Wie DeFi den Anlagemarkt demokratisiert

4. Oktober 2021, mit Joel Kaczmarek

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Intro: Digital Kompakt. Heute aus dem Bereich Recht. Mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und ich kann dir sagen, heute solltest du mal einen Traubenzucker einwerfen, denn du brauchst volle Brainpower, denn in der heutigen Folge reden wir über DeFi, Decentralized Finance. Wenn ich wir sage, dann ist das neben mir vor allem der liebe Daniel Rezas. Daniel ist Associate Partner bei YPOC, die uns mit diesem Podcast ja auch finanziell unterstützen. Das soll uns aber nicht davon abhalten, geniale Inhalte zu machen, aber bedenkt auch, liebe Hörerinnen und Hörer, das ist natürlich keine Rechtsberatung hier, also schaltet euren eigenen Kopf an und holt euch Profis an die Seite, wenn euch das Thema beschäftigt. Aber zurück zur Sache. DeFi. Wir werden heute darüber sprechen, was genau DeFi eigentlich ist und natürlich auch, welche Besonderheiten es eigentlich im Vergleich zur traditionellen Finance-Form hat. Dann werden wir darauf eingehen, was für technische Grundlagen es gibt, welche Stakeholder man da eigentlich so antrifft und natürlich auch, welche Geschäftsmodelle sich ableiten. Und last but not least tauchen wir dann in die ganz spaßigen Bereiche ein, nämlich welche Risiken hat das Ganze, welche Herausforderungen bestehen und wie ist eigentlich Regulierung dabei geregelt. Puh, das klingt erstmal trocken und das klingt irgendwie wirtschaftlich und vielleicht auch ein bisschen juristisch, aber ich kann euch sagen, es wird ein Riesenspaß. Wir werden über Sachen reden wie Money-Lego, über ganz, ganz viele coole Dinge und deswegen freue ich mich sehr, dass der liebe Daniel da ist. Hallo Daniel!

Daniel Resas: Hallo Joel, vielen Dank, dass ich da sein darf.

Joel Kaczmarek: Guck mal hier, ich habe gerade vier DIN A4 Seiten in der Anmoderation gepackt, war ja ganz flüssig, aber man merkt, das Thema ist nicht ganz ohne.

Daniel Resas: Ja, das ist tatsächlich so.

Joel Kaczmarek: Daniel, bevor wir jetzt über DeFi reden, sag doch nochmal einen ganz kurzen Satz zu dir. Was hast du so gemacht? Wo kommst du her, dass man in der Anwaltskanzlei sich mit DeFi beschäftigt?

Daniel Resas: Ja, ich verantworte die Kryptopraxis bei YPOG, habe einen ganz klassischen anwaltlichen Hintergrund, früher bei Freshfields Kapitalmarktrecht und Corporate und Corporate Finance gemacht und dann irgendwann fasziniert in die Blockchain-Welt abgedriftet und das hat mich auch nicht mehr losgelassen und habe das Thema bei YPOG dann angefangen vor drei Jahren mit aufzubauen. und das sind die Themen, die uns jetzt ehrlicherweise Also insofern kein ganz klassischer Anwalt in dem Sinne, dass ich meine gesamte Zeit wirklich mit Blockchain-basierten Geschäftsmodellen, insbesondere auch Decentralized Finance-Anwendungen verbringe.

Joel Kaczmarek: Fangen wir mal straight an. DeFi, was ist das eigentlich?

Daniel Resas: Ja, damit fängt es schon an oder da fangen die Herausforderungen an. Also es gibt keine allgemeingültige Definition von DeFi als solchen, sondern wir versuchen uns dem Phänomen immer so ein bisschen phänotypisch zu nähern, sagen, wonach fühlt sich das eigentlich an. Sich DeFi zu nähern heißt, dass das typischerweise Finanzprodukte sind, die man aus dem klassischen Finanzkontext und Bankkontext auch kennt. die aber hier in einer dezentralen Form ablaufen. Das heißt, dass Intermediäre wie Banken, Market Maker und Ähnlichem hier durch automatische Smart Contracts ersetzt werden und dementsprechend neue Geschäftsmodelle und auch neue Partizipationsmodelle ermöglichen.

Joel Kaczmarek: Also mal frech gesagt, du hast quasi ein Finanzprodukt von einer Bank, ohne eine Bank sagst du glaube ich immer, oder ein bisschen so eine Autobank, eine automatisch automatisierte Bank.

Daniel Resas: Genau, am Ende des Tages hast du keinen klassischen Intermediär dazwischen geschaltet, sondern du hast eine Art von automatisierter Bank, das ist eine Bank, die als Smart Contract abläuft.

Joel Kaczmarek: Und ich sag mal, als Basis dessen, ohne dass wir es jetzt zu tief eingehen wollen, die Basics sind im Prinzip Blockchain-Gedanke, Smart Contracting, auf der Basis quasi arbeitet man dort.

Daniel Resas: Genau, also das Ganze funktioniert nur durch Smart Contracts. Smart Contracts sind automatisiert ablaufende Computerprogramme, die auf einer dezentral betriebenen Blockchain im DeFi-Kontext ganz häufig das Ethereum Mainnet oder Solana laufen, in der Tat.

Joel Kaczmarek: Und muss ich jetzt, ganz naiv schon mal gefragt am Anfang, wenn ich mich mit DeFi auseinandersetzen will, muss ich da irgendwie so ein Kryptopunk sein, so ein Software-Gott? oder gibt es Wege da rein, die auch für Normalsterbliche zugänglich sind?

Daniel Resas: Wir sind noch sehr, sehr früh in der Industrie, das ist richtig. Also die Zugangshürden auch technischer Natur sind vergleichsweise hoch. Also ich brauche eigentlich immer schon ein Smart Contract fähiges Wallet, was ich mitbringe. Das ändert sich aber gerade doch relativ stark. Also es gibt eine ganze Reihe von Anbietern, die sich dieses Problems annehmen und versuchen DeFi für normale Endkunden oder Verbraucher zugänglich zu machen, womit wir auch hinterher bei den Risiken sind und dann mit einhergehenden Regulierungsfragen, weil das natürlich alles in einem Kontext gesehen werden muss. Aber am Ende ist es so, dass wir insbesondere in den USA schon eine ganze Reihe von Anbietern sehen, die versuchen das verbraucherfreundlich aufzubereiten. Aber das Thema ist derzeit ein technisches und diejenigen, die seit längerem im DeFi-Kontext unterwegs sind, das sind, um es kurz zu machen, das sind Profis.

Joel Kaczmarek: Was sind denn die Besonderheiten von DeFi im Vergleich zu traditioneller Finance?

Daniel Resas: Zum einen, du hast keinen klassischen Intermediär. Die Instrumente ansonsten ähneln denen der traditionellen Finanzwirtschaft schon stark. Das sind vor allem zwei Charakteristika, die maßgeblich eine Rolle spielen. Zum einen, Smart Contracts sind per se Open Source. Mit anderen Worten, sind frei verfügbar auf den entsprechenden Blockchains und können auch entsprechend eingesetzt werden. Vor allem sind die Assets, die dadurch entstehen, oder die Finanzdienstleistungen interoperabel. Interoperabel heißt dass wenn ich ein Kreditprodukt auf einer Blockchain begebe und ich leihe dir meinetwegen einen bestimmten Betrag an ETH, dann kann ich das über einen Smart Contract machen. Und dieser Smart Contract, der interagiert dann unter Umständen mit ganz anderen Smart Contracts. Das heißt, ich kann mein Risiko oder du dein Risiko wieder durch Derivate hatchen. Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Einer der klassischen Anwendungs- und ersten Anwendungsfälle im DeFi-Kontext waren tatsächlich Krypto-Loans. Also ich brauche ein bestimmtes Krypto-Asset, um damit irgendwelche Dinge zu tun und das kann ich mir leihen. Und wenn ich das leihe, kann ich dafür aber bestimmte andere Krypto-Assets als Sicherheit hinterlegen. Also diese ganzen Krypto-Loans im DeFi-Kontext sind alle überbesichert oder die 90% aller Loans sind überbesichert. Und die Vollstreckung in das Collateral, die erfolgt automatisch. Das heißt, wenn der Basispreis zu stark einknickt oder der Preis der Sicherheit, dann wird diese Sicherheit sofort verwertet. Und diese Interoperabilität und Selbstvollziehbarkeit, wir sprechen von Self-Enforceability in dem Kontext, die ermöglichen das, was wir, und du hast eben den Begriff schon ins Spiel gebracht, Money-Lego nennen.

Joel Kaczmarek: Jetzt habe ich den auch zum ersten Mal richtig verstanden. Also du dockst quasi eine Finanzproduktebene an die nächste an und die gleichen sich ab und ich glaube der interessante Case ist daran, dass das alles automatisiert abgewickelt wird nach vorher algorithmisch festgelegten Regeln.

Daniel Resas: Genau, festdefinierten, genau, algorithmisch festdefinierten Regeln, genau so ist es. Und das Spannende dabei ist, du hast halt einen weitgehenden Verzicht auf Intermediäre, also die klassischen Intermediäre wie eine Bank oder ein Placement Agent oder ein Market Maker spielen einfach keine Rolle mehr. Und dadurch öffnest du diesen Markt für neue Geschäftsmodelle. Das heißt, dass die Nutzer Teil dieses Geschäftsmodells werden können. Das Market-Making ist ein ganz spannender Aspekt, da kommen wir gleich noch zu, zum Automated Market-Making. Da kann ich tatsächlich selbst als Market-Maker ein Stück weit tätig werden oder mich an so einem Geschäftsmodell beteiligen. Wenn ich ETH übrig habe, die kann ich dort in so einem Protokoll staken, damit Stelle ich Liquidität bereit, die dann wiederum vom Protokoll genutzt werden kann und ich bekomme einen Teil der Transaktionsfee dafür. Und das ist ein Geschäftsmodell, das gibt es bisher nicht, weil bisher ist Market Making, wenn du im konventionellen Finanzkontext unterwegs bist, ein Geschäftsmodell, das von zentralen Intermediären sehr, sehr profitabel betrieben ist.

Joel Kaczmarek: Wenn wir dann jetzt gerade über die Besonderheiten im Vergleich reden, kannst du mir das nochmal ein Stück weit bildlich machen? Das ist ja im Prinzip hochgradig dezentral. Also wir reden ja eigentlich von wirklich dezentralen Geschäftsmodellen. Wo genau finden die denn statt? Also was ist quasi der Marktplatz, auf dem sich beide Seiten treffen? Wenn es die Bank nicht mehr gibt, wenn es quasi wirklich nur noch algorithmisch gesteuert ist, ist es dann sozusagen Direktgeschäft? Man trifft sich direkt oder wie läuft das?

Daniel Resas: Faktor ja. Also es gibt Initiatoren, wir sprechen im Kontext häufig von Projektinitiatoren, die diese Websites dann auch aufsetzen, weil die Website quasi der Entrypoint in das Protokoll ist. Aber du könntest das Protokoll auch tatsächlich auf einer direkten technischen Ebene ansprechen, ohne dass du jetzt eine Website dazwischen brauchst. Ein schönes Beispiel dafür ist, auch wenn das jetzt vielleicht ein Ticken zu granular ist, aber das Uniswap-Protokoll ist eine dezentrale Exchange, eine der größten, die wir kennen. Die wird betrieben von einer in den USA ansässigen Gesellschaft. Die Website wird betrieben. Das Protokoll als solches betreibt halt niemand, weil wenn der Smart Contract einmal auf die Blockchain gesetzt ist, dann läuft er da halt weiter. Aber hier gibt es eine Gruppe von Initiatoren, eine Gesellschaft in den USA betrieben, die in bestimmter Hinsicht dann doch wieder Einfluss nehmen können, indem zum Beispiel neue Smart Contracts deployed werden. Und die sind jetzt von den US-amerikanischen Aufsichtsbehörden angesprochen worden und dazu gezwungen worden, und dann wird dir klar, wo der Unterschied ist, von der Website bestimmte Coins runterzunehmen, die man traden kann, von der Website. Das Protokoll können die ohnehin nicht ändern. Das heißt, ich kann diese Coins, ohne dass irgendjemand was dagegen machen kann, immer noch über das Protokoll traden. Erst mal vorausgesetzt, ich habe hinreichend Liquidität auf dem Handelspaar, was nicht garantiert ist, wenn ich die Website darüber nicht mehr habe. Aber die US-amerikanischen Behörden haben halt diesen Betreiber, die Betreibergesellschaft dazu gezwungen, die Website nicht abzuschalten, sondern bestimmte Coins oder Assets von der Website zu nehmen. Und das ist ein ganz wichtiger Unterschied am Ende des Tages. Aber das Protokoll als solches wird dezentral betrieben. Der Grad der Dezentralität, der variiert aber doch sehr stark. Das ist auch einer der Anknüpfungspunkte jetzt für Aufsichtsbehörden weltweit, sich dem Thema zu nähern, weil nicht überall, wo dezentral draufsteht, ist auch dezentral drin.

Joel Kaczmarek: Na, ich meine, worüber wir im Kern reden, Stück weit ist eigentlich Governance, oder? Weil, so wie ich dich jetzt verstehe, wenn ich einmal so ein Smart Contract auf die Blockchain geschrieben habe, kann ich ihn auch nicht mehr großartig anpassen. Also dann ist das Kind in den Boden gefallen, dann läuft da quasi eine Maschine und du bist zwar derjenige, der die Maschine gebaut hat, der sich aber nicht mehr verändern kann, richtig?

Daniel Resas: Ja. Ein Stück weit, das kann man so ausgestalten. Darüber hinaus gibt es aber halt auch Möglichkeiten, Smart Contracts im Nachgang noch anzufassen bzw. Updates zu geben. Bei Uniswap ist es zum Beispiel so, dass du unterschiedliche Protokollversionen hast. Die setzen neben das alte Protokoll einfach ein neues Protokoll und dadurch, dass die die Marke haben, sagen die halt einfach, komm Freunde, wir nutzen ab jetzt alle das neue Protokoll und dann ist es so eine Art positiver Netzwerkeffekt, der die Leute rüberzieht. Aber du hast vollkommen recht, wenn es einmal auf die Blockchain geschrieben ist, bleibt dieser Smart Contract. Und Governance ist ein ganz wichtiges Thema.

Joel Kaczmarek: Guter Zeitpunkt, um sich mal darüber zu unterhalten, was für Stakeholder da eigentlich involviert sind, beziehungsweise auch welche Layer, wenn wir gerade den Governance-Part schon jetzt betrachten. Wer ist denn da eigentlich mit involviert?

Daniel Resas: Ja, da muss man einen hohen Grad an Abstraktionsfähigkeit mitbringen und ich versuche das jetzt in einem Podcast zu erklären, das ist wirklich nicht besonders einfach, weil typischerweise stehe ich an so einem Flipchart und kann da ganz schöne Zeichnungen machen und das fällt ja bei uns beiden heute aus. Ja. Wenn wir uns das als ein System von unterschiedlichen Layern vorstellen, die ineinander greifen bzw. übereinander liegen, dann haben wir tatsächlich den vorhin schon angedeuteten Blockchain-Layer, der die Grundlage dieses Transaktionssystems bildet. Auf diesem Blockchain-Layer laufen dann bestimmte dezentrale Applikationen und diese dezentralen Applikationen können halt auch dezentrale Finanzapplikationen sein. Stichwort DeFi. Und in diesem DeFi-Kontext haben wir dann unterschiedliche Stakeholder. Wir haben zum einen natürlich die Nutzer, wir haben Projektinitiatoren, wir haben Leute, die auf diesen Protokollen wiederum eigene Geschäftsmodelle entwickeln, auch auf einer zentralen Art und Weise. Wir haben Kryptoverwarer, die häufig eine Rolle spielen, also sprich Wallet-Anbieter, die die User dann mitbringen. Wir haben Regulatoren, die eine ganz wichtige Rolle spielen in dem Kontext. Das sind so die wesentlichen Stakeholder, um das mal so zusammenzufassen.

Joel Kaczmarek: Ich würde jetzt gar nicht mal so sehr tief weiter noch auf die Stakeholder eingehen, weil ich glaube, das Wesentliche, was du gesagt hast, vielleicht ist jetzt mal spannender, den Hörerinnen und Hörern klassische Geschäftsmodelle in diesem Kontext zu zeigen, weil wir sind ja hier auf so einer Satellitenperspektive unfassbar, wie Buzzword Bingo auch, sind wir uns bewusst, also sehr abstrakt unterwegs. Was sind denn so die klassischen Geschäftsmodelle, wenn wir die Stakeholder jetzt kennengelernt haben, die man bei DeFi eigentlich vorfindet?

Daniel Resas: Das ist eine gute Frage. Geschäftsmodelle gibt es unterschiedliche wie Sand am Meer, deswegen ist eine Kategorisierung glaube ich ganz wichtig und die lässt sich erst so ein bisschen historisch erschließen. Das wahrscheinlich bekannteste Geschäftsmodell im DeFi-Kontext sind auf der einen Seite dezentrale Handelsplattformen und auf der anderen Seite so klassische Kreditplattformen. die sich halt an ihren zentralen Vorbildern im Kryptokontext, aber auch in der klassischen Finanzwirtschaft als Vorbilder bedienen. Und eine dezentrale Handelsplattform ermöglicht es Netzwerkaktoren, Usern, die sich überhaupt nicht kennen, halt den Tausch unterschiedlicher Kryptotoken. Auf einer dezentralen Exchange hast du immer so zwei Handelspaare, die du dann dementsprechend traden kannst. Also wenn ich beispielsweise Ethereum gegen DAI traden möchte, wir kennen uns nicht, du möchtest deine DAI loswerden für ETH, ich möchte meine ETH für DAI loswerden, dann können wir uns doch treffen und algorithmisch werden unsere Interessen dort automatisch zusammengeführt.

Joel Kaczmarek: Ist das dann trotzdem wieder so ein bisschen so eine Rückkehr eigentlich zu einer Bank?

Daniel Resas: Nein, der entscheidende Unterschied ist, und das ist vielleicht das prägendste Merkmal, weil auch im Bereich der dezentralen Exchanges gibt es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Spielarten. Wir sprechen von einer dezentralen Handelsplattform eigentlich nur, wenn sie non-custodial ausgestaltet ist. Was heißt das? Non-custodial heißt, dass den Zugriff auf die Assets, die dort gehandelt werden, immer nur die Nutzer selbst haben. Das heißt, du hast nie einen zentralen Akteur dazwischen. Der zentrale Akteur, der hier auftritt, diese sogenannte Betreiber- oder Initiatorengesellschaft, die sorgt eigentlich nur dafür, dass ein entsprechendes Frontend zur Verfügung steht. Das heißt, dass die User über eine Website den Weg ins Protokoll finden. Der eigentliche Handel findet protokollbasiert und tatsächlich ohne die Bank statt. Also wenn du es plastisch formulieren möchtest, wird die Bank zum Website-Betreiber.

Joel Kaczmarek: Es gibt quasi keinen Tresor. Das heißt, jeder bringt das Geld in der Tasche mit, tauscht es aus und so ist es. In dem Zuge ist, glaube ich, ein Begriff auch nochmal wichtig zu erklären, dieses automatisierte Market Maker, was in dem Zuge ja von diesen dezentralen Handelsplattformen auch aufkommt. Kannst du das einmal erklären?

Daniel Resas: Also Market Makers in den konventionellen Kontexten ja dafür da, effiziente Märkte herzustellen, also sprich stabile Preise zu garantieren und immer einen Counterpart zu haben, wenn ich ein bestimmtes Finanzinstrument am Markt abstoßen möchte. Wenn ich meine Aktien über eine ganz normale Börse handele, in einer traditionellen Welt ist de facto, wenn ich als Retail Investor dabei bin, immer ein Market Maker irgendwo involviert, der letztlich für die Preisstabilität sorgt. Dieses Bedürfnis gibt es auch und gerade im Kryptokontext und vor allem im Kontext von dezentralen Handelsplätzen, weil wir hier gerade niemanden haben, der ein zentrales Orderbuch führt. Mit anderen Worten, der Handel vollzieht sich komplett automatisiert über die Smart Contracts. organisiert sind, gibt es sogenannte Liquidity-Pools oder Liquiditäts-Pools, die für bestimmte Krypto-Tokenpaare erstellt werden. Das heißt, diesen Liquidity-Pool, der stellt eigentlich so eine Art Submarkt dar. Ich habe dann einen Pool, der auf der einen Seite ETH, um dem Beispiel von eben zu bleiben, und auf der anderen Seite DAI hat. Und für dieses Währungspaar stelle ich Liquidität auf beiden Seiten zur Verfügung. Und indem hinreichend Liquidität auf beiden Seiten zur Verfügung gestellt wird, kann ich diesen Handel erlauben oder ermöglichen, wenn du dann auf Uniswap gehst und du möchtest DAI gegen ETH tauschen, ist einfach genügend Liquidität in diesem Pool, um diesen Wechsel auch zu ermöglichen. Und das Geschäftsmodell Automated Market Making ist deswegen so revolutionär, weil zum allerersten Mal ich als Nutzer meine Kryptoassets in diesen Liquidity Pool einstellen kann. Wenn du so möchtest, ich leihe quasi Liquidität und werde dafür an den Transaktionsgebühren, die diese Exchange dann hinterher generiert, automatisch beteiligt. Das ist am Ende des Tages nichts weiter, nichts anderes als die Demokratisierung des Market-Making. Das gibt vielleicht eine Idee davon, wie revolutionär DeFi-Geschäftsmodelle sein können, weil wir ein gesamtes Geschäftsmodell, ein hochgradig profitables, sehr wichtiges Geschäftsmodell aus der traditionellen Welt, halt hier komplett dezentralisieren, dergestalt und auch demokratisieren, dass die Nutzer selbst Teil des Produkts werden können und daran partizipieren.

Joel Kaczmarek: Kommen wir mal zum zweiten Geschäftsmodell. Also das sind diese Decentralized Exchanges, die wir gerade durchgesprochen haben. Kreditplattform hast du gerade gesagt. Wie muss ich mir das denn vorstellen? Weil die Frage ist ja immer, also du musst ja Zinsen zahlen und du musst ja eigentlich irgendeine Sicherheit haben. Das ist ja der klassische Weg eines Kredits. Wie funktioniert das denn, wenn ich das dezentralisiere und dann noch irgendwie tokenisiert betrachte? Also wenn ich quasi über virtuelle

Daniel Resas: Das ist eigentlich mit einer Kreditplattform in der traditionellen Welt vergleichbar. Es gibt zwei wesentliche Unterschiede. Der erste Unterschied ist, ich möchte ganz gerne mir ein tokenisiertes Asset leihen. Ich brauche ETH, ich brauche DAI, ich brauche irgendein Kryptoasset, um damit andere Dinge zu tun. Und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, diese Kryptoassets oder drei Möglichkeiten, die zu erwerben. Ich kann in irgendeiner Art von Mining involviert sein und die über die Blockchain nativ bekommen. Ich kann mir das einfach auf einer Exchange kaufen oder ich leihe das einfach. Warum möchte ich das leihen? Es kann ja sein, dass ich ein anderes Kryptoasset habe, wenn ich zum Beispiel DAI habe und ich habe ETH und möchte DAI haben. Ich glaube aber perspektivisch daran, dass der Kurs von ETH sich noch vor 10, 20, 30 fährt, dann gibt es für mich eigentlich kein Interesse, diese ETH zu verkaufen. Was kann ich aber machen? Ich kann sie als Sicherheit für einen Darlehen einsetzen. Das heißt, ich nehme einen Darlehen in einer anderen Kryptowährung und stelle meinen Collateral oder stelle meine ETH als Sicherheit für diese Darlehen zur Verfügung. Diese Sicherheit wird automatisch im Smart Contract hinterlegt. Die ist gelockt. Und da kommt dann die zweite Besonderheit ins Spiel. 90% aller Kryptodarlehen sind derzeit weit, weit überbesichert. Mit anderen Worten, wenn ich, weiß ich nicht, DAI für 100 leihen möchte, muss ich ETH für 150 hinterlegen. Und wenn der Kurs von ETH unter eine bestimmte Schwelle sackt, wird automatisch die Sicherheit gezogen, sodass derjenige, der tatsächlich die DAI verleiht, kein Risiko, theoretisch kein Risiko trägt, auf seinem Darlehen sitzen zu bleiben zu müssen, beziehungsweise das Risiko, dass das Darlehen vom Darlehensnehmer zurückgeführt wird, auf einen sehr überschaubaren Teil reduziert wird.

Joel Kaczmarek: Wie nischig ist das eigentlich? Also weißt du, das wirkt so, als wenn es so, wie du gerade sagst, mit so einer Bubble, als wenn das so ein Thema ist, was gefühlt so ein Prozent der Finanznerds da draußen betrifft. oder nimmt das zu?

Daniel Resas: Das nimmt massiv zu. Man spricht von US-Dollar, die gelockt sind in DeFi-Protokollen, 80 Milliarden. Es ist im Vergleich zur traditionellen Finanzwirtschaft wahnsinnig klein. Aber versuch dir eine Sekunde lang vorzustellen, momentan kriegst du, wenn ich in so einem Liquidity-Pool meine ETH hinterlege oder ich verleihe einfach nur meine Kryptowährungen, ich verleihe sie. Nutze sie nicht mal als Sicherheit, sondern diese Industrie ist wahnsinnig asset hungry, also ganz viele Leute brauchen diese Assets und ich verleihe das. Also das kannst du selbst schon über eine Nuri oder sowas hier in Berlin machen und das ist jetzt, weiß Gott, kein besonders innovatives Geschäft, was die machen. Im Sinne von, dass du deine Kryptoassets, die du im Wallet hast, verleihen kannst. Da kriegst du, wenn du das direkt auf dem Protokoll machst oder bei größeren Finanzinstitutionen in den USA, irgendwas zwischen 10 und 20 Prozent Zinsen im Jahr. Versuch dir das in der traditionellen Welt vorzustellen. Und das ist einer der Gründe, dazu kommen wir gleich noch, warum Aufsichtsbehörden und vor allen Dingen Zentralbanken sich das Thema viel, viel stärker angucken.

Joel Kaczmarek: Okay, gut, verstanden. Also die Möglichkeiten nehmen zu. Jetzt hast du ja eben, wir waren ja beim Beispiel Kreditplattform als Geschäftsmodell, jetzt hast du natürlich über besicherte Kredite geredet. Gehen da auch nichtbesicherte?

Daniel Resas: Nichtbesicherte Kredite sind nicht der Regelfall. Die gibt es in Form von sogenannten Flashloans. Warum sind unbesicherte Kredite nicht der Regelfall oder der absolute Ausnahmefall derzeit noch? Typischerweise werden unbesicherte oder nicht überbesicherte Kredite immer nur nach einer Kreditwürdigkeitsprüfung vergeben. Ich habe gerade schon ausgeführt, dass wenn wir beide uns anonym auf so einer Plattform treffen, Das gibt es in der traditionellen Welt auch, dass ich eine Kreditplattform habe. Da habe ich zumindest einen zentralen Intermediär in der Mitte, der nämlich eine Risikoprüfung vornimmt. Das heißt, derjenige, der Geld über so eine Plattform im Kontext, Stichwort Augsburg oder dergleichen, der kann sich auf das Rating der zentralen Kreditplattform verlassen. Beziehungsweise das dient als Indikator, wie risikoreich dieses Darlehen ist. Unabhängig davon, ob sich jetzt Darlehensnehmer und Darlehensgeber kennen. Wir haben eben ausgeführt, dass wir in unserem im DeFi-Kontext gerade keinen zentralen Intermediär haben. Und das, was wir jetzt sehen, ist, es wird einzelne Spieler geben, die auch Kreditausfallrisiken anfangen zu bepreisen und dann werden wir das sicherlich verstärkt sehen. Und es gibt unter bestimmten Voraussetzungen technische Möglichkeiten, die so kurzfristige Darlehen erlauben, dass sie innerhalb einer Transaktionsvalidierung begeben oder vergeben und wieder zurückgezahlt werden. Also wir sprechen hier wirklich über ein Darlehen, was de facto wenige Minuten nur im Raume steht und eigentlich hinterher auf der Blockchain auch nie auftaucht. Total spannendes Phänomen, für die Regulatoren wahnsinnig schwer zu greifen, für ganz viele Menschen schwer zu begreifen, aber es gibt technische Möglichkeiten, auch sogenannte Flashloans zu begeben.

Joel Kaczmarek: dritte Geschäftsmittel, was mir jetzt natürlich eigentlich noch einfallen würde, wäre ja eigentlich, wenn ich sage, dezentrales Finanzwesen, eigene Währung, oder? Also eigentlich müsste ich doch DeFi-Methodiken nehmen können, um sozusagen so eine Stablecoins-Alternative zu bauen.

Daniel Resas: Stablecoin ist ein sehr interessanter Punkt. Das Geschäftsmodell oder die Besonderheit eines Stablecoins ist, dass, wie der Name schon sagt, sichergestellt ist, dass der Wert nicht schwankt. Bei der allgemeinen Volatilität im Kryptokontext ist ein Stablecoin von enormer Wichtigkeit und letztlich Treiber, Schmiermittel und Grundvoraussetzung für sämtliche Geschäftsmodelle, wie wir im Decentralized Finance Kontext sehen. Diese Preisstabilität können wir auf unterschiedliche Art und Weise herstellen. Das kann von simpel bis sehr, sehr komplex sein. Simpel heißt, ich knüpfe diesen Stablecoin an eine bestehende Fiat-Währung, an den US-Dollar beispielsweise. Das passiert in Form von USDC und USDT. Das sind die beiden am meisten genutzten Stablecoins im DeFi-Kontext. Oder wir können das auch algorithmisch betrachten. Da wird dann quasi algorithmisch sichergestellt, dass die hinterlegten Sicherheiten immer einem bestimmten Wert entsprechen. So ist es bei der Stablecoin DAI von einem Maker-Projekt. Und dort wird auch sichergestellt, dass wir immer um einen US-Dollar herumliegen. Also das ist immer das Ziel, eine bestimmte Rechnungseinheit zu haben. Warum ist das wichtig? Wenn du schon auf der einen Seite von bestimmten Trades eine entsprechende Preisvolatilität hast, dann brauchst du auf der anderen Seite irgendwie Sicherheit. Man kann sich das so vorstellen. Es ist viel, viel einfacher, wenn ich eine Daimler-Aktie kaufe und die ist in Euro bepreist, als wenn ich jedes Mal den Daimler-Aktienpreis dadurch bestimmen müsste, wie viel ich in Airbnb-Aktien zahle. Das ist, glaube ich, ein ganz gutes Beispiel. Und diese Funktion, die der Euro als Rechnungseinheit oder der Dollar als Rechnungseinheit in der traditionellen Finanzwirtschaft und im Kapitalmarkt wahrnimmt, neben Stablecoins halt auch in unserem Kontext ein. Und das ist, glaube ich, ein ganz gutes Beispiel.

Joel Kaczmarek: Wahrscheinlich hast du trotzdem auch wieder ein bisschen Money-Lego. Du kannst ja bestimmt auch Stablecoins mit anderen Kryptowährungen besichern, wäre jetzt so mein Tipp. Dann hast du ja quasi so eine richtige Kaskade.

Daniel Resas: Genau, genau. Du kannst das unterschiedlich besichern. Stablecoin-Projekte gibt es ganz unterschiedliche. Diejenigen, die am stärksten vertreten sind, aber sind die, die fiat-gebacken Stablecoins. Also USDC und USDT spielen die größte Rolle, weil einfach dieses permanente Pagging an den US-Dollar da ist. Und der US-Dollar ist die de facto Währungseinheit im gesamten DeFi-Kontext.

Joel Kaczmarek: Gibt es eigentlich auch Stablecoins, die an Bodenschätze gebunden sind? Sowas wie Gold basiert oder sowas zum Beispiel?

Daniel Resas: Es gibt einige wenige Projekte in dem Kontext, aber das Problem dort ist halt wieder, dass Gold tatsächlich auch wieder im Preis schwankt. Mit anderen Worten, du müsstest halt die Goldsicherheit entsprechend immer anpassen, wenn du einen stabilen Wert garantieren möchtest.

Joel Kaczmarek: Dollar schwankt ja auch, brauchst ja nur ein bisschen mehr drucken, dann hast du ja auch schon wieder Qualität.

Daniel Resas: Das ist richtig, der Dollar ist aber eine Rechnungseinheit im Kopf. Kein Mensch, also kein normaler Mensch würde seine Assets in Bitcoin oder ETH bepreisen, sondern denkt immer in Euro- oder Dollarkontexten. Interessant ist, dass es im NFT-Kontext jetzt gerade anders wird. Im NFT-Kontext ist ETH dabei, eine quasi Rechnungseinheit zu werden. Obwohl ETH schwankt und das ist eigentlich kontraintuitiv. Eine Rechnungseinheit zeichnet sich typischerweise dadurch aus, dass sie halt stabil ist.

Joel Kaczmarek: Ja, deswegen finde ich manchmal auch diesen Coin-Gedanken ein bisschen ulkig, dass man eigentlich Währungen schafft und Währungen sind eigentlich dafür gedacht zu tauschen und du betrachtest sie aber ganz oft wie ein Wertasset, was steigt. Weißt du, was ich meine?

Daniel Resas: Total, total. Der Begriff Coin ist auch in dem Kontext einfach falsch. Deswegen sprechen wir einfach von Token. Der ist deutlich breiter. Bitcoin ist insofern eigentlich ein ganz schwieriger Begriff, weil durch Bitcoin ist dieser Coin-Terminus eigentlich eingeführt worden. Aber es macht keinen Sinn. Ich bin bei dir. Gerade Bitcoin ist eigentlich das klassische Beispiel dafür, dass es ein digitaler Wertspeicher und kein Zahlungsmittel ist.

Joel Kaczmarek: Was sind Risiken, wenn ich mich mit DeFi beschäftige und da aktiv werde?

Daniel Resas: Risiken sind ganz wichtig, weil wir sprachen eben über die Möglichkeit, dass es zum Beispiel über Kreditplattformen möglich ist, doch ganz erhebliche Returns zu erwirtschaften. Also Zinsen, die im traditionellen Finanzkontext schon die letzten zehn Jahre nicht mehr zu erwirtschaften waren und vermutlich auch die nächsten 50 Jahre nicht zu erwirtschaften sind. Und typischerweise sind Zinsen ein Ausdruck eines Risikoprofils. Und so die Frage muss man sich auch hier stellen. Risiken können wir versuchen so ein bisschen zu kategorisieren und zu clustern. Wir haben typische Risiken, die wir auch im klassischen Finanzmarkt kennen. Das sind so Konzentrations-, Liquiditäts- und Fristentransformationsrisiken. Wir haben aber, und das kommt erschwerend hinzu, ist hier halt mit Software zu tun, die automatisiert abläuft. Also dieses Self-Enforceability, wenn du so möchtest, den Kerngedanken dessen, was DeFi ausmacht, das kommt halt auch mit einem neuen Set an entsprechenden Risiken. Was heißt das im Einzelfall? Zum einen kann Programmcode hinterher nicht notwendigerweise wieder verändert werden. Und da kann es natürlich entsprechende Hackerangriffe geben, die solche Software-Bugs auch ausnutzen. Das hat es jetzt in der Vergangenheit nicht nur einmal gegeben. Also das haben wir tatsächlich das eine oder andere Mal schon gesehen. Eine typische Gegenbewegung oder Maßnahme, dem vorzubeugen, ist, dass Smart Contracts auditiert werden. Das heißt, du machst halt einen Sicherheits- und Security Audit auf so einen Smart Contract. um einen Teil dieser Risiken einzugrenzen. Das andere große Risiko ist, Stichwort Money Lego, wir haben gerade darüber gesprochen, dass Smart Contracts darauf angewiesen sind, Informationen, Daten außerhalb dieses Smart Contracts zu verarbeiten. Also wenn ich ein Derivat baue auf ein bestimmtes Finanzinstrument, Ein ETH oder meinetwegen auch ein Bitcoin und ich möchte mit diesem Preis hantieren, dann muss dieser Preis irgendwo herkommen. Dieser Smart Contract kann sich diesen Preis nicht automatisch irgendwo ziehen oder selbst errechnen, mit anderen Worten ist er auf sogenannte Preisorakel angewiesen, typischerweise eine zentrale Crypto Exchange oder auch ein dezentraler Handelsplatz. Und diese Orakel, also die Informationsübermittlung, ist natürlich auch wieder mit entsprechenden Sicherheitsrisiken ein behafteter Weg, diese Informationen in den Smart Contract zu bekommen. Sobald die Information einmal im Smart Contract ist, ist der aus sich heraus eigentlich sicher.

Joel Kaczmarek: Puh, komplex.

Daniel Resas: Das ist es.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wie ist es denn sonst? Du hast so eine ganz schöne Formel, die du ja teilweise benutzt, wo Regulierungsbehörden ja drauf gucken. Also ich glaube, korrigiere mich, same services, same risk, same regulation nennst du das immer?

Daniel Resas: Korrekt.

Joel Kaczmarek: Kann man das bei so einem Thema überhaupt gewährleisten?

Daniel Resas: Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht. Ich glaube, der Ansatz ist verständlich, aber essentiell, um diesen Ansatz überhaupt ansatzweise richtig zu verwenden ist, dass man sich die Services als solche anschaut. Da kann man noch hinkommen, dass diese entsprechende Vergleichbarkeit da ist. Die Einschätzung der Risiken ist halt essentiell, um eine vernünftige Regulierungsantwort zu finden. Ganz viele der Antworten oder potenziellen Antworten auf dieses Phänomen, das sich Regulatoren und Gesetzgeber derzeit überlegen, stammen halt aus einer sehr konventionellen Denke. Und diese Denke, wir sprachen eben darüber, typischerweise haben diese Plattformen keinen zentralen Intermediär als Betreiber. Klassische Finanzmarktregulierung funktioniert aber über Intermediärregulierung. Jetzt kannst du dir vorstellen dass die allermeisten gesetzgeberischen Vorhaben bzw. existierenden Gesetze auf diese Phänomene nur sehr eingeschränkt Anwendung finden bzw. einfach nicht so richtig passen. Das sehen wir gerade auch im europäischen Kontext, wird eine entsprechende Regulierung vorbereitet. Das ist die Mika-Verordnung. Das ist quasi ein umfassender regulatorischer Rahmen für Kryptoassets in Europa. Wir haben es in Europa derzeit mit einem Flickenteppich von nationalstaatlichen Regelungen zu tun. Und das soll entsprechend harmonisiert werden. Und auch dort bei den aktuellen Diskussionen in Brüssel nehmen wir momentan mit, oder eine der Kernfragen ist, wie gehen wir eigentlich mit Decentralized Finance um? Wie gehen wir denn damit um, dass wir keinen zentralen Ansprechpartner haben? Wer wäre, wenn wir Anlegerschutz betreiben wollen auf einer dezentralen Exchange, wer wäre denn unser Ansprechpartner? Sind das die Initiatoren, die an Tag 1 Smart Contracts für Blockchain gegeben haben? Ist das die Betriebsgesellschaft, die vielleicht eine Website online hält, wer ist denn eigentlich unser Ansprechpartner, der aus einer regulatorischen Perspektive vergleichbar wäre mit der Bank? Und müsste man vielleicht, wenn wir sagen, same risk, wenn die Bank nur noch der Website-Betreiber ist? Muss ich sie dann eigentlich wie einen E-Commerce-Shop regulieren oder immer noch wie eine Bank? Das sind die Fragen, die sich hier stellen. Und wenn wir sagen, same risk, wenn wir ein Risiko oder einen Vergleich der unterschiedlichen Risikomaßstäbe vornehmen sollten, ist ein ganz schönes Beispiel. Typischerweise sind Risiken im Kreditkontext, sind das Counterparty-Risiken. Also das Risiko, dass mein Vertragspartner nicht willens oder in der Lage ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, um mir mein Darlehen zurückzuzahlen. Dadurch, dass das hier auf Smart Contract basierten Operationen abläuft und typischerweise überbesichert ist, gibt es klassische Counterparty-Risiken auf diesen dezentralen Kreditplattformen ja gerade nicht. Dieser Unterschied könnte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass sie deswegen auch anders reguliert werden müssen. Jedenfalls mal in Bezug auf diese Counterparty-Risiken. Deswegen ist es so wichtig, die unterschiedlichen Risiken in der traditionellen zentralen Welt denen gegenüberzustellen, die in der dezentralen Welt existieren.

Joel Kaczmarek: Jetzt müsste man es ja fast mal zuspitzen. Die Frage ist ja, warum ist Regulierung wichtig? Da hast du ja gerade gesagt, ein wesentliches Merkmal ist im Prinzip Anlegerschutz. Was anderes ist natürlich, die ganze Finanzstabilität im Markt zu sichern. Aber ein Stück weit ja wahrscheinlich auch in dem Zuge dann, also wenn wir jetzt mal über in Jahrhunderte tradierten Geschäftsmodellen denken so ein Bankenwesen, also traditionelle Finance-Produkte marktfähig zu halten, also in die Lage zu versetzen, auch daran teilnehmen zu können. Oder anders gesagt, ich überlege jetzt gerade, wenn ich jetzt irgendwie in einer Bank arbeiten würde und hätte jetzt zugehört die letzten ungefähr 30 Minuten, würde mir jetzt ein bisschen die Muffe gehen, weil ich nur noch das Haus stelle und nicht mehr den Tresor, mal überfützt gesagt.

Daniel Resas: Also wenn ich Banker wäre, wäre ich vermutlich auf den ersten Blick auch besorgt. Auf der anderen Seite sind wir noch sehr, sehr früh in der Industrie. Natürlich sehe ich Produkte, Kreditprodukte mit ganz tollen Zinssätzen, die ich als konventioneller Banker meinen Kunden derzeit nicht anbieten kann. Auf der anderen Seite, wir sprachen gerade darüber, gehen mit entsprechend hohen Zinserträgen halt auch häufig besondere Risiken einher. und der zahlt jedenfalls, ist der DeFi-Space, das ist was für Profis. Das ist auch ganz wichtig, dass wenn man sich auf diese Finanzinstrumente und diese Lösungen einlässt, versteht, was man dort tut. Vielleicht ist das noch wichtiger als im traditionellen Kontext, auch dort ist es natürlich wichtig. Aber perspektivisch wird das eine ganz spannende Frage sein und die Frage wird sein, haben wir ein dezentrales Schattenfinanzsystem, was neben dem traditionellen Finanzsystem in Konkurrenz zum traditionellen Finanzsystem läuft oder werden wir eine Verzahnung an unterschiedlichen Stellen feststellen? und erste Anzeichen für Verzahnungsaktivitäten gibt es schon. Es gibt eine ganze Reihe von traditionellen Bankhäusern. die versuchen, ihren Kunden DeFi-Produkte zugänglich zu machen. Keinen Verbraucher-, keinen Endverbraucher-Kunden, aber ihren Institutionals. Das ist schon der Fall. Und wir sehen auch klassische Fintech-Banken oder Fintech-Plattformen, wo Kryptos gehandelt werden können. Die versuchen auch schon, ihren Endverbraucher-Kunden halt Landing oder Borrowing Lösungen anzubieten, also mit anderen Worten Lösungen, wie ich mir Krypto kurzfristig leihen kann oder auch meine Kryptos, die bei meinem Fintech in der Wallet liegen, verleihen kann gegen Zinsen. Und ich glaube, das größte Risiko aus einer konventionellen Bankperspektive ist, dass mehr Gelder aus dem konventionellen Bankkreislauf herausgenommen werden und in den DeFi-Kontext fließen. Wie stark dieses Phänomen skaliert, hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Einer davon ist sicherlich, wie dieses Phänomen regulatorisch angefasst wird.

Joel Kaczmarek: Guter Punkt. Habe ich mich auch gerade so gedacht, weil wer gibt sein Geld noch zur Verwahrung in den Tresor, wenn man sozusagen das Modell nicht mehr funktioniert. Aber da wollen wir dich jetzt nicht zu sehr drauf verhaften. Gut, last but not least. Wir haben jetzt über Risiken geredet, aber was sind denn insgesamt noch so? abschließend die Herausforderungen, die DeFi zu bewältigen hat?

Daniel Resas: Eine der großen Herausforderungen ist eigentlich, was ist eigentlich Dezentralität? Oder sind viele dieser Produkte, über die wir gesprochen haben, nicht eigentlich nur vermeintlich dezentral? Der Transaktionslayer, der Blockchain-Layer, die Ethereum-Blockchain beispielsweise, dezentral betrieben wird, ja, unstreitig. Dass bestimmte Protokolle, die auf diesem Blockchain-Ethereum-Layer laufen, womöglich nur vermeintlich dezentral betrieben werden, weil es einzelne Spieler gibt, Wir sprachen vorhin von den Initiatoren, die beispielsweise Master Keys für bestimmte Smart Contracts haben oder ein Wallet dann doch für einen Zwischenzeitraum zentral verwahrt wird. Also wenn ich zum Beispiel meine ETH auf ein bestimmtes Protokoll gebe, um es zu verleihen oder meinen Liquidity Pool einzupflegen. dann kann das sein, dass es je nach Anbieter dann doch jemanden gibt, der diesen Masterkey für das Wallet hat. Der wird sagen, aus Sicherheitsgründen, dass wenn irgendwas schiefläuft, ich hinterher Einfluss nehmen kann. Und diese vermeintliche Dezentralität oder dann eine vernünftige Abstufung zu finden, das ist eine der größten Herausforderungen für die Regulatoren weltweit. Die US-amerikanische Börsenaufsicht ist seit zwei Wochen sehr aktiv in dem Kontext und schaut sich diese Geschäftsmodelle an. Und interessanterweise oder naheliegenderweise ist eine der Argumente, dass man sagt, Ganz viele dieser Plattformen wirken auf den ersten Blick sehr, sehr dezentral, weil dezentral draufsteht, schaut man mal unter die Motorhaube, ist das jedenfalls im jetzigen Stand nicht immer so dezentral, wie man das vielleicht auf den ersten Blick vermuten mag.

Joel Kaczmarek: Also fast so eine Rezentralisierung sozusagen.

Daniel Resas: Du hast in nahezu allen DeFi-Kontexten oder Geschäftsmodellen hast du zentralisierte Elemente. Und sei es reduziert auf den Betrieb der Website, die den Zugang zum Protokoll ermöglicht. Also es gibt de facto kaum dezentrale Geschäftsmodelle oder Instrumente oder Produkte, die ohne zentralen Spieler auskommen. Dieser zentrale Spieler nimmt nur häufig eine andere Funktion ein. Und deswegen rechtfertigt dieser Unterschied unter Umständen halt auch eine andere Regulierung.

Joel Kaczmarek: Gut, also erster Punkt, vermeintliche Dezentralisierung, was Herausforderungen angeht. Das zweite sicherlich die Beteiligten, weil wenn wir jetzt sagen, das ist bisher noch so eine Spezialecke, hinten die Nerd-Ecke in der Mensa, wer eigentlich so die Beteiligten dabei sind, könnte ich mir vorstellen, oder?

Daniel Resas: Ja, das ist richtig. Wenn ich heute Gesetzgeber bin oder ich bin Regulator, dann schaue ich auf so ein Produkt und mir gefällt so ein Produkt unter Umständen nicht, dann muss ich mal sehen, an wen kann ich mich hier eigentlich wenden? Greife ich auf einen Entwickler zu? Greife ich auf, wir sprechen auch von Inhaber von Governance Token, also diejenigen, die wirtschaftlich von so einer Plattform partizipieren? Sind das die Nutzer? Sind das vielleicht künftig Leute, die den Smart Contract geauditet haben, also geprüft haben unter Sicherheitsaspekten? An wen möchte ich mich eigentlich wenden? Und diese Frage, die ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint, weil natürlich bei dieser Frage auch zu berücksichtigen muss, selbst wenn ich diese unterschiedlichen Spieler identifizieren kann, muss ich mir als Aufsichtsbehörde oder als Gesetzgeber überlegen, gegen wen kann ich denn meine Rechte überhaupt durchsetzen? Wen kann ich denn für bestimmte Dinge haftbar machen?

Joel Kaczmarek: Und auf welcher Jurisdiktion steht das vor allem eigentlich?

Daniel Resas: Auf welcher Jurisdiktion? Das ist einer der Gründe, warum wir in Europa derzeit versuchen, eine Harmonisierung dieses Rechtsrahmens zu bewerkstelligen.

Joel Kaczmarek: Ich muss immer an dieses schöne Beispiel denken mit dem Flughafen, wo du mal angeben musst, wenn du 10.000 Dollar irgendwie im Koffer hast, aber wenn du hier so deine Bitcoin-Adresse da stehen hast, dann

Daniel Resas: Ja, das ist so. Und das macht an den Jurisdiktionen nicht Halt. Und das ist aber auch nicht neu. Wir kennen das aus einem klassischen Wertpapierkontext. Im Wertpapierkontext ist es auch so. Wertpapierzivilrecht ist jurisdiktional komplett unterschiedlich von Land zu Land. Aber da gibt es dann Bemühungen auf einer übergeordneten Ebene der IOSCO, um de facto Vergleichbarkeit herzustellen in der Abwicklung von bestimmten Trades. Und wir werden das hier sehen. Die Mika wird kommen. Die Mika ist dieser europäische Rechtsrahmen. Ob und inwieweit bestimmte DeFi-Protokolle davon erfasst werden, das wird auch der Grad der Dezentralität dieser Protokolle entscheiden. Aber DeFi macht vor jurisdiktionalen Grenzen nicht Halt. Das wird schon daran offensichtlich, dass der gesamte Space eigentlich US-Dollar denominiert ist, unabhängig davon, ob ich jetzt in Japan, in Europa oder sonst wo investiere. Das ist eine de facto Akzeptanz des US-Dollars.

Joel Kaczmarek: Letzte Frage an dich. Wie kann denn, weil es wird, glaube ich, auch eine Herausforderung sein bei diesem Thema, wie kann denn eine Regulierung aussehen, die irgendwo die Schutzmaßnahmen bietet, die man sich von Regulierung wünscht, gleichzeitig aber nicht diesen Innovationsgedanken, der in diesem Werkzeug steckt, erstickt?

Daniel Resas: Das ist die eine Million Dollar Frage. Das ist die Frage, die wir auch ganz aktuell und akut im Rahmen dieses Wharton-Projekts mit Gesetzgebern weltweit und Aufsichtsbehörden diskutieren. Wir haben vor kurzem mit dem World Economic Forum zusammen ein Paper genau zu diesem Thema geschrieben. haben das das Policymaker Toolkit for DeFi genannt, wollen Gesetzgebern eine Handreiche bieten, mit diesen Risiken überhaupt umzugehen und wie man sie bewerten kann. Dass wir Anlegerschutz gewährleisten müssen, ist glaube ich klar. Die Herausforderung im Blockchain-Kontext ist insbesondere die Frage, du hast Anlegerschutz und Marktintegrität und Finanzmarktstabilität auf der einen Seite und du hast die Innovationsmöglichkeiten auf der anderen Seite. Je nachdem wie libertär du bist, musst du Abstriche auf der einen oder auf der anderen Seite machen. Gesetzgeber sind gut beraten, Innovationen nicht zu frühzeitig abzuschnüren, weil wenn es danach ginge, dann würde das aktuelle Finanzsystem de facto überhaupt gar keine Weiterentwicklung ermöglichen. Es gibt Tools, die wir aus dem Ausland kennen, sogenannte Sandboxes. Das sind halt wie gesagt regulatorische Sandkästen. die sich in unterschiedlichen Jurisdiktionen durchgesetzt haben, wo innovative oder Finanzmarkt-Innovationen in einem eng abgegrenzten regulatorischen Rahmen ausprobiert werden können, um sie dann hinterher vielleicht massenfähig zu machen. Das sind die Herausforderungen.

Joel Kaczmarek: Du Daniel, es war doch heute ein wilder Ritt. Ich danke dir ganz herzlich und wahrscheinlich war es nicht das letzte Mal, dass wir uns hier sprechen, weil es tut sich ja unglaublich viel dort. Vielen Dank schon mal für den Moment und vielleicht auch bald mal mehr.

Daniel Resas: Sehr, sehr gerne. Danke dir.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Rechtsthemen: Joel trifft sich dazu regelmäßig mit wechselnden Top-Anwält:innen, Steuerberater:innen und Rechtsexpert:innen, welche dir praxisnah und leicht verständlich die wichtigsten Rechtsthemen erklären. Als Unternehmer:in und Gründer:in kannst du diese dadurch sofort verstehen und anwenden.