Dekodiert: Die Vorgehen erfolgreich transformierender Unternehmen

15. März 2023, mit Joel KaczmarekMarcus Worbs

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich digitale Transformation mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und heute möchte ich mich mal wieder dem Thema Transformation wenden. Und dazu habe ich mir an meiner Seite einen kompetenten Mann gesucht, nämlich den lieben Markus Worps. Markus ist Managing Director bei Deconium Strategy. Die Firma ist mir ja wohl bekannt, weil ich mit der lieben Anja auch regelmäßig zu Mobility-Themen rede. Und Markus hat einen sehr coolen Videocast, der nennt sich Running Digital Transformation. Weil ich mitgekriegt habe, dass Markus sehr fit darin ist, genauso diese Transformationsgeschichten nachzuerzählen und auch auseinanderzunehmen, habe ich ihn gefragt, ob wir uns nicht regelmäßig mal zusammensetzen wollen. und über Transformations Zu meiner Freude hat er ja gesagt und bei unserem ersten Gast waren wir uns auch beide sehr schnell einig. Das ist nämlich der liebe Pascal Finet. Und Pascal müsst ihr euch vorstellen wie so ein Schweizer Armeemesser in Sachen Digitalisierung. Auf dem Papier ist er Co-Founder von Be Radical, aber er macht auch noch tausend andere Dinge. Unter anderem hat er zum Beispiel ein sehr schönes Buch geschrieben, was gerade am 1.2. erschienen ist. Das heißt Disruption Pascal, rund im schönen Boulder in Colorado. Und wir werden heute mal das Buch so ein Stück weit auch als Blaupost, will ich gar nicht sagen, aber zumindest mal als Navigationskarte nutzen, um über Transformation zu sprechen. Also ihr merkt, heute haben wir ein sehr schönes Key an Informationen, an Wissen und an Erfahrung, worauf ich mich sehr, sehr freue. That being said, moin moin ihr Lieben, schön, dass ihr da seid. Hallihallo.

Pascal Finette: Ja, vielen Dank.

Joel Kaczmarek: Und der gute Markus hat auch schon gesagt, hey Joel, pass mal auf, dann stelle ich heute mal die erste Frage. Und darum lieber Markus, fang du mal an.

Marcus Worbs: Sehr gerne. Auch dir vielen lieben Dank, Joel. Die erste Frage zielt auf das Pricing deines Buches ab. Du bietest es zum Start als E-Book oder hast es angeboten für 1 Euro oder 0,99 Cent. Ist das eine Go-to-Market-Strategie, um die Bestsellerlisten zu erobern oder steckt da was anderes dahinter?

Pascal Finette: Beides, würde ich sagen. Auf der einen Seite, wenn du Bücher publizierst, vor allen Dingen bei Amazon, vor allen Dingen im Kindle Store, ist es immer eine gute Idee, den Buchpreis am Anfang relativ niedrig zu halten, sodass so viele Leute wie möglich das Buch lesen können und du dann deinen Bestseller-Status sehr schnell bekommen kannst. Auf der anderen Seite, wir müssen mit dem Buch kein Geld verdienen. Das Sinn des Buchs ist, die Message rauszugeben. Und eine der Dinge, die wir machen wollten, ist, wir haben halt eine relativ große Community und wir wollten ihnen einfach die Möglichkeit geben, das Buch zu dem möglichst geringsten Preis, den wir machen konnten, halt zu bekommen. Deswegen haben wir gesagt, zum Launch vergessen wir mal einfach alle Profitgedanken und bringen das Buch für 99 Cent auf den Markt.

Joel Kaczmarek: Erzähl doch mal ein bisschen, was ist denn eigentlich so das Narrativ von deinem Buch, weil du sagst ja selber auch, dass ein Narrativ zu haben zum Beispiel auch ein sehr wichtiger Faktor ist, wenn man eine erfolgreiche Transformation durchmachen will. Warum ist das so wichtig und wie ist dein Narrativ?

Pascal Finette: Ja, total. Geschichten erzählen geht für uns als Menschen ja 200.000 Jahre vor dem Feuer zurück. Wir können nur Sinn aus der Welt machen, indem wir Geschichten erzählen. Wenn du mich live auf der Bühne siehst, ich habe so einen Slide, wo du siehst Charts und das Klassische, weißt du, so von links nach unten, nach rechts oben Slide, ja, und dergleichen. Und ich erzähle Leuten immer, im Grunde ist das egal. Jeder, der diese Slide sieht, erzählt sich selbst eine Geschichte. Und die Einladung für Führungskräfte ist zu sagen, entweder du als Führungskraft erzählst die Geschichte zu deinem Slide oder Leute erfinden im Grunde ihre Geschichten, ja, so. Eine der Personen, die wir für das Buch interviewt haben, Kyle Nell, ein sehr guter Freund von mir, sagte, nobody ever, ever follows a two-by-two-Matrix. Das ist einfach so eine klassische two-by-two-Matrix. Da ist immer das oben rechts ist richtig. Wir erzählen halt Geschichten. Und die Geschichte, die wir mit dem Buch erzählen wollen, ist vor, ich weiß nicht, sechs Jahren oder so, hat mich dieses Thema Disruption umgetrieben. Und vor allen Dingen hat es mich gestört. Kannst du hier kein Business-Magazin mehr aufmachen, wo nicht irgendwie Disruption in der Headline steht? Und für mich hat das Wort im Grunde seine Bedeutung verloren. Wir haben dann angefangen, im Grunde mit Leuten zu sprechen, die Disruption sehr gut hinbekommen haben. Also in Deutschland zum Beispiel so Leute wie Gisbert Rühl, der ehemalige Geschäftsführer von Klöckner Stahlwerken, die Klöckner Stahlwerke toll digitalisiert hat. Und denen haben wir eine einzige Frage gestellt. Wir haben gesagt, mich interessiert nicht, was eure Strategie ist. Ich will nicht eure PowerPoints sehen. Was ich von euch wissen will, ist, was habt ihr eigentlich gemacht, um Disruption und Transformation hinzubekommen? Und diese Geschichten haben wir im Grunde gesammelt, mit mehr als 300 Leuten gesprochen und wenn du mit vielen Leuten sprichst, siehst du so diese Patterns, diese Muster, die sich aufzeigen und die haben wir halt im Buch aufgeschrieben und dann auch mit unseren Kunden wiederum getestet.

Marcus Worbs: Ja, sehr spannend. Was möchtest du denn dann mit deinem Buch erreichen?

Pascal Finette: Zwei Dinge. Auf der einen Seite, und das ist interessant, weil ich das von vielen Leuten gehört habe, die in diesem Bereich, wo du sagst, wow, ihr seid tolle Disruptoren. Fast alle haben mir immer die gleiche Geschichte gezählt. Die haben gesagt, es geht nicht um Disruption. Disruption ist nicht das Ziel. Das Ziel ist, den Kunden zufriedenzustellen. Das andere Ziel, was wir erreichen wollen, ist, mein Background ist Startups und im Startup-Bereich geht es halt darum, den Status Quo zu challengen und Unternehmen, die im Markt bestehen, im Idealfall zu verdrücken. Und ich habe über die Jahre, habe ich für mich persönlich auch festgestellt, dass, wenn du dir so Unternehmen wie Deutschen Mittelstand anguckst, die sind unglaublich wichtig für unsere Wirtschaft, die sind unglaublich wichtig für die Communities, in denen sie operieren und agieren. Wir wollen denen helfen, relevant zu bleiben über die lange Zeit. Und sicherzustellen, dass diese Arbeitsplätze, die geschafft wurden, die Communities, die geschafft wurden, weiter bestehen. Und dafür haben wir im Grunde die Lektionen, die wir gelernt haben über wie funktioniert Transformation, was sind die Dinge, die man vermeiden muss, haben wir einfach aufgeschrieben in einem Buch.

Joel Kaczmarek: Und vielleicht fangen wir mal ganz basic auch an. Du hast erzählt, du hast die Leute gefragt, wie sie ihre Disruption umgesetzt haben, aber vielleicht nochmal einen Schritt zurück gedacht. Woran erkenne ich denn eigentlich, woran kann ich festmachen, dass eine Disruption überhaupt ansteht?

Pascal Finette: Wir haben ein Modell, das wir State Changes nennen und State Changes ist diese Idee, dass der In-Between, also wenn du von einem Status zum anderen gehst, das ist, was man in der Physik State Changes nennt. Und wir glauben, dass das Modell sehr schön funktioniert als mentales Modell, weil das Molekül, das Wasser ausmacht, H2O, ist immer das Gleiche. Es ändert sich nicht. Den Bezug, den wir zur realen Welt, zu unserer Businesswelt herstellen, ist, dass du, wenn du es von der Kundenperspektive siehst, stellst du fest, dass im Grunde in allen diesen Disruptionsgeschichten, die wir immer gerne erzählen, Kodak und Blockbuster hier in den USA oder Nokia, dass der Kundenwunsch, die Bedürfnisse des Kundens sich nicht ändern. Du guckst dir immer noch Filme an, du machst immer noch Bilder. Was sich ändert, ist die Art und Weise, wie wir das tun. Und das ist, wo im Grunde die Disruption für uns herkommt. Ab und zu hast du diese seismografischen Änderungen, also diese großen Änderungen in der Art und Weise, wie wir das Kundenbedürfnis erfüllen. Das Kundenbedürfnis selbst ändert sich aber nicht. Das bleibt für lange, lange Zeit stabil. Und ich glaube, es ist wirklich wichtig für Unternehmen, das zu verstehen, welches Kundenbedürfnis erfüllen wir und wie machen wir das im Moment. Wenn man sich vorausschauend im Markt umtut, sieht man, wie sich das ändern kann. Man kann das antizipieren und sich dann eben auf Disruption vorbereiten.

Marcus Worbs: Wie erkenne ich denn dann genau diese schwachen oder auch starken Signale, dass es gerade so ein State Change gibt?

Pascal Finette: Wir alle können im Grunde Futuristen werden. Wir alle können irgendwie die Zukunft besser sehen, indem wir einfach eine interessante Frage stellen. Das heißt, wenn du was siehst, was irgendwie anders ist. Was wir häufig tun ist, wir gucken weg. Es passt nicht in unser Repertoire, es passt nicht in unsere Patterns, in die Muster, die wir gelernt haben. Und dann ignorieren wir das. Das klassische Beispiel für mich ist, 1996 kam der Palm Pilot auf den Markt. Das Interessante an dem Palm Pilot ist, als ich meinen Palm Pilot gekauft habe, habe ich nicht das iPhone sehen können. Wenn du den heute dir anguckst, kannst du ganz klar sehen, dass die DNA des iPhones im Palm Pilot existiert, elf Jahre bevor das iPhone erfunden wurde. Und die Anleitungen, die wir im Buch geben, ist, dass wir besser werden müssen, uns diese schwachen Signale, diese frühen Indikatoren der Änderung, des Changes anzugucken und zu lernen darüber. Das heißt, das nächste Mal, wenn du einen Palm Pilot siehst, du den nicht nur anguckst und sagst, ja, ist schön, kann ich jetzt mein Adressbuch draufpacken, sondern dich fragst, okay, was ist denn möglich? Was können wir denn mit diesen Dingen machen? Und ich glaube, wir werden besser damit. Also im Moment gibt es jetzt eine Riesendiskussion um Chat-GPT, also diese künstliche Intelligenz, die im Chat-Format im Grunde sich präsentiert. Du musst nach wie vor auf der einen Seite diese Dinge sehen, auf der anderen Seite dir auch überlegen, welche von diesen Dingen werden denn wahr? Wie nah sind diese Dinge denn am Markt? Nicht in der Welle des Hypes gefangen bist und sagst irgendwie, Cryptocurrencies werden alle Währungen der Welt ersetzen. Wird das denn so sein? Und da gibt es Methoden, mit denen du feststellen kannst, wo sich eine Technologie im Moment befindet auf dieser Hype-Kurve.

Joel Kaczmarek: Da wollen wir jetzt natürlich mehr wissen. Lass uns das mal vertiefen, weil genau zu verstehen, was so deine Best Practices sind, um diese Weak Signals quasi zu erfassen und zu verarbeiten oder umgekehrt insgesamt Signal überhaupt zu bewerten und zu fragen, okay, liegt hier vielleicht sogar ein starkes Signal vor?

Pascal Finette: Was wir machen und was wir auch in dem Buch beschreiben ist, wir stellen uns drei Fragen. Du guckst dir eine Technologie an und zerlegst sie in seine Einzelteile. Wie nah ist dieses Einzelteil an dem Punkt, wo die Technologie gut genug geworden ist? Klassisches Beispiel. Viele Leute sprechen im Moment über das Thema Metaverse. Ich schmunzle immer so ein bisschen, weil das Metaverse gibt es nicht. Das Metaverse ist so ein konglomerativer Begriff. Wenn du überlegst, was macht denn das Metaverse aus, dann hast du halt so Dinge wie Headsets, 5G-Internet, das Tooling, also die Software, die wir brauchen, um das Metaverse zu erstellen. Also das heißt, was du nimmst, das erste, was du machst, ist, du nimmst die Technologie, bröselst die in ihre Einzelteile auf. und dann stellst du die Frage, wie nah sind wir denn bei den Einzelteilen an diesem Tipping Point, wo die Technologie gut genug ist. Und nur wenn alle Einzelteile nah genug an dem Tipping Point sind, bist du im Grunde an einem Punkt, wo die Technologie auch tatsächlich reif ist. Nummer zwei ist, mit jeder Technologie hast du Dinge, die du selbst beeinflussen kannst. Wenn du künstliche Intelligenz schreibst, kannst du die Algorithmen besser machen. Du hast aber auch eine ganze Menge Faktoren, die du nicht beeinflussen kannst. Zum Beispiel soziale Akzeptanz, andere Technologien, auf die du aufsetzen musst, die du selbst nicht beeinflussen kannst. Und ich glaube, es ist unglaublich wichtig, sich anzugucken, was sind diese Faktoren um unsere Kerntechnologie herum, die wir nicht beeinflussen können. Klassisches Beispiel hier in den USA, selbstfahrende Autos. Kürzlich wurde hier eine repräsentative Studie durchgeführt in den USA, die zeigte, dass 50 Prozent, 50, die Hälfte aller Amerikaner der Meinung sind, dass es eine schlechte Idee ist, für die Gesellschaft selbstfahrende Autos zu haben. Das heißt, du kannst selbstfahrende Autos machen und du hast 50% der Amerikaner, die zumindest im Moment nicht nur sagen, ich würde mich nicht reinsetzen, weil ich dem Ding nicht traue, sondern die so weit gehen und sagen, das ist schlecht für die Gesellschaft. Das heißt, wenn du Elon Musk bist und selbstfahrende Autos machst, hast du auf einmal 50% deines potenziellen Marktes, die im Grunde gegen dich stehen. Das mag sich ändern, aber es ist etwas, was du in Betracht ziehen musst. Und dann der letzte Faktor ist im Grunde, wie nützlich ist das Ding denn? Das kannst du häufig erst dann feststellen, wenn du relativ nah am Markt bist. Also wenn du relativ nah daran bist, das Produkt in den Markt zu bringen. Klassisches Beispiel für mich hier sind so Dinge wie NFTs, Non-Fungible Tokens. Ich bezweifle die Nützlichkeit persönlich, die Nützlichkeit eines Bored Ape NFTs. Das sind diese NFTs, die irgendwie für Millionen Dollar verkauft werden. Das ist im Grunde so ein kleines Bild von einem Affen. Ich weiß nicht, wie nützlich die sind, aber das ist ein wichtiger Faktor, den man sich auch angucken muss. Und wenn du diese drei Faktoren zusammennimmst, kannst du eigentlich relativ gut feststellen, ob eine bestimmte Technologie, eine bestimmte Änderung, eine Disruption nah am Markt ist, ob sie real ist oder ob sie nur Hype ist. Und das ist, was wir Leuten empfehlen, einfach ein bisschen Abstand halten, ein bisschen ruhiger zu sein und sich sehr systematisch anzugucken, was passiert denn eigentlich und wo sind wir.

Marcus Worbs: Du hast es gerade schon angerissen, eine weitere Empfehlung, die du in deinem Buch gibst, sich die Frage zu stellen, was sich eben nicht ändern wird. Das ist ja erstmal ein bisschen kontraintuitiv, wenn man über die Zukunft spricht. Als Methode, nämlich das rauszufinden, was der Kunde wirklich will, sprichst du dann auch eine Methode an, die ich auch sehr, sehr schätze und gerne einsetze, nämlich von Christian Groß gemacht, das Thema Jobs to be done. Ich erlebe es oft bei Kunden, dass das noch gar nicht so eine große Durchdringung erfährt. Von daher würde mich mal interessieren, was sind denn so deine Best Practices bei der Anwendung der Methode?

Pascal Finette: Wir stehen da auf den Schultern von Giganten. Clayton Christensen, Jobs to be done. Die Idee ist ganz simpel. Wenn du mal BWL studiert hast und eine Marketingklasse, dann kennst du das Beispiel, dass keiner sich eine Bohrmaschine kauft, weil er eine Bohrmaschine besitzen will, sondern du kaufst eine Bohrmaschine in der Regel, weil du irgendein Projekt hast. Du willst ein Bild aufhängen oder ein Regal zusammenbauen oder irgendwas. Was ich ganz spannend finde, ist, dass du, wenn du mit Unternehmen sprichst, die sehr, sehr häufig über ihre Produkte und ihre Services sprechen. Ein Freund von uns, den wir interviewt haben in dem Buch, beschreibt das als Paperclip Companies. Die werden die besten Papierklammer-Macher in der Welt, haben aber irgendwann vergessen, warum sie eigentlich Papierklammern machen. Und ich glaube, es ist unglaublich wichtig für Unternehmen, hinzusetzen und zu sagen, was ist denn das Kundenbedürfnis, das wir befriedigen? Wir befriedigen das im Moment mit einer bestimmten Art und Weise, in einer bestimmten Art und Weise, mit einem Produkt oder einem Service. Und sich dann kontinuierlich zu fragen, wie können wir das in der Zukunft besser machen? Durch andere Produkte, andere Services, bessere Produkte, bessere Services. Häufig bedeutet das, wir machen etwas besser, aber ab und zu heißt das auch, dass wir Dinge komplett anders machen. Ein schönes Beispiel aus dem deutschen Bereich. Vor sieben oder acht Jahren habe ich mit einem sehr großen deutschen Automobilkonzern zusammengesetzt, mit den Führungskräften dort. Wir haben uns darüber unterhalten, was sie eigentlich machen. Wir bauen Autos. Ich fand das ganz lustig. Ich habe gesagt, ja, ihr baut Autos, das ist das, was ihr macht, aber ist das denn tatsächlich das Kundenbedürfnis? Will der Kunde denn das Auto, weil er das Auto will? Und das ist sicherlich, manche Leute wollen ein Auto, weil sie ein Auto wollen. Aber ich glaube, es gibt auch eine ganze Menge Leute, die ein Auto wollen, weil sie von A nach B wollen oder weil sie Freude am Fahren haben oder was auch immer. Und da muss man sich eben die Frage stellen, wie können wir das in der Zukunft besser oder anders bedienen?

Joel Kaczmarek: Kannst du nochmal, bevor der liebe Markus, glaube ich, gleich auch mal bestimmt seine Jobs-to-be-done-Anwendung im Business Case bei sich skizziert, was ich echt lebhaft finde, nochmal aber trotzdem auf diesen Punkt eingehen, sich zu überlegen, was denn erhalten bleibt? Also vielleicht hast du ja da eine Anleitung oder mal so ein paar Praxisbeispiele, weil ich glaube, das ist ja genau Kasus, Knaxis, trotzdem bei aller Zukunftsorientierung immer sich zu überlegen, was bleibt hier eigentlich unverändert?

Pascal Finette: Mein Lieblingsbeispiel ist ein relativ obskures Video mit Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, der also vor zehn Jahren auf einer internen Konferenz gefragt wurde von Werner Vogel, dem CTO von Amazon. Sprich mal ein bisschen darüber, wie Amazon funktioniert. Und Jeff sagt dann, the crazy funny thing is that everybody asks me what's new in 10 years, what's next. And that's a really good question to ask. But at the same time, the more important question is what is not going to change in 10 years. Ich finde das so lustig, weil es ist irgendwie so, wir denken darüber nie nach. Aber sich hinzusetzen und zu sagen, was sind denn die Dinge, von denen wir wissen, von denen wir fundamental wissen, dass sie sich nicht ändern. Und das sind die Dinge, auf denen du dein Business aufbaust. Amazon, niedrigere Preise, schnellere Lieferung, größere Auswahl. Ich garantiere dir, es wird sich nie ändern. Du willst immer niedrigere Preise, schnellere Lieferung und größere Auswahl. Und wenn das dein Kern ist, dann sagst du, okay, wie können wir das heute machen und wie können wir das in der Zukunft machen? Wir sind immer sehr auf die Zukunft fokussiert und fragen uns halt immer, was ändert sich, was ändert sich? Aber ich glaube, es ist unglaublich wichtig, sich hinzusetzen und zu sagen, was ist denn die Basis, auf der wir unser Business aufbauen und was sind die Dinge, die sich nicht ändern? Und dann kann man sich angucken, auf deren Basis zu sagen, okay, was sind die Faktoren, die sich ändern in unserer Welt und wie können wir dann besser unsere Kunden bedienen, unseren Job to be done erfüllen?

Marcus Worbs: Wir haben das Ganze nochmal runtergebrochen in eine sogenannte Expected und Unexpected Zone, wenn wir uns über die möglichen Zukunftsgedanken machen. Kurz gesagt, wenn ich sozusagen in die Expected Zone gehe, ist die Jobs-to-be-done-Methode ganz hervorragend geeignet. Ich versuche also zu verstehen, warum nutzt der Kunde das Produkt, in welcher Form nutzt er das. Du empfiehlst es ja hinten raus bei den Empfehlungen auch nochmal, geh zurück. zu deinem Kunden und schau dir an, wie er denn deine Produkte nutzt. Da kannst du unheimlich viel darüber lernen, die gesamte Journey der Produktnutzung auch besser zu verstehen. Und dann kann der Kunde auch sagen, was wünsche ich mir denn noch? Da kann man unheimlich viel von lernen, wenn man anfängt, gute Fragen zu stellen und vor allem gut zuzuhören. Wenn man sich jetzt aber zum Beispiel mal das Thema iPhone nimmt, ja, du hast ja auch gerade schon angesprochen, ja, ich will immer noch telefonieren, aber ich kann mit meinem Telefon, ich kann so viele Sachen machen, das hätte dir vorm iPhone wahrscheinlich kaum ein Kunde sagen können. Die ganzen Möglichkeiten, die es da gibt in der Zukunft, die kann der Kunde zum Teil eben noch nicht heute formulieren. In der Zukunft werden es aber ganz klar seine Anforderungen an das Produkt sein. Und daher meine Frage an dich, gibt es für diesen Aspekt, was der Kunde heute noch nicht offenlegen kann, auch gute Methoden, die du anwendest, um in dieser Unexpected Zone noch tiefer reinzukommen?

Pascal Finette: Super spannend. Bringt für mich diese Fragestellung auf, die wir immer wieder hören. Das ist das klassische Beispiel mit Ford, wo irgendwie Ford angeblich gesagt hat, was er nie gesagt hat, also zumindest gibt es keine Quellen dafür, dass wenn man ihn gefragt hätte, was die Kunden wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde, weil sie sich das Autobomiel nicht vorstellen können. Hätten die tatsächlich gesagt, schnellere Pferde? Oder wenn du die richtige Frage stellst, hätten sie wahrscheinlich eher gesagt, ich will von A nach B kommen. Und zwar so schnell wie möglich, so komfortabel wie möglich. Und im Grunde ist das Pferd egal. Die Kraft liegt in der Frage. Wir haben eine Tendenz, ich glaube, Fragen zu schnell zu eng zu fassen. Zu spezifisch. Klassisches Beispiel, als ich bei Ebay war. Amazon hat angefangen, andere Medientitel zu verkaufen. Also nicht nur Bücher, sondern dann auch DVDs und so weiter. Und bei Ebay haben wir gesehen, das Wachstum von Amazon war wesentlich schneller als bei Ebay. Und unsere Annahme, unsere Hypothese war, dass wir geglaubt haben, dass unser Checkout, weil der auktionsoptimiert war, im Grunde nicht so sonderlich gut war für Medientitel etc. Was machen wir? Klassisches Beispiel, du machst Kundenbefragungen. Und das funktioniert so, dass du Kunden in so einen Raum bringst, hast so einen einseitigen Spiegel, du gibst denen Geld. In unserem Fall haben wir gesagt, irgendwie ist 50 Dollar oder 50 Euro oder was auch immer. Geh auf Ebay, kauf eine DVD und erzähl uns, was passiert. Und das haben wir irgendwie zwei Tage lang gemacht. Wir konnten nicht finden, was ist das Kernproblem hier. Bis am zweiten Tag ein Kollege von mir reinkam und sagt, ihr stellt die falsche Frage. Geht zum Kunden und sagt, hier sind 50 Euro, geh online und kauf eine DVD. Was macht der Kunde? Der Kunde geht zum Computer, tippt Amazon BDE ein, kauft eine DVD. Wir fragen ihn nachher, warum hast du die DVD bei Amazon gekauft, nicht bei uns, also bei Ebay? Er guckt uns mit großen Augen an und sagt, ich wusste gar nicht, dass ihr DVDs habt. Wir dachten, es ist ein Checkout-Problem und haben eine Frage entsprechend gestellt. Wenn du die Frage breiter stellst, siehst du auf einmal eine ganz andere Welt. Du kannst Kunden häufig nicht fragen, du musst sie beobachten. Du kannst ihnen so ein bisschen so einen Hinweis geben und dass sie sich in eine bestimmte Richtung bewegen und dann musst du gucken, was sie machen und dann die Kreativität zu haben, sich zu überlegen, wie können wir das, was sie da machen, besser erfüllen, diese Bedürfnisse, die sie haben, erfüllen.

Marcus Worbs: Letztendlich, lass uns die Büroklammer nochmal kurz anschauen. Also wenn du fragst, wie kann ich eine Büroklammer besser machen, dann wärst du sicherlich nicht auf die Idee gekommen. dass man in der digitalen Welt auch papierlos unterwegs sein kann. Wenn du aber grundsätzlich gefragt bist, warum nutzt du denn eine Büroklammer? Und was würde dir das Leben einfacher machen? Dann würden die Kunden vielleicht auch anfangen zu sprechen und zu sagen, wenn ich das Zeug nicht mehr ausdrucken müsste. Und wenn du dir dann anguckst, was sind denn für Technologien? Jetzt sind wir wieder bei den Rahmenbedingungen, bei der Gestalt. Dann kommst du dann auch zu Innovationen, die auch Disruptionen auslösen können.

Pascal Finette: Ja, absolut.

Joel Kaczmarek: Und vielleicht sollten wir nochmal einen Schritt zurückstehen. Wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, was eigentlich überhaupt dein Verständnis von Transformation ist. Und eine kleine spannende Anekdote, die du vielleicht auch teilen kannst von den Four Horsemen, was die denn eigentlich mit dem Thema Transformation zu tun haben.

Pascal Finette: Wir hatten uns ja vorher schon über dieses Day-Change-Thema unterhalten. Also wenn du von einer Art und Weise, wie du einem Kundenbedürfnis erfüllst, zu einer nächsten gehst. Das klassische Beispiel ist irgendwie, du gehst von bei Kodak, du gehst irgendwie von Foto und Film zu Fotodigital. Und Transformation für mich ist Unternehmen, die es schaffen, von einer Art und Weise, wie wir das Problem lösen, zu der nächsten zu kommen. Entweder indem sie die neue Variante erfinden oder tatsächlich disruptive Innovation in einem Unternehmen oder indem sie ein existierendes Business nehmen und es transformieren, indem sie es von einem State in den nächsten bringen. Ich glaube, dass du, wenn du Transformationen in einem Unternehmen, in einem etablierten Unternehmen hinbekommen willst, gibt es auf der einen Seite eine ganze Menge Dinge, die du machen musst. Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Menge Dinge, über die man sehr, sehr leicht und sehr, sehr häufig und regelmäßig stolpert. Und die haben wir identifiziert, weil ich glaube, das ist so ein bisschen wie, wenn du zu einem Doktor gehst, man muss erst mal die Symptome erkennen und dann musst du sie bekämpfen und dann kannst du auch gesund werden. Wir haben die so ein bisschen humoristisch, nennen wir die die Four Horsemen, also die vier Reiter der Apokalypse. Aus dem einfachen Grunde, weil wir leuten irgendwie Sprache. Da sind wir auch wieder bei diesem Thema Storytelling. Wir wollten Leuten Sprache und Bilder geben, um diese Dinge zu verstehen. Das erste ist relativ bekannt. Trotzdem stolpern wir da immer wieder drüber. Cannibalize yourself. Du weißt, dass du was Neues machen musst. Das neue Produkt, Service kannibalisiert dein altes Produkt. Und häufig machen wir es dann nicht. Es fühlt sich schwierig an, kostet uns unsere P&L etc., Das ist Nummer eins. Nummer zwei ist, und das ist etwas subtiler, aber damit verbunden, im Englischen nennen wir das Leverage-What-You-Have-Fallacy. Also die Idee, dass du sehr häufig die Dinge, zu denen du Zugriff hast, also deine Infrastruktur, deine Leute, deine Prozesse nutzt, um das Neue zu machen. Das ist ein klasse Beispiel, Infrastruktur in die Cloud zu bringen. Vor zehn Jahren habe ich da mal mit dem CTO von einem sehr, sehr großen Finanzunternehmen zusammengesessen, haben wir über die Cloud gesprochen. Er sagte, Cloud ist super, finde ich, also es ist billiger, es skaliert besser etc. Und dann habe ich gesagt, das ist super, also ihr geht jetzt in die Cloud. Und er sagte, nee, machen wir nicht, weil ich habe gerade 30 Millionen Euro für ein Datacenter ausgegeben. Das ist ja auch verständlich, aber es hindert dich eben. Horstmann Nummer drei. Wie gehst du mit dem Immunsystem, das du in deinem Unternehmen aufbaust, um? Also das Immunsystem ist die klassische Situation. Du sagst, wir haben eine neue Idee und dann sagt irgendjemand, ja, das ist nicht, wie wir hier die Dinge machen. So funktioniert das nicht. Das ist das klassische Nein-Sager-Problem. Jedes Unternehmen hat ein Immunsystem. Immunsysteme sind gut. Die schützen dich von der Außenwelt, aber können eben auch zur Autoimmunkrankheit werden. Der letzte Horseman, Geoffrey Moore, hat mal über die Time Horizons gesprochen. Das ist also Time Horizon 1, 2 und 3. Also 1 ist, was du heute machst. 3 ist Research and Development, 10 Jahre raus. 2 ist dieses Inbetween, also die 2, 3, 4, 5 Jahre raus. Was Geoffrey Moore festgestellt hat, ist, dass es sehr häufig sehr, sehr schwierig ist, Dinge aus Zeithorizont 2, wo sich im Grunde die Zukunft entwickelt, in den Zeithorizont 1 zu bringen. Da gibt es ganz viele Faktoren, die da eine Rolle spielen. Du musst dir die reduziert Ressourcen zur Verfügung stellen für Zeithorizont 2, muss den schützen vom Zeithorizont 1 aus vielerlei Gründen, aber so die klassischen Probleme. Und das Lustige ist, wir haben diese Four Horsemen mal vor, ich weiß nicht, fünf Jahren entwickelt, im Grunde seitdem zu allen unseren Kunden gebracht. Jeder unserer Kunden, jeder sagt, ja, kann ich alle sehen, alle vier in meinem Unternehmen. Und wie gesagt, du kannst sie angehen, du kannst sie ändern, aber wenn du sie noch nichtmals mehr erkennen kannst, wenn du sie nichtmals mehr beim Namen nennen kannst, dann hast du halt keine Chance.

Marcus Worbs: Ich finde das einen sehr schönen Narrativ und ich kann dir das auch nur bestätigen. Wir beschäftigen uns ja nun auch viel mit Transformation. Dass wir nicht nur vier, sondern auch den einen oder anderen Reiter oder Reiterin identifizieren, ist tatsächlich aus meiner Sicht auch sehr wichtig, die Augen aufzumachen und es zu beschreiben. Das Schöne an deinem Buch ist aber, dass du nicht nur beschreibst, warum es nicht klappt, sondern dass du auch fünf Empfehlungen gibst, wie man erfolgreich transformieren kann. Vielleicht magst du uns die dann auch nochmal nennen, deine fünf Empfehlungen. Und welche davon ist denn aus deiner Sicht für Unternehmen, die mit der größten Herausforderung, die schwierig sind?

Pascal Finette: Die fünf großen Kategorien, die wir gefunden haben, kommen eben aus diesen Interviews und unserer Arbeit, die wir gemacht haben. Du hörst die, du liest die, du sprichst darüber und sagst so, ja klar, logisch, macht Sinn. Und ich glaube, es ist wichtig, dass diese Dinge auch Common Sense sind, weil wenn es nicht Common Sense ist, macht es niemand. Das Problem ist mit Common Sense, it is not common practice. Die fünf Dinge. Du fängst an dem Thema, wie sortiere ich mein Core und mein Edge aus? Was ist mein Kerngeschäft? Was ist mein heutiges Kerngeschäft? Und was ist meine Zukunft? Das ist ein Spannungsfeld, weil dein Kerngeschäft macht Geld, die Zukunft macht kein Geld im Moment. Dass du halt auf der einen Seite in Meetings sitzt, wo du sagst, Was ist unsere Marge heute? Wie kriegen wir mehr Kunden auf das Produkt etc.? Und auf der anderen Seite, physisch gehst du irgendwie durch den Flur auf die andere Seite des Gebäudes, sitzt in einem Meeting, wo es irgendwie um die Zukunft geht. Und da geht es dann darum, wie viel haben wir heute gelernt? Was haben wir heute gelernt? Wie viele Experimente haben wir heute gemacht? Da geht es gar nicht um dieses Thema Optimisierung. Und dann stellt sich die Frage, wie machst du das? Und da geht es dann eben in die anderen Themen. Eines der Themen Agilität. Alle sprechen darüber, alle Unternehmen, mit denen wir sprechen, die sagen also, ja, ja, wir sind agil. Wenn du aber so ein bisschen die Covers entfernst und so ein bisschen mal nachguckst, stellst du fest, dass Unternehmen agil sind im Bereich Software, weil das ist, wo Agilität original herkommt. In allen anderen Unternehmensbereichen sind sie nicht agil. Agilität in ihren Finanzsystemen, ihrem Marketing etc. häufig nicht. Die besten Unternehmen, die wir gefunden haben, haben diese Prinzipien von Agile durchs ganze Unternehmen durchgezogen. Das ist das nächste Thema. Das ist hinzusetzen und zu sagen, was wissen wir denn fundamental, was wirklich die Wahrheit ist? Und von dieser Wahrheit herauf bauen wir auf. Klingt sehr logisch und das klingt so nach dem Motto, das sollten wir alle machen, machen wir aber nicht. Wir argumentieren in der Regel per Analog. Wir sagen irgendwie, wir sehen was, das erinnert uns an was, was wir schon mal gesehen haben und deswegen verwenden wir die gleiche Logik. Und die besten Führungskräfte, die besten Unternehmen, die wir gefunden haben, argumentieren dann von unten herauf. Das vierte große Thema und das ist ein Riesenthema ohne Frage, Leadership. In dem Leadership-Bereich haben wir ein paar ganz spannende Dinge gefunden rund um das Thema Storytelling. Die besten Leader sind auch gute Storyteller. Was ich ganz spannend finde, ist im Leadership-Bereich die Fähigkeit, sich tatsächlich zu committen. CEOs, die stehen dann vor ihrer Innovationseinheit und sagen, guck mal, wir machen hier dieses tolle Innovationsthema, sind aber nicht tatsächlich committed zum Outcome, weil der Outcome eben ziemlich messy sein kann, der kann sehr merkwürdig sein, der kann uns kannibalisieren etc. Die besten Führungskräfte, die wir gefunden haben, sagen irgendwie, ich stehe zu dem Outcome. Das letzte Thema, das hat mich überrascht. Das ist so häufig genannt wurde und so drastisch genannt wurde, ist unsere Fähigkeit, unsere Mitarbeiter weiterzubilden, zu reskillen und zu upskillen, damit wir uns nicht sicherstellen, dass das gesamte Unternehmen zukunftssicher ist. Und das klingt super logisch und das klingt so nach dem Motto, klar logisch, das machen wir alle. Die Realität ist, dass wir es nicht alle machen. Die Realität ist, dass wir sehr häufig nicht die nötigen Ressourcen und den nötigen Einsatz vorbringen, um das wirklich wahr werden zu lassen. Und ein schönes Beispiel dafür ist Klöckner Stahl, die sehr viel und sehr heftig in dieses Thema Digitalisierung investiert haben, die allen Mitarbeitern, wirklich allen Mitarbeitern. Weiterbildungsmöglichkeiten gegeben haben, um sich digital weiterzubilden, um digital unterwegs zu sein und ihnen auch den Raum gegeben haben, das zu tun. Wir geben euch jede Woche zwei Stunden, die wir bezahlen für euch, dass ihr im Grunde euch weiterbilden könnt. Business ist immer Leute. Deswegen musst du in deine Leute investieren.

Joel Kaczmarek: Das Einzige, was mir noch ein bisschen abstrakt geblieben ist, ist dieses First Principle Thinking. Kannst du das mal an einem Beispiel deutlich machen?

Pascal Finette: First Principle Thinking ist relativ populär geworden in der Startup-Szene, weil niemand anders als Elon Musk mal darüber gesprochen hat. Und zwar hat er die Geschichte erzählt, dass er, als er Tesla gebaut hat, der Preis für die Kilowattstunde Batterie war rund um 700 Dollar. Also unglaublich teuer, wenn du halt ein Auto bauen willst, dass du am Ende den Massen zur Verfügung stellen willst. Die meisten Leute würden sich diese Batterie angucken und sagen, okay, ich verstehe das als Businessperson, ich bin jetzt ein MBA, ich verstehe das als Businessperson, was mache ich? Ich gehe zu meinen Zulieferern und versuche, die runterzuhandeln. Und dann sage ich halt so Dinge wie, hey, wir kaufen von euren Batterien eine Million und gebt mir einen besseren Preis und dann kriegst du den Preis vielleicht auf 500 Dollar runter. Was Elon Musk gemacht hat, ist First Principles Thinking. Er stellt sich die Frage, was weiß ich denn über eine Batterie? Und wenn du darüber nachdenkst, kannst du sagen, wir wissen, aus was so eine Batterie gemacht ist. Was sind die Rohmaterialien? Und dann kannst du feststellen, was kostet es mich, die Rohmaterialien für eine Batterie herzukaufen? Und er stellte dann fest, also mit seinem Team natürlich, dass die Rohmaterialien für diese 700 Dollar Batterie nur 70 Dollar kosten. Du gehst also von 70 Dollar Rohmaterial zu 700 Dollar Verkauf an Tesla. Und das ist eben First Principle Thinking. Dann stellt man sich die Frage Irgendwo sind da Ineffizienzen in dem Prozess, weil wir irgendwie den Preis verzehnfachen. Oder jemand verdient unglaublich viel Geld in dem Prozess. Und oder wahrscheinlich. Und das hat dann dazu geführt, dass Tesla gesagt hat, uns ist das egal, wir bauen unsere eigenen Batterien. Und haben dann eben die Gigafactory gebaut, um diese Batterien herzustellen. Tesla stellt jetzt Batterien her für etwa 200 Dollar.

Marcus Worbs: Eine Sache, die du gerade bei den Empfehlungen gegeben hast, war das Thema Mid-Extree. Wie kann denn das am besten gelingen? Ist das überhaupt möglich? Was heißt das für das Management, für die Menschen? Was sind da so deine Tipps?

Pascal Finette: In diesem Bereich Ambidextrie und Core und Edge gibt es sehr dogmatische Empfehlungen. Also es gibt Leute, die sagen, du kannst das nicht machen, du musst deine Unternehmen separieren. Also du hast dann dein Core-Unternehmen und dann hast du ein ganz anderes Unternehmen, das im Grunde diese neuen Dinge macht. Auf der anderen Seite hast du dann Leute, die sagen, das ist alles Humbug und du musst die tief integrieren. Was wir festgestellt haben, es gibt keine richtige oder falsche Antwort dazu. Du musst eine Antwort finden, die auf dein Unternehmen und auf deine Kultur des Unternehmens passt. Können wir in unserem Unternehmen das Kerngeschäft und die Zukunft zur gleichen Zeit betreiben? Wie tief müssen wir die integrieren? Und da musst du eben Strukturen schaffen, die das unterstützen. Ich glaube sehr deutlich, dass du Mitarbeiter hast, Menschen hast, die das Kernthema des Unternehmens, also sich darum zu kümmern, dass irgendwie deine Margen gut sind, Fehlerquote gering ist etc., also die sehr prozessorientiert sind, häufig relativ risikoavers sind. Und dann hast du auf der anderen Seite, hast du Leute, die Risiko lieben, halt rausgehen und handeln. Die suchen neue Dinge, denen ist das Risiko egal, also klassisch Startup-Gründer. Und ich glaube, du musst die richtigen Leute auf den richtigen Job bringen. Also du musst ja auch sehr häufig überlegen, wer sind denn die richtigen Leute, die die richtigen Dinge machen? Und da geht es dann eben um Führungskraft und Organisationsstruktur, die man schaffen muss.

Joel Kaczmarek: Ist es nicht auch ein Inzentivierungsthema oft? Also wenn wir genau bei sowas sind, was du gerade beschreibst, sollten wir vielleicht auch mal über sowas wie Rewardsysteme reden, weil oft ist es ja so, dass Organisationen so etwas gar nicht inzentivieren.

Pascal Finette: Absolut. Klassisches Beispiel, wenn du hohes Risiko eingehst, musst du auch hohe Rewards haben, Inzentivierung. Einfach um die Mathematik zu verstehen. Wenn ich irgendwie 1 in 100 Chance habe, dass ich irgendwie gewinne, dann muss der Gewinn groß sein. Was häufig bei Unternehmen nicht passiert. Da wird dann jemand auf ein Innovationsprojekt gesetzt und selbst wenn der gewinnt, das Reward dann ist, der wird auf die Schulter getappt und bekommt einen kleinen Bonus und dann freut man sich. Kann nicht langfristig funktionieren. Diese Leute sind unzufrieden, weil das Risiko auf der anderen Seite für sie auch sehr, sehr groß ist. Und das sind dann unglücklicherweise die Leute, die dann das Unternehmen verlassen und Startups gründen, weil da eben dieses Risk-Reward-Thema entsprechend aufstellt.

Joel Kaczmarek: Na, vielleicht muss man es ja sogar zuspitzen. Warum hatten denn viele Organisationen Probleme dabei, diese Edge-Initiative, wie du sie genannt hast, also das Kerngeschäftsferne, also eher das Zukunftsumsätze? dass man diesen Initiativen wirklich volle Kontrolle über das ganze Produkt, das Serviceerlebnis gibt und sie halt auch priorisiert. Weil man läuft ja immer in dieses Innovator-Stil immer dann irgendwie auch rein. Woran liegt das?

Pascal Finette: Also wenn du mit den Leuten sprichst, viele, viele gute Gründe. Das klassische Beispiel ist, dass Unternehmen sagen, wir haben eine Reputation. Und wenn du was Neues ausprobierst, was on the edge ist, gibt es eben Reputationsrisiko. Ich glaube, das ist überbewertet. Solange du sicherstellst, dass irgendwie Leute nicht in Gefahr kommen, umkommen oder dergleichen, ist das Reputational-Risk-Thema in der Regel gering und überbewertet. Aber es wird überbewertet. Du kannst es auch anders machen. Sony in Japan hat eine Brand, die hat nichts mit Sony zu tun, unter der Sony neue Produkte in den Markt bringt, die sie ausprobieren wollen. Und wenn die floppen, dann floppen die halt, ist egal. Und wenn die erfolgreich sind, dann werden die irgendwann, graduieren die und werden Sony-Produkte. Das Schlimme natürlich ist, wenn du dich nicht traust, jemand anders wird sich trauen. Wenn du dann eben mal in einem Markt bist, wo sich Dinge irgendwie bewegen und Konsumentenpräferenzen sich ändern, du einen State Change hast, dann kann das halt sehr, sehr schnell nach hinten losgehen.

Marcus Worbs: Eine Sache interessiert mich noch zum Thema Reskilling, Upskilling, was du ja auch gesagt hast in nachvollziehbarer Weise. Wie weiß ich denn als Unternehmen, welche Skills ich trainieren soll, wenn ich noch gar nicht weiß, wo ich letztendlich hinlaufe?

Pascal Finette: Ich glaube, das Festlegen der Richtung, in die man sich bewegt, der Skills, die man festlegt, ist Aufgabe des Management Teams. Und das ist ganz spannend, weil viele Unternehmen dieses Thema Reskilling und Upskilling im Grunde im HR-Bereich sehen. Und nichts gegen HR-Manager, die sind super, die brauchen wir. Aber ich glaube, es ist unglaublich wichtig, dass du sagst, als Key-Management-Team, ich habe eine Vision, wo das Unternehmen hingehen muss und soll. Aus dieser Version heraus kann ich feststellen, was sind die Skills, die ich brauche. Aufgrund dieser Skills, die ich brauche, kann ich jetzt festlegen, was müssen wir den Leuten eigentlich mitbringen und teilen. Und dann natürlich gehst du zu deinem HR-Team oder deinem Learning & Development Team und sagst irgendwie, okay, helft mir dabei, die entsprechenden Programme aufzusetzen und durchzuführen. Das andere ist, dass wir tatsächlich ein bisschen mehr Meta-Learning machen müssen. Dass wir ein bisschen weniger irgendwie ganz tief in die sehr, sehr spezifischen Skills reingehen. Dann machen wir Vertiefungen, die viel schneller sind und viel gezielter sind, wenn wir dann sehen, was wir genau machen müssen. Die besten Unternehmen, die wir gefunden haben, die sagen halt, hier sind die Five Key Skills, von denen wir glauben, dass wir sie brauchen in der Zukunft. Keine Ahnung, Data Analytics oder so. Und hier ist der spezifische Kurs oder die spezifischen Lerninhalte, die wir wollen, dass ihr die lernt.

Joel Kaczmarek: Und vielleicht nochmal eine abschließende Frage, auch weil wir über Talente schon reden und wie man dies gilt. Vielleicht sollte man ja sogar nochmal einen Gedanken vorher ansetzen. Wie erkennt man denn eigentlich erfolgreiche Jäger und wie können gerade größere Unternehmen diese überhaupt anziehen?

Pascal Finette: Ich glaube, du kannst die aussortieren im Grunde an ihrem Willen und ihrer Möglichkeit, mit Risiko umzugehen. Im Finanzbereich machen wir das ja sehr häufig, wenn du ein Konto eröffnest, hast du häufig diese Fragestellung irgendwie, wenn der Börsenkurs um 20% reduziert, was machst du? Kaufst du, verkaufst du oder hältst du? Und im Finanzbereich machen wir das, um festzustellen, was ist deine Risikobereitschaft, um dann eben dein Portfolio aufzusetzen. Du kannst ähnliche Fragestellungen und ähnliche Assessments im Mitarbeiterbereich machen. Die Fragestellung, wie kriegst du Jäger ins Unternehmen, aus meiner Sicht hat viel damit zu tun, wie du Inzentivierungen aufsetzt, wie viel Freiheit du diesen Leuten gibst, weil diese Leute brauchen viel Freiheit. Aus dem einfachen Grunde, weil du bei Definition nicht weißt genau, was sie machen müssen. Ich kann als Guidance da sein, ich kann irgendwie ein Gedankenpartner für dich sein, aber ich kann dir nicht helfen. Und das müssen wir machen. Wenn du Hunters haben willst, musst du denen eben den Spielraum, die Freiheit geben, das Vertrauen entgegenbringen, zu sagen, hier ist die Stoßrichtung, in die wir gehen wollen. und jetzt geh mal.

Joel Kaczmarek: Pascal, ein wirklich großartiges Gespräch mit dir und du hast geniale Konzepte. Und der liebe Markus und ich haben uns so überlegt, dass wir zum Ausgang immer noch so vier kurze Fragen stellen. Also man wechselt eine Ich, eine Er und die Idee ist, dass man ohne viel Nachdenken antwortet nach Möglichkeit. Und mal gucken, ob wir das hinkriegen. Meine erste Frage, ich mache mal den Anfang. Was tust du denn, um dein persönliches Wohlbefinden und deine Resilienz zu steigern?

Pascal Finette: Viele Dinge, die nichts mit meinem Job zu tun haben, unter anderem Bergsteigen.

Marcus Worbs: Sehr cool. Und was sind die drei wichtigsten Hacks, die dich beruflich erfolgreich machen?

Pascal Finette: Ich verbringe viel Zeit damit, mir Dinge anzugucken, scanne viele Headlines in News, Artikeln etc., um viel Input zu haben. Ich bringe diesen Input zu meinem Netzwerk. Ich verbringe viel Zeit mit anderen Leuten, weil andere Leute sind smarter als ich und ich stelle denen viele Fragen, so wie ihr mir viele Fragen gestellt habt. Und das dritte ist, bringt mich zurück zum Bergsteigen. Ich brauche Zeit zur Reflexion. Häufig formen sich dann meine Ideen und meine Gedanken nachher. Man muss das so ein bisschen setzen lassen. Und das sind so die drei Dinge, die ich glaube, die ich ganz gut hinkriege.

Joel Kaczmarek: Erinnerst du dich denn an einen Ratschlag, der dein Leben besonders positiv beeinflusst hat?

Pascal Finette: Ja, und zwar hat mich sehr früh in meiner Karriere mal jemand darauf hingewiesen, dass Karma sehr real ist und dass man viele Dinge einfach mal machen sollte, weil sie die richtigen Dinge sind, ohne irgendeine Erwartung. Die Welt wird sich dann schon revanchieren.

Marcus Worbs: Zum Abschluss greif dir jetzt vorweg, dein Buch möchte ich allen Hörerinnen und Hörern ganz wärmstens empfehlen. Welches Buch möchtest du uns denn empfehlen zum Thema Digitalisierung?

Pascal Finette: Für mich geht es zurück zu den Klassikern und ich glaube, Clayton Christensen's Innovator's Dilemma und die ganzen Folgebücher sind absolut notwendige Literatur für uns. Ich frage immer Leute irgendwie, wie viele Leute denn Clayton Christensen gelesen haben? Nicht so sonderlich viele. Also von daher, bitte, bitte, bitte lest Clayton Christensen. Wir stehen auf den Schultern von Giganten und Clayton ist ganz klar der Gigant in diesem Universum.

Joel Kaczmarek: Pascal, ich glaube, da bist du dann auch nicht mehr weit weg, weil es hat heute viel Spaß gemacht und Building on the Ideas of Others ist ja auch irgendwie so Design Thinking Principle. Ich danke dir ganz, ganz herzlich. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht. Ich fand es auch sehr erhellend. Ich glaube auch nicht so Bullshit Talk. Deswegen dafür danke ich dir ganz, ganz herzlich. Vielleicht sei auch noch gesagt, dass du mit deiner Company Be Radical ja auch vielen Unternehmen hilfst, sich in so eine Richtung zu entwickeln. So viel Werbung für dich sei hier mal mindestens erlaubt, sowie für dein Buch natürlich und auch dir lieber Markus. Ganz herzlichen Dank. Hat mir sehr viel Spaß gemacht, mal so im Ping-Pong-Modus hier einzutauchen in die Praxis. Von daher, bleib gesund ihr beiden und auf ein nächstes Stell dich ein demnächst mal. Danke euch.

Marcus Worbs: Danke euch auch.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.