Traceless: Kunststoffe für den Kompost

1. Januar 2000, mit David Wortmann

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich Cleantech mit deinem Moderator David Wortmann. Los geht's.

David Wortmann: Hallo und herzlich willkommen bei einer neuen Ausgabe des Deep Dive Cleantech Podcasts hier bei Digital Kompakt. Mein Name ist David Wortmann und ich bin Gründer und Geschäftsführer von DevaEco, einer aus Cleantech spezialisierten Beratungsagentur für Politik, Kommunikation und Marktstrategie. Wie ihr wisst, versuchen wir uns über all die Wochen und Monate hinweg immer wieder uns mit attraktiven, interessanten Key-Tech-Themen zu beschäftigen. Ein Thema, mit dem wir uns eigentlich noch gar nicht so viel beschäftigt haben, ist das Thema Plastik. Und dazu begrüße ich hier Anne Lampf. Anne Lampf ist die Gründerin und Geschäftsführerin von Traceless. Hallo Anne.

Anne Lamp: Moin, moin. Ich freue mich sehr, heute hier zu sein.

David Wortmann: Traceless, was für ein interessanter Name. Vielleicht fangen wir einfach mal damit an. Also damit sagt ja schon einiges aus, oder?

Anne Lamp: Ganz genau. Wir produzieren Materialien, die eben, wenn sie in die Umwelt gelangen, traceless sind. Sich direkt nach einiger Zeit oder nach schneller Zeit abbauen und dort keine Spuren hinterlassen, kein Mikroplastik, keine schädlichen Additive und einfach nützlich sind für die Umwelt und nicht schädlich.

David Wortmann: Das ist ja wirklich ein riesengroßes Thema. Kannst du das vielleicht mal so ein bisschen in diese Problematik einfach mal zu Beginn einführen? Also wie groß ist denn das Problem mit dem Plastik? Alle haben ja schon von Mikroplastik auch gehört, von den Vermüllungen der Meeren. Aber kannst du versuchen, das für uns und für die Zuhörerinnen, das mehr in Zahlen, Daten und Fakten zu packen?

Anne Lamp: Die Zahlen, die kann man sich immer gar nicht so richtig vorstellen. Das sind immer so riesengroße Zahlen. Aber ich kann ja mal versuchen, ein paar zu nennen. Also das Problem ist, dass viele in vielen Ländern zum Beispiel ja kein Müllsammelsystem existiert oder eben durch Plastikglittering die Kunststoffe in die Umwelt gelangen und dann nicht nur in die Umwelt, auf Land sozusagen, sondern eben dann auch über verschiedenste Wege ins Meer gelangen. Das ist so, dass jährlich etwa 400 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert werden. Das ist so die Die Gesamtzahl, von der wir mal ausgehen, 400 Millionen Tonnen. Dafür natürlich viel auch für langlebige Produkte und so, aber auch viel für kurzlebige Produkte. Und es ist so, dass dadurch pro Jahr 90 Millionen Tonnen Plastikabfälle entstehen. Ja, und davon gelangt ein großer Teil in die Umwelt. Und die Zahl, die wirklich dann auch im Meer landet, das sind 11 Millionen Tonnen etwa. 10 bis 11 Millionen Tonnen, die im Meer landen, jährlich. Das ist an sich schon mal eine große Zahl. Also 11 Millionen Tonnen, muss man sich so vorstellen wie 11 Millionen Kubikmeter, einmal ein Meter. Das sind so richtig Riesenmengen. Das Problem dabei, was dazukommt, ist, das sind ja erstmal nur die großen Partikel, die da reinkommen. Die großen Teile, Plastikflasche, was weiß ich. Das größere Problem kommt ja, wenn die sich dann zerreiben in kleinere Partikel. Dann zählt nämlich am Ende gar nicht mehr die Tonne Plastik, sondern es zählen die einzelnen Partikel Plastik. Diese Zahlen, die nenne ich jetzt gar nicht mehr. Die kann man sich nicht mehr vorstellen, was dann eben an kleinen, kleinen Partikeln entsteht.

David Wortmann: Das landet ja von den 90 Millionen Tonnen, 11 Millionen landet in den Meeren. und die rund 80 Millionen anderen Tonnen, die landen irgendwo anders dann und werden ja auch nicht alle normalerweise recycelt. Wo landen denn die anderen Millionen?

Anne Lamp: Also viel wird deponiert. Wir haben in Deutschland oder auch Europa, also in Deutschland ist ja Deponierung verboten. Das heißt, wir verbrennen alles. Also vieles wird verbrannt. Ein Teil geht auch in das Recycling, aber vieles, vieles wird verbrannt von den Kunststoffen, weil sie gar nicht dafür designt sind, dass sie rezykliert werden. Das ist ein großes Problem in der Produktgestaltung heutzutage, dass wir die Kunststoffe im Endeffekt so designen können, wie wir wollen und auf den Markt bringen können. Da gibt es nicht wirklich Regularien dazu, was wir reintun müssen. dürfen an Mix, um die Materialqualität zu erhalten. Weil, ja, wenn wir Materialien designen würden, die aus Monomaterialien entstehen, mit definierten Inhaltsstoffen, könnten wir auch geschlossene Kreisläufe. Das Problem liegt auf der einen Seite im Produktdesign, dass die Materialien nicht zur gleichen Qualität recycelbar sind. Also landen sie bei uns dann oft doch in der Verbrennung. Aber bei uns ist das Problem der Deponie gar nicht so groß, weil es ist halt verboten. Aber Und in anderen Ländern ist es eben so, da gibt es kein richtiges Müllsammelsystem und auch kein Müllverwertungssystem. Dort landen dann die Kunststoffe auf großen Deponien, wo sie erstmal durch Sickerwasser und Gase, die dort entstehen, Schaden anrichten. Aber dort durch Verwehung und Co. landen sie dann eben auch oft im Meer. Das heißt, die anderen 80 Millionen Tonnen, die landen erst auf Deponien, dann in Wäldern. Wir finden Kunststoffe ja überall.

David Wortmann: Genau. Und dass es schädlich ist, da braucht man nicht nochmal extra darauf hinzuweisen, dass die konventionellen Plastik- oder Polymere, wie man ja auch in der Fachsprache sagt, ja in der Regel auf Basis von fossilen Stoffen ist. Das versucht sie jetzt anders zu machen. Erzähl doch mal so ein bisschen, wie ihr dieses Problem jetzt versucht zu lösen.

Anne Lamp: Ja, also für alle diese Anwendungen, die eben leicht in die Umwelt gelangen können. Dafür versuchen wir, eine Lösung zu schaffen, die sich dann eben in der Umwelt abbaut. Und begonnen hat das Ganze mit der Überlegung, wir müssen irgendwie anders rangehen. Die Chemieindustrie, die hat ja seit Jahrzehnten, nimmt sie Erdöl und macht daraus Kunststoffe für verschiedene Anwendungen. Aber begonnen hat das Ganze eigentlich anders. Begonnen hat das Ganze Mit sogenannten natürlichen Polymeren. Anfang des 20. Jahrhunderts hat man da Cellophane entdeckt. Das ist im Endeffekt sowas wie Papier, also man nimmt da auch Holzfaser für. Und das ist so plastikähnlich sieht es aus, ist aber in der Umwelt abbaubar, weil es von der Natur produziert ist. Man nimmt natürliche Polymere, so nennen sich auch unsere Materialien. Da gab es auch noch ein paar andere und irgendwann wurde das abgelöst von der chemischen Industrie, weil man natürlich künstlich hergestelltes viel besser dann noch modifizieren kann, noch ganz viele Variationsmöglichkeiten hat, wenn man selber Polymere kreiert. Das war auch sehr, sehr gut für zum Beispiel die Medizintechnik. Dafür brauchen wir natürlich das alles. Aber wir haben es in den letzten Jahren ein bisschen übertrieben und haben jetzt negative Folgen mit den Kunststoffen. Und wir gehen so ein bisschen back to the roots. Wir nutzen wieder die natürlichen Polymiere, die die Natur für uns herstellt. Und jetzt ist es bei uns noch zusätzlich so, dass wir uns gesagt haben, wir wollen aber dafür keine Nahrungsmittel nehmen, sondern wir wollen natürlich die sogenannte Biomasse zweiter Generation, heißt das. Das heißt, alles das, was nicht primär Lebensmittel ist, das nutzen wir. Wir nutzen Reststoffe der Getreideverarbeitung, wo oft dann nur die Stärke verwendet wird für verschiedene Anwendungen und das, was übrig bleibt, wird oft verfüttert an Tiere. Und das nutzen wir und haben ein Verfahren entwickelt, wie wir daraus die natürlichen Polymere, die dort drin sind, rausholen können und zu plastikähnlichen Materialien. Was wir konkret machen, ist, dass wir ein Granulat herstellen, ein Granulat, was verwendet werden kann von heutigen Kunststoffverarbeitern, die dann eben daraus Materialien herstellen wie Verpackungen oder Einwegartikel oder Beschichtungen für Papier oder Klebstoffe.

David Wortmann: Also ihr habt dieses Verfahren entwickelt und ihr lizenziert das letztendlich dann nach außen hin. oder habt ihr den Anspruch, sozusagen all die Mengen, die es ja zu ergänzen oder zu replacen gilt, dann selber zu produzieren und zu verkaufen?

Anne Lamp: Im ersten Schritt machen wir das selber. Also wir bauen gerade unsere erste Anlage, die dann erste Mengen davon produziert. Arbeiten eben auch an den Konzepten, dieses Material dann weiter zu verarbeiten. Auf den jetzigen vorhandenen Maschinen bei den Kunststoffverarbeitern. In Zukunft, um dann wirklich langfristig den maximal möglichen Impact zu generieren, wollen wir natürlich auch zusammenarbeiten mit anderen und das nicht nur alles selber machen, um einfach da schnell voranzukommen. bereiten wir auch ein Lizenzpaket vor, sodass andere dann auch das produzieren können, sich da Anlagen bauen können.

David Wortmann: Wer sind denn die klassischen Abnehmer eures Produktes oder in Zukunft die Abnehmer eurer Lizenzpartner?

Anne Lamp: Unser Material selber, das Granulat, das wird von der kunststoffverarbeitenden Industrie abgenommen, die zum Beispiel Folien herstellen oder Papier beschichten oder auch Spritzgussprodukte herstellen, wie Kaffeekapseln oder Einwegbesteck oder Regaldübel oder was weiß ich. Das heißt, die nehmen unser Material ab und können das dann auf ihren Maschinen verwerten. Das Lizenzmodell wiederum, das gilt eher für die Produktionsseite. Das sind dann eben große Agrarfirmen, die das dann bei sich verwenden. Und dann eben als Lizenznehmer das Granulat mitproduzieren können.

David Wortmann: Jetzt gab es ja gute Gründe, dass immer mal zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Chemieindustrie dann eben auf fossilbasierte Polymere umgeschwenkt ist, weil man da sehr viel mehr Modifikationen als Material reinbringen kann. Die Anforderungen haben sich ja jetzt nicht verringert, sondern wahrscheinlich sind sie unglaublich in Zielfältige gegangen. Wir finden ja überall jetzt Plastik, es muss dehnbar, es muss belastbar sein, es muss hitzebeständig sein, es muss in allen möglichen Temperaturen funktionieren. Könnt ihr das denn jetzt auch alle schon abdecken? Siehst du hier den Weg, dass ihr das mal alles abdecken könnt oder siehst du dann schon auch noch gewisse Lücken?

Anne Lamp: Also natürlich hat es seine guten Gründe, dass wir angefangen haben, weiterzudenken als nur das Material, was die Natur schon produziert. Und das ist auch jetzt noch so, dass wir natürlich in vielen, vielen Anwendungen die synthetischen Kunststoffe brauchen. Es gilt bei der Materialauswahl immer zu gucken, ob das Material sich in der Umwelt verbraucht, also dorthin gelangen kann, entlastet. Mikropartikeln oder weil es eben dorthin geworfen wird oder es sich nicht verbraucht und geschlossene Kreisläufe möglich sind. Das Ganze heißt, nach dem Prinzip des Cradle-to-Cradle-Prinzips sind das zwei Kreisläufe, der technische und der biologische Kreislauf. Und wenn ich Produkte habe wie, sagen wir mal, Waschpulver, das kommt in die Umwelt, das ist klar, das muss dafür designed sein, dass es sich in der Umwelt abbaut. Wenn ich aber einen Laptop habe, dann ist das klar, der wird wahrscheinlich eher nicht in die Umwelt gelangen. Dann kann der natürlich für den technischen Kreislauf designt sein und soll sich auch nicht abbauen. Und das heißt, ich will damit sagen, die verschiedensten Eigenschaften, die Kunststoffe haben oder die ja verschiedene synthetische Kunststoffe haben, die sind natürlich notwendig für viele Applikationen und das geht nicht mit natürlichen Polymeren. Aber für alle die Anwendungen, die eben leicht in die Umwelt gelangen, brauchen wir nicht diese ewig haltbaren synthetischen Kunststoffe, sondern da sind schon viele, viele Funktionen, die beispielsweise unser Material, aber wir sind ja auch nicht die einzigen, es haben sich schon viele auf diesen Weg gemacht, diese neuen Materialien abdecken können, um dann eben die leichtlebigen, kurzlebigen Produkte zu ersetzen. Und das ist auch so, muss man positiverweise sagen, dass der Markt, der hat lange, lange gesagt, das muss immer weitergehen. Es muss immer weniger Plastik drin sein, es muss immer billiger sein und noch funktionaler und jetzt bitte auch in Pink und in Glitzer und was weiß ich. Super einfach gesagt. So, und der Markt ist aber da jetzt auch so sensibilisiert durch die VerbraucherInnen, die einfach da keine Lust mehr drauf haben, weil das sind ja oft die Consumer-Facing-Goods-Unternehmen, die Eigenmarken. Die Händler, die jetzt diesen Druck spüren von den Verbrauchern, die gar keine Lust mehr auf glitzernde Verpackungen haben, die was weiß ich können, die sagen, jetzt rudern wir mal zurück auf das Problem, was wir haben. Wir wollen was verpacken, damit die und die und die Funktion erfüllt ist. Und was kann man da noch nehmen als die Hightech? Klar, es gibt Limitierungen und wir können nicht alles mit unserem Material herstellen, das wollen wir auch gar nicht, sondern wir wollen in die Applikationen rein, die wirklich einen Impact haben, wenn wir sie dadurch ersetzen, weil dann eben weniger Plastik-Rittering passiert.

David Wortmann: Ich kann mir vorstellen, da gibt es bestimmt auch Ansätze von Co-Entwicklungen auch. oder macht ihr das mehr oder weniger aus euch selber raus? Ihr seid Chemikerinnen und Chemiker. oder wie kann mich euer Team vorstellen?

Anne Lamp: Ja, wir sind viel VerfahrenstechnikerInnen und auch ChemikerInnen, weil wir auf der einen Seite ja unseren Prozess haben. Das ist ja unsere Hauptinnovation, diese Verfahrenstechnik, um das Granulat zu produzieren. Diesen Prozess skalieren wir eben auch hoch und optimieren stetig weiter. Und auf der anderen Seite haben wir eben die Weiterverarbeitung des Materials auf Industriemaschinen. die wir realisieren und entwickeln. Und das machen wir aber auch natürlich in Kooperation mit Instituten, aber auch mit unseren Partnern tatsächlich. Also unsere Partner kommen einerseits aus dem Bereich der Consumer-Facing-Goods-Industry, also die Eigenmarken und Händler, die auf uns zukommen und sagen, habt ihr da was? Wir haben da ein Problem. Und mit denen zusammen eben ganz nah am Markt oder nah am Produkt erste Prototypen entwickeln. Aber auf der anderen Seite kooperieren wir eben auch mit den Verarbeitern, die sagen, euer Material klingt super spannend und wir hätten da so viele Applikationen. Lasst uns das zusammen auf unseren Maschinen testen und die Verarbeitung entwickeln.

David Wortmann: Vorausgesetzt, ihr bekommt dann auch die Produktspezifikation so hin, wie es der Markt auch braucht. Gibt es denn doch noch Gründe zu sagen, man setzt auf die fossilen Polymere, weil sie vielleicht günstiger sind? Habt ihr dann Kostenunterschied beispielsweise noch oder lässt ihr sich möglicherweise auch aufheben durch Skalierung dann später, wenn ihr wirklich in die Waffenproduktion geht?

Anne Lamp: Ja, das ist wirklich ein ganz, ganz wichtiges Thema, vor allem bei Biokunststoffen. Es gibt ja schon einige Biokunststoffe auf dem Markt, auch wenn die nur 0,1 Prozent der gesamten Kunststoffproduktion ausmachen. Aber es gibt schon einige, die sind zwar auch alle synthetisch polymerisiert, also nicht wirklich abbaubar in der Umwelt, aber zumindest mal auf Bio basiert. Ein großer Nachteil bei denen ist, dass die fast ausnahmslos alle teurer sind als normale Kunststoffe. Und dafür ist wirklich die Industrie noch nicht bereit. So 20 Prozent, 30 Prozent bei welchen, die es wirklich gut meinen. Zweifacher Preis geht gar nicht. Und das war auch ein großer Motivationspunkt am Anfang zu sagen, welcher Rohstoff ist denn in Massen vorhanden? Reststoff wohlgemerkt, Agrarreststoff ist in Massen vorhanden, günstig. Und welches Verfahren kann ich dann anwenden, so unkomplex und einfach wie möglich, um zum Ziel zu kommen? Und das war, wie gesagt, immer Fokus in der Entwicklung. Und jetzt haben wir ein Verfahren, das, wenn man es eben auf einem kleinen Industriemassstab hochskaliert, ja, kompetitiv ist im Preis mit konventionellem Kunststoff.

David Wortmann: Wie ist denn die Verfügbarkeit dieser Reststoffe? Die hast du jetzt ein paar Mal angesprochen. Also du sagst, die sind irgendwie da in Mengen, aber gibt es da nicht auch noch Konkurrenz und Nutzungskonkurrenzen, beispielsweise mit der Bioenergie, die sich ja auch teilweise auf die Biomasse der zweiten Generation auch stürzen muss? Und wäre es dann vielleicht auch nochmal ein Weg, langfristig auch dahin zu gehen, dass man sagt, man muss halt dann vielleicht dann doch auch in die Pflanzenproduktion einsteigen, um sich diese Rohstoffe dann auch zu sichern? Oder siehst du das gar nicht so sehr?

Anne Lamp: Also wir haben ja auf der Welt eine begrenzte Agrarfläche. Die ist begrenzt, die wird nicht mehr, es sei denn, wir holzen mehr ab. Und sie wird eher weniger durch den Klimawandel. Das ist schon auch ein signifikanter Verlust, den wir da jedes Jahr haben. Das ist klar. Das heißt, wir müssen diese Agrarpflege, die wir haben, natürlich primär für die menschliche Ernährung einsetzen. Das ist ganz klar. Wir haben nämlich da auch eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsendem Wohlstand. Und nichtsdestotrotz müssen wir trotzdem von fossilen Rohstoffen weg. A sind die endlich, B erzeugen sie Nahrung. CO2-Emissionen und C erzeugen wir noch viel weitere Umweltkatastrophen. Das heißt, wir müssen mit dem klarkommen, was wir haben. Diese Reststoffe zu nutzen für Energieerzeugung oder Materialien ist natürlich deshalb ein Muss. Also wir können nicht primär auf Nahrungsmittel setzen, aber da gibt es natürlich eine Konkurrenzsituation. Das Erste, was man machen muss, ist die Effizienz zu erhöhen. Weil es ist tatsächlich so, dass vieles, vieles, vieles von diesen Nebenströmen noch ungenutzt ist. Also da ist eine riesige Innovationsrückstau sozusagen, diese Reststoffe zu nutzen. Das Ganze nennt sich Bio-Raffinerie. Das ist das Erste. Und das Zweite ist ja, irgendwann werden wir konkurrieren auch mit Bioenergie zum Beispiel. Und Ja, da ist die Antwort dann irgendwann. Wir können die Welt nicht ernähren mit Fleisch. Das ist nun mal leider so. 75 Prozent dieser Ackerflächen, die werden für Viehfutter und Tierhaltung aufgewendet. Wenn wir die Welt 20 ernähren würden, dann bräuchten wir nur ein Fünftel dieser Fläche. Da ist schon ein bisschen was da, was wir dann zur Verfügung hätten. Das IFBB Hannover hat mal ausgerechnet, dass wenn wir unsere gesamte Kunststoffproduktion auf bio-basiert umändern würden, bräuchten wir 5 Prozent der Ackerflächen. Also, da ist Potenzial da. Klar, wir müssen auch immer angucken, was ist der Realmarkt. Man kann nicht davon ausgehen in den Kalkulationen, wenn wir alle Vegetarier werden oder Veganer werden, dann passt das schon. Man muss dann schon auch gucken, was gibt der Realmarkt her, dass da keine Substitutionseffekte kommen und noch mehr Regenwald abgeholzt wird. Das ist ganz klar. Deshalb nutzen wir auch ein Realmarkt. der eben als eher minderwertiges Futtermittel eingesetzt wird und nicht als das Soja-Ersatz zum Beispiel, wo dann ja wirklich Regenwälder für Abholz werden.

David Wortmann: Du hast ja gerade so ein bisschen diese Kennziffer 90 Millionen Tonnen pro Jahr in den Raum geschützt. Wann, glaubst du denn, ist denn dieser Markt ersetzt worden durch Biopolymere? Hast du da so eine Zielgröße?

Anne Lamp: Ja, also im Endeffekt ist das natürlich noch ein weiter Weg und wir müssen da Schritt für Schritt vorgehen. Aber ich glaube, die Zeit ist jetzt reif. Und das merkt man einerseits daran, dass die VerbraucherInnen nicht mehr wollen. Die wollen jetzt wirklich Änderungen. Das merkt auch der Markt. Der will wirklich nachhaltiger werden. Es fehlt wirklich noch an Materiallösungen. Das merken wir immer wieder. Da kommen jetzt ganz viele Konkurrenten auch von uns. Wir nennen sie eigentlich gar nicht richtig Konkurrenten, weil wir brauchen alle Lösungen auf dem Markt. Aber es wird sicherlich noch ein paar Jahre dauern. Unser Ziel ist es, in 2030 eine Million Tonnen traceless Material auf dem Markt gebracht zu haben.

David Wortmann: Das ist eure Zielgröße als Unternehmen. Traceless möchte in zehn Jahren eine Million Tonnen produzieren und damit hoffentlich auch ersetzen. Wenn es eine Reihe von Wettbewerberinnen und Wettbewerbern noch gibt, dann wird es ja hoffentlich auch noch mehr sein. Jetzt um dort hinzukommen zu dieser Skalierung. und das klingt sehr viel, aber vielleicht geht es manchen dann doch nicht schnell genug und vielleicht ist die Notwendigkeit ja auch da, dass es noch sehr, sehr viel schneller ist zu skalieren. Ist es jetzt eine Frage von Technologie und Finanzierung oder glaubst du auch, dass das regulatorische Umfeld, sprich die politischen Rahmenbedingungen hier noch eine große Rolle spielen können?

Anne Lamp: Ja, natürlich beides. Also auf der einen Seite ist es die Finanzierung, aber man muss auch sagen, es ist auch Entwicklung. Technologie kann man nicht von 0 auf 100 skalieren. Das sind Learnings, die man da tun muss. In verschiedenen Stufen muss man so eine Technologie hochskalieren und das braucht einfach Zeit. Du brauchst eben die Jahre dazwischen, bis man zu einer großen Anlage gekommen ist und bis man auch die Weiterentwicklung realisiert hat auf den gängigen Maschinen. Es ist ja auch so, ich meine, die Kunststoffindustrie hat 60, 70 Jahre lang Zeit gehabt, ihre Produkte so zu optimieren, wie sie jetzt gerade sind. Da müssen wir jetzt einem Schweinsgalopp hinterher. Deshalb braucht es einfach diese Entwicklungszeit. Und die Regularien sind natürlich auch ganz wichtig. Also man muss sagen, gerade die deutsche Politik, die ist sich da noch nicht so ganz einig, welche Rolle die Biokunststoffe spielen sollen. Also oft wird den Biokunststoffen immer so eine ganz kleine Nischenapplikation gewährt in den politischen Projekten. Die Vision, wie wir in den nächsten Jahren wirtschaften wollen, wird ganz viel auf Recycling gesetzt, aber die Sinnhaftigkeit der Biokunststoffe ist in dem deutschen Denken irgendwie noch nicht so ganz verstanden. Ich glaube, die sind selber verwirrt von diesem bio-basiert, bio-abbaubar. Was gibt es da eigentlich, was ist der Unterschied? Auf EU-Ebene sieht das ganz anders aus. Die EU hat ja ganz klar, ich glaube jetzt in einer Woche, am 1.7., kommen ja die ersten Single-Use-Plastic-Verbote, die jetzt dann auch in Deutschland umgesetzt werden. Das heißt, jetzt noch schnell Strohhalme horten. Und die ist da ganz, ganz strikt und sagt, wir müssen für bestimmte Anwendungen, und das sind sehr, sehr viele, die wir dort finden, in den Stränden, in den Meeren, müssen wir auf abbaubare Materialien gehen. Aber das ist immer noch Ländersache, teilweise dann solche Regularien umzusetzen. Und da müssen wir eben gucken, dass es nicht zu unserem Nachteil umgesetzt wird. Das Gute an unserem Material ist, dass es wirklich Naturpolymere sind. Das heißt, die fallen nicht unter die Single-Use-Plastic-Directive, wohingegen normale Biokunststoffe wie PLA und Co., die ja synthetisch hergestellt sind, die fallen darunter und werden mit verboten.

David Wortmann: Insofern kann ja auch Ordnungsrecht wirklich helfen. Das ist ja ein gutes Beispiel immer gewesen aus der Vergangenheit in Strohhalmen. Wenn die wirklich verboten werden, dann entsteht sofort auch ein neuer Markt für Alternativprodukte aus Glas, aus Papier und vielleicht möglicherweise aus bioabhaubaren Reststoffen dann auch. Aber dann gibt es sicherlich noch so andere Themen, wie auch die Bio-Aubbaufähigkeit. Also wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, gibt es ja auch die Bioabfallverordnung in Deutschland beispielsweise. Und die sieht ja dann auch vor, ich meine, da kannst du mich vielleicht jetzt auch korrigieren, aber die sieht ja auch vor, dass innerhalb von sechs Wochen im Hausmüll sozusagen dann die Materialien auch verrottet sein müssen auf dem eigenen Kompost. Und das sind dann so kleine, aber feine Dinge, die dann auch im Markt entstehen lassen können oder nicht. und dann die Kaffeekapsel, die zwar aus bioabbaubaren Materialien hergestellt worden ist, erst in acht Wochen sozusagen im Hausmüll verrottet, dann darf sie nicht entsorgt werden.

Anne Lamp: Ja, genau. Also man muss aber auch dazu sagen, zu Recht. Wir kooperieren hier in Hamburg mit der Kompostieranlage in Uetzberg, haben da auch gerade Tests laufen lassen mit unserem Material in der Industriekompostieranlage. Und ich kann die auch total verstehen. Ich meine, die produzieren ja ein Produkt, das ist ein Kompost, der wird verkauft. Wenn ich als Hobbygärtner einen Sack Kompost kaufe, dann möchte ich da keine Plastikteile drin haben. Auch wenn die nach einem Jahr in meinem Garten irgendwann verrotten, das weiß ich ja nicht. Deshalb kann ich die total verstehen, dass sie sagen, Biokunststoffe raus hier, weil die gängigen synthetischen Biokunststoffe einfach viel zu langsam verrotten. Die haben auch nicht die Zeit, das Ganze zu sortieren. und das ist ein ordentlicher Biokunststoff, der verrottet schnell und der nicht. Das können die ja gar nicht separieren. Deshalb haben die jetzt in der neuen Bioabfallverordnung tatsächlich auch drinstehen, keine Live-Verpackung.

David Wortmann: Aber ihr würdet davon theoretisch profitieren, weil ihr dann doch innerhalb der sechs Wochen dann abbaubar seid.

Anne Lamp: Wir sind innerhalb der sechs Wochen abbaubar. Also wenn wir ganz dicke Stücke haben, dann dauert das natürlich noch ein bisschen länger. Aber das, was man am Ende nach diesen sechs Wochen oder fünf Wochen dort wiederfindet, das ist so wie Holz. Also das kann man gar nicht unterscheiden. Wenn der Hobbygärtner das in der Hand hat, dann sieht es nicht aus wie Plastik, weil es quasi schon diesen Status der Verrottung führt. Aber natürlich müssen wir uns da auf der Verordnung fügen, wenn es da heißt, wir dürfen keine Verpackung in den Biomüll tun, dann dürfen wir unseren Kunden auch nicht sagen, bitte schmeißt das alles in den Biomüll. Das ist eine Übergangsphase. Bevor diese natürlichen Polymere in großen Zahlen auf dem Markt sind, Cellophane zum Beispiel zählt ja auch dazu, ist das eine Übergangsphase, wo ich total verstehen kann, das gesagt wird, jetzt hier bitte nichts mehr reinschmeißen. Es ist ja aber vom Impact, ist es ja auch in Ordnung, wenn es im Restmüll landet. Es geht ja darum, dass auf der einen Seite Wir nutzen biobasierte Ressourcen, das heißt das CO2, was bei der Verbrennung entsteht, ist biogen, das ist neutral, hat die Pflanze am Anfang aufgenommen. Im Endeffekt ist die Verbrennung im Restmüll eine beschleunigte Kompostierung, wenn man so will. Uns geht es ja vor allen Dingen darum, um die Fälle, wo es den Kreislauf verlässt, wo es in der Umwelt landet. Weil ich habe es irgendwie im Wald hingeschmissen, weil ich bin in einem anderen Land, wo es kein Müllsammelsystem gibt und dort landet es in der Umwelt. Und natürlich wollen wir gerne in Zukunft, dass nur noch natürliche Polymere dann auch in den Kompost akzeptiert werden, im Biomüll. Aber genau, da müssen wir erstmal hinkommen, dass dass dann wirklich das auch ordentlich geregelt ist, dass nur noch diese Materialien da reinkommen.

David Wortmann: Wir haben über Technologie gesprochen, die Entwicklung, die notwendig ist. Wir haben über das regulatorische Umfeld gesprochen. Lass uns nochmal vielleicht zum Abschluss auch gerne ein bisschen über das Thema Finanzierung nochmal sprechen. Ihr habt die erste Finanzierungsrunde abgeschlossen, weil ich jetzt auch richtig auch schon die Medien entnommen habe. Planet A ist beispielsweise einer eurer Anker-Investoren.

Anne Lamp: Ja, genau.

David Wortmann: Sehr schön. Und jetzt habt ihr erstmal Ruhe. oder kommt jetzt die nächste Finanzierungsrunde? Wie seid ihr da jetzt aufgestellt?

Anne Lamp: Also wir haben die Finanzierung im April bekommen, drei Investoren, unter anderem eben Planet A. Als Impact-Investor sind wir eben auch besonders froh, dass wir einen Impact-Investor drin haben, weil es ist unsere Mission, wirklich einen Impact zu generieren als Prio 1. Und so sind eben auch unsere Werte und die passen sehr gut zusammen. Das nächste, was kommt, ist eben mit diesem Investment bauen wir unsere Pilotanlage und bringen erste kleine Mengen auf den Markt. Und danach steht direkt die Finanzierung. Skalierung in die Demonstrationsanlage an, was eine kleine Industrieanlage automatisiert ist, die das Ganze dann in größeren Mengen herstellt. Dafür brauchen wir natürlich die nächste Finanzierung, ganz klar. Und ja, das wird dann im nächsten, übernächsten Jahr passieren.

David Wortmann: Jetzt seid ihr ja kein klassisches Digitalunternehmen oder eine Softwarebude. Möglicherweise etwas leichter fällt, Geld zu raisen. Hast du jetzt in der ersten Finanzierungsrunde festgestellt, dass es ein bisschen schwerer ist in Deutschland, in Europa für wirklich Technologiethemen, für Cleantech-Themen Geld zu raisen? oder machst du da jetzt gar nicht mehr die Sorgen?

Anne Lamp: Klar, wir haben oft den Kommentar bekommen, naja, so ein Software-Startup wäre schon attraktiver, weil nicht so viel Risiko, nicht so viel Invest, was man in Hardware stecken muss. Ja, aber wenn wir keine Materiallösungen anbieten, dann kommen wir auch nicht weiter. Also die Investoren haben auch schon jetzt begriffen, ging ja auch viel durch die Presse, dass jetzt große Black Rocks, was weiß ich, angefangen haben, in Sustainable Companies zu investieren oder ihre Sustainable Strategy aufzustellen. Viele wollen sich dann schon auch irgendwie beteiligen in diesem grünen Feld. Das haben wir schon auch gemerkt. Das heißt, wir haben sehr, sehr, sehr viel Interesse bekommen. Letztendlich war es für uns dann aber klar, dass wir keine Investoren nehmen, die sich dann nur so einen grünen Touch mit dazu holen wollen, sondern wir wollten wirklich welche, die was davon verstehen und die da wirklich auch hinterstehen. Das heißt, ich würde sagen, es wird schon auch für die Investorenwelt immer attraktiver, auch trotz der Hardware-Komponente dort rein zu investieren, weil das jetzt einfach ein Trend ist, der echt riesig ist. Aber da muss ich sagen, sind wir froh, einen echten Impact-Investor zu haben.

David Wortmann: Eine Million Tonnen, die ihr bis 2030 ersetzen wollt, was sind das Ziele für nächstes Jahr oder für die nächsten zwei Jahre?

Anne Lamp: Also nächstes Jahr wollen wir erstmal mit ein paar Tonnen auf den Markt, die ersten Produkte, die ersten Anwendungen, mit denen auf den Markt gehen. Und wie gesagt, im nächsten Jahr oder in den nächsten ein, zwei Jahren planen wir dann die nächste Produktionsstufe und mit der können wir dann schon weitergehen. erste Kunden bedienen in ihrem gesamten Bedarf. Also so ein Kunde braucht dann ja auch gerne mal 1000, 2000 Tonnen und genau solche Kunden können wir dann auch schon bedienen. und danach folgt dann eben die weitere Skalierung in der Industrieanlage.

David Wortmann: Das größte Thema, nehme ich jetzt in unserem Gespräch, ist bei euch jetzt wahrscheinlich vor allen Dingen jetzt die Pilotanlage auf die Straßen zu bringen und die Entwicklung möglichst schnell und mit hoher Qualität voranzubringen.

Anne Lamp: Ganz genau. Da arbeiten wir mit Hochdruck dran. Und ja, es ist auf jeden Fall ein großes Abenteuer. Wunderbar.

David Wortmann: Und ganz herzlichen Dank, dass du uns so ein bisschen auch durch dieses Abenteuer mit hindurch genommen hast. Ein wahnsinnig spannendes Produkt. Ihr seid eine wahnsinnig spannende Firma. Ihr seid auch eine female geführte und gegründete Firma, die sicherlich auch da nochmal einen besonderen Impact auch nochmal reinbringt in diese Welt. wahrscheinlich auch sehr männerdomierte Chemiebranche. Und ich glaube, wir werden auch sehr, sehr viel von euch hören. Und wir versuchen euch mal so ein bisschen mitzubegleiten, weil das, was ihr macht, ist wirklich notwendig im Markt. Und am Ende hoffe ich auch, dass viele Zuhörerinnen und Zuhörer hier bei Digital Kompakt dann die eine oder andere Zahnpaste in der Hand haben, wo dann ein bisschen was von eurem bioabbaubaren Polymer mit drin ist.

Anne Lamp: Ja, vielen, vielen Dank.

David Wortmann: Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Danke, Anne.

Anne Lamp: Auf bald. Tschüss. Ciao.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.