The Biq Quit: Wie verhindere ich personell auszubluten?

13. Oktober 2022, mit Joel KaczmarekStefan Lammers

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute habe ich mal wieder den lieben Stefan Lammers an meiner Seite, den Führungscoach schlechthin. Also ist eigentlich, wenn ihr uns ein paar Mal schon gehört habt, wisst ihr genau, Stefan kennt sich in Sachen Führung mit ganz vielen spannenden Dingen aus. SLBB, seine Beratung zu dem Thema und es ist viel zu lange her, dass er und ich mal geredet haben. Und heute aber ein dafür umso passenderes, weil aktuelles Thema, nämlich The Big Quit. Das heißt, wenn Unternehmen auf einmal damit konfrontiert sind, dass Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Und wir wollen heute mal nachtauchen, woran liegt denn das eigentlich? Was gibt es denn da so für Ursachen? Wie viele dieser Ursachen sind eigentlich wirklich Leadership bezogen? Und wie kann ich darauf reagieren? Das heißt, heute werden wir auch mal darüber sprechen, ist eigentlich das Ganze jetzt schon ein Arbeitgebermarkt? Ich habe gesagt, schon seit langem. Stefan sagt, ja, viele merken auch, dass es das wird. Ist vielleicht auch ganz interessant, da mal die Perspektive Startup versus Mittelstand aufzumachen und insgesamt da halt, wie gesagt, Vermeidungsstrategien. So, that being said. Lieber Stefan, Moin, Moin.   Stefan Lammers: Schön, wieder da zu sein und schön, wieder mit dir hier den nächsten Podcast zu machen. Ich freue mich da schon die ganze Zeit drauf und habe dem entgegengefiedert. Weil zum einen macht es einfach einen Bombe Spaß und zum anderen gibt es einfach immer wieder so schöne Resonanzen und Gespräche daraus. Ich habe letztens wieder einen CEO im Kontakt gehabt, der gesagt hat, hey, du weißt es gar nicht, vor einigen Jahren bin ich CEO geworden. Und da habe ich die ganze Zeit den Podcast reingezogen und habe da viel von gelernt in dieser neuen Rolle. Und es ist dann einfach schön, so ein Feedback einfach mal zu bekommen. Ja,

Joel Kaczmarek: Ich hab das auch bei Gero mal gehabt, der so einen Sales-Podcast macht, dass er meinte so, da hab ich ihm so Fragen vorgespielt, so von der Community, wie ich das bei dir auch mal gemacht hab, da reagieren ja Leute wirklich drauf, das hören die ja wirklich, da gibt's ja wirklich Menschen auf der anderen Seite, ja, man spricht ja immer nur in so einem Mikro, ja, stimmt. Aber gut, du hast mir erzählt, beim Thema The Big Quit hast du gerade eine spannende Studie gelesen im Handelsblatt, wenn ich mich nicht täusche. Und das ist ja ein ganz guter Aufhänger, um sich dem Thema mal zu nähern sukzessive. Was stand denn da drin?

Stefan Lammers: Was ich ganz spannend fand, ist einfach, dass hier in dieser Studie, die da zugrunde liegt von Softgarden, dass eben nicht Mitarbeitende gefragt worden sind, wie sie denn zukünftig entscheiden wollen und wie sie über das Thema denken. und was würde dich denn dazu führen, dass du dich irgendwo anders bewirbst. Sondern in dem Fall sind knapp 2.200 Bewerberinnen und Bewerber in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefragt worden. Also Leute, die sich schon entschieden haben zu gehen. Und das ist natürlich total spannend, weil zwischen ich möchte doch gehen, ich möchte das Unternehmen verlassen und es tatsächlich zu tun, da ist ja immer noch eine riesengroße Hürde. Da ist viel Unsicherheit. Was heißt das in der jetzigen Zeit, wenn wir viele Risiken wieder draußen haben? Gaskrise, Energiekrise und so weiter. Ist denn der neue Job dann sicher? Ist das nicht so, wenn jetzt dann doch Kündigungen irgendwo bei einem Unternehmen sind? Bin ich dann nicht vielleicht der Erste, der gehen muss, weil ich gerade erst angefangen habe und ähnliches? Also wenn man wirklich diesen Schritt gegangen ist, das bedeutet schon einiges. Und insofern finde ich das einfach ganz toll. Dass hier Bewerber gefragt worden sind und Bewerberinnen und das hat für mich einfach nochmal eine ganz andere Qualität in diesem Moment.

Joel Kaczmarek: Und was man ja immer dabei erwähnen kann, es ist ja mittlerweile gang und gäbe, dass man so Active Recruiting macht, also dass Leute einfach auf LinkedIn angeschrieben werden, die irgendwo anders sind, dass man versucht, sie bewusst abzuwerben. Oder was wir zum Beispiel auch gemacht haben, dass wir Performance-Marketing-Elemente auf einmal auf Recruiting angewendet haben. Das heißt, da war explizit Ziel, dass wir über Performance-Marketing Jobanzeigen an Leute ausgespielt haben, die eigentlich gar nicht auf der Suche sind, aber man sagt im Amerikanischen die, glaube ich, mal Poachies, also Leute, die theoretisch willens wären, wenn, aber sich noch nicht selbst aktiv zu entschlossen haben. Also ist ja eine ganz interessante Gemengelage, weil damit muss man ja auch mal drüber nachdenken, dass es ja nicht nur darum geht, dass jemand weg will und sich aktiv entscheidet zum Gehen, sondern dass auch noch andere kommen und an ihm ziehen.

Stefan Lammers: Ja, absolut. Und ich glaube, dass diese Art von Marketing einfach zukünftig auch noch stärker werden wird, weil der Markt enger wird und deswegen einfach immer mehr kreative Methoden auch gefunden werden und werden müssen und auch Optionen deutlich gemacht werden, was überhaupt möglich ist. Das wissen ja viele Leute gar nicht. Man guckt vielleicht immer noch in seinem begrenzten Bereich. Man guckt sich noch an solche Dinge wie Stellenbörsen oder ähnliches. Aber ich glaube, dass ganz andere Themen zukünftig eine viel größere Rolle spielen werden.

Joel Kaczmarek: Naja, vor allem Geografie. teilweise ist ja so ein begrenzter Faktor. Ich habe Freunde, die sind nach Dessau gezogen und der Mann guckt sich nach einem neuen Job um und dann sage ich, wo hast du dich denn überall beworben? Ja, hier in Dessau gibt es ja nicht so viel. Da habe ich die ganz entsetzt gefragt, warum sie denn nur in Dessau sucht. Das ist doch mit Remote und irgendwie digitalem Arbeiten. Da kann sie ja sogar in Hongkong irgendwie einen Job annehmen. Wahrscheinlich allein sowas.

Stefan Lammers: Ja, ganz genau. Und da komme ich auch gleich schon zu einem ersten Beispiel von einem Kunden, was ich gerade gehört habe. Und muss das jetzt loswerden, weil ich einfach so dermaßen begeistert davon bin? Weil das ist bei allem, was wir gleich nochmal darüber erzählen, was denn die Herausforderungen sind und warum Leute gehen, ist es vielleicht mal klasse, damit anzufangen, wie kann man denn als Chef eigentlich dafür sorgen, dass die Leute auch bleiben? Und das ist ein Kunde von mir, der in der Produktion ist. Und der hat einen Mitarbeiter, der umziehen möchte aus persönlichen Gründen mit der Familie in die Heimat zurück, ein paar hundert Kilometer entfernt. Und der Inhaber dieser Firma sagt, das ist ein ganz wichtiger Mitarbeiter, den möchte ich behalten. Und dieser Mitarbeiter sitzt an einer Produktionsmaschine normalerweise und gibt per Computer diese Befehle an und guckt sich das Ganze an, wie das Ganze denn da funktioniert und ob das da auch so rauskommt, das Teil, wie er sich das vorstellt. Und jetzt stellt man sich ja als erstes vor, und das würde ich auch sagen, würde ich vermutlich auch im ersten Moment gesagt haben, bis ich auf diese Idee gekommen bin. Und ich glaube, auch die meisten Leute würden nicht sofort darauf kommen. Der hat dann nicht gesagt, boah, das ist echt schade, das geht nicht in der Produktion und so weiter, dann werden wir dich verlieren, boah, das ist echt traurig. Sondern der hat gesagt, wieso, ist doch gar kein Problem. Wir richten dir zu Hause einen Arbeitsplatz ein. Du kannst deine Sachen weiterhin über Computer eingeben und in die Maschine. Da gucken wir mal, ob es da nicht irgendwie Kamerahersteller gibt, die dieses Werkteil da filmen können. Und dann kannst du das von zu Hause aus kontrollieren und du kommst dann halt einmal die Woche oder zwei Tage. die Woche kommst du mal hier vorbei und bist vor Ort und ansonsten macht dein Team das und bestückt das dann auch entsprechend und du arbeitest dann von zu Hause aus. Und damit du hier vorbeikommen kannst, kriegst du auch einen Firmenwagen. Und das ist ein toller Mitarbeiter, den er richtig klasse findet. Und kannst dir jetzt vorstellen, was bei diesem Mitarbeiter passiert. Der ist total glücklich, weil der aus diesem Dilemma raus ist, weil er bei der Firma unbedingt bleiben wollte, weil die so klasse ist. Der kann da bleiben. Der kann von zu Hause aus arbeiten. Der hat trotzdem diese familiären Themen damit gelöst. Was wird dieser Mitarbeiter sein? Ein illoyaler Mitarbeiter? Ein loyaler Mitarbeiter? Wie lange wird er dabei sein? Also da gibt es schon Möglichkeiten, wenn man kreativ ist. Dinge zu konstruieren und das war für mich wirklich nochmal so ein wirklicher Mind-Blow-Up, sag ich mal, von Gedanken her, zu sagen, wow, wie kreativ, was kann ich eigentlich selbst in der Produktion machen, wenn ich wirklich will.

Joel Kaczmarek: Und dann lass uns doch mal auf die Studie aber inhaltlich eingehen, was waren denn so die Top-Ursachen, dass Leute gehen, weil man würde ja schnell mal sagen, also gefühlt sagt ja jeder immer, man geht eigentlich wegen Menschen, so, weil die Führungskraft irgendwie schlecht ist oder weil es Konflikte gibt oder sowas in der Art, aber wäre mal neugierig, wie viel das wirklich ausmacht.

Stefan Lammers: Was ich sehr, sehr spannend finde, ist, dass es teilweise signifikante Unterschiede gibt zwischen zwei verschiedenen Bewertungen. Und zwar einmal gibt es so diese Skala, warum Mitarbeiter gehen und auf der anderen Seite, warum Mitarbeiter ohne neues Jobangebot gehen. Das ist ja mal spannend, nochmal so als Unterschiedlichkeit zu sehen. Wenn wir uns das jetzt mal angucken, das Typische, was ja immer so gehypt wird, was das Größte ist, ist, dass Mitarbeitende ja angeblich wegen der Führungskraft gehen, weil sie unzufrieden sind. Das ist in der Tat bei den Leuten, die gehen, bei 28,4 Prozent. Also trifft voll zu oder trifft eher zu. Aber bei den Leuten, die ohne ein neues Jobangebot gehen, ist es 50 Prozent. Das heißt also, der Frust mit den Vorgesetzten ist schon ein erheblicher Punkt, Und erhöht diese Bereitschaft, selbst ohne ein neues Jobangebot zu gehen, weil man einfach so sehr unter Druck ist, dass man eben da raus möchte. So, das finde ich schon mal einfach einen sehr spannenden Punkt. Dann haben wir das Thema mit Identifikation mit dem Unternehmenszweck. Kann ich mich nicht mehr identifizieren? Also das ist ein spannender Punkt. Der liegt so bei 35 Prozent. Arbeit finde ich sinnlos. So bei 23 Prozent, bei denen allen, die gehen. Aber was sich aus meiner Sicht nochmal sehr geändert hat in den vergangenen Jahren, und ich glaube, das hat was damit zu tun, dass sich eben dieser Markt tatsächlich auch gedreht hat, so wie du es schon gesagt hast, dass wir eher in einem Arbeitnehmer- als in einem Arbeitgebermarkt sind, dass tatsächlich 60, 62,6 Prozent nach dieser Studie wegen mehr Verdienst gehen. Und das ist eine ganz, ganz spannende Entwicklung aus meiner Sicht, weil das hatte in der Vergangenheit nicht so eine große Bedeutung. Das heißt, dass vielleicht schon so ein bisschen so ein Rottenrein angefangen hat, dass auch einfach mehr gezahlt wird. jetzt in diesem Moment und dadurch, dass wir vielleicht inhaltlich nicht mehr diese Differenzierung bieten können, warum dieser Job so gut ist bei uns, wird jetzt eben tatsächlich Vorwarn. Kosten steigen überall. Die Menschen haben teilweise Existenzängste. Das heißt, es wird vermutlich diesen Trend auch in Zukunft nochmal deutlich verstärken. Also das Thema Gehaltsvergleich wird, glaube ich, eine große Bedeutung bekommen in der Zukunft. Wird nochmal stärker werden an dieser Ecke. Das heißt also, die Frage muss natürlich auch sein, wie kann ich denn dafür sorgen, dass die anderen Dinge gut funktionieren, damit das Gehalt an sich nicht mehr diese große Rolle spielt. Aber wenn ich an den anderen Punkten nicht gut performe, das heißt als Führungskraft nicht gut meine Mitarbeitenden mit einsetze und ähnliches, wird natürlich dieses Gehaltsthema eine noch höhere Gewichtung kriegen aus unserer Sicht.

Joel Kaczmarek: Na, ich fand ja auch interessant, dass du vorher gesagt hast, dass irgendwie der Unternehmenszweck nicht mehr für gut befunden wird oder die Aufgabe an sich als sinnlos eingestuft. Ich finde, man könnte ja beides so ein Stück weit auch als Purpose irgendwie zusammenfassen, was man so neudeutsch sagt. Und wenn ich mir jetzt den Gehaltsfaktor nochmal angucke, also alleine was wir jetzt irgendwie schon hatten, muss man ja sagen, gibt es ja teilweise vier, fünf Strömungen, die da zusammenkommen. Also erstens, es besteht viel mehr Transparenz darüber, was am Markt so möglich ist. Zweitens, diese Zukunftsangst, du kriegst überall vorgebetet, Strom wird teurer, der Krieg, Corona. Taiwan wird vielleicht angegriffen und, und, und, und, ja, den Börsencrash und so weiter. Also willst du auch mehr Cash zur Verfügung haben. Dann hast du auf einmal einen globalen Markt. Das heißt, du kannst dich eigentlich mittlerweile als Arbeitskraft sourcen lassen, egal wo aus Deutschland hinweg. Und du hast auch noch eine größere Nachfrage, die auf dir lastet, dass dich Leute vielleicht sogar proaktiv anschreiben, je spezialisierter du bist oder halt je relevanter im Input. Also wenn man das alles mal so zusammennimmt, dann finde ich schon ganz nachvollziehbar, dass irgendwie der Faktor Cash irgendwie zunimmt.

Stefan Lammers: Ja, absolut. Und auch eben die Besorgnis. Und wenn man sich das anschaut, Ich stelle auch gerade viel bei Startups den Trend nochmal fest, dass immer mehr der amerikanische Markt angegangen werden soll, ziemlich schnell. Und womit hat das zu tun? Also wie hoch ist das Vertrauen und der Glaube auch bei jungen Unternehmen in den europäischen Markt in der Zukunft? Also es verändert sich ja gerade auch da sehr, sehr viel. Und was sind unsere Märkte der Zukunft? Also wir sind da, glaube ich, in einem großen Umbruch. Und da wird natürlich nach Sicherheit gestrebt. Und Sicherheit ist auch für viele Leute an der Stelle wichtig. Eben die finanzielle Sicherheit, das darf man nicht unterschätzen. Und ich finde dieses Thema Purpose, das hat ja nochmal einen sehr starken Auftrieb bekommen. Sagen auch viele andere Umfragen durch Corona, wo die Menschen zu Hause waren, wo sie sich Gedanken gemacht haben, was ist mir eigentlich wirklich, wirklich wichtig im Leben. Wofür arbeite ich? Und da bekommen natürlich solche Fragen nach der eigenen Arbeit, wie viel Sinn die macht, aber auch, was ist eigentlich der Unternehmenszweck, wofür sind wir eigentlich unterwegs, bekommt natürlich eine Wandlung. Auch so beispielsweise unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist das, glaube ich, ein ganz zentrales Thema. Wo Menschen heute auch nochmal anders darüber nachdenken, ist denn unser Unternehmen etwas, was zur Nachhaltigkeit beiträgt oder ist es etwas, was möglicherweise unsere Umwelt schädigt? Ich glaube, da werden einfach auch nochmal andere Faktoren in zukünftig eine Rolle spielen bei Entscheidungen.

Joel Kaczmarek: Ja, aber es ist ganz faszinierend. Also ich habe das auch erlebt, dass wir unser Team jetzt alle zu Coaches nochmal geschickt haben. Also wirklich auch teilweise so persönliche Coaches, wo es gar nicht so sehr darum geht, die als Arbeitskräfte besser zu machen, sondern sie als Mensch. Also ich will nicht sagen, dass es Psychologen waren, aber es hat sozusagen eher einen Coaching-Faktor auf mich als privat-berufliches Individuum gemixt, als jetzt nur auf den Berufskontext. Und ich weiß, wie meine Frau da mal zu mir meinte, Ja, man muss natürlich aber auch immer sich gewahr sein, wenn man Menschen unter ihre Haube gucken lässt, dass halt auch was rauskommen kann, was nicht für einen selbst als Arbeitgeber vielleicht ideal ist. Und wenn man erst mal so aus dieser Rattenmühle raus ist, aus diesem Hamsterrad, dann hast du auf einmal auch den Abstand teilweise auf solche Sachen zu gucken.

Stefan Lammers: Ja, aber das ist tatsächlich so bei den Firmen, wo ich beispielsweise im Coachcasting oder sowas bin. Ich bin ja in vielen Coachpools von Unternehmen, da ist das oft tatsächlich auch ein Thema und ich bringe das auch, wenn es kein Thema wird, mit ein, dass ich sage, also wenn jemand mit mir zusammenarbeitet, dann kann das sein, dass der durchstartet, kann aber auch sein, dass der sagt, nee, ich bin da an der Stelle gerade richtig, es kann aber auch sein, dass das Unternehmen verlässt. Also bei uns ist das auch immer sehr viel, sowohl dieser private Aspekt als auch der geschäftliche Aspekt. Nur am Ende, und das ist auch das, was ich dann von den erfahrenen HRlern aus den Unternehmen oder Executives aus den Unternehmen höre, am Ende ist das ja das Beste, was auch für das Unternehmen passieren kann. Weil entweder überfordere ich den möglicherweise, den Mitarbeitenden, und der kommt auf eine Position, wo er überhaupt nicht mehr leisten will oder nicht mehr leistungsfähig ist. Oder aber er hat möglicherweise schon innerlich sich verabschiedet und bringt da auch nicht mehr die Leistung. Und insofern ist ja diese Klarheit, diese innere Klarheit. Und wenn sich dann jemand nochmal bewusst für das Unternehmen entscheidet, einfach auch eine ganz andere Qualität, als wenn das so im Dunklen in einem rumwabert und man fühlt sich irgendwie unwohl und hat nicht mehr die richtige Motivation. Insofern kann ich dich weiter ermutigen, an solchen Themen zu arbeiten und die Mitarbeitenden zu lassen. Und ja, es wird Leute geben, die andere Entscheidungen treffen. Aber im Grunde genommen kannst du nur dankbar sein, weil du investierst ja auch viel in deine Mitarbeitenden. Und da möchtest du natürlich auch in die investieren, die eben langfristig bei dir bleiben wollen.

Joel Kaczmarek: Und jetzt lassen wir uns nochmal zurückkommen zum Thema Geld. Wir haben ja schon gesagt, auch Nachfrage ist ein Thema, also wenn es ein Arbeitnehmermarkt ist, ist es auch am längeren Hebel. Was empfiehlst du denn jetzt als Führungskräfte-Coach deinen Coaches? Sollen die dann einfach jeden Wunsch nach einer Gehaltserhöhung abnicken? Sollen die Proaktivleuten schon mehr Geld geben? Was soll man tun, wenn im Prinzip Geld bei zwei Dritteln fast der Leute ein Faktor ist, um wegzugehen?

Stefan Lammers: Wäre mir so ein bisschen vergleichbar. das gleiche im Fußball. Das ist eigentlich ein schönes Beispiel dafür. Das ist ein schönes Beispiel. Wir haben da teilweise, dass dort exorbitante Gehälter für Spieler gezahlt werden, die viele Vereine sich überhaupt nicht leisten können. Und dann ist die Frage, was ist mein Weg, den ich in diesem Moment finde? Und der ist sehr, sehr unterschiedlich. Jetzt gucken wir uns mal gerade an, solche Mannschaften wie Freiburg oder was auch immer, die man früher typische Ausbildungsmannschaften genannt hat, wo die Spieler dann weggegangen sind zu anderen und für viel Geld verkauft worden sind. Und heute spielen sie ganz oben mit, weil die Leute auch sagen, wow, das ist auch interessant für mich, zu so einem Verein zu gehen. Der kann auch was leisten an dieser Stelle. Und das ist eben etwas, was man sich überlegen muss. Was ist meine Strategie an der Ecke? Ich glaube, es gibt Situationen, von der habe ich früher, als ich noch Exekutiv war, auch selber gestanden. Es gab in meiner Zeit auch Mitarbeitende in bestimmten Situationen, die konnten vieles fordern und haben das auch gekriegt, weil sie entweder tatsächlich ein Solitär waren und ein bestimmtes Spezialwissen gehabt haben oder zu einem bestimmten Zeitraum einfach extrem wichtig gewesen sind. Und diese Leute haben halt einfach in diesem Moment viel Macht. Jetzt muss ich eine Entscheidung treffen und ich kann mich jetzt ganz lange damit rumtreiben, so eine Entscheidung zu treffen und ich kann mich auch ganz viel darüber ärgern, dass diese Person gerade so viel Macht hat. Es nützt nur beides nichts, es kostet nur Energie. Also insofern Entscheidung treffen und sagen, okay, brauche ich den oder brauche ich den nicht und wenn ich ihn brauche, dann werde ich vermutlich bezahlen müssen. Das ist eine ganz einfache Geschichte, da muss ich mich doch gar nicht drüber aufregen. Und auf der anderen Seite ist es eben auch die Frage, wie kann ich gute Leute ausbilden und wie kann ich gute Leute halten. Wir haben beispielsweise damals, als ich noch Geschäftsführer bei Experian gewesen bin, haben wir mal in einem Bereich eine Bewertung gemacht, dass wir angeschaut haben, wie lange sind denn die Leute da im Schnitt und wann fangen denn so diese Abwanderungsgedanken an. Und dann haben wir uns speziell Strategien überlegt, zu welchem Zeitpunkt wir diesen Mitarbeitenden, diesen wichtigen Mitarbeitenden rechtzeitig Aufmerksamkeit schenken konnten. Und unser Ziel war es immer, sozusagen die Verweildauer zu erhöhen. Und wir haben sie damals um 50 Prozent erhöhen können. Du kannst nicht auf Dauer mehr Mitarbeitende halten bei dir, wenn sie gehen wollen. Aber du kannst gucken, was du als Führungskraft und als Mitarbeiter machen kannst, als Unternehmen machen kannst, um Mitarbeitenden ein Umfeld zu geben, in dem sie sich gut fühlen, in dem aber auch diese Leistung, die sie bringen, mit dem, was sie verdienen, in einem Einklang stehen. Und ich glaube, das ist wichtig, diese Perspektive einzunehmen als Führungskraft und sich zu überlegen und nicht sich zu ärgern über diese Situation im Arbeitnehmermarkt, sich nicht darüber zu ärgern, dass da einer gerade was fordert, sondern kreativ zu werden und sich zu überlegen, was sind denn Lösungen und was kann ich daraus lernen, was kann ich auch für die anderen machen. damit wir uns in Zukunft eben diese Verweildauer im Unternehmen verlängern können. Und das ist bares Geld. Mit jedem Monat Verlängerung der Verweildauer spare ich brutal Geld.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, wenn es um das Geld geht, geht es dann wirklich ums Geld oder geht es eigentlich eher um Anerkennung manchmal auch? Weil Geld wird ja oft als ein Synonym betrachtet, also Gehalt für Wertschätzung. Was ist so deine Perspektive?

Stefan Lammers: In der Tat, meine Perspektive ist darauf, dass das Thema, dass jemand gesehen wird, Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz entscheidender Punkt, gerade in der heutigen Zeit. Wir haben uns über zwei Jahre teilweise sehr selten gesehen, durch Remote-Arbeit und Ähnliches. Und das heißt also, in den Zeiten, wo man sich sieht, ist es wichtig, auch Bilder zu schaffen und Geschichten zu schaffen, über die die Mitarbeitenden erzählen können, worauf sie auch stolz sein können und was sie auch anderen erzählen können, warum sie so einen tollen Job haben und wer sie da sind. Das heißt also, dieses Bedürfnis, dadurch, dass den Menschen weniger soziale Interaktion stattgefunden hat, ist dieses Bedürfnis einfach nochmal maximal gestiegen, in die Interaktion zu gehen. Also sieht man jetzt ja auf dem Oktoberfest oder so, wie wild die Leute da das Oktoberfest stürmen. Ja, als wenn es das noch nie vorher gegeben hätte oder sowas oder das letzte Mal stattfinden würde. Und ich glaube, das ist eine Aufgabe auch von uns Führungskräften. Ich nenne das immer eben auch Inszenierungen zu schaffen, zu gucken, wie wir Anerkennung schaffen, wie wir Wertschätzung schaffen, wie wir in den persönlichen Kontakt gehen und wie man eben zeigt, dass man gesehen wird. Und ich meine, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Manche Unternehmen versuchen das durch bestimmte Titel und versuchen das durch Karrierechancen, dass die Leute weiter aufsteigen können. Andere versuchen das übers Geld. Das sind kluge Strategien und die sind individuell von Unternehmen und Aufgabe unterschiedlich zu gestalten. Aber es ist wichtig, dass man sich darüber Gedanken macht.

Joel Kaczmarek: Und wenn wir nochmal auf das Thema Purpose kommen, weil du hast ja gesagt, 35 Prozent verlassen wegen dem Unternehmenszweck und 33 Prozent, weil die Aufgabe sinnlos ist. Was heißt das für mich als Konsequenz, als Führungskraft? Was fange ich mit dieser Information an?

Stefan Lammers: Dass ich gucken muss, ist dieser Mitarbeitende da eingesetzt, wo er wirklich sein volles Potenzial entfalten kann.

Joel Kaczmarek: Aber siehst du das wirklich auf Einzelunternehmer, also auf Einzelpersonenebene? Oder müsstest du nicht eigentlich sagen, ich setze mir regelmäßigen Tonus, dass ich unseren Zweck mal hinterfrage?

Stefan Lammers: Man muss ja immer vorsichtig sein. Für mich hat sich ja schon fast Passt zu dem, was ich vorher gesagt habe. Das Thema Purpose, Mission, Ziel und so weiter wird ja so ein bisschen wie Sau durchs Dorf getragen und es ist schon teilweise zu viel aus meiner Sicht. Das größte Wort, was dieses Jahr vermutlich das Wort des Jahres wird, ist Kaffeeküche aus meiner Sicht. Warum Kaffeeküche? Weil die Leute alle auf einmal über Kaffeeküche reden, wie wichtig diese soziale Interaktion ist. Was heißt das? Das heißt für mich, ich finde, dass das eben, und wir machen ja viele Purpose-Prozesse, dass man sich das sehr genau angucken muss. Das heißt also, Punkt Nummer eins, wofür ist der Purpose denn gedacht? Ist das ein nach außen gerichteter Purpose für unsere Kunden oder ist der für unsere Mitarbeitenden, ist der für unsere Firma? So, und dann muss ich mich, Punkt Nummer zwei, damit auseinandersetzen, was heißt das denn für jeden Einzelnen in seiner Rolle? Und natürlich hat ein Mitarbeitender in einem Unternehmen, deswegen wird ja Kultur, ist ja auch nichts, was man verordnen kann in einem Unternehmen, sondern ist das, was aus den Mitarbeitenden an Geschichten, an Erzählungen passiert. Und das ist eben genauso beim Purpose. Also man muss schon gucken, was ist denn der Purpose des Einzelnen letztendlich? Wo fühle ich mich denn angebunden? Wo fühle ich, dass ich wirksam bin, dass ich einen Beitrag leisten kann? Und insofern erschlägt nicht so ein Firmen-Purpose, dass jede Führungskraft das einfach nehmen kann und sagen kann, ja, wir streben ja jetzt alle danach. Nee, also der soll bestenfalls die Möglichkeit bieten, dass die verschiedenen Purpose in Anführungsstrichen der einzelnen Mitarbeitenden sich darunter wieder subsumieren können, dass die Leute sich da zu Hause fühlen. Aber jeder ist individuell und jeder hat seinen eigenen Purpose für sein Leben.

Joel Kaczmarek: Aber du hast insofern einen richtigen Punkt. Ich glaube, dieser Faktor Unternehmenszweck und ist meine Arbeit sinnvoll, ist gar nicht nur Purpose, sondern ist eigentlich Purpose und Kultur mit so einem Kaufmanns-und dazwischen. Und das beobachte ich immer. Also ich denke gerade so an unseren Partner Spryker, mit dem wir auch viel zusammen machen. Wenn ich mit Boris Locke und Alex Graf immer rede, dann merkst du immer, dass da auch so eine eigene Sprache drum gewoben wird. Also die haben als, wie sagt man, als Signet oder als Logo oder als, Maskottchentier, in ihrem Logo haben die so einen Onyx, also so eine Gazelle mit diesen spitzen Hörnern und die reden von ihrem Team dann immer als die Herde. Und ich finde, das macht was mit Leuten, wenn du sagst, wir sind eine Herde, weil eine Herde ist auch nochmal was anderes als ein Rudel. Eine Herde beschützt sich gegenseitig, eine Herde geht zusammen zum Essen und zum Trinken, die stehen zusammen und so und man arbeitet irgendwie als Team, während es beim Rudel mehr ums Jagen geht, mehr um dieses nach vorne hinweg. Und das finde ich, ist schon so ein Faktor, wo ich den Eindruck habe, wenn du sagen kannst, du machst irgendwas, wo du das Gefühl hast, du machst die Welt ein bisschen besser und es hat einen sinnhaften Zweck, plus du machst es mit einer Kultur in einem Zusammenhang, Kultur ist ja jetzt nicht nur so ein Bild, sondern Kultur ist ja dann auch wirklich, wie gehe ich mit Fehlern um, wie gehen wir miteinander um, wie viel Sichtbarkeit räumen wir uns ein, wie sprechen wir uns an, etc., etc. Also gefühlt ist ja Kultur eine Million Dinge, aber ich habe so das Gefühl, da kannst du eigentlich sehr viel heben.

Stefan Lammers: Ja und nein. Und trotzdem, wenn du sowas einführst, ich sage jetzt mal, du fühlst dich bei der Herde angebunden. Andere fühlen sich beim Rudel angebunden. Die Nächsten bei, wir sind ein Haufen von Individuen angebunden. Das ist eben genau dieser Punkt. Und wenn man das ernst meint, wenn man das so runtertreibt, dann passiert genau das, worüber wir uns eben unterhalten haben. Dann entdecken auch, also wenn diese Klarheit da reinkommt in diesem Moment, dann entdecken Mitarbeiter auch plötzlich, das ist nicht mehr meine Heimat. Das will ich gar nicht. Und das ist eben möglicherweise dann auch wieder ein Wechselgrund, woanders hinzugehen. Weil sie das dann in dem Moment verstehen. Also Klarheit reinzubringen ins Unternehmen heißt nicht automatisch, dass die Mitarbeiter das auch alle gut finden. Aber was damit entsteht, ist eben wieder eine Wahlmöglichkeit. und dass ich sagen kann, ey, bin ich echt hundertprozentig dabei, unterstütze ich das, möchte ich dahin. Oder aber gehe ich woanders hin? Ist es nicht mehr meine Heimat?

Und da bin ich wieder bei dem Punkt, wo ich sage, ja, das ist wie beim Coaching, was du vorhin erwähnt hast, das ist eigentlich fürs Unternehmen besser, weil die Mitarbeiter dann auch dabei sind, die da hundertprozentig zu passen. Und ich finde vielleicht draußen dann eben, je stärker ich das nach außen bringe und deutlich mache, dann auch die Mitarbeitenden, die das attraktiv finden, uns davon angezogen werden. Und das ist ja dann wiederum genau dieser Punkt auch, wo kriege ich denn neue Leute her? Weil neue Leute kriege ich meistens über Bekanntenkreis oder über Headhunter tatsächlich, also wenn wir in den oberen Positionen sind. Aber ganz, ganz viele aus dem Bekanntenkreis. Alleine aus der Soziologie, dieses gleich und gleich gesellt sich gerne. Wir haben die gleichen Interessen, wir haben die gleichen Werte beispielsweise oder ähnliches. Deswegen versteht man sich gut und unterhält sich gerne. Und das ist ja ein super Pool, den Unternehmen auch für sich nutzen können. Das wird aus meiner Sicht immer total unterschätzt. Also bei uns beispielsweise hier, unsere studentischen Mitarbeiter, die kommen alle aus einem Fachbereich hier an der Uni in Düsseldorf, wo der eine den anderen nach sich zieht und sagt, wie toll das hier ist.

Und dann kommt der nächste und ist bei uns als studentischer Mitarbeiter, weil sie eben in dieser Community unterwegs sind. Und das ist auch vielleicht einer der Punkte. Wir gehen, wenn wir auf Social Marketing, was du anfangs beschrieben hast, gehen, Dann spricht dir eine große Masse an, aber du hast noch nicht diese Verbindung zu denen. Diese Verbindung musst du dann ja erst aufbauen. Das heißt, der muss aktiv werden, auf dich zuzukommen. Wenn du aber den Bekanntenkreis, die Mitarbeitenden nutzt, dass die als Multiplikatoren wirklich aktiv unterwegs sind, da weiß derjenige schon, mit wem hat das da zu tun. Will ich das, will ich das nicht. Und da wird schon sozusagen vorverkauft, die neue Stelle. Und das finde ich einfach einen ganz spannenden Punkt.

Joel Kaczmarek: Ich habe jetzt gerade die ganze Zeit viel überlegt, welche dummen Studiengänge mir einfallen, die ich dir jetzt als Namen hinschmeiße, wo du deine Leute rekrutierst. Love Studies.

Stefan Lammers: Fast alle aus der Psychologie. Oh ja, guck.

Joel Kaczmarek: Ist ja Love Studies gar nicht so schlecht. Aber weißt du, was ja das Spannende ist? Eigentlich haben wir ja dann was ganz Interessantes gerade aufgetan, bevor wir uns auf weitere Ursachen noch stützen. Nämlich, eigentlich muss man darüber nachdenken, wenn wir über Bequit reden, dass es gar nicht darum geht, partout die Verweildauer aller Mitarbeitenden zu erhöhen, sondern die Verweildauer der Richtigen zu erhöhen und der Falschen zu verringern.

Stefan Lammers: Ja, ganz genau. Also nicht gleich weinen, wenn einer geht, kann auch der Richtige sein, der da gerade geht.

Joel Kaczmarek: Was habt ihr denn da für so Assessment, dass man so ein Feeling kriegt, mal seine Mitarbeitenden schafft anzugucken und zu sagen, wir gleichen mal ab, wer passt eigentlich wirklich zu uns und wer ist im Soll? Hast du da irgendwie so ein Werkzeug?

Stefan Lammers: Tatsächlich arbeiten wir in dem Bereich mit Hogan in der Regel zusammen. Da gibt es unterschiedliche Befragungen auch zu unterschiedlichen Themen. Und da erarbeiten wir in der Regel mit den Unternehmen zusammen ein Portfolio, wo wir sagen, das ist so der ideal Mitarbeitende, den wir da brauchen. Das sollte ja an Werten, an Themen sozusagen mitbringen und das kann man dann gut entsprechend testen. und kann darüber ins Gespräch kommen. Also für uns ist das nicht immer, dass ein Test automatisch etwas alleine entscheiden sollte, weil das ist eine Hilfe, um in ein gutes Gespräch reinzukommen und da nochmal genauer nachzufragen. Und was Unternehmen von uns auch teilweise machen, dass die dann sogar für, also das wird nicht für jeden, das wird nicht in der Masse eingesetzt. Also Es wird eingesetzt, wenn Führungskräfte eingestellt werden. Es wird eingesetzt, wenn ich ganz spezielle Mitarbeiter haben will. Und wir sagen den Unternehmen, empfehlen ihnen das und wird auch oft angenommen, dass die auch mit den Kandidaten auch gegebenenfalls dann nicht die Stelle kriegen, auch noch auf deren Kosten ein kurzes Auswertungsgespräch machen, auch nochmal für den Bewerber. Und das wird natürlich auch honoriert. Da erzählen die auch drüber in dem Moment wieder. Das heißt, das ist natürlich einfach auch eine Investition in gute Qualität von Bewerbungsgesprächen. Und das wird honoriert. Und vielleicht kommt der nicht, aber vielleicht kommt sein Freund. oder seine Freundin.

Joel Kaczmarek: Ach, das ist ja interessant. Ich habe auch immer so eine Denke bei Off-Boardings und so. Verabschiede dich besser, als du dich sozusagen begrüßt.

Stefan Lammers: Ich meine, wenn du dich schon zum Gespräch eingeladen hast, sind die ja gut. Du willst ja was von denen. Und die haben auch wieder eine Community. Und das ist zum Beispiel was, wo du wieder eine Unterscheidung machen kannst. Die erzählen wieder die Geschichte darüber. Weißt du, was mir passiert ist? Ich habe da zwar nicht den Job bekommen und so weiter, aber die haben trotzdem noch für mich das gemacht. Das erzählt man doch. Und da werden andere neugierig und sagen, hey, was ist denn das für eine Firma? Erzähl mal.

Joel Kaczmarek: Okay, und jetzt hattest du ja gesagt, 28,4 Prozent aller Menschen, die schon einen Job in Aussicht haben, wechseln wegen Führungskräfte und sogar jeder Zweite kündigt, ohne überhaupt schon was Neues zu haben. Wieder auch da die Frage, was fange ich damit an, mit diesem Umstand als Führungskraft aller Führungskräfte? Was soll ich tun, damit mir sowas nicht passiert?

Stefan Lammers: Was ich machen sollte, ist tatsächlich, teilweise haben wir es ja schon angesprochen, tatsächlich im Kontakt sein mit den Mitarbeitenden. Ich hatte gerade ein Gespräch mit einer ehemaligen Mitarbeiterin von mir, die erzählte, Das Thema Homeoffice möchte ich jetzt mal als Beispiel nehmen. Das ist hier übrigens auch genannt. Da komme ich gleich dann nochmal drauf. Die haben in dem Unternehmen bisher zeitweise remote gearbeitet. Die Chefs möchten jetzt wieder, dass die Mitarbeitenden alle zurückkommen. Und die Mitarbeitenden möchten das aber nicht. Und der Chef sagt eben, ja, aber hier können wir viel besser zusammenarbeiten. Hier können wir super in der Kommunikation sein. Und das ist alles ganz klasse. Und dann erzählt sie mir ja, der Chef hat letztens, als ich im Büro war, neben mir gesessen am Schreibtisch den ganzen Tag und hat am ganzen Tag mit mir kein Wort gewechselt. Und ich habe ihn irgendwann gefragt, ob er einen Kaffee haben möchte, ob ich ihm was mitbringen soll und so weiter. Da hat er gesagt, nee, danke. Das war die Kommunikation über den ganzen Tag. Das ist eben nicht in der Community sein, an einem Schreibtisch sitzen neben den anderen und nicht mit denen reden. Das kann ich auch genauso gut remote machen und so weiter, sondern es geht immer darum, in Kontakt zu sein.

Und das ist die Aufgabe von Führungskräften, am Puls zu sein, bei den Mitarbeitenden dran zu sein, zu gucken, wie man sie unterstützt, wie man weiterhelfen kann, Lösungen finden kann und Ähnliches. Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Genauso, was aus meiner Sicht nicht gut gemacht wird von vielen Führungskräften, ist jetzt auch gerade mit der Einführung von Selbstverantwortung und Agilität, dass das so schön gesagt wird, dass in Unternehmen teilweise zum einen aufgrund der Demografie Mitarbeitende fehlen, zum anderen auch Personaleinsparungen gemacht werden. Und das soll dann auf einmal über agile Arbeitsweisen und so weiter gelöst werden. Und das, wo man sich gar nicht hinterfragt, ob eine agile Arbeitsweise an dieser Stelle überhaupt Sinn macht. wo man den Leuten auch nicht verhilft, denen das Wissen aufzubauen, was braucht man überhaupt dazu, wie findet das denn überhaupt statt. Die werden komplett alleine gelassen, erlebe ich immer wieder.

Und dann kommt es, dass eigentlich die Verantwortung nur übertragen wird. Dabei bleibt es dann am Ende. Und wenn dann irgendwas nicht läuft, heißt es, du hast es nicht hingekriegt. Und es wird dann jemand nur noch abgewertet. Und das ist eben so schade. Da wird viel Potenzial verschenkt. finde ich das dann auch zurecht, wenn Mitarbeitende gehen, weil da nicht ein Umfeld geschaffen wird, wo die aufblühen können und wo die ihre Potenziale wirklich entfalten können. Und ich glaube, das ist ein Riesenfeld, gerade jetzt in den Unternehmen, auch in mittelständischen Unternehmen, wo New Work oder auch in Konzernen, wo New Work Ansätze drin sind, wo teilweise überhaupt nicht darüber nachgedacht wird, wo passen die denn überhaupt? Haben wir die Mitarbeitenden dazu? Haben wir die Mitarbeitenden dazu qualifiziert? Haben die auch gesagt, dass sie das wollen und dass sie diese Rolle übernehmen wollen, sondern dass das verordnet wird und dass Mitarbeitende daran keinen Gefallen finden? Das ist noch milder ausgedrückt, sondern vielfach sich völlig im Stich gelassen fühlen. Und das ist natürlich dann eine Hilflosigkeit, die dann heißt, okay, ich werde hier alleine gelassen und das ist dann auch ein typischer Jobgrund, weil das ja am Ende auch auf Kosten beispielsweise der Gesundheit geht, Burnout oder ähnliches sind dann oftmals Hilferufe, um aus einer Rolle wieder rauszukommen, aus einer Nummer rauszukommen.

Joel Kaczmarek: Also ich nehme jetzt mal Folgendes mit. Auf der einen Seite finde ich, könnte man über sowas nachdenken, auch wie so Zufriedenheitsumfragen wäre vielleicht ein Werkzeug. Das andere, was du gerade gesagt hast, ist in Kontakt sein. Hast du Beispiele für Mittel, wie man das tun kann? Also ich höre mal so ganz viel die digitale Kaffeeküche. oder wir haben bei Slack jetzt einen Kanal für Sportverabredungen zu virtuellem Yoga oder weiß ich nicht, einmal All Hands Meeting per Zoom pro Woche. Was ist denn so dein kleines Einmaleins des Kontaktschaffens, gerade in digitalen Zeiten?

Stefan Lammers: Also dazu nochmal vorweg, dass bei den Mitarbeitenden, die gehen, 20 Prozent und bei den Mitarbeitenden, die ohne ein neues Jobangebot gehen, 30 Prozent gehen deswegen, weil sie mit der Homeoffice-Regelung unzufrieden sind. Also nur mal so, liebe Arbeitgeber. Homeoffice ist ganz vielen Leuten sehr, sehr wichtig in der Zwischenzeit und auch da respektieren, dass das da ist. Und das führt mich auch gleich wieder zu der Antwort, was du gerade gefragt hast. Wenn ihr Befragungen macht, egal in welche Richtung die geht, dann macht die nur, wenn ihr bereit seid, da auch aus den Ergebnissen Ableitungen zu machen und Veränderungen herbeizuführen. Alles andere wird ein riesiger Rohrkrepierer. Also wenn man eine Befragung startet und man macht sozusagen, also deswegen ist es auch wichtig, also es gibt ganz viele Tools ja, die man jetzt online haben kann, um Befragungen zu starten. Lasst euch dabei beraten, wie eine gute Befragung aufgebaut ist. Weil ihr eröffnet sonst gegebenenfalls die Büchse der Pandora. Die Leute wünschen sich was, die Leute thematisieren, was ihnen wichtig ist. Und am Ende wisst ihr aber vielleicht schon vorher, dass ihr ihnen das niemals erlauben könnt und dass ihr das niemals machen könnt. Und wenn aber dieser Wunsch abgefragt wird und die Mitarbeitenden das gesagt haben, dass ihnen das wichtig ist und ihr müsst denen dann hinterher sagen, aber wir wollen das nicht oder wir können das nicht oder was auch immer, dann ist natürlich das Frustrationserlebnis vorprogrammiert. Also insofern ist es ganz, ganz wichtig, nicht nur einfach blind eine Befragung zu starten, sondern sich Gedanken zu machen, wie weit kann das denn gehen? Was ist denn der Rahmen? Was kann ich denn überhaupt schon mitgeben, in welchem Rahmen gedacht werden darf? Was ist denn überhaupt möglich bei uns? Und wenn bei uns gerade nichts möglich ist und wenn bei uns auch nicht die Bereitschaft ist, irgendwas zu verändern am Führungsverhalten, an irgendwelchen Sozialleistungen oder was auch immer da für Dinge genannt werden, dann sollte ich besser keine Befragung machen, weil sonst kommen die Dinge erstmal richtig nach oben. Ich weiß nicht, ob das der beste Tipp ist, aber Punkt. Du weißt, was ich meine. Zurück zu der anderen Frage nochmal mit der Geschichte mit der Kaffeeküche virtuell. Um Vertrauen aufzubauen, ist es für das menschliche Gehirn total wichtig, dass man sich persönlich sieht zwischendurch. Wie bei uns beiden. Wir machen unsere Podcasts meistens remote. Und irgendwann sehen wir uns in irgendeinem Park in Berlin oder was auch immer und gucken uns mal wieder in die Augen und machen ein wunderschönes Foto von uns.

Joel Kaczmarek: Und saufen Bier, wollte ich gerade sagen.

Stefan Lammers: Was auch immer. Aber es gibt sofort diese Verbindung und die Neuronen schießen oder wer auch immer und du merkst einfach, wow, da ist was. Und das hält wieder für eine Zeit vor. Und das ist wichtig, immer wieder auch diese Zeit zu bringen und das heißt also auch diese aktiven Begegnungen zu schaffen. Und unsere Empfehlung, aber das muss auch wieder jeder für sich individuell sehen, ist in der Regel, dass man sich regelmäßig trifft. Also ich sage jetzt mal für Full Remote Unternehmen mag das monatlich, zweimonatlich oder ähnliches sein und dann eben über einen längeren Zeitraum zu treffen. und dann sagen wir immer so, Eine 60-40-Regelung, 40 Prozent sich derzeit mit Arbeitsthemen beschäftigen und 60 Prozent mit Socializing. Das ist mal so eine Faustformel, mit der wir da des Öfteren reingehen und bei anderen Unternehmen ist es ähnlich. Also wenn ich drei Tage Homeoffice erlaube und wir sehen uns zwei Tage und das ist ja meistens noch versetzt. Das ist ja nicht alle, dass die von Montags bis Mittwochs Homeoffice dann machen und dann Donnerstag. Also schafft auch Räume, wo sich die Menschen wieder begegnen regelmäßig und wo man auch einen kreativen Austausch miteinander initiiert, dass die Leute einfach wieder ein Gefühl füreinander kriegen und das Vertrauen auch untereinander wächst. Weil das ist eine der Gefahren vom Homeoffice, dass ich sozusagen zu Hause dieses Vertrauen nicht mehr habe und dann mag ich den anderen auch nicht plötzlich anrufen, weil ich denke, ich störe oder ich mag was Unangenehmes nicht sagen, weil ich kein Gefühl mehr für den anderen entwickeln kann. Also viel Zeit auch geben für die persönliche Begegnung. Weil dadurch entsteht am Ende Vertrauen.

Joel Kaczmarek: Und der Punkt, den du gerade gesagt hast, frag nicht, wenn du die Antwort nicht hören willst. Das lässt sich ja ganz spannend mit Remote Work auch kombinieren. Weil ich glaube, es gibt ziemlich viele Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden fragen, hey, würdest du lieber aus dem Büro Hybrid oder Remote arbeiten? Oder wie viele Tage würdest du gerne Remote arbeiten? Und dann sagen die, ja, ich möchte unbedingt Remote, am besten vier Tage oder fünf. Und dann kriegen sie einen Monat angeboten oder so und zack, sind sie weg. Genau. Auf der anderen Seite staune ich beim Thema Remotes ein bisschen. Ich habe lustigerweise so einen Film neulich gesehen, auf Netflix kam der. Der hieß Locked Down. Also wieder Locked Down, aber Locked als Adjektiv. Also du bist quasi eingesperrt.

Stefan Lammers: Aber nicht über China, oder?

Joel Kaczmarek: Nee, mit Anne Hathaway. Das stimmt, könnte auch sein. Nee, mit Anne Hathaway und diesem einen schwarzen Schauspieler, der so einen ungesprächlichen Namen hat. Muss ich nochmal nachschlagen gleich. Und das ist ganz lustig gemacht, weil ich weiß nicht, was für ein Bild du von Anne Hathaway hast, aber für mich sieht die immer aus so wie in Der Teufel trägt Prada, so mit perfektem Kleid, Cocktailkleid von Chanel. Und du siehst sozusagen so diesen Lockdown-Situation zu Corona. Mhm. Der Klassiker, ne? Bis zur Hüfte, Kostüm und perfekt geschminkt und die Haare und dann steht sie auf und hat eine Jogginghose an. Und du siehst so, du kannst diesen Prozess beobachten, wie die immer weiter kaputt geht, weil sie halt zu Hause ist und muss Dinge tun, die sie ankotzen. So, Leute werden gefeuert und im Vorwand von Corona in Wirklichkeit wollen die Chefs mehr Bonus zahlen und so weiter. Und worauf ich jetzt hinaus will, als langen Monolog dahinführend ist, Eigentlich hat ja die Erfahrung gezeigt, dass Homeoffice für viele Mitarbeitende eigentlich mehr Anspannung, mehr Stress bewirkt, weil du zum Beispiel, wenn du jetzt sagst, du musst jetzt irgendwie von Bonn nach Köln pendeln zu deinem Arbeitgeber oder so. Ich höre das ganz oft. oder neulich hat jemand zu mir gesagt, ich bin von Berlin nach München, pendel ich immer jeden Tag, jede Woche und ich vermisse es mittlerweile, diese Ruhezeiten zu haben, weil zu Hause bin ich nur noch getaktet, bis der Arzt kommt. Warum ist es trotzdem so wichtig, dass Leute kündigen, weil sie remote nicht ausreichend wiedergefunden kriegen?

Stefan Lammers: In einer Firma, wo kein Remote wäre, würde ich auch kündigen. Und ich höre das eben auch viel von den Mitarbeitenden, die remote gerne arbeiten, weil diese Zeit, um tief einzusteigen in Themen, einfach viel, viel besser ist oftmals als in einer Firma. Du hast ja, wenn du einmal in einer Konzentrationsphase bist und du wirst in dieser Konzentrationsphase gestört, brauchst du ungefähr 20, 25 Minuten, bis du das gleiche Level der Konzentration wieder erreicht hast. Also je weniger Störungen, umso besser. Und jetzt bin ich einfach dabei. Als wir in Präsenz gearbeitet haben vor Corona, da hatten wir alle unsere Rhythmen und wir hatten unsere Rituale und wir wussten irgendwie, wie wir mit den Dingen umgehen. So, dann haben wir Corona gehandelt. Aber wir sind da eine Zeit lang anders mit umgegangen und es hat auch eben solche Sachen gegeben wie Lockdowns oder ähnliches. Das heißt, wir sind plötzlich in eine Situation geworfen worden, die wir vorher nicht kannten. Und jetzt musste sich jeder in irgendeiner Form erst mal zurecht rütteln. Aber alle hatten in diesem Zeitraum immer noch den gleichen Rhythmus. Alle waren entweder zu Hause oder alle waren entweder im Büro oder wie auch immer. Das heißt also, es war sozusagen eine Gleichheit unter den Leuten da und man hat auch unter diesem Aspekt, das ist für einen gewissen Zeitraum, hat man sich auch in irgendeiner Form arrangiert. Jetzt haben wir die nächste Phase aus meiner Sicht, nämlich diese Phase, diese hybride Phase, wo wir feststellen, das kann länger dauern. Kann länger dauern in der Form von für viele Menschen, dass sie sagen, das darf und soll auch länger dauern. Ich finde das grundsätzlich gut. Und jetzt kommt aber, dass wir bisher noch nicht gelernt hatten, wie gehen wir denn jetzt mit dieser Situation um, dass ich jetzt möglicherweise tatsächlich zwei oder drei Tage in dem Büro sitze und wie strukturiere ich mich da? Wie mache ich das jetzt? Zwei Jahre lang habe ich das möglicherweise gemacht, dass ich zwischendurch einkaufen gegangen bin und dass ich noch das erledigt habe und sonst irgendetwas. Das ist ja irgendwann mal ein Stück weit durch, dass wir feststellen, okay, es braucht eine andere Form der Arbeitsorganisation an diesen Tagen. Und jetzt mal ganz ehrlich, ich verstehe ja dieses Thema mit den eine Stunde im Auto zu setzen und konzentriert zu sein oder abzuschalten oder was auch immer. Ja, in Gottes Namen, was hindert mich denn daran, das für mich zu machen an jedem Tag in irgendeiner Form? Als Ritual für mich einzuführen. Führ es doch ein, würde ich der Person in diesem Moment einfach sagen. oder mach was auch immer und lies ein Buch, mach was, was dir gut tut in dieser Stunde, wenn sie dir fehlt. Und ich glaube, das ist etwas, wo wir so schablonenhaft oder schubladenmäßig oftmals denken. Ich habe entweder das oder das. Lass uns kreativ sein. Lass uns gucken, wie kann ich das hinkriegen, dass ich dieses Gefühl wieder für mich kriege, was ich sonst in einem Zug habe oder was ich sonst im ÖPNV habe. Lass doch gucken, wie ich das für mich hinkriege, dass ich das gut mache. Und ich glaube, es braucht Bewusstsein dafür. Das nicht einfach so pauschal zu sehen, sondern sich da Gedanken darüber zu machen, hey, okay, ich habe Bock darauf, remote zu arbeiten. Oder bei uns in der Firma wird remote gearbeitet. Lass mich doch mal gucken, was ist denn mein remote für mich? Wie kann das denn für mich so gestaltet werden, dass ich das richtig gut finde? Und ich kenne jede Menge Leute, die das richtig gut machen für sich. und auch richtig gut gestalten und da richtig Bock drauf haben. Und das sind dann vermutlich auch Teile der 20 Prozent, die dann sagen, hey, wenn es das beispielsweise nicht mehr für mich gibt, dann ist das nicht mehr die richtige Firma. Und für mich ist es Lebenszeit. Also ich meine, das weißt du, ich arbeite fast mein Leben lang von zu Hause aus, wenn es eben geht. Ich habe das eine Zeit lang gehabt im Beruf, dass ich morgens eine Stunde hin und eine Stunde wieder zurück. Das sind zwei Stunden am Tag, die ich rausschmeiße. 200 Tage im Jahr, das sind 400 Stunden, das ist meine Sicht darauf, 400 Stunden Lebenszeit im Jahr, die ich rausschmeiße für nichts. Da bin ich doch lieber zu Hause und mache die kreativ. Aber da gibt es kein richtig und kein falsch. Ich muss mich fragen, was ist mein Job oder meine Aufgabe als Unternehmen? Welche Mitarbeitenden möchte ich haben? Und wie kann ich das gut gestalten? Und ich glaube, das ist ein hoher Anspruch auch an Führungskräfte, individuelle Entscheidungen zu treffen, beziehungsweise die eben auch im Team gemeinsam zu treffen.

Joel Kaczmarek: Ich habe noch nie so tief darüber nachgedacht, aber ich glaube, da geht es ja auch ein Stück weit um Sichtbarkeit oder auch Unsichtbarkeit. Weil das Ding ist ja folgendes, wenn du dir eine Zugfahrt vorstellst, die vier Stunden dauert und du dort entspannen kannst, weil du kein Internet hast und kannst Sachen in Ruhe abarbeiten, dann heißt es ja eigentlich nichts anderes als Ich habe eine gute Erklärung nach außen, warum ich nicht in dem Hamsterradmodus bin, den man sonst vermeintlich von mir erwartet oder unter dessen Druck ich mich setze, weil ich muss den Zug nehmen. Das ist sozusagen eine Notwendigkeit, die ich nicht wegdiskutieren kann. Und das Internet ist schlecht dort, da kann ich nichts dran ändern. Also habe ich sozusagen zwei Begründungen. Und ich denke gerade so an mich, bei mir ist es auch so, unser Büro ist zehn Minuten von meinem Zuhause entfernt und ich bin sehr, sehr froh, dass es getrennte Orte sind. Aber ich bin auch sehr froh, dass ich hier keine Fresse außer der von meiner Frau sehe, hafflafsig gesagt. Weil du hast so deine eigene Pace, du wirst nicht abgelenkt, aber du hast eine örtliche Trennung zwischen deinem Heimleben und deinem Schaffensleben.

Stefan Lammers: Und bei mir ist es ähnlich, nur ich brauche diese Trennung nicht. Und meine Frau glücklicherweise auch nicht. Wir haben es beide von den Eltern schon so gehabt, dass die von zu Hause aus gearbeitet haben. Wir sind so aufgewachsen, wir finden das total klasse, eben diese Flexibilität zu haben, tagsüber mal irgendwie gemeinsam auf den Markt zu gehen und dafür eben abends oder am Wochenende zu arbeiten. Und diese Flexibilität ist hier so gegeben. Und du bist da nicht falsch, die anderen sind da nicht falsch, ich bin da nicht falsch, sondern es ist die individuelle Entscheidung und die bestmögliche Qualität, das für sich selbst zu organisieren in irgendeiner Form.

Joel Kaczmarek: Haben wir noch wichtige Gründe vergessen? Also ich fasse nochmal zusammen. Du hast gesagt, 28,4% derjenigen, die schon eine neue Jobstelle haben, kündigen wegen Führungskräften, 50% die, die einfach so gehen, 33% finden ihre Arbeit sinnlos, 35%. Prozent den Unternehmenszweck nicht mehr passen, 62,6 Prozent gehen wegen Geld und 20 beziehungsweise 30 Prozent, je nachdem, ob du die betrachtest, die schon ein Jobziel haben oder noch nicht, gehen wegen der Homeoffice-Regelung. Gibt es noch Dinge, die wir vergessen haben?

Stefan Lammers: Ne, das sind so die wichtigsten Themen, die dabei eine Rolle spielen, ne?

Joel Kaczmarek: Und dann hätte ich noch eine abschließende Frage an dich, als jetzt sozusagen Ausleitung. Wir reden jetzt immer von gehenden Mitarbeitenden, the big quit, als wenn es alle Ebenen gleichmäßig betrifft und als wenn es bei allen gleich wichtig ist. Was ist denn so deine Betrachtung? Ist es vor allem auf Ebenen, wo du Führungskräfte hast oder wo du Spezialisten hast, wo das passiert? Passiert das auf allen Ebenen? Muss ich mir um jede Ebene gleich viel Sorgen machen? Oder wie würdest du empfehlen, selektiere ich jetzt als Führungskraft mal, wo ich meinen Aufmerksamkeitslevel drauflege?

Stefan Lammers: Also das ist jetzt wirklich eine sehr persönliche Sicht darauf, weil ich habe jetzt auch keine Unterscheidung hier in der Befragung, wer da befragt worden ist. Meine persönliche Sorge wirklich an der Stelle ist, dass es in vielen Arbeitsbereichen, die nicht Führungskräfte betreffen, für uns den größten Impact haben wird, weil da einfach die Masse der Menschen beschäftigt ist. Und wenn ich die Demografie gerade in den Konzernen sehe, wie viele Leute mit wichtigen Erfahrungen, teils auf Sachbearbeiter-Level, sage ich jetzt mal, gehen in Zukunft. Da habe ich große Sorge, wie das wieder aufgefüllt werden soll. Also wo sollen die Leute herkommen? Wie wird das Wissen auch gesichert? Und wie wird dafür gesorgt, dass da, ob das Produktionsabläufe sind, die reibungslos laufen müssen, ob das Abläufe in den Dienstleistungen sind. Das macht mir wirklich große Sorgen. Also insofern glaube ich, dass das Thema der Arbeitsverfügbarkeit von Menschen, Dort noch eine viel größere Rolle spielt, wobei hingegen wir das anders wahrnehmen, weil wenn wir uns gerade viel mit Startups oder auch mit Führungskräften beschäftigen, dann haben wir ja oftmals mit Spezialisten zu tun, die eine besondere Qualität haben in irgendeiner Form. Und da ist einfach die Frage, das Thema der Menge auch ein Thema. Die Spezialisten werden weniger. Also was heißt denn das für Startups? Haben die auch irgendwann die Bereitschaft, doch ältere Mitarbeitende einzustellen? Und die Frage ist

Joel Kaczmarek: Ah, böse Klischees hier.

Stefan Lammers: Ja, böses Klischee, ich weiß. Aber ich weiß, wie viele Startups da auch Probleme mit haben, wenn sie ältere Mitarbeitende einstellen, dass es da zum Culture Clash an manchen Ecken kommt. Und gerade auch, wenn die in der Führung eingestellt werden. Und das ist ein wichtiges Thema, da gute Lösungen zu finden und voneinander zu profitieren und nicht übereinander zu reden. Und ich glaube auch eben das Thema, wie viele Leute werden gut gebildet. Das wird für uns noch ein viel, viel größeres Thema in der Zukunft. Und die Gefahr ist, die ich auch sehe, ist eben, das hatte ich ja vorhin mal kurz angedeutet, wenn wir hier in Europa schlechtere Aussichten haben, ist für mich die Frage, ob andere Märkte möglicherweise für diese Leute auch interessanter werden, die richtig gut gebildet sind. Auch eine kleine Sorge, die ich da noch ein bisschen mit mir umtrage. Also insofern liegt da viel für uns an, dass wir uns weiterentwickeln müssen. Ich möchte an der Stelle eigentlich mit einer Grafik oder mit einem Thema, mit einer Aussage nochmal enden wollen, wenn wir so langsam zu Ende kommen. Da ist nämlich eine Frage gewesen und die fand ich ganz spannend, nämlich die Frage, hätten Arbeitgeber die Kündigung verhindern können? Und die haben 47,9 Prozent mit Ja beantwortet. Also jeder Zweite sagt, wenn der Arbeitgeber alles richtig gemacht hätte, hätte er diese Kündigung verhindern können. Das möchte ich nochmal als Aufruf verstehen, sich in Führung weiterzuentwickeln, sich darüber Gedanken zu machen und nicht abzulehnen, alles, was an Forderungen heute gestellt wird, sondern zu gucken, wie man das gut kanalisiert, also wie man Forderungen auch als Chancen begreift, Interessen als Chancen begreift und sich immer wieder Gedanken macht, was man mit dieser Kreativität auch von jungen Leuten, die vielleicht anders an Dinge rangehen als andere, eben nutzt, um das Unternehmen noch besser zu machen.

Joel Kaczmarek: Guck mal, das ist doch ein gutes Stichwort. Dann gibt es von mir gar keine Blödeleien am Ende, sondern das lassen wir mal so stehen. Lieber Stefan, auf das unsere nächste Pause nicht zu lang wird und vielen, vielen Dank für heute.

Stefan Lammers: Sehr gerne.

Mehr zum Thema

Leadership

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Leadership: Dazu spricht Joel regelmäßig mit Stefan Lammers von SLBB, der auf die Entwicklung von High Performance Teams spezialisiert ist. Du bist hier genau richtig, wenn du auch zur High Performance Führungskraft werden und erfahren willst, welche Potenziale in deiner Führung stecken. Ob für dein gesamtes Unternehmen oder für dein Team – mit diesem Podcast katapultierst du deinen Führungsstil auf ein neues Level.