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Matthias Weigert: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen People-First-Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Matthias Weigert und ich bin Geschäftsführer der Unternehmerschmiede. Die Unternehmerschmiede unterstützt Unternehmen dabei, digitale Innovationen erfolgreich umzusetzen, indem wir die richtigen Teams gewinnen und schmieden. Das heißt vor allem erfolgreich machen. Wenn dieses Thema auch für euch interessant ist, kommt gerne über LinkedIn direkt auf mich zu. In unserem Podcast People First geht es um das Thema Mensch in der digitalen Welt. Heute sprechen wir über ein Thema, das alle von uns direkt betrifft. Es geht um ein Unternehmen, das sich unter anderem zum Ziel setzt, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Es hat dabei eine spannende Historie, da es zum Beispiel schon früh den Menschen Elektrizität und somit Licht ins Haus gebracht hat. Es geht um die Stadtwerke Lübeck und die Tochtergesellschaft Travecom, die dort das Thema Digitalisierung verantwortet. Nach dieser Folge weißt du, welche Themen im Fokus bei der Digitalisierung im öffentlichen Raum stehen und wie diese Digitalisierung im öffentlichen Raum im Zusammenspiel zwischen Konzern und digitaler Einheit umgesetzt wird. Zu Gast im Podcast heute sind Jens Meyer und Christoph Schweitzer. Jens ist seit circa vier Jahren Geschäftsführer der Stadtwerke in Lübeck. Christoph Schweitzer seit diesem Jahr Geschäftsführer der Travecom, der Digitaleinheit der Stadtwerke in Lübeck. Herzlich willkommen Jens, herzlich willkommen Christoph. Bevor wir auf das spannende Geschäftsmodell kommen und die Veränderungen, möchte ich euch bitten, euch einmal kurz persönlich vorzustellen. Was hat euch jeweils geprägt zu dem, wo ihr heute steht? Das sind unsere Lebenslampen.
Jens Meier: Danke, Matthias. Ja, mein Name ist Jens Meier. Ich bin 36 Jahre alt, verheiratet, zwei kleine Kinder. Das sage ich immer ganz gerne dazu, weil zwei kleine Kinder ja begründet, warum meine Augenringe da sind. Sie als Zuhörer können das ja gerade nicht sehen, aber man sieht das ganz gut, was so Kinder mit einem machen. Ich bin, wie eben schon angesprochen, jetzt seit etwas mehr als drei Jahren bei den Stadtwerken Lübeck tätig. Dort aktuell Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Lübeck und Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck Holding. Von der Ausbildung her bin ich Kaufmann. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und habe mich schon sehr früh mit Energiethemen beschäftigt und bin nach Stationen in Bayern im mitteldeutschen Raum irgendwann im hohen Norden angekommen und freue mich sehr, jetzt mittlerweile seit mehreren Jahren an der Ostküste zu arbeiten und neben dem Thema Elektrizität, was eben auch schon angesprochen war, jetzt auch das Thema Digitalisierung mit nach Lübeck gebracht zu haben.
Matthias Weigert: Perfekt. Christoph, magst du zwei Worte noch zu dir sagen, wie du da hingekommen bist, wo du jetzt bist?
Christoph Schweizer: Sehr gerne. Christoph Schweizer mein Name. Seit 1.3. in der Stadtwerke Lübeck Gruppe verantworte ich für das Thema Digitalisierung und in dem Zuge auch Geschäftsführer der Travecom, der Digitaltochter. Bin 42 Jahre alt, habe noch mehr Augenrenner, weil ich habe vier kleine Kinder zwischen 4 und 12 Jahren. Lübecker seit mehr als 20 Jahren, habe über 20 Jahre Beiträge. größtes Familienunternehmen in Schleswig-Holstein gearbeitet, immer an der Schnittstelle zum Kunden und auch schon sehr früh mich mit ersten Digitalisierungsfragen da auseinandergesetzt. Also diese erste neue Markt- und E-Commerce-Welle, wo mich dann die letzten drei Jahre stark mit neuen Geschäftsmodellen, Digitalisierung von Geschäftsmodellen beschäftigt, sind in dem Zuge auch auf Fragestellungen rund um Smart City gekommen und habe in der Diskussion Jens kennengelernt, festgestellt, da könnte man was nicht bei Träger, sondern eher bei den Stadtwerken Lübeck tun und bin so dann zu dem Wechsel gekommen zu den Stadtwerken Lübeck. Bin vom Background her Wirtschaftsingenieur und immer begeistert an der Fragestellung, wie kann man Digitalisierung, wie kann man Technik eigentlich für die Menschen sinnvoll nutzbar machen.
Matthias Weigert: Spannend, also zwei digital affine Personen schon, Jens. Vielleicht magst du auch zwei Worte nochmal zu den Stadtwerken selber sagen, denn vielen unserer Hörerinnen und Hörer sind vielleicht die Stadtwerke noch gar nicht so geläufig, was ihr eigentlich genau macht und wie dann das Thema Digitalisierung darauf wirkt.
Jens Meier: Ja. Sehr gerne. Die Stadtwerke Lübeck sind einer der größten Arbeitgeber im östlichen Schleswig-Holstein. Wir haben rund 1250 Mitarbeiter und bedienen die klassischen Aufgaben, die man einem Stadtwerk so zuschreibt. Das ist zum einen das Thema Energieerzeugung, Energieverteilung über unsere Netze, Energievertrieb. Mit Energie meinen wir zum einen die klassischen Sparten Strom, Gas und Wärme. Aber bei uns ist natürlich auch das Thema Wasserversorgung integriert. Und wir haben im Konzern auch den ÖPNV. Das heißt, wir sind auch dafür zuständig, die Menschen mit unseren Bussen von A nach B zu bringen. Das heißt, zum Grundaufbau ein relativ typisches Stadtwerk. Und da drängt sich natürlich auch die Frage auf, warum Stadtwerk und Digitalisierung? oder warum Stadtwerk und Smart City? Dafür macht es, glaube ich, Sinn, sich ein bisschen die Historie bei uns anzustauen. Stadtwerke generell, aber auch gerade Stadtwerke in Lübeck. Dort ist es bei dem Intro eben schon angesprochen. Wir sind ja deswegen eigentlich entstanden, weil irgendwann das Thema Elektrifizierung kam. Wie kriegt man die Bürger mit Strom versorgt? Wie kriegt man Wasser in jedes Haus? Oder wie schafft man es, auch die Häuser warm zu machen für die Menschen? Und das ist heute eher ein konservatives Geschäft. Das eilt uns ja auch so ein bisschen voraus. Stadtwerke sind etabliert, vielleicht auch ein bisschen träge. Vor einigen Jahrzehnten war das aber durchaus innovativ oder auch disruptiv. Also als die ersten Leitungen in die Häuser gelegt wurden, haben die ersten Bewohner große Augen gemacht. Was soll denn das? Früher hat man mit Holz und Kohle geheizt. Warum legt man jetzt Leitungen da rein? Und das ist die letzten Jahre ein bisschen in Vergessenheit geraten. Was wir aktuell auch feststellen, ist, dass jetzt wieder eine Zeitenwende ansteht. Es gibt eine neue Interpretation von Daseinsversorge. Den Menschen reicht es nicht nur, es zu Hause warm, trocken und mit Wasser versorgt zu haben, sondern das Thema Daten zu Hause zu haben. und Zugang zu Datenmodellen rutscht mehr und mehr in den Bereich der Daseinsversorge. Und das ist auch die schöne Überleitung, warum wir uns als Stadtwerke mit dem Thema intensiv beschäftigt haben. Weil Daten nach Hause zu bringen, ist erstmal eine ganz typische Infrastrukturaufgabe. Leitung aufbauen, Leitung zu warten, Datensicherheit sicherzustellen, das traut man den Stadtwerken zu, weil wir das seit Jahren in anderen Sparten ganz gut gemacht haben. Und das können wir auch für das Thema Datengut rüberbringen. Und spannend ist natürlich jetzt, so diese verschiedenen Sparten und Kulturen miteinander zu vereinbaren. Und jetzt schaue ich gerade Christoph an, das haben wir die letzten Monate natürlich auch intensiv gemerkt. Wenn man zum einen so ein Geschäftsfeld hat wie Strom, Gas und Wasser, was über Jahrzehnte gewachsen ist, haben sich da natürlich auch andere Kulturen daraus geprägt, wie in den Sparten, die sich jetzt um Daten und Digitalisierung einherbringen. Aber für uns gehört beides einfach zur Daseinsvorsorge in der Zukunft. Und deswegen haben wir uns dem Thema auch ganz stark angenommen.
Matthias Weigert: Vielen Dank. Magst du noch zwei, drei Worte sagen zu der Größe, dass wir das so ein bisschen einschätzen können, wie viele Mitarbeiter ihr habt Umsatz oder sind das Zahlen, die du eher ungerne?
Jens Meier: Nein, also Mitarbeiter hatte ich ja schon mal kurz erwähnt. Also wir sind knapp über 1000 Mitarbeiter, 1200 Mitarbeiter. Wir bewegen uns in einem dreistelligen Millionenumsatz. Das zeigt, da ist schon einiges an Volumen hintran. Und was für uns halt eben durchaus entscheidend ist, in der Großregion Lübeck sind wir halt eben in all den Sparten zu Hause. Das heißt, jeder, der hier in Lübeck wohnt, bezieht das Wasser über uns, die Wärme und die allermeisten auch im Bereich Strom und Gas, zumindest als Netzkunde. Und unser Einzugsgebiet ist zum einen die Kernstadt Lübeck. hat sich mittlerweile aber ausgedehnt auch auf die Ämter um Lübeck herum, sodass wir unseren Anspruch haben, die ganze Region im östlichen Schleswig-Holstein, das heißt die Trave-Region, zu versorgen. Da haben wir in den Sparten durchaus eine gewisse Größe und wir merken mehr und mehr, dass natürlich jetzt über die Themen Glasfaserausbau, Funknetze und Digitalisierungsmodelle da der Anspruch noch größer wird.
Matthias Weigert: Die Trave-Region ist, glaube ich, auch ein schönes Stichwort. Christoph, Trave.com, was macht ihr?
Christoph Schweizer: Alles und nichts. Also wir haben uns aufgestellt, um genau diesen Anspruch, den Jens gerade genannt hat, ein neues Geschäftsfeld aufzubauen, und zwar ganz klar im Sinne der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wie können wir all diese neuen Technologien, angefangen von Funk über Datenplattformen bis hin dann zur Anwendung, die auf diesen Plattformen laufen, wie können wir das so gestalten, dass es am Ende das Leben der Bürger und Bürgerinnen in einer Stadt wie Lübeck, in der Umgebung von Lübeck besser macht? Dahinter steckt Kulturarbeit bis runter zu Hardcore-Technologie. Am Ende müssen irgendwelche Sensoren in Wasserschächten verbaut werden und müssen Lorafunknetze aufgebaut werden, die das übertragen.
Matthias Weigert: Kurz einhaken, kannst du unseren Hörerinnen und Hörern nochmal Lora ganz kurz erklären?
Christoph Schweizer: Ja, Lorawan ist eine Technologie, die es ermöglicht, relativ geringe Datenvolumina sehr energiesparsam zu übertragen und über sehr hohe Strecken. Das heißt, anders als so ein 5G-Netz, wo ich alle paar hundert Meter eine Funkantenne brauche, der Aufbau ist ja gerade auch in der Presse recht intensiv in der Diskussion. und dann 5G-Geräten, die in der Regel nach einem Tag wieder geladen werden müssen, an Strom müssen, reden wir bei LoRa über mehrere Kilometer Entfernung zwischen einzelnen Antennen und darüber, dass die Sensoren, die auf diesem Netzwerk funken, bis zu fünf Jahre komplett wartungsfrei und ohne, dass sie geladen werden müssen, also nur mit Batterielebenszeit funktionieren. Das ist nichts für Videostreaming oder für Spielen, aber das ist was, wenn ich irgendwo sage, ich brauche alle fünf Minuten mal den Zustand dieses Sensors. Was die Temperatur, CO2, Wasserstand, voll oder leer. Das sind Dinge, die man mit diesem LoRa-Netzwerk extrem gut abbilden kann. Und das sind auch die Dinge, die dann für die Smart City einfach die relevanten Informationen sind. Und dementsprechend ist da der Aufbau eines LoRa-Netzwerks einfach wichtig als Infrastrukturmaßnahme.
Matthias Weigert: Wie seid ihr beim Aufbau und Ausbau jetzt der neuen Digitalfelder vorgegangen?
Jens Meier: Da muss man dazu sagen, dass wir auch in unseren klassischen Sparten uns durchaus im Umbruch befinden. Also in der Energiewirtschaft ist das große Thema Energiewende, was uns alle bewegt. Und wir merken auch, dass im ÖPNV sich das Mobilitätskonzept verstärkt ändert. Das heißt, wir bewegen uns in einer Branche, die eher aus einem konservativen Umfeld kommt, aber aktuell massive Erfahrungen damit macht, dass sich das Geschäftsfeld disruptiv verändert oder zumindest potenziell verändern kann. Das heißt, in diesen Geschäftsfeldern beschäftigen wir uns intensiv mit Digitalisierung. Wie können wir im Bereich Energieerzeugung, Energievermarktung digitaler werden? Wie können wir unsere Energienetze digitaler machen? Und wie können wir das Thema Mobilität den Menschen viel besser zugänglich machen? Das heißt, da entsteht ein Riesenbedarf. Und wir haben festgestellt, wenn wir uns am Markt umschauen, gibt es da einzelne Beratungsansätze. Aber es fehlt so der ganzheitliche Ansatz, den Stadtorganismus, und dem sehen wir uns verpflichtet, den irgendwie intelligenter, smarter zu machen. Die Diskussion, die haben wir durchaus ein paar Wochen intensiv geführt. In der Geschäftsführung mit der Hansestadt zu unserem Gesellschaft, dann mit den Aufsichtsräten zu der Frage, wollen wir unseren Auftrag erweitern und wollen wir das Thema Digitalisierung in die Stadtwerke holen. Und als die Entscheidung gefallen ist, und das war durchaus eine starke Abwägung, haben wir versucht, die Leute, die Zugänge dazu haben, eigentlich zu bündeln. Das heißt, eine Einheit im Unternehmen zu bündeln, die sich mit den Digitalisierungsmodellen beschäftigt. Das hat schon ganz gut erste Früchte getragen. Wir haben auch Partner außerhalb der Stadtwerke gewonnen. Wir haben dann aber auch festgestellt, naja, das ist zum Spielen, zum Experimentieren ganz nett. Aber wenn das ein eigenes Geschäftsfeld werden soll, dann müssen wir es professioneller angehen. Und dann hatten wir das große Glück, dass wir auch mit Christoph in den Kontakt gekommen sind, der natürlich viel Erfahrung aus seinem Umfeld bei Träger mitgebracht hat. Uns geholfen hat, das Thema ganz anders zu skalieren, mit einer viel größeren Truppe, einem größeren Ansatz, den Digitalisierungsbaustein quasi in unserem Portfolio mit einzubringen. Das hat sich jetzt bei uns gezeigt, dass wir wirklich zwei Richtungen haben. Wir haben einerseits die Digitalisierung ohnehin, unserer Geschäftsfelder, was eine Riesenaufgabe für uns ist, gerade auch hier in der Stadt. Und zum anderen auch ein eigenes Geschäftsfeld nach außen zu konzipieren, dass wir wirklich einen Ansatz haben, auch anderen Städten einen Komplettansatz anzubieten, wie sie ihre Stadt digital machen können. Gedeiht und wächst, so würde ich es mal ausdrücken, und macht auch persönlich gesagt Riesenspaß, da mitzuwirken, weil es einfach eine enorm spannende und schnell wachsende Aufgabe ist.
Matthias Weigert: Das heißt, das Angebot nicht nur jetzt für die Trave-Region, sondern perspektivisch auch für andere Regionen außerhalb der Trave-Region, die eben vor gleichen Herausforderungen stehen.
Jens Meier: Exakt. Also unsere Ausrichtung ist genau in zwei Richtungen. Einerseits nach innen und in die Handelsstadt, dass wir sagen, wir wollen diejenigen sein im Stadtkonzern, die das Thema Digitalisierung mit allen verschiedenen Einheiten und Aufgaben zusammenbringen und auch die Handelsstadt in den Punkten mit berätst. Aber wir glauben, das macht nur Sinn, sowas in der Dimension aufzubauen, wenn wir das auch anderen Städten zur Verfügung stellen können. Und wir haben auch die große Erfahrung gemacht, ist auch glaubwürdiger, wenn wir zeigen können, dass wir ein vergleichbares Unternehmen sind. Wir sind auch ein Stadtwerk und wir haben es in unserer Heimatstadt jetzt auf die Beine gestellt oder bringen es gerade auf die Beine. Und das in anderen Städten auch vorzustellen und die daran teilhaben zu lassen, das findet enormen Anklang, zumindest nach den Gesprächen, die wir in den letzten Monaten hatten.
Matthias Weigert: Bevor wir nochmal auf das Thema Trabe kommen, würde mich noch interessieren, du hast schon so in einem Nebensatz erwähnt, die Diskussion mit den Anteilseignern, mit den Gesellschaftern. Ich glaube, auch das ist nochmal wert, sich anzuschauen. Kannst du auch dazu nochmal unseren Hörerinnen und Hörern was sagen, wie ihr auf der Seite aufgestellt seid? Denn privatwirtschaftliches Unternehmen ist es ja tatsächlich nicht, sondern ein Unternehmen der öffentlichen Hand.
Jens Meier: Absolut. Wir sind ein 100% kommunales Unternehmen auf der Holding-Ebene. Wir haben Gesellschaft auch noch aus Aachen oder auf der Netzseite jetzt auch vom Hansewerk, sind aber im Umfeld 100% kommunal gesteuert. Um die Diskussion so ein bisschen zu verstehen, muss man wahrscheinlich auch die Handelsstadt Lübeck kennen und die Historie in Lübeck. Lübeck ist ja eine Stadt, die aus der Kaufmannschaft entstanden ist, also eine lange Tradition hat, auch starke Wurzeln. Es gibt aber durchaus Probleme, dass man an manchen Stellen ein bisschen stehen geblieben ist. Also wir sehen dieses große Weltkulturerbe jeden Tag, wenn wir durch die Hansestadt laufen. Wir haben es aber nicht in allen Schritten bisher geschafft, dieses Weltkulturerbe in die Digitalisierung zu überführen. Die Diskussion war natürlich ganz groß, was passiert denn jetzt plötzlich, wenn die Hansestadt und die Stadtwerke versuchen, das Weltkulturerbe zu digitalisieren? Bleibt da irgendwas Althergebrachtes auf der Strecke? Da haben wir auch festgestellt, es ist eine Riesenaufgabe, die Menschen mitzunehmen. Bei uns in den Ausschüssen sitzen unterschiedliche Personen, die auch unterschiedliche Bedenken haben. Und ich glaube, eines der ganz großen Erfolgsfaktoren ist, wirklich einen breiten Konsens in so einer Stadt herzustellen, dass das Thema Digitalisierung Sinn macht. Und es ist natürlich auch nicht ganz unwichtig, wer das Thema treibt. Wir haben in Lübeck den glücklichen Umstand gehabt, dass wir seit rund zwei Jahren einen neuen Bürgermeister haben, der das Thema Digitalisierung bei sich ganz oben auf die Agenda gesetzt hat und zusammen mit den politischen Akteuren das Thema auch in der Stadt vorantreibt. Und das öffnet uns als Stadtwerke natürlich im Moment überall Türen für Kooperationspartner, für Pilotprojekte. Ich glaube, man kann schon sagen, wir merken, dass da in der Handelsstadt so ein kleiner Ruck im Moment durch das Weltkulturerbe geht.
Matthias Weigert: Sehr schön. Ich mag das Digitalisieren des Weltkulturerbes. Nicht gut. Aber es zeigt auch, wenn wir jetzt Parallelen wieder zur Privatwirtschaft ziehen, Christoph, auch deine Trägererfahrung, es zeigt, es braucht die Unterstützung im Aufsichtsrat, wenn ich das übertragen mag, des Vorstands, auch Dinge nachhaltig umzusetzen, die Themen nachhaltig umzusetzen. Kannst du uns nochmal so ein bisschen auch das Verständnis näher bringen, Digitalisierung, was steckt für dich dahinter und wie überträgst du diese Gedanken dann auch ganz konkret auf eure Arbeit, bevor wir vielleicht ein konkretes Thema auch mal herausgreifen können?
Christoph Schweizer: Ich glaube, Digitalisierung ist ja häufig sehr stark verbunden mit Technologie in der Denkweise. Und aus meiner Sicht und auch aus Erfahrungen und vielen Gesprächen mit anderen ist Technologie zum Selbstzweck einfach nie erfolgsversprechend. Zumindest nicht, wenn ich mich in einem bestehenden Kontext bewege. Wenn ich ein Startup gründe, kann ich durchaus mit einer guten neuen Technologie auch sehr erfolgreich werden. Wenn ich aber über 1000 Mitarbeiter wie jetzt in der Stadtwerkegruppe habe oder dann mir eine Stadtverwaltung mit nochmal 3000 Mitarbeitern anschaue, glaube ich, ist es extrem wichtig, dass Digitalisierung immer auf dem aufbaut, was es schon gibt und das sehr stark auch mit in den Kontext setzt, dass wir dann am Ende dann schon über Technologie versuchen, das Leben und die Arbeit dieser Menschen besser zu machen. Ein bisschen konkreter, ich glaube, mit einem Thema, was jetzt auch in aller Munde ist, was wir auch geerbt haben im Laufe des Jahres, das ganze Thema digitale Schule, Digitalisierung der Schule, wo relativ schnell sagen kann, wir springen mal Technologie im Sinne von Endgeräte an die Schulen. Das ist auch unbedingt notwendig, nur wenn ich nicht parallel daran arbeite, die Lehrer zu befähigen, keine Prozesse aufsetze, wie ich eigentlich das ganze Thema Lernmanagement-Software, wie verteile ich eigentlich Inhalte, wie stelle ich ein digitales Klassenzimmer zur Verfügung, Wie nehme ich Eltern mit ihren Bedenken, die halt nicht alle wollen, dass ihre 19-jährigen Kinder digital unterrichtet werden? Wie nehme ich also diese Eltern auf der Reise mit? Wie sorge ich dafür, dass die Schüler damit auch gut umgehen können? Das ist ein schönes Beispiel, dass die reine Technologie ist wichtig und muss da sein, aber alleine hilft sie nicht. Ich muss mir genau immer diesen Kontext angucken und die Menschen, die dann damit arbeiten sollen, auch entsprechend voranbringen.
Matthias Weigert: Ich finde das Beispiel schön. Ich erlebe es selber auch häufig, dass viel in Steine investiert wird und wenig in Menschen. Wie nehmt ihr konkret Bürgerinnen und Bürger mit?
Christoph Schweizer: Bürgerinnen und Bürger ist an der Stelle mit Sicherheit das Schwierigste. Vielleicht fangen wir mal eine Ebene konkreter an. Wie nehmen wir die Anwender mit, die wirklich damit arbeiten müssen? Wir haben hier ein Konzept. Wir haben ein Konzept aufgebaut, das nennen wir Medienwerkstatt, wo wir eigentlich etwas wie ein Klassenzimmer schaffen, wo wir die Leute wirklich ganz simpel trainieren. Mein Smartboard geht nicht, wo mache ich es eigentlich an, bis hin zu, wie gehe ich eigentlich mit dem Thema Cybermobbing um, was kann ich da tun, also ein relativ breites Curriculum, um die Menschen einfach in die Lage zu setzen, mit diesen sich ändernden Umgebungen besser umzugehen. Und das Ganze machen wir auch digital. Wir bauen momentan eine offene Plattform auf, wo wir mehrere Dutzend Kurse für alle öffentlich bereitstellen, die genau auch diese Themen aufgreifen, für die, die sich nicht zwei Tage damit beschäftigen in einem Klassenzimmer und die sagen, ich will mich da einfach mal eine Stunde darüber informieren in einem offenen Kurs. Das ist das, was wir sehr konkret jetzt anbieten, was wir ausbauen wollen über die nächsten Monate.
Matthias Weigert: Sind das dann Gruppen, Lehrer, Schüler, Eltern, die sich darüber informieren können?
Christoph Schweizer: Im jetzigen Zeitpunkt natürlich vor allen Dingen die Lehrer, wo einfach der Bedarf auch am größten ist und der Druck am größten ist, gucken aber ja verstärkt zukünftig in bestimmte Verwaltungsprozesse rein. Dabei helfen da auch digitaler und für die Bürgerinnen und Bürger freundlicher und angenehmer zu werden in der Zusammenarbeit mit ihrer Kommune. Auch da wird es darum gehen, dann geänderte Prozesse mit all diesen Verwaltungsangestellten zu trainieren, dass nicht Dinge passieren, die sagen, ich habe jetzt zwar einen digitalen Prozess, der aber dann wieder auf Papier ausgedruckt wird.
Matthias Weigert: Das heißt, ihr habt schon erste Erfolgserlebnisse auch in der Form schon zeigen können. Gibt es weitere Highlights, wo ihr sagt, da sind wir stabil? Ich bin stolz darauf jetzt schon.
Jens Meier: Es gibt ein Thema noch, was wir auch vor eineinhalb Jahren angestoßen haben, über eine Vereinsgründung, eine Partizipation der Menschen hier sicherzustellen. Wir haben den Verein das Energiecluster Digitales Lübeck gebündelt, wo wir alle interessierten Unternehmen und Bürger die Plattform geben, sich zu informieren. Wir haben jetzt mit doch richtig viel Einsatz, auch Investitionsbudget, ein neues Geschäftsfeld aufgebaut und wollen Dinge hier aus dem Stadtberger Umfeld leisten. Aber das Thema Digitalisierung ist so breit und so vielfältig, das gelingt in der Stadt nur, wenn man unterschiedliche Partner zusammenbringt an den verschiedenen Schnittstellen. Wir sind durchaus stolz darauf, dass der Verein wächst und wächst und wir hier die lokalen Partner fast alle integrieren konnten. Die Technische Hochschule, aber auch die großen Industrieunternehmen. Aber was ich persönlich auch enorm spannend fand, auch Kultureinrichtungen haben sich engagiert und haben Interesse daran, die Schnittstellen Digitalisierung zu kulturellen Events näher sich anzuschauen. Was fairerweise noch ein bisschen unterrepräsentiert ist, sind so die Privatbürger. Wir haben den Slogan eigentlich aufgestellt, wir wollen von Oma Erna aus Travemünde bis zum Trägervorstand alle dabei haben. Beim Trägervorstand ist es uns gelungen, bei Oma Erna arbeiten wir noch dran. Und wir wollen aber da auch immer ermutigen, dass die Leute mit uns in den Diskurs gehen. Ganz großes Thema ist dann natürlich Datenschutz. Was passiert mit meinen Daten? Und da laufen jetzt auch Infoveranstaltungen, um den Bürgern ein bisschen Angst zu nehmen, dass wir die Daten missbrauchen oder irgendwo hinspielen, wo sie nicht hingehören.
Matthias Weigert: Jetzt habe ich gelernt, dass so die digitale Transformation analog passiert. Wie geht ihr im ersten Schritt auf die Oma Erna zu?
Jens Meier: Das ist ein extrem guter Punkt. Wie erreicht man Oma Erna am besten? Und ja, das ist in den meisten Fällen so, dass das natürlich eher analog oder eher kommunikativ erfolgt. Also wir haben bei unseren Veranstaltungen gemerkt, dass wir die Menschen am besten durch direkte Ansprache erreichen. Die informieren sich im Regelfall jetzt nicht über digitalen Kanäle oder Social Media, sondern die lesen. Wir lesen es entweder aus klassischen Printzeitungen oder über Veranstaltungen. Deswegen war es uns auch ganz wichtig, mit der Politik das zusammen zu machen. In Lübeck gibt es Stadtteilkonferenzen, wo der Bürgermeister mit seinen Senatoren auch immer Bürger zum Dialog einlädt. Für uns war das natürlich eine Riesenhilfe, dass er dort auch die Personen angesprochen hat und ihnen angeboten hat, in den Austausch zu gehen zu Digitalthemen. Und wir sind so ein bisschen das Backend, würde ich mal sagen, was diese Themen ganz gerne aufgreift, die dann im direkten Zusammenspiel zwischen Politik und Bürgern diskutiert werden.
Christoph Schweizer: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Unterscheidung nochmal nehmen. Im Zusammenhang mit Bürgerinnen und Bürgern zu beteiligen, ist das natürlich eine vor allen Dingen Aufgabe der Stadt und der Verwaltung der Stadt, den Prozess zu gestalten. Da sind wir ein Stück weit danach gelagert als derjenige, der an der Stelle wirklich als Auftragnehmer der Kommune Projekte umsetzt, Dinge umsetzt, auch Angebote macht. Aber die eigentliche Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung ist natürlich eine Aufgabe der Verwaltung der öffentlichen Hand und nicht von uns als Unternehmen.
Matthias Weigert: Nachdem wir über erste Projekterfolge auch gesprochen haben. Jens, wie wirkt sich die Neugestaltung nach der Travecom auf den Konzernen aus? Du hast es schon einleitend mal gesagt, ihr habt die anderen Geschäftsbereiche auch, die sich diesem Thema Digitalisierung widmen. Aber wie wirkt sich das aus?
Jens Meier: Ein ganz spannendes, aber auch ein enorm herausforderndes Thema. Was wir festgestellt haben in den letzten Monaten, dass wir natürlich zwei Kulturen haben, die sich vom Grund auf unterscheiden. Und ich würde es mal vorsichtig ausdrücken, nicht immer nur freundlich gegenüberstehen. Wir haben natürlich etablierte Geschäftsfelder. mit Personen, die das Thema über Jahre gut und sehr gut bespielen. Bei uns im Bereich ÖPNV, Netze oder Vertrieb sind das Prozesse, die funktionieren, Experten, die einen hohen Wertbeitrag für den Konzern erwirtschaften. Und dann entsteht so ein hippes neues Geschäftsfeld, das kriegt Budget und darf so ein bisschen machen, was es will. Und da entsteht erstmal eine Irritation, so nach dem Motto, was soll denn das? Ich kämpfe um jede Mitarbeiterstruktur. Stelle und hier Geld spielt keine Rolle. Und wir befinden uns eigentlich schon seit Monaten im Diskurs miteinander, um zu sagen, es geht weder das eine oder das andere, sondern es funktioniert nur beides. Weil die Geschäftsfelder, mit denen wir gut unterwegs sind, merken wir auch, der Konkurrenzdruck wird größer und größer. Auch dort verschwinden teilweise Margen und wir können sie in der gleichen Exzellenz nur weiterführen, wenn wir sie digitalisiert aufbessern und wenn wir neben die klassischen Sparten ein Geschäftsfeld stellen, was einen Wertbeitrag liefert. Wir merken, die beiden Kulturen müssen sich ein Stück weit annähern, ohne dass sie gleich werden. Und ich gebe fairerweise zu, das ist in einem Stadtwerk, wo man eigentlich über Jahrzehnte versucht hat, eine Kultur zu entwickeln und beizubehalten, ein neuer Prozess. Wenn man sagt, naja, es darf ja durchaus auch möglich sein, mehrere Kulturen zu haben. Nicht das eine gut, das andere schlecht, sondern wir brauchen beides, um als Konzern zu funktionieren. Und es wäre jetzt auch gelogen, wenn ich sagen würde, da sind wir am Ende, sondern ich glaube, in dem Prozess befinden wir uns gerade in der Mitte und im Dialog zwischen den zwei Kulturen, dass wir beide als wichtig und gut empfinden.
Matthias Weigert: Gibt es da konkrete Hinweise, vielleicht auch, ich glaube, den Spagat, den du beschreibst, in dem befinden sich ja auch viele andere Unternehmen, vielleicht auch aus dem Umfeld der Privatwirtschaft, aber viele fangen erstmal an, so die Organisation der zwei Geschwindigkeiten, um dann festzustellen, dass doch wir beide brauchen. Gibt es konkrete Beispiele, wo ihr gemerkt habt, dass ein guter Start eines Prozesses, von dem vielleicht auch andere lernen können?
Jens Meier: Ich würde es vielleicht mal mit dem Negativbeispiel beginnen. Zwei Begriffe, an denen ich mich maximal gestoßen habe, ist altes und neues Geschäft. Also in der Begrifflichkeit alt und neu schwingt so viel bei uns intern mit. Das Alte ist irgendwann, was man beerdigen soll. Das hat keine Lebensberechtigung mehr. Und das Neue, das wird zukünftig alles sein. Es hat viel Zeit gekostet, das langsam aus unserem Sprachgebrauch herauszubekommen. Was wir ganz stark festgestellt haben, was in dem einen Geschäftsfeld wichtig ist, und ich nehme mal unsere Infrastruktursparte, da ist extrem viel auf dem Thema Versorgungssicherheit, Verlässlichkeit, Dokumentation. Weil ohne das kann man Netze nicht versorgungssicher betreiben. Da ist auch eine gewisse Hierarchie notwendig. Und auf der anderen Seite in einem Geschäftsfeld, wo agiles Arbeiten, Partizipation einfach eine ganz andere Rolle spielt. Und dass sich diese beiden Geschäftsfelder erstmal beäugen und schauen, wer hat denn das bessere Modell, finde ich nachvollziehbar. Aber wir merken, glaube ich, aus vielen Projekten auch, dass es sich jetzt ändert. Also ich glaube, die Kollegen aus den Netzen verstehen ja, es macht durchaus Sinn, wenn ein paar hippe Kollegen kommen und Erleichterungen für mein Geschäft mitbringen, wo ich vielleicht mit meinem Wagen immer rausfahren musste und händisch ablesen, habe ich jetzt die Chancen, meinen Tagesablauf zu verbessern. Und ich glaube, die Kollegen aus dem, ich sage es mal, im Geschäftsfeld sehen aber auch, dass es sinnhaft ist, in manchen Dingen mehr zu dokumentieren und sich an Verfahrensanweisungen zu halten. Und dieses Zusammenbringen, das halte ich für enorm spannend. Und wenn du mir den Nachsatz noch erlaubst, wir als Stadtwerke werden ja auch immer eher so als konservativ ein bisschen verschlafen wahrgenommen. Also ich glaube, eine viel spannendere Aufgabe, als dieses Zusammenwachsen gerade zu erleben. Einen Auftrag zu haben, Daseinsversorge, der wirklich einen Sinn mit sich bringt. Also es geht nicht nur rein ums Geldverdienen, sondern wir haben einen größeren Auftrag. Und trotzdem agile Arbeitsformen und Start-up-Kultur zu vereinen. Du hörst da mal eine Begeisterung raus.
Matthias Weigert: Christoph, von dir vielleicht noch auch aus der Erfahrung, du hast ja geschildert, du hast für ein großes regionales Unternehmen hier gearbeitet. Gibt es da noch weitere Hinweise, auch wie mit so einem Spannungsfeld umzugehen ist?
Christoph Schweizer: Ich glaube, das Wichtigste ist aus meiner Sicht, dass man es gar nicht als Spannungsfeld versteht. Jens hat das ja gerade schon geschildert. Wir haben ja hier eine absolute Luxussituation. Ein Geschäft, was zwar unter Druck ist, aber was jetzt nicht disruptiv unter Druck ist. Also das Geschäft wird es auch in 30 Jahren noch geben. Mit Business Cases, die ich aus der Privatwirtschaft so noch nicht kannte, was die Langfristigkeit angeht. Durchaus mal 30, 40 Jahre nach vorne gedacht. Und ein Geschäft, wo man das noch kann. Durchaus richtig ist das zu tun. und dann gleichzeitig aber genau die Chance zu haben, die neuen Dinge zu machen. Ich glaube, was wir in den Diskussionen auch gerade mit anderen Kommunen nicht in Lübeck spüren, ist, dass gerade dieses Zusammenspiel und dass wir beides unter einem Dach haben, gerade auch für viele andere das Spannende ist. Wir verstehen diese beiden Welten. Digitalisierungsfirmen gibt es doch inzwischen einige. Es gibt auch inzwischen einige, die sagen, im Smart-City-Umfeld, da kann man was machen. Aber diese Anbindung und diese Erdung halte ich für extrem wichtig, dass man die Dinge macht, die auch wirklich langfristig sinnvoll sind und helfen. Und die hat uns extrem dabei geholfen, die richtigen Use Cases zu identifizieren, zu gucken, wie kann man jetzt eigentlich auch andere Kunden ansprechen, wie gehe ich in diesem Markt eigentlich auch weiter. mit den Entscheidern um. Wie sind die Entscheidungsstrukturen? Da sind extrem viele Benefits, die wir jetzt daraus ziehen. Das ist dieses bestehende Geschäft, was uns auch die Möglichkeiten gibt, diese Investitionen zu tätigen. Von daher, ich sehe das als Riesenchance und gar nicht als negatives Spannungsfeld. Nicht sagen, wir sind nicht besser. Wir sind einfach ein Stück weit anders. Wir machen andere Dinge und deshalb müssen wir auch anders arbeiten. Aber auch nicht die Botschaft, um morgen müssen übrigens alle so arbeiten wie wir. Sondern es gibt einen guten Grund dafür, dass eine Netzgesellschaft anders arbeitet.
Matthias Weigert: Sehr gut. Ihr habt eben schon so ein paar Bausteine geschildert von den Rahmenbedingungen, unter denen ihr jetzt das neue Geschäft aufbaut, das andere Geschäft aufbaut. vielleicht, ist das das bessere Wort? Da die Frage nochmal zusammengefasst, welche Rahmenbedingungen gibt ihr als Vorstand dem Aufbau des anderen Geschäftsfelds?
Jens Meier: Was neu ist auch für uns in der Stadtwerke Umfeld, dass wir nicht gesagt haben, wir fangen jetzt mal an, experimentieren ein bisschen, sondern dass es einen Businessplan und Rahmenbedingungen gibt, die für uns als Stadtwerke eine relevante Größe haben. Sowohl was den Personalaufbau angeht, als auch was die Umsatzziele, die Größenordnung ist das für uns keine Spielerei, sondern es soll die Ambition haben, in drei, vier Jahren auch neben den anderen Geschäftsfeldern zu stehen. Das bringt natürlich, und das ist ja auch so ein Erfolgsfaktor mit, dass man zu Beginn nicht zu klein denkt. Wir haben einen extremen Personalaufbau, da kann Christoph gleich noch mehr dazu sagen. Und wir merken natürlich auch, dass wir versuchen müssen, mit den ersten Projekten umzusetzen, auch zu legitimieren, dass das im Konzern seine Relevanz hat.
Christoph Schweizer: Einmal noch ein bisschen was zu Rahmenbedingungen. Wie habe ich die wahrgenommen? Natürlich gibt es einen Konzern und Konzernrahmenbedingungen. Die sind aber so, dass sie einfach nicht behindert sind. Natürlich würde man als Einzelstartup bestimmte Dinge anders machen, ob es jetzt Einkaufsprozesse sind, legale Prozesse sind, P&O-Prozesse, also Personalprozesse sind. Ich glaube, wir haben es aber die letzten Wochen und Monate geschafft, über einen guten Diskurs hinzukriegen, dass diese Prozesse gut funktionieren. Ich glaube, für beide Seiten. Dass sozusagen die Funktionen sagen, so habe ich bislang vielleicht nicht immer gearbeitet, aber es ist okay. Und wir sagen, wenn es ideal wäre, würden wir es anders machen, aber es ist halt für uns auch okay. Und damit glaube ich in Summe fürs Unternehmen gut. Diese Freiheitsgrade, die helfen uns extrem, trotz der ja auch Sicherheit und Strukturen, die ein Konzern mitbringt, so frei zu arbeiten, wie wir es müssten. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen, in denen ich eine maximale Freiheit war, auch im Quervergleich, wir haben vielen anderen auch in Diskussionen, die ganz rechte Seite, was die Ausprägung der Freiheitsgrade angeht, natürlich immer wieder in Abstimmung, natürlich ist der Markt klargesetzt, aber was wir da genau drin machen, wie wir uns da ausrichten, schon maximale Freiheitsgrade. Was ich für extrem wichtig halte, weil dieses Geschäft einfach nicht nur für uns, sondern in Summe so neu ist. Da entwickelt sich gerade ein Markt, den gab es vor fünf Jahren de facto noch gar nicht. Und da muss man einfach mit relativ hohen Freiheitsgraden auch drin agieren.
Jens Meier: Das ist mit Sicherheit so eine Abwägungsgeschichte. Wir haben auch diese zwei Modelle uns zu Beginn vorgelegt. Entweder das Modell, wir nehmen das Geschäftsfeld, nehmen es komplett separiert der Regeln und Rahmenbedingungen des Konzerns. Das hat mit Sicherheit den Vorteil, dass man schneller agieren kann. Aber die Frage ist, wie macht man es dann wieder mit den Konzernstandards kompatibel? Und wenn es eine gewisse Größenordnung hat, wie reintegriert man es quasi wieder ins Konzerngeflecht? Oder das zweite, wir bauen es direkt so auf als Geschäftsfeld, was sich aber den gleichen Standards und Rahmenbedingungen unterwerfen muss wie die anderen Geschäftsfelder. Und das ruckelt an manchen Stellen zu Beginn vielleicht ein bisschen mehr. Aber es ist auch klar, wenn es gelingt, ist die Akzeptanz im Konzern gleich viel größer. Und ich würde es auch gar nicht unterschätzen, dass wir noch einen zweiten positiven Effekt haben. Unsere Kunden, mit denen wir arbeiten, die kennen die Probleme, die wir gerade hier ansprechen, massiv. Also Beschaffungsprozesse, kommunal-rechtliche Vorgaben und andere Themen. Wenn da Beratungen kommen aus anderen Umfeldern, die davon noch nie was gehört haben, treffen die auf Verwaltung, auf Städte, auf Stadtwerke. Da gibt es da den Kulturklech. Den haben wir längst durch. Da kann uns gar nichts schocken. Und deshalb können wir natürlich Kunden, vor allem Stadtwerke und Städte, gleich schon was anbieten, was quasi geprüft ist, dass es auch jegliche Art dieser Dimensionen standhält. Und das ist, glaube ich, ein ganz, ganz großer Vorteil. Kommunale Unternehmen, Städte, Verwaltung, das tickt einfach ein bisschen anders, als es vielleicht in der Start-up-Szene sonst so üblich ist. Und wichtig ist, glaube ich, auch das zu verstehen und das auch dann lösen zu können mit dem Kunden zusammen.
Matthias Weigert: Kommen wir auf das Thema Kunde. Wenn ich die Travecom eingebe im Internet, finde ich Softwareunternehmen. Welche Profile braucht ihr in der Travecom, um das andere Geschäft zu bauen? Wie sieht dein Team aus, das ihr braucht im Kern?
Christoph Schweizer: Da ist die erste Frage schon, was ist eigentlich mein Team? Und wir haben uns da schon ganz bewusst für einen anderen Weg entschieden. Wir haben natürlich einen Grundstamm an eigenem Personal, den wir jetzt eingestellt haben die letzten sechs Monate. Da fände ich vergessen, wir haben erst am 1.3. angefangen. Das heißt, wir haben Personalaufbau in der Travecom selber betrieben, auch recht intensiv mit freien Mitarbeitern zusammen, mit Werkstudenten zusammen und haben Kooperationspartner, mit denen wir zusammenarbeiten, sodass wir jetzt in einer relativ kurzen Zeit eine mittlere zweistellige Summe an Mitarbeitern aufgebaut haben. Von ersten, dritten eigentlich null. Bei Weitem nicht alle komplett bei uns im Risiko. Da helfen dann die Kooperationspartner und freien Mitarbeiter, aber können darüber relativ schnell in diese Skalierung kommen. Was für Menschen suchen wir? Auch da wieder von bis. Wenn wir den Ansatz haben von wir beraten, wir helfen kommunal, um den richtigen Weg zu finden. Geht also wirklich vom Hochschulprofessor, der sehr stark auf einer Beratungsebene, strukturellen Ebene arbeiten kann, über UX-Designer, die sich wirklich angucken können, wie löse ich eigentlich Kundenprobleme, wie muss am Ende auch das Interface aussehen. Natürlich Leute, die wirklich in der Fachlichkeit gut sind. Ich nehme wieder das Beispiel digitale Schule. Da haben wir jetzt einfach zwei Ex-Lehrer eingestellt, die sehr, sehr digital affin sind, aber die einfach natürlich auch wissen, wie ticken denn eigentlich pädagogische Prozesse. Die Domänexpertise bringen wir mit, bis hin dann runter natürlich auch wirklichen Technikern, Softwareentwicklern, die dann am Ende die Dinge programmieren oder auch den Aufbau des Netzwerks, des LoRa-Netzwerkes machen.
Matthias Weigert: Wie kann ich mir das vorstellen, auch im Zusammenspiel mit den dann wiederum anderen weiteren Geschäftsfeldern? Ist das ein Austausch? Wird dann nochmal was Neues wieder entstehen, jetzt wenn man auch auf der technischen Seite ist?
Christoph Schweizer: Wird das auch das wieder mit einem sowohl als auch beantworten wollen? Wir haben ja gerade gesagt, das Wichtige ist aus meiner Sicht, dass wir das bestehende Geschäft und die Kompetenzen, die wir da haben, durchaus auch in das andere Geschäft reinbringen. Wenn wir jetzt nur Leute auf dem externen Markt holen würden, würden wir das nicht tun. So dementsprechend haben wir sehr bewusst gesagt, wir müssen bestimmte Stellen, bestimmte Positionen. aus der heutigen Organisation versuchen auch zu besetzen. Wir wollen aber an bestimmten Stellen hier auch anders sein. Dafür haben wir uns auch sehr bewusst dann andere Leute gesucht, auch eine andere Arbeitsumgebung ja geschaffen. Zwei Softwareentwickler im Bereich App-Development, gerade neu reingeholt. Die würde man eher so beim Wacken-Festival vermuten von der Optik. Das ist hier so sonst in den Büroräumlichkeiten eher ungewöhnlich. Die Kompetenzen und auch die Art und Weise hätten wir im Konzern glaube ich sonst nicht gehabt. Das sind dann Leute, die wir sehr bewusst von außen uns reingeholt haben.
Jens Meier: Wir haben auch lange diskutiert gehabt, wo siedeln wir denn räumlich gesehen das neue Geschäftsfeld an. Es ist jetzt bei uns im Hauptgebäude quasi angesiedelt worden, auf der zweiten Etage, aber so, dass wir quasi da einen Bereich haben, der sich doch deutlich unterscheidet von der normalen Bürowelt, die wir haben. Es ist genau dieser Spagat, die andere Arbeitswelt zuzulassen, aber sie trotzdem integriert hier im Konzern einzubauen. Meinem Eindruck nach findet das großen Anklang. Also ganz zu Beginn war es so, dass ganz viele Kollegen aus den anderen Geschäftsfeldern einfach mal über die Etage gelaufen sind und sich mal angeschaut haben, wie sieht denn so ein kompletter Open Space aus und wie arbeitet es sich denn da? Und nach der ersten Neugierde ist das durchaus schon dahingewichen, dass jetzt Personen sich ja auch mal hinsetzen, da mit den Kollegen diskutieren und dieses Zusammenspiel auch stattfindet. Das ist auch ein Punkt, den ich im Rückblick als enorm wichtig sehe, dass man es nicht abkapselt, irgendwo räumlich gesehen ein paar hundert Meter weg setzt, ein Campus, sondern wenn es gelingt, irgendwie versucht, ein neues Geschäftsfeld integriert hier auch räumlich im Unternehmen zu belassen.
Matthias Weigert: Spannend auch, dass du den räumlichen Aspekt nochmal ansprichst und eben bewusst nicht dieses, wir gehen nach Berlin, sondern wir bleiben hier, wir schauen, dass auch da der Austausch stattfindet, ansprichst. Jetzt, bevor wir vielleicht zum Abschluss kommen, noch zwei Fragen. Was ist das nächste große Thema der Stadtwerke, der Tragekom? Was habt ihr vor? Ein Thema, das ihr besonders im Fokus habt.
Christoph Schweizer: Dann machen wir erstmal Travecom, würde ich sagen. Im Wesentlichen zwei Dinge. Wir wollen über die nächsten 24 Monate grober Fall wirklich wichtige Meilensteine in Lübeck erreichen. Und zwar nicht nur planerisch, sondern dann spürbar für Bürgerinnen und Bürger und die Angestellten in der Verwaltung. Das hat eine relativ breite Projektroadmap, ohne dass ich jetzt ein Thema da rausnehmen kann. Das Zweite, was für uns ganz wichtig ist, wir wollen das gerne nehmen. Wir sind da schon in Gesprächen auch mit anderen Kommunen. Wir wollen diesen Grundgedanken der Hanse wieder aufnehmen und sozusagen vernetzen. Also gar nicht klassisch das Nehmen und Anderen Verkaufen, sondern das nehmen uns und über diese Plattform, über diese Strukturen, die wir da aufbauen, mit anderen Kommunen, mit anderen Stadtwerken vernetzen, um dann gemeinsam im Netzwerk auch weiter voranzukommen. Und nach und nach dann nicht nur Lübeck, sondern auch andere Gemeinden dabei zu helfen, eine smartere City zu werden. Das ist so das, was uns, glaube ich, auch gemeinsam antreibt als Team und wo wir in den nächsten zwei, drei Jahren hinwollen.
Jens Meier: Vernetzen ist ein sehr, sehr gutes Stichwort, weil das lässt sich wunderbar auf den Konzern auch jetzt übertragen. Wir haben ja diese Entwicklungen der Geschäftsfelder auch zum Anlass genommen, bei uns den Strategieprozess nochmal komplett neu zu betrachten. Was sich ganz klar herausristalisiert ist, dass diese neuen Geschäftsfelder, neue alten Geschäftsfelder zukünftig noch viel stärker vernetzt angeboten werden sollen. Und das Thema Plattformen spielt für uns eine ganz große Rolle. Nämlich das Angebot, wie können wir Produkte, die es schon seit Jahren, Jahrzehnten gibt, Mit neuen Datenzugängen einfach intelligenter machen. Wie können wir dem Kunden das ideale Produkt aus dem Stadtwerkekonzern anbieten? Und da spielt natürlich das Geschäftsfeld Digitalisierung Smart City eine ganz, ganz erhebliche Rolle. Also das Bindeglied eigentlich zwischen unseren bisher bestehenden Geschäftsfeldern. Das ganz persönliche Anliegen, was natürlich dahinter steht, dass die Stadtwerke eben auch als das wahrgenommen werden, Daseinsvorsorger 4.0. Das heißt nicht nur Netze und das, was man seit Jahrzehnten kennt, sondern auch in der Lage ist, auf neue Kundenwäsche gut einzugehen. Das ist ein ganz spannender Prozess, wo wir gerade kurz vor Abschluss sind und ich glaube bis zum Ende des Jahres da auch die Ergebnisse liefern werden.
Matthias Weigert: Perfekt, ein schönes Schlusswort finde ich, wenn wir uns überlegen, wo wir gestartet sind bei dem Thema Elektrizität oder Elektrifizierung und dann eben auch das Ganze wieder in die neue Welt zu tragen. Am Standort das Ganze entwickeln, in einem geschützten Raum zwar, aber durchaus offen für Kooperationen. Abschließend wieder zwei persönliche Fragen nochmal. Wie haltet ihr euch digital? Wie bleibt ihr modern?
Christoph Schweizer: Paradoxerweise ganz analog. Viel lesen, aber fast noch wichtiger, viele, viele Gespräche. Bin weiterhin relativ aktiv auch in der Startup-Community, bin da ganz gut vernetzt, versuche da einfach viel mitzukriegen, um mich so dann digital zu halten.
Jens Meier: Ja, bei mir ist es gar nicht so viel anders. Wir haben ja schon tagsüber viele Schnittstellen zu allen möglichen Digitalisierungsthemen. Was mir noch ganz hilft, ist abends dann mit den Kindern mal auszupieren, was davon hilft. Gerade nachdem wir mit dem Thema digitale Schule angefangen haben, mal zu schauen, welche der Formate sind denn hilfreich und was kann man denn zu Hause anbringen und wie reagieren die Kinder darauf. Das ist ein Punkt, der normal gut hilft, es als Praxistest quasi anzuwenden.
Matthias Weigert: Perfekt, vielen Dank. Und jetzt abschließend, wie können Hörerinnen und Hörer mit euch konkret auch in den Austausch treten?
Christoph Schweizer: Gerne direkt über die Webseite trave.com.de, mein LinkedIn-Profil, gerne auch direkt persönlich.
Jens Meier: Bei mir das Gleiche, gerne entweder über trave.com, die Stadtwerke Homepage oder über die Profile LinkedIn und Sing. Wenn es draußen bei der Zuhörerschaft Interesse gibt, gerne Kontakt mit uns aufnehmen, weil wir sowohl Interesse hätten, natürlich mit Kooperationspartnern weiter zu sprechen, aber natürlich auch sich im Markt auszutauschen, welche Erfahrungen gibt es sonst mit dem Umfeld. Klasse.
Matthias Weigert: Vielen Dank, Jens. Vielen Dank, Christoph, fürs spannende Gespräch. Danke sehr.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Digitalisierung: Der Spagat zwischen digitaler Transformation und Unternehmenskultur ist eine echte Herausforderung. Doch keine Sorge, mit Mathias Weigert hatten wir dazu regelmäßig einen Gastmoderator, der dir zeigt, wie echter Kulturwandel funktioniert, wie das digitale Mindset ins Team kommt und wie du digitale Talente findest.