DB-Vorständin Markotten: So funktioniert die Transformation der Bahn

30. April 2024, mit Joel KaczmarekMarcus Worbs

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute habe ich wieder den lieben Marcus Worbs an meiner Seite. Ihr wisst, wenn Marcus mit am Start ist, dann reden wir über die Geschichten hinter der Transformation. Das heißt, wir schauen uns interessante, spannende Unternehmen an und fragen eigentlich mal nach, wie die so digitalisieren, was ihre Prozesse sind, wie ihre Learnings ausgefallen sind etc. pp. Also richtig hohe Lern-Druckbetankung. Marcus macht übrigens auch was Neues, das löchern wir Ihnen gleich mal und vielleicht ansonsten an dieser Stelle auch mal ein kleines Entree zu unserem Gast. Wir freuen uns nämlich sehr, heute die liebe Daniela Gerd tom Markotten am Start zu haben. Daniela ist seit 2021 Vorstand Digitalisierung und Technik bei der Deutschen Bahn Und nach ihrem Wirtschaftsingenieurstudium war sie zunächst 16 Jahre im Daimler-Kosmos aktiv. Also ihr merkt, das kriegt ihr schon jetzt mit, hier sind ganz viele Erfahrungsstränge, die zusammenkommen. Weil sie war nämlich Executive Board Member der Daimler Mobility Services GmbH und davor Leiterin der Digital Solutions and Services bei Daimler Truck. Und danach wurde Daniela CEO von Movil. Habt ihr bestimmt auch schon mal gehört. Das ist ein Mobility Joint Venture von BMW und Daimler. Die können jetzt noch weiter aufzählen, aber ich mache es einfach mal kurz. Daniela hat schon ganz viel gesehen im Bereich Startup mit Andockung zum Thema Corporate und KMU und aus diesem Fundus werden wir heute schöpfen. Natürlich mit Fokus auf die Deutsche Bahn, wo sie wie gesagt im Vorstand für Digitalisierung und Technik zuständig ist. So, that being said, schön, dass ihr da seid, ihr beiden.

Daniela Gerd tom Markotten: Moin, moin.

Marcus Worbs: Hallo Joel.

Joel Kaczmarek: Marcus, guck mal, habe ich eben so heiß angekündigt, du hast einen neuen Job, du machst was Neues. Erzähl mal ganz kurz noch einen Satz zu dir. Freut sich auch die Daniela, wenn die dich ein bisschen besser hier noch kennenlernt.

Marcus Worbs: Ja, danke Joel. Ja, seit Anfang März bin ich nun bei PwC Deutschland im Bereich Cloud & Digital und kümmere mich, wie auch in der Vergangenheit, darum, Unternehmen dabei zu helfen, ihre digitalen Geschäftsmodelle zu optimieren oder neue zu generieren und die damit verbundenen organisatorisch notwendigen Veränderungen dann auch tatsächlich mit umzusetzen.

Joel Kaczmarek: Ja, kann ja nur ein gutes Unternehmen sein, wenn die sich solche Top-Leute wie dich hier an den Start holen. Also ein noch breiterer Fundus, der uns heute umweht. Sehr gut. Willst du dann auch gleich mal das Intro machen mit Daniela? Willst du den Start machen?

Marcus Worbs: Sehr gerne. Daniela, wir haben immer am Anfang eine obligatorische Frage, nämlich welchen Fußabdruck möchtest du mit deinem Leben auf dieser schönen Erde hinterlassen?

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, Mensch Marcus, ich habe schon gedacht, da geht er mit der ersten Frage ja gleich in die Vollen. Aber wenn du mich das so fragst, für mich ist wichtig, dass Menschen durch technische Innovationen moderne, bequeme und nachhaltige Mobilität erleben können. Und wenn ich noch einen Schritt weitergehe, weil das ja die Diskussion, die wir gerade sehen, dass auch für nachfolgende Generationen wir einen lebenswerten Planeten haben, auf dem sie in Freiheit leben können. Wenn ich dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, dann bin ich happy.

Joel Kaczmarek: Ja, ich wollte gerade sagen, das ist ja jetzt nicht gerade tief ins Regal gegriffen. Also sehr gut, man muss ja Ambitionen haben. Bei Startups sagt man immer, aim for the moon, reach the stars. Also selbst wenn man es vielleicht nicht bis zum Mond oder zum Mars schafft, aber man schafft es auf jeden Fall bis in die Sterne. Von daher kann ich das nur unterstützen. Und hilf uns doch auch mal zu verstehen, weil Digitalisierung und Technik, das klingt ja nach einem echt breiten Aufgabenspektrum. Was ist denn so grob dein Verantwortungsbereich? Was machst du in deiner Rolle?

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, so grob ist das schon genau richtig. Also es ist IT, es ist Technik und es ist auch nochmal wichtig, schwere Instandhaltung. Das müsst ihr euch so vorstellen wie quasi Inspektion beim Auto nach vier oder sechs Jahren. Bei uns sind das nach 1,65 Millionen Kilometer, wo ein Zug in die Generalüberholung geht und da gehören auch zwölf Werke, die das tun in meine Verantwortung. Das ist gut, weil das erdet einen nochmal richtig und dazu kommen, wie du ja schon gesagt hast, das Thema IT, Digitalisierung und Technik. Und das ist ein Ein Querschnittsthema ist gar keine Frage, aber ein Thema ist mir an der Stelle total wichtig, dass Digitalisierung nur synchron funktioniert. Das heißt, ich muss die Schiene digitalisieren, ich muss die Züge digitalisieren und ich muss den Betrieb digitalisieren, damit die Kunden, das wollen wir ja, die Kunden am Ende draußen sind. Eine nächste Frage könnte ja direkt sein, wieso eigentlich Digitalisierung und Technik? Wieso ist das in einem Verantwortungsbereich? Und da sage ich Gott sei Dank, weil wir ja sehen, dass Digitalisierung und Technik einfach immer weiter zusammenwächst. Also gerade wenn wir papierlose Fabrik, wenn wir an IoT denken, da kann man ganz schicke Sachen mit Sensorik und KI machen.

Marcus Worbs: Wahrscheinlich kannst du dich persönlich nicht um alle Themen in diesen Bereichen kümmern. Was ist denn so deine persönliche wöchentliche Agenda?

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, ich kann mich tatsächlich nicht um alles persönlich kümmern, aber dafür habe ich ja ein tolles Team. Mir geht es dann da immer darum, dass man sagt, hey, Ziele vereinbaren und jeder marschiert dann los. Und was für mich immer wichtig ist, in den Austausch zu gehen, einmal mit den Geschäftsfeldkollegen zu sagen, wie können wir uns mit diesen Querschnittsthemen, mit Technologie und Innovation, wie können wir euch bestmöglich unterstützen, mit meinen Vorstandskolleginnen und natürlich auch mit Partnern aus Wirtschaft und Politik. Und was ich auch immer suche, ist das Gespräch mit Mitarbeitenden und die ein oder andere Inspiration, weil man will ja auch Vorreiter sein.

Joel Kaczmarek: Und ich meine, wir dürfen ja auch mal ganz ehrlich sein, dein Beruf, das ist ja wahrscheinlich auch mit vielen Vorurteilen behaftet. Also ganz viele Menschen denken bei der Bahn immer an die verspäteten Züge und möckern immer rum. Ich finde ja irgendwie total wichtig und wertvoll, wenn Leute das einfach mal in die Hand nehmen. Und jetzt würde ich ja gerne mal verstehen, was ist denn so eure Vision, die ihr damit verfolgt? Also wie seht ihr denn so die Zukunft des Reisens? Welchen Anspruch habt ihr? Weil bei all den Klischees, die euch wahrscheinlich immer um die Ohren wehen, ist ja mal spannend zu fragen, was ihr eigentlich wirklich verfolgt und wo ihr dann da schon steht.

Daniela Gerd tom Markotten: Vielleicht noch einen Satz vorneweg, weil mir der wichtig ist, genauso wie du es gesagt hast. Mir ging es darum, eben nicht mehr am Spielfeldrand zu stehen und zu meckern, sondern zu sagen, okay, dann gehe ich mit aufs Spielfeld und gucke, wie wir das Thema besser machen können. Unsere Vision oder unser Anspruch ist, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen, weil wir ja das nachhaltigste Verkehrsmittel sind. Es ist natürlich ein aktiver Beitrag, CO2-Emissionen zu reduzieren. Davon haben wir uns 10,5 Millionen Tonnen pro Jahr an Reduzierungen auf die Fahnen geschrieben, um 2040 dann komplett CO2-frei unterwegs zu sein. Und ich rede hier nicht über Zertifikate, das ist auch nochmal wichtig. Und parallel dazu jetzt am Beispiel Güterverkehr den Marktanteil auf 25 Prozent zu erhöhen und im Fernverkehr die Reisendenzahlen zu verdoppeln. Und das sind ambitionierte Ziele, aber wir wissen ja, warum wir das tun.

Marcus Worbs: Welche Rolle spielen denn dabei die digitalen Technologien und Innovationen?

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, was ich da vielleicht vorweg schicken darf und alle Nerds, und ich bin ja selber eine, mögen es mir verzeihen, IT ist kein Selbstzweck, sondern es geht immer darum zu sagen, wie können wir das Leben den Menschen und auch unseren Kundinnen und Kunden leichter machen und mit der Bahn pünktlicher, verlässlicher und nachhaltiger werden. Was man vielleicht manchmal verkennt, dass wir es mit der Digitalisierung tatsächlich schaffen können, Kapazität auf der Schiene zu schaffen. Das heißt, wir können mehr Züge fahren, ohne weitere Gleise zu bauen. Wenn wir beispielsweise die digitale Instandhaltung nehmen, dann schaffen wir es auch, die Züge häufiger verfügbar zu haben. Thema Asset Utilization, weil die Züge sollen ja nicht in der Werkstatt stehen, die sollen für unsere Kundinnen und Kunden pünktlich unterwegs sein.

Joel Kaczmarek: Ja cool und ich meine, wir wollen ja auch ein paar Use Cases jetzt natürlich hier im Kontext von Digitalisierung und KI haben, dass wir die mal verstehen und was die Deutsche Bahn natürlich bereits anbietet und was noch so geplant ist. Und wir können ja mal mit der Kundenperspektive anfangen, weil da ist ja so Grundbedürfnis Nummer eins bei einer Bahnreise logisch, dass ich erstmal pünktlich und zuverlässig am Zielort ankomme. So und aktuell liegt der Fernverkehr bei 64 Prozent. Geplant ist es, diesen Wert bis 28 wieder auf 80 Prozent zu heben. So und von daher nehmen wir uns doch mal an die Hand. Wie hilft denn die Digitalisierung bei der Zielsetzung? Wie werden die Kunden digital unterstützt, wenn zum Beispiel auch Anschlusszüge nicht erreicht werden oder einfach die Ankunft verspätet ist? Da habt ihr ja bestimmt schon das eine oder andere im Köcher.

Daniela Gerd tom Markotten: Danke, dass du mich das fragst. Natürlich können wir mit den Pünktlichkeitswerten heute überhaupt nicht zufrieden sein. Das ist ein echtes Desaster, gar keine Frage. Aber das Thema, wonach du ja gerade aus Kundensicht fragst, ist die entscheidende Frage: Bekomme ich meinen Anschlusszug? Da sind wir schon bei der Reiseinformation und auch bei einer ganzen Menge künstlicher Intelligenz. Wir verarbeiten jeden Tag, damit man sich das bildlich vorstellen kann, 400 Millionen Ereignisse vom Wetter, vom Reisendenaufkommen, wo unsere Züge sich gerade aufhalten, aber auch alle historischen Daten, um möglichst gut zu antizipieren: Bekommst du deinen Anschlusszug, ja oder nein? Dabei berücksichtigen wir beispielsweise auch, ob du am selben Bahnsteig gegenüber deinem Zug erreichen willst oder ob du quasi von Gleis 1 auf Gleis 10 gehen musst, damit wir gut prognostizieren können, ob du es tatsächlich ohne Rennen mit Koffer zu deinem Anschlusszug schaffst. Und wir haben ja immer dieses Thema Wagenreihung. Bei einem 400 Meter langen ICE ist es natürlich ein echtes Problem, wenn man auf der anderen Seite des Zuges einsteigen muss. Aber da sind wir mittlerweile auch mit an die 99 Prozent Korrektheit unterwegs und auch beim Gleiswechsel sind wir da mittlerweile richtig gut. Was wir als Ziel für 2024 uns vorgenommen haben, ist, diese Infos, sollte es mal nicht der Fall sein, so früh wie möglich zu geben. Und da kommt auch wieder Sensorik ins Spiel, also wirklich auch automatisiert zu geben und vor allen Dingen auch konsistent aufzuspielen. Da haben wir manchmal das Thema, dass uns Kundinnen und Kunden sagen: "Am Bahnsteigsanzeiger steht irgendwie fünf Minuten, in meiner App stehen drei Minuten." Das liegt einfach daran, dass an den Bahnsteigsanzeigern bisher immer nur in Fünf-Minuten-Schritten angezeigt wurde. Wir haben gesagt, wir machen das jetzt genau gleich minutenscharf, damit unsere Kunden nicht unsicher sind, was denn jetzt wirklich die korrekte Zahl ist. Das mal nur so als kleines Beispiel vorneweg.

Marcus Worbs: Spannend, da würde ich gerne noch einmal nachfragen, die 99 Prozent beziehen sich auf die Wagenreihung oder Zuverlässigkeit der Vorhersage der Ankunft?

Daniela Gerd tom Markotten: Je besser die Pünktlichkeit, desto besser die Vorhersage. Wenn das System so ein bisschen aus dem Tritt gerät, dann kann ich zwar mit der KI prognostizieren, das wird irgendwie schwierig, aber ich brauche es ja konkret für die Reiseroute des einzelnen Kunden. Und da vorherzusagen, wie wird sich das auswirken, wird auch aus der Historie heraus dann immer schwieriger.

Marcus Worbs: Ich gehe glücklicherweise immer ein bisschen schneller, als die Bahn prognostiziert. Deswegen kriege ich immer noch mehr Züge, als mir angesagt wird. Das finde ich immer ganz gut.

Daniela Gerd tom Markotten: Sehr gut, aber wir müssen ja auf alle Reisenden Rücksicht nehmen. Vielleicht brauchen wir da nochmal irgendwie verschiedene Zielgruppen. Der sportliche Typ, der mit Reisegepäck oder der mit Family unterwegs ist.

Marcus Worbs: Gleich einen neuen Use Case ausgearbeitet. Während der Reise ist für die Reisenden natürlich auch die Konnektivität die Grundvoraussetzung für die Nutzung digitaler Services. Alle, die mal in der Bahn gereist sind, wissen, das ist noch nicht so hundertprozentig zufriedenstellend an vielen Stellen. Was tut ihr bei der Bahn, um die Konnektivität im Zug zu verbessern?

Daniela Gerd tom Markotten: Das ist sehr schade, dass du mir das als direktes Feedback so gibst. Das ist noch nicht so, wie es sein soll. Weil ehrlich gesagt, kriege ich in den letzten Monaten immer häufiger gesagt, es ist wirklich um einiges besser geworden. Aber nichtsdestotrotz, der Anspruch ist, und das ist tatsächlich so für unsere Kundinnen und Kunden, ist das eines der Top-Kriterien, habe ich Empfang im Zug. Weil man muss es ja jetzt auch mal sagen, mir sei es erlaubt, da ich aus der Automobilindustrie ja ursprünglich stamme, Das autonome Fahren aus Kundensicht, das haben wir ja bei der Bahn. Man kauft sich ein Ticket, setzt sich rein und muss sich nicht um den Verkehr kümmern. Und was macht der moderne Kunde? Der schnappt sich sein Smartphone oder sein Tablet und will surfen oder irgendwelche anderen Themen im Netz streamen. Von daher sind zwei Dinge wichtig. Jetzt wird es ganz kurz technisch. Und zwar einmal brauche ich flächendeckende Verfügbarkeit im Netz und ich brauche Bandbreite. Und bei dem Thema Verfügbarkeit Da sind wir wirklich gut unterwegs an den Gleisen entlang und auch weit vor der Zeit. Kleines Beispiel, also mit der Telekom und der Vodafone haben wir nochmal selbst Geld in die Hand genommen, dreistelliger Millionenbetrag, zu sagen, wir brauchen diese flächendeckende Verfügbarkeit. Die Telekom ist mittlerweile zu 99 Prozent fertig mit dieser flächendeckenden Abdeckung und müsste es eigentlich erst 2026 sein. Also wir sind hier gut zwei Jahre vom Zeitplan und auch die Vodafone ist vor Zeitplan. Von daher, das ist super positiv. Und jetzt kommt aber auf der anderen Seite das Thema Bandbreite. Und wenn du quasi mit tausend anderen Menschen im Zug sitzt und mit 300 kmh durch die Landschaft reist, dann bist du ganz schnell im Gigabit-Bereich. Also da reden wir über 5G-Technologie. Es sei denn, alle wollen nur SMS schicken. Aber das ist ja de facto nicht so. Und von daher treiben wir auch dieses Thema weiter voran und haben da gerade ein Projekt, GIND nennt sich das in Mecklenburg-Vorpommern, wo wir quasi gemeinsam mit den Mobilfunkern am Gleis entlang diese 5G-Technologie ausbauen. Warum ist das für uns jetzt eine Innovation? Weil viele fragen dann, wieso 5G gibt es doch schon. Wir brauchen 5G zukünftig für unseren digitalen Bahnbetrieb. Also das heißt, wir müssen sowieso an den Gleisen entlang Masten aufstellen, um 5G betreiben zu können. Jetzt haben wir gesagt, warum machen wir das nicht gemeinsam, anstatt dass jeder seinen Masten und seine Antenne hinstellt, ganz zu schweigen vom Ressourcenverbrauch, von den Planungsaufwänden und den Kosten für die einzelnen Masten, ist jetzt die Idee und das haben wir genau in diesem Projekt in Mecklenburg-Vorpommern verprobt. Ein Mast und jeder kann seine Antenne draufsetzen. Also wir für den digitalen Bahnbetrieb und die Mobilfunker jeweils auch. Und das ist eine echte Innovation, das hat es so noch nicht gegeben.

Joel Kaczmarek: Man unterschätzt das glaube ich auch immer, was da alles an Aufwand dahinter steckt. Ich erinnere mich, ich war früher bei einem Inkubator für Deep Tech und da gab es ein Startup, die haben so Laserpunktverbesserungen gemacht. Das heißt, die hatten Laser und konnten Objekte ausmessen. Und ich erinnere mich noch, ein Anwendungsfall war, das vorne auf die Züge der Bahn raufzuschrauben, weil die Bahn glaube ich das Problem hat, dass die ganzen Gleise teilweise auch zuwachsen. Und bei den Abermillionen Kilometern von irgendwie Gleisen, wenn da jedes Mal halt mal ein Busch drüber hängt, du kannst ja nicht jedes Mal alles abfahren. Also dass man sich das mal in dem Scale einfach auch klar macht, was da eigentlich hinter steckt, finde ich ganz wertvoll.

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, das ist ein guter Punkt. Wir nutzen aber jetzt eine andere Technologie. Wir haben ja 33.000 Gleiskilometer und da wachsen eine ganze Menge Bäume und Gebüsch. Das ist auch gut so. Wir machen das mittlerweile satellitengestützt und auch unterstützt quasi wie Predictive Grünwuchs zu sagen, wie wird sich das verändern und was sehen wir über die Satelliten, sodass wir antizipieren können, wann wir dort schneiden müssen. bevor uns ein Baum ins Gleis fällt oder zu stark über die Gleise wuchert.

Joel Kaczmarek: Genau, in zehn Jahren kommt dann auch so ein Laser wie bei James Bond aus dem Satelliten runtergeschossen und siegt den einfach um gleich.

Marcus Worbs: Gucken wir mal, ob das dann aufkommt.

Joel Kaczmarek: Was sind denn ansonsten so die reisebegleitenden digitalen Services? Weil das beschäftigt ja glaube ich auch viele. Was plant ihr denn da so? Was sind so? die Kundenlieblinge vielleicht auch? Also was kommt besonders gut an?

Daniela Gerd tom Markotten: Naja, ich glaube der Kundenliebling ist natürlich weitreichend bekannt. Das ist unsere DB Navigator App. Das ist die beliebteste Reisenden App in Deutschland und wir haben da drei Millionen Anfragen pro Tag. Von daher ist das eine gute Geschichte. und das ist ein Thema, das ist komplett in-house entwickelt, also gerade die neue Version, 500 Mitarbeitende waren in dem Thema unterwegs und jetzt Schritte, wenn du mich fragst, jetzt für dieses Jahr Digitalisierung der Bahncard, ein ganz wichtiges Thema und auch sowas wie ein Kalenderexport. Und ansonsten, das kennt ihr aber schon, sowas wie Komfort-Check-In, Bestellen am Platz, das sind natürlich Themen, was die Leute gerne mögen. Und wenn wir jetzt mal auf das Thema Generalsanierung gucken, weil wir sehen uns ja leider im Moment einer maroden Infrastruktur gegenüber und werden die jetzt auch in einem komplett anderen Verfahren modernisieren, indem wir sagen, wir sperren die Strecke für fünf Monate, kann sich jeder darauf einstellen und danach ist sie niegelnage neu. Da setzen wir jetzt beispielsweise auch Augmented Reality ein, um den Kundinnen und Kunden mit ihrem Handy, den Weg zum Schienenersatzverkehr, also zu dem für sie richtigen Bus zu leiten und zu weisen.

Marcus Worbs: Aber es profitieren nicht nur eure Endkunden von den digitalen Services, sondern sicherlich auch weitere Stakeholder wie LokführerInnen, die Wartung, die Planung. Du hattest es ja gerade schon auch angesprochen. Kannst du uns hier Einblick geben, welche Use Cases ihr bereits in den letzten Jahren erfolgreich etablieren konntet? Und auch hier, was in diesen Bereichen noch zu erwarten ist, was geplant ist? Ich hatte kürzlich auch aus dem Grid-Management-Bereich einen Podcast und habe da gelernt, dass man durch digitales Grid-Management bis zu 30% mehr Strom durch das bestehende Hochspannungsleitungsnetz schicken kann, also auch ohne weiteren Ausbau. Vielleicht hast du dafür eben auch analoge Beispiele im Schienennetz.

Daniela Gerd tom Markotten: Das ist ja genau das, was ich vorher gesagt habe. IT ist kein Selbstzweck, sondern es soll halt insbesondere auch für unsere Mitarbeitenden das Leben leichter machen. Und wenn wir dann noch das Thema Fachkräftemangel mit ins Körbchen legen, dann ist Digitalisierung ein echter Erfolgsträger für die Zukunftsfähigkeit und auch ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, mit modernen Arbeitsmitteln und vor allen Dingen möglichst repetitive Arbeiten zu vermeiden. Kleines Beispiel. Wir haben ja in der Vergangenheit die Vorbefundung bei der Instandhaltung gemacht. Das heißt, der Zug kam ins Werk gefahren, dann wurde der Strom freigestellt, dann ist jemand um den Zug herumgelaufen, ist oben raufgeklettert, hat auf dem Dachgarten geguckt, ist das mit dem Stromabnehmer und der Klimaanlage in Ordnung. Das hat mehrere Stunden gedauert und hat natürlich auch diese Gleiskapazität im Werk belegt. Was machen wir heute? Wir haben Kameratore aufgebaut. Da kommt auch wieder Sensorik, IoT und künstliche Intelligenz ins Spiel. Die Züge fahren da durch und es wird quasi die komplette Außenhaut gescannt und aufgenommen. Muss dieser Zug überhaupt in die Werkstatt kommen? Und wenn ja, kann man natürlich in der Werkstatt die Mitarbeitenden schon informieren oder die Experten für die Themen und auch die Ersatzteile bereitstellen. Anstatt dass die Menschen in der Vergangenheit auf dem Zug rumklettern mussten und teilweise müssen die auch in die Grube runter, um den Unterboden anzuschauen, Da setzen wir mittlerweile Roboter ein, sodass wir wirklich ein 360-Grad-Bild bekommen und der Mitarbeitende kann sich das quasi auf dem Tablet angucken.

Joel Kaczmarek: Wenn wir mal so die interne Perspektive bei euch jetzt auch einnehmen, was sind denn so die drei größten Herausforderungen für die Bahn bei der Etablierung all dieser Use Cases, die du gerade beschrieben hast?

Daniela Gerd tom Markotten: Naja, ich habe ja gerade erst angefangen. Das eine war ja quasi zustandsbasierte Instandhaltung. Der nächste Schritt, wenn ich das gerade noch sagen darf, ist natürlich Predictive Maintenance, also wirklich Vorhersagen zu treffen und Störungen, bevor sie eintreten, zu beheben. Und das ist sowohl am Zug der Fall, aber auch in der Infrastruktur. Dass wir da quasi, indem wir mit Regelzügen drüber fahren, die Sensorik montiert haben, eben sehen, verändert sich irgendwas an der Gleislage oder an den Weichen, sodass wir quasi eingreifen können und nicht mehr mit dieser Störung, wie es heute der Fall ist, konfrontiert sind. Und genauso beim Zug. Da fangen wir mit den kritischen Komponenten an. Ihr kennt das Digital Twin und das sind bei uns halt die Bremse, die Tür und die Klimaanlage, die für die Kunden einfach am relevantesten ist. Neben der Toilette Aber auch da bei der Entleerung setzen wir mittlerweile Sensorik und künstliche Intelligenz ein. Aber ich lasse es dabei mal bewenden. Du hattest mich ja nach Herausforderungen bei uns gefragt. Das ist so eine Frage auch von Vertrauen und Akzeptanz. Und deswegen ist es ganz wichtig, wo gibt es einen Schmerz, den ihr derzeit habt und wie können wir euch helfen? helfen, den zu bewältigen. Und wie muss das am Ende auch auf dem Tablet oder im System aussehen, dass es für euch tatsächlich nur irgendwie One-Click-Aways und Digitalisierung eben nicht zu einer Verkomplizierung beiträgt. Das ist total wichtig. Und wenn ihr jetzt fragt, wir sind ja in einem großen Konzern unterwegs, dann auch immer wieder das Thema zu betonen, Proudly Copied. Es geht nicht darum, Dinge im eigenen Bereich neu zu erfinden, sondern sich im Sinne Best-Practice-Sharing umzuschauen und zu gucken, was gibt es denn eigentlich schon. Da gibt es nämlich eine ganze Menge mehr, als man vielleicht denkt. Und von daher etablieren wir auch immer mehr so Tech-Communities, so einzelne Technologien, wo man weiß, da kann man hingehen. Und die können dann auch sagen, gibt es sowas schon im Konzern? Und wenn ja, wie? Das Thema ist auch immer Seeing is Believing. Wenn ich es mir angucken kann und sehe, es funktioniert, ist es für mich natürlich dann auch einfacher, das in meinem Bereich einzusetzen.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, ganz kurze Nachfrage noch dazu, weil ich habe neulich so einen schönen Spruch gehört, wenn man einen scheiß Prozess digitalisiert, hat man hinterher einen digitalen scheiß Prozess, was ich ganz amüsant fand. Das heißt, was mich auch mal interessieren würde ist, geht ihr auch hin? und wenn ihr sozusagen im Digitalisierungsprozess seid, schaut euch die Prozesse nochmal als Ganzes an, weil wenn man die digital abbildet, ist es ja manchmal vielleicht sogar erforderlich, sie auch nochmal komplett neu zu denken.

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, unbedingt. Ich will vielleicht nicht das gleiche Wording verwenden, aber ich bin da inhaltlich total bei dir. Und deswegen ja auch das Thema Lean Excellence. Also zuerst zu schauen, ist in irgendeiner Form in diesem Prozess noch Verschwendung drin? Brauchen wir den überhaupt? Können wir den vereinfachen und auch standardisieren? Und wenn wir das getan haben, dann fangen wir an zu digitalisieren. Aber erst, wenn diese Schritte davor durchlaufen sind.

Marcus Worbs: Das Thema Proudly Copied kann ich nur empfehlen, mal auf Nucor zu schauen. Das ist der größte und erfolgreichste Stahlproduzent in den Vereinigten Staaten. Die haben das sozusagen zum System gemacht. Also die haben sich so aufgestellt, dass man tatsächlich sehr viel dezentral ermöglicht und schauen sozusagen die restlichen Unternehmensteilnehmer, was kann ich dann sozusagen von den Best Practices lernen. Das führt mich auch zu meiner nächsten Frage. Wo sieht sich denn die Bahn im internationalen Vergleich im Sinne von Best Practice? und was wollt ihr vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch lernen?

Daniela Gerd tom Markotten: Da sind wir nämlich alleine unterwegs und ihr könnt euch vorstellen, ich habe einmal, als ich zur Bahn kam, vor zweieinhalb Jahren vor allen Dingen geguckt, was können wir aus der Automotive-Industrie mitnehmen, proudly copied. So die Referenzsysteme, sagt man, die Japaner und die Schweizer. Das waren quasi meine ersten Dienstreisen zu sagen, ich will schauen, wie die das machen. Und das ist auch heute so. Also gerade mit JR East und der SBB sind wir da in einem engen partnerschaftlichen Austausch, genauso wie mit den Franzosen und auch den Österreichern. Das Schöne ist aber, dass insbesondere beim Thema künstliche Intelligenz, wir haben Anfang letzten Jahres bei uns schon eine AI Factory gegründet, weil ich einfach gesagt habe, das ist eine Technologie, die ist gekommen, um zu bleiben. Und haben da auch mittlerweile über 150 Leute an Bord und natürlich in den verschiedenen Geschäftsfeldern noch Teams, die sich da gegenseitig befruchten. Aber vielleicht nochmal ein ganz anderes Thema, wenn wir über HVO sprechen, also Hydrated Vegetable Oil, also Ersatzstoff für Diesel. Da sind wir auch absoluter Vorreiter gewesen. Wir haben da 90 Prozent weniger CO2-Emissionen. Das Schöne ist, dass man die Dieselmotoren dafür gar nicht umrüsten muss. Natürlich setzen wir weiter auf Elektrifizierung, aber man hat einfach bei manchen Diesel-Loks, wenn die End-of-Life sind oder Rangier-Loks, da macht es keinen Sinn, die zu elektrifizieren. Und von daher ist das ein guter anderer Weg für uns, CO2 weiter zu reduzieren. Das Thema, wir hatten eben über Konnektivität gesprochen, da bin ich gar nicht zugekommen. Wir bringen Konnektivität an den Zug. Aber die Konnektivität muss ja auch in den Zug. Das Thema Scheibenlasern und vor allen Dingen das nachträgliche Scheibenlasern, also wie mache ich den heute doch eher faradäischen Käfig, den ich im Zug habe, durch die bedampften Scheiben, wie mache ich den durchlässiger für den Mobilfunk? Wir haben ein Verfahren entwickelt, ohne die Scheiben austauschen zu müssen, einfach während einer normalen Instandhaltung die nachzulasern, sodass ich quasi ein hundertfach verstärktes Signal bekomme. Es gibt noch ein paar andere. andere Themen, aber wo ich sage, hey, da gucken auch die anderen auf uns und sagen, cool, was ihr da macht, lasst uns einfach da auch im Best-Practice-Austausch, so ähnlich wie wir es innerhalb der Deutschen Bahn machen, mit den ausländischen Partnern tun.

Joel Kaczmarek: Es ist aber auch manchmal so verrückt, was da geht. Ich hatte vor kurzem einen Podcast mit AIDA, den Kreuzfahrtschiffen, und die haben auch erzählt, die können ihre Kreuzfahrtschiffe mit Frittenfett betanken und dann riecht es nur aus den Schornsteinen nach Pommes. Das finde ich echt ganz lustig. Und bei euch dann Ja, krass, crazy. Und wir machen hier, was ich gesagt habe, mit Scheiben bei der Bahn nicht schlecht. Jetzt hast du ja eben auch bei euren Herausforderungen über dein Team, also über deine Mitarbeitenden geredet, dass das ein Thema ist. Und da ist es natürlich spannend, mal nachzuhaken, wie sich denn die Digitalisierung auf die Mitarbeitenden so auswirkt. Also verändern sich die Arbeitsinhalte? Verbessert sich die Toolbase? Weißt du einfach mal so ein Feeling dafür zu kriegen, wie nehmt ihr die denn auch mit auf die Reise und verbessert das Know-how der Leute?

Daniela Gerd tom Markotten: im Sinne Co-Creation und auch agiler Softwareentwicklung die Leute wirklich von Anfang an mit dazu zu nehmen. Und zwar die, die es nachher im tagtäglichen Leben einsetzen sollen. Dass sie einfach auch da Mitspracherecht haben und am Ende nicht diese digitale Lösung, weil man alle nicht irgendwo in der Schublade verschwindet, sondern mit Begeisterung angewendet wird. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Offenheit. Was wir sehen, es verändern sich immer mehr Themen und sich auch mit diesen neuen Themen zu befassen. Da kann ich auch sagen, da sind wir bei uns jetzt mit dem Betriebsrat in einem sehr, sehr guten Austausch, wo wir auch gesagt haben, gerade Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die gekommen ist, um zu bleiben. Lasst uns das im Schulterschluss vorantreiben und euch auch so soweit enablen, dass ihr uns dann auch die guten und im Zweifel kritischen Fragen stellen könnt. Es ist immer ein Miteinander und es geht natürlich auch daran, wenn ich jetzt die jungen Generationen anschaue, die wollen einfach auch einen attraktiven Arbeitsplatz und die können sich am Ende aussuchen, wo sie unterwegs sind. Und wenn ich dann mit irgendwelchen veralteten Tools unterwegs bin oder eben noch komplett mit Papier und Fax, dann winken die am Ende auch dankend ab und entscheiden sich vielleicht für einen anderen Arbeitgeber und das wollen wir natürlich nicht.

Marcus Worbs: Ich muss sagen, moderner Arbeitsplatz, moderner Arbeitsweisen geht bei den meisten Unternehmen, die sich mit Digitalisierung beschäftigen, auch mit dem Schlagwort Agilisierung einher. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist bei euch die DB Syste schon seit einiger Zeit komplett auf ein agiles Arbeitsmodell umgestellt. Wie stark haben sich denn die Prinzipien dieser Zusammenarbeitsformen und auch Organisationsstrukturen in anderen Bereichen der Deutschen Bahn durch die Digitalisierung verändert? Und was sind die drei wichtigsten Lessons learned aus diesem Transformationsprozess, die du gerne mit unseren Hörerinnen teilen kannst?

Daniela Gerd tom Markotten: Also das Erste, vielleicht sei noch kurz erwähnt, die DB Sister ist unser interner IT-Dienstleister. Das sind um die 7.000 Menschen, die für uns die IT, Digitalisierung, KI, alles, was damit zu tun hat, entwickeln. Und das tun sie in der agilen Softwareentwicklung und in der Selbstorganisation. Und damit sind sie eigentlich eine der größten Organisationen in Deutschland, wo wir das komplett umgesetzt haben. Und das Spannende ist ja, dass manche sagen ja agile Softwareentwicklung, da macht jeder, was er will. Wenn man das wirklich so tut, wie es die Methode vorgibt, ist es einer der stringentesten und transparentesten Prozesse, die auch wirklich hart in der Konstellation sind, wie ich weitergehe und ein relativ scharfes Tracking haben. Was aus meiner Sicht total gut ist, dass es unsere Coder wirklich auch nochmal mitnimmt in dieser Selbstorganisation, wirklich zu sagen, sie bewerben sich um Projekte, sie engagieren sich für diese Themen und machen es einfach zu ihrer Sache. Das ist nochmal ein wichtiges Thema. Fehlerkultur ist ein wichtiges Thema. fragt im Sinne oder auf Kununu guckt, einer der beliebtesten Arbeitgeber, wenn ich im Bereich IT und Softwareentwicklung unterwegs bin. Ich glaube, das spricht schon für sich. Wir haben eben schon über das Thema Fachkräftemangel gesprochen und gerade in der IT ist das ja auch ein großes Thema. Wir können uns im Moment glücklich schätzen. aus der Kombination Purpose Driven Company und mit den coolsten Tools, die es gerade so am Markt gibt und das eben noch in der Selbstorganisation, ist für uns Stand heute eine Kombination, die für ITler attraktiv ist.

Marcus Worbs: Die agile Transformation, die ihr sozusagen angestoßen habt, hat ja wahrscheinlich auch einen Effekt für eure Kunden. Was ist denn durch Agilisierung schneller, schöner, besser geworden für eure Kunden? Und was wollt ihr noch dadurch erreichen?

Daniela Gerd tom Markotten: Du hast ja gerade schon gesagt, schneller, schöner, besser. Also bei der agilen Softwareentwicklung. Aber das wisst ihr ja alle. Ich glaube, alle, die Podcast hören, dass wir im V-Modell und wir schreiben ein Lastenheft und drei Jahre später kommt die Software zurück und man sagt, oh, das ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, dass das outdated ist. Das ist ja, glaube ich, klar. Sondern es geht ja wirklich darum, und wir nennen das so Business-IT-Fusion, sich mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich, aus den Geschäftsfeldern hinzusetzen und dann in einem agilen Software-Modell immer iterativ weiterzuentwickeln und zu sagen, was ist das nächste wichtige Feature, was wir hier brauchen aus dem Backlog. Und dadurch gibt es eine ganz andere Transparenz und Geschwindigkeit. Und es kommt am Schluss was raus, was die Geschäftsfelder auch tatsächlich wollten.

Marcus Worbs: Ist die neue Navigator-App zum Beispiel agil entwickelt worden und wäre das gegebenenfalls sonst deutlich länger gewesen? Also kannst du mal vielleicht da noch ein bisschen in die Tiefe gehen? Das ist bestimmt nochmal spannend, so im Vergleich Vorversion und aktuelle Version.

Daniela Gerd tom Markotten: Naja, zu sagen, wäre es dann anders gewesen, ist ja immer so ein bisschen hypothetisch. Aber was wir ja an der Stelle gemacht haben, ja, agile Softwareentwicklung mit Story Points und Backlog und da auch immer zu sagen, was ist das nächstwichtige Feature, was wir jetzt da implementieren wollen, was auch von den Kunden und jetzt tatsächlich Kunden und Kunden hoch geratet wurde. Und es gab ja auch eine Beta-Testing-Community, wo man ganz früh einem Kundenkreis einfach auch gezeigt hat, hey, das ist drin, was fehlt euch dann noch, was ist das nächstwichtigere Thema. Und ich glaube, das ist am Ende auch das Entscheidende. Wenn Digitalisierung uns alle erfolgreich machen soll, dann muss es den Kundinnen und Kunden, den Mitarbeitenden helfen. Und je näher die dran sind und ihr Feedback geben können, desto höher ist am Ende die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Joel Kaczmarek: Man liest ja aber trotzdem auch immer wieder, dass Bahnprojekte am Ende deutlich teurer geworden sind als ursprünglich geplant. Also wenn wir ganz ehrlich sind, ist es bei allen Projekten ja gefühlt so, besonders bei Software, aber bei euch natürlich auch sehr visibel. Also wenn man an sowas wie Stuttgart 21 denkt oder die Sanierung der Riedbahn. Was macht ihr denn aus dem Digital- und Technikressort heraus, um die Kosten stärker im geplanten Rahmen zu halten, dass es gerade nicht so ausufert?

Daniela Gerd tom Markotten: Ja, dann lass mich mal ganz schnell ein Gegenbeispiel bringen. Ihr kennt ja wahrscheinlich das Werk in Cottbus. Da haben wir quasi das modernste Instandhaltungswerk, schwere Instandhaltungswerk gebaut und das haben wir in einem In-Time-Budget. Das Werk ist ja jetzt seit Januar in Betrieb. Und für uns war das Thema, wir nennen das Partnerschaftsmodell Schiene. Und was ist daran anders? Wir haben zusammen mit allen Baufirmen uns hingesetzt und haben gesagt, was kann der Bau dieser Instandhaltungshalle mit allen Innereien am Ende kosten? Haben das relativ hart verhandelt und haben dann am Ende gesagt, so. Jetzt sitzen wir alle in einem Boot. Wenn es am Ende weniger kostet, dann teilen wir das, was übrig geblieben ist, quasi untereinander auf. Und wenn es mehr kostet, müssen wir alle nochmal was in die Mitte dazulegen. Und das ist ein komplett anderes Verfahren. Das haben wir auch von der TU Berlin begleiten lassen, dass wir zusammen an einem Strang ziehen und in einem Boot sitzen. Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis. Und was wir häufig gesehen haben, dass es sowas wie einen Nachtragshaushalt gab und noch weitere Leistungen abgerechnet wurden. Dann kommt es eben zu diesen Budgetüberschreitungen oder auch Verzögerungen. Und wir haben gesagt, so ab jetzt gilt es. Und da sehen wir auch schon, dass gerade ab dem Zeitpunkt, wo wir den Preis verhandelt haben, und da haben wir natürlich relativ viele Referenzen dazugezogen, dass wir auch wissen, das ist ein ambitionierter Preis, ab dann gilt es. Und da sehen wir auch, dass das Team da wirklich an einem Strang zieht. Und deswegen waren wir da froh, dass wir genau zu dem Zeitpunkt, Wie wir es vorgesehen hatten, auch die Inbetriebnahme feiern konnten.

Marcus Worbs: Wenn wir nochmal auf deine Rolle als Vorständin zurückkommen. Du hattest es gerade schon erwähnt, ihr seid im Querschnittsbereich, es gibt die operativen Geschäftsbereiche. Welche Möglichkeiten hast du denn ganz konkret im gesamten Konzern, Dinge zu etablieren? und wie läuft auch die Zusammenarbeit mit den anderen Tochterunternehmen?

Daniela Gerd tom Markotten: Aus meiner Sicht total gut, weil es ja immer darum geht zu sagen, wir haben eine Innovation, die entwickeln wir in den allermeisten Fällen nicht im stillen Kämmerlein, sondern schon von Anfang an mit einem Geschäftsfeld oder mehreren zusammen und sagen, wo gibt es einen besonderen Schmerz, lass uns mal zusammen über eine Lösung nachdenken. Und ab dem Zeitpunkt ist es dann wichtig, erzeugt man dann eine Relevanz im ganzen Konzern, dass es eben nicht nur ein POC, also ein Proof of Concept ist, sondern dass man das Thema tatsächlich in die Skalierung bringt. Es geht nicht darum, Dinge neu zu erfinden, sondern zu sagen, was ist eigentlich schon da und was kann ich nutzen. Das ist auch immer mein Credo, weil ich habe ja auch einen relativ großen Bereich, zu sagen, wir fangen bei uns an. Und auch bei uns gibt es ja auch in der schweren Instandhaltung zwölf Werke, da können wir es tupfengleich machen, in der IT können wir es tupfengleich machen und das dann auch raus in die restliche Organisation zu tragen. Das ist eigentlich die Idee.

Joel Kaczmarek: Vielleicht eine ähnliche Frage, aber andere Perspektive, weil Digitalisierung ist ja gar kein Selbstzweck. plus Digitalisierung ist eigentlich auch irgendwie nie fertig und findet überall statt. Es gibt ja in der Bahn Vorstände für Personenverkehr, für Güterverkehr, für Personal etc. Wie stimmt ihr euch denn zwischen den einzelnen Ressorts ab und wer kann zum Beispiel auch Digitalprojekte initiieren und wer übernimmt dann aber auch die Verantwortung dafür?

Daniela Gerd tom Markotten: Da gibt es einen ziemlich strukturierten Prozess, also alles Neue, was mit IT und Digitalisierung zu tun hat. Das läuft quasi über meinen oder den Tisch von unserem CIO, CTO, also der Community, um dann zu sagen, hey, spannendes Thema, kann das vielleicht auch noch für jemand anderes mitinteressant werden? Oder ist das was, was wir erstmal mit einem Geschäftsfeld vorantreiben und danach, so ähnlich wie ihr das auch schon als Beispiel habt, einer geht mal vorne raus und teilt dann die Erfahrungen mit den anderen. Das hängt immer so ein bisschen vom Thema ab. Aber so eine Entscheidung treffen wir dann ganz am Anfang. Und das heißt eigentlich, mit einer Idee kann eigentlich jeder erstmal um die Ecke kommen. Und der wendet sich dann aber quasi an mein Ressort, an die IT oder an die Technik. Und dann haben wir es eigentlich auch schon transparent. Und was für mich immer total wichtig ist, ich mag es eigentlich, wenn es eine Doppelspitze gibt aus dem Fachbereich und im ITler und zu sagen, wir sind quasi wie siamesische Zwillinge und wir haben zusammen diese Verantwortung, weil man dann zusammen in einem Boot sitzt und das Thema erfolgreich machen will. Und da habe ich sehr gute Erfahrungen in der Vergangenheit mitgemacht.

Marcus Worbs: Deine Rolle als Vorständin Digitalisierung und Technik bringt sicherlich auch Herausforderungen mit sich. Was sind denn die größten, denen du gegenüberstehst?

Daniela Gerd tom Markotten: Was ich eben schon angesprochen habe, Unpünktlichkeit ist in großen Teilen auf die marode Infrastruktur zurückzuführen. Und die Digitalisierung und auch die künstliche Intelligenz kann ihre Kraft tatsächlich erst so richtig entfalten, wenn wir auf einer soliden und nicht so störanfälligen Infrastruktur aufbauen. Ich kann zwar vorhersagen, da wird es eine Störung geben. Aber das hilft mir ja relativ wenig. Und wenn ich zum Beispiel sage, ich möchte stärker in die Betriebssteuerung gehen und da reden wir über ähnliche Themen. Auch wir trauen uns mit einer Digitalisierung des Bahnbetriebs 30 Prozent Kapazitätssteigerung zu. Auf der gleichen Gleiskilometeranzahl 30 Prozent mehr Verkehr mit Digitalisierung. Aber dafür muss eben die Basis geschaffen werden und die Infrastruktur modernisiert werden. Und das ist nicht so ein Ping-Pong. Ich sage das nur so explizit, weil mir schon mal jemand gesagt hat, oh super, dann investieren wir einfach jetzt nur noch in Software und dann können wir uns das ja mit der Renovierung der Infrastruktur sparen. Und das ist ja genauso nicht. Wir brauchen sowohl das eine als auch das andere.

Joel Kaczmarek: Jetzt ist es ja so, man überschätzt oft, was man in zehn Jahren erreichen kann, man unterschätzt aber, was man in fünf Jahren erreichen kann. Das heißt, wir werden jetzt mal so den Zielkorridor ein bisschen kleiner runterbrechen. Was sind denn so die drei wichtigsten Ziele in den nächsten ein bis zwei Jahren für deinen Bereich Digitalisierung und Technik? Und wir können ja mal ein bisschen Zauberfehlen spielen. Also wenn du jetzt einen Wunsch bei uns frei hättest, was wäre sozusagen dein Wunsch, um die Zielerreichung noch wahrscheinlicher zu machen?

Daniela Gerd tom Markotten: Also erstmal, dass quasi mit einem Zauberspruch die Infrastruktur modernisiert ist, das wäre schon mal eine Riesengeschichte. Wenn ihr das liefern könntet, wäre das toll. Und dann ist es ja so, für die Nutzung von künstlicher Intelligenz brauche ich als Basis immer Daten. Je besser von der Qualität her, desto aussagekräftiger ist am Ende auch die KI. Und das ist auch ein Thema, wo ich sage, wenn wir quasi die Verfügbarkeit der Daten flächendeckend geschnitten und geputzt, so wie ich es brauche, zur Verfügung hätten, das würde uns das Leben auch nochmal leichter machen.

Joel Kaczmarek: Und hast du so kurzfristige Ziele, dass du sagst, die ersten nächsten ein bis zwei Jahre ist sozusagen ganz hoch auf der Agenda. priorisiert dies, das und jenes?

Daniela Gerd tom Markotten: Mobilfunk im Zug, weil das einfach für unsere Kundinnen und Kunden ein wahnsinnig wichtiges Thema ist. Dann das Thema Digitalisierung in der Instandhaltung. Da könnt ihr zwar sagen, das ist ein Thema hinterm Vorhang, aber Pünktlichkeit beginnt im Werk. Je weniger kurz die Züge im Werk stehen und draußen unterwegs sind, umso besser. und vor allen Dingen auch, wenn ich sie nur noch dann in die Werkstatt holen muss, wenn sie tatsächlich Instandhaltung brauchen, reduziert das natürlich auch nochmal die Kosten und bringt die Asset Utilization auch nochmal hoch.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Daniela, das war ein super Gespräch und Marcus und ich machen es am Ende immer so, dass wir gerne noch mit so einem kleinen Fragenhagel enden. Das heißt, er und ich stellen dir im Wechsel ganz schnelle Fragen und du sollst ohne viel nachzudenken antworten, weil dann kommst du aus dem Unterbewusstsein und ist sozusagen sehr real. Und ich kann ja mal den Anfang machen, weil es ist jetzt so ein bisschen Meta-Ebene, dass vielleicht auch andere Menschen, die sich von dir inspirieren lassen wollen, aus deiner Führungsrolle lernen, dass die da auch Futter kriegen. Und zwar ist die erste Frage, was tust du, um dein persönliches Wohlbefinden und deine Resilienz zu steigern?

Daniela Gerd tom Markotten: Zeit mit meiner Familie verbringen. Ich habe drei Jungs und da ist immer was geboten.

Marcus Worbs: Was sind die drei wichtigsten Hacks, die dich beruflich erfolgreich machen?

Daniela Gerd tom Markotten: Immer neugierig sein, raus aus der Komfortzone, Neues ausprobieren und hartnäckig bleiben.

Joel Kaczmarek: Erinnerst du dich an einen Ratschlag, der dein Leben besonders positiv beeinflusst hat?

Daniela Gerd tom Markotten: Also mein erster Chef hat gesagt, das Thema Augenhöhe ist wichtig. Zu sagen, mein Gesprächspartner ist okay und ich bin okay. Wir sind beide okay und es klappt auch alles andere.

Marcus Worbs: Dann noch etwas Futter für unsere HörerInnen. Welches Buch zum Thema Digitalisierung kannst du uns empfehlen?

Daniela Gerd tom Markotten: Jetzt muss ich gestehen, ich bin eine totale Leseratte. Das hätte ich auch noch sagen können zum Thema Resilienz. Aber bei der Digitalisierung, da muss ich gestehen, da höre ich jetzt eher Podcasts oder lese Newsletter. Es ist Lex Friedman, es ist irgendwie TechCrunch. Da sind Bücher eigentlich nicht so sehr. Dafür ist das Thema zu schnelldrehend aus meiner Sicht.

Joel Kaczmarek: Das ist aber auch eine super gute Antwort, wie die anderen auch. Also, liebe Daniela, ganz, ganz herzlichen Dank für dein Engagement natürlich, dass du dafür sorgst, dass wir alle hier irgendwie besser und schneller und natürlich auch sicherer irgendwie an unser Ziel kommen. Weil ich glaube, es ist ein super wichtiger Purpose, den du da hast. Und natürlich aber auch ganz, ganz herzlichen Dank für dieses tolle Gespräch. Genauso wie an den lieben Marcus. Egal ob bei PwC oder Diconium, mit dir macht es immer Spaß. Vielen, vielen Dank euch beiden.

Daniela Gerd tom Markotten: Sehr gerne, hat Spaß gemacht.

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Transformation

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Digitalisierung: Joel und sein Co-Moderator Marcus Worbs, Partner bei PwC im Bereich Cloud und Digital, nehmen dich mit an Bord, wenn sie mit bekannten mittelständischen Unternehmen darüber sprechen, wie diese ihre Digitalisierung umsetzen. Mit dabei bei jeder Folge: erfahrene Unternehmer:innen und Expert:innen.