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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich digitale Transformation mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's!
Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und heute habe ich wieder den lieben Marcus Worbs an meiner Seite. Ihr wisst, Marcus, der ist MD bei Diconium Strategy und wenn Marcus da ist, dann versuchen wir immer die Transformation Stories nachzuzeichnen. Also die Idee ist, dass wir von anderen, die erfolgreich transformiert haben, lernen, wie das geht, auf das viele von euch da draußen das nachmachen können. So, und heute sprechen Marcus und ich mit Dr. Michael Müller-Wünsch, besser bekannt eigentlich liebevoll als Müwü. Und zwar reden wir über die Rolle und den Impact des CIOs im Unternehmen und die daraus resultierenden Implikationen für die Organisation der IT- und Tech-Kompetenzen. Das klingt ja schon mal komplex, aber ich glaube, es wird sehr, sehr spannend, weil der liebe MÜWÜ hat schon viel gesehen. Er ist nämlich seit 2015 bereits Bereichsvorstand Technology, sprich CIO bei der Plattformmarke Otto. Und da ist ja richtig Bewegung drin. Die machen mit 6,3 Milliarden Euro Jahresumsatz und 11,3 Millionen aktiven KundInnen in 2022 wirklich was aus im E-Commerce. Sie gehören damit nämlich zu einer der größten E-Commerce-Plattformen in Deutschland. So, und 2022 wurde Müwü für seine Leistungen zum CIO des Jahres gekürt. Also da bin ich mal gespannt drauf, wie er das macht. Er ist zudem Vorstands-, Präsidiums- und Beiratsmitglied in unterschiedlichen Tech-Initiativen, regelmäßiger Speaker, hat auch noch Drei Kinder, macht Sport. Also ich muss ihn mal als erstes fragen, wie er das alles unterkriegt. Wir wollen heute mal wissen, welche Rolle denn eigentlich so Technologie und die Rolle des CIOs in der Transformation spielen. Moin moin, erstmal lieber Marcus und herzlich willkommen lieber Michael.
Michael Müller-Wünsch: Hi, grüß dich. Ich finde es großartig, dass ich hier bei euch sein darf und du kannst auch weiterhin Müwü zu mir sagen. Michael höre ich sehr selten drauf.
Marcus Worbs: Joel hat dich ja schon sehr schön vorgestellt. Also wir haben gesehen, du hast bereits vieles in deinem Leben erreicht. Wenn du mal nach vorne noch schauen möchtest, welchen Fußabdruck möchtest du denn mit deinem Leben hier auf dieser Erde hinterlassen?
Michael Müller-Wünsch: Ja, ich meine, das sind große Worte. Und was kann man als Einzelner machen? Man kann sicherlich ein klitzekleines Sandkorn bewegen. Technologie spielt in unserer Gesellschaft in allen Bereichen eine große Rolle. Und wenn es uns und mir gelänge, da mehr Teilhabe an der positiven Entwicklung, die durch Technologie begründbar ist und beschreibbar ist, wenn wir das hinbekämen, dann würde ich mich da sehr freuen und vielleicht auf die Art und Weise etwas hinterlassen. Wo andere sagen, ja, stimmt, da gab es mal sowas oder so einen, der hat da auch schon mal drüber nachgedacht.
Joel Kaczmarek: Ja, mega. Und ich meine, kannst du vielleicht mal für unsere HörerInnen auch so einen kleinen Einblick geben? Was ist denn eigentlich so dein Aufgabenbereich bei Otto? Wie muss ich mir das vorstellen? Weil ich habe ja auch schon eingangs gesagt, mir ist gar nicht klar, wie du mit drei Kindern Sport und all deinen Rollen sowas überhaupt alles unter den Hut kriegst.
Michael Müller-Wünsch: Also ich bin Bereichsvorstand Technologie für die Marke Otto. Das ist ja eine große organisatorische, unternehmerische Einheit in der gesamten Otto Group. Wir können ja andere Unternehmen eben wie Witten, Bonprix, aber auch unsere Schwesterfirma About You dazu. Und meine Aufgabe ist es, dieses Unternehmen, was mal sehr tradiert ein reines Handelsunternehmen war, future ready zu machen. Und future ready heißt eben halt, den Herausforderungen, die wir heute, aber auch in der nahen Zukunft haben, erwarten, Antworten zu liefern. und Technologie ist ein Lösungsbaustein. Und ich habe da die Verantwortung, den Umgang mit Technologie so zu gestalten, eine maximal positive User Experience gibt. Wenn ich bei Otto arbeite oder wenn ich Partner von Otto bin oder Kunde von Otto bin, dann macht das Spaß. Aber es ist eigentlich eine tolle Aufgabe, weil ich darf Spaß produzieren.
Joel Kaczmarek: Und lass uns doch mal, wie eigentlich im Titel unseres Podcastes auch schon angedroht, auf die Rolle des CIO eingehen. Also steht ja für Chief Information Officer, ist halt so die technische Rolle. Wie verortest du die denn im Unternehmen? Weil ich finde auch die Frage spannend, sich mal zu fragen, sollte so eine Rolle nicht auch wirklich noch fester und intensiver Management Board verortet sein? Weil Technologie ist ja so das Element, mit dem man heutzutage eigentlich noch die neuen Werte hebt. Viele Unternehmen, habe ich so den Eindruck, haben aber technische Kompetenz lange vielleicht sogar als Kostcenter nur betrachtet, gar nicht nur als Profitcenter und so ein bisschen stiefbrüderlich, weil es gibt halt so viele non-technische EntscheiderInnen und das gehört ja, glaube ich, geändert. Und vielleicht wäre mal interessant, da deinen Take drauf zu hören.
Michael Müller-Wünsch: Letztendlich muss ich da die Weitsicht auch von Michael Otto, unserem heutigen Aufsichtsratschef, die ja dazu geführt hat, dass wir uns vor fast 30 Jahren mit dem Thema Internet und allen anderen digitalen Weiterentwicklungen auseinandergesetzt haben und er auch immer wieder selber Impulse gesetzt hat. Gerade vor einigen Jahren sehr, sehr beeindruckend, vor einem Senior Management Meeting, das Thema KI, also künstliche Intelligenz und die Bedeutung von unser Geschäftsmodell. Und er hat halt auch eine andere maßgebliche Entscheidung mit gefördert, dass eben in unserem Management Board das Thema Technologie auf der obersten Unternehmensleitungsebene vertreten ist und gleichberechtigt sprechen kann. Ich habe drei wunderbare Kollegen, Non-Tech, wie du gerade gesagt hast, die allerdings auch durch ihren eigenen Werdegang, einen sehr guten Zugang zur Materie haben. Aber sie haben mit mir jetzt eben tatsächlich jemanden, der aktiv Technologie sein ganzes Berufsleben gestaltet und entwickelt hat und mit ihnen jetzt den Dialog führt, wie wir Technologie im Sinne dieser Business Journeys, von denen ich vorhin sprach, einsetzen. Das ist für die manchmal strapaziös, weil manchmal wird es dann doch auch technisch. Es ist insofern befruchtend, als dass es die Anerkennung von unserem Shareholder, eben wie gesagt der Familie Otto, aber auch der Kolleginnen und Kollegen gibt, dass Technologie und Technologiefragestellung Arbeitsrhythmus in der Organisation eben halt auch beeinflusst. Du kannst auf der Unternehmensleitung halt am leichtesten Einfluss nehmen. Insofern gute Ausgangspositionen über den Hebel Technologie tatsächlich einen Wertbeitrag für unsere Unternehmensentwicklung leisten zu können.
Marcus Worbs: Warum tun sich aus deiner Sicht denn heute noch so viele Unternehmen schwer damit, die Rolle in dieser Form zu interpretieren, weil es ja doch durchaus eigentlich auf der Hand läge, entsprechend Gas zu geben?
Michael Müller-Wünsch: Also ich glaube, es ist halt auch eine Frage von Aufsichtsräten. Also es sind ja gerade auch Aufsichtsräte, die solche Gremien besetzen oder Beiräte oder Eigentümer, die sind eben vielleicht über ihren eigenen Werdegang mit der Entwicklung von Technologie als Geschäftsernebler gar nicht so vertraut. Und insofern findet das eben quasi in dem Lösungsraum für viele zukünftige Herausforderungen oder auch bei aktuellen Herausforderungen von Unternehmen zu bearbeiten, findet es nicht statt. Das ist, finde ich, einer der ersten Wege. wie man einen anderen Zugang von der Bedeutung von IT und Technologie in einem Unternehmen entwickeln kann, dass man ein entsprechendes Gremium hat, das das fördert und dann eben halt auch anerkennt, dass die Gesamtorganisation sich dem auch stellen muss. Wenn man da eben auf der obersten Management-Ebene nicht irgendwo einen technologischen Kompetenzträger hat, dann ist es halt schwer, das einzuwerten.
Joel Kaczmarek: Kannst du uns eigentlich mal so ein paar Best Practices schildern, wie du diese Rolle ausfüllst, gerade wenn man sie als einen Business Creator versteht?
Michael Müller-Wünsch: Für mich ist es das A und O, die Gesprächsfähigkeit zwischen Business und IT sicherzustellen. Du brauchst meines Erachtens Gremienstrukturen, du brauchst wo man gemeinsam die Dinge erörtert. Und ich bin von Anfang an hier angetreten, dieses Zusammenspiel zwischen Business-Verantwortlichen und Technologie-Verantwortlichen auf ein neues Fundament zu stellen. Das hat auch was mit gegenseitigem Respekt zu tun. Wie betrachte ich die Rolle? Ich persönlich habe es eine sehr unsägliche Diskussion empfunden, die IT kleinzureden als einen Dienstleister, der seinen Kollegen doch zu dienen hätte, wird der Rolle überhaupt nicht gerecht. Ist in einer Organisationsstruktur, wo es ja darum geht, in der externen Welt erfolgreich zu sein, nur bedingt hilfreich. Was nicht heißt, dass wir eine Serviceorientierung brauchen. Aber ich halte nicht so viel von diesen internen Hierarchiestrukturen, wo du Lieferant und Kunde bist und darüber Dinge geregelt bist, sondern ein gleichberechtigtes, wertschätzendes Miteinander zwischen Business und IT-Community. Und das eben auf die Agenda zu bringen. Und dann der zweite Teil in meiner persönlichen Rolle ist tief in die Problembereiche der Unternehmen mit einsteigen. Also ich glaube, dass du aufgrund der Rasantheit der Entwicklung nicht mit PowerPoint eine Organisation führen kannst, sondern du musst eben in Kontakt mit den Menschen sein, ihnen auch die Sorge und Angst, die Technologie vielleicht in Arbeitswelten, auch mit sich bringen, dadurch nehmen, dass du ihnen den Rahmen zeigst, wie sowas wirken kann. Ich bin ja diplomierter Informatiker, aber auch diplomierter Kaufmann, bin immer in beiden Welten unterwegs gewesen und auch heute noch. Und dieses Sprechen mit Menschen ist für mich einer der Schlüsselfaktoren, wie man Technologie erfolgreich machen kann. Das datenorientierte Unternehmen, was ich ja auch als einen Claim habe, dass wir das weiter ausbauen wollen, ist eigentlich in der Ur-DNA drin und technologisch gesehen hatten wir auch schon vor einigen Jahrzehnten eines der größten Dataverse-Applikationen in Europa. Daraus kommend haben wir dann überlegt, wie man dieses Handelsgeschäft, wo wir Ware selber einkaufen, aufs Lager legen und dann wieder verkaufen, ergänzen. Diese digitale Reichweite auszubauen, ist, wenn man diesen Handelsprozess immer selber macht, doch einigen Limitationen unterworfen und haben dann angefangen zu sagen, wenn man das Ganze als einen digitalen Marktplatz versteht, dann könnte ich ja mit Software und Daten, die gleiche User Experience oder eigentlich noch eine verbesserte User Experience generieren, ohne dass ich Läger bauen muss, dass ich selber Ware irgendwie einkaufen muss und ähnliches mehr. Und so haben wir ein digitales Produkt gebaut, nämlich den Marktplatz. Und da war die Challenge, jetzt technologisch gesprochen, Altsysteme mit modernster Softwaretechnologie architektonisch zu verbinden. Wie geht denn sowas eigentlich? und haben eben sehr unternehmerisch den Marktplatz aufgebaut. Und auf einmal passierte es in 2020, dass wir eine Handvoll von Marktplatzteilnehmern hatten, die unsere digitale Reichweite benutzt haben, um ihre damals paar tausend Produkte zusätzlich zu unserer über Millionen Artikel dazu zu packen. Und das hat einen so rasanten Verlauf genommen, dass der anfänglich mehrere 10.000 Euro große Umsatz nach über einem Jahr eine Milliarde zusätzlichen Umsatz generiert hat, weil wir ein Stück Software gebaut haben, welches quasi additiv Gesamtangebote in die Gesamt-User-Experience erweitert hat. Und das wäre nicht möglich gewesen ohne IT. Von diesem Anfang 2020 haben wir de facto unser Warenangebot in der User-Experience, in der User-Erfahrung verzehnfacht.
Joel Kaczmarek: Wenn man mit dir jetzt so spricht und dir zuhört, dann merkt man ja relativ schnell, dass es irgendwie nicht zielführend ist, in so einer Organisation wie eurer IT noch eigentlich als separaten Bereich zu verstehen, sondern gerade auch, wenn man sich mal so die ganzen Frameworks, die im agilen Bereich entstanden sind, anschaut, kann man ja eigentlich an so einen Punkt kommen, dass man so eine wertstrombasierte Organisation schafft, wo du eigentlich auch interdisziplinär und kundenorientiert arbeitest und schon in der Produkterstellung eigentlich die Teams so zusammengesetzt sein sollten, dass sowas befördert wird. Wie macht ihr das denn bei euch?
Michael Müller-Wünsch: Die Grundphilosophie, die wir haben, ist, dass wir aus einer sehr stark auch technologisch definierten, funktionalen Technologie und Geschäftsorganisation in eine produktorientierte Organisation gegangen sind. Die Idee, ich habe selber ja auch mal ein Unternehmen als Startup mit aufgebaut, mit einem kleinen Team zu starten und mit zwei Pizzas die Ernährung sicherzustellen, funktioniert halt nicht bei mehreren tausend von Mitarbeitern. Deswegen brauchst du zwar die Autonomie des Produktteams, aber du brauchst auch ein Alignment, also du brauchst diesen Alignment-Framework. Wir haben mittlerweile ein Prozess- und Portfolio-Modell, was über alle Vorstandsbereiche hinausgeht, also unser Gesamtunternehmen in einen Takt packt und dieser Takt ist alle drei Monate, dass wir als Vorstand, Vorstände, wir, meine drei Kollegen und ich, uns anschauen, wie sehen die Product Roadmaps unserer 120, 130 Produktteams aus, um die jeweiligen Wertströme optimal zu bedienen. Weil die Wertströme dienen am Ende des Tages dazu, eine außergewöhnliche User Experience, also Konsumenten Experience zu generieren. Oder zweitens dienen die Wertströme dazu, diese ganzen Partner und Lieferanten, die auf unserer digitalen Plattform sind, optimal mit uns zu verbinden. Das ist sozusagen, ich nenne sie immer die Supplier- und Partner-Experience. Und die dritte Experience ist eigentlich das Allerwichtigste und das wird jetzt viele wundern. Das ist die Employee- oder Mitarbeiterin-Experience. Weil wenn du die herausragend gestaltest als Unternehmen, dann werden die Mitarbeiter dafür sorgen, dass du herausragende Konsumenten-Experiences und Supplier-Experiences baust. Unternehmen, was auch aus einer tradierten Industrie kommt, deren es gelungen ist, diese Prinzipien von digitalen, modernen Organisationsstrukturen entsprechend gerecht zu werden. Und das machst du nicht aus einem Silo heraus, das machst du nur cross-funktional.
Marcus Worbs: Habt ihr euch da denn eines Frameworks bedient oder ist sozusagen euer Organisationsmodell eine Eigenschöpfung?
Michael Müller-Wünsch: Also wir haben jetzt nicht eins der gängigen in der Literatur oder auch in der Beratungspraxis vorgeschlagenen Modelle genommen und gesagt, das kopieren wir jetzt eins zu eins in unserer Organisation, sondern wir hatten ja das Glück, als wir vor 27 Jahren otto.de angefangen haben zu bauen, dort schon in einem Bereich Piloten hatten, die wussten, wie diese Idee mit agiler Softwareentwicklung am Endkunden, wie sowas funktioniert. Die Frage war, wie bringst du das auf eine Gesamtorganisation raus? Du hast halt diese Produktvertikalen, die in diese Wertströme zum Markt hin wirken und du hast aber auch laterale, horizontal liegende Strukturen, wenn es um Security-Themen geht, wenn es um Infrastrukturen geht, wo du dich in einem Thema entsprechend bewegst. Ausgehend von deiner Organisational Readiness und deiner Technical Readiness kannst du daran arbeiten, aus diesem Domänenmodell die Future Readiness deines Geschäftsmodells halt zu bauen. Und da haben wir mittlerweile eine Menge Learnings, die wir auch teilweise dokumentiert haben oder wo ich eben halt auch viel auf Tagung darüber berichte und die wir mit jeder Frage, die uns gestellt wird, Dadurch besser machen, dass wir versuchen zu verstehen, haben wir diese Frage eigentlich schon berücksichtigt bei unseren Überlegungen. Deswegen rede ich auch so gerne mit anderen Leuten und höre mir die Fragen an, weil ich immer denke, stimmen, den Aspekt haben wir noch nicht benutzt, aber der könnte zur Optimierung unseres gesamten Modells bleiben.
Joel Kaczmarek: Was ich sonst spannend finde, wäre, wir können es ja immer mal noch mehr weiter treiben. Man sieht ja auch sukzessive, dass ja selbst nicht-technische Entscheider versuchen, trotzdem, sage ich mal, technologische Vorgehensweisen oder vielleicht sogar Programmieransätze mit aufzunehmen. Also so Stichwort Low-Code, No-Code. Das heißt, es gibt ja durchaus auch von der IT unabhängiges Handeln. Was sind denn so die Herausforderungen und Fallstricke, die du bei solchen Entwicklungen bisher beobachtet hast?
Michael Müller-Wünsch: Ich finde No-Code, Low-Code ist eine hervorragende Idee, um schnell Lösungen auch von Nicht-Core-Techies bauen zu lassen. Es ist ja sehr stark auf dem Anwendungsbezug, weniger im Infrastrukturbereich. Am Ende des Tages brauchst du eine Governance, dass es in deine gesamten Security- und Betriebskonzepte richtig reinpasst. Man muss aber eben halt berücksichtigen, dass es bestimmte technologische Grundfragestellungen gibt und ich komme an einem immer wieder vorbei, das ist das Thema Security. Die müssen eben dann auch berücksichtigt werden. und dann ist halt die Frage, ob du als Nicht-Techniker mit Low-Code und No-Code das alles gut beantwortet bekommst. Und jetzt gibt es noch einen zweiten Aspekt bei No-Code und Low-Code, den die meisten wahrscheinlich gar nicht wissen. Dadurch, dass No-Code und Low-Code in Umgebungen so sehr generellen Anspruch haben und vieles können, sind sie technologisch nicht immer effizient und generieren ein CO2-Footprint. Das ist also ein Trade-off zwischen Schnelligkeit im Markt, die gut ist, versus Betriebsfragestellung bis hin zu Infrastrukturfragestellung, den CO2-Footprint deiner Digitalplattform zu verstehen. Es gibt ja zwei Ecken, wie man da rangehen kann. Das ist, wie baut man Code? Und da spielen No-Code und Low-Code-Umgebungen eben halt eine Rolle. Und mit wie vielen Daten operiere ich? Da ist so ein Stichwort Datenminimalismus. Welche Antworten liefern wir da drauf? Das finde ich sehr spannend. für mich auch noch nicht endgültig gelöste Fragestellung. Aber das ist ja genau das, was mich auch immer wieder reizt, mal ein bisschen schwierige Probleme zu lösen.
Marcus Worbs: Ein weiteres Thema, was wahrscheinlich in dem Kontext auch ganz interessant ist und auf Datenfuß ist das Thema künstliche Intelligenz. Du hattest es schon angesprochen. Wir haben ja durch ChatGPT, Generative AI generell gerade eine ganz besondere Dynamik. Was ist denn deine Einschätzung, wie die Auswirkung sowohl auf die Arbeit und Organisation bei euch ist, als auch auf euer Geschäftsmodell von diesen Themenstellungen?
Michael Müller-Wünsch: Also ich habe mich tatsächlich ja vor zwei Jahren mal öffentlich zu einer Wette hinreißen lassen, dass ich gesagt habe, bis 2030 glaube ich, dass Business- und IT-Architekturen bis zu 50 Prozent durch KI-Systeme geprägt sein werden. Deswegen bin ich sehr froh, dass auch schon zu Beginn meiner Zeit wir so kleinzarte Pflanzen von KI-Anwendungen bei Otto hatten. Das macht ungefähr 10 Prozent unserer Kapazitäten aus, stetig wachsend. Ich glaube, dass Sie viele Dinge sehr smart lösen können, wenn es um Skalierungs- und Steuerungsfragestellungen in einem Unternehmen geht. Am Ende des Tages ist die heutige KI, und ich spreche da noch nicht über die generative KI von JetGPT und anderen, sehr, sehr limitiert in der Bewältigung einer sehr spitzen Aufgabe. Versuchen wir mit einem Bilderkennungsprogramm, was wir zum Beispiel haben, eine Texterkennung zu machen. Das, was wir als Menschen in einem Hirn machen, schaffst du nicht in einem Software-System. Dafür musst du ein zweites Software-System bauen. Aber, das gesagt, wenn du spitze Fragestellungen hast, kann KI heute alleine aufgrund der technologischen Basisvoraussetzungen wirklich Beachtliches leisten. Und das sehen wir ja an vielen Stellen.
Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir ja viel darüber geredet, wie wir, sage ich mal, technische Fragestellungen ein Stück weit flexibilisieren, wie man sie weiter in die Organisation reinträgt, wie man vielleicht auch manchmal sagt, dass ich hinkriege, dass IT-Prozesse auch von nicht technischen Personen irgendwie mitbefördert werden. Was ist denn umgekehrt ein Bereich oder eine Aufgabe oder ein Faktor, wo du sagst, das ist wirklich eine hoheitliche Aufgabe der IT und die sollte weiterhin eigentlich zentral organisiert sein und eben nicht so dezentral?
Michael Müller-Wünsch: Bei all diesen infrastrukturell foundation-nahen Themen ist es gut, wenn du Technologen hast, die sowas kennen und können. Wir glauben nicht, dass ein Einkäufer ein guter Programmierer auf Dauer sein will. Ein Programmierer will auch kein guter Einkäufer. Also alle haben irgendwie ihre Heritage. Das kann zwar mal sein, dass jemand wechselt, das will ich gar nicht ausschließen. Aber mir hat mal auch ein Informatiker gesagt, ich mache halt meinen Job, weil ich einfach das Job der IT gut finde. Da bin ich auch ein bisschen traurig drüber, weil es so verkürzt verstanden wird. Wenn man davon spricht, man will Business und IT zusammenbringen, wird es oft so gedacht, dass es in einer aufbauorganisatorischen Hierarchie abgebildet wird. Für mich ist Zusammenbringen, dass Menschen miteinander reden, aber dass du als ITler aus einer Technologieperspektive und Heritage kommst und als Marketingmensch vielleicht auch aus der Marketing. Aber da aufeinander zuzugehen, keine Berührungsängste zu haben, das macht dieses Zusammensein zwischen Business und IT aus meiner Sicht aus, also das ist meines Erachtens, also die Offenheit zu sagen, Mensch, da ist eine riesige Chance, wenn wir Technologie einsetzen würden. Zu glauben, dass jeder Manager automatisch den gesamten Baukasten hat, wie man gute Organisations- und Change-Begleitungen halt macht, ist, glaube ich, auch ein bisschen naiv. Ich habe, als ich hier antrat, das als einen riesen Change-Auftrag gesehen und habe deswegen auch gesagt, ich möchte eine kontinuierliche Change-Begleitung halt machen. Die kostet Geld. Auf der Seite, die sie durchführen, die sie konzipieren, aber auch auf der Seite, die sie empfangen sollen. Also du musst ja auch deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugestehen, dass sie diesen Change-Prozess für sich durchleben. Also es ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit deines Businesses, die du da betreibst. Technology Readiness muss zusammen einhergehen mit Organization Readiness, um dann später hin auch Business Readiness zu haben. Man muss es sich leisten wollen. Es ist auch eine Mindset-Fragestellung und kann man es auch wirtschaftlich.
Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir so viel über dieses Thema geredet. Die spannende Frage ist ja dann auch so ein Stück weit, was macht das denn karrieretechnisch? Weil da tun sich ja ganz viele Rollen und Möglichkeiten auf. Also dieser agile Kontext. Was waren so eure Learnings und eure wichtigsten Faktoren, wenn ihr jetzt mal Karrieren denkt für junge und auch alte Menschen in eurem Unternehmen?
Michael Müller-Wünsch: Diese Multipurpose General Management Entwicklung hat sich aus meiner Sicht ein bisschen verändert in die Richtung, dass wir diesen lateralen Führungsperspektiven, die ja auch manchmal durch Matrixstrukturen entstehen, mehr Raum geben müssen. Daraus entwickeln sich aber Situationen, dass es an bestimmten Stellen wesentlich mehr Fach- und Spezialistenentwicklungen gibt. Und daraus ergeben sich vielleicht nicht so tradiert, ich werde der Buchhalter zum Controller, zum CFO, sondern jetzt werde ich auf einmal vielleicht der People Manager. Das muss sich aber auch herauskristallisieren. Wir sind eben halt auch eine alte Organisation im Sinne, wir haben schon konsequent, aber auch behutsam, also was kann die Organisation vertragen, diesen Change durchgezogen.
Joel Kaczmarek: Abschließend, wir haben ja den Blick sehr weit gemacht an vielen Stellen und vieles zusammengeführt. Wenn wir uns jetzt nochmal ein Stück weit vereinfachen und du dir mal überlegst, Menschen hören jetzt zu, die vielleicht noch nicht so weit auf der Reise sind wie ihr. Was würdest du sagen, was sollte jedes Unternehmen anfangen zu tun, um erfolgreich mit diesen Digitalisierungsfaktoren, die du auch genannt hast, Mehrwerte für ihre KundInnen zu generieren?
Michael Müller-Wünsch: Ich glaube, ein Schlüsselfaktor war, dass wir von unseren Eigentümern auch gefördert in einen Kulturwandel gegangen sind. Also dass wir unser Mindset verändert haben, also Offenheit entwickelt haben und die Vergangenheit in Frage gestellt haben, auch vergangene Verhaltensmuster in Frage gestellt haben. Weil wenn du diesen Mindset nicht veränderst, dann wird es schwer, die technischen Fragestellungen, operativen Fragestellungen mit einer anderen Perspektive anzugehen. Und sich bewusst zu sein, du kannst halt eine Unternehmensstrategie dir in drei oder sechs Monaten selber schreiben, ein schönes PowerPoint-Buch machen. Vielleicht kriegst du auch noch irgendwie so einen kleinen transformatorischen Prozessveränderungsteil in den darauffolgenden zwei, drei Jahren hin. Aber der echte nachhaltige Schritt entsteht, wenn du die Kultur und dein Mindset verändert hast. Und das dauert einige Jahre.
Joel Kaczmarek: Lieber Möwe, wir handhaben es am Ende immer so, dass wir so vier Fragen stellen, wo wir uns abschließend so einen Impuls noch mitnehmen wollen, die Gäste möglichst schnell und impulsiv antworten sollen und kurz. Also was so das Erste ist, was dir in den Kopf kommt. Ich fange mal an. Was tust du, um dein persönliches Wohlbefinden und deine Resilienz zu steigern?
Michael Müller-Wünsch: Ich versuche, neben meiner vielen Arbeit auch weiterhin Sport zu machen, also meinen Körper in Form zu halten und mich vor allen Dingen immer mit netten Menschen und von netten Menschen inspirieren zu lassen.
Marcus Worbs: Sehr gut. Was sind denn die drei wichtigsten Hacks, die dich beruflich erfolgreich machen?
Michael Müller-Wünsch: Hospitation auf der anderen Seite, also verstehe den anderen, in einen anderen Bereich gehen, würde ich immer empfehlen. Das hat mir mal ein Unternehmenslenker in meinen jungen Jahren nahegelegt und das habe ich gemacht. Das Zweite war natürlich auch immer offen und neugierig zu bleiben für die Veränderung und eben halt auch sich immer wieder auch mal selbst zu reflektieren, sich vielleicht auch nicht zu überschätzen. Und da ich Sport auch gerne im Team gemacht habe, sich zu überlegen, wie kann man im Team erfolgreich sein und wie ist man nicht alleine nur unterwegs.
Joel Kaczmarek: Dritte Frage. Erinnerst du dich an einen Ratschlag, der dein Leben besonders positiv beeinflusst hat?
Michael Müller-Wünsch: Ja, das war ein CEO, der Holländer war. Das Öffnen von anderen Lebensperspektiven und auch Kulturbereichen, sich tatsächlich in anderen Kulturen zu bewegen, das war für mich Ende der 20er Jahre eine der wichtigsten Erfahrungen, andere Menschenkulturen und anderes Verhalten und andere Entscheidungsstrukturen besser zu verstehen. Ob ich sie wirklich alle durchdrungen habe in den jungen Jahren, weiß ich nicht. Aber dieser Mensch war für mich ein sehr wichtiger Ratgeber, Respekt vor der anderen Kultur, der Andersartigkeit zu haben.
Marcus Worbs: Gibt es ein Buch zum Thema Digitalisierung, was du unseren Hörerinnen gerne empfehlen möchtest?
Michael Müller-Wünsch: Also wenn ihr etwas über Digitalisierung lernen werdet, haben sich 14 Digitallieder zusammengebracht und werden am 12. Mai ein Buch, den Praxisguide für digitale Lieder herausbringen. Und da bin ich einer der Mitautoren. Kann ich dringend empfehlen im Hansa Verlag, ist am 12. Mai lieferbar. haben ein sehr interessantes Setup erwählt, in dem wir sehr vergleichend beschrieben haben auf bestimmten Themen, wie man Digitalisierung in ihren jeweiligen Wirkungsfeldern erleben konnte. Und ich glaube, da ist eine sehr interessante Sammlung von vielen, vielen Learnings entstanden.
Joel Kaczmarek: Möwe, es war uns ein Vergnügen und ein Fest. Vielen Dank, dass du uns an all deiner Erfahrung hast teilhaben lassen. Und ja, wir sind gespannt, was noch so kommt. Und lieber Marcus, dir natürlich nicht minder. Danke. Bis zum nächsten Mal.
Outro: Tschüss, ihr beiden. Es war eine große Freude, wie ihr gemerkt habt. Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.