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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, ihr wisst ja, ich bin immer mit fröhlicher Stimme unterwegs und mit fröhlichen Themen. Heute aber ehrlich gesagt mal ein ernstes Thema. Und zwar sprechen wir heute über MeToo und Mobbing, also sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und Mobbing und was da eigentlich so drunter gehört. Und wenn ich sage wir, dann habe ich natürlich wieder kompetente juristische Beratung in diesem Fall an meiner Seite. Ihr wisst ja, ich mache ganz viel zusammen mit YPOG, das ist ja auch eine 1A-Kanzlei, wo die liebe Carolin Raspe heute da ist. Carolin ist dort Partnerin für Compliance und Internal Investigations. Und dann haben wir uns noch den guten Jan Heuer. dazu geladen. Jan ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und auch Partner, nämlich bei der schönen Kanzlei KLIEMT.Arbeitsrecht. Und wir reden heute halt mal darüber, was ist denn das eigentlich? MeToo, was fällt denn da drunter? Wann ist etwas Mobbing? Und wie gehe ich eigentlich vor, wenn sowas in meinem Unternehmen passiert? Oder vielleicht auch, wie gehe ich vor, wenn ich mitkriege, dass was passiert, aber keiner sagt es mir oder vielleicht habe ich auch nicht das nötige Werkzeug dazu. Also ich glaube, heute eine sehr aufklärerische und auch sehr wertvolle Folge, aber halt auch eine komplizierte und vielleicht manchmal schmerzhafte. Von daher, kleine Triggerwarnung an alle da draußen, die davon betroffen sind, passt vielleicht gut auf euch. auf. Und wie immer gilt, das ist hier keine Rechtsberatung. Also, wenn ihr Hilfe braucht, holt euch Profis. Ihr habt ja jetzt schon mal zwei vorgestellt. Oder vielleicht habt ihr auch noch eine. So, that being said, ihr beiden, hallo. Schön, dass ihr da seid.
Carolin Raspé: Hallo, wir freuen uns, da zu sein.
Joel Kaczmarek: Hallo, Joel.
Joel Kaczmarek: Vielleicht fangen wir mal an mit so einem groben Verständnis, weil was ich so beobachtet habe, wenn es um das Thema geht und vielleicht müssen wir es so ein Stückchen trennen, also mit MeToo, was wir damit eigentlich meinen, sollten wir gleich mal drüber reden und Mobbing auf der anderen Seite. Ja, vielleicht beginnen wir mal mit so einem Verständnis. Wenn jemand sagt MeToo, was versteht ihr dann eigentlich darunter? oder was ist denn da der korrekte Begriff für? Weil ich habe manchmal das Gefühl, es ist auch so ein Sammelbecken für allerlei.
Carolin Raspé: Vielleicht für die, die sich nicht mehr so ganz daran erinnern, warum eigentlich dieses Schlagwort sich durchgesetzt hat. Das begann ja 2017 in den USA als Hashtag für eine Sache, die wahrscheinlich so alt ist wie die Menschheit, will ich jetzt nicht sagen, aber jedenfalls mal wie das Arbeitsleben. Das Thema, dass eine Art von Grenzüberschreitung stattfindet, entweder im Privaten oder heute sprechen wir vor allem über das berufliche Umfeld. Häufig eben eine sexualisierte Grenzüberschreitung, ohne dass das im Konsens der beiden Personen passiert. Letztendlich ist deswegen dieser Begriff MeToo natürlich kein rechtlicher Begriff. Ich glaube, das müssen wir natürlich klar machen, sondern es ist ein Begriff, unter dem man sehr viel fassen kann. Letztendlich natürlich bedeutet MeToo ich auch. Also es geht darum, dass Leute einfach ihre Geschichten teilen und dass es damals sehr bewusst geworden ist, dass eben sehr viele Personen Geschichten dazu haben und auch mehr, als man vielleicht denken mag. Ich glaube, das ist schon das Erste Schwierige an dem Thema, dass es aufgrund der häufig sexuellen Seite an diesen Grenzüberschreitungen ein Thema ist, das sehr häufig nicht angesprochen wird und die Leute deswegen denken, sie sind die Einzigen, denen sowas passiert. Und das war eben damals, vor ja jetzt schon acht Jahren, einfach so der Gegentrend, sich auch zu solidarisieren. Aber natürlich gibt es auch eine rechtliche Definition der Dinge, die Grenzüberschreitungen sanktionieren, entweder strafrechtlicher oder auch arbeitsrechtlicher Art. Aber bei Arbeitsrecht übergebe ich natürlich gleich an meinen Experten Jan Heuer.
Joel Kaczmarek: Wir haben tatsächlich eine gesetzliche Definition dafür, was sexuelle Bedächtigung ist. Das steht im AGG, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Und da heißt es, dass eine sexuelle Belästigung eine Benachteiligung sei, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen, sexuellen Inhalt sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt. dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Das musste ich jetzt bringen, weil es zeigt einmal, wie kompliziert wir Juristen sind. Es zeigt aber auch, dass es tatsächlich eine gesetzliche Definition gibt. Und zwei Dinge sind an der Stelle ganz besonders interessant. Das eine ist, dass es heißt, dass etwas bewirkt wird. Das heißt, es kommt auch darauf an, wie etwas ankommt, zwar nach objektiver Betrachtung, aber wie etwas ankommt bei der Person, die in Anführungszeichen Opfer wird. Also es kommt nicht darauf an, dass ich sage, war doch nicht so gemeint, ich wollte das doch gar nicht, ich selbst habe das gar nicht so gesehen, sondern man objektiviert das. Und das Zweite, was an dieser Definition sehr interessant ist, ist, dass es eben nicht nur um das ausdrückliche Belästigen geht, sondern eben auch um sowas wie Bemerkungen, anzügliche Bemerkungen, die so indirekt auf jemanden wirken. Und das führt dazu, dass das schon echt ein breites Feld ist. Und das ist vielen, wie du es gerade gesagt hast, Carolin, gar nicht bewusst. Das heißt, viele fühlen sich gar nicht in der Situation, dass sie das Ganze irgendwie ans Tageslicht bringen wollen, weil sie sich gar nicht sicher sind. Ist das jetzt eine Grenzüberschreitung gewesen oder nicht?
Joel Kaczmarek: Können wir ja vielleicht gleich mal bei Beispielen zukommen. Und jetzt interessiert mich natürlich auch mal so die Verteilung. Also ich habe den Satz jetzt mal vor kurzem gelernt. Not all men, but all are men. Also damit ist gemein, nicht jeder Mann ist ein Täter, aber alle Täter sind Männer. Also worauf ich hinaus will ist, wenn wir über sexuelle Belästigung sprechen, ist es dann so ein Fall von 90 Prozent der Betroffenen sind Frauen oder gibt es auch einen großen Anteil von Männern, die davon betroffen sind?
Carolin Raspé: Ja, also tatsächlich habe ich mir nochmal ein paar aktuelle Zahlen auch mitgebracht. Das wird nicht ganz so kompliziert wie die rechtliche Diskussion, aber ist glaube ich auch sehr erhellend. Also letztendlich sagen auch im Jahr 2025 20 Prozent, also zwei von zehn Arbeitnehmern, Nehmern oder Nehmerinnen sagen, dass sie von sexueller Belästigung oder Mobbing in ihrem Arbeitsumfeld betroffen sind. Das ist natürlich schon ein beachtlicher Bestandteil. Und was ich auch wahnsinnig interessant fand, von den Betroffenen. Sagen 83 Prozent, dass das nicht eine einmalige Sache ist, sondern es gibt in der Regel dann auch eine Kultur, dass solche Grenzüberschreitungen immer wieder stattfinden und sich vielleicht über die Zeit auch verschlimmern, wenn ihnen eben nicht entschlossen entgegengetreten wird. Letztendlich sagen dann 72 Prozent der Betriebe. die solche Fälle haben, dass das einen massiven Einfluss auf das Arbeitsumfeld hat, auf tatsächlich auch die Arbeitsmoral, auf Fehlzeiten und ähnliches. Also es sind auch Themen, die, wenn wir es jetzt mal ganz betriebswirtschaftlich runterbrechen wollen, es ist wirklich was, was auch mit der Produktivität der Personen was macht, natürlich mit der Verweildauer der Mitarbeiter. Also es kann sehr große Schäden an der Unternehmenskultur haben. Und letztendlich haben eben nur 59 Prozent der Betriebe auch tatsächlich Maßnahmen implementiert, zu konkret. diesem Thema, dass also Mitarbeiter wissen, was kann ich tun, wenn mir so etwas passiert. Die meisten davon sind informell, aber immerhin gibt es da was, aber das ist eben auch gerade mal die Hälfte. Und gerade wenn wir, wir werden heute glaube ich auch noch ein bisschen über Prävention sprechen, da gibt es fast gar nichts. Die meisten Unternehmen sagen präventiv, machen sie da nicht viel. Also das vielleicht, um das einmal so mit Zahlen zu unterfüttern. und zu deiner Frage der Geschlechterverteilung, ja, ganz überwiegend ist es so. Ich glaube, der ist vielleicht etwas zu pauschal, der Satz, dass es immer nur Männer sind. Es gibt durchaus auch anzügliche und unpassende Kommentare, die von Frauen gegenüber Männern geäußert werden. Aber es ist doch die ganz, ganz, ganz große Mehrheit. Und das Interessante ist dabei wiederum, dass wenn Männern das passiert, sie auch stärker erwarten und auch davon ausgehen, dass Vorgesetzte einschreiten und sowas unterbinden. Und Frauen erwarten das nicht mal mehr. Also daraus kann man schon auch lesen, dass unsere Gesellschaft so geprägt ist, dass Frauen sehr früh damit konfrontiert werden und eigentlich gar kein großes Vertrauen haben, dass solche Themen vielleicht auch vom Arbeitgeber geklärt werden. Männer hingegen da ganz klar auch Hilfe suchen und das dann auch erwarten, dass sowas unterbunden wird. So zumindest diese aktuelle Studie.
Joel Kaczmarek: Und vielleicht machen wir noch den abschließenden Schwenk aufs Thema Mobbing. Also ab wann gilt man als gemobbt? Was fällt so juristisch betrachtet darunter?
Joel Kaczmarek: Das ist leider nicht ganz so leicht wie bei der Frage der sexuellen Belästigung, weil wir nämlich beim Thema Mobbing keine gesetzliche Definition haben. Das heißt, es kommt tatsächlich so ein bisschen auf den Einzelfall an und man hat ganz häufig die Konstellation, dass das eben nicht nur ein Akt ist, also von wegen irgendwie ein Spruch oder eine Aktion. Ich habe jemanden irgendwie in einem Meeting mal bloßgestellt, sondern dass das... in den allermeisten Fällen, die ich betreue, einfach ein Bündel von Geschichten sind. Und wenn du das dann dir zusammen anschaust, kannst du schon sehen, ist das etwas, was gezielt dauerhaft sozusagen gegen eine bestimmte Person gerichtet ist. Und dann würde ich von Mobbing oder auch Bossing, was mir ganz häufig zuletzt untergekommen ist in diesen Konstellationen, sprechen.
Joel Kaczmarek: Was ist denn Bossing, wenn man so den Chef raushängen lässt?
Joel Kaczmarek: So könnte man es sagen. Bossing heißt im Prinzip, dass der Vorgesetzte Machtpositionen, die er hat, einfach weil er eben der Vorgesetzte ist und arbeitsrechtlich weisungsbefugt ist, dass er die ausnutzt und dann darüber die Person, die ihm unterstellt ist, diffamiert im Prinzip. Und das ist im weitesten auch Mobbing, aber man benutzt dann den Begriff Bossing, weil es eben der Chef ist.
Joel Kaczmarek: Okay, dann lass uns doch mal so langsam zu den Beispielen kommen, weil ich habe so eine Geschichte in Erinnerung. Ich war mal in Hamburg in so einem Restaurant auf so einer Netzwerkparty und dann stand ich mit jemandem zusammen, der war auch Arbeitsrechter, da sagte er, ja okay, was machst du so? Und dann hat er mir auch erzählt, dass er so eine Spezialisierung hat. und dann habe ich den gefragt, ich sage mal ja. Wie ist denn das eigentlich? Von was reden wir denn da, wenn sowas passiert? Ist es so, ich habe mich auf der Weihnachtsfeier irgendwie am engen Buffet ungünstig an jemandem vorbeigequetscht und irgendwie hinterher hatte ich einen dran? Ja, oder mir ist die Hand ausgerutscht mal? Sowas in der Art? Oder reden wir von anderen Dingen? Und dann hat er gefühlt den Teller abgestellt, guckte mich ganz ernst an und sagte, Joel, das denken die meisten Leute, dass das so wäre. Der Standard, was ich zu behandeln habe, ist wirklich, Mitarbeiterinnen, in der Regel Frauen, werden zu Hause besucht mit körperlichen Übergriffen. Also wirklich Gewalttaten, dass es schon an die Vergewaltigung grenzt. Und das fand ich so ein bisschen shocking, dass man so, man wähnt sich immer darin, das ist so unverfänglich und er hat ein ganz anderes Bild geschildert. Deswegen bin ich mal neugierig, was in eurer Praxis so passiert, wie ihr so diese Beispiele dessen erlebt.
Joel Kaczmarek: Also natürlich gibt es die Extremfälle, das sind die, die du gerade geschildert hast, die mein arbeitsrechtlicher Kollege sozusagen dir in Hamburg am Buffet erzählt hat. Die sind dann natürlich auch aus strafrechtlicher Perspektive höchst interessant, da kannst du gleich was zu sagen, Carolin. Es gibt natürlich auch die Fälle, wo es nicht so eindeutig ist, wie du es gerade geschildert hast. Ich hatte einen Fall, da haben wir die Arbeitgeberin vertreten, da kamen Vorwürfe auf gegen einen Mitarbeiter. Der war so 55 bis 60 Jahre alt. Der war auch Ausbilder in dem Betrieb. Und irgendwann kamen mehrere Mitarbeiterinnen, die auch bei ihm Auszubildende waren, die Vorwürfe erhoben haben in die Richtung sexuelle Übergriffe. Das waren jetzt aber keine so eindeutigen Geschichten, sondern das waren Geschichten wie mal ein Spruch gemacht. Also von wegen, wenn du hier nicht gute Arbeit machst, dann muss ich dir wohl mal einen Klaps auf den Popo geben. Aber eben auch Berührungen und zwar Berührungen, die Auszubildende bückt sich und er geht dann da mal vorbei und berührt sie am Hintern beispielsweise. Waren noch ein paar mehr Geschichten. Und da kommt es natürlich dann darauf an, die Masse macht es im Endeffekt auch, aber natürlich auch, wie die Personen, die Opfer wurden, bereit sind, darüber zu reden. In diesem Fall war es besonders interessant, weil die Arbeitgeberin, nachdem sie mit mehreren Opfern gesprochen hatte, eine außerordentliche Kündigung auch ausgesprochen hat. Der Mitarbeiter sich dagegen gewehrt hat, eine Kündigungsschutzklage erhoben hat, von wegen außerordentliche Kündigung unwirksam, das stimme alles doch gar nicht. Und in der Gerichtsverhandlung vor dem Arbeitsgericht war es dann so, dass der Arbeitsrichter seinerseits so 55 bis 60, würde ich sagen, gesagt hat, also Leute, stellt euch mal nicht so an, dass man seine Mitarbeiterin, seine Auszubildende mal berührt, das kommt doch vor, das ist mir doch auch schon mal passiert. Bevor wir wirklich in die Aufklärung gehen, da hat er direkt so ein Statement gesetzt, auch im Prinzip seine Voreingenommenheit gezeigt. Das sind die Fälle, wo du natürlich dann als Arbeitgeber auch sehr gut darstellen musst, dass diese einzelnen Geschichten, mal ein Spruch, mal eine Berührung, dass die passiert sind, wo es ganz, ganz wesentlich ist, dass die Opfer eben auch darüber sprechen und auch verstehen, was da gerade passiert ist und das richtig einordnen. Das sind wirklich die Geschichten, wo es nicht so ist, wie du es gerade geschildert hast, Joelle, dass die irgendwie nach Hause fahren und da fast schon im Bereich der Vergewaltigung unterwegs sind.
Carolin Raspé: Ja, also vielleicht kann ich an beiden Enden des Spektrums nochmal was ergänzen. Also einmal zu dem wirklich klar körperlich übergriffigen, es kommt vielleicht sogar zu körperlichen Schäden, zu Beeinträchtigungen. Das sind Themen, das muss man glaube ich ganz klar an der Stelle sagen, das sollte ein Unternehmen, wenn es davon hört, nicht versuchen alleine zu klären. Also da sind einfach einem Unternehmen die Hände gebunden, allein die Beweise zu erheben. Also wenn eine akute Sache bekannt wird und es gibt ja, es gab ja auch tatsächlich schon Fälle, die auch durch die Presse gegangen sind. Also es gab eine Vergewaltigung auf der Weihnachtsfeier. Auf der Afterwiesen, wo auch immer. Das ist an dem Abend noch Personen aufgefallen. Da ist es absolut wichtig, die Polizei hinzuzuziehen. Die können forensische Beweise sichern, die können medizinische Untersuchungen anordnen, die können Blutproben nehmen. Das sind Themen, mit denen ist natürlich nicht zu spaßen. Also da ist man im tiefroten strafrechtlichen Bereich. Da sollte ein Unternehmen nicht glauben, sie hätten die internen Kompetenzen oder Fähigkeiten, sowas zu klären, in der Hoffnung, dass es vielleicht nicht an die Öffentlichkeit kommt. Also da muss Opferschutz dann schon insofern vorgehen, auch über einen möglichen Vertraulichkeitsschutz, dass man da einfach schnell sagt, das müssen wir hier machen. Und da habe ich tatsächlich auch schon Themen entweder selbst betreut oder von Kollegen gehört, dass eben neben den wirklich sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen es ... Auch Themen gibt, wie jemand hat, der Chef hat der neuen Mitarbeiterin was ins Glas gekippt und die Barmitarbeiter haben es gesehen. Das Wichtigste ist, da dann schnell zu handeln und dieses Getränk zu sichern, um zu sehen, was ist da dran, ist das passiert? Wenn man da drei Wochen später versucht aufzuklären, hat man in der Zweifel keine Chance mehr, das zu klären. Bei so diesen ganzen Themen einfach nur Sprüche oder Handlungen, die Personen aber trotzdem in ihrem Wohlfühlen in einem Betrieb stark beeinträchtigen, da gibt es... So viele Beispiele, darüber könnten wir eine Stunde reden, da habe ich auch selber schon in meiner Ausbildung genug erlebt. Ich nenne jetzt einfach nur ein paar Beispiele tatsächlich auch aus unserer Branche, also im Kanzleiumfeld, sehr männlich geprägte Beratungsunternehmen. in denen also Frauen generell nur auf einer Praktikanten- oder wissenschaftlichen Mitarbeiter- oder Assistentenebene existieren. Und dann macht die Kanzlei das Karnevals-Met-Motto Ärzte und Krankenschwestern in der klaren Erwartung, dass alle Frauen sich als sexy Krankenschwester anziehen, kommentieren das aber nicht und denken auch, es wäre einfach nur lustig. Die Mitarbeiterinnen, mit denen ich gesprochen habe, fanden das höchst unangenehm und wussten nicht, wie sie damit umgehen sollen. Genauso Themen wie, die Männer gehen immer zusammen abends einen trinken, die Frauen werden ganz explizit nicht eingeladen und es wird erwartet, dass sie weiterarbeiten. Es gibt Themen, dass... Es Mitarbeiterinnen gibt, die sind schon Jahre im Unternehmen. Es kommt ein neuer, deutlich juniorer Kollege hinzu und sie müssen ihr Büro räumen und in die Bibliothek ziehen, ohne dass kommentiert wird, warum dem so ist. Also das ist alles, das ist ein Umfeld, dass die Personen, die dann da rausgehen, sagen, in diesen Laden setze ich keinen Fuß mehr. Und vor allem, wenn man das natürlich als Unternehmen wirklich als kulturelles Thema hat, das auch gar nicht versucht wird zu adressieren. Das ist dann einfach die Führungskultur, die dort herrscht. Das ist schon sehr, sehr unangenehm. Und ich kann vielleicht auch noch ein Beispiel oder zwei Beispiele, die ich selber erlebt habe, also damals in der Referendarsausbildung, das war allerdings in Frankreich, gab es auch einen sehr toxischen Chef und der hat jeden Tag Sprüche gegen die weiblichen Mitarbeiter gebracht und die gingen auch so weit. Einer hatte ein T-Shirt an, das etwas ausgeschnitten war, also nicht unangemessen. Und dann kommt er vorbei mit einer Banane in der Hand und sagt, die Banane würde ich jetzt gerne genau da vorne reinstecken. Und das halt zu einer 20-Jährigen. Also wie will man in so einer Situation reagieren? Das ist unglaublich schwierig. Da ist es dann einfach, und dazu kommen wir jetzt sicher noch, was kann ein Unternehmen vor allem tun? Was kann man als konkreter Kollege tun? Und wie sollte man als Opfer damit umgehen? Und wo braucht man rechtlichen Beistand? Das sind, glaube ich, so die Kernthemen, die man sich dann als Unternehmen, auch bevor solche Vorfälle passieren, im besten Fall schon mal überlegt haben sollte.
Joel Kaczmarek: Mir tut dabei irgendwie so leid, dass es für mich auch so klingt, als wenn das so eine Isolationssituation ist. Also man fühlt sich so ganz alleingelassen, ganz einsam und dass es vielleicht manchmal sogar systemisch ist. Also dass es anscheinend Strukturen gibt, die das immer wieder befördern. Seht ihr so Unternehmenstypen, wo ihr sagt, okay, wenn diese 1, 2, 3 Patterns gegeben sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sowas da ein Problem ist. oder kann man das nicht sagen?
Carolin Raspé: Wenn ich ein sehr männlich geprägtes Umfeld habe, wo vielleicht eine vereinzelte Person Frau ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass solche Grenzüberschreitungen stattfinden. Es kann auch sein, ich glaube, da gibt es zu wenig Beispiele bisher, dass das umgekehrt genauso wäre. Wenn 90 Prozent Frauen und es sitzt nur ein Mann drin, dass der sich manchmal einen blöden Spruch anhören muss. Vielleicht nicht unbedingt der sexuellen Art, aber das ist einfach ein Thema. Je mehr Ausgeglichenheit ich schaffe. Allein das ist eine Präventionsmaßnahme. Die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Aussage getroffen wird, wenn 50 Prozent der Personen im Raum Frauen sind, ist massiv geringer. Also da ist einfach eine andere Hemmschwelle. Wenn du nach Unternehmenstyp fragst, glaube ich, dass die Teamzusammensetzung schon sehr relevant ist. Und damit hängt auch zusammen, dass es in gewissen Industrien, dass man manchmal das Gefühl hat, in der Baubranche, da wird auch ein bisschen rougher umgegangen. Das liegt, glaube ich, alles daran, dass die einfach männlicher geprägt sind. Also das ist, glaube ich, schon so ein bisschen das Gemeinsame. Und dann ist es egal, ob das ein großer Konzern ist oder ob das ein Start-up ist. Das ist, glaube ich, zweitrangig. Das ist wie so ein wuchernder Pilz, kann man mal sagen. Wenn eben solche Sprüche immer geduldet werden, dann macht... das beim nächsten Mal auch der nächste, weil er denkt, damit kriege ich ein paar Lacher und dann finden die Leute das irgendwie lustig und das machen die anderen doch auch. Und deswegen dieser Spruch, den man ja gefühlt in jeder U-Bahn lesen kann, ja, see something, say something, das den Mitarbeitern zu vermitteln. Und ich weiß, dass das schwer ist, weil es mir, wie gesagt, oft selber nicht gelungen ist, aber die Leute zu ermuntern und das kann man eben nur durch einen sehr klaren Tone from the top. Einfach zu sagen, der Spruch war doch jetzt überflüssig, oder? Willst du, dass man so über dich redet? Die Leute zu enablen, diesen Mut aufzubringen, ich glaube, das ist so eine der Kernwege. Und das schafft man aber nicht, also das wird nicht die Person machen, die seit zwei Wochen im Unternehmen ist, die gar nicht weiß, wie hier das Klima ist. Man passt sich ja immer seinem Umfeld an. Das werden nur Leute machen, die schon lange dabei sind und die eine gewisse Seniorität haben. Wenn man möchte, dass sich was ändert, dann muss man halt das Gefühl haben, man hat eine Vertrauensperson auf der Führung. Und dieses Vertrauen wiederum kann ich als Unternehmen ja nur in mein Team oder in Unternehmen auch senden, wenn ich mich da auch präsentiere als genauso eine Vertrauensperson.
Joel Kaczmarek: Lasst uns da doch jetzt mal drauf eingehen. Also wenn ich betroffen bin von so etwas, was würdet ihr sagen, also jetzt als Mensch, nicht als Unternehmen, was ist die beste Reaktion darauf? Wie würdet ihr euch verhalten?
Joel Kaczmarek: Wichtig ist erstmal, dass wenn ich betroffen bin, dass ich es überhaupt erkenne. Da gehen wir jetzt mal von aus, dass ich erkenne, dass das übergriffig war. Und dann ist es natürlich immer empfehlenswert, die Dinge ans Tageslicht zu bringen, dass ich eben nicht nur sage, hey Freundchen, das ging zu weit, mein Beispiel von der Geschäftsführerin von vorhin, sondern dass ich darüber hinaus tatsächlich auch mich an die Meldestellen wende, die ein Unternehmen haben sollte. Was meine ich mit Meldestellen? Also rechtlich bin ich dazu verpflichtet, als Unternehmen eine Meldestelle nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu haben. Das heißt, ich muss im Betrieb jemanden benennen, an dem ich mich... für genau solche Fälle wenden kann. Zu weit gehört auch, das kann ich aus meiner Beratungspraxis sagen, dass viele Unternehmen das nicht machen, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Warum machen sie es nicht? Weil es eben keine Konsequenzen nach sich zieht, wenn ich diese Meldestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht eingerichtet habe. Dann gibt es mittlerweile das Hinweisgeberschutzgesetz. Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält die Verpflichtung, dass Unternehmen ab 50 Mitarbeitende, dass die eine interne Meldestelle bei sich einrichten müssen. Nicht nur für Fälle sexuell übergriffigen Verhaltens, sondern auch für anderes Fehlverhalten im strafrechtsrelevanten. und Bußgeld bedrohten Bereich und an die kann ich mich auch wenden. So, wenn ich das nicht vielleicht im ersten Schritt machen will, dann ist es natürlich wichtig, dass ich mir überlege, an wen kann ich mich sonst wenden? Und da kommen natürlich dann eben auch direkte Vorgesetzte in Betracht, wenn es da ein gewisses Vertrauen gibt. Da kommt dann eben auch die Personalabteilung HR in Betracht. Das kann man also nicht pauschal beantworten, sondern das hängt immer von den Gegebenheiten im jeweiligen Unternehmen ab und auch natürlich, wie die Person, die da Opfer wurde, bereit ist, darüber zu sprechen.
Carolin Raspé: Neben diesen gesetzlichen Wegen, die sicherlich richtig und gut sind und wo man auch sagen muss, die sollten natürlich genutzt werden. Wir sehen aber auch persönlich, gerade ich sehe das viel bei meinen Mandantinnen, die sagen uns in der Regel, bei uns kommt überhaupt nichts. Oder es kommt nur Quatsch, also Sachen, die ich gar nicht zuordnen kann und so. Oder sie sagen, wir sind zu klein, niemand würde zu diesem Tool gehen. Und das ist bei kleinen Unternehmen eben das Thema. Da ist, glaube ich, dieser Gedanke einer Vertrauensperson. Und die kann institutionalisiert sein und das sollte sie auch, aber es sollte den Personen ja immer offen stehen, jeden anzusprechen. von dem er glaubt, dass das die richtige Person ist, darüber zu reden. Und deswegen, glaube ich, ist es auch so wichtig, alle Mitarbeiter darin zu schulen. Denn auch wenn ich eine Führungskraft bin auf einer mittleren Ebene, ich habe meine erste Führungsverantwortung und ich habe überhaupt keine Ahnung, wie ich damit umgehe, wenn jemand mit so einem Vorwurf zu mir kommt, dann kann das nämlich auch ein Problem sein, weil das kann für Opfer... wenn wir sie jetzt wirklich mal so klar benennen wollen, auch zu einer Retraumatisierung führen, wenn eben sowas passiert, was Jan eben gesagt hat, dass der Richter sagt, stell dich doch nicht so an. Also wenn man erst mal dann gar nicht ernst genommen wird in dem Moment, wenn ich zu jemandem gehe. Und dafür muss eben diese ... im ganzen Unternehmen sein, egal zu wem eine Person geht, der sie eben auch vielleicht persönlich vertraut, dass sie damit einigermaßen umgehen kann. Und ein Thema, das wir, glaube ich, noch nicht so explizit angesprochen haben, jetzt doch wieder etwas aus Unternehmenssicht, weil wir beraten ja meistens die Unternehmen. Wie stelle ich denn sicher, wenn solche Hinweisreihen eingehen, dass damit eben ordentlich umgegangen wird, egal wo sie eingehen? Und das ist manchmal eben in kleinen Unternehmen sehr, sehr schwer, denn es gibt einfach diese Voreingenommenheit. Die Leute kennen sich, dann kommt jemand und sagt, ja, der hat mich jetzt blöd angefasst. Und dann kommt ganz oft die Reaktion, wenn man zu einem Chef geht, ach, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das wird der doch nicht machen. Der hat doch eine Frau und zwei kleine Kinder. Also das hat Impulsreaktionen. Ich arbeite mit dem seit zehn Jahren. Oder die machen, auch schon ganz oft erlebt, die nehmen während die Person ihnen das erzählt, den Hörer ab und sagen so, also mir wurde dir gerade erzählt, du hast das und das gemacht. Geht's noch? Das sind einfach Reaktionen, die sind absolut schädlich, weil in dem Moment die Person weiß schon. Also über Anonymität müssen wir da gar nicht mehr nachdenken. Die weiß sofort, wer sitzt da gerade bei dem. Oder die Leute sagen so, ja, holen wir die nochmal dazu und klären das jetzt hier zusammen. Also auch absolut No-Go, funktioniert in den seltensten Fällen gut. Und deswegen, wenn sowas hochkommt, muss es natürlich intern Prozesse geben oder jedenfalls ein Verständnis dafür, wir sind hier jetzt in einem wahnsinnig sensiblen Bereich. Was wir jetzt tun, müssen wir uns erstmal einen guten Plan machen. Uns hat jemand hier das anvertraut. Ich kann auch nicht sofort vorverurteilen. Also kann Jan bestimmt gleich noch was zu sagen, aber sofort den anzurufen zu sagen, du fliegst raus, ich habe gerade was gehört, geht natürlich auch nicht. Sondern man muss dann sagen, okay, wir nehmen das sehr ernst. Vielen Dank, dass Sie damit zu uns gekommen sind. Wir melden uns zeitnah wieder und wir nehmen das jetzt auf. Und dann muss man sich, gerade in kleinen Unternehmen, das ist jetzt kein Sales-Pitch, hilft es dann schon, auch wirklich extern hinzuzuziehen. Wenn ich meine, ich bin nicht in der Lage, dass... objektiv aufzuarbeiten, weil ich mit den Personen jeden Tag zusammensitze. Und ich kann da nicht objektiv sein. Ich glaube, das darf man sich auch gar nicht einreden, dass man das kann, sondern man sollte sich dann selber rausnehmen und sagen, ich übergebe das jetzt, weil ich bin mit der einen Person befreundet und das andere ist mein Schwager. Da bin ich nicht die richtige Person, das aufzuklären. Und dann muss man wirklich so eine Art Plan haben, das ist vielleicht so ein bisschen die Rückverbindung zu unserer letzten Folge, wie kläre ich ordentlich intern auf. Ich sollte einen Plan haben, wann spreche ich mit wem, wann spreche ich vor allem mit dem, der beschuldigt wurde. Und wann und wie oft spreche ich mit dem Opfer. kann eben auch zu einer Retraumatisierung führen, wenn die zehnmal ihre Geschichte allein schon intern erzählen muss und dann vielleicht noch dreimal bei der Polizei und die Geschichten werden dann auch nicht besser. Und deswegen muss man das sich schon sehr genau überlegen. Auch Sachen, die ich schon erlebt habe, die werden zwar getrennt befragt, aber direkt hintereinander gescheduled und treffen sich halt im Eingangsbereich vor dem Büro oder vor dem Befragungsraum. Das sind alles so Dinge, die sollten halt nicht passieren und dafür kann es eben helfen, jemanden hinzuzuziehen, der sagt, wir machen das jetzt einfach. Sie reden jetzt nur noch mit Anwälten. Das Unternehmen ist ja auch irgendwie eben mit drin, allein wenn sie eben vielleicht dem nicht früh genug einen Riegel vorgeschoben haben oder Sachen zu lange gedeckt haben. Das heißt, diese objektive Aufklärung im Unternehmen ist gerade bei solchen Fällen oft sehr, sehr schwierig. Und ich glaube, da ist es auch gut, ein Bewusstsein zu schaffen, dass Unvoreingenommenheit... sehr schwierig ist und man sich lieber aus der Schusslinie nimmt, auch als Ermittelnder und Aufklärender, als das zu lange zu versuchen. Und dann sind die Sachen oft schon kaputt gemacht, bevor man richtig aufklären konnte.
Joel Kaczmarek: In der Tat, wir haben über Awareness gesprochen bei den potenziellen Opfern. Wir müssen aber tatsächlich auch über Awareness nicht nur bei den Vorgesetzten, sondern auch bei der Geschäftsführung sprechen. Also ich habe einen Fall gehabt, Startup, wo die Geschäftsführung vertrauliche Art einen Hinweis bekommen hat, dass bei einem Offsite, im Nachgang zum offiziellen Teil, als man dann noch in einer Bar unterwegs war, sexuelle Übergriffe stattgefunden haben. Und die Frage, die mir diese junge Geschäftsführung gestellt hat, ist, was machen wir denn jetzt damit? Am liebsten würden wir das unter den Tisch kehren, weil das bringt dann ja doch Unruhe. Müssen wir denn überhaupt preisgeben, dass wir das jemals zur Kenntnis bekommen haben? Und denen habe ich gesagt, ja. Natürlich, weil das jetzt zu ignorieren, das birgt noch viel größere Gefahren, als wenn ihr das jetzt einmal sauber aufklärt. Und da wurde mir klar, dass das vielen auch gar nicht so bewusst ist, dass Dinge, die im beruflichen Kontext passieren, dass das auch Dinge sind, die ich eben nicht ignorieren darf. Und dazu gehört auch sowas wie im Nachgang zum offiziellen Teil geht man noch zusammen in eine Bar und da passieren Geschichten. Also wenn solche Informationen, solche Anschuldigungen aufkommen, dann muss ich mich dieser einfach als Geschäftsführung auch annehmen.
Joel Kaczmarek: Ich habe da auch gerade drüber nachgedacht, ab wann man eigentlich eine Verantwortung trägt als Unternehmen. Weil was mache ich denn, wenn die Menschen sich privat treffen und dann dort in Konflikt geraten? Spielt dann die Arbeitsbeziehung, die ich ja verantworte, trotzdem eine Rolle? Also ist es so, wann immer es irgendein Thema gibt zwischen zwei Menschen, die in einem Betrieb sind, sollte ich als Unternehmen damit draufschauen? Oder gibt es auch einen Teil, wo man sagt, tut uns leid, es ist leider euer Privatleben? weiß ich, die haben eine Affäre angefangen und jetzt links, rechts passiert irgendwie was. Also gibt es da auch Bereiche, wo ihr sagt, da sollte ich mich raushalten als Unternehmen?
Joel Kaczmarek: Im Arbeitsrecht sagt man, der Grundsatz ist, Privates ist privat. Und wenn du als Arbeitgeber dich da einmischt, in Anführungszeichen, dann musst du irgendeinen Bezug zur Arbeit haben. Und jetzt ist die Frage, wann ist dieser Bezug zur Arbeit gegeben? eine Firmenfeier stattfindet, dann ist klar, der offizielle Teil, das ist natürlich der Bezug zur Arbeit, der inoffizielle Teil, der sich vielleicht anschließt, das wäre auch noch ein ausreichender Bezug zur Arbeit, wenn da Dinge passieren, mein Beispiel von eben. Wenn jetzt aber wir eine Geburtstagsfeier haben und da treffen sich zwei Kollegen zufällig, dann wird es schon schwieriger zu sagen, da ist jetzt ein Bezug zur Arbeit. Das heißt, es kommt tatsächlich sehr stark auf den Einzelfall an, aber auch das muss ich mir ganz genau angucken, damit nämlich das, was Carolin gerade erzählt hat, nicht passiert. dass wenn der Bezug eindeutig da ist zur Arbeit, dass ich sage, damit habe ich nichts zu tun.
Joel Kaczmarek: Jetzt habe ich noch eine ganz kurze Nachfrage, bevor wir mal in die Aufarbeitung gehen. Und zwar, Carolin, du hast ja eben so schön gesagt, dass es in den ganzen Startups sowas in der Regel nicht gibt. Und ich möchte jetzt immer nochmal so Betroffenen irgendwie Hilfe an die Hand geben. Wenn ich jetzt irgendwie Frau oder Mann bin und erfahre sowas, sexuelle Belästigung in einem Startup, was klein ist, wo man vertraut ist, wo es nicht irgendwie einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau gibt, wo es keine Stelle gibt, keine anonyme Hotline. Wie verhalte ich mich denn da? Was hast du denn da als Empfehlung parat?
Carolin Raspé: Also ich glaube, da gibt es eigentlich wirklich nur zwei Wege, vielleicht drei. Also der wahrscheinlich schlechteste ist, nicht sagen und im Zweifel einfach innerlich kündigen und dann relativ schnell gehen, weil man sagt, ich möchte hier nicht mehr arbeiten. Damit ist dem Unternehmen sicher nicht geholfen, aber ist natürlich eine persönliche Entscheidung. Aber ich glaube, der empfehlenswerte Weg ist wirklich dieses jemandem anvertrauen, der im besten Falle auf dem gleichen Level oder höher ist, als die Person, mit der ich den Konflikt habe, die nicht beteiligt ist. Kann natürlich schwer sein, wenn es wirklich nur ein Team ist und alle sind immer dabei. Aber dass ich mir eben dann den Mitgesellschafter nehme oder den anderen Gründer und sage, du, ich muss dir da was erzählen. Ich weiß, ihr seid befreundet, aber ich habe mich da sehr unwohl gefühlt. Und tatsächlich, wenn man es kann, das, was Jan eben am Anfang gesagt hat mit seinem Beispiel, selber die Grenzen setzen. Also ich glaube, damit kommt man im Zweifel am weitesten. Das ist schwierig, weil man in der Hierarchiebeziehung ja auch immer Angst vor negativen Folgen hat dafür. Aber wenn man in dem Unternehmen bleiben will und das nicht wieder erleben will, und ich hatte ja vorhin die 83 Prozent genannt, dass den meisten das eben nicht einmal passiert, sondern dann auch regelmäßig passiert, dann muss ich einen Riegel vorschieben. Und das geht dann halt in der Regel mit direkter Konfrontation oder jedenfalls den Chef desjenigen oder einen auf ähnlicher Ebene als Vertrauensperson einbeziehen.
Joel Kaczmarek: Siehst du auch irgendeine Handhabe, wenn der Kopf des Unternehmens das Problem ist? Also wenn quasi der Rang höchste oder die Rang höchste der Ausgangspunkt ist, habe ich dann irgendein Werkzeug oder bin ich da relativ...
Carolin Raspé: Das ist tatsächlich nicht nur in MeToo-Fällen, sondern generell ein Dilemma, mit dem wir immer wieder zu tun haben, gerade bei kleineren oder mittelständischen Unternehmen. Wenn die Geschäftsführung selber Mist baut, muss man einfach mal so sagen, das kann ja auch ein Korruptionsskandal oder ähnliches sein. Selbst wenn die eben HR-Personen haben, wenn die Compliance-Beauftragte haben und hören das, das ist eine sehr anspruchsvolle Person von der Governance. Auch da, am sinnvollsten ist sicher, zu versuchen, Anwälte reinzukriegen, die dann objektiv sagen, wir haben jetzt einen Auftrag, wir klären das auf. Aber der ganz entscheidende Schritt ist ja immer, wer beauftragt denn die Anwälte? Also wir hatten tatsächlich neulich mal so einen Fall, da hat uns dann die Compliance-Beauftragte gesagt, ja, also die Geschäftsführer selber sollen hier irgendwelche Unterlagen gefälscht haben. Aber die müssen eure Mandatsvereinbarung unterschreiben. Was sage ich denen denn, was die machen sollen? Also das ist ein ganz brenzliger Moment. Da versuchen wir dann halt mit zu unterstützen, zu sagen, gut, es geht um allgemeine Compliance-Aufarbeitung in verschiedenen Bereichen. Und wenn man dann einmal jemand Externes drin hat, dann kann man eben in der Regel. Wir versuchen, Berichtswege zu schaffen. Also manchmal ist ja über den Geschäftsführer wirklich der blaue Himmel und es kommt keiner mehr. Aber es gibt natürlich auch genug Konstellationen. Da gibt es noch Investoren, da gibt es noch einen Aufsichtsrat, da gibt es noch andere Beiräte, die letztendlich auch was zu sagen haben. Und letztendlich muss ich es schaffen, eine Berichtslinie an diese anderen Gremien zu schaffen. Das ist jetzt die allgemeine Frage für so Compliance-Themen. Aber selbst im MeToo kann das eben funktionieren. Aber da muss man dann vielleicht auch manchmal ganz hart sagen, wenn es wirklich ... der alleinige Chef ist und es gibt keine dieser Strukturen, dann bleibt vielleicht manchmal wirklich nur, das Unternehmen zu verlassen.
Joel Kaczmarek: Abschließende Frage, bevor wir jetzt auf die Unternehmensseite wechseln. Könnt ihr mal aus eurer Erfahrung schildern, was passiert mit Menschen, die von sowas betroffen sind und dann aktiv werden? Was stürzt so über die herein? Ist es schlimm, was denen passiert? Sind die ausgeliefert? Gibt es mittlerweile gute Schutzmaßnahmen? Also was sagt denn so die Erfahrung? Weil ich glaube, als Betroffene oder Betroffener malt man sich da viele Horrorszenarien aus und es wäre mal interessant zu wissen, was davon eigentlich wirklich eintritt.
Carolin Raspé: Ich glaube, man muss sich als Betroffener, Betroffene bewusst sein, dass das nichts ist, was innerhalb von. ich melde einmal und dann ist das Thema für mich abgeschlossen. Ich glaube, man muss schon wissen. Das bedeutet einfach, dass ich Nachfragen kriege, dass ich Informationen geben muss. Ich kann natürlich inzwischen in all diesen Kanälen auch komplett anonym melden. Und wenn das nicht rückführbar ist und ich dann auf Rückfragen, die nur über diesen Kanal erfolgen, nicht antworte, kann ich auch sagen, ich melde einmal und danach möchte ich nichts mehr damit zu tun haben. Das ist nur leider für die Untersuchung dann oft sehr, sehr unzufriedenstellend, weil dann oft einfach es nicht ordentlich aufgeklärt werden kann. Also ich muss, glaube ich, schon ein gewisses Commitment haben, dann auch an der Aufklärung mitzuwirken. Das ist jedenfalls empfehlenswert, wenn ich möchte, dass es zu Maßnahmen kommt gegen die Betroffenen. Und dass sich wirklich was verändert. Aber am Ende genau, ich glaube, da können wir dann wirklich gut nochmal ein paar Sätze zum Unternehmen vielleicht verlieren, denn das ist dann eigentlich die Unternehmensaufgabe, das so angenehm wie möglich zu gestalten oder so wenig invasiv wie möglich.
Joel Kaczmarek: Ist es denn realistisch so, dass wenn so ein Konflikt entsteht, dass das Team, das restliche Unternehmen davon nicht mitkriegt, wer die betroffenen Personen sind? Also ist Anonymität wirklich realistisch in so einem Fall?
Carolin Raspé: Ich erlebe in den Fällen, dass es in der Regel... tatsächlich eher eine Formalie ist, dass man eben da anonym melden kann, aber dass das relativ schnell den Personen... Es ist nicht so, dass die Aufklärenden dann in dem Team erzählen, was da passiert ist. Ich erlebe nur trotzdem, dass es am Ende doch viele wissen. Das liegt aber daran, dass die Personen selber reden. Wenn sich die Leute einmal geöffnet haben und haben so einen Hinweis gemeldet, dann erzählen sie es wahrscheinlich auch einer Kollegin oder haben es davor schon einer Kollegin erzählt. Und der Betroffene erzählt es zum Teil natürlich auch, weil er sich rechtfertigen will. Er sagt so, jetzt kamen die hier mit so einem Quatsch. Und deswegen... In der Regel erfahren das die direkten Kollegen, aber das liegt nicht daran, dass das Hinweisgeber-Tool nicht funktioniert, sondern es liegt in der Regel daran, dass es menschlich ist, darüber zu reden.
Joel Kaczmarek: So, dann gucken wir uns jetzt mal die Unternehmensseite an. Was mache ich denn da, wenn mir so ein Hinweis eingeht? Also wenn ich den Tipp bekomme, die Information, da ist irgendwas schiefgelaufen, wir haben jetzt schon ganz viel gelernt, was man falsch machen kann, was wäre denn ein guter Umgang, ein richtiger Umgang?
Carolin Raspé: Vieles haben wir tatsächlich schon gesagt. Also in der Regel ist Nichtstun nicht die richtige Variante, ist rechtlich auch verpflichtet. Als Meldestelle ist auf Stichhaltigkeit zu prüfen, zu prüfen, ob es unter den konkreten Anwendungsfall des Gesetzes fällt. Wie gesagt, auch wenn es nicht darunter fällt, lohnt es sich, das zu überlegen und es dann an die richtigen Personen zu übergeben zur Aufklärung. Das kann die Meldestelle selbst sein, in großen Konzernen kann es aber auch sein. Also es gibt oft eine Aufteilung, dass eben MeToo-Fälle von der HR-Abteilung behandelt werden, nicht von der Compliance-Abteilung. Oder dass man es eben auch an externe Anwälte gibt. Da hatten wir auch schon drüber gesprochen, warum sich das durchaus lohnen kann, gerade in kleineren Strukturen. auch auf die externen Meldestellen, dann geht eben so ein Hinweis bei Jan ein und der bespricht dann mit dem Unternehmen, wie man damit weiter umgeht und gibt eine Empfehlung dazu ab. Da ist das ja dann eh schon externalisiert. Ich glaube, das Wichtige ist und Das ist es eben. Man ist da rechtlich ja inzwischen schon relativ eng gebunden. Man muss eine Rückmeldung innerhalb von sieben Tagen geben, sagen, ja, es ist eingegangen, wir schauen uns das an. Das sind alles so Themen, selbst wenn ich nicht unter das Gesetz falle, sollte ich das eben auch tun. Also auch für Sachen, die, wie gesagt, kleiner sind oder ich bin ein kleineres Unternehmen. Also Verbindlichkeit, kommunizieren, das nehme ich ernst und dann eben diesen Plan aufsetzen. Also sich zu überlegen, vor allem, wer macht's? Da kommt wieder die Unabhängigkeit rein. Wer kann das machen? Was sind die richtigen Maßnahmen? Also wann spreche ich mit wem? Wie gehe ich dann weiter damit vor? Und was man, glaube ich, immer mitdenken muss, ist der Aspekt Disziplinarmaßnahmen. Dazu haben wir jetzt noch nicht geredet. Das ist aber absolut Jans Spielfeld. Oft muss ich ad hoc reagieren, was das betrifft. Oder das steht jedenfalls am Ende einer Aufklärung, die Frage, wenn ja, was tue ich?
Joel Kaczmarek: Ja, vielleicht kurz zu den Disziplinarmaßnahmen aus arbeitsrechtlicher Sicht. Also unter Disziplinarmaßnahmen. fällt natürlich das Schwerste aller Schwerter, die außerordentliche Kündigung, also sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen. Wenn das für das Ende in Betracht kommt, dann habe ich bei der Aufklärung eine ganz wichtige Sache zu beachten, nämlich, dass ich die sogenannte Zwei-Wochen-Frist habe. Davon haben die meisten wahrscheinlich schon mal gehört. Das heißt, bei außerordentlichen Kündigungen kann ich diese nur wirksam aussprechen, wenn ich innerhalb von zwei Wochen, nachdem ich von dem Vorfall als Kündigungsberechtigter, so sagt das Gesetz, erfahren habe, diese Kündigung auch ausspreche. Kündigungsberechtigter ist häufig die Geschäftsführung. Das kann aber auch beispielsweise jemand aus dem Bereich Personal sein. Und jetzt ist die Frage, was heißt genau zwei Wochen? Also die zwei Wochen beginnen nicht immer in jedem Fall in dem Augenblick, wo ein Vorwurf erstmalig aufkommt. Die beginnen aber dann, wenn ich ein hinreichend konkretes Bild von den Vorwürfen habe. Warum sage ich das? natürlich eine gewisse Aufklärungsphase häufig notwendig ist. Und während dieser Aufklärungsphase beginnen diese zwei Wochen noch nicht zu laufen. Also die beginnen dann im Prinzip erst zu laufen, wenn ich wirklich diese Aufklärung abgeschlossen habe und jedenfalls einen hinreichenden Verdacht habe über das Fehlverhalten. Und in der Aufklärungsphase, da sagt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, dass ich da zügig ermitteln muss. Das bedeutet, ich kann die Sache halt eben nicht erst mal ein paar Wochen liegen lassen und kann mich auch grundsätzlich nicht rausreden, da waren welche irgendwie im Urlaub. Dann war vielleicht der andere noch im Urlaub und deswegen haben wir erst mal zwei Monate nichts gemacht, sondern meine Daumenregel ist da immer so, alle zwei, drei Tage sollte irgendwas passieren und das muss ich dokumentieren. Ich muss dokumentieren, was ich gemacht habe. Und auch wenn ich irgendwie eine externe Kanzlei einschalte, dann dokumentiere ich, dass ich erst mal nicht mit der gesprochen habe, dass die sich den Sachverhalt angucken musste und dass es dann eben Empfehlungen gab und so weiter und so fort. Also das mal zum Thema außerordentliche Kündigungen. Aber es gibt natürlich aus arbeitsrechtlicher Sicht auch Ad-Hoc-Maßnahmen, die ich durchführen kann, dass ich zum Beispiel zwei Personen trenne im täglichen Zusammenarbeiten. Das kann ich tun, indem ich bei schwereren Vorwürfen auch Personen erstmal freistelle. Also sage, du kannst zu Hause bleiben, du kriegst ein volles Gehalt, aber wir ziehen dich hier erstmal aus dem Verkehr bei der Arbeit. Das kann ich aber auch tun, indem ich Personen erstmal versetze, dass sie in unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen arbeiten und sich erstmal nicht begegnen. Hängt natürlich immer davon ab, was sind die Vorwürfe, die da gerade im Raum stehen.
Joel Kaczmarek: Ich frage mich so ein Stück weit, ist Kündigung nicht so, wenn die Schuldlage erwiesen ist, eigentlich so das einzige Schwert sogar? Oder gibt es Fälle, wo man sagt, kann man auch irgendwie eine Abmahnung aussprechen? Oder ist es überhaupt noch kittbar?
Joel Kaczmarek: Nee, es gibt natürlich Abstufungen. Die außerordentliche Kündigung, wie gesagt, das... Dann haben wir die ordentliche Kündigung, also mit der ordentlichen Kündigungsfrist, die sich aus dem Gesetz oder dem Arbeitsvertrag oder auch dem Tarifvertrag ergibt. Und dann natürlich, du hast es gesagt, Joel, Abmahnungen oder auch Ehrmahnungen können das Ergebnis dann eines solchen Prozesses sein. Das muss ich mir dann halt angucken, wie schwer sind die Vorwürfe und inwieweit haben sich die Vorwürfe im Endeffekt auch erwiesen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es häufiger Situationen gibt, wo es eben nicht zu 100 Prozent erwiesen ist. Und da ist aus arbeitsrechtlicher Sicht wichtig zu wissen, dass ich nicht den vollen Beweis führen muss, sondern dass auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ausreichen kann. dass ich als Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspreche. Also wenn die Beweislage dann nach den Gesprächen beispielsweise, die ich geführt habe, doch erdrückend ist, dann kann ich sagen, ich kann zwar nicht 100 Prozent sagen, weil ich nicht dabei war als Arbeitgeber, als Kündigungsberechtigter, aber das ist schon eine klare Beweislage. Und auf diesen Verdacht stütze ich jetzt meine außerordentliche Kündigung. Voraussetzung ist, dass natürlich der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt wird, dass der sich auch äußern konnte. Das heißt, ich muss dann immer zwingend eine sogenannte Verdachts- Anhörung durchführen. Die sollte ich auch, so mein Tipp, formalisieren. Das heißt, das sollte ich sauber machen und eigentlich immer durch den Arbeitsrechtler begleiten lassen.
Joel Kaczmarek: Gibt es so eine Art, im arbeitsrechtlichen Sinne, so eine Art Verjährung, wenn sowas vielleicht auf der Weihnachtsfeier vor zwei Jahren passiert ist und jetzt ist es fast voll und jetzt traue ich mich, was zu sagen, dass man trotzdem noch darauf referenzieren kann? Oder ist es wie bei manchen Verbrechen, dass man dann sagen kann, naja, das können wir jetzt eigentlich nicht mehr ins Verhältnis setzen?
Joel Kaczmarek: Also eine Verjährung im Sinne einer starren Zeitlichen Grenzen gibt es nicht, aber klar, wenn Dinge vor 20 Jahren passiert sind, dann werde ich die nicht mehr heranziehen. Das heißt, ich muss auch da so ein bisschen ins Verhältnis setzen, wie sieht es aus mit der Schwere der Vorwürfe? und dann die Frage, wann habe ich als Kündigungsberechtigter erstmalig davon Kenntnis erlangt. Das kann aber schon sein, dass Dinge, die auch ein Jahr beispielsweise zurückliegen, dass ich die, wenn ich sie dann erst erfahre, aufarbeite und dass die dann auch noch zu Disziplinarmaßnahmen bis hin zur außerordentlichen Kündigung führen.
Joel Kaczmarek: Und sag mal, was ist jetzt für den Fall, dass kein Hinweis eingeht oder ich vielleicht auch kein Tool habe? Was ist dann als Unternehmen dann meine Aufgabe? Wie verhalte ich mich dann?
Carolin Raspé: Das macht fast keiner. Das hat jetzt auch wieder diese aktuelle Studie ergeben. Dieses, warum soll ich ein Thema, das noch keins ist, schulen. Aber wenn man sich überlegt, dass man das bei ganz vielen Bereichen macht. Ich mache auch Antikorruptionstraining in der Regel, in der Hoffnung, dass das noch nicht bei mir stattfindet. Oder auch sage den Personen, wem sie Geschenke machen dürfen oder welche Geschenke sie annehmen dürfen, auch wenn ich davon ausgehe, dass das vielleicht bei mir gar nicht existiert. Also es gibt ja viele Compliance-Trainings und Kommunikation, die ich habe, ohne dass ich... tatsächlich schon einen konkreten Fall hatte. Bei dem Thema, das eben sehr präsent ist und sich durch alle Branchen ziehen kann und alle Unternehmensgrößen, passiert das vergleichsweise wenig, weil die Personen eine Hemmschwelle haben, die Themen überhaupt anzusprechen, um daraus kein Thema zu machen. Und das ist meines Erachtens der größte Fehler. Das sollte anders angegangen werden. haben wir jetzt auch schon drüber geredet, die rechtlichen Zwänge, die ich habe, gewisse Tools, gewisse Maßnahmen und Strukturen zu schaffen, die sollte ich eben im besten Falle auch vielleicht eine Nummer kleiner und nicht ganz so komplex, aber sollte ich auch haben, wenn ich nicht gesetzlich dazu verpflichtet bin.
Joel Kaczmarek: Also ich glaube, eine der wichtigsten Botschaften hier in dieser Folge ist, wenn nichts kommt, heißt das nicht, dass ich nichts tun muss oder heißt auch nicht, dass bei mir nichts ist. Egal, welche Größe das Unternehmen hat, ich sollte aus Unternehmenssicht, aus Geschäftsführersicht Mechanismen im Sinne der Prävention bei mir etablieren. Und dazu zählt eben auch, klare Policies zu haben. Was wollen wir als Unternehmen nicht? Und diese Policies auch zu schulen, damit allen klar ist. wie sie sich zu verhalten haben. Dazu zählt aber eben auch, die Meldekanäle zu schaffen. Auch wenn, das gehört jetzt auch zur Wahrheit dazu, ich in der Beratung durchaus Unternehmen habe, die sagen, ja, eigentlich müssten wir so eine Beschwerdestelle nach dem AGG, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, einrichten. Eigentlich müssten wir nach dem Hinweisgeberschutzgesetz eine interne Meldestelle einrichten. Aber irgendwie wollen wir das nicht, auch deshalb nicht, weil... Die Bußgelder, die drohen oder die Konsequenzen, die sind ja gar nicht so schlimm. Ich habe es vorhin schon mal gesagt, beim AGG, da habe ich, wenn ich keine Beschwerdestelle habe, überhaupt keine Konsequenzen erstmal zu fürchten. Und bei dem Hinweisgeberschutzgesetz, da ist das maximale Bußgeld sind 20.000 Euro. Das schreckt viele Unternehmen nicht ab. Und denen kann ich nur sagen, ihr habt es verkannt. Es geht nicht darum, welche Bußgelder euch drohen, sondern es geht darum, wie ihr eben auch mit der Einrichtung einer solchen internen Meldestelle oder Beschwerdestelle bei euch die Kultur mitprägt und zum Ausdruck bringt, wir sind offen für Meldungen, falls es bei uns Fehlverhalten gibt. Das hat ja manchmal auch abschreckende Wirkung, dass manche vielleicht bestimmte Dinge nicht tun, weil sie genau wissen, es gibt diese Möglichkeiten, dass sich meine Opfer im Unternehmen beschweren und das dann Konsequenzen hat.
Carolin Raspé: Wir haben ja schon am Anfang dazu gesprochen, dass die Abgrenzung wahnsinnig schwierig ist. Und ich glaube, viele gerade moderne junge Unternehmen glauben, das ist doch Common Sense. Also ich muss doch jetzt niemandem erklären, dass er seine Kollegin nicht bekrapscht. Also wenn ich das muss, dann bin ich doch hier im falschen Laden. Und das ist, finde ich, total nachvollziehbar, weil viele Leute ja ein ähnliches Verständnis haben. Aber auch da sagt eben eine aktuelle Studie, dass das, was als sexuelle Belästigung gemeldet wird in Unternehmen, Zwei Drittel das als solche sehen, ein Drittel aber auch nicht. Das heißt, ich habe ja immer noch einen relevanten Bereich an Personen, die sagen jetzt, das war doch nichts. So wie in Jans Beispiel, der Richter sagt, es passiert mir doch auch, dass ich meine Geschäftsstellen irgendwie Mitarbeiterinnen mal unsittlich berühre. Also das ist doch jetzt hier kein Thema, warum wir uns hier vom Arbeitsgericht treffen müssen. Und ich glaube, solange das einfach noch so ist. Und es eben nicht die ganz klare Regel gibt, muss ich als Unternehmen halt kommunizieren, wo sind unsere Grenzen. Und ich glaube auch, man muss natürlich niemandem erzählen, dass man jetzt keinen auf der Weihnachtsfeier vergewaltigen soll, aber dass man eben sagt, haltet euch zurück, wart einfach die Grenzen des anderen. Wenn ihr das Gefühl habt, jemand ist uncomfortable, auch wenn es nur ein Kompliment ist oder ein Spruch, dann tut es halt nicht. Und ich will vielleicht noch eine Message senden, weil die finde ich als Frau auch schwierig. Gerade in Amerika, ich war auch ein Jahr in den USA, sorgt... Natürlich die Thematik auch dafür, dass gerade Männer sagen, dann mache ich einfach gar nichts mehr mit Frauen. Also ich kenne viele, die sagen, ich steige in keinen Aufzug, wo nur Frauen drin sind oder wo eine Frau alleine ist. Da würde ich nicht alleine einsteigen mit einer Mitarbeiterin in meinem Unternehmen. Oder dann gehe ich eben nie mit einer Mitarbeiterin essen alleine. Ich fahre mit ihr auch nicht auf Dienstreise. Und wozu führt das? Natürlich schützt man sich in gewisser Weise. Dass solche Vorwürfe aufkommen, vor allem falsche. Aber das ist natürlich auch problematisch, weil das dazu führen kann, dass die Personen sagen, das mache ich nur mit meinen männlichen Kollegen. Mit denen gehe ich abends ein Bier trinken. Mit denen gehe ich auch auf Dienstreise. Aber mit einer Frau dann doch lieber nicht. Und das ist natürlich auch problematisch, weil ich finde, das verkennt den Punkt. Das verkennt einfach den Punkt zu sagen, nee, es geht darum, be a good person. Weiß halt einfach, wie du dich zu verhalten hast. Deswegen musst du nicht eine Frau weniger fördern oder ihr weniger Optionen. Und wenn ich das Gefühl habe, eine Sache ist sowieso vielleicht nicht notwendig für den Business-Kontext, also abends feiern zu gehen mit Kollegen, dann mach's. Mit beiden nicht. Dann machst du nicht mit Männern, machst aber auch nicht mit Frauen. Aber das ist, glaube ich, auch so ein Thema, dass die Leute etwas Angst haben in Unternehmen. Und wir hatten die Diskussion in der US-Kanzlei, in der ich war, sollten jetzt solche Themen dann einfach gar nicht mehr gemacht werden. Und natürlich kann man da verstehen, dass dann manche sagen, was kann man denn überhaupt noch richtig machen? Dann brauche ich doch überhaupt nicht mehr ins Unternehmen zu gehen. Ich glaube, da hilft es eben auch, in der Kommunikation des Unternehmens zu machen, klarzumachen, natürlich wollen wir gemeinsam. und auch vertrauensvoll arbeiten. Und dazu gehört auch ein sozialer Austausch, das ist völlig klar. Aber es gibt einfach Grenzen und die sind eben, also manche sind eben undeniable. Und in den Graubereich auch nicht zu viel Angst zu schüren. Also das wäre hoffentlich meine Hoffnung für die heutige Folge, dass wir eben auch nicht diesen Effekt erzielen, sondern dass wir insbesondere klar machen, Unternehmen sollten einfach wissen, dass das ein Thema ist. Es sollte nicht unter den Teppich gekehrt werden. Dazu lohnt es sich zu kommunizieren.
Joel Kaczmarek: Gibt es da eigentlich so ein Backslash, also dass die hier, die Unternehmen auch sagen, komm, das ist doch hier Vogue Mind Heroes, jetzt ist doch alles nicht so schlimm, jetzt fängt das Pendel mal wieder in die andere Richtung. Also beobachtet ihr sowas, dass sowas wieder salonfähiger wird?
Joel Kaczmarek: Ich habe sowas noch nicht beobachtet, jedenfalls nicht hier in Deutschland, wo die meisten meiner Mananten sitzen. Und ich würde mal sagen, dass... Das passiert auch nicht, denn wir müssen das schon auch nochmal trennen. Das eine ist so ein bisschen die Diversity-Geschichte, sage ich mal. Da will ich nicht ausschließen und da haben wir es ja auch in Deutschland, das kann man in der Presse lesen, dass das Panel so ein bisschen in eine andere Richtung schlägt. Worüber wir heute reden, ist ja wirklich sexuelle Belästigung, Mobbing, also Grenzüberschreitung. Und da, glaube ich, haben wir einen Standard erreicht, hinter dem fallen wir nicht mehr zurück. Wäre jedenfalls meine Prognose. Und wie gesagt, bislang habe ich da auch nichts anderes beobachtet. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, Carolin.
Carolin Raspé: Es wäre vor allem meine Hoffnung. Aber ich habe es auch noch nicht gesehen. Also ich glaube, dafür ist vielleicht dieser vermeintliche Trend noch nicht lang genug, dass uns jetzt ernsthaft, sagen wir so, das ist auch wieder unsere Perspektive. Die Unternehmen, die zu uns kommen. Nehmen ja Compliance schon ernst. Wir haben natürlich nicht die, denen das alles total egal ist. Das schlägt selten bei uns auf, weil wir ja selten die Privatpersonen in solchen Themen betreuen. Deswegen, das würde sich von meinen Mandanten, glaube ich, keiner trauen zu sagen. Belästigung ist jetzt kein Thema mehr für uns. Also gesellschaftlich, und da bin ich jetzt wirklich nur besorgte Newsletter-Leserin, will ich das nicht ausschließen, dass das... in kleinen Einheiten vielleicht auch wieder Druck zurückgibt. Aber ich glaube auch, das ist eigentlich ein anderes Thema. Wie Jan schon gesagt hat, wir sprechen hier wirklich über klare Grenzüberschreitungen und da sollte man sich tatsächlich nicht zurückentwickeln.
Joel Kaczmarek: Ich habe so das Gefühl, das war heute eine der wichtigsten Folgen, die ich so aufgenommen habe bis dato. Von daher danke ich euch ganz herzlich. Hoffe, ihr kriegt nicht so viel zu tun in eurer Arbeit. Vielleicht leistet das ja heute ein bisschen Beitrag oder dass ihr gerade mehr bekommt, damit es dann sozusagen on long term besser wird.
Carolin Raspé: Präventiver Seite helfen wir immer gern.
Joel Kaczmarek: Genau. Also vielen Dank euch beiden.
Joel Kaczmarek: Vielen Dank. Dankeschön.
Carolin Raspé: Hat Spaß gemacht. Danke Joel.