Agiles Arbeiten trotz Krise ⚡️: Wie manage ich unter Druck?

14. Mai 2024, mit Joel KaczmarekStefan Lammers

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute ist wieder der liebe Stefan Lammers von SLBB an meiner Seite. Ihr wisst, der Führungskräfte-Coach schlechthin. Und beim letzten Mal haben wir ja schon über Stress gesprochen. Und wir führen das heute auf eine Art fort, weil es geraten ja nicht nur Menschen unter Stress, sondern auch Organisationen. Und für heute haben wir uns ein Beispiel rausgesucht, nämlich das Thema Agilität. Wir wollen darüber reden, wie Agilität trotz Krise funktionieren kann. Denn das ist ein super schönes Beispiel, um daran mal aufzuzeigen, wie gerade Kommunikationsstränge in Firmen teilweise in schräge und nicht immer günstige Richtungen gehen. Wie das genau aussieht, gehen wir gleich durch, aber damit ihr schon mal so grob ein Gefühl kriegt, was euch heute in der Folge erwartet, wir werden mal darüber sprechen, wenn so eine Krise einsetzt und Führungskräfte dann an solchen Prinzipien wie der Agilität rütteln, was das eigentlich mit so einer Organisation macht und wo sie kommunikativ dadurch hinwandert. Weil, wie gesagt, daran lässt sich einiges ablesen und wir wollen natürlich verstehen, was sind denn eigentlich so die Kommunikationsfolgen dessen und wie kann denn Agilität trotz Krise gelingen. So, that being said, lieber Stefan, moin moin.

Stefan Lammers: Moin, moin. Ich freue mich mal wieder, was aus dem Beratungsalltag mit reinbringen zu können.

Joel Kaczmarek: Ja, war gar nicht so einfach, das heute zu framen. Irgendwie geht es um ein Thema, aber irgendwie ist das Thema auch nur stellvertretend für wieder ein größeres Thema und irgendwie hängt da noch ein anderes dran, nämlich Krisestress und alles, was wir schon mal hatten. Also wir versuchen mal, uns da so ranzuhangeln. Wenn du sagst, aus deiner Beratungspraxis, wie bist du denn aufs Thema heute gekommen?

Stefan Lammers: Weil ich im Moment sehe, dass in Unternehmen wieder alte Mechanismen an Bedeutung gewinnen. Also wenn wir das sehen, es war ja in der Vergangenheit oft so, das Thema Agilität, Selbstverantwortung und Ähnliches, wie die Erfüllung der Zukunft ausgesehen hat. Und jetzt erleben wir gerade, dass es einige Unternehmen unter Stress kommen, ob das in der Startup-Welt ist, ob das in anderen Unternehmen ist, die schon etwas erfahrener sind. Dann ziehen auf einmal wieder alte Mechanismen. Also nicht mehr die horizontale Verantwortung, die da ist, sondern dann bekommt die vertikale Verantwortung auf einmal eine ganz andere Bedeutung und vielleicht auch wieder mehr Macht, weil man glaubt, dass man Kontrolle gewinnen muss beispielsweise. Dadurch verändert sich dann auf einmal das Zusammenwirken, sage ich jetzt mal, der unterschiedlichen Systeme innerhalb eines Unternehmens. Also vor allen Dingen gerade in Unternehmen, die die nicht nur agil arbeiten oder nicht nur hierarchisch arbeiten, sondern wo auch Mischformen in der Organisation sind und wo möglicherweise auch Entscheidungswege nicht hundertprozentig geklärt sind und wo es vielleicht auch noch Machtkämpfe gibt oder Ähnliches, um wer hat es denn zu sagen und zu entscheiden. Wenn die Luft dünner wird, dann kommt auf einmal Stress aufs System. Ein Chefs aus System manifestiert sich dann in den Personen, die Verantwortung tragen und dann setzt ganz, ganz oft die alte Kaskade plötzlich wieder ein. Beispielsweise Kostendruck, der auf einmal wieder eine Rolle spielt. Dann ist die Frage an, was glaubt man, was erfolgreich sein kann in der Zukunft. Wie kann man kurzfristig Erfolge erzielen? Kann schnell dann das Gefühl entstehen, dass die Gruppen, die agil arbeiten, dass ich da relativ wenig Einfluss drauf habe, auch vielleicht nicht das richtige Gefühl dafür habe, wo die gerade unterwegs sind und wie die ihre Beiträge leisten und dadurch reflexartig möglicherweise auch eben dann Stress auf diese Gruppen ausübe.

Joel Kaczmarek: Ich meine, es gibt ja in der Politik auch immer dieses Bild, wenn Kriegszustände herrschen, dann schart sich die Nation um ihren Anführer. Das ist ja so dieses typische Bild. Also dann wird so der Notstand ausgerufen und dann hat der Präsident auf einmal oder manchmal auch das Parlament Rechte, die man sonst gar nicht hat. Also es ist ja so ein bisschen auch organisatorisch angelegt. bei dem, was wir quasi auf der ganz großen Bühne kennen und so höre ich das bei dir jetzt auch mal raus, dass quasi Unternehmen, wenn sie halt in eine Krise geraten, der Druck steigt, der Stress steigt, gerade auch der Kostendruck, dass man da dann eher mehr versucht wieder in die Kontrolle zu kommen und dass Agilität von vielen dann als ein Modell gesehen wird, was sozusagen Kontroll-averse ist oder nicht so gut kontrollierbar.

Stefan Lammers: Ja, zumindest scheint es so. Also ob das tatsächlich so ist, ist ja eine ganz andere Frage. Aber es ist oftmals für Führungskräfte mindestens das Gefühl. Und machen wir uns nichts vor, wenn wir klare Verhältnisse hätten und das nicht nur ein Gefühl wäre, dann wären wir ja möglicherweise erst gar nicht in der Krisensituation, sondern hätten wir ja schon einen klaren Plan gehabt, wie wir damit umgehen. Und insofern unterhalten wir uns bei Krisen immer sehr viel auch über Gefühle, die in dem Moment da sind. Und das sind dann eben möglicherweise auch Ängste, dass man die falschen Entscheidungen trifft, eine zu lange Leine lässt und so weiter. Das sind so die typischen Reflexe, wenn es eine Krise gibt, dass plötzlich auf einmal etwas, was die Sekretärin gestern noch bestellen durfte, darf plötzlich nur über einen Vorstandsentscheid bestellt werden oder sowas. Also diese Entscheidungskompetenzen, die ziehen ganz schnell nach oben in dem Moment. Und das ist natürlich eine massive Störung für agil arbeitende Systeme innerhalb eines Unternehmens.

Joel Kaczmarek: Naja, vor allem, wie du mir das Thema so erzählt hast im Vorgespräch, habe ich gedacht, da steckt ja auch eine starke Kränkung drin, weil es ist ja so ein bisschen so, Agilität ist ja schön und gut, solange es uns gut geht, können wir uns diesen Luxus erlauben, wenn es aber richtig zur Sache geht, dann ist das kein tragbares System, dann muss der Chef mal selber die Hand wieder anlegen und kontrollieren, dass alles läuft, jetzt mal überspitzt gesagt. So, das ist ja, was man da rauslesen kann, ne?

Stefan Lammers: Es ist durchaus drin und dadurch entsteht unter Umständen nämlich genau sofort eine zweite Kränkung auf der Ebene der Menschen, die agil arbeiten und natürlich ein ganz anderes Selbstverständnis an dieser Ecke haben. Gleichzeitig gibt es dann eben auch eine Kränkung bei den Führungskräften, weil sie sich vielleicht nicht ernst genommen fühlen. Die Beobachtung, die ich an dieser Stelle habe und dass sich dann schnell diese Systeme voneinander wegbewegen, dass sie also nicht aufeinander zugehen, so eine Art Dogmatismus kommt, dass die vertikale Führung, dass die dann sagt, wir werden nicht ernst genommen. Die Unternehmenssicht spielt ja für die Leute anscheinend keine Rolle, sie haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt und auf der anderen Seite wird von den Menschen, die in einem anderen System arbeiten, im horizontalen System gesagt, Warum stören die uns die ganze Zeit? Wir machen hier eine erfolgreiche Arbeit. Was dann oft passiert, ist ein Kommunikationsvakuum zwischen diesen beiden Seiten und beide Seiten bewegen sich voneinander weg. Es wird also eine Wagenburg-Mentalität aufgebaut. Das ist natürlich echt ein destruktives Verhalten, was dann stattfindet und auch eine destruktive Systematik, die dann in einem Unternehmen auf einmal da ist. Und das ist eben spannend zu gucken, wie kann man das überbrücken. Und wenn wir uns das angucken, auch gesellschaftlich, wir sind ja alle dabei, uns immer schneller aufzuschaukeln und zu sagen, was nicht funktioniert, als darauf zu schauen, was wir total gut finden.

Joel Kaczmarek: Gibt es denn eigentlich in diesen beiden Systemen überhaupt ganz klare Akteure? Also bei der Führung ist es ja klar, bei der vertikalen Ebene, wer da sozusagen derjenige welche ist. Bei dem Unternehmen selber, also bei der horizontalen Ebene, da gibt es ja meistens gar nicht so den einen Fürsprecher. Also vielleicht hat man so einen Scrum Master oder sowas, okay, oder einen Betriebsrat, alright, aber in der Regel ist es ja so ein bisschen wabernd auch, ne?

Stefan Lammers: Nein, aus meiner Sicht ist das eine Frage der Rollenverteilung. Und bestenfalls hat man halt bei der Rollenverteilung klar geklärt, wer welche Kommunikationskanäle bedient. Und gerade wenn man eben hybride Arbeitsformen hat innerhalb einer Organisation, ist es eben wichtig, dass das mitgedacht wird. Wie findet Kommunikation in dem Moment statt? Wir müssen uns überlegen, wie wir an den Schnittstellen zu den anderen Kollegen kommunizieren müssen, damit eben Notwendigkeit und der Bedarf voneinander bekannt ist und dann eben auch bedient werden kann.

Joel Kaczmarek: Ich meine, da sind wir ja eigentlich auch schon ein Stück weit bei der Gretchenfrage, die wir vielleicht ja mal thematisieren können, bevor wir über die Folgenauflösung reden. Ist denn Agilität, agiles Arbeiten eine krisentaugliche Form der Zusammenarbeit?

Stefan Lammers: Das ist eine Frage der Einstellung des Teams aus meiner Sicht. Die Frage ist, habe ich sozusagen die Informationen, die ich brauche? Weiß ich, was mich im Unternehmen, was da vor sich geht und was dann gerade gefordert wird? Und das kann was anderes sein als das, was es vorher gewesen ist, wo es uns besser gegangen ist. Aber das muss klar sein und darauf muss dann auch reagiert werden. Also ich bin überhaupt kein Anhänger davon zu sagen, die eine Methode oder die andere Methode ist die richtige oder die bessere in solchen Situationen. Die Frage ist, wie setze ich diese Methode ein?

Joel Kaczmarek: Und was würdest du sagen, wenn du jetzt mit so einer Situation konfrontiert wirst, was wäre so der erste Schritt, den du unternehmen würdest, um dieses Kommunikationsvakuum, wie du es genannt hast, wieder in einen nicht mehr luftleeren, sondern luftvollen Raum zu transformieren?

Stefan Lammers: Also tatsächlich ist es erstmal das Bewusstsein dafür zu schaffen, was da gerade passiert. In welcher Situation sind wir hier gerade? Und was ist das, was uns am meisten weiterhilft, um aus dieser Situation herauszukommen? Diese Bereitschaft zu haben, selbst scheuklappenfrei darüber nachzudenken, was ist für das Unternehmen in dieser Stresssituation die beste Vorgehensweise? Das ist erstmal die wichtigste Vorgehensweise dafür.

Joel Kaczmarek: Naja, aber das Schwierige ist ja, bei dem, was du beschreibst, fällt mir so ein Punkt ein. Ich mache ja so ein neues Format, fünf Dinge, die ich gern schon mit 20 gewusst hätte. Und einer meiner Punkte, den ich dann mal erzählen werde, ist, dass ich irgendwann mal erst später realisiert habe, dass man Streits nicht gewinnen kann, dass es da keine Gewinner und Verlierer gibt. Und beim drüber nachdenken über diesen Aspekt kam mir irgendwann so die Einsicht, dass ich oft den Fehler gemacht habe, Streits mit einer logischen Komponente zu betrachten. Und die Schwierigkeit ist ja aber ganz oft, dass ein Streit auf etwas Emotionalem, auf einem Gefühl basiert und du dann sehr viele Argumente liefern kannst und sich aber gar nichts daran ändert, weil das Gefühl halt nicht bedient ist. Und das, was du gerade beschrieben hast, ist ja ein bisschen ähnlich, wenn ich jetzt natürlich als Führungskraft sehe, wir sind in der Krise, wir brauchen hier irgendwie klare Einschnitte und dieses System fühlt sich für mich irgendwie schwer kontrollierbar an. Dann kannst du natürlich sehr viel diskutieren mit, was brauchen wir denn jetzt gerade. Dann braucht es ja eigentlich einen Zugang, wie man quasi diese Gefühlswelt wieder so weit eingeneutet kriegt, dass man nicht mehr Beifahrer seiner eigenen Entscheidung ist.

Stefan Lammers: Das ist aus meiner Sicht der zweite Schritt erst. Also als erstes braucht es, glaube ich, diese Bereitschaft darüber überhaupt so nachzudenken, sitzen wir beide gerade genau auf dem gleichen Weg, wo wir hinwollen und haben wir ein Verständnis dafür, was gerade der Umstand ist. Klar gibt es in der Situation Gefühle, die für uns dann eine anschließende Bedeutung machen, aber wenn ich da einen Sinn drin sehe, sozusagen bestimmte Dinge dann entsprechend zu verändern. Das ist eine Frage der Geschwindigkeit. Das ist eine Frage, wie viel Zeit habe ich? Wie bedrohlich ist die Situation? Was sind unsere Zukunftschancen? Also gibt es ganz viele Fragestellungen, die da eine Rolle spielen, um überhaupt sich zu überlegen, was ist denn überhaupt der Rahmen, in dem wir unterwegs sein können, zu denken? Und der muss erstmal geklärt werden. Und dazu braucht es aber aus meiner Sicht eben auch diese Offenheit und diese Bereitschaft, miteinander in den Dialog einzusteigen und vor allen Dingen eben vorurteilsfrei zu sagen, die eine Form oder die andere Form ist das Richtige. Was ich erlebe, ist eben dieses Auseinanderdriften in der Form, dass die vertikale Linie auf einmal wieder durchexekutiert, auch vielfach ohne Kommunikation, dass sozusagen das Vertrauen zerstört wird. Das wird es schwieriger machen, wieder agiles Arbeiten und Selbstverantwortung im Unternehmen voranzubringen. Und was ich auf der anderen Seite überlebe, ist halt, dass in den selbstverantwortlichen Bereichen diese Ansagen und dieses Exekutieren als Vertrauensbruch wahrgenommen wird und dementsprechend die Mitarbeitenden wenig motiviert sind, in dem Unternehmen weiterhin sich 100 Prozent einzubringen, in dem, wie sie das bisher gemacht haben. Verliert dann an Attraktivität und die Wahrscheinlichkeit, dass sich dann eben agile Systeme in dem Unternehmen weiter verbreiten und Selbstverantwortung weiter vorangetrieben wird, ist geringer.

Joel Kaczmarek: Aber wenn du jetzt gerade sagst, die Beobachtung ist Durchexerzieren ohne Kommunikation, an dem Durchexerzieren ist ja wahrscheinlich gar nicht so viel auszusetzen, sondern eigentlich nur an der Einbettung höre ich da jetzt raus, oder?

Stefan Lammers: Das ist die Herausforderung sicherlich bei so einem Thema, dass es ja eine Frage ist der Bedrohungslage. und habe ich also Zeit sozusagen, mich zu reformieren in der Zwischenzeit oder habe ich diese Zeit nicht? Das haben wir oft genug in Startups gesehen, auch die jetzt beispielsweise komplett selbstverantwortlich gearbeitet haben oder eine bestimmte Kultur besonders in den Vordergrund gestellt haben. Bei den meisten Startups ist es so, dass sie im Laufe ihrer Lebenszeit auch ihre Geschäftsmodelle verändern, weil sie feststellen, das eine funktioniert und das andere funktioniert nicht. Und wenn ich halt daran festhalte und sage, ich habe nur dieses Geschäftsmodell oder ich will nur dieses Geschäftsmodell, dann gibt es eben auch genug Leute, die das dann eben nicht schaffen, am Ende damit erfolgreich zu werden.

Joel Kaczmarek: Was machst du denn, wenn du als Feuerwehrmann gerufen wirst? Was sind deine ersten Schritte, wenn du beobachtest, durchexerziert ohne Kommunikation, Systeme bewegen sich voneinander weg, Vertrauensbruch inhärent, Einblicke fehlen auf beiden Ebenen, wird nicht mehr inhaltlich kommuniziert, sondern sozusagen noch gegeneinander, vielleicht auch machterhaltend. Was ist so das erste Medikament, was du zum Einsatz bringst?

Stefan Lammers: Also das Thema Klarheit und Geschwindigkeit, dass das eben Parameter sind, das ist für viele Leute gar nicht so klar. Dann eben wirklich diese Gespräche miteinander ins Rollen bringen. Vertrauen wieder aufbauen. Und das funktioniert meistens über klare Aussprache der Dinge, was wirklich ansteht. Und das ist erstaunlich, wie oft das nicht in Unternehmen stattfindet.

Joel Kaczmarek: Ich ertappe mich dabei, dass heute alles so ein bisschen profan wirkt. Weißt du, es klingt irgendwie so einfach. Warum gelingt es einem eigentlich immer so selten trotzdem in der Praxis? Weil das, was du beschreibst, kennen glaube ich viele, die zuhören.

Stefan Lammers: Das ist ein Thema, das kennst du bestimmt auch, dieses, dass wir uns sehr viel Gedanken darüber machen und glauben zu wissen, wie andere Leute denken und wie andere ticken und warum sie irgendetwas tun und dass wir nicht mehr echt ins Gespräch kommen. Findet viel in so einer Grauzone statt, die nicht wirklich thematisiert wird. Und so machen wir uns auch nichts vor. in Zeiten, wo es schwierig wird. Trauen sich auch Leute dann oftmals, Dinge nicht zu sagen. Sie wissen nicht, wann der richtige Zeitpunkt ist, etwas zu sagen. Und damit findet immer weniger Kommunikation statt und immer mehr Abstand voneinander statt. Und so wird es dann immer schwieriger, wirklich gute Lösungen zu finden.

Joel Kaczmarek: Ja, weil ich wollte so sagen, das, was du jetzt am Beispiel Agilität exerziert hast, kann man auch auf andere Themen übertragen. Also Remote Work wird eingestellt oder Budgetfreiheiten werden gekappt. Ich glaube, ganz oft ist auch echt so ein Problem darin, dass man irgendwie keine Transparenz herstellt in den Dingen. Also warum solche Dinge passieren? Warum wird es gerade zentralisiert? Warum wird es gekürzt? Warum ist es dringend das? Warum ändern sich vielleicht die Prioritäten gerade?

Stefan Lammers: Genau wie wir es gerade gesagt haben, das sind oftmals ganz persönliche Hinderungsgründe, da offen zu sein und transparent zu sein. Und dazu möchte ich echt aufrufen, offen zu sein in der Kommunikation. Also sich eher mehr zumuten, auch wenn es unangenehm ist, als zu wenig. Weil aus dem, wenn man sich das zumutet, wenn man darüber spricht, können wieder neue Ideen entstehen.

Joel Kaczmarek: Mit Enttabuisierung allein ist es ja wahrscheinlich nicht getan. Was für ein Fenster öffnet sich denn dort, wo man dann quasi vielleicht auch den Blick auf die Tür sieht, durch die man dann hindurchschreiten kann?

Stefan Lammers: Das gibt ja nicht immer eine Tür. Was einfach da ist, wenn man sich jetzt anschaut, wieder die Resilience-Konzepte und Growth-Mindset-Konzepte, dann heißt es ja ganz klar, wenn ich wieder in eine Gelassenheit reinkomme, bin ich flexibler, ich habe mehr Handlungsmöglichkeiten und kann daraus wieder positive Energien schöpfen. Also das heißt, wir wandeln sozusagen negativen Kreislauf, der in der Organisation da ist, können wir in einen positiven Kreislauf wieder wandeln. Das ist nicht ein Automatismus, der sofort passiert, aber das ist eine Möglichkeit in dem Moment. Ich erweitere sozusagen wieder mein Handlungsspektrum, generiere wieder konstruktive Ideen und kann dadurch neue, bessere Entscheidungen wieder treffen. Wenn du andersrum denkst, wenn du dir das mal gerade so physisch vorstellst, du fängst immer weniger an, miteinander zu sprechen, du kriegst nicht mehr mit, was wirklich nur für Möglichkeiten da sind, dann wird dein Handlungsrahmen auf der anderen Seite wieder total klein, weil du bist dann nur in deinen Befürchtungen, in den Szenarien, die dir andere Leute erzählen, aber was du für eigene Kraft hast in der Organisation, wird möglicherweise gar nicht mehr geborgen.

Joel Kaczmarek: Na, ich meine, ist aber auch nicht so ein bisschen Ehrlichkeit erforderlich, dass vielleicht manche Menschen in diesem Setup dann auch für sich vieles nicht mehr finden? Weil es gibt ja so dieses schöne Jim Collins Beispiel in diesem Buch, Der Weg zu den Besten, wo er sagt, also ich glaube, da war das drin, wenn du sozusagen eine Reise machst und definierst es übers Ziel, nämlich, dass wir nach Stockholm fahren und dann fährt der Bus aber nach Kopenhagen, was du gerade gesagt hast, Geschäftsmodelle ändern sich on the way, dann frustriert das viele Leute. Wenn es aber um die Reise an sich geht, also mit was für Menschen bin ich da, wie ist die Art der Reise, dann ist das Ziel relativ egal, dann kann eine Organisation sowas auch ab. Aber jetzt ist es ja so, wenn dann die Krise einsetzt, dann ist ja nicht nur das Ziel variabel, sondern auch der Weg, wie ich dorthin komme, ändert sich. Das heißt, war ich gestern noch eine Growth-Organisation, bin ich heute vielleicht irgendwie eine, die sich anders verhalten muss und die nicht so viel ausprobiert und nicht so innovativ ist und nicht so flache Hierarchien hat etc. pp. Also da verliere ich doch auch Menschen auf dem Weg, zwangsläufig oder nicht.

Stefan Lammers: Das kann durchaus sein, ja. Aber wenn es der Organisation dazu hilft, dass sie überlebt, dass es sie überhaupt noch gibt, ist es die Frage, ob das nicht der bessere Weg ist, als zu sagen, wir fühlen uns alle total wohl und gemeinschaftlich gehen wir zur Beerdigung. Und ich erlebe nicht immer, dass so gedacht wird.

Joel Kaczmarek: Hast du da so eine Methodik, mit der du quasi Diagnose machst? Weißt du, was ich meine? Also wie man den Leuten quasi Werkzeug an die Hand gibt, vielleicht auch zu erkennen, was bei den Leuten gerade wichtig ist, für welche dieses Setting passt, für welche nicht. Also dass man da überhaupt mal in so eine Intro und Spektion kommt oder in so eine Art Betrachtung.

Stefan Lammers: Ja, was wichtig ist, ist glaube ich, dass man eine Ebene findet, wo es eine Zusammenarbeit gibt, dass man da aber auch eine ehrliche Kommunikation miteinander hat und eine offene, transparente Kommunikation darüber hat, wie es dem Unternehmen geht und was auch gerade die Ziele sind, die erreicht werden müssen und ähnliches. Dass man da nicht zwei Parallelwelten innerhalb einer eigenen Organisation hat. Das fällt vielen Firmen, die gerade so von der alten Kultur herkommen, dann eine neue Kultur einführen, schwer. Das ist ja eine Art von Dogmatismus, wenn es dann noch auf den Dogmatismus von der anderen Seite fällt. Das ist eben, wo ich sage, das ist dann gefährlich, wo die beiden sich voneinander entfernen und es dann keine Verbindungslinien mehr miteinander gibt. Und ich denke immer in diesem, wir müssen Verbindungslinien schaffen, wir müssen Brücken bauen, dass dieses Verständnis voneinander da ist, damit sich das Unternehmen insgesamt weiterentwickeln kann. Das ist eigentlich der Kern.

Joel Kaczmarek: Ja, vor allem, ich meine, wenn man darüber nachdenkt, man stampft ja in der Regel auch ganz viele Werte unnötigerweise ein. Also was habe ich für Unternehmen gesehen, die teilweise über 100 Leute eingestellt haben für Digital-Units und dann alles wieder zurückdrehen und alle Errungenschaften aus vier, fünf Jahren vernichten, ja?

Stefan Lammers: Absolut. Ganz viele digitale Einheiten in Konzernen, die teilweise dann ist versucht worden auszugründen, indem man die selbstständig macht. Manche haben dann als ausgegründetes Unternehmen Eigenleben entwickelt und haben dann in irgendeiner Form weitergearbeitet. Viele sind versucht worden, wieder rückzuintegrieren. Also da gibt es ja ganz viele Verluste in der Vergangenheit. Das hätte anders laufen können und es kann anders laufen.

Joel Kaczmarek: Klingt ja, wenn wir jetzt mal ein bisschen wieder bildlich sprechen, was wir heute gefühlt auch sehr viel tun, ein bisschen wie so eine Paarkrise, Beziehungskrise und eigentlich braucht man ja dafür in der Regel ein paar Therapeuten, weil in der Regel kriegt man das ja alleine gar nicht hin. Also ist das sozusagen so eine logische Konsequenz, dass ich da eigentlich Begleitung brauche, um das aufzuschließen. oder wie viele kriegen das aus natürlichem Habitus hin?

Stefan Lammers: Ich habe ja keine Forschung an dieser Ecke gemacht, an Mengen mäßig, dass das sagen könnte, wie viele kriegen das hin. Aber generell ist es schon eine ganz gute Metapher. Du kriegst in der Regel an der Ebene über eine neutrale Stelle immer mehr Ergebnisse hin. Warum ist das so? Das ist ähnlich wie bei einer Führungskraft, die eine konfliktäre Situation mit seinem Team hat. Wenn die Führungskraft einen Führungsworkshop initiiert und sie ist gleichzeitig der Moderator und gleichzeitig auch noch die Führungskraft, ist das halt wahnsinnig schwer, in so einer Doppelfunktion gleichzeitig da unterwegs zu sein. Und das ist eben eine Rolle, die oftmals von Beratern ausgefüllt wird, dahin zu gehen und zu sagen, okay, wir sind hier so ein Stück weit neutrale Instanz und manchmal auch Stresscontainer. Und das ist dann besser bei uns Beratern angelegt, als wenn sie das untereinander ausmachen und sich gegenseitig mit Stress beladen. Wenn das dann am Ende dazu führt, dass die sich verstehen und dass die dadurch wieder eine Lösung finden, ist das ja wunderbar.

Joel Kaczmarek: Na gut, lieber Stefan, danke ganz herzlich für den Einblick aus der Praxis, auch wenn ich sie mir etwas rosiger wünschen würde. Aber wer weiß, vielleicht ist es ja auch nicht bei allen so.

Stefan Lammers: Die ist ja nicht der Regelfall, über den ich gerade rede. Insofern ist das einfach mal gerade Einblick aus der Praxis, den ich feststelle, gerade eben in Zeiten, wo Stress auf ein Unternehmen kommt, also ein Unternehmen sich in einer Krise befindet. Und das sind ja längst nicht alle Unternehmen.

Joel Kaczmarek: Na siehste. Cool, dann danke dir ganz herzlich für heute und ich freue mich schon aufs nächste Mal. Mach's gut.

Stefan Lammers: Alles klar, danke, bis dann.

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