Wie Algorithmen die Werbeindustrie verändern

21. Oktober 2019, mit Erik Pfannmöller

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Erik Pfannmöller: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen AI-Unplugged-Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Erik Pfannmöller, Gründer und CEO von SolveMate. SolveMate automatisiert den Kundenservice. Mit unserer KI-basierten Plattform bauen und trainieren sich unsere B2B-Kunden-Chatbots, mit denen ihre Endkonsumenten Kundenanfragen in Sekundenschnelle rund um die Uhr selbst lösen können. Wie immer bei ARN Plugged erklären wir Alltagsthemen rund um das Thema KI einfach und für jedermann verständlich. Heute geht es bei uns in der aktuellen Folge um das Thema KI und digitale Werbung. Dazu habe ich bei mir Alain Blankenburg-Schröder, VP Product Management bei Smarto. Alain ist verantwortlich für die Produktstrategie und für die Produktweiterentwicklung von Smarto, einer Online-Advertising-Plattform. Aber bevor ich das jetzt weiter sage, Alain, wer bist du, was machst du? Stell dich doch mal kurz vor.

Alain Blankenburg-Schröder: Ja, hi, Alain Blankenburg-Schröder. Ich bin im Datenbereich seit Jahren unterwegs, bei Smarto allerdings erst seit vier Jahren. Vorher unter anderem kurz einen Abschnitt im Gaming gehabt und vorher nochmal sechs Jahre im Consulting, IBM Global Business Services. Business Analytics und Optimization, ach Gott, das ist zu kompliziert.

Erik Pfannmöller: Du bist Experte auf dem Gebiet Programmatic Advertising und du arbeitest bei Smarto. Und ich habe schon gehört, du hast mir gesagt im Vorgespräch, du hast deine Diplomarbeit über Data Mining geschrieben, hast viele Jahre im Bereich Big Data gearbeitet. Was hat Marketing mit Big Data zu tun?

Alain Blankenburg-Schröder: Alles. Wir haben Online-Auktionen, Realtime-Auktionen. Das heißt, wir sehen um die 30 Milliarden, 40 Milliarden Auktionen am Tag. Anfragen, die reinkommen für eine Werbung, die jetzt in dem Moment angezeigt werden soll. Wir führen eine Option durch, leiten diese Anfrage dementsprechend einen Vielzahl an Bietern, potenziellen Bietern weiter. Somit haben wir natürlich schon alleine dadurch, durch die Zahlen, die ich gerade genannt habe, es mit Big Data zu tun, einfach vom Volumen her. Da gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen. sowohl auf unserer Seite, auf der Publisher-Seite, also diejenigen, die Werbung anzeigen wollen, als auch diejenigen, die die Werbung selber haben, betreiben. Teilweise auch noch optimieren auf den jeweiligen, der gerade die Werbung angezeigt bekommt.

Erik Pfannmöller: Das ist ein hochspannendes Thema, weil wir unglaublich viele Daten haben. Und wo natürlich viele Daten sind, da kann man mit Algorithmen und mit KI und technischen Lösungen sehr viel optimieren. Das heißt, Smarto, bei der Firma, bei der du arbeitest, ihr seid eine Auktionsplattform für Werbung. Habe ich das richtig verstanden? Beschreib mal kurz, was das ist und was Smarto macht.

Alain Blankenburg-Schröder: Wir sind ein Primary-Ad-Server mit einer Online-Auktion, also einem Exchange. Das heißt, wir kümmern uns a um Setup, welche Werbung wird angezeigt, wie wird sie angezeigt, ist es eine direkte Kampagne, also wo ein Publisher seine Werbung selber vermittelt hat und bekommen hat, also stellt sie selber ein, oder lösen wir das Ganze programmatisch. Wir fragen also eine Vielzahl von Partnern an und da sind wir dann der Exchange, wo wir eben bis zu 100 verschiedene Partner zeitgleich anfragen.

Erik Pfannmöller: Es geht also um Werbung im Netz. Ich habe verstanden, dass ihr euch sozusagen auf In-App-Werbung fokussiert. Das heißt, wenn ich mein Smartphone in der Hand habe, egal ob Android oder iOS, und mir Werbung angezeigt wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr irgendwie entschieden habt, diese Werbung mir auszuspielen oder die Werbung vermittelt habt an den Werbetreibenden.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau, wir sind die Plattform, die die Werbung vermittelt. Wir entscheiden natürlich auch, wer dann hinterher der Gewinner ist und sozusagen anzeigen darf. Wir sind aber nicht derjenige, der die eigentliche Werbung ausspielt, beziehungsweise entscheidet, ob du, der jetzt gerade deine App benutzt, derjenige bist, der diese Werbung ansehen sollte. Dafür gibt es spezialisierte Plattformen, die das wiederum selber betreiben.

Erik Pfannmöller: Ich glaube, wir müssen gleich mal ein paar Begriffe definieren. Wir fangen ja meistens bei AI Unplugged mit Definitionsbegriffen an. Ich fange mal an mit den Wörtern Publisher, Advertiser, User, Werbeplatz und Programmatic Advertising. Vielleicht fangen wir einmal von vorne bis hinten mit einer kleinen Definition an und dann können wir uns daran langhangeln und warum eigentlich Algorithmen da drin sind und was die eigentlich tun und warum das so gut ist. Was ist ein Publisher, was ist ein Advertiser?

Alain Blankenburg-Schröder: Fangen wir mal mit den Basics an. Der Publisher ist derjenige, der die App entwickelt hat, sie rausbringt, sich dazu entschlossen hat, zumindest ein gewisses Maß an Geld durch Werbeplätze wieder hereinzubekommen. Das heißt, er bietet einen Werbeplatz an, wo eine Werbung angezeigt wird.

Erik Pfannmöller: Wie die Wetter-App auf meinem Telefon zum Beispiel.

Alain Blankenburg-Schröder: Wie die Wetter-App, wie eine Second-Hand-Auktionsplattform, ein Vermittler, alles Mögliche, was in irgendeiner Form werbefinanziert ist.

Erik Pfannmöller: Der User bin ich, der Nutzer, der die Wetter-App benutzt.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau, das ist der End-User, wenn man es genauer nimmt. Der User hat natürlich selber ein Interesse daran, weil er dadurch eine App bekommt, sie zumindest testen kann für gratis, muss kein Abonnement abschließen oder schon mal im Voraus eine größere Menge Geld bezahlen.

Erik Pfannmöller: Man sagt ja, wenn die App nichts kostet, ist man selbst das Produkt. In dem Fall habe ich heute in meiner Wetter-App eine Werbung für Rasenmäher gesehen, für so kleine elektrische Rasenmäher-Roboter und Ich weiß nicht, warum ich die gesehen habe. Also ich denke, ich weiß warum, weil ich mich letztens darüber informiert habe. Woanders. Aber wenn ich die App umsonst kriege, bin ich das Produkt. Ich schaue mir Werbung an. Da gibt es Freemium-Modelle und andere Sachen. Dazu kommen wir später noch. Ich bin der User. Und der Advertiser ist auch in dem Fall die Rasenmäher-Firma, die mir den kleinen Rasenmäher-Roboter verkaufen will. Korrekt?

Alain Blankenburg-Schröder: Sehr wahrscheinlich. Kann natürlich auch ein Zwischenhändler sein, der jetzt gerade auf seine Seite aufmerksam machen möchte. Ein großer E-Commerce-Händler nennen wir das mal. Gibt es ja auch genügend hier in Deutschland, die jetzt vielleicht das dann auch vermieten wollen. Aber grundsätzlich gibt es diesen Werbetreibenden, der selber natürlich das Geschäft mit dir machen möchte. Die Werbetreibenden sind da natürlich sehr darauf bedacht, möglichst wenig Geld auszugeben, um einen möglichst hohen Effekt zu erreichen. Das heißt, ich kann jetzt entweder über Algorithmen anfangen zu optimieren oder über zusätzliche Daten. Man ist selber das Produkt so ein bisschen dabei. Es gibt spezialisierte Plattformen, die wiederum dann auch Daten anbieten, die so generalisierte statistische Daten mit anbieten. Also zum Beispiel besitzt ein Haus einen Vorgarten.

Erik Pfannmöller: Was für mich jetzt nicht zutrifft, aber

Alain Blankenburg-Schröder: Aber dann ist natürlich man eher ein gutes Ziel für einen Rasenmäher-Roboter, wenn man einen Vorgarten hat.

Erik Pfannmöller: Wir haben so eine kleine Datsche in Brandenburg. Aber nicht Haus mit Vorgarten, sondern wir wohnen in Berlin, aber haben auch eine Rasenfläche, das stimmt schon mal. Okay, du hast gerade gesagt über Daten oder über Algorithmen, das merke ich mir und komme da gleich drauf zurück.

Alain Blankenburg-Schröder: Im Endeffekt über beides. Das eine ist halt, man nimmt sozusagen manuell Zusatzinformationen und das andere ist, man lässt einen Algorithmus optimieren. Und da ist teilweise dann schon ein gewisses Maß an Daten natürlich im Hintergrund vorhanden. Das soll heißen, hat ein Werbetreibender einen vorher auf einer Datscher Vermittlungsplattform gesehen, hat man da eine gewisse Affinität zu. Also es steigt über so etwas dann natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass man vielleicht einen Rasenmäher-Roboter haben möchte.

Erik Pfannmöller: Und Genauso ist es ja auch bei anderen Apps. Das heißt, wenn ich zum Beispiel ein Casual Game spiele, sagen wir Farmville, sollte vielleicht jeder kennen, das erfolgreiche Syngar Game, dann ist ja der, der das anbietet, die Werbung anbietet, möchte Umsätze machen. Und der ist nicht unbedingt aligned mit dem, der den Werbeplatz verkauft, denn der will ja sozusagen seinen Umsatz pro Werbeplatz maximieren. Was sind die Zielfunktionen des Publishers, des Advertisers? Algorithmen muss man immer mit Zielfunktionen füttern, deswegen frage ich nach.

Alain Blankenburg-Schröder: Der Publisher, der möchte natürlich eigentlich seine Monetarisierung maximieren. Er möchte mit dem Benutzer möglichst viel Geld machen. Da ändern sich natürlich auch die Zielfunktionen teilweise. Also wenn eine App neu ist, man einen großen Investor im Hintergrund hat, dann möchte man häufig einfach nur einen Marktanteil gewinnen. Man bringt es vielleicht auch komplett ohne Werbung, ohne Käufe heraus, einfach bis man einen gewissen Markteinteil hat, um dann vielleicht auf virale Effekte zu setzen. Aber grundsätzlich gibt es die große Entscheidung zwischen, führe ich einen Benutzer zu In-App-Käufen oder führe ich eher die ganze Monetarisierung über Monetarisierung von Werbeplätzen. Und da gibt es natürlich die erste Optimierung. Wen identifiziere ich als späteren Kunden? Also der mir dann sehr wahrscheinlich auch in der App etwas abkauft. Dem will ich vielleicht nicht gleich die Werbung zeigen. eher davon abbringen, später die App weiter zu benutzen, weil es so ein bisschen ein gewisser kleiner Stilbruch da drin ist. Oder weiß ich eigentlich, dass der niemals Geld ausgeben wird, aber lange in der App bleiben wird. Dann werde ich natürlich Werbeplätze schalten, um hinterher als Publisher viel Geld herauszuholen.

Erik Pfannmöller: Das heißt, es gibt auch verschiedene, wie du schon sagst, Ziele. Entweder ich entscheide früh, der Kunde wird nicht Geld in die Hand nehmen, echtes Geld, und mir meine Software abkaufen. Das heißt, später vom Premium auf eine Pro-Version wechseln oder virtuelle Güter kaufen oder die werbefreie Version kaufen. Bei meiner Beta-App könnte ich das auch tun. Und das ist schon am Anfang eine interessante Information für den Algorithmus, die man auch vorhersagen muss. Das heißt, da haben wir schon den ersten Teil des Algorithmus. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Faktisch muss eure Plattform wissen Wird der Kunde A oder B sein? Und entsprechend muss eure Plattform entscheiden, zeige ich den Werbungern oder nicht.

Alain Blankenburg-Schröder: Wir sagen das nicht konkret vorher. Wir bieten dem Publisher gewisse Hilfestellungen, um so etwas bei uns mit hineinzuschleifen und unser System sozusagen zu unterstützen, die besseren Entscheidungen dort zu treffen. Diese Vorhersage selber ist aber sehr spezifisch. Daher können wir momentan da noch nicht die konkreten Vorhersagen machen. Wir arbeiten daran, dass da bessere Vorhersagenmöglichkeiten auch als Commodity angeboten werden. Aber das ist nichts, was wir momentan als Funktionalität haben.

Erik Pfannmöller: Ich habe noch die Begriffe Programmatic Advertising und Real-Time Bidding. Hängen die zusammen? Wie würdest du die einordnen?

Alain Blankenburg-Schröder: Programmatic heißt eigentlich nur, dass es eben nach gewissen Logiken funktioniert. Real-Time ist dann das, was eher unsere Industrie definiert. indem es eben sagt, das Ganze passiert real-time. Also wirklich in dem Moment, wo die Anzeige gezeigt werden soll, geht eine Anfrage aus. Wir identifizieren die potenziellen Bieter. Wir fragen die Bieter. Die Antwort kommt hinein mit den entsprechenden Werbungen. Und wir entscheiden dann, wer ist der Höchstbietende? oder beziehungsweise ist vielleicht etwas Internes noch viel wichtiger, also eine Hauskampagne etc. Das wird dann ausgespielt an den eigentlichen User. Und das passiert in weniger als 100 Millisekunden.

Erik Pfannmöller: Also 100 Millisekunden ist schon sehr schnell, ja?

Alain Blankenburg-Schröder: Ja, im optimalen Falle funktioniert das unter 100 Millisekunden und dementsprechend reden wir dort an der Stelle von Realtime.

Erik Pfannmöller: Was ist die Zielfunktion von dem Algorithmus von Smarter, ohne dass du mir euer Geschäftsgeheimnis verrätst?

Alain Blankenburg-Schröder: Möglichst kostengünstig zu arbeiten und die besten Werbetreibenden herauszufinden für den jeweiligen User bzw. die jeweilige App. Also wir funktionieren ja als Plattform, ohne direkt die Werbung zu haben. Wir bieten die Werbung an im Sinne von Direct Werbung, also wo die Werbung vom Publisher schon eingestellt wurde. Aber je kostengünstiger wir natürlich arbeiten, desto mehr können wir dem Publisher anbieten.

Erik Pfannmöller: Apropos kostengünstig, mal Butter bei die Fische. Was kostet das denn eigentlich, wenn ich mein iPhone nehme und ein Casual-Game habe und ein 30-Sekunden-Video für ein anderes Spiel, so typischen Cross-Install-Werbung sehe? Was muss denn da für der Advertiser ungefähr bezahlen?

Alain Blankenburg-Schröder: Das sind natürlich gewisse Betriebsgeheimnisse, die kein Publisher gerne herausgibt. Aber so als Richtwert kann man schon sagen, das kann locker 20, 30 Dollar, aber TKP kosten. Das heißt, pro 1000 Anzeigen wurde 1000 Mal diese Anzeige tatsächlich geschalten und angezeigt. Dann bekommt der Publisher gerade mal 20 Dollar.

Erik Pfannmöller: TKP 1000er Kontaktpreis, richtig?

Alain Blankenburg-Schröder: Genau.

Erik Pfannmöller: Die variieren natürlich von einem 30 Sekunden Video versus einem 5 Sekunden Video im Vergleich zu einem kleinen Werbebanner, den man angezeigt bekommt. Wie ist da so die Range und was ist eigentlich das teuerste Werbemittel?

Alain Blankenburg-Schröder: Video ist sicherlich mit das Teuerste. Da gibt es dann noch so Unterarten wie Rewarded-Video, also wo ein User schaut sich wirklich das komplette Video von Anfang bis Ende an. Und er wird auch dafür inzentiviert. Das heißt, er bekommt hinterher einen Reward, eine Ingame-Währung, ein bisschen, was weiß ich, die Benutzung der Wetter-App für einen Tag oder mehrere Tage gratis, solche Geschichten. Also einen Gegenwert. Das Günstigste ist sicherlich ein kleiner Banner, der unten am unteren Ende angezeigt wird.

Erik Pfannmöller: Über welche TKPs, über Tausender Kontaktpreise spricht man da?

Alain Blankenburg-Schröder: Das fängt ganz, ganz weit unten an, unter einem Dollar, gerade wenn die App noch unbekannt ist. Es ist natürlich so, je bekannter eine App, desto interessanter ist es für einen Werbetreibenden. Die Werbetreibenden legen natürlich auch Wert darauf, dass sie wirklich in einem guten Umfeld werben. Das heißt, erst wenn eine App wirklich eine Zeit lang auf dem Markt ist, häufiger gesehen wurde, gewisse Prüfungen hat, dass da jetzt nicht komische Bilder angezeigt werden, auch erst dann möchte man vielleicht seinen Sportschuh dort tatsächlich mal bewerben. Vorher gibt es halt weniger Werbetreibenden. Dementsprechend ist das dann auch günstiger zu haben.

Erik Pfannmöller: Ich würde gerne nochmal kurz den Schritt zurück machen auf die Auktionsplattform, wenn auch über die Technik dahinter und den Algorithmus und was eigentlich daran KI ist oder zumindest mathematische Formeln. Du hast gesagt, 30 Milliarden Mal wird in einer App irgendeine Art von Werbung in Deutschland jedes Jahr angezeigt. Das heißt, irgendein Computer muss ja 30 Milliarden Mal eine Entscheidung treffen. Wie läuft so ein Entscheidungsprozess ab?

Alain Blankenburg-Schröder: Der Entscheidungsprozess ist erstmal ganz simpel. Wir haben am Anfang die Werbemöglichkeiten. Das heißt, wir haben eine direkte Werbung, wir haben gewisse Partner. Dort gibt es gewisse Logiken. Das heißt, ich möchte bestimmte Arten von Werbung anzeigen oder auch nicht anzeigen. Ich schließe zum Beispiel Werbung für andere Games aus. Ich als Publisher für ein Spiel möchte eben keine Werbung für andere Spiele bekommen. Diese ganzen Logiken fallen ineinander.

Erik Pfannmöller: Das hat ja aber noch nichts mit Machine Learning oder KI zu tun. Das sind einfach nur Geschäftsregeln. Zum Beispiel auch, dass Minderjährigen kein Adult-Content angezeigt wird.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau. Also das Kerngeschäft davon ist sicherlich eher ganz simple, harte Algorithmen. Und das aber dann einfach so häufig. Was wir dann da zusätzlich mit hineinbringen, ist eben, wenn wir wissen, dass ein Bietender, sagen wir mal, Video in Frankreich anfragt, oder dort betreiben möchte, und auf der anderen Seite Banner in Deutschland, dann schicken wir das entsprechend auch nur so heraus, die Anfragen. Das heißt, wir fragen sozusagen in einer kleinen Datenbank nach, mit einer gewissen Vorhersage, wie interessant ist dieses Format, diese Videoplatzierung etc. für diesen Werbetreibenden. Und nur dann geht die Anfrage auch an den entsprechenden Partner heraus. Jede Anfrage kostet Geld, Zeit etc., Je weniger wir das natürlich machen können, desto effizienter sind wir. Und je effizienter wir sind, desto günstiger sind wir im gesamten Betrieb. Und somit haben wir dort einiges an Machine Learning Algorithmen, die das vorhersagen, die gewisse Regeln hinterlegen. Aber die Kernlogik ist wirklich sehr simpel.

Erik Pfannmöller: Macht ihr AB-Tests, um Creatives, also die Werbemittel gegeneinander auszuspielen? Und der Server entscheidet sich, ich habe jetzt 1000 ähnliche Werbeplätze in einem Spiel drin und dann hat man zwei verschiedene Kreative und die werden automatisch gegeneinander ausgespielt.

Alain Blankenburg-Schröder: Da wir selber keine solchen Werbungen ausspielen, nein, aber unsere Kunden machen das. Da gibt es die sogenannten DSPs, Demand-Side-Plattforms, also diejenigen, die mit Agenturen reden. Vielleicht nochmal kurz einen Schritt zurück, wir haben die Werbetreibenden.

Erik Pfannmöller: Gut, dass du den Schritt zurückgehst, nicht ich. Ja, erklären wir es den normalen Hörern.

Alain Blankenburg-Schröder: Die etwas bewerben wollen, die gehen typischerweise zu einer Agentur und die benutzen eine Technik, um dann ihre Creatives dort einzustellen. Das kann natürlich auch eine Person selber alleine machen, aber diese Creatives stellt man typischerweise auf einer speziellen technischen Plattform ein. Und dort gibt es dann auch A-B-Tests in diesen Creatives, teilweise vorgefertigt, die man benutzen kann, sodass man dann sehen kann, werbe ich mit der Farbe Rot, funktioniert das besser, als wenn ich mit der Farbe Blau werbe? Funktioniert das auf gewissen Geschlechtern besser oder weniger? Habe ich diese Informationen überhaupt? Wobei man da natürlich separieren muss zwischen worauf wirbt man und wie wirkt das Creative?

Erik Pfannmöller: Das war genau die nächste Frage, die ich sozusagen stellen wollte. Wir haben zwei Werbemittel, ein rotes und ein blaues. Wird dann auf den Klick optimiert oder auf die Conversion oder den Install? Und wie lange braucht es einen Algorithmus, um das zu lernen?

Alain Blankenburg-Schröder: Da gibt es ganz einfach sehr viele unterschiedliche Geschäftsmodelle. Also unsere Partner, die bei uns die Anfragen bekommen, die sind darauf spezialisiert. Die haben sich typischerweise auch wirklich auf eins dieser Geschäftsmodelle spezialisiert, was spezifisch für sogenanntes In-App ist. wo wir eben unterwegs sind, sind die Install-Kampagnen, also dass eine Installation einer anderen App später passiert. Sehr beliebt ist auch CPA, also eine Action, dass eine gewisse Aktion irgendwann später passiert. Soll heißen, ich kann sagen, wenn ich ein Spiel wie Farmville habe, ich möchte, dass derjenige später mindestens das Level 5 erreicht oder ich habe eine Wetter-App, ich möchte, dass derjenige später eine Subscription macht, also ein Abonnement abschließt und darauf optimiere ich.

Erik Pfannmöller: Also CPI, Cost Per Install, CPA, Cost Per Action. Es gibt Leute, die schalten Werbung und optimieren darauf, dass ich zum Beispiel bei Farmville auf Level 5 komme. Ohne dass ich das natürlich merke als Nutzer, optimieren sie die Werbung dahin, dass ich das Werbemittel angezeigt bekomme, das mich am meisten dazu bringt, später viele Level Farmville zu spielen. Ohne dass ich das weiß, passiert das im Hintergrund.

Alain Blankenburg-Schröder: Ich glaube eher, dass es das Interesse entsprechend weckt. Ob ich jetzt später tatsächlich das Spiel so weit spiele, ist ja eher eine Sache, die wirklich an dem eigentlichen Individuum hängt. Aber ob ich mich genügend für diese Werbung interessiere beziehungsweise für dieses beworbene Produkt und mich dann auch so weit inzentiviert fühle, dass ich dann da auch drauf drücke und sage, hey, ich möchte dieses Mal wirklich austesten, das ist der eigentliche Unterschied, den ein Creative direkt bewerben kann. Heißt, dass eine Creative weckt vielleicht, falls die Farbe rot hat, eher meine Aufmerksamkeit, als dass das blau ist. Das mag auch einfach an dem Umfeld liegen. Also wenn die ganze Oberfläche in blau ist, wo jetzt die Werbung angezeigt wird, dann fällt es vielleicht nicht auf, wenn das Creative selber blau ist. Ist es aber rot, fällt es auf. Mein Auge fällt darauf, ich drücke darauf. Und diese Optimierung, in welchem Umfeld befinde ich mich, wo hat ein Creative dann tatsächlich einen Effekt, versucht man zu optimieren.

Erik Pfannmöller: Das heißt, es ist wie im echten Leben. Wenn du ein Werbeplakat von der einen Partei genau neben der anderen Partei aufstellst, fällt das vielleicht nicht so ins Gewicht. Oder wenn du es versteckst oder wenn es genau gleich aussieht oder ein grünes Plakat vor einem grünen Baum, ist auch nicht gut. Das ist ja im Bereich Programmatic Advertising das Gleiche wie im echten Leben, nur viel, viel schneller und viel digitaler. Wir waren gerade kurz bei dem Thema. Daten werden erhoben und ich habe dazu zwei Fragen. Die erste Frage ist, manchmal hat man ja so Apps, wo man sagt, ich schicke hiermit meine Werbedaten an vielleicht euch oder vielleicht auch den, der sozusagen die Werbung ausliefert. Was wird da eigentlich hin und her geschickt? Wissen die Daten wirklich über mich oder sind das nur so? IDs und Identifier?

Alain Blankenburg-Schröder: Das sind sogenannte Advertiser-IDs, pseudonyme Identifier. Wir haben ja die neue Datenschutz-Grundverordnung. Demnach ist das trotzdem ein persönliches Datum und fällt darunter. Daher fragen die ganzen Apps auch nach Einwilligung, dass man das auch wirklich hergibt. Wir reden natürlich über die Differenzierung von Context-Advertising und tatsächlich Targeted-Advertising. Jetzt sind wir schon wieder bei den ganzen lieben Begriffen.

Erik Pfannmöller: Dann erklär mal das doch. Was ist Kontext und was ist Targeted Advertising?

Alain Blankenburg-Schröder: Kontext, da geht es halt um den Kontext. Also ich weiß, jemand besucht eine App, das ist eine Wetter-App. Dann weiß ich so eine gewisse Art von Hintergrund, in welchem Kontext es jetzt angezeigt wird. Ich weiß aber überhaupt nichts über das Individuum. Das andere ist Targeted Advertising. Das heißt, ich habe diesen pseudonymen Identifier, den die Werbetreibenden tatsächlich benutzen können. Können dabei dann auch sagen, den habe ich jetzt schon zehnmal versucht, dieses Produkt zu verkaufen und er hat sich immer noch nicht dafür interessiert, jetzt gebe ich vielleicht auch mal auf. Man kann aber auch teilweise gewisse statistische Daten hinzuholen. Sehr wahrscheinlich männlich, sehr wahrscheinlich weiblich. Wenn Benutzer häufig genug auf Plattformen gesehen werden, dann wird irgendwann so etwas tatsächlich statistisch ersichtlich.

Erik Pfannmöller: Machine Learning ist ja überall. Ein Algorithmus sagt vorher, obwohl er mich nicht kennt, alleine vielleicht, welche Apps ich installiert habe, mit welcher Wahrscheinlichkeit ich Mann oder Frau bin, ohne dass sie es wirklich über mich wissen.

Alain Blankenburg-Schröder: Ja.

Erik Pfannmöller: Cool. Was sagt man denn noch vorher, ohne dass ich es weiß? Das ist ja sehr interessant.

Alain Blankenburg-Schröder: Nehmen wir mal das Beispiel Facebook. Da ist es natürlich am einfachsten. Auch wenn man dort nicht männlich-weiblich angibt, da sind einfach die Verbindungen vorhanden zu den Bekannten, die man selber hat. Das heißt, wenn man gar nichts Facebook angibt und auch die Namen so wählt, dass sie generisch sind, dann kann Facebook anhand der Bekannten, die man hat, vorhersagen, ob man männlich oder weiblich ist. Facebook kann auch gewisse andere Sachen vorhersagen, über demografische Daten, in welchen groben Einkommensbereichen liege ich, man wohnt typischerweise in gewissen Bereichen, wo auch andere seiner Bekannten sind, etc. Also da gibt es sehr viel an Daten, die theoretisch möglich sind. Da reden wir auch wieder über Wahrscheinlichkeiten und über Algorithmen, die vorhersagen, wie wahrscheinlich das ist. Das Ganze funktioniert aber immer nur, wenn ein sogenannter deterministischer Kern in der Mitte vorhanden ist. Das heißt, irgendjemand hat tatsächlich harte Daten, darauf kann man solche Modelle trainieren und danach kann man grobe Voraussagen über die einzelnen Individuen hinterher noch vorhersagen.

Erik Pfannmöller: Vielleicht kurz nochmal an der Frage, wir haben jetzt einerseits sehr viel über In-App gesprochen, jetzt gerade über Facebook. Das Thema Programmatic Advertising und sozusagen Algorithmen, die Werbemittel ausliefern, das ist ja jetzt nichts. nur, was man innerhalb von Apps hat, das ist auch sozusagen im Internet, wenn man da Werbung sieht, das gleiche Prinzip, richtig? Oder gibt es da inhaltliche Unterschiede? und wo sind auch die Gemeinsamkeiten?

Alain Blankenburg-Schröder: Da sind sehr viele Gemeinsamkeiten, gleiche Protokolle. Es gibt auch einige Player, die mit beiden Geschäftsmodellen unterwegs sind, also beides unterstützen. Aber es gibt gewisse Spezialitäten. Was zum Beispiel in App sehr einfach möglich ist, ist ein Video frühzeitig auszuliefern. Das heißt, so ein Video ist ja größer. Ich bin mit WLAN verbunden. Ich kann schon mal eine Werbung entsprechend vorladen, schon mal speichern. Vielleicht bin ich kurz danach dann auch eben ohne WLAN unterwegs und kann es dann trotzdem in hoher Qualität anzeigen. Während ich, wenn ich in der Webseite unterwegs bin, die Anfrage in dem Moment rausgeht, ich kann nicht irgendwas im Hintergrund speichern, ich muss es in dem Moment laden, wo ich es anzeigen muss. Und somit hat man in App auch einige Vorteile, es gibt auch sicherlich einige andere Nachteile oder beziehungsweise Spezialitäten, aber das Beispiel Video ist ganz einfach, da kann man so vorladen und dem User sozusagen das Ganze ein besseres Erlebnis auch bieten.

Erik Pfannmöller: Was passiert jetzt, wenn die Nutzer den Flugmodus anschalten und du keine Werbung mehr laden kannst? Ist das nicht ein Problem für werbefinanzierte Apps?

Alain Blankenburg-Schröder: Das ist sicherlich ein kleines Problem. Da kann einfach keine neue Werbung nachgeladen werden. Was wie zum Beispiel in diesem erwähnten Video funktionieren kann, ist, dass eine Zeit lang noch Werbung im Hintergrund angezeigt wird. Da geht es natürlich auch um Erfolgsmeldungen, die wiederum später herausgehen müssen. Wenn der Flugmodus lang genug an ist, dann kann ganz einfach keine Werbung ausgespielt werden. Es können keine neuen nachgeladen werden und es kann auch kein Geld generiert werden.

Erik Pfannmöller: Weil es ja auch Echtzeit ist. Echtzeit heißt, du brauchst Echtzeitverbindung zum Server. Ihr macht Real-Time Bidding. Du hast von 100 Millisekunden gesprochen. Und natürlich auch Erfolgsmeldungen zurückgehen ist wichtig. Das bringt mich zu einem anderen Thema. Ich habe letztens, wir machen irgendein Beispiel, eine Werbung gesehen, habe draufgeklickt und habe das Produkt im E-Commerce-Shop gekauft. Und dann kennt ja jeder Retargeting. Das heißt, ich werde, nachdem ich auf einer Website war, wird mir wieder etwas ausgespielt, weil ich als in dem Fall Targeted Audience sage, hey, ich habe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich das kaufen will. die Werbung. Gibt es diesen Feedback-Loop, nachdem ich was gekauft habe und warum funktioniert der oft nicht? Zumindest nach meinem Gefühl.

Alain Blankenburg-Schröder: Ja, diesen Feedback-Loop gibt es. Das Dumme ist, dass es immer wieder gewisse Medienbrüche gibt. Das heißt, man hat es vielleicht mit einem anderen Browser hinterher gekauft, als mit dem, mit dem man ursprünglich die Werbung vielleicht gesehen hat. Man kauft es auf einem anderen Medium. Man geht dann wiederum auf sein anderes zurück und kriegt dann immer noch die Werbung angezeigt. Dann ist ganz einfach dieser Bruch auch auf der werbetreibenden Seite vorhanden. Das Interesse ist sozusagen immer noch gespeichert. Das Interesse ist da und ich möchte weiter bewerben. Aber die Information, das gekauft wurde, ist da nicht in der sauberen Schleife gewesen. Was auch häufiger passiert ist, dass ein Werbetreibender zu mehreren Plattformen geht, um diese Werbung auszuspielen. Dann diese Feedback-Schleife aber nur in einer Plattform tatsächlich passiert. Das ist dann aber auch wiederum eher ein Optimierungsproblem des Werbetreibenden.

Erik Pfannmöller: Das bringt mich so ein bisschen in die Zukunft. Wo geht die Reise an Programmatic Advertising hin? Was sind Themen, an denen ihr arbeitet?

Alain Blankenburg-Schröder: Also wir haben da als SMARTO, unsere Firma, zwei Themenfelder, an denen wir jetzt gerade sehr stark arbeiten. Das eine ist industrieweit mit Header Bidding betitelt. Wir haben da eine Unified Bidding Plattform herausgebracht. Und das zweite Thema ist CTV, Connected TV, Smart TV. Das klassische Fernsehgeschäft bewegt sich ja immer mehr zu auch rein digital betriebenen Plattformen. Soll heißen, im Prinzip sehen wir hier jetzt einen Medienwechsel, den wir früher auf Zeitungen, Webseiten gesehen haben.

Erik Pfannmöller: Das waren jetzt zwei verschiedene Themen. Das eine Thema Header Bidding, ein englisches Wort, das ich auch noch nicht kenne, müssen wir gleich nachher erklären. Fangen wir mal mit Connected TV an. Du sprichst ja davon an, dass sozusagen Werbebudgets von einer Zeitung mal ins Fernsehen gewandert sind und jetzt vom Fernsehen online wandern. Das Thema aber, wenn man jetzt Smart TV hat, man auch wiederum in Echtzeit Fernsehwerbung ausliefern könnte. Okay?

Alain Blankenburg-Schröder: Ja, wir sehen ganz einfach diese Bewegung Richtung Online. Das heißt, früher haben wir unsere Neuigkeiten, die wir täglich so lesen, ganz einfach über Zeitungen konsumiert. Wir haben Zeitungen gekauft, da wurde ganz einfach sehr viel Werbung in Zeitungen geschaltet, aber sehr unspezifisch. Irgendwann hat sich das sehr stark Richtung Apps bewegt. Heutzutage lesen die meisten Leute teilweise ihre Zeitung per App, aber auch teilweise über gewisse Newsportale. Gibt es physische Zeitungen überhaupt noch? Ist das Taz-Gebäude nicht hier bei euch? Wobei, die sind auch, glaube ich, sehr digital.

Erik Pfannmöller: Ich mache nur Witze, aber wahrscheinlich alle, die heute im Raum sind hier, lesen nur digitale Zeitungen oder sehr viel. Aber natürlich gibt es auch noch physische Medien und Bücher sind ja gut, hat man auch was Haptisches.

Alain Blankenburg-Schröder: Unsere Nachbarn sind ja aktuell Springer.

Erik Pfannmöller: Für die Hörer, Alain schmunzelt über das Thema.

Alain Blankenburg-Schröder: Beim Fernsehen sehen wir einen ähnlichen Trend. Das heißt, momentan ist das eine Ausstrahlung für alle. Man schaltet ARD ein, man schaltet nicht ARD ein, man schaltet RTL ein, man schaltet nicht RTL ein. Und die Werbetreibenden haben da eine ähnliche Möglichkeit wie früher bei der Zeitung. Das heißt, man kauft pauschal eben für die gesamte Zuschauerschaft. oder die Leserschaft bei den Zeitungen oder eben nicht. Wenn das natürlich alles jetzt individuell ausgestrahlt ist, wir nicht mehr von linearem Fernsehen reden, sondern jeder geht zu dem Zeitpunkt, wo es für ihn am bequemsten hin und konsumiert seine Lieblingssendung, dann kann man auch gezielt Werbung schalten.

Erik Pfannmöller: Also wenn ich jetzt die SDS schauen würde auf RTL, dann sagst du vorher, dass die Zukunft sein wird, dass ein Berliner vielleicht andere Werbung sieht als jemand, der in Frankfurt sitzt oder eine Familie andere Werbung als ein Single?

Alain Blankenburg-Schröder: Genau das.

Erik Pfannmöller: Für mich vermischen sich gerade zwei Welten lineares Fernsehen, also was alles gleich ist, wo jeder auch den gleichen Film sieht, aber die Werbung wird dann nicht linear, das heißt angepasst, programmatisch. Das sagst du vorher?

Alain Blankenburg-Schröder: Das gibt es einmal im normalen Fernsehen, dass man dort tatsächlich angepasste Werbung bekommt. Das heißt, der Großstädter bekommt eine andere Werbung als der auf dem Land.

Erik Pfannmöller: Das gibt es heute schon?

Alain Blankenburg-Schröder: Die technischen Möglichkeiten sind da. In Realität ist das momentan noch sehr auf Tests beschränkt. Aber prinzipiell sind technische Möglichkeiten dafür da, dass eben sehr individualisiert schon Werbung ausgespielt wird. Ein Großstädter versus Nicht-Großstädter ist natürlich sehr einfach. Gröbere Geografen einfach über

Erik Pfannmöller: Man weiß ja auch die IP-Adresse oder einfach den Standort.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau. Viel zu kompliziert ausgedruckt meiner Seite. Sehr gut kurz ausgedrückt.

Erik Pfannmöller: Woran hängt es, dass wir im Fernsehen so individualisierte, hochautomatisierte Werbung bekommen wie auf mobilen Endgeräten in Apps?

Alain Blankenburg-Schröder: An der Stelle wird es sicherlich noch erfordern, dass es gewisse Daten gibt, dass man eben nicht eine Werbung 20 Mal angezeigt bekommt. Momentan ist das ja, wenn ich eine Werbung ausspiele, ich weiß einfach nicht, wer das schon bekommen hat, wer nicht. Dass dies wirklich individualisiert möglich ist, hängt sicherlich daran, dass man etwas wiedererkennen kann oder nicht. Also hat der Benutzer schon eine Werbung bekommen oder nicht. Ist es der Benutzer oder der Haushalt, der sich jetzt vor kurzem für schöne neue Plisées interessiert hat?

Erik Pfannmöller: Also die Verbindung der Geräte mit weiteren Daten, um zu wissen, wie man überhaupt individualisieren kann. Weil du musst ja viele Geräte haben, viele Daten sammeln, um individualisiert programmatisch Werbung auszuspielen.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau, da sind wir wieder bei den beiden Varianten von vorher. Also entweder weiß ich sehr viel über den Kontext und optimiere darüber. Also es läuft im Kontext von DSDS und daher weiß ich jetzt, das guckt typischerweise der Berliner.

Erik Pfannmöller: Das wissen ja aber die Sender heute schon, wer das eigentlich guckt und wer die C-Gruppe ist. Die neuen Informationen müssen ja noch tiefer greifend sein, noch individueller, noch gruppenspezifischer.

Alain Blankenburg-Schröder: Korrekt. Man weiß aber jetzt ja nicht nur, das guckt ungefähr der Berliner, sondern in dem Falle weiß man auch den Hintergrund, es ist der Berliner, der jetzt hier guckt, weil das über den Hintergrund einfach da ist. Wenn man eine Plattform benutzt, wo man sich wieder einloggt, dann ist ja eine gewisse Historie vorhanden. Das heißt, habe ich vorher den Tatort geguckt und jetzt DSDS und der Algorithmus von

Erik Pfannmöller: Das stimmt, die ARD-App auf meinem Apple-DVD weiß das nämlich, was ich immer gucke.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau, also es gibt eine gewisse Historie und darüber kann man dann natürlich auch mehr Kontext anbieten, ohne jetzt den Benutzer selber preiszugeben. Das andere ist, man kann den Benutzer tatsächlich wieder identifizieren, beziehungsweise den Haushalt an der Stelle. Und da das dann vielleicht abgleichen mit, hat gerade ein neues Plissé für seine Küche gekauft, interessiert sich dann, weil ich als E-Commerce-Händler weiß einfach, diejenigen, die ein Plissé gekauft haben, interessieren sich dann auch meistens für Blumentöpfe. Also mache ich jetzt Werbung für Blumentöpfe. Jetzt reden wir natürlich eher über Fernsehen. Da wird es sehr wenig in diese Richtung Werbung geben, sondern eher dann. die sportlichen Leute kriegen dann vielleicht mehr Werbung für Sportkleidung oder das Fitness-Abo etc.

Erik Pfannmöller: Werbung ist ja eigentlich auch was Gutes. Bringt uns ja sozusagen Produkte her, die eigentlich zu uns passen. und dieser Megatrend sozusagen, oder was heißt Megatrend? Das, was in der Realwelt schon da ist, das mir der Rasenmäher angeboten wurde, ist jetzt kein Zufall, sondern bringt mich auch weiter, bringt ja eigentlich nur Individualisierung und eigentlich für den Endkonsumenten das, was er will, nämlich die Produkte, die er eigentlich kaufen will, dass sie ihm näher gebracht werden. Siehst du das ähnlich oder denkst du, das ist einfach nur ein knallhartes Geschäft und sowohl der Publisher als auch der Advertiser wollen einfach mehr Geld verdienen am Ende des Tages?

Alain Blankenburg-Schröder: Nein, beide haben natürlich ein Interesse daran, dass der End-User auch einigermaßen glücklich ist. Ein Werbetreibender hat nichts davon, Werbung auszuspielen, wenn die Leute nicht hinterher mit den Produkten glücklich sind bzw. mit den Produktempfehlungen, die ja im Prinzip durch Werbung dargestellt werden. Dann habe ich auch keinen Erfolg damit. Wenn ich Werbung ausspiele auf Teufel komm raus und der Benutzer interessiert sich nicht dafür, bewege ich ja den Gegeneffekt.

Erik Pfannmöller: Gibt es denn ethische Grundregeln für Werbung, die ihr anzeigt und was ihr macht und was es nicht macht? Zum Beispiel, man darf nicht mehr als 100 Mal die gleiche Werbung einem Nutzer anzeigen, weil der sonst gelangweilt wird? Oder ist das erfahrungsbasiert, weil man einfach sagt, wenn der nicht klickt oder kein Install macht, weil der Umsatz erfolgsbasiert ist und der Algorithmus nicht darauf trainiert ist, nicht zu konvertieren, sondern er will ja konvertieren. Wie siehst du das?

Alain Blankenburg-Schröder: Also unsere Regeln gehen eher auf Kategorien von Werbung, also dass ein Kind eben nur entsprechende Werbung angezeigt bekommt und nicht vielleicht auch noch etwas von Bier oder Alkohol, dass das eben erzwungen wird. Unsere Partner haben aber definitiv solche Regeln, eher aus Geschäftsinteresse als aus ethischen Gründen, dass wenn ein User die Werbung schon zehnmal gesehen hat und dann immer noch nicht draufgeklickt hat und dann auch sicherlich mit dem zwanzigsten Mal nicht eine App installiert, da kommen die dann schon selber drauf. und optimieren eben darum.

Erik Pfannmöller: Weil jede Werbung Geld kostet.

Alain Blankenburg-Schröder: Jede Werbung kostet Geld. Der Betrag, den wir eben genannt haben, ist sehr klein, aber das kostet trotzdem in den Volumina, von denen wir reden, sehr, sehr viel Geld. Und diese Optimierung, das macht ja das Geschäftsmodell von unseren Partnern aus.

Erik Pfannmöller: Super. Du hattest vorhin neben Connected TV auch noch Header-Bidding angesprochen. Eine Sache, an der Smarto sozusagen im Produkt auch arbeitet. Was ist Header-Bidding?

Alain Blankenburg-Schröder: Also wir haben eben schon erwähnt, wir sind der Primary-Ad-Server. Wir bieten an, dass wir die Werbung sozusagen algorithmisch aussteuern und die ganzen werbetreibenden Anfragen, die wir angebunden haben. Header-Bidding bzw. Unified-Bidding, wie wir es nennen, bietet an, dass spezifische, Publisher-spezifische Zulassungen, zusätzliche Werbetreibende eingebunden werden, zu denen wir jetzt keine Verträge haben, keine Verbindung haben. Die können die selber mit einbringen und mit in die Auktion einspielen.

Erik Pfannmöller: Ich versuche es mal zu übersetzen. Wenn mir eine Wetter-App gehört und ich unbedingt mit einem Sportschuhhersteller kooperieren will, dann kann ich den sozusagen mit in die Auktion reinwerfen, um selbst mit zu bestimmen, welche Werbung ich anzeige, weil ich eine direkte Kooperation mit einem Sportschuhhersteller habe.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau. Früher war das schon möglich, einfach in Volumen basiert. Das ist das Standard Direct. Das ist dann aber eher das programmatische Direct. Also das heißt, der Partner kann sich selber aussuchen, welcher User dort tatsächlich dann für ihn interessant ist.

Erik Pfannmöller: Also das Beste aus beiden Welten. Direct-Werbung ist, du sagst, ich will unbedingt Sportschuhhersteller in meiner Wetter-App und dann wird das halt angezeigt. Das ist direkte Buchung. Und du sagst, man kann die direkte Buchung sozusagen in das Programmatische mit einfließen lassen, um somit das Beste aus beiden Welten zu haben.

Alain Blankenburg-Schröder: Ja.

Erik Pfannmöller: Okay, Future Trends. Wir haben jetzt über das Thema Connected TV, über das Thema Header Bidding gesprochen. Wenn man noch weiter in die Zukunft schaut, was sind die nächsten Themen? Ich denke da an Virtual Reality, automatisierte Veränderung von Videos. Man stellt sich vor, man hat Game of Thrones und der eine hat den Starbucks-Becher in der Hand. Wenn es in Amerika ist und wenn ein Deutscher vielleicht Game of Thrones schaut, dann ist das Video manipuliert und zeigt mir andere In-Video-Placements an. Das ist nur eine Idee. Gibt es noch weitere Future Trends, die du siehst?

Alain Blankenburg-Schröder: Neben Virtual Reality gibt es natürlich auch noch Augmented Reality. Dort funktioniert das ganze Modell auch schon auf ähnliche Art und Weise. Also ein Pokémon Go hat sein eigenes Geschäftsmodell, in dem sie ganz einfach auch verkaufen, dass gewisse User zu gewissen Pokémons hingeleitet werden. Das funktioniert auch teilweise natürlich über Programmatic, aber primär darüber, dass es direkt verkauft wird. Aber da wird dann tatsächlich ein Pokémon-Spieler vielleicht näher in eine gewisse Umgebung geleitet. Beziehungsweise da gibt es dann auch diese, ich glaube, sie heißen Pokestops in Läden.

Erik Pfannmöller: Und das machen die natürlich absichtlich, weil sie Geld dafür kriegen, viele Leute an den Pokestops oder an verschiedenen Orten hinzubringen. Weil natürlich physische Menschen, die vor Ort sind, meistens auch Umsatz bedeuten.

Alain Blankenburg-Schröder: Genau.

Erik Pfannmöller: Och, das ist ja fies. Merkt man gar nicht, weißt du? Die Nutzer von Pokémon haben Spaß daran, Pokémon zu spielen. Aber wenn man sich überlegt, das ist natürlich auch genau so Werbung, nur halt in einer viel subtileren Art und Weise.

Alain Blankenburg-Schröder: Das stimmt. Ich bin persönlich tatsächlich, obwohl ich es nicht spiele, ein Fan von Pokémon Go. Ganz einfach, weil es die Leute bewegt, auch tatsächlich mal nach draußen zu gehen. Ich finde persönlich, wir gucken auch manchmal zu sehr einfach in unserer eigenen kleinen Welt auf irgendwelche kleinen Bildschirme, auch wenn das mein Geschäftsmodell ist oder das Geschäftsmodell von Smarto. Aber ich finde es schön, wenn es gerade solche Augmented Reality-Spiele gibt, die dann Leute dazu bringen, tatsächlich mal draußen etwas mehr herumzulaufen und eben auch die Umgebung zu genießen.

Erik Pfannmöller: Und das wird auch ein guter Schulterschluss, wie Werbung eigentlich was Gutes für die Welt tut und nicht nur Menschen in Echtzeit, die Produkte oder Dienstleistungen anbietet, die sie brauchen, sondern sie auch noch zur Bewegung in der freien Natur animiert. Danke dir auch für das spannende Gespräch zum Thema KI im Bereich Marketing. Ich habe gelernt, Algorithmen sind überall. Man sagt nicht nur vorher anhand von statistischen Daten, ob ich Mann oder Frau bin, sondern man spielt man auch die Werbung aus, die idealerweise für mich am passendsten ist. KI ist überall, Algorithmen sind überall. Ich danke dir für das Gespräch.

Alain Blankenburg-Schröder: Gerne. Hey! Hey! Hey!