Ottobock auf dem Weg in die digitale Zukunft

17. Januar 2020, mit Mathias Weigert

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Matthias Weigert: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen People-First-Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Matthias Weigert und ich bin Geschäftsführer der Unternehmerschmiede. Die Unternehmerschmiede unterstützt Unternehmen dabei, digitale Innovationen erfolgreich umzusetzen, indem wir die richtigen Teams gewinnen und schmieden. Das heißt vor allem erfolgreich machen. Wenn dieses Thema auch für euch interessant ist, kommt gerne über LinkedIn direkt auf mich zu. In unserem Podcast People First geht es um das Thema Mensch in der digitalen Welt. Heute sprechen wir über das Thema digitale Innovation und Transformation in der Medizintechnik. Es geht um Ottobock, ein Unternehmen, das eine wichtige Mission verfolgt, Quality for Life, was ein unheimlich wichtiges Thema in unserer Gesellschaft ist. Nach dieser Folge weißt du, wie sich das Unternehmen Ottobock digital transformiert, welche Innovationen hierfür notwendig sind. Wir wollen aber auch darüber sprechen, was ein Chief Digital Officer ist. was er macht, welches Team hinter dem CDO steht und was es braucht, um eine Digitalstrategie erfolgreich umzusetzen. Zu Gast im Podcast habe ich heute einen digitalen Gestalter. Der Digitalexperte Güngör Kara ist seit Juli, also jetzt etwas über sechs Monaten, bei Ottobock als CDO tätig. Güngör ist Maschinenbauer, hat diese Ausbildung mit einem Executive MBA erweitert und hat erfolgreich Innovationszentren aufgebaut. Industrie 4.0-Lösungen und industriellen 3D-Druck entwickelt und implementiert. Güngör war Berater und ist zudem Gründer eines sozialen Startups. Herzlich willkommen, Güngör.

Güngör Kara: Vielen herzlichen Dank. Schön, hier bei dir zu sein, Matthias.

Matthias Weigert: Güngör, bitte stell dich doch einmal kurz persönlich vor, dass die Hörerinnen und Hörer wissen so ein bisschen, wer du bist. Ich habe ja schon ein paar Worte gesagt, aber das war ja nur eine Einleitung.

Güngör Kara: Ja, ich bin CDO bei Ottobock, ein über 100 Jahre altes Unternehmen, Mittelstand geprägt, in Familien geführt und hier leite ich die gesamten Digitalaktivitäten. Und von meinem Background, du hattest es schon gesagt, Maschinenbau studiert, das Betriebswirtschaftliche durch ein Executive MBA, viel in der Welt rumgereist. Und ich habe dann neben dem, was ich in meiner beruflichen Karriere gelernt habe, viel, viel mitgenommen. Wir reden ja auch heute über Leute in dem Social Startup. Gebieten in Afrika, wo ich dann halt auch längere Zeit in Tansania und in Ost-West-Afrika unterwegs war. Mich haben die letzten fünf Jahre ebenfalls stark geprägt. Das war ja komplett in der Beschleunigung der digitalen Themen und habe da an meiner vorherigen Tätigkeit als CDO bei EOS, einem Hersteller von 3D-Drucksystemen mit Metall- und auch Polymerverarbeitungstechnologie, viel Erfahrung gehabt. Ansonsten, was man über mich noch wissen könnte, neben all den beruflichen 49 Jahren jung, drei Töchter, also das bedeutet, ich kenne mich mit komplexen Entscheidungsfindungsprozessen sehr gut aus, lebe in München, arbeite in Duderstadt und Berlin, auch oft in Wien dann zu Hause und genieße dann auch die Zeit am Wochenende daheim, aber auch viel dann in der Woche bei den Digitalkollegen.

Matthias Weigert: Spannend, also Diversität in die andere Richtung.

Güngör Kara: Unbedingt, genau so ist es.

Matthias Weigert: Ja, du hast schon ein paar Worte auch zu Otto Bock gesagt. Vielleicht magst du noch zwei, drei Worte mehr sagen zu der Entwicklung auch, die ihr vollzogen habt, was ihr jetzt vorhabt als Gruppe, als Unternehmensgruppe, aber auch dann die Medizintechnik.

Güngör Kara: Warum ist das Unternehmen entstanden? vor 100 Jahren? Der Weltkrieg war zu Ende, der Erste Weltkrieg. Viele Menschen kamen mit körperlichen Defiziten aus dem Krieg zurück. Was es nicht gab, ist, es gab nicht gleichbleibend gute Qualität, zum Beispiel für Prothesen. Otto Bock ist in das Thema damals rein ein Unternehmer, der eine Lösung parat hatte, sie industriell erweitert hat und dadurch dann auch vielen Menschen Mobilität gegeben hat. Und Mobilität und Lebensqualität, das ist der Ursprung der Firma. Also das heißt, wir wollen Menschen wieder Freiheitsgrade dann geben und ihnen die Möglichkeit, am sozialen Leben uneingeschränkter dann teilzunehmen. Und über die Jahre hat sich Ottobock entwickelt, dann von den Prothesen in die Orthesen. Eine Prothese ist, wenn dir Gliedmaßen fehlen und du sie ersetzt durch ein Produkt. Und eine Orthese ist, du hast deine Gliedmaßen, aber bist körperlich eingeschränkt. Kannst du zum Beispiel, wenn du einen Bruch hättest und oder wenn du eine Verkürzung hättest, dann würdest du eine temporäre Orthese tragen. Und das sind so unsere Hauptfelder, aber wir haben auch noch zwei weitere Stränge. Das eine, das sind die Rollstühle, heißt bei uns Mobility Services und Solutions und das andere, das sind Sanitätshäuser. Also das heißt, wir haben über 160 Sanitätshäuser, daher verstehen wir auch relativ gut, was dann unsere Patienten also am Ende des Tages in welcher Form auch wie dann einsetzen. Und das, was ich jetzt so beschrieben habe, war einmal die Produktentwicklung, dann gab es aus der Produktentwicklung auch eine Produkterweiterung. und dann der nächste große Schritt von vor 20, 30 Jahren eingeläutet war dann die Globalisierung. Also als Mittelständler ist man wirklich global gegangen, hat Niederlassungen von Japan, Ost-West-Europa bis in Amerika, Südamerika erfolgreich dann durchgeführt. Und seit ein paar Jahren ist natürlich dann die Digitalisierung auch smarte, intelligente, vernetzte Produkte, aber auch Intelligenz in die Produkte reinzubringen. ein großer Fokusbereich. Da haben wir dann zum Beispiel zwei Produkte, die Seabraise und die Mayo Plus, wo du halt dann wirklich durch künstliche Intelligenz stimulierte Muskelbewegungen überträgst in wiederum Bewegungen der Finger. Also ist das eine leichte Zuckung am Oberarm, wenn da zum Beispiel der Stumpf wäre, führt zu der Bewegung des kleinen Fingers und du kannst es dann so weiter optimieren, dass du dann koordiniert ein Glas und oder ein Ei tatsächlich hochheben kannst. Und du trainierst über eine App mehr und mehr dann diese Bewegung und adaptierst das Verhalten oder das Nutzen der Hand mit deinem Verhalten, was du tagsüber durchläufst. Sprich, ein Patient ist zum Beispiel ein Jungbauer und der muss dann natürlich von einfachen Tätigkeiten wie Eier entnehmen und die dann in die Eierschalen reinlegen, bis hin zu wirklich kräftig anpacken auf dem Bauernhof, mehrere unterschiedliche Bewegungen dann durchführen. Und das speichert er dann halt in der App ab, sodass die App über die Zeit eigentlich noch besser und kontrollierter dann die Bewegung durchführt. Also das heißt, wir gehen da wirklich in die Tiefe der Thematik und bringen Intelligenz da, wo vorher halt dann eigentlich nur ein starres Element da war und geben dadurch, wie gesagt, Qualität und Mobilität dann wieder zurück.

Matthias Weigert: Also ein wirklich relevantes Thema, denn das zeigt jetzt auch konkret, wo Daten greifen können in der Kombination mit dem Verbessern einer Lebenssituation.

Güngör Kara: Absolut, ja. Und wir sind, wie gesagt, auch da ganz am Anfang. Man kann sich halt noch nicht vorstellen, was man sich noch nicht vorstellen kann. Und für mich persönlich ist es auch der Anfang einer Journey. Und auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte wird es dann noch viele tolle Veränderungen und Verbesserungen geben.

Matthias Weigert: Jetzt bist du für das Thema als Chief Digital Officer verantwortlich, aus Datenmodellen etwas zu bauen. Hilf mir, uns gemeinsam zu verstehen, was macht einen das CDO? Mhm. Ein Chief Digital Officer, vielleicht auch schon mal so in Abgrenzung zu den anderen Begrifflichkeiten, die es noch so gibt. Chief Technology Officer, Chief Information Officer, also CIO, CTO. Aber vielleicht erstmal, was macht der CDO?

Güngör Kara: Ein CDO in einer Versicherung hat einen ganz anderen Aufgabenbereich als in einem Automobilunternehmen, wie in einem Medizinunternehmen, wie in einem Transportunternehmen. Es kann von, man optimiert die Arbeitsprozesse, zum Beispiel eine Versicherung hat relativ viele Geschäftsprozesse, die kann man optimieren. also die Digitalisierung von Papier zu elektronischen Dateien. Man kann dann noch die Assets, also die Hardware, die man hat, wie zum Beispiel bei einem Logistikanbieter, das kann man noch optimieren und digitalisieren. Über Artificial Intelligence kann man Routen optimieren. Und dann gibt es dann noch tatsächliche Produkte, in die man weitere Intelligenz reinbringen kann. Und zwei Beispiele hatte ich ja mit der Armprothese und der Beinprothese, mit der C-Brace. Und wir sind, und das ist auch mein Aufgabengebiet, bei dem dritten Teil. Das heißt, um die gesamte Geschäftsbereitschaft Prozessoptimierung von Rechnungen, von Abläufen, die im administrativen Bereich sind. Da kümmert sich bei uns der CIO drum, also das heißt der Chief Information Officer ist bei Ottobock derjenige, der sich um die Themen IT-Infrastruktur, IT-Anbindung der unterschiedlichsten Systeme, CRM, ERP, also Warenwirtschaftssysteme, Kundenbindungssysteme dann einsetzt. Meine Schnittstelle ist eigentlich die Optimierung vom jetzigen Geschäftsmodell, Und die Erarbeitung von neuen Geschäftsmodellen. Also da muss ich dann in zweierlei Hinsicht kreativ sein. Einmal die jetzigen Produkte zusammen mit dem Chief Technology Officer, also unserem hauptverantwortlichen R&D-Verantwortlichen, dann gemeinsam definieren und überführen neue digitalere Geschäftsmodelle. Und das ist etwas, warum muss es da ein CDO geben? Das gibt es an der Stelle ja so nicht. Also das heißt, man hat entweder einen Technologiefokus wie der CTO oder man hat eher einen IT-Fokus wie der Chief Information Officer. Aber der CDO geht eigentlich horizontal. Das heißt, er berührt die Punkte vom Einkauf, von der IT-Infrastruktur, von den Produkten, die wir herstellen. Von der Operations, der Art und Weise, wie wir sie herstellen, bis hin zu, wie wir sie am Markt, den Krankenkassen, den Sanitätshäusern anbieten. Also auch dem, was der Chief Sales und Marketing Officer eigentlich berührt. Und das ist für mich dann halt dahingehend spannend, weil der CDO dann genau in dieser horizontalen Funktion wie ein Unternehmer denken und agieren muss. Und gleichzeitig alle anderen Chief Kollegen da halt dann frühzeitig einbinden sollte, bevor es Irritationen gibt. Und deswegen macht es mir so viel Spaß, so ein komplexes Thema zu führen.

Matthias Weigert: Jetzt hat ja das Thema Daten auch immer viel mit Gemeinschaft, Communities zu tun. Das heißt, du hast es beschrieben, neues Geschäft, Denken. Wie gehst du das als Chief Digital Officer an?

Güngör Kara: Ja, mit den Daten. Es gibt drei unterschiedliche Datenzyklen. Der eine Zyklus, da hattest du jetzt richtigerweise hingedeutet, ist eigentlich da, wo man anfangen sollte. Immer vom Patienten, vom Nutzer, aber auch vom Sanitätshaus kommend. Wenn man das durchdrungen hat und aufgesetzt hat, geht man von da aus in die Operations. Also wie stelle ich Produkte her? Was mache ich mit meinen Assets, also Produktionsmaschinen? Und wie steuere ich sie, dass sie dann in der Menge, in der Qualität das rausbringen, was dann unser Kunde möchte? Und wie beherrsche ich Variantenvielfalt? Variantenvielfalt ist in der globalen Zeit eigentlich das total Kritische. Wenn man das nicht frühzeitig managt, hat man unendlich viele Produktionskapazitäten, unterschiedlichste Modelle und die lagern. Und das gelagerte Kapital an Produkten ist natürlich gebundenes Kapital und dadurch hat man eine große Last zu tragen. Und aus der Operations raus, wenn man noch weiter zurückgeht, ist man eigentlich in der R&D, Produktdefinition und teilen auch sogar im Einkauf. Also von welchem Lieferanten kaufe ich was dazu? Da gibt es auch Daten. So der heilige Gral ist es, diese drei Zyklen miteinander zu verbinden. Vom Kunden kommend in die Produktion einzuwirken bis hin in die Weiterentwicklung der Produkte. Und diesen Loop, den fängt man idealerweise halt immer auf der Kundenseite an und gibt den ein oder anderen Unternehmen, was aus dem Bereich kommt, zum Beispiel der Operations oder R&D und die bleiben meistens da stehen. Meine Aufgabe ist es, dass wir die drei Zyklen wirklich dann bewegen, aber immer vom Kunden kommen, zurückgehen in die Organisationen.

Matthias Weigert: Jetzt haben wir in einigen anderen Beispielen auch mit Kunden gearbeitet, die so das Innovationskonzept in zwei Richtungen gedacht haben. Wir haben gesagt, wir wollen zum einen produktgetriebene Innovationen stärker aus den Geschäftsbereichen haben, die dann dafür verantwortlich sind. Marktgetriebene Innovationen eben stark auch aus dem Thema Daten- und Kundenmodell. Findet sich das hier wieder so ein bisschen in deinem Konzept? oder ist das eher etwas, wo du sagst, das muss eigentlich alles vom Kunden kommen?

Güngör Kara: In der perfekten Welt kommt alles vom Kunden, aber so war es ja beim iPhone auch. Der Kunde weiß ja nicht, was es ist, bis er es entsprechend dann vorgestellt bekommt. Und du musst nur das richtig treffen. Also Beispiel Nokia, die hatten glaube ich über 180 Modelle. Die waren ja nicht schlecht. Da gab es nur eins, was war besser halt dann als alle von diesen über 180. Und das ist dann der Punkt, wenn du ein gutes Produkt in der Pipeline hast, Zugriff drauf hast und ein anderes Unternehmen hat das in dieser Form nicht, warum soll ich damit warten und da nochmal Zeit ins Land ziehen lassen, bevor ich es dann halt dann auch nicht mal schnell ausprobiere. Und das ist dann der Unterschied, man probiert es schnell beim und mit dem Kunden aus und holt sich über die Iterationen Feedback, anstatt zu sagen, nein, das muss jetzt vom Kunden entwickelt werden oder nein, wir fragen den Kunden nicht, wir produzieren jetzt mal fünf Millionen Stück und der Vertrieb muss es schon mal verkaufen. Das ist es dann nicht an der Stelle. Also ich bin ein Freund von pragmatisch, also wenn man was Gutes hat und es mal in einem kleinen Bereich dann ausprobieren will, unbedingt sofort. Man soll auch innere Innovationskraft nicht hemmen, nur weil man ein Mantra hat, Kunde, Kunde, Kunde. Aber es ist mittelfristig und bis langfristig eher der Fall, dass man vom Kunden vom Markt kommend, das verbindet mit dem, was man an Fähigkeiten jetzt hat, mit den Fähigkeiten, die man noch aufbaut. Also wenn du jetzt nur die Produkte, die ich jetzt bei Ottobock beschrieben hatte, dir dann anschaust, wenn wir sie weiter mit Datenintelligenz befüllen, sodass sich die Hand vielleicht selber sofort dann programmiert und sodass du es dann gar nicht mehr einstellen musst auf eine App, da würde kein Kunde erstmal per se dann draufkommen. Es hat dann ja halt unendlich viel Vorstellungskraft. Und das meine ich, wir sind nah beim Kunden, wollen noch näher hin, benutzen das, was wir an Innovationskraft haben im Unternehmen und über die Zeit entwickeln wir das weiter mit dem, was wir datenbasiert an weiterer Intelligenz und an Dienstleistungen erstellen.

Matthias Weigert: Vielleicht eine letzte Frage noch, auch das Thema CDO ist ja nun ein etwas neueres. Ist das eine Übergangslösung, wenn alle Datenmodelle gebaut sind und alle Technologien entsprechend auch diese Daten nutzen? Oder siehst du darin wirklich etwas Nachhaltiges, so von der zukünftigen Entwicklung her?

Güngör Kara: Ja, ein ganz klares Jein. Warum ein Jein? Ich glaube, wenn einem die Ideen ausgehen, dann ist die Daseinsberechtigung des CDOs irgendwann beendet. Also wenn man sagt, ich arbeite jetzt diese fünf Themen ab und dann fallen mir keine weiteren fünf Themen ab, dann war es dann halt auch eine gute Übergangslösung. Ich habe aber den Anspruch, dass ich gerne auch an Themen vorbereitend arbeite, von denen wir alle noch gar nicht verstanden haben, welches Potenzial zu haben. Und da hilft es mir immer dann zu schauen, welchen Mehrwert kann ich wirklich darüber hinaus dann noch generieren. Und dieser Mehrwert ist idealerweise nicht inkrementell. Und da ruhen sich die meisten aus. Das ist nicht nur beim CDO so, sondern auch bei anderen Chiefs. Wenn es nur ein paar Prozente sind, dann reicht es für die meisten zu sagen, okay, das ist mir schon gut genug. Aber warum auch immer habe ich eher den Drang, wesentlich größere Potenziale anzugehen. Und da auch mit einem begeisterten Team kommt man auf Ideen und Lösungen, die man so vorher auch sich gar nicht vorstellen konnte. Und dahingehend glaube ich, es ist der erste Schritt, das, was offensichtlich ist, anzugehen. Aber sobald man ein hochperformantes Team hat, sobald man Kreativität kanalisiert Raum lässt, also kanalisiert heißt, sie wissen, welchen Impact sie erzeugen, aber sie haben halt auch Gestaltungsfreiheit. Dann kommt man halt dann in einen Zyklus, wo jeder Tag ein anderer ist, als wie der Tag davor. Und das macht Spaß und das ist mein Ziel.

Matthias Weigert: Also insofern keine Übergangslösung aus deinen Worten heraus. Die Energie, die du

Güngör Kara: Absolut, ja. Ich bin gekommen, um zu bleiben und vieles weiterzuentwickeln. Manchmal muss ich mich selber einbremsen, Dinge dann zu sagen, die ich mir vorstellen kann. Warum? Weil das ist einfach ein Schritt von fünf Jahren. Und die meisten brauchen einen Safe Harbor, dass sie sich ein, zwei Jahre das vorstellen können. Deswegen braucht man das nur leicht anzuteasern bei speziellen Mitarbeitern und auch bei anderen Eigentümer, Organisationen, dass man dann aufzeigt, was man noch mitmachen kann. Alle wollen eigentlich nur sehen, was man in den nächsten zwei Jahren machen kann, aber man selber sollte halt dann noch einen größeren Plan haben als das.

Matthias Weigert: Insofern nochmal also auch eine klare Abgrenzung der Rollen CDO, CIO, die du uns gegeben hast, eben einmal auf der Bestandssystemseite Funktionen effizienter zu machen, aber dann eben auf der anderen Seite Daten aus Datenmodellen, entsprechende Lösungen in drei Kreisen zu entwickeln. Also sehr schön an der Stelle auch nochmal das Thema CTO eingebracht. Jetzt vielleicht nochmal, weil du relativ neu ja auch bei Autoblog bist. Wie gehst du das Thema an, wenn du in so ein neues Unternehmen kommst? Es ist ja ganz viel, was da auch an Erwartungen kommt von verschiedener Seite. Geschwindigkeit ist ja auch ein großes Thema in der Digitalisierung überhaupt, aber auch in solchen Fällen. Also wie gehst du das Thema als CDO an, um dir so einen kurzen Überblick zu verschaffen, dann die Eckpfeiler zu definieren?

Güngör Kara: Ja, gute Frage. Egal in welches Unternehmen man da reinkommt, man muss sich erstmal Zeit nehmen für die Menschen. Wir reden ja auch über die Menschen. Und dann gibt es dann halt unterschiedliche Reifegrade von Entscheidungen, von Wissen und oder auch von Initiativen. Und dann gilt es sehr schnell zu verstehen, warum Stehen Menschen, Situationen, Projekte da, wo sie stehen? Was braucht es noch? Und oder braucht es tatsächlich etwas? Also ist es tatsächlich auf einem Pfad, der einen höheren Mehrwert erzielt oder nicht? Das muss man für sich selbst sehr, sehr schnell abklopfen. Und was sich viele halt dann auch wünschen von einem CEO, ist schnelle Klarheit. Also man muss idealerweise auch ein gewisses Gedankenkonstrukt mitbringen, wie man Themen bewertet und anderen hilft, sie ebenfalls mitzubewerten. Also es gibt Technologien, die sind richtig und gut. Wie zum Beispiel Blockchain ist aber jetzt für unseren Fall im jetzigen Moment in diesem Monat noch zu früh. In der gegebenen Zeit ist es dann wieder richtig, aber die Frage ist, wie kann ich den Kollegen, den Abteilungsleitern, den Mitarbeitern ein Entscheidungskriterium geben, wie sie das für sich selbst bewerten können. Deswegen gehe ich in die Diskussion rein und übertrage gleichzeitig eine Art Bewertungskriterienliste mit wenigen, aber knackigen Punkten, um denen zu helfen, Entscheidungen, sei es dann jetzt auf Einzelebene oder auf Initiativenebene, schnell zu bewerten. Weil so hat man eine Klarheit. Und dann gibt es eigentlich wie beim Autofahren nur drei Möglichkeiten. Entweder ich fahre weiter, ich stoppe und schaue, was jetzt demnächst passiert. Oder ich halte dann komplett an. Rückwärtsfahren lassen wir mal raus an der Stelle, weil die Zeit können wir da nicht zurückdrehen. Das ist etwas, was ich in Gesprächen mache. Ich arbeite sehr, sehr viel mit Workshops. Ich habe für mich und auch für die Position herausgefunden, dass das die höchste Dynamik hat. Also Meetings und oder Präsentationen, die haben dann eher etwas Angestaubtes und hat dann eher ein geführter Monolog, wo einige wenige miteinander reden, aber ein Workshop aus dem man als Gruppe entweder eine Klarheit hat, ob man etwas macht oder nicht macht und oder ob man halt dann für sich dann definiert hat, was machen wir denn genau, mit wem müssen wir dann das Wie auch abstimmen, auch das große Ganze dann zu sehen, dass etwas sehr, sehr hilfreich ist. Also das sind so die Elemente, die ich dann nutze, viele Gespräche mit Einzelnen und auch Gruppen und dann setze ich dann gezielt Workshops auf.

Matthias Weigert: Prima. Und jetzt ist es ja so, dass wir, wenn wir uns die Digitalisierung gucken, viele Organisationen sich so aufstellen, du hattest einmal schon den CIO, der so sehr stark für die Kernorganisationsthemen verantwortlich ist. Dann gibt es ja so Innovationsinseln, Einheiten. Wie ist das bei Autobock aufgestellt?

Güngör Kara: Ich habe einen sehr, sehr spannenden Weg von außen gesehen, als ich vor etwas mehr als einem halben Jahr noch im Bewerbungsgespräch war. Denn hier hat man sich auch für den Mittelstand viel getraut. Also man hat vier Startups aufgesetzt, interne Startups und hat Mitarbeiter dann komplett freigeschaufelt aus dem operativen Geschäft und hat dann diese Startups punktuell mit weiterer digitaler Kompetenz weiter aufgebaut und angereichert. Und darüber hat man noch ein Digital Office dann draufgesetzt, um im ersten Schritt dann die Startups zu führen, zu lenken und auch zu entwickeln. tragt das jetzt weiter und setzt dann da auch weitere digitale Kompetenz von übermorgen rein, sodass wir dann konzentriert morgen wirklich an für Ottobock neueren Themen arbeiten können. Das funktioniert sehr gut, hat auch alles seine Vor- und Nachteile. Ein großer Vorteil ist, das sind viele ehemalige Ottobock-Mitarbeiter, die wirklich große Lust haben, einen Beitrag nicht nur zu bringen für Ottobock in der Digitalisierung, sondern sich selbst auch entwickeln wollen, hinsichtlich auch wirklich hin zu digitalen Know-how-Trägern, Kompetenzträgern. Das ist spannend. Das heißt, wir haben viele Verbindungen in die Organisation hinein und gleichzeitig ist das ein Faktor, da muss ich dann mit dem Office drauf schauen, haben wir nicht zu viele Verflechtungen rein, haben wir nicht zu viel altes Abteilungsdenken da drin. Wie kriegen wir diesen Speedboot-Gedanken auch in die Teams, dass die nicht eine Lösung liegen lassen, die dann extrem schnell und pragmatisch wäre, weil da muss noch jemand mit absteigen. abgeholt werden aus einer anderen Abteilung, sonst geht es nicht. Und das ist die Herausforderung. Ich glaube, es hat am Ende des Tages einen höheren Einfluss auf die Weiterentwicklung des Unternehmens, weil hier viele gestandene Mitarbeiter sind, die auch ein hohes Ansehen genossen haben und genießen im Unternehmen. Und die haben natürlich eine große Strahlkraft. Die Strahlkraft von denen ist eine andere, als wenn ich digitale Startup-Teams mit 80, 90 Prozent neu eingestellten Mitarbeitern dann versuchen wollte aufzuziehen, weil die würden immer als Fremdkörper gesehen werden. Dahingehend fand ich das von vornherein gut und es hat sich auch bewahrheitet, es ist auch wirklich gut. Man muss, wie gesagt, nur diesen Balanceakt hinbekommen zwischen Agilität und Freiheit und gleichzeitig Verflechtung und Verknüpfung mit der bestehenden Organisation.

Matthias Weigert: Also an der Stelle nochmal zusammengefasst, es braucht eben beides, sowohl das interne Wissen aufgeladen oder bereichert mit dem externen Wissen. Also es braucht beides. Es ist nicht nur die Hipster aus Berlin.

Güngör Kara: Genau, ja.

Matthias Weigert: Wo wir jetzt gerade hier sind.

Güngör Kara: Absolut. Wir haben ja relativ viele Hipster da. Stimmt hier, ja. Aber so wie du sagst, man braucht beides. Und ich glaube, das ist jetzt auch mein Learning aus den letzten sechs Monaten. Idealerweise holst du halt einen Großteil aus dem Unternehmen. Um die 80 Prozent der Startup-Mitglieder sind aus der bestehenden Ottobock-Organisation.

Matthias Weigert: Das ist schon eine Menge, das ist toll. Wie groß ist es ungefähr, nur von der Anzahl der Menschen, wie viel sind das so ungefähr, dass man eine Vorstellung hat, auch mit welcher Stärke und Kraft ihr das Thema macht?

Güngör Kara: Wir sind, also von den Direct Reports, also die wirklich dezidiert dann dem Digital Unit angehören, sind wir so um die 45. Wir sind jetzt dabei, thematisch einige Inhalte dann weiter aufzubohren, das heißt dann sie mit Leben zu füllen. Einige Themen, das ist extremst klar. in den nächsten Jahrzehnten, das wird durch die Decke gehen. Also nur der Bereich Data Analytics, da werden wir wie jedes andere Unternehmen auch massiv aufbauen müssen. Aber es gilt jetzt erstmal, die einzelnen Champions, also Themen- und Kompetenz-Champions bei uns zu definieren, auszubilden und sie auch mit der Domain-Expertise, also alles, was im Medizintechnik-Bereich relevant ist, von der regulatorischen bis hin zu, welche Customer Journey hat der Patient, welche Customer Journey hat unser Sanitätshaus. Das muss man alles erstmal wissen, weil sonst hast du nur digitales Wissen, aber kannst es nicht anwenden. Und das gilt es jetzt in den nächsten zwei Jahren weiter auszugestalten. Also wir werden noch weitere Leute einstellen, sind auch offen für Bewerbungen aus dem digitalen Bereich und wollen dann diese Personen dann aber wiederum aufschlauen mit dem Wissen, was wir über 100 Jahre am und mit Kunden unterhalten. Patienten erworben haben. Super.

Matthias Weigert: Spannendes Umfeld. Lass uns ein bisschen mehr über die Menschen sprechen und das Team. Du hast ja schon das ein bisschen anklingen lassen. Du hast einige, die direkt an dich berichten. Wie stellst du das Team auf? Wie sieht das vielleicht funktional aus? Wie sieht es organisatorisch aus? Und vielleicht kommen wir nachher auch nochmal so ein bisschen auf die Kompetenzen da.

Güngör Kara: Du hattest ja auch eingangs gefragt gehabt, was macht man als CDO in den ersten sechs Monaten? Ich hätte ja da auch gesagt, ich spreche halt dann auch viel mit Abteilung, aber genauso spreche ich auch mit dem eigenen Team. Ganz wichtig ist mir die Beantwortung der Frage, warum bist du hier? Aus dir selber heraus und welchen Mehrwert bringst du, den kein anderer von Autobock und oder aus der digitalen Einheit bringt? Also was macht dich wirklich besonders da an der Stelle? Das führe ich dann in vielen kleinen informellen Gesprächen. Entweder sei es dann mit Subteams. Also wir haben diese vier Startups und die haben dann teilweise, weil sie auch eine gewisse Größe haben, dann nochmal zwei, drei untere Teams. Also Subteams nenne ich die immer. Und bei diesen Teams geht es darum, auch zu verstehen, wie arbeiten die miteinander? Welche Kompetenzen bringen die mit? Und da schaue ich auf drei unterschiedliche Bereiche. Das eine ist dann, welche neueren Bereiche, digitalen Kompetenzen bringen Sie mit? Das kann dann sein von Data Analytics bis hin zu industriellem 3D-Druck. Wie gut verstehen Sie dann Technologien und die Anwendung von diesen Technologien? Das zweite, worauf ich dann schaue, ist, wie arbeitet der Einzelne und das Team dann zusammen? Also auch New Work, Arbeitsthemen. Und das dritte ist, welche dieser Methoden auch softwareseitig nutzen Sie? Also wie teilen Sie Informationen? Wie machen Sie Entscheidungsfindungen dann transparent? Nach welchen Methoden, Methodologien arbeiten Sie? Und das schaue ich mir dann oder habe ich mir bei jedem angeschaut. Und für mich war dann relativ schnell klar, wir brauchen eine durchgehende Logik. Und die eine durchgehende Logik, da mache ich das relativ simpel und sage, jedes von euch ist wie ein kleines digitales Unternehmen. Wenn ihr ein digitales Unternehmen habt, dann habt ihr mindestens die drei Basisphasen. Das heißt, ihr entwickelt ein Produkt, ihr testet das an und ihr rollt es dann idealerweise global aus. Und dann habe ich dann für diese drei Hauptphasen Härtegrade oder Stabilität. Reifegrade erarbeitet und habe die dann implementiert, sodass wir über diese vier Startups und auch alle anderen kommenden Startups genau wissen, wo wir als Subteam stehen und welchen Mehrwert wir dann jetzt für diese Phase bringen. Und da muss man halt dann da aufpassen, Teilweise kann es sein, dass der eine oder andere vielleicht schon in Phase 3 ist, aber Rest vom Team ist noch in der Phase 1. Die entwickeln gerade das Produkt und der andere versucht ein globales Vertriebskonzept aufzubauen. Ja, dann muss ich darauf achten mit den Hauptverantwortlichen. Also wir haben Digital Heads für jeden dieser Startups, dass die dann wirklich alle an einem Strang ziehen und dass die dann in der Phase vielleicht auch andere Tätigkeiten machen. Also wenn wir einen Vertriebsmitarbeiter haben und aber noch kein Produkt haben, In der Phase 1 muss er dann halt eher in die Interaktion mit dem potenziellen Kunden gehen und das Lastenheft dann da nochmal im Iterativ optimieren, anstatt dass er jetzt versucht, irgendwelche Verträge in entlegenen Ländern aufzusetzen. Und so arbeite ich dann. Also das heißt, wir haben einmal das Digital Office, was sich als Rahmenwerk kümmert. Die Startups haben einen Head. Teamleiter und darunter diese einzelnen Teams. Wir haben die Arbeitsmethodiken, wir haben die Kompetenzen. Ich schaue auch, dass wir eine schöne Verteilung von Kompetenzen und Persönlichkeiten haben. Also das heißt dann wirklich Persönlichkeiten, die sich ergänzen. Fünf Introvertierte haben Da sollte man einen Extrovertierten haben, der für das Team halt dann auch sprechen kann, um das mal eine ganz, ganz einfache Logik mal aufzuzeigen. Und dann, welche Tools und welche Verfahren nutzen wir, um Entwicklungen sichtbar zu machen. Das ist dann auch mit meine Aufgabe, das in ein Team reinzubringen. Ansonsten, was super wichtig ist, kommt irgendwie immer zu kurz, finde ich, Leute mit Humor einzustellen. Leute, die wirklich eine positive Aura haben, eine positive Ausstrahlung. Ich glaube, diejenigen, die die Fehler finden, die findet man sehr, sehr leicht am Arbeitsmarkt. Da hat man relativ viele Bewerber, die das gut können. Weil es gilt dann halt wirklich offen und frei und sich selbst in den Raum zu lassen. Deswegen schaue ich, dass wir auch Leute mit einem guten Sense for Human, einem guten Weltansicht haben, die dann dann paaren zusammen mit Experten und Leuten, die ab und zu auch mal kritisch über Entwicklung rüberschauen.

Matthias Weigert: Also ganz, ganz klarer Fokus. Erstmal das Thema Mensch in den Vordergrund gestellt in deinen Teams. Dann aber schon klar auch die Rollen abgegrenzt, in denen du beschrieben hast, wonach du genauer schaust. Und dann eben auch die Persönlichkeit, die das abrundet. Ich glaube, das deckt sich sehr gut auch mit den Erkenntnissen, die wir beim Aufbau digitaler Teams gemacht haben. Insofern sehr spannend. Hast du noch ein paar Tipps, paar Tricks, paar Kniffe, wie du dann die konkreten Kompetenzen misst, worauf du besonders achtest? Du hast Humor schon genannt. War, finde ich, sehr schön. Das ist immer Optimismus. Die brauchen wir. Ja. Noch ein paar weitere, wo du sagst, da schaust du besonders drauf, was dir wichtig ist, neben dem, was die Menschen fachlich mitbringen, was sie vielleicht auch an Fertigkeiten und Fähigkeiten haben, also Instrumentenkenntnis haben.

Güngör Kara: Also die Standardfragen sind immer, was hast du gemacht in 1 und 2? Mich interessiert immer, was war der Grund von 1 auf 2 zu wechseln? Weil da kriegst du relativ viel raus, auch über Motivationsträger. der Christoph viel raus über auch die Persönlichkeit, Entscheidungsfindung, worauf beruht das Ganze, was war daran gut, was war daran schlecht, was würde man dann anders machen. Man weiß, wie Menschen entweder mit der Vergangenheit abgeschlossen haben und oder sie in sich da mittragen. Und besonders der letzte Wechsel ist dahingehend wichtig, weil viele die Erfahrungen aus der letzten Beziehung, Arbeitsbeziehung, genau wie im Privatleben, in die neue mit einbringen. Und wenn du das weißt, dann weißt du auch, was du tun musst, dass der dann diejenige loslässt und befreit im Team agieren kann. Und dann auch eine einfache Frage, was wünschen Sie sich von mir, Ihrem Vorgesetzten, dem Team? Da bekommt man sehr, sehr viel raus. Also das ist etwas, das hilft mir dann schon bei der Einstellung. Sobald das Team dann da ist, oder ich habe jetzt einen fiktiven Fall, wir bauen ein komplett neues Team auf, ist es wichtig, das Team in der Anfangszeit auch zu führen, zu leiten und mit ihm dann Workshops zu machen. Und das sind nicht diese klassischen Teamentwicklungseinheiten, wo man irgendwie auf Bäume klettert, das kann man auch machen, das ist auch alles gar kein Thema. Wichtiger ist es wirklich mit dem Team dieses Why, ja. Also why us, why me, impact, purpose, mission, dass man das herausarbeitet. Und dann der dritte Schritt ist es, auch immer wieder einen Check zu machen, wo steht das Team? Und da eines der Punkte, die ich sehr gerne mache, ist, ich habe dann so eine Übersichtsseite, wo ich dann sage, was haben wir von Mission bis hin zu operativer Umsetzung? Das sind so zehn Punkte. Und wo steht ihr gerade? Also wo hakt es bei euch? Jeder der Teammitglieder kann da an das Whiteboard oder an das Poster gehen und seinen Aufkleber setzen, was bei ihm fehlt. Und das ist ganz spannend, von zehn Leuten kann es sein, dass drei immer noch bei der Mission festhängen. Zwei sagen, ja, die operativen Tools, das ist mein Hauptproblem, Mission und unsere Taktik und wie wir uns iterativ weiterentwickeln, weiß ich. Und dann die anderen sechs in der, ja, aber wie kommen wir denn zu einer schnellen Entscheidungsfindung, Absprachen mit anderen Abteilungen, ich brauche Ressourcen, das ist mein Pain-Point. Und dann musst du als Hauptverantwortlicher sagen, okay, dann wie bei der gauschen Normalverteilung, dann kümmere ich mich um das Hauptthema, da wo die sechs Bubbles sind und die beiden anderen gehe ich als nächstes an. Aber wichtiger ist es immer von der Mission kommend, dann ins Operative zu gehen und sich nicht im Operativen zu verlieren und dann über irgendwelche Tools und Berichtsstrukturen zu reden, sondern du musst immer vorne anfangen.

Matthias Weigert: Was ich total spannend finde und glaube ich sehr zeitgerecht, ist das Thema vom Purpose zu kommen, also vom Zweck. Aus welchem Grund gibt es etwas? Warum tun wir es? Simon Sinek in seinem Zirkel, der es sehr extrem klasse auch beschrieben hat. Du hast das verknüpft nochmal auch gesagt, dass du immer auch von deinem Team erwartest, dass es kleine Unternehmerinnen oder Unternehmer sind. Wie stark hat dich deine Arbeit auch da getrieben oder beeinflusst? Vielleicht auch das, was du in Afrika aufgebaut hast. Gab es da Erkenntnisse, die du auf die Situation heute irgendwo auch ein Stück beziehen kannst?

Güngör Kara: Absolut. Da waren so viele. Also ich kann dir sagen, ich habe ja da vor 15 Jahren schon Berufsleben, war auch weltweit unterwegs und habe wirklich tolle Projekte gemacht. Aber ich habe nirgends so viel gelernt wie in diesen anderthalb Jahren. Ich weiß noch, wo wir in Tansania angekommen sind mit einem kleinen Team von acht Personen. Und wir hatten diese Mini-Solarsysteme, die so groß sind wie ein DIN A4-Blatt. Die haben zwischen 20 und 120 Dollar gekostet. In Tansania ist das Durchschnittsgehalt pro Jahr 360. Und wir dachten alle die 20 und 60 Dollar kosten, die lassen sich am besten verkaufen. Die wollte nur keiner haben. Das heißt, wir hatten einen ganzen LKW von den Dingern. Und was haben sie gekauft? Die für 120. Und dann haben wir die Kunden gefragt, warum kauft ihr denen die für 120? Die sind doch für eure Verhältnisse dann teuer. Dann haben die gesagt, nein, das ist nicht teuer, das ist dein Geld wert, weil das andere, das ist ja Kinderspielzeug. Wenn jemand zu uns nach Hause kommt, den wollen wir doch schönes Licht haben. Die Kinder sollen dann die Hausaufgaben machen können. Und by the way, da ist auch eine kleine Batterie mit dabei, die hat drei USB-Ports. Dann können wir nicht nur unser Handy aufladen, sondern das von den anderen Dorfbewohnern und verdienen Geld. Was will ich damit sagen? Man kann sich das niemals so gut am Schreibtisch überlegen, das, was der Kunde tatsächlich möchte, als dass man es tatsächlich mit ihm gemeinsam erarbeitet, erfragt und ihm unterschiedliche Lösungen mal dann da hinstellt. Was wir auch zum Beispiel mitbekommen haben, ist, dass die Leute dann in wirklich entlegenen Gebieten gesagt haben, sie wollen ein Minisolar-Panel haben in goldener Farbe. Goldene Farbe, aber welchen Mehrwert hat denn das? Nein, Gold ist für uns ja Status. Also wir sind doch die einzigen, die ein Solarpanel haben. Und wenn, dann bitte golden. Hat uns jetzt nicht viel gekostet, ich glaube nur 50 Set mehr und dann war es golden. Und das meine ich damit, du kriegst extrem viel raus über deinen potenziellen Kunden, wenn du neue Lösungen anbringst, die sie nicht kennen, über deine eigenen Produkte, was du dann wie machen könntest und wie du dir halt dann auch vermarkten und anbieten musst. Das hat mir schon sehr, sehr geholfen. Und was mir auch sehr gut gefallen hat, die Leute waren permanent gut drauf. Es ist leider so. Als ich dann in das kalte Deutschland zurückgekommen bin, durfte ich mir hier das Gemecker über die U-Bahn, die Autobahn oder whatever anhören. Dort hat man von alledem nichts und war trotzdem dann glücklich. Das war auch noch etwas, was ich mitgenommen habe.

Matthias Weigert: Also zwei Themen. Kundenzentrierung höre ich auch. Dieses Optimismus, dieses positive Denken, auch noch weitere Gedanken hinsichtlich des Teams, deiner Teamstruktur, wo du gesagt hast, da hast du vielleicht vorher gar nicht so stark drauf geachtet und merktest dann, gerade weil wir das Thema Mensch ja auch im Fokus haben, hier habe ich echt was noch zusätzlich mitgenommen, worauf ich achten möchte, denkst

Güngör Kara: du? Bei Teams, die dann entweder das, was wir in Afrika hatten oder Teams, die sich ganz neu geformt haben, wie in meiner vorigen Tätigkeit, da ging es immer darum, dass du eine zwar Heterogenität hast, aber trotzdem ein We are one Gefühl. Und dieses We are one Gefühl kann man dadurch bekommen, dass du viele sehr sich ähnlende Persönlichkeiten, also du bist sehr homogen. Das funktioniert auch gut. Die sind unter sich. Nur die Innovationskraft von solchen Teams ist nicht so stark, wie wenn du ein ein heterogenes Team hast mit unterschiedlichen Kompetenzen, Menschen aus unterschiedlichen Ländern, unterschiedlichem Background, fachlich wie persönlich. Und ganz wichtig, der Mix an Persönlichkeiten. Also eben das, was ich gesagt habe, mit einer größeren Anzahl Introvertierter, ein Extrovertierter und du brauchst vielleicht noch einen dann dazwischen und einen, der denkt dann wiederum ganz anders. Das macht ein Team aus. Und deswegen schaue ich mir halt dann immer auch Teams an, wie sie jetzt aufgestellt sind und frage mich, was würde dem Team neben dem Fachlichen auch persönlich gut tun? Ich briefe dann halt unsere HR-Abteilung, unsere externen Partner, die für uns Kandidaten suchen und sage dann, ich brauche jemanden mit der und der Persönlichkeit, der würde dem Team so und so gut tun, der hat nämlich auch diesen Freiraum. und ich achte darauf, wenn diese Person dann da ist, dass sie dann wirklich auch ein gutes Onboarding hat, also dass sie ins Team auch wohlwollend aufgenommen wird und für deren Persönlichkeitsattribute auch Raum gelassen wird. Sobald alle verstehen, wir sind anders, aber gleichzeitig eins, haben wir etwas, was man schwer kopieren kann. Firmen kopieren, du kannst zwar Teams kopieren, aber eine Gruppe von Persönlichkeiten, die dann für eine Thematik brennt und die richtigen Fähigkeiten hat, das ist schwer zu kopieren.

Matthias Weigert: Also da auch nochmal das Thema wieder Mensch und an der Stelle unterschiedliche Rollen in den Teams und damit dem Team auch eine Persönlichkeit.

Güngör Kara: Richtig, ja. Es kann auch sein, wenn du dir Teams anschaust, das sind dann vielleicht zwei Persönlichkeiten, die interpretieren ihre Rolle sehr ich-bezogen. Dadurch das Team in ihrer Entwicklung hemmen, weil sie sich selbst in einer Entscheidungsfindung und oder in einer Ausarbeitung immer dann fokussieren. Oder besser gesagt, die Kräfte dem Team entziehen und auf sich selbst bündeln. Da muss man auch eingreifen. und dahingehend, dass man auch ein informelles Gespräch führt und sagt, ich sehe das. Also du bist sehr dominant, aber dadurch, dass du zu dominant bist, raubst du den zwei, drei jüngeren Kollegen Raum. Geh bitte, als Senior erwarte ich das von dir, geh bitte damit auch so um, dass du ihnen bewusst mal Raum lässt. Eines deiner Arbeitzähle für das nächste Jahr wird es sein, die mitzuentwickeln. Und mitzuentwickeln heißt, nicht ihnen zu sagen, was sie jetzt falsch machen, sondern ihnen Raum zu geben, dass sie das auch richtig machen mit wenig Führung oder Eingriff deinerseits.

Matthias Weigert: Wie definierst du deinen Führungsstil? Bist du eher Coach? Du hast von Sport gesprochen. Bist du einer, der gerne auch noch eine ergänzende Perspektive anbietet? Du hast das Beispiel vom Autofahren genommen, der vielleicht dazu anträgt, darüber nachzudenken, dass das Auto irgendwann fliegt.

Güngör Kara: Das ist eine gute Frage. Ich habe mich selber noch nicht so reflektiert, um zu sagen, was ich da bin, weil es ergibt sich ja teilweise auch aus der Situation. Aber ich habe schon ein gewisses Bild von einem performanten Team mit starken Persönlichkeiten, die auch Raum haben, die Rolle mit ihrer Persönlichkeit und mit ihrer Energie zu befüllen. Gleichzeitig achte ich aber darauf, dass sie dann wirklich in ein Gesamtwerk eingreifen oder dass sie einem Gesamtwerk zuarbeiten. Und dahingehend bin ich dann teilweise Coach, teilweise bin ich dann aber auch ein klassischer Leader, der dann halt dann Klarheit reinbringt. und ich muss dann darauf achten, dass dieses Dreieck aus Klarheit, Konsequenz, also wir machen Dinge, aber wir sagen auch, dass wir Dinge mal nicht machen. Das fällt sehr, sehr vielen schwer und da bin ich sehr, sehr eindeutig, wenn ich sage, wir machen das nicht aus dem und dem Grunde, dann reden wir dann darüber, wenn wir die Entscheidung getroffen haben, dann machen wir das nicht. Bis wir vielleicht dann irgendwann sehen, oh, die Zeit hat uns überholt, dann machen wir es. Aber das ist sehr, sehr selten. Deswegen arbeiten wir mit Klarheit, Konsequenz. Und ich schaue darauf, dass wir die richtige Kompetenz erfüllen. Und die Kompetenz ist zweigeteilt. Einmal die fachliche und dann einmal die persönliche, das menschliche. Wie bin ich? Wie möchte ich sein? Wie kann ich meine Leistung am besten entfalten? Und ich bin ein großer Freund von einer positiven Umgebung. Ich glaube, man kann auch einiges erreichen, indem man kurzfristig Druck aufbaut. Aber das wird weitergehen. mittel- und langfristig niemals erfolgreich sein. Es sei denn, man hat eine hohe Turnrate, aber das will ich auch nicht. Ich will ja Mitarbeiter, Menschen, Kollegen weiterentwickeln und ihnen Raum geben, wie bei einer Pflanze, dass sie tatsächlich gedeihen können. Deswegen schaue ich vielleicht wie im Garten, dass wir den guten Nährboden haben. Ab und zu muss es auch mal regnen, damit wir dann daraus auch wieder Kraft ziehen. Ein bereinigendes Gewitter, um dann wieder Klarheit dann zu schaffen. Aber grundsätzlich habe ich eher dann die Devise, dass ich Raum und Platz schaffe, aber das dann halt dann an einem höheren Ziel, an dem Purpose dann auch.

Matthias Weigert: Ich habe noch eine kurze Frage, da wir auch die LinkedIn-Community so ein bisschen befragt haben, was kann eine spannende Frage für ein CDO sein? Eine war, wie gehst du damit um, wenn Kunden über Datenpools zu schnell abstrahiert werden, statt sich direkt nochmal ein bisschen mehr Zeit zu nehmen? Ist das eine Herausforderung?

Güngör Kara: Ich glaube, das ist immer dann eine Herausforderung, wenn du nicht nah genug am Kunden dran bist. Du kriegst es relativ leicht. Früher gab es immer so viel, give me a number, give me a number. Und in der Number war aber dann ziemliche Streuung. Und dann hast du dann nur einen Durchschnittswert genommen. Und das ist auch heutzutage dann die Falle. Auf der anderen Seite, das Gegenteil von so Abstraktionsthemen ist, du hast eine Abstraktion. unendlich hohe Anzahl an Personas und versucht auf einmal so Mikro-Kundengruppen gerecht zu werden und verlierst auch dann deine Energie. Das sind die typischen Fallen, in die man da tritt. Ja, man macht sich das am Anfang zu einfach. Ja, dann sagt er, wir müssen viel näher ran, dann macht man sich das wieder zu kompliziert. Aber das ist halt das Learning eines Teams, da dann hinzukommen, okay, was ist die richtige Nähe und Distanz, um mit den Zahlen tatsächlich etwas meaningful, also etwas wirklich Werthaltiges dann zu generieren.

Matthias Weigert: Vielen Dank, das waren spannende Ausführungen. Ich habe immer am Abschluss noch zwei Fragen. Die eine ist, wie bildest du dich persönlich weiter? Wie hältst du dich selber digital?

Güngör Kara: Eine schöne Frage. Es ist eher dann so, wie kann ich Wissen unterbinden, weil ich kriege sehr viel Input und dadurch, dass wir auch so eine breite Themenstreuung haben, muss ich mich immer wieder selber dann da fokussieren. Ich bin mit einer ganz hohen Neugier gesegnet, meine Töchter auch, was mich dazu führt, Klarheit zu schaffen. Aber ansonsten, um deine Frage dann so zu beantworten, also ich nutze unterschiedlichste Kanäle, von Büchern bis hin zu E-Learning, von Udacity, bis hin zu LinkedIn. Ich gehe auch sehr, sehr gerne auf Seminare, Fortbildungen, um anderen zuzuhören, wie sie dann das gemacht haben. und das eigentlich Wertvolle ist in diesen Pausenzeiten, wo man sich wirklich mit anderen, die umgesetzt haben, austauschen kann. und folge halt dann immer dem Prinzip, ein kluger Mann lernt aus seinen Fehlern, ein weiser Mann aus den Fehlern von anderen. und da kann ich extrem viel für mich mitnehmen. Ich schaue mir aber auch sehr gerne White Paper, aber auch so visionäre Talks an, wobei das eine oder andere wahrscheinlich ein paar Jahrzehnte später kommt, als man denkt. Aber es gibt einem immer wieder neuen Stimulus, dass man ganz unterschiedlich schaut. Und ich bin auch ein Freund von so industrieübergreifenden Digitalisierungsthemen. Also ich schaue mir auch an, was die Versicherungsbranche macht, schaue mir an, was die Luft- und Raumfahrtbranche macht, die auch Heavy Assets hat. wo Flugzeuge über 100 Millionen und mehr kosten, wie gehen die damit um mit der Digitalisierung, auch spannende Themen. Und da habe ich dann so viel Input, dass ich den dann erstmal wieder verarbeiten muss, daraus dann wiederum für mich selber bewerten, Klarheit schaffen, wie kann ich wo ansetzen und mache auch gerne so kleine Mikro-Sprints. Also ich treffe mich mit anderen Unternehmen, Instituten, Experten, wo wir immer so Workshop-artig ein bis drei Stunden uns entweder mit mir, aber idealerweise mit dem Team gemeinsam austauschen.

Matthias Weigert: Also auch da einen Blumenstrauß. Gibt es ein, zwei konkrete Hinweise, wo du sagst, das ist echt ein toller Blog oder das ist ein super Kanal? Du hast über Udacity gesprochen.

Güngör Kara: Ja, also meine drei Hauptkanäle sind LinkedIn, YouTube und Udacity. Das sind so die Lösungen. Also Sing ist auch gut, das darf man nicht unterschätzen. Die haben halt wiederum etwas andere Einsichten. Auch für den Mittelstand super, super spannend, was da gemacht wird. gemacht wird. Und dort werden viele Webinare, Whitepaper angeboten, aber auch Expertengespräche. Da kann man mit vielen sehr, sehr spannenden Menschen da in Kontakt treten.

Matthias Weigert: Abschließende Frage, wie können unsere Hörerinnen und Hörer mit dir in Kontakt treten, wenn sie möchten?

Güngör Kara: Ja, wenn man mag und oder sich dem Digitalisierungsteam von Ottobock anschließen möchte, dann kleine Eigenreklame gerne über LinkedIn. Da schaue ich dann täglich drauf, antworte dann auch in der Regel innerhalb von wenigen Tagen und Ich freue mich immer, mit anderen vernetzt zu sein. Ab und zu habe ich selber auch einen Beitrag oder ein Whitepaper. Und wie gesagt, ich freue mich über regen Austausch, auch international. Genau, das ist eigentlich der beste Kanal für mich.

Matthias Weigert: Günther, vielen Dank für das spannende Gespräch.

Güngör Kara: Lieben Dank, Matthias.