganze Thema Tools.
Katja Nettesheim: Ja, das Thema Tools ist riesig.
Joel Kaczmarek: Schön, das merken wir uns mal. Gut, also fassen wir so ein bisschen zusammen. Meeting Gerät, das ist ein Thema. Das ganze Thema Hierarchien und Entscheidungswege, was halt viel in Richtung Absegnen gehen lässt, kann man ein bisschen mit Fehlerkultur auch.
Katja Nettesheim: Und schon ein ganz wichtiger Punkt, der wieder, sorry, wenn ich dich unterbreche, weil das ist die Rückschleife zu unserem ersten Punkt, Cover-Your-Ears-Mentalität.
Joel Kaczmarek: Ja, stimmt.
Katja Nettesheim: Also Absegneritis, Überschwemmung, hat ganz viel zu tun mit Cover-Your-Ass-Mentalität und die ist nötig, solange wir keine Fehlertoleranz haben. Und so schließt sich der Kreis.
Joel Kaczmarek: Ja, also man merkt, glaube ich, es ist ein echt dickes Brett. Man muss da viel kulturell verändern und es ist echt nicht leicht, weil es, glaube ich, so an die Grundfesten geht. Aber ich finde das sehr, sehr spannend. Also ich glaube, wir haben da ein paar spannende Sachen rausgekehrt. Gleichzeitig Futter fürs nächste Mal. Also ich merke schon, Recruiting-Tools ist irgendwie ein Thema. Also wenn ich eine tolle Kultur habe, wie finde ich tolle Leute, die das ausfüllen, dann kann man sagen, mit welchen Tools. Da freue ich mich sehr darauf, dass wir da noch weiter reingehen. wo ich schon von dicken Brettern spreche. Vielleicht auch nochmal ein kleiner Wunsch oder eine kleine Bitte an alle, die jetzt hier zuhören. Wenn euch das Ganze gefällt und ihr über einen iTunes-Account verfügt, dann macht uns doch die Freude und bewertet unseren Podcast. Am besten mit fünf Sternen, weil mittlerweile ist man auf einem Level angekommen. So sagt es mir zumindest mein Vermarkter, dass einem wirklich so richtig nur fünf Sterne helfen. Also Wenn ihr euch das gefällt, was wir hier machen und ihr uns unterstützen wollt, macht uns die Freude. Fünf Sterne bei iTunes helfen uns einfach massiv, an Bekanntheit zu gewinnen und dass wir tolle Leute für diese Sache hier gewinnen können. Dir natürlich auch vielen Dank, liebe Katja, für deine Zeit und dass du all dieses spannende Wissen mit uns geteilt hast.
Katja Nettesheim: Ja, danke dir, Joel. Es hat viel Spaß gemacht. Ich freue mich auch aufs nächste Mal.
Joel Kaczmarek: In diesem Sinne.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Medien: Denn Modelle, die in der Vergangenheit viel Geld in die Kassen der großen Medien und Verlage gespült haben, tun heute mitunter gähnende Leere auf. Was also tun? Dazu haben wir regelmäßig mit Medienexpertin Katja Nettesheim gesprochen, um die Geschäftsmodelle der Verlagswelt in der digitalen Zukunft sowie die Herausforderungen auf dem Weg dorthin zu verstehen.