Change-Leadership: Wie manage ich in einer Krise?
8. März 2023, mit Joel Kaczmarek, Nina Pütz
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Intro digital kompakt. Heute aus dem Bereich Führung mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.
Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist der Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und habe heute an meiner Seite wieder die liebe Nina Pütz. Ihr habt ihr vielleicht schon mal gehört in unserem Interview zu ihr persönlich, wo sie auch viel über ihre Unternehmen RatePay gesagt hat. Aber vor allem hat Nina eine sehr spannende Historie bei vielen Unternehmen, unter anderem eBay, Brands for Friends und noch einiges mehr, wo sie sich sehr intensiv mit dem Thema Change auseinandergesetzt hat. So, und ich habe mit Nina dann mal gesprochen im Nachgang zu unserem Interview und gesagt, hey, du guck mal, wir haben ja gerade so eine Multikrise hier und da passiert ja ganz viel und die Leute sind unsicher. Wollen wir nicht mal öfters über Change reden? Und zu meiner Freude hat sie ja gesagt. Und wir haben uns dann entschlossen, als erstes Thema mal darüber zu reden, zwischen Rezession, Energiekrise und Kündigungswellen. Wie hält man jetzt eigentlich sein Team zusammen? Sprich, Krisenumgang ist heute unser Thema und ich glaube, da kann jeder viel mitnehmen. Nina, schön, dass du da bist nochmal. Moin, moin. Moin Moin. Bist du schon durch viele Krisen gegangen beruflich?
Nina Pütz: Ständig. Gefühlt wirklich seit fünf Jahren von einer Krise in die nächste. Das ist eigentlich das Einzige, was konstant ist. Veränderung und Krise.
Joel Kaczmarek: Ja, wenn man das nicht hat, dann ist man nicht richtig Unternehmer. Dann machen wir was falsch, ne? Und beschreib mal, wie erlebst du denn gerade so die Situation? Also jetzt, wo wir das aufnehmen, 2023 als Jahr, ist ja wirklich so, da kommt ja alles irgendwie zusammen. Ukraine, Corona, Rezession, also irgendwie sehr, sehr schwierig, sehr, sehr angespannt gerade. Wie hast du das in deiner Firma gemerkt?
Nina Pütz: Das geht ja nicht erst seit heute so. Also im Prinzip sind wir ja seit Anfang letzten Jahres in der Krise. Und wenn man sich mal anguckt, am Anfang Corona haben wir alle gedacht, das ist fürchterlich. Dann hat der E-Commerce einen sensationellen Boom erlebt. Wir haben davon als Zahlungsdienstleister auch profitiert. Also 2021 war für uns ein super Jahr. Dann haben wir gedacht, 2022 geht es weiter. Und dann ging es Anfang Februar los mit der Ukraine-Krise und plötzlich sind wir alle zweistellig abgeschmiert, weil die Leute natürlich nichts mehr kaufen, wenn sowas los ist. Und seitdem kommen wir eigentlich so aus der Krise nicht mehr richtig raus. Also es ist ja ständig irgendwas. Wir haben den Krieg, wir haben die Inflation, wir haben tausend andere Themen, die Energiekrise. Die Politik hat endlich mal ein bisschen was gemacht, was wir, glaube ich, auch so gesehen haben. Aber für mich ist es seit. In einem Jahr geht es nur darum, die Dinge vorwegzunehmen, langfristig gesehen zum Wohl des gesamten Unternehmens zu agieren und zu planen. Und für uns hat das ganz klar bedeutet, wir haben uns den Kostenapparat angeguckt letztes Jahr und sind in einigen Bereichen massiv auf die Bremse getreten. Als Beispiel, ich habe mich im Januar vor die Belegschaft gestellt, habe gesagt, wir müssen mindestens 100 Leute einstellen. Und alle Mann ran ans Recruiting. Und im Februar habe ich mich hingestellt und habe gesagt, das funktioniert jetzt so nicht. Wir müssen den Hiring Speed massiv rausnehmen und wir werden in bestimmten Bereichen auch Leute abbauen müssen. Das war dann kompletter 180 Grad Dreh und davon gibt es halt einige.
Joel Kaczmarek: Okay, haben wir ja schon mal ein paar Themenbaustellen. Also Teamkommunikation, Kosten sparen etc. Lass uns doch mal mit Kommunikation im Team anfangen. Das ist ja so das Interessanteste. Was macht es mit Arbeitskräften, mit Mitarbeitenden, wenn sowas passiert? Weil es gibt ja eigentlich immer so dieses typische Flee, Freeze oder noch ein drittes, glaube ich. Also einfrieren, flüchten oder manche kommen in Aktion. Wie hast du das so wahrgenommen? Wie war das bei euch?
Nina Pütz: Bei uns war wirklich eine Kultur der Angst, wo ich dann immer frage, Leute, woher kommt das? Also wir haben wahnsinnig viel Zeit und Energie auf Kommunikation gesetzt. Wir hatten ein ganz großes Problem bei uns bei RedPay. Dadurch, dass die meisten Leute im Homeoffice sitzen, im Mobile Office und wir wirklich im Büro nur maximal 20 Prozent der Leute hatten, war es für mich schwierig. Unglaublich schwer wirklich jeden auch zu erreichen. Deswegen mussten viel unsere Führungskräfte tun. Es ist trotzdem so, dass es nicht ausgereicht hat. Also die Leute sorgen sich berechtigt. Inflation ist riesig, Jobunsicherheit besteht. Wenn du mal guckst, welche Unternehmen bis dato wahnsinnig erfolgreiche Unternehmen massive Massenentlassungen hatten. Das ist was, was bei uns in der Form nicht gab. Aber es sorgt natürlich dafür, dass die Leute verunsichert sind und ganz viel nach Klarheit fragen und nach Refokussierung. Und das haben wir ganz, ganz stark gemacht.
Joel Kaczmarek: Wie hast du die Leute denn erreicht, wenn du gesagt hast, die sind nicht im Büro? Also es ist schwierig, so One-to-Many-Kommunikation zu machen.
Nina Pütz: Also was wir regelmäßig haben, sind sogenannte All-Hands. Die machen wir einmal im Monat. Dann machen wir einmal im Monat mit unseren Führungskräften ein langes Meeting, wo kaskadiert wird, wo Fragen beantwortet werden. Dann haben wir unterschiedliche Foren von Team-Meetings. Und jeder weiß, er kann immer zu mir kommen oder zu seiner Führungskraft oder zu unserer Personalabteilung. Aber auch das reicht nicht, weil auch nochmal, du musst Dinge neunmal beantworten. kommunizieren, damit sie als nicht mehr neu wahrgenommen werden. Das heißt, du kannst eigentlich gar nicht genug iterieren, nochmal wiederholen, nochmal wiederholen, damit es landet. Und in unserem Fall haben wir ganz klar die Führungskräfte in die Pflicht genommen. Und auch das war ein ganz interessantes Phänomen. Wir hatten Ende des Jahres im November unsere Mitarbeiterbefragung. Die wurde von unserer Mutter organisiert und die ist richtig schlecht bei uns ausgefallen. Also es war wirklich nicht gut. Und vor allen Dingen gekennzeichnet durch eine ganz große Zukunftsunsicherheit. Da muss man überlegen, trotz der ganzen Kommunikation ist es nicht in allen Bereichen in der Form gelandet. Und es gab Riesenunterschiede bei einzelnen Teams. Nämlich immer da, wo starke Führungskräfte, kommunikationsstarke Führungskräfte ein Team leiten, war das okay. Und in Bereichen, wo kommunikationsschwache Führungskräfte da waren, hatten wir wirklich massive Unzufriedenheiten.
Joel Kaczmarek: Wie geht ihr dann vor? Also wie kann man noch mehr kommunizieren? Ich habe zum Beispiel, die Tage hatte ich ein Unternehmen im Podcast, die sich so auf Mental Health konzentrieren und die meinten, ja, wichtig ist zum Beispiel einmal pro Woche so ein Mental Check-In zu machen. Wie geht es mir gerade? So fand ich ein ganz interessantes Beispiel. Oder ich hatte Christoph Werner da und der meinte, das Wichtigste als Führungskraft ist Fragen beantworten. Viele nehmen sich nicht Zeit für Fragen, weil sie das lästig finden und denken, ja, habe ich doch schon erklärt, muss doch klar sein. Was war denn so dein kleines Einmaleins?
Nina Pütz: Also mein kleines Einmaleins ist, unglaublich viel Zeit mit den Leuten verbringen. Und damit meine ich jetzt nicht nur im Allhands oder in irgendwelchen Meeting mit Führungskräften, sondern anzubieten, ich mache eine Session mit euch, eine Ask-me-anything-Session. Ihr kommt zu mir, ihr könnt mich alles fragen, es gibt kein Tabu, aber ihr müsst die Fragen stellen. Und bei uns ist es teilweise sogar daran gescheitert, dass die Leute sich gar nicht trauen. Warum trauen sie sich nicht? Weil sie seit zwei Jahren im Homeoffice sitzen und die Pütz oder andere gar nicht so eine Aktion erleben und dann denken, da ist so eine Barriere, wir trauen uns das nicht. Das heißt, bei uns ist das Erfolgsrezept auch eins, die Leute sukzessive wieder mehr dazu bewegen, ins Büro zu kommen, weil das baut tatsächlich Barrieren ab. Und unsere Kultur funktioniert ganz stark über auch persönliche Interaktionen. Aber da hast du natürlich Meetings. Ganz wichtig bei uns ist schriftliche interne Kommunikation. Wir haben wahnsinnig viel gemacht für Mental Health. Das ist bei uns sehr gut. Also in der Mitarbeiterumfrage kam dieses Thema Work-Life-Balance und Mental Health war top. Das sind eher diese Unsicherheiten. Du kannst in der E-Mail und in so einem Allianz auch nicht alles erklären, da brauchst du halt Zeit mit den Leuten und du brauchst an der Kaffeemaschine ein Gespräch und dann auch so ein bisschen dieses Zwischenmenschliche, was manchmal nicht unbedingt was mit der Arbeit zu tun hat, was aber Vertrauen schafft.
Joel Kaczmarek: Und wenn du jetzt mal zurückdenkst, jetzt reden wir über einen sehr spezifischen Fall gerade, ist das, was du jetzt erlebst, wie so ein Team sich fühlt und kommuniziert, vergleichbar mit allen Krisen? Also ist das immer so? Ist das so ein typischer Pattern?
Nina Pütz: Ja, es gibt schon typische Pattern. Es gibt allerdings je nach Kultur unterschiedliche Wege, wie man da schneller oder langsamer auch wieder rauskommt. Konkret, was heißt das? Bei Ebay haben wir ständig Change gehabt. Also jedes Jahr, musst du dir vorstellen, gab es massive Reorganisationen. Das war ja auch ein schwieriges Geschäft. Die Zeiten von Hyperwachstum waren vorbei. Also es ging immer darum, wie quetschst du hier noch ein kleines Prozentchen und da noch raus. Aber die Leute waren vom Mindset her immer offen für Veränderungen und auch für lebenslanges Lernen, also offen tatsächlich Dinge anders anzugehen. Da braucht es immer nicht viel, sondern einschwören auf den Weg, auf den man gerade geht, die Vision, die Mission, was ist der Plan? Und dann waren alle an Bord und waren wahnsinnig begeistert. Das war tatsächlich bei Brands for Friends auch etwas, was so funktioniert hat. Da kam ich ja neu hin und meine erste Amtshandlung war, 20 Prozent der Leute rausnehmen zu müssen, weil wir massiv Kosten sparen durften. Und direkt danach kam die jährliche Mitarbeiterumfrage und ich habe gedacht, oh Gott, das wird also der absolute Horror zurecht. Und interessanterweise war das fast zehn Punkte Verbesserung damals im Vergleich zu meinem Vorgänger. Warum? Weil die Leute, die noch da waren, die hatten absolute Klarheit, die haben das verstanden einzuordnen, warum es war und waren aber begeistert von der Reise, von dem Weg, den wir eingeschlagen haben. Und jetzt bei RatePay ist es so, dass viele diese Transformation im Kopf noch nicht so weit begriffen haben und der Weg auch noch nicht allen so klar ist oder nicht alle eine Begeisterung haben, diesen Weg mitzugehen, weil es sind wirklich radikale Veränderungen. Man sieht es in Bereichen, wo wir jetzt schon zwei Jahre weiter sind in unserer Transformation, da ist wirklich alles gut und in Bereichen, wo wir jetzt gerade seit dem paar Monaten mittendrin sind, herrscht halt wahnsinnig viel Unsicherheit. Und ich merke da, was jetzt anders ist im Vergleich zu meinem Vorleben ist. Jetzt habe ich eine Situation, wo fast alle zu Hause sitzen und ich nicht persönlich an die Leute rankomme. Das fehlt mir, sondern ich muss jetzt auf virtuelle Kommunikation zurückgreifen, auf E-Mails und es dauert einfach länger, da Vertrauen aufzubauen. Es geht nicht so schnell, als wenn du und ich jetzt uns persönlich treffen würden.
Joel Kaczmarek: Unser Business-Coach Stefan Lammers, der hatte mal so eine lustige Übung und die macht man wirklich real im Raum. Das lautete so sinngemäß das Mount Everest-Experiment. Und zwar der Gedanke war, du hast einen Fahrstuhl in einem Berg, der fährt dich bis auf die Bergspitze und oben auf dem Berg drauf montiert ist eine Glasplatte rund. So genau vier Meter rund. Und dann war so die Übung, du stellst dich neben den Stefan und dann macht er da so, okay, bing, die Tür geht auf. Du hast vier Meter Glasplatte vor dir, du darfst den Ausblick genießen. Bis wohin gehst du? Und das war ganz lustig, weil die Leute schlurften dann wirklich so über den Boden, so ein bisschen, als wenn da Glas wäre und man guckt so. Und die gingen so ungefähr einen Meter oder sowas. Und dann meinte er, alles klar, jetzt fährt der Fahrstuhl nochmal, es macht wieder Bing und ich baue aber einen Zaun. Da vorne endet die Platte, da kannst du sie sehen. Die vier Meter sind dort hinten zu Ende, bis wohin gehst du? Und siehe da, die Leute sind auf immer drei Meter gelaufen. Und die Moral von der Geschichte war, wenn du deinen Rand kennst, deinen Rahmen, verhalten sich die Leute ganz anders. Und ich frage mich aber immer, wie macht man das im Business, dass man den Leuten quasi die Bande besser zeigt?
Nina Pütz: Das Wichtigste für mich ist, du musst erstmal alle auf eine Vision und auf eine Mission einschwören und die muss cool sein. Du hast ja manche Unternehmen, die retten die Welt. Das ist natürlich noch einfacher. In meinem Fall jetzt bei Redpair als Zahlungsdienstleister ist es nicht ganz so einfach, da so Riesen-Emotionen hervorzuholen. Aber du kannst es auch einengen und kannst zum Beispiel den Weg dorthin mit ganz viel Emotionen aufladen und dann bekommst du es hin. Aber die Krux ist dann noch Bei ganz vielen reicht es nicht. Das ist zu wischiwaschi. Dann wirst du immer hören aus dem Team, ich bin unklar über die Strategie. Was die Leute damit meinen, ist, die brauchen absolute Klarheit. Was ist jetzt in diesem Quartal und im nächsten Quartal und in diesem Jahr? Wo gehen wir als Firma hin und welchen Beitrag dazu leistet meine Abteilung? Und das ist was, was wir dann über OKRs in unserem Fall jetzt wirklich ständig teilen und immer wieder wiederholen. Und trotzdem kriege ich noch aus vielen Bereichen Feedback, die sagen, die Vision ist mir nicht klar und die Strategie ist mir nicht klar. Klar, also obwohl wir da massiven Fokus drauf legen.
Joel Kaczmarek: Und vielleicht jetzt als Brücke zum zweiten Thema, Kostensparen schon mal. Mir ist das dritte F eingefallen. Flee, freeze oder fight. So, wenn die in Fight gehen, ist ganz gut. Das ist so dein eBay Brands for Friends Beispiel. Wenn sie flüchten, ist natürlich, also manche gehen vielleicht von sich aus und manche verharren aber auch. Hast du erlebt, dass man manche Menschen auch nicht mehr rauskriegt aus dieser Schockstarre und dann sie irgendwie freigeben muss?
Nina Pütz: Habe ich oft erlebt. Für mich ist, ich nenne es immer Fansitting. Dann musst du dir vorstellen, die sitzen auf dem Zaun, lassen die Beine baumeln und sagen, das ist schlecht, das ist schlecht, das ist blöd, hier läuft was nicht. Aber sie ändern nichts. Sie treiben keine Veränderung voran, sondern sie sagen nur was Schlechtes und es tut sich nichts. Und das finde ich für mich das Allerschlimmste, weil es bringt dich nicht weiter. Ich versuche dann mit den Leuten zu arbeiten und manchmal kann man eine Veränderung herbeiführen. Vielleicht sitzen die Leute manchmal zwar im richtigen Bus, aber auf dem falschen Sitzplatz im Bus und dann brauchen sie eine andere Rolle, die dann vielleicht auch besser zu ihnen passt und plötzlich blühen die wieder auf. Es gibt aber auch Kollegen, Kolleginnen, die kannst du nicht mehr mitnehmen. Dann ist es begrenzt und Vom Mindset her oder vom Skill her. Und dann ist es bei mir immer so, da muss man, ich sag mal, let's face the brutal facts und dann geht man eben getrennte Wege.
Joel Kaczmarek: Kostensparen. Du hast ja eben auch erzählt, dass du eigentlich wachsen wolltest und dann ging es auf einmal gar nicht mehr. Also Personal wäre ja so ein klassischer Kostensparpunkt. Aber wie gehst du denn da generell ran? Also hast du zum Beispiel so eine Hierarchie, wenn du sagst, okay, es ist Krise, wir müssen irgendwie auf Kosten gucken, womit du anfängst, was du abbaust?
Nina Pütz: Ich habe das Problem oder den Luxus, kannst du von beiden Seiten sehen, dass ich bei Railpay seit jeher ab Tag 1 immer auf Kosten gucken musste. Warum? Vielleicht, um es mal kurz auszuholen. Die meisten Unternehmen in unserer Branche verbrennen wahnsinnig viel Geld und wir waren immer die einzigen, die Geld verdient hatten und wir wurden so gemanagt. Das heißt, bei uns war immer schon ganz klar, wir müssen in vielen Dingen sparen und uns ganz genau angucken, was wir machen wollen. weil wir positives Ergebnis abliefern müssen. Aus dem Grund gucke ich mir eh ständig die Situation an. Wie viele Leute plane ich einzustellen? Was kosten die im Schnitt? Wann kommen die an? Was ist der Plan? Passt das mit der Topline, die wir haben, mit dem Umsatz, den wir jetzt sehen, noch zusammen? Und wenn da eine Lücke ist, muss ich entscheiden, Das entweder nach hinten schieben und sagen, dann können die Leute als Beispiel jetzt nicht im Mai anfangen, sondern die müssen halt im Oktober anfangen, dann sparst du ja auch noch ein bisschen Runrate oder du musst komplett streichen. Also so gehen wir flexibel an die Personalkosten, wir schauen uns das regelmäßig an und wir haben bei uns auch ein Performance-Management-System, das heißt Leute, die dauerhaft nicht performen und ihre Ziele nicht erreichen, die managen wir auch raus. Da bin ich amerikanisch geprägt, seit jeher, das halten wir so. Aber Personalkosten sind ja nicht die einzigen Kostenfaktoren. In meiner Branche jetzt habe ich zwei Hauptkostentreiber. Das eine ist Personal und das andere sind die sogenannten Bad Debt, also die Forderungen, die bei uns ausfallen. Und das ist eine andere ganz wichtige Kostenschraube, an der ich drehen kann. Und wenn ich da massive Verbesserungen erziele über Produkt, AI-Verbesserungen zum Beispiel, andere Scoring und, und, und, Annahmequoten hoch runterfahren, dann kann ich weiterhin Personal auch in der Form einstellen. Wenn ich jetzt ein Produkt Wenn ich ein produzierendes Gewerbe bin oder jemand, der als Beispiel Klamotten herstellt, muss ich einfach auf meine Wertschöpfungskette gucken und schauen, so sehe ich jetzt die Stoffe und die Rohstoffe eben woanders, wo ich mehr spare, wie kann ich meine Wertschöpfungskette optimieren, verkürzen, also da ist glaube ich in jeder Branche. das andere Thema, sind eben nicht nur die Personalkosten. Und ich glaube, eine Sache ist ganz wichtig. In vielen Unternehmen wird immer gesagt, wenn man kurzfristig Geld sparen muss, geht es immer sofort aufs Personal. Dann werden als erstes alle Externen rausgestrichen, weil die kann man sofort rausnehmen, werden alle Verträge geändert. Dann werden Leute mit fixen Laufzeiten nicht mehr verlängert und dann geht es so runter. ist aber, glaube ich, ein totaler Fehler, das nur so zu betrachten, weil wir machen uns mal nichts vor, wenn du Entlassungen hast, hat es immer einen Dämpfer auf deine Kultur und es führt immer zu Verunsicherung und Ängsten und es führt dazu, dass in vielen Dingen die Produktivität runtergeht und Unzufriedenheit führt auch wieder zu einer höheren Attrition. Das heißt, Letzten Endes ist es jetzt mittelfristig gesehen auch nicht immer das Günstigste, sondern am besten ist eigentlich, wenn man das so weit wie möglich vermeidet und dann eben lieber in guten Zeiten nicht ganz so stark personell wächst. Dann muss man in schlechten Zeiten auch nicht alles abbauen, wenn man das ein bisschen langfristiger sieht und darauf achtet, dass die Leute lieber, die man hat, retained werden, die guten und dann bleiben.
Joel Kaczmarek: Ich meine, wie kategorierst du denn sonst Kosten? Also in welcher Logik streichst du Dinge? Weil das Schwierige ist ja Ich finde, so ein Reflex ist ja dann auch oft, Marketing wird eingestampft, bumm. Und ich hatte so viele Gespräche Ende letzten Jahres, wo mir die Marketingmanager gesagt haben, so ja, ich kann gerade überhaupt nichts machen und es ist voll frustrierend, nicht nur, dass ich jetzt nichts tun kann, ich weiß genau, in sechs Monaten fällt es mir dann so richtig auf die Füße, weil dann gehen die Zahlen runter und dann sitzen sie alle da und wundern sich wieder. Also manchmal ist es ja fast dann problematisch zu sparen.
Nina Pütz: Ist es, aber trotzdem gehen, würde ich mal wetten, 95 Prozent der Unternehmen streichen zuerst Marketing. Weil es kostet dir keine Leute und dann gehst du runter. Habe ich bei Brands for Friends immer gemacht. Wenn wir sparen mussten, wir haben immer Marketing gestrichen. Es kam dann mit weniger Neukunden einher, weil du kaufst sie dir nicht ein. Also das Problem kommt dann später. Und auch bei Ratepay muss man mal sehen, historisch haben wir nie Geld für Marketing ausgegeben. Ich traue mich gar nicht mehr, ein Marketingbudget zu sagen. Da denkt man, wie bitte? Wie machen die das? Wie funktioniert das? Also wir haben quasi, wir betreiben jetzt ein bisschen ein nicht existentes Marketingbudget, was wir jetzt dieses Jahr zum ersten Mal deutlich hochnehmen, weil wir eben selbstverständlich einen guten ROI sehen in der Conversion von neuen Kunden, in unserem Fall neuen Händlern. Und das wäre natürlich auch fatal, das langfristig dann zu nehmen. Aber du musst halt, wenn du plötzlich kurzfristig sparen musst, dann ist dir Mittel- und langfristig auch egal, weil du sagst, Beispiel jetzt sind wir in 2023, dann steuert man eben auf 2023 aus und sagt, was in 2024 der Effekt oder die nachgelagerten Themen sind, die blende ich jetzt erstmal aus.
Joel Kaczmarek: Nochmal zurück zu der Frage, was für eine Logik nimmst du beim Streichen vor? Also sagst du zum Beispiel als erstes streiche ich Kosten, wie du gesagt hast, externe oder gehe ich hin und nehme Sachen weg, die erst in sechs Monaten mir wehtun oder versuche ich irgendwie Effizienz zu steigern? Was gehst du daran?
Nina Pütz: In unserem Fall, wir gucken uns die Prioritäten an, an die wichtigen Themen, die wir arbeiten müssen. In unserem Fall sind es Prioritäten. bestimmte Produkte, die wir bauen müssen oder an neuen Dingen, die wir erarbeiten, die wir live bringen wollen. Und dann gibt es da eine Prioritätenliste und eine Cutline. Und wenn wir sparen müssen, wird die Cutline eben hochgezogen. Und dann ist alles, was ein Projekt XY, was ich jetzt mir nicht mehr leisten kann, wer dazu gehört, wird gestrichen. Ob das jetzt ein Externer ist oder jemand, den ich neu einstellen wollte. Also bei uns geht es ganz klar nach inhaltlichem Fokus, aber auch immer eine Mischung aus nicht nur kurzfristig gesehen, sondern auch immer, was sind die mittelfristigen Effekte. Bringt ja jetzt nichts, was zu streichen, nur weil es viel Geld kostet, wo ich aber dann in sechs bis zwölf Monaten wahnsinniges Umsatzwachstum mir erhoffe. Aber auch da kann es je nach Branche oder Problem, was ich gerade eben habe, auch völlig unterschiedliche Steuerungsmechanismen geben.
Joel Kaczmarek: Das meine ich. Was sind denn die KPIs, nach der du eine Cutline steuerst? Also was steht denn oben und was steht unten? Was sind da die Merkmale, die du anguckst?
Nina Pütz: Bei uns geht es nur um Revenue und um das sogenannte EBITDA. Das gucke ich mir an. Je nachdem, was meine Shareholder sagen, Nina, ist jetzt Revenue ein Ticken wichtiger oder ist EBITDA ein bisschen wichtiger, darauf steuere ich knallhart aus. Und danach werden auch alle Projekte von den KPIs aufgesetzt. Das heißt, wir gucken immer, was kostet es, was der Revenue-Impact, was ist das EBITDA, was damit einhergeht. Und dann ist es ganz simpel, kann man ganz leicht streichen.
Joel Kaczmarek: Und wenn du mal deine Karriere jetzt im Geiste zurückverfolgst, du bist ja hinterher auch schlauer, warst du ja damals im Sturm nicht, also wenn du mal im Auge des Orkans, das sieht man ja gar nicht klar, aber wenn du jetzt mal zurückdenkst, wäre es manchmal sogar schlau gewesen, antizyklisch zu handeln. oder gibt es Situationen, die typisch antizyklisch sich anbieten?
Nina Pütz: Ja, und schlaue Unternehmen nutzen eine Krise, um aufzuräumen und die sind dann nicht durch kurzfristigen Aktionismus getrieben, sondern die nutzen das, um unterm Radar ein knaller Produkt neu zu bauen oder um Refokus zu haben oder das Geschäftsmodell zu transformieren oder richtig leise mal aufzuräumen, wenn es keiner mitkriegt. Das Gute bei uns ist, wir haben häufiger so gearbeitet, weil wir auch nie so ganz im Fokus waren. Es ist immer ganz gut, wenn man nicht in der ersten Reihe steht, sondern so ein bisschen in der zweiten, weil es auch nicht immer auffällt, was man jetzt plötzlich macht. Das praktiziere ich gerne und bin damit bis jetzt auch immer ganz gut gefahren.
Joel Kaczmarek: Ich meine, man kann es ja sogar noch zuspitzen. Ich finde, in so einer Krise, es wird ja zum Beispiel viel talentfrei. Leute gehen pleite, Unternehmen, dann hast du auf einmal Top-Leute, die du vorher vielleicht gar nicht gekriegt hättest. Man kann sich vielleicht Umsätze erkaufen. Wenn keiner Marketing macht, wird es insgesamt günstiger, was zu machen, sowas.
Nina Pütz: Das ist natürlich immer das Erste, wenn du große Entlassungswellen hast, du sagst, super, jetzt ist der War of Talent, ich kriege jetzt gute Leute, vielleicht für ein bisschen weniger Geld, sehen wir noch nicht. Bei uns ist ja wirklich so, wir wachsen in einigen Bereichen und ich suche händeringend Leute, also wir stellen auch dieses Jahr ein und ich habe jetzt gedacht, Mensch, das wird ja jetzt so. Total toll, wir können ja jetzt überall fischen. Die Leute, die teilweise kommen, das passt dann auch nicht zu uns. Also Beispiel im Data-Bereich, wir suchen und mein Chief Risk und Data Officer sagt immer, geht nicht, passt nicht, passt nicht, nicht gut genug, passt nicht, passt nicht, passt nicht. Wo ich denke, sag mal, das ist ja jetzt eine Fülle von bestimmt super Leuten, aber es heißt halt auch immer nicht unbedingt, dass es was für uns jetzt ist. Im Engineering-Bereich hat es sich ein bisschen entspannt. Das war ja vorher wirklich das Schmerzhafteste überhaupt, wo wir kreative Lösungen im Ausland gefunden haben und wirklich die größte Herausforderung war, wo kriege ich jetzt Engineers plötzlich her und das ist tatsächlich ein bisschen besser geworden, dass ich sogar auch mal jemanden finde, der sogar schon in Berlin ist. Das hat es lange nicht gegeben.
Joel Kaczmarek: Dann drehen wir es mal um. Also wir haben jetzt darüber geredet, wie man die Teamkommunikation führt, wir haben darüber geredet, wie man Kosten sparen kann kurzfristig. Was ist denn mit kurzfristigen Umsätzen? Also gibt es so ein paar Classics, wo du sagst, hey, das sind immer Hebel, da kann man irgendwie was bauen, dass ich nochmal Umsatz erzeuge, der voll gar nicht da war?
Nina Pütz: Ja und in den meisten Geschäftsmodellen geht das und das machst du natürlich. Auf der einen Seite nimmst du die Kosten runter, auf der anderen Seite schaust du, wie kann ich kurzfristig mehr umsetzen. Umsatz generieren. In meinem alten Leben war das ganz wundervoll. Du hast dann das Monatsende oder das Quartalsende so gesteuert, dass du gesagt hast, jetzt brauche ich hier noch so und so viel mehr Umsatz. Und den hast du auf den Euro ausrechnen können. Und dann haben wir eine Merchandising-Kampagne gemacht. 10 Prozent auf das, 15 Prozent auf das oder kaufe zwei und beim dritten kriegst du so und so viel auf. Da kann man im Handel sehr, sehr gut mitsteuern und kurzfristig die Umsätze annehmen. Aber Achtung, kommt natürlich nicht umsonst, kostet Geld. Weil ich nehme ja Marge in dem Moment runter. Das heißt, es ist auch nichts, was man ständig machen kann. Es hat einen Nachteil, wenn du dir im Jahresvergleich Umsatzentwicklung anguckst, ziehst du es immer mit ein Jahr. Das heißt, wenn du eine große Coupon- oder Merchandising-Kampagne hattest, wenn du dir ein Jahr später dann den Monatsabschluss anguckst, bist du automatisch da mal negativ, weil du es nicht aufholen kannst. In meinem jetzigen Geschäftsmodell habe ich damit leider ein Problem. Weil ich nicht einfach mal so mein Monatsende oder mein Quartalsende steuern kann und eine Merchandising-Kampagne machen kann. Ich bin ja ein White-Label-Zahlungsdienstleister. Das heißt, ich hänge am E-Commerce dran. Das heißt, wenn ein About You oder früher ein Otto oder ein Limango eine Kampagne macht und die Umsätze ankurbelt und Werbung macht, profitiere ich davon, ich kann es aber nicht selber steuern. Das heißt, wenn die nichts machen, kann ich auch nichts machen. Und als White-Label-Dienstleister kann ich auch nicht wie ein Kleiner hingehen und sagen, ich mache jetzt mal eine Marketing-Kampagne mit dem eBay und gebe jetzt 5% nochmal auf alles. Die können das noch ein bisschen steuern, wir nicht. Das heißt, ich muss immer denken, wie kann ich mein Geschäftsmodell verändern oder erweitern. Aber das ist nichts, was ich jetzt kurzfristig auf dem Monatsende steuern kann, sondern das sind bei uns natürlich immer längerfristige Themen.
Joel Kaczmarek: Ich überlege gerade, wie das bei so Softwareanbietern ist, wenn man SaaS macht. Aber ich lerne jetzt von dir im Prinzip, ich muss ein Stück weit Herr oder Besitzer in der Kundenbeziehung sein. Dann kann ich das besser steuern.
Nina Pütz: Als SaaS kann ich das auch nicht machen. Als SAP kann ich noch kurzfristig sagen, wenn du diesen Monat noch unterschreibst, dann gebe ich dir einen Discount von XY. So machen die das ja. So managen die ihre Themen. Das ist dann aber in der Akquise auch. Auch das ist bei mir ja so. Ich kümmere mich ja um die großen Händler im E-Commerce. Als Beispiel ein Ikea, den binde ich ja auch nicht morgen an. Da kann ich auch nicht sagen, so jetzt kriegst du nochmal so und so viel Prozent Rabatt, wenn das jetzt klappt. Das funktioniert halt bei meinem Geschäftsmodell nicht.
Joel Kaczmarek: Und wenn wir uns jetzt mal beide Punkte nochmal angucken, Kosten sparen, kurzfristig Umsätze erzielen, gibt es noch so andere Classics, die du siehst, um Runway zu verlängern, was ja so die Maßgabe der Stunde bei vielen Startups auch war?
Nina Pütz: Ja, das ist eben massiv. Wie schaffe ich mit weniger mehr? Und es geht nur darauf, auf Optimierung, also mit möglichst wenig den besten Output zu generieren. Und das sind aber eigentlich immer nur die großen Themen. Womit mache ich noch mehr Umsatz? Smart, wie kann ich mir ein Partnerschaftsmodell aufbauen? Also oftmals reicht es Geld da nicht, um Dinge selber zu machen. So habe ich es immer gelernt von der Pike auf, dann suche ich mir den Besten aus dem jeweiligen Bereich und mache da Partnerschaft und profitiere da ein bisschen. Das ist aus meiner Sicht immer ganz schlau, weil es kommt einfach mit weniger Kosten. Und wenn es Bombe läuft, kann ich es immer noch selber bauen eines Tages.
Joel Kaczmarek: Was ist denn so mit Automatisierung oder auch KI? ist ja so das Thema der Stunde gerade. Siehst du da so Potenzial aufkommen?
Nina Pütz: Ja klar, aber das ist Standard. Das ist jetzt nichts, wo du über Nacht jetzt auch nochmal dein Quartal steuern kannst in der Krise, sondern Wir stehen da ja immer noch ganz am Anfang. Ich verfolge immer die Diskussion ganz herrlich. Es wird jetzt in den nächsten Jahren spannend, was alles kommt. Aber das ist, glaube ich, ein langfristiger Schritt, dass eines Tages regelmäßig wiederkehrende Arbeiten, da brauchen wir keine Kollegen, Kolleginnen mehr, die das machen. Da gibt es irgendwann eine KI für, das läuft alles automatisch und dann wird unsere geistige Arbeit benötigt, um die KI richtig zu füttern. Aber auch da, das kommt ja nicht über Nacht. Und weißt du, noch früher in der Industrialisierung haben alle gedacht, oh Gott, jetzt brauchen wir keine Arbeiter mehr, weil alle sitzen auf der Straße. Und so wird es auch zukünftig bei der KI sein. Klar brauchst du keine Supermarktkassiererin mehr irgendwann, das machst du selber. Aber dann gibt es andere Jobs, wo diese Leute dann weiterarbeiten können, wo sie die KI füttern.
Joel Kaczmarek: Wir können auch zum Abschluss nochmal auf eine Studie schauen, die uns die Lette Caro rausgesucht hat, die mit dir immer ganz toll zusammenarbeitet, von IBI und Hays. Da wurden Fachkräfte befragt und ganz interessant, was da rauskommt. Ein Thema haben wir vielleicht noch gar nicht so besprochen. 85 Prozent der Fachkräfte beschäftigt am meisten der hohe Inflationsdruck. Dann haben sie starke Auswirkungen auf die eigene Mitarbeitersituation. Das sind 76 Prozent und 61 Prozent nehmen auch Verunsicherung innerhalb der Belegschaft wahr. Da wäre mal eine ganz interessante Frage. Den ersten Punkt zu Inflationsdruck haben wir noch gar nicht drüber gesprochen. Wie geht man mit sowas um?
Nina Pütz: Die Zahlen hier sind genau das, was auch in meiner Mitarbeiterumfrage rauskam im November. Wie haben wir bei dem Inflationsdruck reagiert und das darfst du nicht unterschätzen, der ist extrem. Ja, also gerade jetzt, wenn du Niedriglohnbereich guckst, wenn du dann siehst, was du plötzlich für Est und für alles ausgibst, da bleibt nichts mehr übrig und die Leute haben richtig Druck. Wenn dann die Abrechnungen kommen von den Energiekosten. Deswegen finde ich gut, dass viele Unternehmen jetzt schon einen Inflationsausgleich gezahlt haben. Und das hat auch ein bisschen was bewirkt, was du jetzt hier gerade in Berlin, wenn man so ein bisschen in der Stadt unterwegs war, kurz vor Weihnachten gesehen hast, weil da waren die Geschäfte wieder voll und die waren vorher leer. Aber es ist natürlich ein Riesendruck. Ich habe einen Kollegen, der kam irgendwann zu mir und hat mir gesagt, du, ich soll jetzt 2000 Euro pro Monat mehr zahlen. Also wie kann das denn sein kurzfristig? Ja, wenn das plötzlich passiert, muss man komplett umdenken.
Joel Kaczmarek: Und laut dieser Studie ist es so, dass die Investitionsmaßnahmen von Führungskräften auf drei Bereiche sich vor allem verteilen. 43% Digitalisierung, 34% Mitarbeiterbindung, 34% Technologie. Mitarbeiterbindung finde ich noch einen ganz interessanten Faktor, weil das zahlt ja auch die Kultur ein.
Nina Pütz: Da haben wir indirekt drüber gesprochen. Mitarbeiterbindung ist essentiell. Also ein guter Mitarbeiter, der muss ja im Interesse der Firma so lange wie möglich bleiben. Du bist als Unternehmer dumm, wenn du nicht in deine Mitarbeiter investierst. Und das, was für Mitarbeiter wichtig ist, variiert ja ganz stark von der Branche, von der Art des Unternehmens. indem du arbeitest. Als Beispiel, was jetzt bei eBay vorher wichtig war, um Leute zu halten, ist jetzt bei Redpen teilweise ganz anders. Es sind unterschiedliche Branchen, andere Themen und das ist wichtig, dass man die Unterschiede erkennt und nicht One-Size-Fits-All macht. Und Digitalisierung ist, was ich. ich arbeite jetzt in der Digitalbranche, wir machen nichts anderes. Insofern ist das für mich jetzt nicht das Thema. Wenn du aber in den deutschen Mittelstand guckst und dich ein bisschen mit digitaler Transformation beschäftigst, das ist ja ein Wahnsinnsthema. Und da können gerade viele Bereiche, die noch sehr analog sind, die müssen da jetzt investieren, sonst bleiben sie irgendwann auf der Strecke.
Joel Kaczmarek: Aber sag mal, eigentlich muss doch auch eine unserer Lehren aus dem Gespräch dann heute sein, dass HR theoretisch bei euch in der Krise dann ein sehr wichtiger Faktor sein müsste. Also diese ganze Abteilung, oder?
Nina Pütz: Nicht nur in der Krise, die ist auch schon spätestens seit Corona essentiell. Und eigentlich genau genommen ist HR auch schon in den letzten zehn Jahren unglaublich wichtig geworden. Kleine Anekdote am Rand, ich bin immer belächelt worden vor 10, 15 Jahren, weil mir so softe Sachen wie Kultur, Mitarbeiterbindung, regelmäßige Feedback-Gespräche total wichtig waren. Da hat man immer gesagt, was macht die da mit den weichen Faktoren? Es ist aber essentiell. Und mittlerweile haben die Leute verstanden, dass man damit auch Geld verdienen kann. Und deswegen sind gute HRler eine Rarität und werden überall gesucht. Und die kriegen sensationelle Jobangebote zurecht. Wenn du die Kultur in deinem Unternehmen individuell und richtig angehst, hat das einen wahnsinnig hohen Einfluss auf deinen geschäftlichen Erfolg.
Joel Kaczmarek: Und wenn wir jetzt langsam nach hinten raus den Sack zumachen, was wir noch gar nicht besprochen haben, wäre theoretisch auch Fremdkapital. Ist es in Krisen überhaupt möglich, sage ich mal, über Kredite oder über Investorengelder sich zu hebeln? oder ist das dann der Hauptkrankheit geschuldet, dass da auch Ebbe herrscht?
Nina Pütz: Also in der jetzigen Krise ist ja witzigerweise immer noch genug Geld vorhanden. Und wer bekommt jetzt momentan Geld? Das sind Leute, die neu starten, neu anfangen. Da ist immer noch viel Geld im Spiel. Und wenn Unternehmen schon eine gewisse Hürde geschafft haben und die KPIs in die richtige Richtung gehen, gibt es auch immer noch wahnsinnig viel Geld. Ich lese ja immer jeden Tag, es ist erstaunlich, wer alles jetzt wieder Millionen Funding bekommen hat. Ein schlechtes Geschäftsmodell. kriegt halt in der Krise auch zu Recht kein Funding. Und man muss fairerweise sagen, wir haben halt 2020, 2021 und davor haben wir teilweise Bewertungen gesehen, die ein bisschen ausufernd waren. Und ich finde, das ist eine ganz schöne Bereinigung eigentlich, dass man sagt, gute Geschäftsmodelle, gute Gründer kommen nach wie vor, werden die finanziert. Und in unserem Fall, ich bin ja kein Startup, ich brauche ja jetzt kein VC-Kapital, aber in unserem Fall ist es ja so, ich brauche auch immer Geld, um mich zu refinanzieren. Wobei, je mehr ich wachse, ich zahle die Händler aus und kriege danach erst das Geld von den Konsumenten. Das heißt, ich muss mich immer für eine gewisse Weile refinanzieren. Da merkt man, dass die Refinanzierungskosten teurer werden, weil die Zinsen. Aber auch da gibt es immer noch Möglichkeiten, dass wir unser Geschäftsmodell weiterführen können. Also für gute Dinge ist immer noch Geld da.
Joel Kaczmarek: Ja, ich würde gerade sagen, so Working Capital dann über Kredite im Prinzip leveragen geht nicht. Frustrierend eigentlich. Man verdient Geld, aber man braucht quasi den Vorschuss.
Nina Pütz: Ja, da gibt es ganz ausgeklügelte Strukturen. Das habe ich auch erst gelernt, seit ich bei RedPay bin. Also es ist sensationell, auch wie Banken damit Geld verdienen und wie komplex es ist. Es ist total smart gemacht, aber geht eben nicht. Da kannst du nicht hingehen und nimmst den Kredit über 100 Millionen. Das funktioniert halt leider so nicht.
Joel Kaczmarek: Letzte Frage, so ein Classic eigentlich. Was siehst du so als die größten Fehler, die Führungskräfte in Krisen machen können?
Nina Pütz: Ein Riesenfehler ist, dass die Leute oftmals unüberlegt aktionistisch reagieren und damit machst du als schlechte Führungskraft unglaublich viel kaputt. Die Krux ist eigentlich, refokussieren, ruhig zu bleiben, überlegen, wie kann ich jetzt die Krise oder das große Problem, das Big Hairy Issue, was ich da habe, wie kann ich das in kleine Teile zerlegen und dann sukzessive lösen. Weil nochmal, in jeder Krise gibt es eine Chance. Jedes Problem ist lösbar. Wenn ich es aber so als Riesenberg, wie so ein Mount Everest vor mir sehe, dann finde ich oftmals die Lösung nicht. Und wenn ich mir die Zeit nehme und mich einmal refokussiere und dann Vertrauen auch habe, dass die Leute das können und gut sind und lösen, gemeinsam als Team kann man alles schaffen.
Joel Kaczmarek: Ich hätte getippt, dass man die meisten Fehler bei der Kultur machen kann wahrscheinlich.
Nina Pütz: Naja, die Kultur, die hängt ja damit zusammen. Guck mal, wenn ich aktionistisch vorpresche und unüberlegt was mache und hektisch werde, drückt sich das auch in der Kultur hoch und die Leute werden panisch. Und dein Vertrauen bricht zusammen, es herrscht Unsicherheit und das ist ein Kulturkiller. Das heißt, um Kultur vernünftig und stark zu haben, brauche ich ja als Grundstein Vertrauen. Und wie schaffe ich Vertrauen? Indem ich klar bin, ansprechbar bin. Ruhig bin, indem ich aber auch, kann auch über meine Ängste sprechen und ich kann auch über meine Fehler sprechen oder Fehleinschätzungen sprechen. Das ist immer dieses Thema. Ich bin ein ganz großer Fan von diesem Vulnerability-Based Trust. Das sorgt einfach für Vertrauen und mit einem starken Vertrauen, finde ich, ist es der Grundstein für jede Kultur. Du kannst als Team nicht erfolgreich sein. Vielleicht mal kurzfristig hast du ein paar Wochen Glück, aber langfristig, du schaffst es nicht, wenn du nicht Vertrauen hast. und der Krux ist eben, dass es auf Verletzlichkeiten auch beruht.
Joel Kaczmarek: Habe ich noch nie gehört, den Begriff. Aber ich kenne das auch. Also wenn man sich selbst öffnet, öffnen sich auch die anderen. Ist ja so ein bisschen das Prinzip.
Nina Pütz: Ja, ist das genau.
Joel Kaczmarek: Na hey, dann haben wir ja ein bisschen was mitgenommen heute. Ich danke dir ganz herzlich und hoffe, dass jetzt viele Menschen mehr durch die Krise navigieren können. Du bist ja, weiß ich noch, mit Segeln groß geworden. Von daher musst du ja eigentlich Segern gewohnt sein.
Nina Pütz: Ich sage dir, hart am Wind segeln kenne ich, ja.
Joel Kaczmarek: Cool, in diesem Sinne. Vielen, vielen Dank und auf bald mal wieder.
Outro: Danke, tschüss. Danke fürs Zuhören beim digital kompakt-Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Leadership: Dazu spricht Joel regelmäßig mit Nina Pütz von RatePay, deren Spezialisierung im Change liegt. (Werdende) Führungskräfte, die sich eingehend mit den Themen Führung und Veränderungsmanagement befassen, finden hier einzigartige Perspektiven, viel Praxiserfahrung und anregende Ratschläge. Dieser Podcast ist also ein Muss für jede:n, der oder die sinnvolle Veränderungen vornehmen möchte und dafür nach Führungsansätzen sucht.