Wie funktioniert erfolgreiche Führungskräfteentwicklung?

12. September 2024, mit Joel KaczmarekStefan Lammers

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute habe ich wieder Stefan Lammers am Start, den Führungskräftecoach schlechthin. Und ihr wisst ja, wenn Stefan und ich zusammen parlieren, dann geht es um High Performance Leadership. Und heute haben wir uns ein Thema ausgesucht. Es ist total gaga, wie viele Folgen wir schon aufgenommen haben und darüber noch nicht geredet haben, so dezidiert. Nämlich, wir wollen darüber sprechen, wie funktioniert eigentlich Führungskräfteentwicklung? Also klar, wenn wir über High Performance Leadership reden, dann haben wir eigentlich ganz viele Folgen schon. Führungskräfteentwicklung beinhaltet auf die eine oder andere Art. Aber sich das mal dezidiert anzugucken, wie funktioniert das, wann mache ich das, welche Werkzeuge gibt es, worauf kommt es eigentlich an, Theorie versus Praxis und und und, das war mal lange überfällig. Von daher freue ich mich sehr, dass wir das heute machen. und that being said, lieber Stefan, moin moin. Moin moin.

Stefan Lammers: Ja, ich finde auch, das fasst vielleicht auch das eine oder andere nochmal zusammen, was wir schon besprochen haben.

Joel Kaczmarek: Ich glaube, du bist ja vor allem auch selber jemand, der seine eigene Medizin schluckt. Also ich will gar nicht wissen, wie viele Entwicklungsprogramme du selber schon für dich durchgemacht hast. Wahrscheinlich jedes Jahr zu festen Zeiten, oder?

Stefan Lammers: Ehrlich gesagt in den letzten drei Jahren nicht mehr ganz so viel. Und tatsächlich hatte ich bis zu dieser Zeit mindestens eine Ausbildung im Jahr, wobei manche Ausbildungen auch länger als ein Jahr dauern, aber irgendwo etwas zu tun auf jeden Fall. Und es wird jetzt wieder Zeit. Also ich bin jetzt gerade mal wieder kräftig auf der Suche, was mich inspiriert. Und vor allen Dingen, was ich ja immer wichtig finde, ist, ganz unterschiedliche Ansätze zu erleben, ganz unterschiedliche Themen zu erleben, weil das macht am Ende das Besondere aus, dass man auch in den Konflikt geht über ganz unterschiedliche Ansichten.

Joel Kaczmarek: Ich erinnere mich auf jeden Fall noch, das Bild bleibt ja haften, wo du meintest, stell dir doch mal einen Fußballverein vor, sagen wir jetzt mal der Sympathie halber St. Pauli. und dann würden jetzt die Kicker von St. Pauli zum Trainer gehen und würden sagen, Trainer, was soll das hier, wie Training unter der Woche, wir machen doch Training on the job, wir lernen das doch während wir spielen am Samstag, können wir doch lassen, komm wir gehen ein Bierchen trinken. Und genauso läuft es aber ja irgendwie oft in der Geschäftswelt, dass die Leute irgendwie sagen, ja nee, ich brauche hier keine Entwicklungsprogramme, ich brauche keine Weiterbildung, ich muss mir ja nichts tun. Das mache ich ja quasi on the job, während ich Dinge lerne. Ist das immer noch so ein Phänomen, was viel um sich greift? Weil ich habe das Gefühl, es hat sich eigentlich sehr stark gedreht. Oder irre ich mich?

Stefan Lammers: Du irrst dich. Was vielleicht schon gedreht hat und was auch gut ist, ist, dass viele Fortbildungen ja heute online laufen. Und dass ich mir also auch selbst aus dieser Masse was rausgreifen kann, wie beispielsweise unseren Podcast hier oder deine Podcast hier, die du an anderer Stelle noch machst. Und das ist ja schon mal mega. Warum? Weil ja die große Hürde, die ist, dass Unternehmen Leute befördern wollen in irgendeiner Form. Und dann ist es für jemanden ja auch relativ schwierig zu sagen, ich brauche da noch irgendwelche Schulungen, damit ich auch die nächsten Level schaffe. Und insofern ist das eine unangenehme Sache manchmal für die Leute, da in Führung reinzugehen. Leider Gottes und unverständlicherweise, aber es ist so. Und insofern ist das ganz gut, dass es das gibt. Allerdings stelle ich auch gleichzeitig immer wieder das Phänomen fest, sich etwas anlesen oder einen Podcast hören oder ein Video gucken oder sonst irgendetwas, dass man dann eine Menge Wissen aufnehmen kann, aber deswegen kann ich es ja noch nicht. Also wenn ich mir ein Video zum Bau einer Rakete angeguckt habe, kann ich deswegen nicht eine Rakete bauen, bin ich kein Raketenwissenschaftler oder was auch immer. Also es geht schon darum, diese Sachen auch irgendwie in die Umsetzung zu bringen und ins tägliche Leben zu transformieren.

Joel Kaczmarek: Vielleicht fangen wir auch mal mit einer kleinen Definition an. Was bedeutet denn eigentlich für dich Führungskräfteentwicklung? Also kann das, was du gerade beschrieben hast, ich kaufe mir irgendwie ein spannendes Managementbuch oder ich höre einen Podcast, ist das Führungskräfteentwicklung? Oder heißt das für dich, weil so klang es gerade raus, als du gesagt hast, es wird für dich mal wieder Zeit, ist das wirklich eher so etwas, dass es ein dezidierter Kurs ist mit irgendwie einem Anfang und einem Ende, mit Übung, mit Vertiefung, mit Praxisanwendung? Also ist Führungskräfteentwicklung eigentlich so ein bisschen alles, was mit Wissensaufnahme zu tun hat. oder ist das sozusagen nochmal klarer abgesteckt?

Stefan Lammers: Ja, würde ich auf zwei Ebenen antworten wollen. Die erste Ebene ist, natürlich sind wir Menschen alle unterschiedlich und wir verarbeiten Dinge auch unterschiedlich. Ich bin beispielsweise eben, abgesehen davon, dass ich Learning Junkie bin und alles aufnehme, was irgendwo geht, bin ich ein Erfahrungslerner. Also ich bin eher jemand, der ins Tun kommen muss, der ausprobieren muss, damit das hinterher auch funktioniert. Es gibt auch Menschen, die sich Dinge anlesen können und die dann umsetzen können. Das zweite ist, wie lernt man eigentlich? Ich glaube, da gibt es ganz viele Parameter und das fängt schon an ja im Elternhaus. Also was kriege ich eigentlich vorgelebt? Gerade wenn wir über Karriere sprechen, ist das ja ein ganz wichtiges Thema. In welchem Umstand bin ich denn groß geworden? Also gibt es da bei mir in der Familie jemanden, den ich beispielsweise als Role Model in irgendeiner Weise habe, der also schon in einer leitenden Position war, in einem Verein eine wichtige Funktion oder ähnliches übernommen hat? Wie ist das Bildungsniveau in meiner Familie? Wie ist das Umgangsniveau in der Familie? Und das hat ganz, ganz großen Einfluss auch heute noch auf Karrieren. Und wenn ich das jetzt beispielsweise von zu Hause nicht mitbekommen habe, ist eben die Frage, wo hole ich mir das? Also wo hole ich mir auch möglicherweise später nochmal diese Beobachtungen, wie sich Menschen in dieser Community verhalten und ähnliches. Also fängt zu Hause an. Dann fängt es natürlich tatsächlich als zweites in der Community an. Mit wem umgebe ich mich? Was sind das für Menschen? Sind das Vorbilder? Sind das Leute, die mindestens auf meiner Ebene, wenn ich drüber bin, wo ich mir dann auch was abschauen kann? Dann gibt es das Lernen natürlich inhaltlich, begonnen mit Schule, Studium, aber auch später Fortbildungen, die da sind. Dann ergänzend das Thema Podcasts, Ausbildungen, Fortbildungen, die angeboten werden. Also es gibt ganz viele unterschiedliche Ebenen, wo ich lerne und nicht zu guter Letzt vor allen Dingen auch aus meinen Niederlagen, aus den Dingen, die nicht funktioniert haben, die ich nicht hingekriegt habe, wo ich mir was vorgenommen habe und wie ich damit umgegangen bin. Wie habe ich daraus eine Resilienz entwickelt, um mit schwierigen Situationen umzugehen. Das heißt also, diese Bandbreite von wo findet Entwicklung statt, ist ganz groß. Und auf der anderen Ebene gibt es aber auch dann eben ganz klar diese sogenannten Führungskräfteentwicklungsprogramme. Bei diesen Führungskräftenentwicklungsprogrammen geht es darum zu markieren. mein Handwerkszeug zu vermitteln, was erprobt ist und wo jeder für sich Dinge rausnehmen kann und die auch selber ausprobieren kann. Es geht aber auch zum anderen darum, wenn ich jetzt zum Beispiel zum Sprung zu der nächsten Führungsebene bin, ein Gefühl dafür zu geben. Ich habe das ja selber noch nicht erlebt. Ich war da ja noch nicht drin. Wie sieht das denn auf der anderen Ebene aus? Was wird da von mir erwartet? Und das kann ich vielleicht zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht antizipieren. Aber ich kann jetzt schon was dafür tun, um für so eine Ebene gut vorbereitet zu sein, um so eine Aufgabe zu übernehmen und dort nicht zu scheitern.

Joel Kaczmarek: Ich denke gerade so darüber nach, ich habe einen Bekannten, der ist Topmanager und da habe ich ihm irgendwann eine Frage gestellt und der meinte, ach was, das ist kein Problem für mich, ich meine in meiner Ausbildung sind Zehntausende von Euro reingeflossen, was ich irgendwie eine ganz lustige Aussage fand. Und das zweite Bild, was ich so im Kopf habe, ist, als ich in der Uni war und Rhetorikunterricht hatte, hatten wir so einen Rhetorikprofessor und dann hatte der so seine rechte Hand, so seinen Tutor, wie ein Student, der schon ein bisschen weiter fortgeschritten war und dann durfte der auch mal eine Vorlesung halten. Und dann stand der so vorne, ich habe irgendeine Frage gestellt und dann kam der so auf mich zu und es war unerträglich, weil du natürlich die ganzen Methoden, die du beigebracht bekommen hast, bei ihm sehen konntest. Ich habe dann immer gesagt, das ist so ein Retorten-Rhetoriker, weil es alles so gekünstelt wirkt. Und die Herleitung, die ich bauen möchte, ist, dass ich mich manchmal auch frage, bei so Führungskräfteentwicklung, ist das auch so ein Stück weit so eine Gleichschaltung, dass die Leute dann alle so ein bisschen trainiert werden und nicht mehr so in ihrem Instinkt sind? Weißt du, was ich meine?

Stefan Lammers: Da würde ich jetzt zwei Dinge unterscheiden. Also es gibt ja einmal Führungskräfteentwicklung, wo du Leute aus den unterschiedlichen Unternehmen drin hast, wo du, sag ich jetzt mal inhaltlich, ja das gleiche Programm vermittelt bekommst. Aber für mich ist Führungskräfteentwicklung am Ende nicht, dass alle absolut das hundertprozentig gleiche Verständnis haben und damit umgehen können. Sondern du gehst ja auch mit deiner eigenen Persönlichkeit da dran. Das heißt also auch, du musst dir wieder gucken, was passt da für mich, was passt gar nicht, wie muss ich es vielleicht machen, damit es für mich passend ist. Und diesen Diskurs darüber, dieses auch ausprobieren, das Scheitern auch in so einer Entwicklung ist ein ganz wichtiger Punkt, glaube ich, des Lernens. Und die andere Geschichte ist die, wenn du jetzt eine Führungskräfteentwicklung intern machst. Hat das schon aus meiner Sicht auch einen Vorteil, weil wenn die Führungskräfte mehr oder weniger alle bei der gleichen Ausbildung gewesen sind, dann haben die auch die gleichen Grundlagen, auf denen die arbeiten. Das heißt, das erhöht das Verständnis. Du entwickelst quasi eine gleiche Sprache. Du verstehst auf einmal, wenn einer etwas über ein Modell sagt, dann sagt der, ach, das meinst du damit. Wenn die jetzt alle in unterschiedlichen Führungskräfteentwicklungen waren, sagt der eine etwas und der andere versteht das gar nicht oder hat eine ganz andere Theorie, die da passend ist. Ich finde gerade in der heutigen Zeit ist Klarheit und einen Rahmen zu geben, Direction zu geben, Richtung zu geben, einfach eine der Kernaufgaben von Führungskräften in unserer unsortierten Welt.

Joel Kaczmarek: Was ist so deine Sicht eigentlich auf so eine gewisse Beratungsresistenz oder Uneinsichtigkeit? Also es gibt ja gerne auch mal Führungskräfte, die sagen, ich bin doch schon oben, wozu brauche ich das? Ich weiß schon alles. Es gibt andere Führungskräfte, die sagen, ich stehe kurz vor einer Beförderung. Wenn ich jetzt hier suggeriere, ich bin noch nicht so weit, ich brauche noch Entwicklung, dann könnte es sein, dass mir das sozusagen abhanden kommt, dass mir diese Beförderung entgeht. Also mal sind es vielleicht Ängste, mal ist es vielleicht auch so ein bisschen Abgehobenheit. Was ist so dein Blick darauf, wie man mit sowas umgeht?

Stefan Lammers: Gibt es beides. Es gibt auf der einen Seite diese Angst, dass man angesehen wird, dass man Dinge nicht kann und dass man deswegen da hingehen muss. Und ich hoffe, dass er überkommt sich noch immer stärker, als wir das jetzt schon haben. Das war früher einfach viel, viel dramatischer. Da wurden ja auch Leute wirklich abqualifiziert dafür. Heute geht das in eine andere Richtung, dass das diskutiert wird, wenn Menschen sich fortbilden wollen, wenn sie weiterkommen wollen. Die Frage ist oftmals da ein Zeitfaktor, wenn wir jetzt auf C-Level beispielsweise reden. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Programme, die eben auch wirklich die Leute da abholen, wo es darum geht, ihnen das Werkzeug zu geben, was sie da auch nochmal brauchen. Gerade was auf C-Level total interessant ist, ist nochmal das Thema Kommunikation und ist eben auch das Thema Direction, weil sie in der Regel ja nicht mehr die Führung im Unternehmen übernehmen, sondern die nächste Ebene. Und auf der anderen Seite gibt es natürlich die Leute, die sagen, ich brauche das nicht, weil ich schon ganz oben bin, wie du schon sagtest. Da ist es oftmals so, dass ja gerade vielleicht da was gebraucht wird in diesem Moment. Und das ist etwas, wo wir auch gerne in den Infight gehen an dieser Stelle. Und deswegen ist es, glaube ich, auch wichtig, dass man Erfahrung selber auf diesem Niveau hat und auch selber. weiß, dass einem das manchmal auch so gehen kann. Und da ist es wichtig, denjenigen abzuholen und ihm die Potenziale nochmal deutlich zu machen, die da drin stecken. Und dass er eben auch vielleicht diesen Schutzmantel, den er in dem Moment hat, gar nicht braucht, sondern dass das hier für alle eine ganz wichtige Geschichte ist, immer wieder dazuzulernen. Und du kannst mir sagen, egal wo du bist, du lernst immer etwas dazu. Und da muss man mit umgehen können und da muss man es auch mal aushalten können als Mensch, dass da einer mit einem in den Infight geht und da vielleicht mal bockt oder sonst was. Jeder von uns bockt, ich bocke auch manchmal, du bockst manchmal und das gehört im Leben dazu. Da muss man dann manchmal wieder zum Baum der Erkenntnis geführt werden.

Joel Kaczmarek: Gibt es so den richtigen Zeitpunkt für Führungskräfteentwicklung und wie oft soll man das machen? Oder in welcher Repetition oder auch in welcher Länge, finde ich, sind so ganz naheliegende Fragen.

Stefan Lammers: Ich bin ja immer ein ganz großer Freund davon, dass ich sage, da sollte man mit der grünen Welle surfen. Nicht zu lange abreißen lassen, dann ist das immer wieder so ganz schwer, braucht man ganz viel Energie, um wieder loszulegen, dann ist man da so weit von weg. Wenn man sich regelmäßig was vornimmt, im Jahr irgendetwas zu machen, ist das, glaube ich, einfach gut, immer wieder mal inspiriert zu werden und nicht einzurosten und nur einfach in alten Verhaltensweisen stecken zu bleiben. Gibt es eine bestimmte Frequenz? Nein, die muss jeder für sich finden. Gibt es einen bestimmten Anlass? Ja, beispielsweise, wenn ich weiterkommen will, wenn ich auf die nächsten Ebenen kommen will und mir Gedanken mache, wie funktioniert die nächste Ebene, was ist da wichtig? Dafür ist es wichtig, beispielsweise mit Leuten aus der Community zu sprechen, die auf der Ebene schon sind. und da auch raus zu destillieren, was sind meine Entwicklungsfelder, die ich noch nicht so gut kann, um dann eben da auch zielgerichtet sich weiterzubilden. Und das ist eben ganz, ganz unterschiedlich. Bei manchen ist es, dass man eben gerade so in diesem ganzen Thema Strategie nicht so stark ist. Bei anderen ist es, dass es das Thema Kommunikation ist. Den Sprung auf C-Level beispielsweise durchdenken ja die Sachen, die sich am meisten ändern. Die Richtung der Kommunikation und die Richtung, wie ich Strategie denken muss, das sind so Dinge, die einfach nicht gewohnt ist, weil sich das nicht so stark verändert, wenn man normalerweise von einer Ecke auf die andere innerhalb einer Organisation aufsteigt.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, jetzt hast du ja ganz am Anfang, glaube ich, selbst gesagt, dass es ja schön ist, wenn ich Wissen tanke, aber es geht vor allem auch ums Umsetzen. Wie gelingt es denn bei richtig guter, erfolgreicher Führungskräfteentwicklung, dass man den Leuten nicht nur Wissen in den Kopf reinlektoriert, sondern dass die auch in die Lage versetzt werden, das auch wirklich anzuwenden?

Stefan Lammers: Weil sie tatsächlich auf die Bühne müssen, sage ich immer so schön. Also das heißt, dass man sie wirklich aus der Komfortzone rausholt und machen lässt. Eine gute Führungskräfteentwicklung ist für mich kein Frontalvortrag oder ähnliches, sondern das ist halt Arbeit mit den Menschen, Aktion und Reaktion darauf und neu probieren, das zu überprüfen, wie das funktioniert hat, entscheiden, was man anders machen will und dann das nächste Mal probieren. Das geht beispielsweise über Fallbeispiele, mit denen wir arbeiten. Das geht beispielsweise über das Thema, dass wir interaktive Übungen machen. Das geht beispielsweise darum, dass die Aufgaben über so ein ganzes Entwicklungsprogramm bekommen, die sie zum Schluss vom Vorstand präsentieren müssen. Also ganz unterschiedliche Themen, die man da einbaut, wo man dann erlebt, was ist da in der Zwischenzeit passiert. Das gibt kollegiale Fallberatungsgruppen, wo man dann einfach sieht, wie sich das Ganze entwickelt und wo die Leute ihre eigenen Themen und Erfahrungen zum Thema machen.

Joel Kaczmarek: Ich finde, immer wenn man so über Führungskräfteentwicklung spricht, fühlt es sich immer an wie Wissen aufladen. Aber ich finde, wenn man Menschen führt, geht es ganz oft gar nicht nur ums Denken, sondern auch ums Fühlen. Wie viel ist denn in so Führungskräfteentwicklung auch dem Fühlen, dem Spüren von Menschen, von Situationen gewidmet?

Stefan Lammers: Wenn du dir Führungskräfteentwicklung anguckst, findet die ja immer auf ganz unterschiedlichen Ebenen statt. Einmal eine Organisationsführung, also was ist für die Organisation von Bedeutung? Du hast eine Teamführung, das ist dann die ganze Gruppe. Du hast eine Mitarbeiterführung, das ist der einzelne Mitarbeiter innerhalb der Gruppe. Und du hast einen ganz wichtigen Aspekt, das ist die Selbstführung. Und das ist natürlich dieser Punkt, wie gehe ich selber mit den Dingen um? Und da gibt es bei uns beispielsweise, arbeiten wir da gerne mit Mitteln wie 360 Grad Feedback, mit Persönlichkeitsdiagnostik und Ähnlichem, um das besprechbar zu machen und darüber auch zu reden, was sind denn da für Themen, die mich ausmachen als Person und was kann ich daraus lernen und wie kann ich beispielsweise eben mit schwierigen Situationen umgehen und mich selbst gut führen in diesen Situationen. Und uns treiben immer wieder Sachen um, auch persönlich, die können da zum Thema gemacht werden oder es kann darüber gesprochen werden, wo mache ich die dann zum Thema.

Joel Kaczmarek: Apropos Diagnostik, man kennt das ja, diese ganzen Modelle, die es da gibt. Discmodell, Myers-Briggs, bist du der rote, der blaue, der grüne Typ? Wie wichtig ist sowas denn für solch einen Prozess, dass man quasi eine Anamnese macht, welcher Mensch eigentlich wie tickt und was so die Charaktermerkmale sind? Oder hast du vielleicht sogar auch die Erfahrung, dass das zwar so schnöde Theorie ist, dass die Praxis ja aber viel vielschichtiger ist? Also wie weit bringt einen sowas und wie wichtig ist es im Prozess? Das ist so die kurze Frage, auf die ich eigentlich hinaus will.

Stefan Lammers: Also alle, die du gerade aufgezählt hast, bringen aus meiner Erfahrung nichts, weil die in der Regel einfach dafür sorgen, dass du weiter Schubladen aufmachst. Wir Menschen sind halt nicht in vier Kategorien zu fassen. Wir arbeiten, wenn wir mit Persönlichkeitsdiagnostik arbeiten, Big Five Modellen. Das sind die Grundsatzmodelle, mit denen man heute State of the Art arbeitet. Das ist halt gute Grundlage, um miteinander ins Gespräch zu gehen. Weil Veränderung braucht immer Energie, also brauchst du auch eine Rückkopplung. Also wir haben aktuell beispielsweise starten wir demnächst eine große Führungskräfteentwicklung unter dem C-Level. Da starten wir mit einem 360 Grad. Warum machen wir das 360 Grad am Anfang? Weil wir gerne Feedback zur Eigeneinschätzung, Fremdeinschätzung von anderen haben wollen, Mitarbeitenden, Vorgesetzten, Kollegen, was auch immer, Kunden, Lieferanten eben da auch zu gucken. Was wird mir denn zurückgemeldet? Was ist dann meine eigene Einschätzung? und was ist das, was mir zurückgemeldet wird? Daraus ergibt sich ja in der Regel ein Gap in irgendeiner Form und das ist dann auch wieder spannend eben zu sagen, okay, was brauche ich denn, um das Gap zu schließen? Und dann unterhalten wir uns nicht nur so auf dem Laborniveau, sondern wir unterhalten uns ja auf echtem Feedback, was ich von anderen Leuten bekommen habe.

Joel Kaczmarek: Was ist denn dieses Big Five Modell? Also wie darf ich mir das vorstellen, dass das so funktioniert? Ich weiß, jetzt wirst du sagen, Joel, da könnte ich eine Dreierfolge Podcast alleine zu machen, aber mal so als groben Wrap-Up.

Stefan Lammers: Ein wissenschaftliches Modell, das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeitspsychologie. Das bezeichnet fünf verschiedene Ebenen, also einmal das Thema Offenheit für Erfahrung, Aufgeschlossenheit, das Thema Gewissenhaftigkeit Richtung Perfektionismus, Extra-Effektivität. Version, Geselligkeit, Extravertiertheit, Verträglichkeit, Rücksichtsnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie. und das fünfte ist Neurotizismus. Mein Lieblingswort Neurotizismus, das ist emotionale Labilität und Verletzlichkeit. Und da siehst du schon, bei diesen fünf verschiedenen Ebenen geht es eben auch nicht nur um faktische Themen, sondern da geht es eben wirklich um die, also faktische Themen schon, aber nicht faktische Themen, in dem Moment bin ich enttäuscht. Gut ausgebildet in dieser Ecke oder was auch immer, sondern es geht wirklich um die Persönlichkeit. Verschiedene Ebenen werden halt unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet und es gibt dort Textfeedback, nicht irgendwelche Schaubildchen in dem klassischen Sinne. Und aus diesem Textfeedback kannst du halt für dich ableiten. Wo du besondere Stärken und Risiken hast und was das für dich heißt. Da gibt es verschiedene Richtungen, in die du gehen kannst. Das heißt also, du kannst in einem Bereich besonders stark ausgeprägt sein. Du kannst in einem Bereich schwächer ausgeprägt sein. Und was heißt das dann für dich? Und wie kannst du das denn möglicherweise ausgleichen? Oder wie kannst du das in einem Team ausgleichen? Das ist wichtig für die Selbstführung am ersten Mal. Also wie betrachte ich mich selber in diesem Moment? Und dann hat das natürlich auch wieder Konsequenzen auf Mitarbeiterführung und Teamführung. Weil beispielsweise, wenn ich bei mir feststelle, dass ich in einer bestimmten Art und Weise, ich nehme mal jetzt ein Thema einfach raus, ich weiß, dass ich ein total perfektionistischer Typ bin. Und zwar so perfektionistisch, dass er schon unproduktiv wird, weil dadurch möglicherweise Geschwindigkeit fehlt, weil alles immer extrem genau gemacht werden muss und so weiter. Wen kann ich in meinem Team installieren, der auch von mir die Anerkennung hat, dass er ein Gegenspieler zu mir sein kann, dass er dafür sorgen kann, dass die Geschwindigkeit aufrechterhalten wird. Also wenn ich über meine eigenen Schwächen Bescheid weiß, dann kann ich die halt ausgleichen und dann kann ich in meinem Team auch darauf eingehen. Achten, dass das aufgewogen ist, sonst ist die Gefahr, dass ich eine zu hohe Dominanz in diesem Team, in diesem Bereich ausübe und meinem ganzen Team sage, nur Perfektionismus gilt. Und dann ist das Team vielleicht super von der Qualität, aber leider kommt das qualitative Ergebnis eben immer viel zu spät. Und vielleicht hätten 90 Prozent auch gereicht und vielleicht wären sogar unsere 90 Prozent, die wir sagen, 100 Prozent bei allen anderen.

Joel Kaczmarek: Ich habe gerade so ein Bild vor mir, ich habe vor nicht allzu langer Zeit eine Folge Monk gesehen, wo der dann in so einem Politbüro arbeitet und soll Flyer falten und er ist dann so der eine, wenn die nicht genau auf Maß sind, dann schmeißt er die immer wieder weg und alle anderen haben schon so einen Stapel und er so, verstehe ich, verstehe ich, also sowohl das mit dem Perfektionisten als auch so vom Setup her, wie du es sagst, weil ich glaube Viele CEOs freuen sich glaube ich immer, wenn die so Myers-Briggs-Style irgendwie so ein kleines Pamphlet über ihre Mitarbeiter in die Hand kriegen und können hinterher so nach dem Motto, ich kriege die Kartografierung, wie der Mensch tickt und dann weiß ich, was ich mit dem machen muss. Und ich glaube, diese Vielschichtigkeit, die du beschrieben hast und auch das in der echten Interaktion zu sehen, ist da schon ganz wichtig, ja. Und jetzt sag mal, wenn ich Führungskräfteentwicklung irgendwie in der Gegenwart mache, was sind denn eigentlich so die Ebenen, also welche Skills sind denn eigentlich wichtig, die da trainiert und geschult werden? Was braucht es denn, wenn ich so up to date und dem, also gerade auch in der Gegenwart, die sage ich mal von viel Veränderung geprägt ist, überhaupt gerecht werden möchte?

Stefan Lammers: Also was wir erstmal gerade generell merken ist, dass das Thema Führungskräfteentwicklung nochmal eine andere Bedeutung bekommt, also gerade größere Programme, weil da einfach mehr Nachfragen auch bekommen, weil das Thema der Menschen einfach nochmal eine größere Rolle spielt. Und es verändert sich ja eben gerade auch ein Stück weit eben wieder von dieser Personen-zur-Company-Fokussierung. Aber wie nehme ich da die Menschen mit und wie gehe ich auch mit herausfordernden und schwierigen Situationen um? Das ist eben wichtig, dass Führungskräfte das können, nicht so schön Wetterkapitäne sind, sondern eben auch in schwierigen Fahrwasser Produktives auf die Reihe kriegen, die Firma nach vorne bringen und mutig sind, Entscheidungen zu treffen. Und dazu gehört natürlich ganz stark das ganze Umfeld der Kommunikation. Also klar zu haben, wie gut funktioniert gut Kommunikation, weil Kommunikation ist der Schlüssel, um Menschen zu motivieren und dahinter zu bekommen. Aber dazu muss ich auch verstehen, was braucht denn ein gutes Team beispielsweise? Was sind die Grundlagen, wie Teams funktionieren? Was sind auch Grundlagen, wie ich das schaffe, Menschen und Organisationen in Bewegung zu setzen? Was ist meine Aufgabe in den verschiedenen Phasen? Beispielsweise, wenn wir gerade Transformation oder Change oder Ähnliches haben. Was sind meine Aufgaben? Was ist meine Bedeutung? Also sind sich viele gar nicht darüber bewusst, wie sehr ihr Handeln, ihr Auftreten eine Wirkung hat auf alle anderen. Auch wenn ich im Off bin beispielsweise. Das sind so Sachen, über die wir sprechen. Genauso wie Strategie, Transformation, wie geht man sowas an, ist in der heutigen Zeit extrem wichtig. Innovation, wie können wir innovative Geschäftsmodelle entwickeln, Strategien entwickeln und ähnliches. Das sind so die Kernbausteine, die du als gute Führungskraft halt drauf haben musst.

Joel Kaczmarek: Ist das wie so eine Art Curriculum, was alle dann durchgehen? Also hast du so eine Art Standardablauf oder ist das eigentlich etwas sehr stark Individualisiertes, was ich jetzt eher vermuten würde? Ja, wir individualisieren.

Stefan Lammers: Also wir individualisieren und klar, es gibt dann Sachen, wo der eine vielleicht schon so stark ist, dass er dann sich ein bisschen zurückerhält. Aber wir haben das noch nie erlebt, dass einer hinterher sagt, ich habe nichts gelernt. Egal, ob das ein Thema ist, wo er schon gut ist. Es gibt immer nochmal Sichtweisen, auch in der Interaktion, die passiert. Wenn man da mit mehreren Leuten, mit mehreren Backgrounds zusammen ist, passiert immer was Tolles.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, glaubst du, ich habe die Tage einen Podcast geführt mit jemandem, der sehr technisch bewandert auch war und dann haben wir über das Thema KI gesprochen und so die Meta-Entwicklung. und dann sagte er zu mir, naja, alle großen Beratungen haben es ja durchanalysiert, haben große Umfragen, haben große Studien gemacht und wir werden an den Punkt kommen, dass 30 Prozent der Jobs durch KI ersetzt werden, wenn wir sogar Roboter noch auf ein höheres Niveau kriegen, so Richtung 50. Was macht man mit einer Organisation, wenn man an so einen Punkt kommt, ist dann natürlich die Frage und wie fängst du sowas auf, sozial etc. pp. Und die Frage, auf die ich noch hinaus möchte, ist, glaubst du, wenn wir auf so eine Zukunft zusteuern, dass auch so eine Mensch-Technologie-Interaktion vielleicht nochmal wesentlich essentieller wird und Teams auch richtig darauf basierend umgebaut werden? Also nimmt dann die Relevanz von Führungskräfteentwicklung eher zu oder ab oder bleibt sie unverändert? Was macht das mit so einem

Stefan Lammers: Also als allererstes würde ich sagen, Entwicklung von Fähigkeiten, von Skills ist für alle extrem wichtig in der Zukunft. Die Leute, die sich Gedanken darüber machen und lernen, wie sie unternehmensförderlich mit KI umgehen können, die haben alle gute Chancen für die Zukunft. Und das ist aber glaube ich wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wenn ganz neue Arbeitsplätze entstehen, die wir vorher noch gar nicht gehabt haben. Als so das Thema KI aufkam vor ein paar Jahren, habe ich gedacht, ach, es wird demnächst viel weniger Anwälte geben, weil die müssen nicht mehr sich so durch das ganze Gesetzeswerk erarbeiten und so weiter. Das macht die KI heute viel, viel einfacher, weil die einfach viel, viel mehr Menge an Daten auswerten kann in viel, viel kürzerer Zeit als die Researcher und so weiter. Die Anwälte werden in den nächsten Jahren so brutal viele Aufträge kriegen, die mit KI in Verbindung stehen. Das ist irre. Das wissen die meisten Firmen noch gar nicht, was da auf sie zukommt. Vom Thema Arbeitsrecht über das Thema Datenschutz, Betriebsverfassung und weiß der Geier was. Also da wird es noch richtig zur Sache gehen. Ein Riesenmarkt. Gleichzeitig werden aber tatsächlich vermutlich weniger Researcher da sein. Also gebe ich mich da zufrieden, dass ich Researcher werden will oder versuche ich Anwalt zu werden, in Anführungsstrichen. Also das ist das, wo ich in Zukunft hin will. Ich glaube, das ist etwas, was sich verändert. Und da ist natürlich auch wichtig, da wir nicht unendlich an Kapazität haben, zu gucken, auch welchen Mitarbeitenden kann man denn weiterentwickeln in den Unternehmen. Auf der anderen Seite sind diese Umbrüche natürlich rasant und sind auch gravierend. Und aus meiner Sicht wird es auch dazu führen, dass es zu Abbau kommt, weil Menschen da sein werden, die diese Sprünge nicht mitmachen können und sich überlegen müssen, an welcher Ecke ist denn dann für mich der relevante Platz in Unternehmen. Und da werden wir aus meiner Sicht alleine aus Wettbewerbsfähigkeitsgründen international auch erheblich unter Druck kommen, dass wir in Unternehmen diese Transformation mitgehen können und diese Geschwindigkeit auch mitgehen können. Und das werden vermutlich auch heiße Kämpfe werden. Wenn ich jetzt als Unternehmenslenker unterwegs bin, kann ich ja nicht einfach ausblenden, dass es eine Situation gibt für einen bestimmten Anteil in meinem Unternehmen, wo es vielleicht keine Perspektive gibt. Und da kann ich halt viel im Vorfeld schon kaputt machen, wie ich da kommuniziere. Also insofern ist es wichtig, das von Anfang an auf dem Schirm zu haben und dafür gute Pläne und Strategien zu haben und auch in der Lage zu sein, gut zu kommunizieren.

Joel Kaczmarek: Gut, Stefan. Ich lerne, ihr seid mit SLBB als Beratungsunternehmen da ja quasi dann eher auf der Anwaltsseite als auf der Researcher-Seite. Das freut mich natürlich. Und ja, gut zu sehen, dass natürlich Führungskräfteentwicklung da dann sozusagen noch wichtiger wird, als es ohnehin schon ist. Haben wir noch irgendwas Wichtiges vergessen?

Stefan Lammers: Nee, ich glaube nicht. Ich mache das immer so gerne mit dir, weil es ja einfach für mich auch nochmal so eine Reflexion ist, wenn wir hier miteinander sprechen. Ich kann einfach nur sagen, jetzt habe ich wieder selber Bock, mich reinzustecken und zu gucken, wo ist das Nächste, was ich mache. Ja, ich freue mich ja gerade mega auf unsere Programme, die wir gerade konzipieren und die umzusetzen und auf die Leute, die da sind und auf die Auseinandersetzung und die Freude und alles, was da in der Zeit passieren wird.

Joel Kaczmarek: Ja, sehr gut. Dann baue ich darauf, dass es unseren Zirnen genauso geht und freue mich aufs nächste Mal mit dir. Vielen Dank, Stefan.

Stefan Lammers: Dankeschön.

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