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Content-Startups und die Tücken des Medienmarktes
16. Januar 2017, mit Joel Kaczmarek, Katja Nettesheim
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Medien-Digital-Podcast von Digital Kompakt. Ich bin Joel Kaczmarek und mit mir dabei ist wieder die Medienliebhaberin Katja. Hallo, Katja.
Katja Nettesheim: Hallo, Joel.
Joel Kaczmarek: Heute haben wir ein ganz, ganz spannendes Thema. Und zwar, wenn man sich mal so ein bisschen umguckt in der Medienlandschaft, ist es ja so, in den USA gefühlt Content-Startups so ein bisschen auf dem Hochflug. Also spätestens seit Netflix. Netflix ist das auch so bei den Endkunden angekommen, dass ja irgendwie Content wieder eine Rolle spielt. Und wir fragen uns natürlich so ein bisschen, warum passiert es, dass in den USA solche Unternehmen viel Geld kriegen und in Deutschland eher nicht so. Also Content Investments sind ja eher so, gerade wenn man im Digitalbereich guckt, die Ausnahme oder sozusagen auch immer so ein bisschen das Gefühl, so in der Presse ein bisschen, ja jetzt nicht kritisch beäugt, aber man guckt da schon so ein bisschen merkwürdig hin. Jetzt ist natürlich der Gedanke, der erste, den man haben mag, USA, riesiger Markt, also großer einheitlicher Binnenmarkt, gleichzeitig ein Investmentklima, wo man auch mal Risiken nicht scheut. Also in Deutschland wäre so ein bisschen, da muss so Proof of Concept da sein. Aber die Frage ist ja, ist das so das Einzige? Darüber wollen wir heute so ein bisschen darüber reden. Magst du schon mal so ein bisschen vorwegnehmen? Du warst ja in New York und hast da eine Studienreise gemacht und dich so mit auseinandergesetzt. Was da so überblicksartig dein Eindruck war und wie wir das heute so grob strukturieren? Dann haben wir schon mal ein bisschen Erwartungshaltung gemanagt.
Katja Nettesheim: Super, die übergreifende Struktur, gerne. Ja, also wir waren tatsächlich in New York und haben verschiedenste Interviews geführt im Vorfeld und auch eben vor Ort. um herauszufinden, warum Content-Startups in den USA einfach deutlich besser Geld bekommen als hier in Deutschland. Das war mir ein echtes Anliegen, weil Content-Startups sind ja so meine Lieblingskunden beziehungsweise ich möchte dieses Ökosystem sehr stark pflegen und ich konnte es eigentlich nicht mehr mit ansehen, dass es in Deutschland so schwierig ist und in den USA so viel leichter. Und natürlich das Erste, was man da sagt, ist, na klar, der Markt ist viel größer und die Sprache ist Englisch, das ist universal verwendbar, aber damit wollte ich es eigentlich nicht beruhen lassen, weil in der Konsequenz würde das heißen, man braucht eigentlich keine deutschen Content-Startups mehr zu machen. Und da bin ich zu hartnäckig für. Also das will ich als letzte Konsequenz da nicht stehen lassen. Also sind wir hingefahren und haben versucht, da verschiedene Argumentationsmuster herauszufinden, wie man Investoren dazu bekommen kann, Geld zu investieren in Content Startups. Und letztendlich waren es drei Argumentationsmuster, die nicht ganz überschneidungsfrei sind, aber die für ein Content Startup vielleicht gute Hilfsmittel sind, um sich zu positionieren. Das erste war technologische Exzellenz und zwar vor allem, aber nicht ausschließlich im Bereich Distribution. Das heißt also Positionierung eher als Technologie als als Content Startup. Das zweite war, wenn man sich doch als Content Startup positionieren will, ist die zweite Möglichkeit wirklich sehr tiefen und nischigen Content zu bringen. und auf die Art und Weise eine spezielle Zielgruppe zu cornern. Und das Dritte, da gibt es tatsächlich dann auch noch welche, sind die Reichweiten-Plays, die wirklich sagen, unter Zuhilfenahme von Distributionsexzellenz gehen wir einfach so wahnsinnig in die Reichweite und versuchen das dann wieder über Werbeeinnahmen zu monetarisieren.
Joel Kaczmarek: Also das ist so ein bisschen die Trias, der wir uns heute widmen wollen. Und wir können ja dabei auch mal so ein bisschen versuchen, die Problematik, die man eigentlich so typischerweise aus dem Bereich kennt, so ein bisschen im Kopf zu behalten. Also so ein paar Klassiker sind ja irgendwie, wenn ich sowas mache, hohe Anlaufkosten, keine Skalierbarkeit so richtig oder zumindest begrenzt. Gleichzeitig, gerade bei Content hat man ja immer so das Thema Halbwertszeit. Also mit dieser ganzen fünf Minuten Aufmerksamkeitsspanne, die man heutzutage noch hat, diese ganze Ökonomie, die sich daraus gebildet hat oder auch Millennials, die sehr viel ausprobieren und sehr sprunghaft sind, hat man ja manchmal so ein bisschen das Gefühl, wenn ich Content produziere, wie lange hält der eigentlich? Und, das darf man auch mal vielleicht sagen,gerade als deutscher Player,wie sind eigentlich meine Exit-Chancen nach hinten raus,weil wenn ich das finanziert bekommen will,muss ich einem Investor auch die Perspektive aufmachen,dass er entweder an Dividenden hinterher verdienen kannoder an Verkäufen. Geht das denn? Also Problemlage mal so ein bisschen im Hinterkopf gehabtund die grobe Trias. Wir fassen das mal so ein bisschen in Zahlen, um mal so ein Gefühl zu kriegen, was da eigentlich so geht. CB Insights hat da ganz nette Zahlen. Aus dem Jahr 2013 heißt es, in den USA wurden 331 Millionen Dollar in genau solche Content-Themen investiert. Ein Jahr später waren es schon 813. Sprich, von 331 auf 813 Millionen fast verdreifacht. Das sind Zahlen von 2014 wohlgemerkt. Also 15, 16 wird sozusagen der Wandel noch höher sein.
Katja Nettesheim: Ja, 15 ist es höher. Da hat CB Insights allerdings ein bisschen den Schnitt umgestellt. Deswegen ist es nicht direkt vergleichbar, aber die Zahlen, die man einigermaßen diesem Sektor zuordnen kann, sind noch höher.
Joel Kaczmarek: Ist da die Milliarde schon geknackt dann langsam?
Katja Nettesheim: Kann man so genau nicht sagen, aber ich würde es vermuten, weil ich meine, von 813 ist ja nicht mehr so weit.
Joel Kaczmarek: Wohl wahr. Dann lass uns doch mal in den ersten von den drei Themenkomplexen einsteigen, das ganze Thema Technologie. Also du hast gesagt, das ist vor allem ein Distributionsthema, aber ich könnte mir vorstellen, vielleicht auch manchmal ein Erzeugungsthema. Viele Leute interessieren sich ja auch für diesen Gedanken. Was würdest du sagen, was unterscheidet ein Technologie-Medienunternehmen von einem Content-Medienunternehmen?
Katja Nettesheim: Wahrscheinlich könnte man sogar sagen, der Unterschied liegt darin, welche Leute Sie zuerst einstellen. Stellen Sie zuerst die Techies ein oder stellen Sie zuerst die Content-Produzenten ein, schräg schräg Journalisten. Also wo liegt der Fokus des Unternehmens? Und es gibt eine große Denkschule unter den amerikanischen Investoren, zum Beispiel vertreten von Eric Hippo, die sagen, Content-Organisationen, die es wert sind, gefundet zu werden, sind vor allem Technologieunternehmen. Das heißt also, Fokus liegt auf Technologie und insbesondere eben in der In der Distribution, die halt immer vorne dran ist bei der Entwicklung der verschiedenen Kanäle. Weil es ist ja auch nicht so, dass das statisch ist. Im Gegenteil, das ist total dynamisch. Und ich habe mich zum Beispiel unterhalten mit Chris Alcheck von Mike, einer Nachrichtenplattform für Millennials. Und der sagte, wenn die nicht eine neue Distributionstechnologie alle drei bis sechs Monate aufsetzen, dann wird er schon nervös, weil er Angst hat, hinten dran zu bleiben oder hinten dran zu sein bei den technologischen Entwicklungen. Also der sagt, die erfinden sich wirklich alle drei Monate neu. und wenn dann eben mal mehr als drei Monate Kontinuität ist, dann wird er nervös. Weil er nämlich auch sagt, in den USA haben auch etablierte Medienunternehmen das inzwischen einigermaßen verstanden und sind halt auch nicht mehr so langsam wie früher. Das heißt, es gibt auch einen gewissen Wettbewerb, ein gewisses Wettrennen zwischen den etablierten Medienunternehmen und den born digital Medienunternehmen, wo er sich langsam auch schon ein bisschen anstrengen muss. Was ja für die Verleger oder für die Traditionalisten unter den Medienunternehmen schon eine gute Nachricht ist.
Joel Kaczmarek: Aber ist das nicht auch so ein bisschen produktabhängig? Weil mit Digital Compact geht es mir ja auch manchmal so, du siehst ja die Trends auf Pop. Snapchat kannst du irgendwie Themen machen, du kannst mit Instagram arbeiten, du kannst mit Pinterest arbeiten, wenn du es jetzt eher visuell hast. Das sind ja eigentlich so, die sind ja schon fast alt gefühlt. Aber es ist ja nicht so, dass jedes Medium für jedes, also jedes Verbreitungsmedium kommt ja nicht für jedes Printen oder jedes digitalen Medium inhaltlicher Art in Frage. Also wenn ich jetzt irgendwie was mit Kochen mache, Food-Magazin oder so, Dann ist, glaube ich, Instagram, Pinterest und so ein Kram sehr, sehr naheliegend. Aber wenn du jetzt irgendwie sagst, du machst was, zum Beispiel wie ich jetzt mit digitalen Informationen rund um Unternehmertum, ist das ja eher schwierig. Also ist das nicht auch mal so ein bisschen abhängig davon, was du machst, wie du das distribuieren musst? Weil, also, wenn ich sowas höre, alle drei Monate, das ist ja rasant. Da baust du ja das Nächste, während du das andere gerade einführst, in die Company gefühlt, ne?
Katja Nettesheim: Absolut, genau so ist es. Und das ist eben das auch, was dieses Unternehmen ausmacht. Um auf deine ursprüngliche Frage zurückzukommen, ist es nicht abhängig von dem, was du machst, inhaltlich? Eigentlich schon, aber ich habe eben auch Fälle gesehen, wo Medienunternehmen zu schnell dabei waren zu sagen, Instagram ist nichts für uns, weil wir machen ja nur tiefgehende, ernsthafte Informationen. Wenn wir über Krieg berichten, dann können wir das nicht auf Instagram tun. Ja, das ist aber häufig zu kurz gesprungen, unter anderem auch manchmal motiviert daraus, dass man zum einen sich nicht wirklich mit dem neuen Kanal auseinandersetzen will und zum zweiten auch nicht die Fantasie hat, zu sehen, wohin sich dieser Kanal noch entwickelt. Das darf man ja auch nicht vergessen. Selbst wenn der Kanal dann mal da ist, ist er damit auch nicht in Steady State erreicht, sondern das entwickelt sich immer weiter. Und der Economist zum Beispiel, der ja durchaus ernsthafte Themen hat, spielt die auch auf Instagram inzwischen und hat dafür passende Formate entwickelt. Also richtig daran ist, dass wenn man bisher Bleiwüste hat, man nicht Bleiwüste auf Instagram machen kann. Aber man kann die Inhalte von Bleiwüste so aufbereiten, dass sie für Instagram funktionieren. Und der Economist hat zum Beispiel aus überschüssigem Material neue Formate entwickelt, die er dann eben über Instagram oder andere Plattformen abfeiert. Oder auch aus Teilbereichen von Bleiwüste. Und ich meine, der Economist Print ist wirklich ziemlich bleiwüstig. aus Teilbereichen von Bleiwüste dann eben Formate gemacht, die auf Instagram funktionieren. Zum Beispiel so Fact Cards oder da gibt es auch ein Format, das heißt What They Say and What They Mean. Das ist natürlich wunderbar.
Joel Kaczmarek: was, was auch grafisch funktionieren kann. Also ich meine, man kann ja schon mal auch ein bisschen konstatieren, wenn man das jetzt sogar mal medienunabhängig macht, gerade digitale Geschäftsmittel zielen ja sehr stark darauf ab, diesen ganzen Faktor Mensch, Reibungsverluste, Aufwand zu reduzieren. Also ich glaube, eines der anschaulichsten Beispiele ist ja immer Airbnb. Wenn du vergleichst, wie viele Mitarbeiter hat Airbnb im Vergleich zur Hotelbranche, vermittelte Zimmer, eingenommenes Geld, da kannst du ja hochrechnen, was du pro Mitarbeiter einnimmst, das ist ja signifikant. Oder ein anderes Beispiel damals mit WhatsApp, das ist ja schon wieder fast content-nah, da war es ja auch so, wenn du hochgerechnet hast, wie viele Menschen hast du gebraucht, um dieses Tool zu bauen, Die ESOPs haben sich da richtig gelohnt, wenn man den Exit mal anguckt. Aber mal zurück zu diesem ganzen Thema. Muss ich denn eigentlich so etwas selber noch bauen? Also die Argumentation ist ja jetzt, wenn du Technologie baust, mit der du besser distribuieren kannst, wirst du für Investoren und vielleicht auch für Exits interessanter. Oder wenn du ein Medienunternehmen baust, was durch Technologie diese Faktoren im Griff hat, wirst du auch interessanter. Auf der anderen Seite gibt es doch schon sehr, sehr viele Tools. Also ich habe zum Beispiel diesen Aha-Moment gehabt,wenn du ein Magazin hast und willst deinen Artikel raussenden,dann hast du deine Plattform, du hast irgendwie Xing,Facebook, LinkedIn, Twitter,dann nimmst du vielleicht noch deinen eigenen Accountund nicht nur den Firmenaccount und so weiter und so fort. Dann nimmst du einen Buffer und merkst auf einmal so,wow, super viel menschliche Reibung reduziert,aber ich habe gar nichts selber gebaut. Also muss man Technologie wirklich immer selber bauen Um so etwas zu machen?
Katja Nettesheim: Nee, muss man nicht. Das ist auch mein großes Petitum, immer wenn ich mit Medienunternehmen rede, traditionellen Medienunternehmen, die mir dann sagen, ja, und dann müssen wir dies bauen und jenes bauen. Dann sage ich, oh, bitte nicht bauen. Bitte nicht bauen, weil es gibt so viel auf dem Markt, was man nutzen und anpassen kann. Oder wenn es nichts gibt, was schon als Software-as-a-Service-Solution erhältlich ist, dann kann man mit einem Unternehmen reden, was genau das Gleiche für eigene Zwecke macht, um zu gucken, ob die es nicht white-labeln oder lizenzieren. Also ich würde da immer darauf dringen, möglichst wenig selber zu bauen. Und tatsächlich, wenn wir jetzt über Social Media Distribution in ganz viele verschiedene Kanäle sprechen, sollte man schon gucken, dass man so viel wie möglich automatisiert. Und ich meine, für uns Normalanwender ist Buffer natürlich ein Tool. Nichtsdestotrotz, wenn man hochqualitativen Content haben will, der passt auf jede Plattform, muss man es halt schon nochmal einzeln anpacken. NowThis zum Beispiel, die ich auch besucht habe in New York, die haben keine Homepage mehr, weil sie sagen, Homepage Traffic brauchen wir nicht. Es kommt so gut wie nichts direkt auf unsere Homepage, sondern es geht alles über die verschiedenen Social Media Kanäle. Da fokussieren wir jetzt nicht unsere Ressourcen drauf. Was sie aber tun, ist, dass sie in ihrem redaktionellen Ablauf eine Nachricht haben. Das ist so ein Grundgerüst und dann wird die angepasst. Also in dem Fall ist es alles Bewegtbild Content und die wird wirklich manuell dann angepasst auf die verschiedenen Kanäle. Also die machen daraus ein Weinvideo von sechs Sekunden, die machen daraus Facebook zwischen 25 und 35 Sekunden, die machen daraus Twitter mit um die 15 Sekunden, die machen daraus ein Instagram-Still und was weiß ich, was für Plattformen die auch gerade noch bedienen, das ändert sich auch immer so ein bisschen. Das heißt, da gibt es eine gewisse automatische Vorarbeit, aber letztendlich ein bisschen manueller Aufwand ist noch dabei.
Joel Kaczmarek: Aber dann kann man ja so ein bisschen zusammenfassen, also es geht eigentlich um technologisches Mindset mit dem Ziel zu automatisieren, Reibung und Kosten zu senken. Damit haben wir zum Beispiel dieses Problem, was wir am Anfang hatten, die Halbwertszeiten von Content ist ja irgendwie so ein Thema und Distribution, wie kriege ich das günstig hin, also teure Anlaufkosten, kriegst du ja so ein bisschen in den Griff. Wie ist es denn eigentlich, muss ich Technologie nur bei der Distribution oder ist das nur bei der Distribution Thema oder auch bei der Erstellung? Also es wäre zum Beispiel was, was du gerade gesagt hast, ein Gedanke, wenn ich geilen Content habe, kann ich das nicht irgendwie maschinell in irgendeiner Form aufbereiten lassen, dass die mir dabei hilft, das in so kleine Chunks zu packen, die ich dann irgendwie wieder, da hast du ja wieder ein Distributionsthema hinten dran, aber sozusagen diese Denke, was du gesagt hast, ich habe einen Teig, eine Rohmasse und da kann ich jetzt entweder einen Keks draus machen, eine Torte oder irgendwie einen Pfannkuchen. dass man da an der Stelle auch Technologie einsetzt. Hast du da was gesehen eigentlich?
Katja Nettesheim: Ja, also wie ich gerade sagte, mein Verständnis war, ich habe es nicht mit eigenen Augen gesehen, aber mein Verständnis war, dass NowThis dann eine gewisse Technologie hat, die sie vorbereitend einsetzen. Ansonsten, was natürlich in dem Zusammenhang häufig diskutiert wird, ist Roboterjournalismus, also unter dem Schlagwort Roboterjournalismus, dass auch geschriebene Meldungen, die sehr Standard sind, vom Computer vorgeschrieben werden. Das macht in gewissen Bereichen Sinn, aber ich glaube nicht, dass das die Zukunft des Journalismus ist. Ich hoffe, dass das nicht die Zukunft des Journalismus ist.
Joel Kaczmarek: Ja, also ich meine, alles, was ich in Richtung Bots mitbekommen habe, ist, dass es eigentlich eher so, wie sagt man, Enhancement ist. Also, dass du sozusagen Sachen abgenommen bekommst, also wie gesagt, Sportberichte schreibt eigentlich keiner mehr, aber eine Analyse, woran hakt es jetzt bei Bayern München, dass die irgendwie dreimal verloren haben oder so, das kann halt so ein Bot dir nicht leisten, ne?
Katja Nettesheim: Ja, welch ein Glück. Also, noch.
Joel Kaczmarek: Gut, also wir subsumieren so ein bisschen Faktor 1 Technologie oder zumindest Technologieorientiertheit und diese Denke ist ein wichtiger Faktor. Zweites Thema Content, wo du ja gesagt hast, Tiefe und Nische. Das ist ja was, wo mir das Herz aufgeht, das freut mich ja, weil das ist ja auch genau mein Ansatz, den ich sage. Es gibt irgendwie, News haben keinen Wert mehr, das ist so meine Überzeugung, sondern man muss den Leuten eigentlich, weil Informationen überall verfügbar sind, Tiefe geben. Also eher so ein bisschen so einen klaren USP haben. Es ist ein bisschen wie Longtail früher eigentlich im Marketing und im E-Commerce, dass man sagt.
Katja Nettesheim: Ja, Longtail ist ein bisschen negativ besetzt. Tifo Nische, finde ich, hört sich viel besser an. Qualität, ja.
Joel Kaczmarek: Okay, da sagst du aber gerade etwas ganz Wichtiges. Also es geht einerseits um Fokus auf eine Art und dann aber auch Qualität, höre ich daraus. Das sind sozusagen die beiden Stellschrauben, die du identifiziert hast.
Katja Nettesheim: Ja, wobei der Qualitätsbegriff eben relativ ist. Ja, der Qualitätsbegriff muss total relativ gedacht werden. in Bezug auf die Zielgruppe. Ich habe zum Beispiel ein Unternehmen gesehen, The Dodo heißen die, sind auch bei Libra Hippo Ventures mit im Portfolio. Die machen tierbezogene Themen und die machen die für ihre Zielgruppe, glaube ich, genau richtig. Dass du und ich da auf der Webseite vielleicht manchmal ein bisschen die Augenbraue hochziehen würden, ist davon total unbenommen, weil das ist ein ganz spezielles Thema. für eine Gruppe von Leuten, die selber Tiere lieben, nicht unbedingt selber welche haben, aber Tiere lieben und sich Tierrettungsvideos angucken wollen. Da geht es ganz viel um ausgesetzte Tiere und so weiter und so fort. Und damit haben die auch eine sehr emotionale Bindung der Zielgruppe an ihre Publikation geschaffen. Das ist das eine, also das ist ein Beispiel für ganz eng bezogene Nischen. Aber dann fällt in diese Strategie natürlich, fallen in diese Strategie auch noch all die Millennial-bezogenen News-Angebote rein. Die sind dann im Angang an sich etwas breiter, sagen wir machen News für junge Leute. Aber viele vertikalisieren dann sehr stark direkt unter der Dachmarke. Also man sieht es zum Beispiel bei Weiß, die ja quasi der Großvater dieser Angebote sind, die zunehmend die Weißmarke in den Hintergrund ziehen. zugunsten von Broadly, Motherboard, Munchies etc. Aber man sieht es zum Beispiel auch bei Elite Daily, ein Angebot, was tatsächlich auf Millennials bezogen ist, die zum Beispiel auf Facebook nicht die Elite Daily-Seite in den Vordergrund geschoben haben, sondern die verschiedenen Verticals.
Joel Kaczmarek: Ja, das war nämlich, was ich dich gerade mal fragen wollte, ist die Konsequenz daraus, dass man vertikalisieren sollte. Also macht es zum Beispiel Sinn zu sagen, ich gehe hin, habe eine Dachmarke, die für irgendwas Bestimmtes steht, vielleicht einen Prozedere, einen Qualitätsansatz und gehe dann aber hin und sage, ich mache einen, zum Beispiel Haus, ich kann Tiere, kannst ja super sagen, du machst ein Magazin zu Pferden, eins zu Katzen, eins zu Hunden, eins zu, weiß ich, Hamstern und Co. Ist sowas dann sozusagen die logische Konsequenz?
Katja Nettesheim: Das ist auf jeden Fall eine kluge Strategie, wenn man auf der einen Seite groß sein will und die damit verbundenen Skalenvorteile nutzen will, gerade im Hinblick auf die Vermarktung, aber andererseits eben auch diese fragmentierte Mediennutzung, dieses Nischige abdecken will. Weil ganz ehrlich, bei der Fülle der Medienangebote, die wir heutzutage haben, hat keiner mehr eine Toleranz für einigermaßen passenden Content. Das muss schon spot on sein.
Joel Kaczmarek: Was mir sonst noch als Gedanke kam, konfligiert eigentlich dieses ganze Thema Tiefe. Also das ist ja eins deiner beiden Säulen in dem Bereich Content. Konfligiert das damit, dass die Leute nur noch so wenig Zeit und wenig Aufmerksamkeitsspanne haben? Weil du hast ja gerade, was du gesagt hast, über die ganzen Videogeschichten, das war ja alles immer unter einer Minute. So und Also muss Tiefe dann immer lang sein. oder kann Tiefe auch in irgendeiner Form konsumierbar sein, dass man der Facebook-Generation, die nur fünf Minuten an der Kasse während dem Supermarkt steht oder der zwischen Arbeit und Pause oder zwei Arbeitspaketen sich das anguckt, kann man das denen dann auch mundgerecht machen?
Katja Nettesheim: Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich nochmal so zurückdenke an die erfolgreichen Modelle, die ich gesehen habe, ist es glaube ich genau das Manövrieren in diesem Spagat, diesen Spagat hinzukriegen, was mit ein Erfolgsfaktor ist. Also mein Lieblingsbeispiel zu diesem Fall ist Blinkist. Eines der wenigen contentbezogenen Startups in Deutschland, die gut finanziert sind und die schaffen genau das. Die machen wirklich Sachbücher, die tief sind in einem Format für die Millennials mit snackable Content, in dem sie eben diese schweren Sachbücher oder mehr oder minder schweren Sachbücher, wo auf jeden Fall die zu lang sind dafür, dass man sie noch liest, die Essenz draus zieht und dann in zwei-Minuten-Stücken zusammenpackt. Und dann sind es halt zehn zwei-Minuten-Stücke, aber die alle nicht mehr als zwei-, dreimal scrollen erfordern, sodass man sie wirklich on the go auch lesen kann.
Joel Kaczmarek: Ich überlege ja auch so ein bisschen, ob das generell, also man merkt ja so überhaupt, der ganze Millennial-Trend ist ja auch immer so, es geht ja viel in Richtung Transparenz und so wissen, was passiert. Also wo kommt mein T-Shirt her? Wie wird das produziert? Beim Essen ist das ja irgendwie so ein Thema. Ich hatte da in deinen Unterlagen zu diesem ganzen Thema, also US-Impression, was kann man mitnehmen, auch so ein ganz interessantes Zitat gelesen. Content muss heutzutage authentic, raw und transparent sein. Also authentisch, roh, also unver, wie soll man sagen, unverhohlen oder unverändert und transparent. Was war denn da deine Beobachtung dazu?
Katja Nettesheim: Na, das war ein ganz interessantes Gespräch, was ich geführt habe mit Elite Daily. Und da ging es auch darum, welche Ansprache braucht die Millennial-Generation und welche Werbemöglichkeiten habe ich da? Und da ging es eben darum, dass man Millennials nicht verarschen kann. Also, they smell bullshit right away, war das Zitat. That's why content needs to be ART, authentic, raw and transparent.
Joel Kaczmarek: Art.
Katja Nettesheim: Genau, Art. Das ist aber ein wunderschönes Akronym. Heißt halt auch, das ist quasi das Einstiegstor für alle neuen Werbeformen, die stärker native sind, wo sich auch Marken wirklich mit der Zielgruppe auseinandersetzen müssen und dieser Zielgruppe, wenn sie bei denen ankommen will, einen Mehrwert leisten müssen. Also da steckt für mich ganz viel drin, insbesondere für das traditionelle Marketing, weil es ist eben nicht mehr so, dass du denen irgendwas erzählst und dein Produkt hochpuschst, sondern du musst explizit transparent sein, du musst authentisch sein und es soll gar nicht mehr so poliert sein wie früher, weil dann wird dir eher geglaubt, als wenn du es eben so auf
Joel Kaczmarek: Hochglanz machst. Jetzt haben wir ja eine sehr schöne Brücke zu deinem dritten Faktor, das war ja Reichweite. Bei mir ist ja auch so, ich komme ja auch aus dieser Disziplin mit Gründerszene, war es ja auch mal so, oder würde ich sagen, ist immer noch so, das ist eigentlich kein großes Geheimnis, wenn man sich das Produkt anguckt oder nimmt auch vergleichsweise ein deutsches Startups.de, nimmt irgendwie ein T3N.de. Wir agieren alle drei in der Nische, könnte man ein Stück weit sagen. Diese Nische ist aber überraschend groß geworden, Startup irgendwie, weil dieser Lifestyle sich ja auch damit so ein bisschen assoziiert.
Katja Nettesheim: Ja, aber es ist immer noch eine Nische. Also wir meinen ja hier in Berlin-Mitte, das sei ein Mainstream-Thema, aber das ist es nicht. Ich habe gestern Abend meinem Vater erklären müssen, was ein Podcast ist, als ich ihm die Links geschickt habe. Also von daher, das ist null Mainstream.
Joel Kaczmarek: Also da haben wir eine Nische, wo ich sagen würde, das ist eher auf Reichweite angelegt, also eher Masse. Also wenn man sich jetzt mal so die Artikelfrequenzen anguckt von denen, das sind ja irgendwie bis zu 14 Stück am Tag oder so. Also es ist ja hoher Output auf Reichweite optimiert.
Katja Nettesheim: T3N jetzt.
Joel Kaczmarek: Ja, Gründerszene, deutsche Startups, es gibt sicher noch andere Branchen, da ist das genauso. Das ist jetzt eine, die ich halt relativ gut kenne. Und jetzt denke ich, was du gerade gesagt hast, dieses ganze Thema Nische, da hast du ja auch genug Player. Exciting Commerce zum Beispiel macht nur E-Commerce für Händler. Wie sieht die Zukunft des Handels aus? Digital Kompakt sagt irgendwie, ich helfe euch irgendwie zu verstehen, mache Analysen und Podcasts, ihr könnt tief eindringen und durchdringt die Digitalbranche. Online Marketing Rockstars, das ist ja auch für mich fast Großmarketing, aber sagt ja auch relativ fokussiert, die sind so ein Zwischending vielleicht, da bin ich mir nicht so sicher. Aber die machen auch nur einen Artikel am Tag, also kann man vielleicht auch wieder sagen, es ist eher Nische. Das ist ja eigentlich so ein bisschen so, wenn man jetzt, wenn man sagt, und da bist du ja bei dem Punkt, Reichweite wird irgendwie ein Verkaufsargument für ein Medienunternehmen, um Investment zu kriegen. Auf der einen Seite sagst du irgendwie, Nische ist wichtig, auf der anderen Seite denken ja alle Leute immer an Reichweite, Vermarktung, TKP, wie viele Leute erreiche ich damit. Ist jetzt irgendwie Reichweite sozusagen, ist das ein anderer Ansatz als Kontentive und Nische oder lässt sich das sogar kombinieren? Was war da bei dem ganzen Thema deine Beobachtung?
Katja Nettesheim: Also ich habe vorhin einleitend schon gesagt, diese drei Argumentationsmuster sind auch nicht überschneidungsfrei. Letztendlich ist es eine Frage, du hast dieses Dreieck der drei möglichen Positionierungen, wo positionierst du dich innerhalb dieses Dreiecks? Und das kannst du in gewissem Maße auch abmischen. Es gibt da sicher ein paar Kombinationen, die nicht funktionieren. aber man kann es schon auch gewisse Mischformen dann nehmen. Letztendlich ist es eine Frage, wo liegt der Fokus drauf? Wenn du sagst tief und nischig, dann liegt der Fokus darauf, dass du wirklich den Content für deine Zielgruppe machst und daraus ergibt sich dann eine Reichweite in deiner Zielgruppe. Wenn du eine reine oder eine stärker reichweitenfokussierte Strategie fährst, Dann ist die Denke ja eher umgekehrt. Welche großen Zielgruppen gibt es, die für Werbekunden interessant sind, die klar fassbar sind, sodass ich sie auch vermarkten kann? Und wie kriege ich die dazu, dass sie mich lesen? Welchen Content muss ich dafür machen? Das heißt, das kommt von der anderen Seite.
Joel Kaczmarek: Also eigentlich hast du die eine Denke, hochwertige, kleine, klar abgegrenzte Zielgruppe schwer zu erreichen und deswegen wertvoll, sich den Zugang zu erkaufen. Bei mir ist das ja auch so, wenn mir Leute anfragen über Werbung, ich fange so eine Diskussion gar nicht an über TKP, weil die völlig nutzlos ist. Ich sage den Leuten immer ganz klar, für mich ist nicht wichtig, wie viele Menschen ich erreiche, sondern wen, dass ich den richtigen erreiche. Was sind denn aber dann Faktoren, wenn ich eher sage, für mich ist das eher ein Reichweiten-Thema, also da bist du wahrscheinlich oft bei Werbeformaten als eine Monetarisierung, aber vielleicht sagst du mir auch, es muss andere geben. Was sind denn die Erfolgsfaktoren für solche Modelle?
Katja Nettesheim: Ein bisschen das, was ich gerade schon sagte, also du musst, wenn du eine Reichweitenstrategie fährst, musst du eine große Zielgruppe adressieren, die interessant ist für Werbekunden und die halt auch so gut abgrenzbar ist, dass sie für Werbeagenturen, den Werbekunden gut verkaufbar ist. Da ist in den USA natürlich die Millennials als große Masse die Hauptzielgruppe, nicht zuletzt deswegen, weil die auch riesig groß ist. Also ich glaube, es sind irgendwie 15 oder 20 Millionen Menschen, Millennials in den USA. Und die haben zudem auch noch ein verfügbares Einkommen und eine Bildung, die keine andere Generation vorher in den USA hatte. Und drittens ist es eine Zielgruppe, zu der viele traditionelle Unternehmen den Zugang verloren haben, weil die anders konsumieren, weil die sich auch anders informieren. Und dann ist es natürlich sowohl für den Werbekunden interessant, sich diese Gruppe zu kaufen, das heißt, sie ist gut vermarktbar, als auch dann potenziell für den Exit für ein traditionelles Medienunternehmen.
Joel Kaczmarek: Heißt das in der logischen Konsequenz, dass für ein reichweitenorientiertes Medienunternehmen dieser Faktor Technologie zur Vertriebsaussteuerung, also zur Distributionsaussteuerung, umso wichtiger ist?
Katja Nettesheim: Der ist wichtig, aber nicht so wichtig wie in der ersten Fallgruppe. Die erste Fallgruppe sagt ja, wir sind eigentlich ein Technologieunternehmen. Klammer auf, wir können auch anders monetarisieren als über Werbeerlöse. Wir können zum Beispiel lizenzieren. In der dritten Fallgruppe, Reichweitenmodell, kann man eigentlich nur die Reichweite monetarisieren und dann ist halt die Frage, wie intelligent und innovativ sind die Werbeformen. Da ist die Distributionstechnologie letztendlich ein Mittel zum Zweck. Hypothetischer Fall, wir haben eine Zielgruppe, die groß ist und all diese Kriterien erfüllt, aus irgendwelchen Gründen nur auf Facebook aktiv ist, dann langt es, wenn ich Facebook bespiele.
Joel Kaczmarek: Hast du einen Blick gewonnen, welcher Monetarisierungsansatz bei reichweitenorientierten Unternehmen hervorragend funktioniert und welcher bei eher Content, also Spitzenische und Qualität? Weil wenn man sich mal so die Klassiker anguckt, du hast Werbung, da ist, glaube ich, dir einfach relativ klar, dass das eher ein Reichweitenthema ist als Nische. Oder sagen wir es mal anders, mit einem anderen Fokus. Hochwertige Zielgruppe versus große Zielgruppe. Aber du hast ja so ein paar andere Klassiker. Classified sind Geschichten, Lead Generation kannst du machen, Events, Online-Seminare, Online-Videos kannst du ja mittlerweile ganz viel Zeugs machen. Bei den Tieren zum Beispiel könnte man sagen, eine Hundezüchter erklärt, wie man die richtig füttern soll in drei Minuten, wie das kostet Geld oder Commerce, das ist ja fast schon. Was ist so deine Beobachtung? Welche Geschäftsmodelle eignen sich für welche von diesen Modellen besonders gut?
Katja Nettesheim: Interessanterweise waren diese Unternehmen, und das ist vielleicht die Krux an der großzügigen Investorenfinanzierung, diese Unternehmen waren alle nicht so wahnsinnig kreativ mit Geschäftsmodellen, mit Monetarisierung. Weil die haben ja halt auch gesagt, wir haben hier Investoren, die verstehen, dass die ersten drei Jahre mal nicht so viel läuft. Nur dieses Jahr hatten einige schon vorausgesagt, und das hat sich in manchen Finanzierungsrunden auch bewahrheitet, dieses Jahr ist es ein bisschen, also so ab Sommer, ist es ein bisschen strenger geworden mit den Anforderungen. Da haben eben tatsächlich solche Startups, die nichts anderes hatten als Werbeerlöse, tatsächlich ein bisschen mehr Schwierigkeiten bekommen. Also was ich gesehen habe tatsächlich, ist eine Kombination zwischen Content und Commerce, dass man eben einen engen Zusammenhang hat. Und ansonsten sind alle wahnsinnig auf dem Native Advertising beziehungsweise Branded Content Zug.
Joel Kaczmarek: Ich finde das schrecklich. Ich finde das so unglaublich unkreativ, aber….
Katja Nettesheim: Naja, wenn du da gut gemachte Kampagnen hast, dann ist das schon sehr kreativ. Das Problem ist nur, es skaliert nicht, weil es wirklich manuell ist und du fährst gleichzeitig die Qualitäts- und Nischenschiene, musst du wahnsinnig aufpassen, dass es nicht deine Positionierung kompromittiert.
Joel Kaczmarek: Ja, aber gerade wenn du auf Qualität und Nische gehst, das merke ich auch bei mir, kannst du das nicht unendlich weit ausweiten. Du hast gar nicht die Fläche und es ist sozusagen, es ist kontradiert oder es läuft komplett gegen diesen eigentlichen Gedanken, den du hast.
Katja Nettesheim: Also von daher habe ich da, was ich neulich gesehen habe hier in Deutschland, ist MyMonk. Sehr stark auf Facebook aktiv mit Themen wie Achtsamkeit, verbessere dein Leben und so weiter. Natürlich highly shareable und likeable Content für alle Leute, wahrscheinlich meistens Frauen, die abends frustriert vor ihrem Computer sitzen und sagen, ja, genau so ist es. die monetarisieren halt über den Verkauf von E-Books. Und das finde ich schon clever. Ist wahrscheinlich wegen der Sprache jetzt nichts, was ins Unendliche skaliert, aber es skaliert halt schon mal eine Ecke weiter als Branded Content.
Joel Kaczmarek: Ich sehe schon, wir machen mal einen eigenen Podcast zur Monetarisierung von Medieninhalten.
Katja Nettesheim: Ja, mein Lieblingsthema.
Joel Kaczmarek: Eine Sache, die wir bei diesen ganzen drei Faktoren bisher noch gar nicht angesprochen haben, wo ich initial gedacht hätte, ob das nicht vielleicht sogar ein vierter Faktor ist, ist der Faktor Marke. Also wie wichtig Ist die Marke, wenn ich eigentlich hingehe, gut, wenn wir jetzt sagen, unsere Brille ist, wie kriege ich ein Medienunternehmen finanziert, ist oft ja noch keine Marke da. Da kannst du nur sagen, ich möchte markensensitiv skalieren, also ich möchte mich darauf fokussieren, gerade wenn du zum Beispiel Nischenqualität machst, aber ist das ein vierter Faktor oder liegt der eher über allen anderen drei drüber?
Katja Nettesheim: Ich würde sagen, der liegt unter allen anderen dreien drunter.
Joel Kaczmarek: Drunter?
Katja Nettesheim: Ja, weil tatsächlich, ich habe das auch versucht zu ergründen, als ich in New York war und habe mit vielen darüber gesprochen. Marke ist wichtig, nicht als solche, sondern als Absender. Das heißt, Marke ist insofern wichtig, als dass man sich darüber im ganzen Social Media Dschungel als Absender erkennbar machen kann. Aber es ist nicht mehr so, dass gerade die jungen Zielgruppen, die ihre Mediennutzung sehr stark auf Social Media haben, dann gezielt irgendwas ansurfen, weil einfach die Social-Media-Nutzung anders funktioniert. Also wer geht denn schon auf die Facebook-Seite von der Süddeutschen? Jeder liked die und kriegt die dann in seinem Stream. Das heißt also, es ist nicht mehr in Anführungszeichen direct type in Anführungszeichen. Es ist eher Push. Ja, genau. Und deswegen ist Marke dann wichtig in der Auswahl zwischen den verschiedenen Medienangeboten. Aber es ist nicht mehr so zentral, wie zum Beispiel traditionelle Medienunternehmen das auch sehen. Die sagen, der Nutzer identifiziert sich jetzt mit dieser Marke und geht da gezielt hin. Das ist übrigens auch eine interessante Diskussion, die ich immer wieder mit etablierten Medienunternehmen führe, wenn wir über Distributed Contents reden. dass die sagen, das können wir doch nicht machen, weil unsere Marke geht da total unter. Dann sagen die Leute alle, wir lesen das bei Facebook und nicht, wir lesen das bei, jetzt mal als Beispiel, Süddeutsche. Tatsächlich ist es so, dass über 50 Prozent der Leute noch, oder ich glaube sogar 55 Prozent der Leute nach der letzten Reuters-News-Studie noch wissen, von welchem Medienabsender das kommt, was sie bei Facebook gelesen haben. Und die Born Digital Medienangebote haben damit überhaupt kein Thema. Also ich glaube, das ist tatsächlich eine Komponente, die zunehmend an Bedeutung verliert, insbesondere wenn man sich das in der langen Reihe anschaut.
Joel Kaczmarek: Ich glaube das ja nicht, ehrlich gesagt. Mein Verdacht ist ja so ein bisschen, vielleicht hängt es mit dem Bildungsgrad ab, aber ich hatte ja zum Beispiel in meiner Zeit, sowohl bei Gründerszene als auch bei Digital Kompakt, hatte ich Momente, wo mich Menschen angeschrieben haben, weil sie dachten, die Unternehmen, über die ich schreibe, dass ich mit denen zusammenhänge. Dass wenn sie mir einen Kommentar schreiben, dass sie dann an das Unternehmen schreiben. Oder bei Deutsche Startups sehe ich das zum Beispiel auch, wenn ich meine Podcasts annonciere. Ich glaube, sehr, sehr viele Leute attribuieren die zu Alex Hüsing und Deutsche Startups.
Katja Nettesheim: Du kriegst also Post für mich Ja, also nee, in dem Fall nicht. Okay, leite bitte weiter.
Joel Kaczmarek: Aber also diese Zuordnung der Marke, würde ich sagen, verschwimmt bei vielen Menschen schon, wäre mein Verdacht. Aber was ich eher glaube, ist, was du doch vorher nicht gesagt hast, also widerspreche ich mir gar nicht, ist dieser Faktor, wenn ich jetzt einen riesigen Stream habe, wir haben ja das Problem, das verstopft doch alles. Also Facebook, der Stream ist ja abartig. Wenn man mal guckt, es gibt ja auch nichts mehr. Wo deine Freunde, vielleicht liegt es an meiner Ausspielung dessen, mein ganzer Facebook-Stream ist voll mit Videos und mit Bildern und mit Infographics und mit Artikeln. Du liest ja kaum nochmal, dass jemand mal einen Fünfzeiler über sich schreibt, was gerade bei ihm passiert oder ein Foto teilt. Das heißt, du hast einen verstopften Kanal und ich glaube, in dem Faktor spielt Marke eine extrem wichtige Rolle. Und wenn du eine Nische bedienst, dann nochmal umso mehr. Das wäre so mein, also dass das eher so ein Filterding ist, dass du sozusagen rausstichst.
Katja Nettesheim: Ja, aber das ist so ein bisschen das, was ich gerade sagen wollte. Es ist nicht mehr wichtig als Destination, aber es ist wichtig als Absender.
Joel Kaczmarek: Ja, dass die Leute nicht zu dir kommen, glaube ich auch. Aber dass du sozusagen, eigentlich, dass du ein Aufmerksamkeitseinfänger bist, wo die Aufmerksamkeit dann landet, auf welcher Plattform, unbenommen.
Katja Nettesheim: Der Aufmerksamkeitseinfänger ist die Headline und das Visual. Und erst danach die Marke. Und das auch nur bei Leuten, die wirklich kritische Mediennutzer sind. Ich glaube, auch da muss man ein bisschen vom eigenen Mediennutzungsverhalten dissoziieren. Ich selber mache das ja auch so. Ich scanne meinen Feed. sehe zur gleichen Sache irgendwie drei oder vier verschiedene Nachrichten und gucke dann an, welche Medienmarke ist das, welcher vertraue ich beziehungsweise welcher traue ich in den momentanen Zeiten zu, am wenigsten hysterisch über Themen zu berichten.
Joel Kaczmarek: Ja, das stimmt.
Katja Nettesheim: Aber ich glaube, das ist tatsächlich nicht mehr so repräsentativ.
Joel Kaczmarek: Ja, ich überlege es mir. Ein bisschen hast du recht. Es ist ja eigentlich spannend zu sagen, die gleiche Überschrift thront über dem Artikel vom Economisten, von der Bild und von der Bunden. Welchen würdest du lesen? Aber das ist ja genau das, was du gerade eigentlich gesagt hast. Vielleicht ein letzter ganz kurzer Ausflug noch. Was ist denn eigentlich mit dem ganzen Thema User-Generated Content? Gibt es da auch Faktoren, wo du gesehen hast, dass das irgendwie Geschäftsmodell-Tragen in den USA ist, dass das ein Element ist? Weil da sind wir ja wieder bei Content-Produktion und den Kosten dafür. Ist das was, was da irgendwie auch mit reinspielen kann?
Katja Nettesheim: Das ist auch was, was mit reinspielen kann. Aber es war bei Weitem nicht mehr so bestimmend, wie es früher mal war. Ich habe tatsächlich ein, zwei Fälle gesehen und gesprochen, die gesagt haben, sie haben ihre Investoren unter anderem dadurch gewonnen, dass sie sagen konnten, wir haben einfach sehr geringe Content-Erstellungskosten, weil wir User-Generated-Content haben. Aber auch das, da sind wir bei einem Punkt, da können wir verschiedene Strategien an manchen Ecken nicht kombinieren, weil wenn du halt diese Qualitätsschiene fährst und auf User-Generated-Content setzt, ist das natürlich ein gewisser Widerspruch in sich.
Joel Kaczmarek: Abschließend, wenn du jetzt Unternehmerin werden würden würdest, also du bist ja Unternehmerin, aber sagen wir mal, du willst ein neues Medienunternehmen gründen, hast du einen Dart-Pfeil in der Hand und hast sozusagen eine Zielscheibe. mit diesen drei Faktoren, was glaubst du, ist das Erfolgsversprechendste darauf zu optimieren? Ihre verzogene Mund zeigt mir schon, die Frage ist voll undankbar.
Katja Nettesheim: Ja, die Frage ist echt schwierig, weil also erstens, meine Tochter hat neulich zu mir gesagt, Mama, ich möchte später mal eine Zeitung machen und dann, dann miete ich mir einen Laden und aus der raus verkaufen wir das dann. Und ich war ein bisschen überrascht, weil ich hatte vorher mit ihr nicht drüber gesprochen, die ist fünfeinhalb, dass die solche Ideen schon hat. Und dann habe ich nur zu ihr gesagt, oh Schatz, da reden wir nochmal drüber. Allein die Tatsache, dass ich irgendwie Print machen wollte, hat mich echt verwundert. Aber das ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass bei uns immer noch ein paar Zeitungen rumliegen. Wenn ich ein Medienunternehmen machen würde, so wie ich dann doch da rangehe an die Themen, würde ich im ersten Moment tatsächlich auf die Content-Qualität-Nische-Strategie gehen. weil es doch eher meiner Leidenschaft entspricht. Nichtsdestotrotz würde ich dann die Quadratur des Kreises probieren und die Monetarisierung draufsetzen. Wenn man das natürlich mit einer sehr ökonomischen Denke betrachtet, dann ist es eigentlich die Reichweitenstrategie, dass man sich sehr genau analysiert, was sind wirklich lohnenswerte, verkaufbare Zielgruppen. Und das Dritte ist, wenn man halt schon einen kleinen Nukleus hat für Technologie, dann kann man das andere machen. Aber das ist, wie gesagt, das Erste machen. Das ist wiederum aber ein ganz anderes Play. Da sind wir dann tendenziell im B2B-Licensing-Sales.
Joel Kaczmarek: Wenn du jetzt Verlag fährst und würdest investieren wollen in solche Themen, welche der drei Branchen würdest du dir aussuchen oder der drei Ausrichtungen?
Katja Nettesheim: Das käme auf mein Produktportfolio an und darauf, was ich schon habe. Also als normaler Publikumsverlag würde ich wahrscheinlich Nummer drei nehmen.
Joel Kaczmarek: Also die Reichweite? Die Reichweite, ja. Das haben die doch eigentlich schon.
Katja Nettesheim: Ja, aber nicht da. Gut, sie haben jetzt alle Jugendangebote, die teilweise ja deutlich besser laufen als gedacht. Aber so richtig heftige Millennial-Reichweite hat eigentlich niemand. Gut, ich meine, wir haben sehr viel Reichweite bei Heftig und die sind ja jetzt auch gekauft worden tatsächlich von Funke. Also von daher ist das ein Beleg für meine These.
Joel Kaczmarek: Ha, welch ein Glück. Sehr schön. Da haben wir aber, glaube ich, ein ganz gutes Bild bekommen, worauf es irgendwie ankommt, was ein Faktor sein kann. Also das muss ja gar nicht immer nur Medienunternehmen inspirieren, das kann ja auch für viele andere gelten, die jetzt kein Medium vielleicht primär machen. Von daher, ich danke dir ganz herzlich und freue mich aufs nächste Mal.
Katja Nettesheim: Ich danke dir ebenfalls. Bis dann.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Medien: Denn Modelle, die in der Vergangenheit viel Geld in die Kassen der großen Medien und Verlage gespült haben, tun heute mitunter gähnende Leere auf. Was also tun? Dazu haben wir regelmäßig mit Medienexpertin Katja Nettesheim gesprochen, um die Geschäftsmodelle der Verlagswelt in der digitalen Zukunft sowie die Herausforderungen auf dem Weg dorthin zu verstehen.