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Anja Hendel: Hallo und herzlich willkommen zu Deep Dive Mobility, dem Mobilitätspodcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Anja Hendel. Ich bin Geschäftsführerin bei Diconium und bei uns dreht sich alles um die digitale Transformation von Mobilität und E-Commerce. In der heutigen Folge von Deep Dive Mobility spreche ich mit Katja Diehl über die Chancen und Probleme von Mobilität im ländlichen Raum. Katja ist Kommunikations- und Unternehmensberaterin und setzt sich mit großer Leidenschaft für die Verkehrswende ein. Eine Verkehrswende, in der es sich weniger um Autos, sondern mehr um Menschen dreht. Die Mobilität wird mehr aus der Stadt heraus gedacht und dort wird auch viel mehr ausprobiert. Und genau darüber wollen wir heute sprechen. Es gibt eigentlich große Chancen und Möglichkeiten im ländlichen Raum und erste Pilotprojekte zeigen auch, wo es dort vorangeht. Deswegen freue ich mich sehr, dich heute hier zu haben, liebe Katja. Herzlich willkommen.
Katja Diehl: Danke für die Einladung.
Anja Hendel: Du, um warm zu werden, wollte ich einfach mit ein paar schnellen Fragen starten.
Katja Diehl: Sehr gerne. Du kannst spielen.
Anja Hendel: Ich nenne immer zwei Begriffe. Du nennst mir den Begriff, der dir näher ist und dann starten wir ins Thema, so ein bisschen zu warm werden. Super. Bist du bereit?
Katja Diehl: Ja.
Anja Hendel: Auto oder Fahrrad?
Katja Diehl: Ich habe geahnt, dass es kommt. Ja. Mir ist das Fahrrad natürlich näher, weil ich hier in Hamburg Auto nur nutze und nicht besitze, deswegen Fahrrad.
Anja Hendel: Fahrrad oder zu Fuß?
Katja Diehl: Tatsächlich ermöglicht mir das Fahrrad, weil ich ein paar orthopädische Dinge habe, auch eine längere Reichweite. Ich kann nicht so lange spazieren gehen, aber ich mag manchmal in fremden Städten auch gerne zu Fuß gehen, weil ich glaube, da entdeckt man viel mehr.
Anja Hendel: Teilen oder besitzen?
Katja Diehl: Teilen.
Anja Hendel: Ticket am Automat kaufen oder per App? Per App. Homeoffice oder Büro?
Katja Diehl: Mixen.
Anja Hendel: Stadt oder Land? Stadt.
Katja Diehl: Auch mixen, weil meine Eltern wohnen auf dem Land.
Anja Hendel: Sehr gut. Wunderbar, dann sind wir auch gleich im Thema drin. Wir haben ja oft das Gefühl, dass so Mobilitätskonzepte und vor allem die neuen mehr so ein Spielplatz für die großen Städte sind, wie Berlin, Hamburg, München. Dort wird alles ausprobiert. In den ländlichen Raumen werden die nur sehr begrenzt gedacht. Was glaubst du, woran liegt das?
Katja Diehl: Ich glaube tatsächlich, es liegt daran, dass wir keinen Mut haben und keine Kreativität. Weil meiner Meinung nach gibt es schon so viele tolle kleine Startups, Thinktanks und tatsächlich auch Lösungen im ländlichen Raum. Ich habe letztens bei Twitter mal reingestellt, kann es eigentlich sein, dass wir fast schon so ein bisschen paternalistisch mit der Landbevölkerung umgehen, indem wir sagen, da braucht man halt das Auto. Und dann ist da so ein Punkt gesetzt und dann denke ich mir, ist das so, dass auf dem Land wirklich Autofans wohnen oder wurden die zu Autofans gemacht in dem Sinne? dass ihnen die Alternativen genommen wurden. Weil mein bestes Beispiel ist mein Papa, 81, Parkinson, auf dem ländlichen Raum wohnt und nur noch Mobilität habend. Wenn er Mama fragt, kannst du mich mal irgendwo hinbringen, will er heißen, er macht es nicht mehr. Weil es ist einfach erniedrigend, wenn man um Mobilität bitten muss. Und das ist immer so. das, wo ich versuche, den Perspektivwechsel hinzubekommen. Und ich glaube tatsächlich, es ist Mangelnder Mut von Politik und anderen im ländlichen Raum, glaube ich nämlich sogar, kann man viel schneller Erfolge erzielen als in der Stadt, die ja eigentlich überversorgt ist mit Alternativen. Ich glaube, wenn du im ländlichen Raum mal was machst, dann freuen sich sehr viele, die überhaupt wieder Mobilität kommen. Und ich glaube wirklich, es braucht da Programme, es braucht Anschubfinanzierung, es braucht auch ein bisschen holistisches Denken.
Anja Hendel: Ja, total. Ich finde es auch total spannend. Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der sich mehr um den Immobilienbereich kümmert. Und da wurde mir so ein bisschen gespiegelt, dass in den Städten auch ein ganz großer Zuwachs und ein Mangel an Immobilien herrscht, weil viele alte Leute aus dem Land in die Stadt ziehen, weil sie eben auf dem Land überhaupt nicht mehr mobil sein können. Und eigentlich würden es vielleicht auch gerne in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, aber keinen Supermarkt gibt es mehr um die Ecke und, und, und. Du bist auf ein Auto angewiesen und viele, wenn der Partner stirbt, trauen sich das eben auch einfach nicht mehr zu und ziehen deswegen in die Stadt. Es ist noch eine größere Verdichtung der Stadt, auch von alten Menschen, weil ihnen einfach die Mobilität auf dem Land fehlt. Also das ist der einzige Grund. Nicht, weil ihnen ihr Netzwerk fehlt oder ihre Umgebung, weil sie sich da nicht wohlfühlen, sondern einfach nur, weil sie keine Möglichkeiten haben. Deswegen lass uns doch gerne nochmal ein bisschen vertiefen, was für gute Möglichkeiten es eigentlich gibt. Du hast ja auch selber gesagt, es gibt einen Haufen lokale Mobilitätskonzepte. Und eins, was mir da einfällt, ist speziell Hopper, so im Kreis Offenbach, diese kleinen Minibusse, die da abholen und ihre Routen ziehen. Hast du noch mehr Beispiele dafür und kannst du ein bisschen Ausblick geben, was da gut funktioniert und wo die Grenzen sind und warum auch so die Begrenzungen an Möglichkeiten dann gegeben werden?
Katja Diehl: Das erste On-Demand-Ride-Pooling in Deutschland mit so kleinen Bussen hat ein Bürgermeister in Freyung gemacht. Dem wurden die Mittel für seinen normalen Bus gesteckt. und das ist in Freyung ein sehr flächenbreites Gebiet. Und er hat gesagt, wenn ich jetzt schon das selber machen muss, dann möchte ich was richtig Cooles machen und hat zusammen mit Door2Door, das ist ein Anbieter von Ridepooling-Technologie, zusammen den ersten On-Demand-Ridepooling-Service etabliert. Das heißt, du kannst per App oder auch per Telefon, weil das ist heutzutage auch immer noch ein bisschen wichtig für Leute, die einfach Hemmnis haben, alles per App zu machen. Du kannst also tatsächlich da auch anrufen und sagen, ich möchte in zwei Stunden abgeholt werden, damit ich in den Ortskern komme oder so. Und mit Mit dem habe ich mich unterhalten und der meinte, es ist total interessant, was da passiert ist. Erstens kennen alle den Busfahrer. Der ist so eine Art Kommunikationsplattform geworden, weil man sich da ja auch trifft auf einmal wieder. Das ist ja auch etwas, diese soziale Begegnung auf dem ländlichen Raum, wenn es denn wirklich ländlicher Raum ist, ist ja gar nicht so einfach, wenn man weiter auseinander wohnt. Und da haben dann die Omas, die zum Kaffee gefahren sind und die unter 18 Jahre alten Jugendlichen, die zur Bibliothek gefahren sind oder ins Kino, auf einmal im selben Bus gesessen und sich kennengelernt. Und das fand ich irgendwie so eine schöne Geschichte, die zeigt, wenn man Mobilität anbietet, dass auf einmal auch das Menschliche wieder reinkommt. Weil im Autositzen wäre das ja nie passiert, dass diese Menschen sich begegnen. Und das ist so ein bisschen gerne mal bei dort und dort auf die Webseite schauen. Da sind schon unglaublich viele von der Stadt bis in den ländlichen Raum viele Projekte umgesetzt worden. Das Problem ist aber, es sind alles Pilotversuche. Also es ist immer im Versuchsstadium, weil wir warten ja alle auf dieses neue Personenbeförderungsgesetz. Ich weiß gar nicht, ob es aus den 50ern oder 60ern ist, da gab es noch keine Digitalisierung. Da sind all diese Angebote ja noch gar nicht drin. Und ich glaube, wenn das endlich umgesetzt ist, da kommt ja auch Schwung in die Kiste, weil die Leute halt merken, okay, das ist verlässlich, es bleibt und ich kann meine Mobilität verändern und das Auto abschaffen, weil es gibt was Neues.
Anja Hendel: Ja, ich finde den menschlichen Aspekt, den du gerade rausgestrichen hast, auch nochmal super interessant, weil am Schluss wird ja ganz viel von der Technologie gedacht, was neue Mobilität angeht. Also sprich, du hast eine App und du musst dich damit auskennen in ganz vielen Bereichen, ansonsten bist du aufgeschmissen. Und gerade im ländlichen Raum sind auch viele ältere Menschen, die eben damit auch weniger Berührungspunkte haben und die eben auch nochmal ganz stark auf einen anderen alternativen Einsatz des Fahrzeugs angewiesen sind. Und da gibt es gute Wege, wie du jetzt gerade sagst, mit einfach telefonisch Themen machen. Hast du noch andere Beispiele, wo du merkst, die Menschlichkeit wird eigentlich viel zu wenig gedacht in Mobilitätskonzepten, also ich sag mal so allgemein?
Katja Diehl: Tatsächlich ja, auch im Sinne von Inklusion. Also was Moja hier in Hamburg macht, ist fantastisch, aber nicht barrierefrei. Und ich glaube, das zeigt so ein bisschen, also kurz erklärt, Moja ist auch so ein Service mit sehr tollen VW Craftern, die wirklich sehr luxuriös, also man kommt sich innen drin fast so ein bisschen vor wie im Flugzeug, weil es sehr aufwendige Sessel sind, also man hat durchaus auch seine Privatsphäre, man hat WLAN an Bord, also man kann die Zeit auch nutzen, aber tatsächlich kommen da keine Menschen mit Rollstuhl rein, geschweige denn mal, dass ältere Menschen diese hohe Stufe überwinden können. und ich Ich glaube, bei allem guten Willen von Volkswagen, da hätte es gut getan, Menschen aus dem ÖPNV mitzunehmen oder von irgendwelchen Verbänden, die auf bestimmte Dinge achten. Also ich sage immer, bleibt doch gerne bei euren Kernkompetenzen, nämlich Fahrzeugbau und holt euch für die anderen Kompetenzen Menschen, die sich damit auskennen. Und ich glaube, das ist so der erste menschliche Faktor, den es eigentlich geben muss, dass dass wir unsere Silos vielleicht haben, was vielleicht auch gar nicht immer schlimm ist, weil wir dann auch Spezialisten sind. Aber wir müssen halt andere Leute hinzuholen, um unsere blinden Flecken auszuleuchten. Also auch du und ich kennen vielleicht bestimmte Bedürfnisse von Mobilität gar nicht, weil wir sie nicht im bekannten Freundeskreis oder selbst erlebt haben. Umso spannender ist es dann, mit Menschen wie Raoul Krauthausen oder anderen mal zu reden, wo die eigentlich schon Limitationen erfahren. Und ich glaube, da ist bei aller Technik und der Begeisterung, das sehe ich ja auch bei Clubhouse, Die Leute reden so viel über Technik in der Mobilität. Es ist aber Verhaltensänderung. Und ich habe heute schon gesagt, ich gucke hier morgens, wenn ich die Fenster aufmache zum Lüften, auf die immer gleichen Autos. Die bewegen sich halt nicht. Obwohl wir hier in der Stadt sind, haben viele noch ein Auto. Und ich glaube, da muss man den Menschen ernst nehmen, der immer noch nicht loslassen kann. Irgendwas wird es da geben, warum immer noch ein Auto besessen wird. Und ich glaube, da müssen wir einfach viel mehr an die Menschen ran und einfach auch zugeben, dass wir nicht alles wissen und einfach mal fragen, was hindert dich? Was brauchst du für ein Use Case, dass du endlich dieses Auto loslassen kommst.
Anja Hendel: Ja, super guter Punkt. Das ist ja auch was, was wir oft in der Entwicklung von neuen Lösungen bedenken. Und ich höre raus, nicht genug bedenken, nämlich diverse Teams in der Entwicklung von guten Lösungen reinzubeziehen. Und ich meine, wir haben alle schon ein bisschen das Thema Gender-Diversität immer auf dem Schirm, aber ich denke auch, dass es immer so die offensichtlichste Diversität ist. Die halt sehr offensichtlich ist, wenn man in den Raum schaut, kann man leicht abzählen, wie viele Männer und Frauen sind im Raum. Bei anderen Themen wie, ob jemand vielleicht nicht so gut hört oder nicht so gut sieht oder vielleicht körperlich eingeschränkt ist, ist es schwerer zu erkennen oft. Oder auch, welche Hintergründe jemand hat. Am Schluss kann man einen Raum haben, voller Männer und Frauen unterschiedlicher Nationalitäten. Aber wenn das alles Ingenieure sind, haben die halt auch eine große Überlappungsmenge, die nicht sehr divers ist und die dann eben Dinge auch wieder sehr ähnlich denken. Und ich glaube, das ist echt nochmal ein Punkt, wo wir gerade bei so Themen, die eine ganz breite Masse versorgen sollen, wie Mobilität, es geht jedem was an. Jeder Mensch muss von A nach B arbeiten.
Katja Diehl: Das ist ja auch gerade das Schöne, finde ich. Also es ist ja gerade das Schöne. Ich glaube wirklich nicht, dass wir noch irgendwas erfinden müssen. Manche Sachen wie autonomes Fahren und so weiter, die müssen sich noch entwickeln, die werden aber kommen. Und das ist, finde ich, gerade das Schöne, eigentlich an der jetzigen Zeit eher wirklich wieder den Menschen zu denken. Wir hatten ja auch schon mal so einen Talk und da hattest du ja auch von so einem Projekt berichtet, wo der Mensch vom Band bis, ich weiß nicht was, in höhere Sphären an so einem Projekt einfach ankommt. alle mitgemacht haben. Das macht auch Spaß. Also ich finde diese Abwehrhaltung momentan sehr schwierig, weil natürlich stecken da viele Verlustängste dahinter. Viele Menschen aus dem ländlichen Raum bashen mich regelrecht bei Twitter, obwohl ich ja diese Connection durch meine Eltern habe. Also ich finde manchmal, wir denken auch zu oberflächlich, was so bestimmte Dinge angeht. Und tatsächlich auch dieses Recht auf Freiheit zu müssen wir neu gestalten, weil tatsächlich müssen wir anerkennen, dass natürlich die Menschen mit Autos sehr viele Privilegien haben, die wir Menschen ohne Auto nicht haben. Also Also sie dürfen ihr Auto hier hinstellen und nicht bewegen. Sie dürfen in der Mitte der Stadt fahren und haben ihre Spuren, während ich als Radfahrerin immer sehen muss, wo ich bleibe und mich nicht wohlfühle. Heute ist wieder so eine unselige Helmdebatte losgetreten worden, wo ich sage, Leute, hört auf damit, Victim Blaming zu betreiben. Gebt den Fahrenden auf den Rädern lieber Infrastruktur. Das sind so Momente, wo ich merke an der Emotionalität, die mir auch begegnen und wirklich auch manchmal in Richtung Hass kippt, dass manchmal, das hattest du ja am Anfang gesagt, die Frage, warum ist das so schwer? Ich glaube wirklich, wir sind nicht mehr in der Lage, weil wir sozialisiert worden sind mit dem Auto, das anders zu denken. Und ich habe ja so große Freude, es anders zu denken, aber habe immer so Widerstände, wo ich denke, selbst wenn die Menschen aufs Auto verzichten, haben doch die anderen, die es weiterhin brauchen, auch mehr Raum. Also es ist doch so geben und nehmen eigentlich, ne?
Anja Hendel: Ich finde, da gibt es heute auch einen kleinen Lichtblick. Ich habe heute Morgen gelesen, dass Berlin ein Fußgängergesetz jetzt als erstes eingeführt hat, bundesweit. Was ich auch toll finde, weil wir hatten es ja auch gerade davon. Ich laufe auch gerne zu Fuß zum Beispiel und einfach mehr Parkbänke, mehr Platz für Fußgänger. Auch dort ein barrierefreier Fußgängerweg quasi von A nach B zu gewährleisten. Das sind auch Dinge, eine sehr Low-Tech-Geschichte, würde ich mal sagen, zu Fuß zu gehen. Aber was eben auch wichtig ist und auch vor allem im städtischen und im ländlichen Raum gedacht werden muss. Ja, weil ich meine, wie oft gibt es da auch keinen Bürgersteig in irgendeinem Dorf, oder? Weil Ja, weil dort eh niemand mehr läuft.
Katja Diehl: Also bei meinen Eltern siehst du keine Kinder auf der Straße spielen. Das ist eine Tempo-Preis-Zone. Du hörst sie, weil sie sind in den Gärten, aber sie bleiben da, wo sie sind. Die begegnen sich. Also ich bin früher, ich bin überall groß geworden. Ich bin in Braunschweig geboren, dann sind wir total krass aufs Land in so einem 4000-Seelen-Dorf, wo ich bis heute denke, wie haben meine Eltern das überlebt. Da haben wir auf der Straße gespielt. Ich kannte die ganzen Kids aus meiner Nachbarschaft und da hatten wir eine Straße durch das Dorf sozusagen. Die haben wir gemieden, aber ansonsten waren das so befestigte Wege, würde ich mal sagen. Und das war halt eine richtig coole Kindheit. Irgendwer war immer draußen, wenn man raus wollte und man musste sich nicht verabreden. Und das ist, glaube ich, auch so ein Teil der krassen Familienorga heute. dass es organisiert werden muss, wo sich die Kinder wann treffen. Wir haben Spielplätze, wir machen einen Zaun um ein Gelände, da dürfen die Kinder rein und da dürfen sie spielen, aber bitte nicht auf die Straße. Das sind so Sachen, das macht mich traurig, obwohl ich selber keine Kinder habe. Und tatsächlich, ich habe meinem Papa einen Rollator besorgt. Wir mussten auf einem Parkplatz von einem Supermarkt üben, weil die Gehwege so eng sind, dass ich ihn nicht stützen konnte. Es war nur Platz für ihn. Und das ist auf dem letzten Raum irre, finde ich.
Anja Hendel: Genau, das ist das Paradoxe. Im Endeffekt will es ja aufs Land, um es ein bisschen verkehrsberuhigter und ruhiger zu haben. Aber eigentlich sind die Straßen befahrener und die Kinder haben noch weniger Raum, draußen zu spielen, weil einfach die Autos auch eben von einem Dorf ins nächste reinpreschen, sage ich jetzt mal. Und eben Tempolimits und sowas auch dort eher schwierig nochmal gesehen werden. Ich glaube, das sind echt auch viele Herausforderungen, die total konträr sind zu der eigentlichen Idee, auf dem Land zu leben.
Katja Diehl: Aber ich habe noch eine andere Idee mitgebracht und zwar, weil du ja gesagt hast, worüber wir heute reden. Ich habe einfach, wenn Leute sich mal ein bisschen, weil gerade hört sich immer noch so blöd an, im Osten Deutschland immer noch zu sagen, aber irgendwie weiß ja nicht jeder, wovon man spricht. Da habe ich zwei tolle Thinktanks, einmal Brandenburg und einmal Magdeburg kennenlernen dürfen. Das ist einmal die digitale Provinz. Finde ich auch einen tollen Namen. Und Neuland 21, das sind Menschen. Die Silvia zum Beispiel ist jemand, die wirklich in New York und wie auch immer gelebt hat und dann zurückkam. Die will halt da, wo sie aufgewachsen ist, in Brandenburg auch leben. Und hat gesagt, das kann hier nicht angehen. Also von Digitalisierung im Sinne von ein gutes, stabiles Breitbandnetz über Mobilität, Ernährung, Bildung. Weil ich glaube, wir denken manchmal auch zu sehr, Mobilität ist sowas, was man machen kann. Aber eigentlich ist es ein gesellschaftlicher Wandel. Es ist eine krasse Transformation. Und im Verkehr, wenn wir ehrlich sind, haben wir letztes Jahr die Klimaziele ja auch nur erreicht, weil wir die Pandemie hatten. Aber ich finde solche Leute so toll, und das sind meine Lichtschimmer sozusagen, die einfach sagen, nee, ich akzeptiere das nicht so, wie es hier ist. Ich möchte es anders haben. Wenn Leute wirklich Autofahren toll finden, dann sollen sie es weiterhin machen. Aber ich möchte, dass es Alternativen gibt, dass man die Wahl hat. Und das ist, finde ich, so eine Herangehensweise. Das finde ich gut, weil man da automatisch auch verschiedene Menschen zusammenbringt, die sich mit Bildung, Ernährung oder Digitalisierung auskennen. Die können sich befruchten mit dem Wissen, was sie haben. Und das sind so Dinge, die ich toll finde und wo ich mir wünschen würde, dass viel mehr Menschen auch ins Handeln kommen und merken, ich bin wirksam und ich kann was tun.
Anja Hendel: Was du gerade angesprochen hast, ist nochmal ein ganz interessanter Punkt, finde ich, die Pandemie und was sich damit auch mit unserem Arbeitsleben macht. Ich meine, am Schluss wird Arbeit ein bisschen ortsunabhängiger, wir müssen weniger pendeln. Sprich, ich merke auch so im eigenen Bekanntenkreis, dass viele sich jetzt überlegen, komm, Leben in der Stadt passt auch nicht mehr so zu mir. und wenn ich jetzt eh von überall arbeiten kann, sehe ich ja jetzt seit einem Jahr Dann lass uns doch aufs Land ziehen. Siehst du hier Parallelen oder auch vielleicht eine Chance für den ländlichen Raum? Weil vielleicht auch nochmal andere Gruppen jetzt aufgrund dieser höheren Möglichkeit von B-Mode-Arbeit, sofern es hoffentlich erhalten wird, nicht nur für CO2, sondern eben auch für gesünderes Leben und alles, was dazu gehört. dieser Chancen für den ländlichen Raum, dass einfach nochmal ein stärkerer Zuzug kommt und dadurch auch sich in der Mobilität Dinge verändern werden?
Katja Diehl: Ich glaube tatsächlich, dass es Segen und Fluch zugleich, weil ich glaube, wenn ich tatsächlich so gucke, wenn Leute im ländlichen Raum wohnen, und es gibt ja bestimmte Gebiete auch in Berlin herum, vorsichtig gesprochen sind die Menschen, die das können, nicht arm. Um es mal so zu sagen. Also die Gefahr existiert meiner Meinung nach, dass ein städtischer Lebensstil ins Land gekippt wird. Ich habe vorgestern oder so gelesen, dass die Immobilienpreise auf den ländlichen Räumen schon anziehen, weil reiche Städter in genau diesen Weg gehen. Und ich bin da immer so ein bisschen zwiegespalten, weil ich denke, es ist irgendwie ein Privileg, das tun zu dürfen. Also ich hätte gerne es umgekehrt gedacht. Die Chance sehe ich zum Beispiel St. Oberholz. Die machen ja in Berlin Die gehen jetzt bewusst in so Mittelstädte. Zumindest haben sie das vor der Pandemie getan. Ich weiß nicht, ob es immer noch so ist. Also ich glaube eher, wir brauchen eine Nahversorgung. Genau, was du gesagt hast. Wir brauchen eigentlich so Dinge wie Sankt Oberholz, die zum Beispiel in Sparkassenfilialen gehen, wo unten dieser Schalterbereich ist und oben meistens noch Räumlichkeiten. Die Menschen, die auf dem Land wohnen, nicht mehr diese Wege jeden Tag fahren müssen. Also ich glaube, wenn StädterInnen aufs Land ziehen, produzieren sie Wege. Mehr als vorher vielleicht noch, weil sie ja eigentlich arbeitsortnah gewohnt haben oder zumindest in die Stadt gezogen sind, weil es so ist. Also ich glaube, man sollte einfach diese Dinge bewusst tun. Eigentlich gibt es den Metatrend der Urbanisierung. Deswegen ist das für mich noch so eine spannende Geschichte. Was macht so eine Pandemie für uns? Was ich aber gut finde, ist, wenn jemand tatsächlich, das merke ich bei vielen Menschen, die jetzt Jobs wechseln, die nochmal andere Ausbildungen machen, die nochmal komplett anders sich aufstellen, dass die Pandemie ein Punkt war, was will ich wirklich? Also das ist, glaube ich, eine Pausetaste gewesen für ganz viele Menschen. Also ich habe ja bei meinem Business fünf Monate nichts eingenommen und bin immer noch da. Also ich habe mir selber bewiesen, ich will das wirklich. Und ich glaube, das ist so ein Punkt, da würde ich hingucken. Also wenn ich eh schon diesen Wunsch hatte, nicht mehr in der Stadt wohnen zu wollen, dann wird er jetzt bestärkt. Aber wegen der Pandemie, also das wäre, glaube ich, falsch.
Anja Hendel: Verstehe ich. Also nicht eine Flucht aus der Stadt, weil es auf dem Land vielleicht auch sicherer ist, sondern eher die Pandemie als Chance, was zu verwirklichen, was man eh schon immer wollte, weil man eigentlich gesagt hat, ich mag das ländliche Leben eigentlich und bin nur in der Stadt. Wegen den Wegen und wegen meiner Arbeit und weil es einfach nicht möglich ist, aufgrund auch vielleicht der mangelnden Infrastruktur vom Land in die Stadt in einem guten Weg da regelmäßig zur Arbeit zu kommen.
Katja Diehl: Also es gibt tatsächlich auch ein Projekt, die widmen sich dem, ich weiß nicht, ob du es kennst, es gab ja mal Postbusse. Also es gab mal Busse, die sowohl Fahrgäste als auch Ladung mitgenommen haben. Das wurde jetzt zerschlagen, weil die Bahn, glaube ich, sich da ein Privileg schaffen wollte. Und da gibt es jetzt Landlogistik. Die fangen an, genau das wieder aufzubauen. Dass man hinten eine Ladeklappe hat, die ist ungefähr eine Europalette, glaube ich, groß. Also man kann wirklich Waren auch mitnehmen und Fahrgäste. Will heißen, was ja immer im ländlichen Raum das Problem ist, da sitzt ja nur einer drin. Das kannst du dadurch ein bisschen auflösen. Und ich sage jetzt einfach mal, Edeka, Supermarkt, wie auch immer, so ein bisschen zu so einem Nahversorgungssystem wird. Dass du da Post abgeben kannst, dass du da bei der Apotheke bestellte Dinge abholen kannst, dass du aber auch in den Bus steigen kannst, um irgendwo anders hinzukommen. Und ich glaube, das ist etwas, das haben wir kaputt gemacht tatsächlich, den ländlichen Raum, weil wir alle auf die grüne Wiese gegangen sind. Also ich finde zum Beispiel auch ganz spannend, so Firmen wie Ikea gehen ja jetzt in die Städte. Also es gibt ja viel Diskussion, gehen die Städte genau durch solche Trends, die du gerade genannt hast, kaputt, weil es nur noch die großen gibt und weil man auch online bestellen kann. Also es gibt gerade durch die Pandemie, finde ich, total viele spannende Probleme, die nochmal viel, viel deutlicher werden, weil so eine Stadt ist ja auch nur attraktiv, zumindest für mich, wenn es kleine Shops gibt, wenn man irgendwie eine diverse Landschaft hat, man kann da essen, arbeiten, wohnen. Also hier die Hafencity, die wurde ja auch in einem gewissen Konzept Das funktioniert erstmal nicht so, mittlerweile erholt es sich so ein bisschen. Also das ist schon spannend, was das mit ländlichen und Stadträumen alles so macht gerade.
Anja Hendel: Ja, total. Also ich glaube, auch die Pandemie bringt viele auch Gegensätze, die da sind, noch mal viel deutlicher zu Tage. Also ob das Individualmobilität angeht, natürlich auch spannend, die im Sommer noch gehypt wurde, weil Fahrradfahren da so im Mittelpunkt stand. Aber im Winter ist es halt dann doch das Auto, die Zulassungszahlen in Widerstedt. Wie New York steigen, aber dort sieht man eben auch, auf der anderen Seite ist eben auch viele von den, was du genannt hast, reichen Städtern dann halt in ihre Zweitwohnungen, in den Hamptons oder sowas ziehen, was natürlich jetzt auch nicht der Trend ist, den wir hier gerade diskutieren, sondern eigentlich eher, wie sieht ein gutes Konzept auf dem Land aus. Ich finde deine Postbusse eine ganz spannende Sache. Darüber hast du ja auch länger in diesem Podcast gesprochen neulich. den du im Dezember, glaube ich, aufgenommen hast. Das finde ich nochmal echt spannend. Vielleicht kannst du da nochmal ein bisschen drauf eingehen, was es denn so braucht, vielleicht auch an infrastrukturellen Mitteln, um solche Strukturen geradezuziehen. Weil für mich klingt es erstmal recht simpel, oder? Ich meine, man kombiniert ja plötzlich verschiedene Sachen, die eh ein bisschen kontraproduktiv waren, mit Leerfahrten und die ganzen Paketstationen, die dann irgendwie immer rumfahren. Dann ist vielleicht jemand nicht da, dann muss man nochmal kommen. Und eigentlich fahren da dauernd so kleine Einzelentitäten rum, die man eigentlich gut bundeln könnte. Arzt oder sowas für Leute eben auch kombinieren könnte.
Katja Diehl: Ja, tatsächlich glaube ich, da ist dann doch Digitalisierung auch eine echte Chance. Also ich glaube, das ist schon etwas, wenn du sowas vor 40 Jahren oder so organisieren musstest, da gab es wahrscheinlich jemanden, der wirklich Listen geführt hat und der irgendwie so Disponent sein musste. Das ist, glaube ich, eine echte Chance, solche Dinge wieder aufleben zu lassen durch Algorithmen, die auch da Sachen poolen. Also da gucken, was ist unterwegs, welche Waren kann man mit welchen Fahrten kombinieren. Und Ich glaube auch tatsächlich, um auf das Beispiel von meinem Papa zurückzukommen, dem wäre das recht, wenn es erst in zwei Stunden kommt. Also ich glaube jetzt nicht, dass das so eine Mobilität ist, die unglaublichen Zeitdruck hat, sondern ich glaube, das wird was sein, wo die Leute sagen, ich würde heute gerne da und da hin und zurückkommen. Und wenn man da dieses Flexible aufgreift, denn wenn man ehrlich ist, es geht zwar immer viel um Pendler in Mobilität, aber die größten Wege macht die Freizeit. Also da sind wir ja momentan auch wirklich ein bisschen irrsinnig unterwegs, weil wir ganz verschiedene Dinge immer erledigen wollen in unserer Freizeit. Und ich glaube, das ist halt eine Mobilität, wo man selber auch entspannter ist. Ich muss nicht um zehn irgendwo sein, sondern wenn ich zum Beispiel vor der Pandemie in ein Fitnessstudio will oder, keine Ahnung, einkaufen will, das ist ja nichts, was getaktet sein muss. Und deswegen glaube ich, in dem Bereich steckt hohe Kraft, gerade auch mit Algorithmen, solche Dinge zu hinterfragen und überhaupt mal anzuschauen, was bewegt sich eigentlich in so einem gewissen ländlichen Raumgebiet eigentlich. Also welche Bewegungen gibt es da überhaupt und welche Dinge kann man zusammendenken? Und da finde ich dieses Projekt, die haben auch ein Projekt schon am Laufen. Und da ist der Supermarktmann sozusagen die Spinne im Netz, der so ein bisschen alles organisiert. Und ich glaube, das ist etwas, was dann auch wieder befreit. Und ich glaube wirklich, wir dürfen nicht vergessen, wir sind eine überalternde Gesellschaft. Also viele von uns werden irgendwann nicht mehr Auto fahren können, dürfen wie auch immer. Und da geht es jetzt darum, das auch vorzubereiten. Also das ist ja ein echter Clash, wenn eine gewisse Generation in ein gewisses Alter kommt und da ist keine Mobilität außerhalb des Autos, dann ziehen sie wahrscheinlich, wie du schon gesagt hast, wieder in die Stadt. Und da finde ich es gut, wenn solche Dinge jetzt schon entstehen, dass man sich darauf auch berufen kann, wenn man sie denn braucht später.
Anja Hendel: Wir reden viel über Modelle, die eigentlich gar nicht so in kommunalen Aufgaben sind. Also sprich, warum wir in der Situation sind und warum man überhaupt über solche Lösungswege nachdenken muss, ist ja oft, weil der Bus im Dorf halt nur einmal hält am Tag. Und eben da die großen Rückstände der Infrastruktur sind. Siehst du da Thematiken, wo Man sagt, okay, da ist echt ein Investitionsstau und da muss dringend was getan werden. Oder sagst du, eigentlich nicht, weil du verstehst, warum es so ist. Es ist einfach dann doch zu wenig Bedarf und wir müssen einfach da Mobilität komplett neu denken. Und der Bus müsste eigentlich gar nie wieder halten, sondern lieber das Geld einsparen, um eben einfach nochmal ganz andere Mobilitätskonzepte, wie wir gerade besprochen haben, Postbus oder kleine Shuttles, die irgendwie funktionieren oder so Konzepte, die auch jetzt irgendwie Door-to-Door oder Uber im brandenburgischen Raum hat ja Uber auch da einen ganz guten Prototypen etabliert, dass die ein Einfach lieber das Geld für die bestehende Infrastruktur, die irgendwie noch teuer ist, mit diesem einen Bus, der halt einmal am Tag kommt, einsparen und dafür in anderes investieren. Oder sagst du, nee, die bekannten bestehenden Konzepte wie Busse sind noch gut und die müssen wir eigentlich trotzdem noch mehr ausbauen.
Katja Diehl: Ich glaube tatsächlich, dass wir selber das System kaputt gemacht haben. Unter anderem sind ja fast 8000 Schienenkilometer, glaube ich, abgebaut worden. Das waren vor allen Dingen Regionalbahnen, die uns natürlich jetzt viel mehr helfen würden als einzelne kleine Shuttles. Das will heißen, da muss man wahrscheinlich gucken, welche Dinge reaktiviert man, weil eine gewisse Masse an Menschen kriegst du nur mit so einem System transportiert. Und da gibt es ja auch zwischen bestimmten Ortschaften einfach keine Verbindung mehr. Ich glaube, man muss das einfach abwägen, weil natürlich die Veränderungsgeschwindigkeit bei einem Ridepooling-System sehr viel schneller ist. Du musst keine Haltestellen ausbauen, du musst keine Aufzüge bauen, Du hast barrierefreie Fahrzeuge, will heißen, du kannst Fahrzeuge nach dem jeweiligen Need, also dem jeweiligen Bedarf der Person, die bucht, einsetzen. Trotz allem denke ich, ich brauche halt beides. Und ja, das ist ja auch kein Geheimnis, in welche Richtung die Gelder momentan immer noch fließen. Also Autobahnneubau von 850 Kilometern ist immer noch geplant. Das finde ich sehr kritisch in einer Zeit, wo wir ja eigentlich, klimaneutraler werden wollen, weil es ist einfach mittlerweile durch mehrere wissenschaftliche Studien bewiesen, bau die jeweilige Straße und du kriegst auch den jeweiligen Verkehr. Also wenn man Autostraßen baut, kriegt man Autos, wenn man Radstraßen baut, kriegt man Radverkehr. Und ich glaube, da muss es einfach eine Abwägung geben, meiner Meinung nach, zwischen auch durchaus Pendlerinnenverkehr per Rad, weil die E-Bikes, glaube ich, haben nochmal ganz schön Schwung reingebracht, dass Menschen sagen, okay, dass ich, keine Ahnung, ich habe eine Pendlerstrecke von 15 Kilometern, das kann ich durchaus schaffen und dann habe ich gleich noch meinen Sport. Also da muss ich nicht mehr in irgendwelche Studios gehen oder so. Das wäre für mich diese Abwägung, Schienensysteme, Bussysteme, diese flexiblen Angebote plus halt eine Radverkehrsinfrastruktur, die hilft, dass Menschen tatsächlich auch sicher im ländlichen Raum, kannst du auch nicht überall gut Fahrrad fahren, aber dass sie halt sicher auf dem Rad sein können.
Anja Hendel: Komplett. Also ich glaube auch, Angebot schafft auch Nachfrage. und nicht nur Nachfrage zeugt dafür, dass ein Angebot kommen sollte, sondern wenn was öfters da ist quasi oder was verfügbar ist, entsteht auch die Lust an der Nutzung. So ein bisschen wie der Appetit kommt beim Essen manchmal. Ja, genau.
Katja Diehl: Ja, man kann es halt einfach mal ausprobieren. Also du brauchst nicht mehr diese Fantasie, wie könnte es sein, sondern du kannst es wirklich mal ausprobieren in einem Moment, wo du wirklich nicht zeitlich gebunden bist oder so. Das merkt man bei diesem Loop-Projekt in Münster. Münster ist ja nun einfach eine Stadt, aber es gibt da einen Stadtteil, Hiltrup, der war überhaupt nicht angeschlossen. Und jetzt haben die da genau sowas gemacht, die Stadtwerke zusammen mit Door-to-Door. Und die hatten innerhalb kürzester Zeit 50.000 Fahrgäste. Also das zeigt genau das, was du sagst, wenn man diese Brücken baut. Das sind ja Mobilitätslücken sozusagen, wo nur das Auto hilft. Und wenn man da so eine Brücke baut mit so einem Angebot, dass man zum Bahnhof kommt oder an bestimmte andere Orte, dann wird das auch nachgefragt. Aber man muss es halt schaffen.
Anja Hendel: Jetzt hast du kurz vor Corona im Januar auch noch so ein Eckpunktet-Papier für eine echte Verkehrswende aufgestellt. Wenn du da heute nochmal drauf schaust und da ist auch Pendlerverkehr und all diese Themen ein großes Thema. Siehst du da Themen, wo du sagst, da hat sich was getan, auch gerade wegen der Pandemie, so ein bisschen auch mit dem Remote-Arbeiten, was wir schon diskutiert haben, wo du sagst, da ist jetzt viel entstanden und da dürfen wir nicht aufhören. Also auch wenn die Situation sich hoffentlich entspannt, was ja noch nicht absehbar ist, aber wo du sagst, okay, da gibt es jetzt auch durch die Krise und dadurch, dass wir auch uns zu stark ändern mussten, weil, lass uns ehrlich sein, Wir verändern uns auch immer erst, wenn es eine Notwendigkeit dafür gibt. Also ich meine, die Pandemie hat ja viel beschleunigt. Also wir wären nie so schnell in die Remote-Arbeit gegangen und auch Homeschooling und was wir alles gesehen haben. Wäre ja nicht in dem Maße gekommen, auch wenn wir alle darüber fluchen, dass alles noch nicht genug ist. Aber es waren schon große Schritte für uns als Gesellschaft. Auch so ein bisschen im Sinne von raus aus unserer Komfortzone, rein ins kalte Wasser. Wir müssen jetzt einfach, wir prüfen uns aus. Und normalerweise hätten wir noch fünf Jahre darüber diskutiert, was die beste Lösung gewesen wäre. Siehst du da auch Richtung Verkehrswende Chancen und Lichtblicke?
Katja Diehl: Tatsächlich habe ich genau das Papier auch letztens mal wieder angeguckt und habe gedacht, naja, so viel hat sich nicht getan außerhalb des wirklichen mobilen Arbeitens. Deswegen finde ich es gut, dass du sagst ortsunabhängiges Arbeiten, weil alle möglichen Menschen denken bei Homeoffice mittlerweile nie wieder, wenn ich das nicht mehr muss, dann mache ich das auch nicht mehr. Aber es geht ja gar nicht darum, zu Hause zu arbeiten, sondern an Plätzen, die du dir selber aussuchst. Genau. Das ist natürlich immer was, was so ein bisschen eine Schieflage ist. Plus im zweiten Lockdown, das haben wir ja auch gelernt, das gab ja dieses, macht die Büros zu. Also da gab es wieder Chefinnen, die irgendwie, was auch immer, ihren Kontrollen, die da wieder nicht unterdrücken konnten. Also es war ja wirklich für mich echt erstaunlich, dass sich das, wenn das auch das erste Mal bewiesen wurde, dass es funktioniert, dass es beim zweiten Lockdown einfach Verweigerungen gab. Ich glaube tatsächlich, dass es auch hier diverser Teams bedarf. Wir haben natürlich dieses Jahr eine Bundestagswahl. Wir können mal gucken, wer danach im Verkehrsministerium sitzt. Ich bin ja bei der österreichischen Verkehrsministerin und die hat ganz viele Themen. Die hat Klima, die hat Mobilität, die hat Digitalisierung in ihrem Ministerium vereint. Und ich glaube, das ist toll, weil da kannst du automatisch Mobilität eben nicht als Verkehr denken, sondern als ein Serviceangebot. Weil das Grundrecht auf Mobilität sollte es eigentlich geben. Also es sollte bezahlbar sein, inklusiv. Und viele Menschen mitnehmen, die wir heute schon vergessen. Und das würde ich mir, glaube ich, am ehesten nochmal nach diesem Eckpunktepapier vielleicht auch wünschen, dass das Ministerium, was dafür zuständig sein wird, tatsächlich verschiedene Dinge zusammengreift, um diesen Wandel nach vorne tragen zu können und mit verschiedenen ExpertInnen auch auf unterschiedliche Weise auf Mobilität schauen zu können. Denn im Verkehrsministerium hat man diese klassische Organigrammstruktur, da ist einer für Binnenschifffahrt, einer für Schienenbüterverkehr. Und natürlich reden die nicht miteinander, das weißt du selber. Wenn du so eine Orga hast, ist es halt wirklich schwierig. Dann musst du es eigentlich organisieren. Und ich würde mir wünschen, dass oben drüber einfach Mobilität steht und dass diese verschiedenen Segmente aufgelöst werden und man dieses Ministerium vielleicht auch anders denkt.
Anja Hendel: Ja, super spannender Punkt. Das sehe ich auch in anderen Bereichen. Es gibt ja auch in Unternehmen Silokulturen. Und mein Lieblingsbeispiel ist ja eigentlich, was das nennt sich, da herum dreht sich bei mir gerade ganz viel, Conway's Law. Ich weiß nicht, ob du das schon gehört hast. 1968 wurde das genannt. Das bedeutet, dass im Endeffekt jedes System die Kommunikationsstrukturen der Organisation, aus dem sie entstanden ist, widerspiegeln. Und das ist jetzt ein ganz schönes Bild, dass es natürlich auch in Ministerien so ist. Wenn man halt in diesen Silos ist, merkt man das in unseren Mobilitätsketten, dass die eben nicht gedacht werden, weil jeder nur, ja, für seinen Spezialbereich das Optimum rausholt. Und ich glaube, Mobilitätsketten sind auf jeden Fall die Zukunft. Ich meine, es wird nicht so sein, dass man hoffentlich nur noch das Auto vor der Tür stehen hat oder nur noch das Rad, sondern dass es immer eine Kombination sein wird aus vielem. Super. Vielen lieben Dank. Dann würde ich nochmal mit dir ein bisschen einen Ausblick in die Zukunft wagen, so zum Abschluss. Dann habe ich nochmal so zwei Punkte. Wir wissen ja alle, dass wir uns so ein bisschen überschätzt, was in einem Jahr passieren kann, aber total unterschätzt, was in zehn Jahren passiert. Und deswegen würde ich gerne von dir wissen, nach einer Zahl der Zwischenfragen für dich, ja, In deiner idealen Welt, wie sieht denn Mobilität auf dem Land für dich in fünf Jahren aus?
Katja Diehl: Also eigentlich tatsächlich so, dass ich das Gefühl von ländlichem Raum habe. Ich hatte ja so ein Interview mit Herrn Knoflacher, 80 Jahre alt, der seit 50 Jahren sich so einsetzt, in Wien auch autofrei vorangetrieben hat. Und den habe ich auch gefragt, was motiviert Sie eigentlich? Und er hat gesagt, das ist interessant. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, vor allen Dingen im ländlichen Raum Kinder wieder spielen zu sehen, Kinder mit den Rädern zu sehen. Also wirklich diesen Raum auch im Land wieder der schwächsten Gruppe sozusagen zurückzugeben. Also Mobilität so zu organisieren, dass auch die Menschen, die die muskelbetriebene, sage ich jetzt mal, Mobilität machen, dass die eine Lobby haben und dass sie sich autark ausprobieren können, was denn spannend ist. Und ich glaube, das ist so der ländliche Raum, den ich dann auch attraktiv finden würde, weil ich bin eigentlich echt eine Stadtpflanze und momentan sage ich, wenn ländlicher Raum, würde ich wahrscheinlich auf den Kotten ziehen. dieses Land zu haben. Also ich würde nicht da wohnen wollen, wo meine Eltern sind, weil es einfach eine Kopie ist von Stadt, aber im besten Maße in dem Sinne schlecht kopiert, dass es eigentlich noch schlechter ist als die Stadt selber, wo ich ja kurze Wege habe. Und ich glaube, wenn wir den ländlichen Raum wieder zu dem zurückbringen, was da mal war, mit einer guten Nahversorgung, dass Menschen auch tatsächlich nicht 30 Kilometer fahren müssen oder so, um irgendwelche speziellen Dinge zu erledigen, dann sehe ich da ganz viele Chancen und ich sehe vor allen Dingen auch Chancen darin, genau solche flexiblen Systeme einzuführen. Und was ganz lustig war, mein Papa hatte Geburtstag und da waren auch so ein paar Herren aus seiner beruflichen Zeit und wir kamen beim Kaffee auf das Thema Fahrrad zu sprechen. Wir waren alle Auto-Nerds in der beruflichen Zeit, waren jetzt aber in Rente und haben sich mega aufgewegt, haben sich alle E-Bikes gekauft, dass das ja total gefährlich ist. Und da habe ich so gedacht, interessant, sobald du aus der Halb des Autos bist, merkst du erstmal, wie schwierig das ist.
Anja Hendel: Perspektivenwechsel, total wichtig. Finde ich nochmal super spannend, nämlich mit auch irgendwie, das Bild, was mir gerade gefallen hat, war so, dass das Land gerade eigentlich eine schlechte Kopie von der Stadt ist, mit allen Negativen. Und dadurch auch, dass man eben alles mit dem Auto machen muss, dann eigentlich auch so die Menschlichkeit, die man sich von der ländlichen Struktur ja noch viel mehr wünscht, weil man sich mehr begegnet und mehr sieht, eigentlich auch gar nicht existiert. Wo viel Raum ist dann für tolle Ideen, die du erwähnt hast, nämlich die kleinen Postbusse, wo man seine Nachbarn trifft und eben auch plötzlich Kommunikation generationsübergreifend wieder ankurbelt. Das finde ich ein super schönes Bild für die nächsten Jahre.
Katja Diehl: Und ich mag, dass du darüber redest und so total lächelst. Also ich kann dich ja angucken, während wir sprechen. Also ich finde, das sind halt so Sachen, da kriegt man doch Freude, oder? Also das ist immer so, wo ich denke, wie schaffen wir es, dass die Leute das haben wollen? Also ohne das, was eingefordert wird, bekommen wir nichts. So funktioniert der Politik. Und das ist genau der Knackpunkt, dass ich sage, warum sind wir denn mit dem zufrieden, was wir da haben? Ich will nicht hier in Hamburg lebend einmal im Jahr in Urlaub fahren müssen, um mich zu erholen von der Stadt. Ich möchte in der Stadt und im ländlichen Raum dann auch so leben, dass es eigentlich auch ein bisschen Urlaub immer ist. Und da Das ist so, da bin ich noch so am Rumkauen, wie man das schafft, dass man das als Bild hat, wo man hin möchte.
Anja Hendel: Ja, ich lächle, glaube ich, weil ich das auch mag. Ich meine, das hat ja viel mit diesen spontan ungeplanten Begegnungen zu tun, die zumindest für mich mein Leben reicher machen. Diese Dialoge, die du plötzlich führst, weil du Menschen triffst, die du sonst gar nicht treffen würdest, weil die ja außerhalb von deiner Bubble sind, von deiner Phase sind. Und ich finde, das ist immer der Bereich, wo man ganz viel lernt. Deswegen bin ich auch super dankbar, dass wir uns wieder austauschen konnten, weil du natürlich immer nochmal ganz tolle andere Perspektiven reinbringst, wie ich oft auch so in meiner Bubble habe. Du hast ja da angesprochen, da wird viel über, wenn man über Mobilität spricht, auch über sehr technische Dinge gesprochen, wie es so der Ingenieur macht. Und deswegen finde ich, das macht uns nicht aus. Es macht uns nicht aus, dass wir Dinge technisch denken oder was jetzt irgendwie der beste Antrieb ist. Das ist wichtig für nachhaltige Aspekte und all solche Punkte. Darüber werde ich auch in der nächsten Folge nochmal genauer sprechen, über Nachhaltigkeit. Aber die Menschlichkeit und dieses, was uns ausmacht, ist was anderes. Und am Schluss soll Technologie immer nur dem dienen, um unser Leben besser und einfacher zu machen. Und das macht es durch auch Zusammenkünfte und Begegnungen mit Menschen und kurzen Wegen. Ich habe noch eine letzte kurze Abschlussfrage, die ich dann auch so stehen lassen möchte. Ob du nochmal den Satz, den ich jetzt anfange, einfach beenden kannst. Der ist ganz banal und ist auch für Stadt und Land und egal welche Form. Der ist nämlich einfach nur, Mobilität bedeutet für mich.
Katja Diehl: Kinder lachen.
Anja Hendel: Vielen lieben Dank, Katja. Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke für das tolle Gespräch.
Katja Diehl: Ich danke dir für das Gespräch.
Anja Hendel: Bis bald mal wieder. Tschüss. Tschüss.
