Die Lufthansa fliegt in die digitale Zukunft

27. März 2020, mit Mathias Weigert

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Matthias Weigert: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen People-First-Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Matthias Weigert und ich bin Geschäftsführer der Unternehmerschmiede. Die Unternehmerschmiede unterstützt Unternehmen dabei, digitale Innovationen erfolgreich umzusetzen, indem wir die richtigen Teams gewinnen und schmieden, das heißt vor allem erfolgreich machen. Wenn dieses Thema auch für euch interessant ist, kommt gerne über LinkedIn direkt auf mich zu. In unserem Podcast People First geht es um das Thema Mensch in der digitalen Welt. Heute sprechen wir über das Thema Reisen und Mobilität. Es geht um den Lufthansa Innovation Hub, unter anderem ausgezeichnet als Germany's Best Digital Lab vom Kapitalmagazin und dem Digital Leader Award durch die IDG, die unter anderem die Computerwoche veröffentlicht. Der Lufthansa Innovation Hub bezeichnet sich selbst als die Speerspitze für die digitale Transformation der Lufthansa-Gruppe. Mit einem Sitz in Berlin, Singapur und Shanghai agiert der Lufthansa Innovation Hub international. Der Lufthansa Innovation Hub entdeckt, evaluiert und implementiert neue digitale Geschäftsvorhaben im Zusammenhang mit Reise und Mobilität. In Kooperation mit weltweit führenden Fluggesellschaften. Nach dieser Folge weißt du, warum Lufthansa einen Innovation Hub in unterschiedlichen Regionen eröffnet hat, welche Geschäftsmodelle für Reise und Mobilität interessant sind, welche Menschen dahinter stehen und warum Internationalisierung ein wichtiges Thema ist. Zu Gast heute im Podcast habe ich Gleb Tritus, Unternehmer, Gründer, Investor und seit fünf Jahren Geschäftsführer des Lufthansa Innovation Hubs und treibt dort das Neugeschäft der Reise und Mobilität voran. Herzlich willkommen, Gleb.

Gleb Tritus: Hallo Matthias, danke für die Einladung.

Matthias Weigert: Gleb, warum geht ein Gründer in die Rolle des Managing Directors für einen Innovation Hub?

Gleb Tritus: Eine sehr naheliegende Frage. Also zunächst einmal geht er nicht wissentlich und geplant dahin, sondern er rutscht da rein, so Serendipity-mäßig. Tatsächlich habe ich zehn Jahre lang in verschiedenen Konstellationen relativ klassisch gegründet im deutschen Tech-Ökosystem. alle Kriege ausgetragen, ein paar Mal gegen die Wand gefahren, ein, zwei Mal auch Erfolge gefeiert und am Ende des Tages wirklich über einen puren Zufall in Kontakt gekommen mit der Lufthansa, die 2014 hier in Berlin unterwegs war, auf der Suche nach jemandem aus diesem Ökosystem, der ihnen so ein bisschen den Weg weist und sicherstellt, dass das, was sie hier bauen mit einem solchen Innovation Hub, Relevanz hat für Gründer, für VCs, auch für andere Teilnehmer des Travel Mobility Tech Ökosystems. Und so hat man mich ursprünglich tatsächlich proaktiv angesprochen, ob ich da wenn ich so ein bisschen als Wegbereiter mal drei Monate lang beraten möchte. Und aus den drei Monaten wurde dann ein Jahr und aus einem Jahr wurden jetzt bald fünfeinhalb Jahre.

Matthias Weigert: Super, jetzt hast du als einer der Ersten, wahrscheinlich der Erste, das Thema entwickelt. Was ist ein Innovation Hub? Ganz kurz in zwei Worten.

Gleb Tritus: Tatsächlich ist die Bandbreite massiv. Als wir damals losgelegt haben, waren wir, so will es die Firmenchronik, Nummer 14 in Deutschland. Heute gibt es 260 plus und ungefähr 100 davon finden wir in Berlin. In der Regel, wenn wir so ein bisschen einen Querschnitt nehmen, sind Innovation Hubs meistens ausgelagerte Innovationsabteilungen, die insbesondere an inkrementellen Themen arbeiten, also nah am jeweiligen Kerngeschäft. um beispielsweise fern der jeweiligen Headquarter etwas mehr Freiheit zu genießen, ein anderes Talent anzuziehen und auch sich irgendwo einen anderen Anstrich zu verleihen. Wenige, und dazu zählen wir, haben indessen ganz klar einen Anspruch, eher das Neugeschäft zu bestreiten, also das Morgen und Übermorgen des jeweiligen Unternehmens zu gestalten. Und da ist es dann umso wichtiger, wiederum das Ganze zu separieren und auch geografisch auszulagern. Und dazwischen wiederum findest du so ziemlich alles. Von Einheiten, die mit Startups zusammenarbeiten, über Einheiten, die irgendwo das ganze Thema New Work versuchen, in die Kernorganisation zu treiben, bis hin zu einem bunten Potpourri, wo von jedem irgendwo ein bisschen was reinkommt, von jedem Modell.

Matthias Weigert: Jetzt seid ihr ja nicht nur Gleb, sondern ihr seid ein großes Team. 30 Leute, glaube ich, mittlerweile groß.

Gleb Tritus: 40 sogar. Oder 40.

Matthias Weigert: Wie schafft ihr es als Team, nicht nur 2017 vom Kapitalmagazin den Award zu bekommen, sondern auch jetzt in 2018 wieder? Was zeichnet euch aus?

Gleb Tritus: Wo unterscheidet ihr euch vielleicht aus? Das ist eine sehr gute Frage. Die stellen wir uns jedes Mal selber an. Ich glaube, da gibt es verschiedene Faktoren, wie so oft. Erstens haben wir, glaube ich, ganz authentisch und an konkreten Ergebnissen vorgebracht, bewiesen, dass wir zwischen diesen zwei Welten stattfinden können. Und das sind tatsächlich fundamental unterschiedliche Welten. Du hast auf der einen Seite den althergebrachten, stolzen, erfolgsverwöhnten multinationalen Konzern Lufthansa. Und auf der anderen Seite hast du dieses dynamische, agile Startup-Ökosystem. Das sind tatsächlich zwei Betriebssysteme. Die brauchen fundamental unterschiedliches Talent. Und die haben sehr unterschiedliche Arten und Weisen, aneinander heranzuwachsen und eben auch nicht in bestimmten Fällen. Und wir haben durch sehr langes Iterieren, Ausprobieren, Hörnerabstoßen für uns da, glaube ich, einen ganz guten Mix hinbekommen, wie wir zwischen diesen zwei Welten funktionieren können. Und das ist in erster Linie dass uns Lufthansa in den ersten zwei Jahren tatsächlich sehr großen Freiraum gegeben hat. Als wir losgelegt haben, gab es nicht die eine Blaupause für so einen Innovation Hub. Das war eigentlich noch komplett offen und unbeschrieben. Und so haben wir relativ klar gesagt, Leute, wir können euch jetzt keine Agenda für zwölf Monate schreiben. Wir müssen es mal ausprobieren. Wir müssen alles mal anfassen. Ein paar Bilder in die Wand werfen und gucken, was haften bleibt und was nicht. Gott sei Dank haben wir damals diesen Freiraum bekommen. Ich glaube, wenn wir jetzt im Jahr 2020 nochmal starten, sähe es anders aus. Da ist der Druck dann doch sicherlich ein anderer. Und haben dann den Luxus genossen, in diesen zwei Jahren tatsächlich jeden Modus mal anzufassen. Von tief inkrementell, wir machen irgendwas mit Startups. Bis hin zu, wir sind ganz gezielt im sogenannten dritten Innovationshorizont unterwegs und bestreiten das digitale Geschäft von morgen. Und auf Basis vieler validierter Hypothesen, ob positiv oder negativ und vor allem vieler informierter Entscheidungen, sind wir dann irgendwo bei einem idealen, abgestimmten, handgepickten Mix angekommen, der tatsächlich realistisch und ergebnisorientiert zwischen Startup-Ökosystem und der Lufthansa-Gruppe im Speziellen funktionieren kann. Am Ende des Tages, das ist dann sicherlich so ein peripherer Effekt, haben wir dann die ersten für Digitallaborverhältnisse größeren Erfolge gefeiert. Und das ist wiederum ein sehr glaubwürdiger Pitch, um nicht zuletzt auch Talente anzuziehen. Im nächsten Schritt Partner, Dienstleister, alles was man sonst so braucht, um den Laden hier auf einen stetigen Wachstumskurs zu bringen.

Matthias Weigert: Magst du ein bisschen konkreter werden, was Erfolge waren? Vielleicht auch konkrete Namen nennen, die ihr erfolgreich aufgebaut habt? Geschäftsmodelle, die entwickelt wurden hier in den Räumen, in denen wir hier gerade sind?

Gleb Tritus: Wir haben einen ganz vollen Bauchladen von Erfolgen wie auch Misserfolgen, die wir dann aber später tatsächlich ganz gut zu Erfolgen hingebogen haben. Angefangen bei, wie gesagt, tief inkrementellen Themen. Wir haben zum Beispiel 2014 als einen unserer ersten großen Würfe die erste offene Programmierschnittstelle einer Airline auf den Markt gebracht, eine API. Das mag auch schon damals relativ normal gewesen sein in der Technologie-Marktrealität hier draußen. Für eine Airline war und ist das nach wie vor ein Novum. Heute 2020 haben nach wie vor etwa nur 5% aller Airlines eine API. Was heißt das? Eine Schnittstelle, wo wir mit Third-Party-Startups, App-Entwickler, Website-Entwickler irgendwo kontrolliert in unsere Datenwelt reinragen können. Das haben wir aufgezogen in enger Zusammenarbeit mit der Konzern-IT. Fast forward, hat das Ding heute um die 200 Millionen Abrufe pro Jahr, ist die eine Blaupause für Airline-APIs und ist für uns ein ganz, ganz wesentlicher Pflock beim Thema inkrementelle Innovationen. Auf der anderen Seite betont weit weg vom Kerngeschäft der Lufthansa vielleicht ein etwas unkonventionelles Beispiel unser ganzes Research. Das ist in dem Sinne jetzt kein Venture. Gleichwohl haben wir aber eine Art Weltbild entwickelt, wie Reise und Mobilität an der Schnittstelle zur Technologie heute darzustellen ist. Eine Feststellung war da schon mal, es ist nicht Reise und Mobilität, sondern es ist mehr denn je so eine Suppe, die zusammenwächst durch digitale Plattformen. Und von dieser Grundidee ausgehend haben wir dann diese Welt gemappt, geclustert und haben heute einen sehr tiefen Einblick in diese einzelnen Cluster im Hinblick auf, wo wird gegründet, wo wird Geld eingesammelt, wo wird aufgebaut, abgebaut etc. pp. Und können dann wiederum aus dieser Zoom-Stufe heraus sehr genau beschreiben, dann zumindest Hypothesen getrieben, wie sich das Ganze dann fortwährend weiterentwickelt wird. Und da haben wir zum Beispiel wirklich eine State-of-the-Art-Market-Intelligence-Logik entwickelt, speziell gemünzt auf das Thema Fortbewegung von A nach B und das Erleben von Zielorten.

Matthias Weigert: Wenn ich jetzt das nochmal vergleiche, People-First-Thema, es geht um Menschen, wenn du nochmal an die Anfänge dich zurückzoomst, so mit wem seid ihr gestartet, mit welchen Menschen, was waren das für Profile? und wie habt ihr euch so mal so in Lifelamps, Lebenslampen weiterentwickelt?

Gleb Tritus: 2014, als diese ganze digitale Bauwelle zum ersten Mal Anlauf nahm, war es eigentlich Usus, fast immer diese externen Einheiten dann doch wieder mit internen Talenten zu besetzen. Du hast dann jemanden aus dem Corporate Development genommen, dann hast du vielleicht noch ein, zwei Leute aus dem Management Trainee Programm, garniert mit jemandem aus dem Marketing und der Kommunikation und vielleicht noch einen Berater und das war so das übliche Setup, weil es eben naheliegend war. Lufthansa war damals, und das sage ich ungeachtet, meine Personalie schon ein Stück weiter und hat relativ schnell festgestellt, wenn wir irgendwo Anschluss finden wollen an dieses Sagen und Wohmen der Technologie-Ökosystem, brauchen wir auch ein paar sprachfähige Vertreter dieses Ökosystems. Das war schon mal eine ganz wesentliche Feststellung, die, wenn wir heute von so etwas wie Erfolg sprechen können, maßgeblich auch ein Teil davon ist und war. Deswegen hat man von vornherein gesagt, es braucht ein 50-50-Team. Das Initialsetup waren acht Leute, 50% Lufthansa-Gruppe, 50% externe, explizit mit Gründungs- und Venture-Capital-Erfahrung. Auf der Lufthansa-Gruppe-Seite war das auch eine sehr spezielle Konstellation, denn das waren alles ehemalige Vorstandsassistenten. Auch das sollte sich dann zum späteren Zeitpunkt als eine sehr smarte Wahl erweisen, weil das genau der Sweet-Spot ist, den du brauchst. Das sind Leute, die waren alle Anfang 30, also im Mindset dann doch sehr digitalen. gleichzeitig Leute, die teilweise zehn Jahre schon in dem Konzern abgerissen haben. Das heißt, sie hatten Stahlgeruch, sie hatten aus dieser Metaperspektive des Vorstandsbüros eine sehr gute Übersicht über alle Feinheiten, über politische Gemengelagen, über wer mit wem und so weiter. Toller Startpunkt, um Buy-in für so eine neue Einheit herbeizuführen. Auf der anderen Seite haben wir eigentlich das klassische Setup aus ein bisschen Gründungserfahrung, ein bisschen Venture-Capital-Erfahrung und vor allem Leute, die Netzwerke Darf ich da kurz einhaken? Klar.

Matthias Weigert: Ihr seid ja immer so ein bisschen bescheiden. Was heißt ein bisschen Gründungserfahrung, ein bisschen Venture-Capital-Erfahrung? Vielleicht auch nochmal für die Hörer so klarer zu machen, was das bedeutet. Also wie viel da auch wirklich an Erfahrung war.

Gleb Tritus: Wir haben beide Endespektrums gehabt. Wir haben mit meiner Wenigkeit eine Person in der Gleichung gehabt, die tatsächlich damals schon zehn Jahre halt rum gegründet hat. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Und wir haben auf der anderen Seite Personen gehabt, die zum Beispiel gerade frisch aus dem Inkubator kamen und dort mal so ein Jahr, eineinhalb Jahre in so einer Venture-Development-Position von allem ein bisschen gemacht haben. Die eine Klammer war letztendlich, dass es sehr sprachfähige, ernstzunehmende Leute waren, die vor allem ein Netzwerk schon hatten. Weil ein Riesenproblem damals wie heute ist dieses Corporate-Dogma. Wenn du Leute aus egal welchem großen Konzern nimmst und sie nach Berlin verpflanzt, dann riecht das anders. dieses Ökosystem auf 100 Meter, dass diese Leute nicht hier hingehören. Das meine ich gar nicht so negativ, wie es klingt, sondern die kommen nun mal aus einem anderen Betriebssystem und sie sprechen eine andere Sprache, sie müssen sich einfinden, sie stellen auch teilweise andere ungewohnte Fragen. Um das zu überspringen, brauchst du einfach Leute mit Sprachfähigkeit. Und was uns dann auf dieser Ökosystemseite geeint hat, ist, dass wir alle recht sprachfähig, recht präsent, sehr gut vernetzt waren und nicht erst zwei Jahre investieren mussten, um hier mal die relevanten Multiplikatoren, Unternehmen, VCs, Gründer und so weiter kennenzulernen.

Matthias Weigert: Das war jetzt so die erste Phase und wie ist es dann weitergegangen so ein bisschen in der Entwicklung?

Gleb Tritus: Diese Phase hielt an rund anderthalb, zwei Jahre und der Lufthansa-Teil wurde im Zuge dessen auch ganz bewusst runtergefahren. Wir haben natürlich dann diejenigen, die jetzt aus diesem Ökosystemteil kamen, mit der Zeit ebenfalls Stahlgeruch aufgebaut, den Laden kennengelernt, die ganze Dynamik, die Sprache der Lufthansa verstanden. Das heißt, der Need nach der internen Vernetzung nahm ab, während der Need nach einer Ökosystemvernetzung sukzessive zunahm, zumal wir mehr und mehr von der inkrementellen Seite auf die Neugeschäftsseite geschifftet sind. In Zuge dessen dezimierte sich also der Lufthansa-Anteil weiter und weiter, bis er irgendwann bei einer Person war. Das ist auch heute noch der Fall. Und der Ökosystem-Part nahm zu. Und da waren wir relativ schnell bei einem üblichen bunten Potpourri der Berliner Digital-Talente. Da hatten wir von den großen Company-Buildern die klassischen Venture-Development-Profile. Die haben ja auch nach wie vor überwiegend hier im Team. Wir haben die ersten Leute mit VC-Erfahrung gehabt. Wir haben Leute mit insbesondere Produktmanagement und Software-Engineering-Erfahrung. reingebracht und haben dann sukzessive vor allem auf diese Talente gesetzt, die ein Project A, ein Rocket, ein Finlip, Hitfox und so weiter genauso vor der Flinte hat. Das ist auch bis heute der Fall. Also wir sind bis auf meinen Kollegen Christian Langer, der ist Chief Digital Officer der Lufthansa Group, allesamt Menschen von hier draußen ohne Lufthansa Legacy. Das sage ich natürlich mit dem größten Respekt, sondern eben aus dem Ökosystem, insbesondere hier in Berlin.

Matthias Weigert: Du hast schon beschrieben, was gut war. Gibt es auch Dinge, wo du sagen würdest, so bei dem Teamaufbau, da würdest du mit der Erfahrung von heute damals ein bisschen was anderes machen?

Gleb Tritus: Na klar. Das ganze Thema Erwartungsmanagement ist und bleibt eine fortwährende Herausforderung. Und natürlich sind wir da in so einem jugendlichen Leichtsinn angetreten, mit dem Vorhaben, die Lufthansa von heute auf morgen auf links zu drehen und digitaler zu machen und zum digitalsten Reisekonzern der Welt zu bauen. Da kehrt natürlich peu à peu die Realität ein. Und es ist sehr schwer, Moving Target, wie wir das immer nennen, realistisch und planbar an diese Talente zu kommunizieren. Es ist vollkommen normal, dass selbst der dynamischste Vertreter dieses Ökosystems mehr Perspektive braucht. Der fragt, was kann ich hier in einem Jahr erreichen? Wo bin ich dann? Kann ich ausgründen? Kriege ich Anteile? Kann ich investieren? Da haben wir natürlich eine Hypothese zum jeweils gegebenen Zeitpunkt, wie sich das darstellen kann. Am Ende hängt das und hing das gerade in den Anfangsjahren natürlich auch sehr stark von der Makro- und Mikrosituation in der Lufthansa ab, die zum ersten Mal ein solches Vorhaben begleitete. Das heißt, wir konnten hier viel versprechen, am Ende mussten wir das aber auch sicherstellen und vielfach konnten wir es nicht durch und durch auf unserer eigenen Platte sicherstellen. Erwartungshaltungsmanagement, ein Riesending, bis heute auch eine Herausforderung, nur mittlerweile haben wir natürlich ein gewisses Feingefühl und auch hier eine Latte von Erfahrungen und validierten Cases, die wir da zurate ziehen. Das ist das Erste. Das Thema Kommunikation, Transparenz, das zielt dann eher so in Richtung interne Perspektive, Lufthansa Group. Auch hier so ein bisschen aus dem jugendlichen Leichtsinn haben wir uns auf die Fahne geschrieben in den ersten zwei Jahren, wir trommeln erst, gerade intern, wenn wir was erreicht haben. Also wenn es da ein Venture gibt, was Zahlen schreibt, wenn es ein sinnvolles Investment gibt. Die schiere Tatsache, dass wir jetzt auch in Berlin sind als 14. Corporate, ist eigentlich schon nicht kommunikationswürdig. Das war ein Riesenfehler, weil wir nicht unterschätzt haben, das ist ganz menschlich und auch nicht Lufthansa-spezifisch, sondern bei jeder großen Organisation der Fall, das, was du nicht so recht greifen und umschreiben kannst, das füllst du dann relativ schnell mit Legenden und Mythen und Flurfunk. Und das war genau der Fall natürlich. Wir waren sehr präsent, ob wir wollen oder nicht, innerhalb der Lufthansa. Und du warst dann relativ schnell in dieser Ecke, oh, die sind verhältnismäßig privilegiert, haben ein cooles Office in Berlin, haben alle Freiheiten. Der CEO stellt sich da vor und sagt, das ist eine gute Sache. Das hat natürlich, und auch hier ganz menschlich natürlich, dazu geführt, dass wir mit so einem Stigma da rumlaufen mussten. Da hat es erst mal ein Jahr gedauert, bis wir das wieder abstellen konnten, mit einer sehr vereinfüllten Kommunikation. Viel erklären, viel korrigieren. Würde ich jetzt noch mal loslaufen, würde ich ab Tag 1 gerade intern eher zu viel als zu wenig kommunizieren. und vor allem dieser ganzen Mythenbildung so ein bisschen entgegenwirken und erklären, A, können wir nicht über Wasser laufen, B, ist das aber auch nicht alles eine Gefahr für euch. Wir wollen euch ja eher enablen, in dem besser zu werden, was ihr ohnehin schon sehr gut tut. Und C, haben wir hier auch nicht nur Privilegien und nicht nur Freiheiten, sondern am Ende des Tages unterliegen wir natürlich auch einer Konzern-Governance und haben ein schweres und großes Erbe mit dem Kranich auf der Tür. Von daher ist das dann am Ende doch alles nicht so fancy und dynamisch und agil, wie man das so klischeebehaftet immer meinen mag.

Matthias Weigert: Und jetzt nochmal konkret auch auf das Team vielleicht nochmal bezogen. Wenn du dir überlegst, so wie ihr gestartet seid, wo ihr jetzt angekommen seid, gibt es da auch nochmal Learnings, die ihr als Team gesammelt habt?

Gleb Tritus: Ja, zurückgesprungen auf dieses Bild der zwei Welten slash zwei Betriebssysteme. Das kannst du dir so vorstellen wie so ein Mischpult mit zwei Reglern und diese zwei Regler müssen schon relativ feinfühlig kalibriert werden. Und wir haben, nachdem wir hier wirklich sehr viele Leute A wirklich gesehen haben, B dann auch angestellt haben, festgestellt, der Sweet Spot zwischen ich kann hier authentisch in Berlin oder generell im Technologie Ökosystem funktionieren und gleichzeitig auch vielleicht vom Lufthansa Group Vorstand eine Präsentation halten und interagieren. Dieser Sweetspot ist sehr, sehr klein. Also die Leute, die das wirklich authentisch, beidseitig beherrschen und vor allem auch nahtlos hin- und herspringen können, die kannst du fast schon an der Hand abzählen. Das hat zugenommen im Zuge der Ausweitung dieses Ökosystems. Wie gesagt, 260 Labore in Deutschland, die kultivieren auch dieses Talent fortwährend. Aber 2014, 2015, 2016 war das eine ziemlich neue Kiste. Und wir haben sehr schnell gemerkt, dass ein Müh zu viel bei einem der Regler so einen Butterfly-Effekt auslöst, den man auch später wieder korrigieren und zusammenkehren muss. Also ganz klassisches Beispiel, zu viel Startup- zu viel Buzzword-Bingo, zu viel, wir schauen mal morgen, was draus wird, lass das mal loslegen, ist natürlich nicht immer kompatibel in der Lufthansa, die auch noch per Definition sehr risikoervers ist als Airline. Wenn du hier sehr viel Geld, Zeit investierst, um echtes Tech-Talent zu akquirieren, von beispielsweise einem namhaften Company-Builder, wo die dann am Ende des Tages 80% der Zeit mit der Arbeitsebene einer Airline interagieren müssen, dann ist es auch zu schnell ins zu kalte Wasser geworfen und die verbrennen wir dann. Also dieses feinfühlige Kalibrieren der zwei Welten und schauen, dass man da wirklich komplementäre Leute aufstellt, das hat uns da echt vielfach eine blutige Nase gebracht. Und das ist auch so ein Ding, da wüsste ich nicht, wie man das überspringen kann. Das ist einfach ein Lernprozess. Weshalb ich einmal mehr extrem dankbar bin, dass die Lufthansa uns da wirklich mal zwei Jahre lang in Ruhe gelassen hat, wenn du so willst, und gesagt hat, macht das mal, findet eure DNA und findet genau diese Kalibrierung der beiden Welten. Wäre das nicht der Fall gewesen, würde ich jetzt aus heutiger Sicht sagen, wären wir auf der Talentschiene dahingehend schnell gegen die Wand gefahren.

Matthias Weigert: Sehr spannend. Also insofern, es braucht diese Zeit auf der einen Seite, es braucht die Ruhe, den Atem auf der anderen Seite und gleichzeitig aber auch die Kombination aus beiden Welten. Gleb, kurze Frage an dich nochmal. Jetzt seid ihr in Berlin. Lufthansa ist global, weltweit aufgestellt. Wie häufig bist du hier in Berlin? Wie häufig bist du woanders?

Gleb Tritus: Ich würde mal sagen so 60-40. Tendenz steigend, weil wir seit letztem Jahr in Asien unterwegs sind und in Singapur und Shanghai ein Office aufgemacht haben. Das heißt, dementsprechend bin ich sehr oft da. Generell ist es natürlich so, wir sind recht nah an dem Thema und auch sehr nah am Produkt. Das heißt, wir reisen tatsächlich alle sehr viel, mindestens nach Frankfurt zum Stammsitz der Lufthansa.

Matthias Weigert: Das Thema Asien ist natürlich immer Spannendes. Magst du uns dazu ein bisschen mehr erzählen, was da der Hintergrund ist? Es ist ja auch in euren Standorten ziemlich deutlich, dass da noch mehr aufgebaut wird. Aber vielleicht ein bisschen mehr dazu sagen, was dahinter steckt.

Gleb Tritus: Aus unserer besagten Research-Perspektive schauen wir global auf zwei übergeordnete Bewegungen. Gründungsdynamik, Finanzierungsdynamik im Reisemobilitätskontext. Das heißt, wie viele neue digitale Unternehmen werden entlang der sogenannten Reisekette gegründet und im nächsten Schritt, wie viel Wagniskapitalvermögen sie anzuziehen. Wir haben schon 2015 in dieser fortwährenden Betrachtung festgestellt, dass beide Dynamiken ganz klar gegen Osten schifften, dort insbesondere nach China. Und wir haben dort auch zum ersten Mal geflaggt, hey Leute, da passiert gerade was. Das war damals noch auf der globalen Ebene als Gesamtindustrie, wie auch auf der asiatischen Ebene insgesamt überschaubar im Vergleich zu anderen Branchen. Aber der Wachstumstrend war ein signifikanterer. Wir haben schon damals auf dem Lufthansa-Vorstand geflaggt, unseren Heimatmarkt oder die westlichen Märkte in Gänze, Europa, Nordamerika insbesondere, die kriegen wir super bespielt aus Berlin heraus, indem wir Desk-Research machen und hin und wieder rüberfliegen, auf Konferenzen rumspringen und so weiter. Asien, wir haben es eine Zeit lang versucht, funktioniert vorne und hinten nicht, allein schon der Sprachbarriere wegen. Vor allem aber, weil es dort mehr denn je darum geht, persönliche Beziehungen aufzubauen. Das kannst du halt nicht mit zweimal im Jahr auf einer Konferenz aufschlagen. Deswegen haben wir eigentlich von da relativ häufig getrommelt, hey Asien, da geht was, lass uns doch mal ein bisschen mehr machen, als eben nur Research Reports verwerten. Das sollte sich dann auch genauso darstellen. 2018 war es so, dass von den 44 Milliarden, die weltweit in Reis- und Mobilitätsstartups gesteckt wurden, bereits 60 Prozent in Asien allokiert wurden. Und diese 60 Prozent verteilen sich auf 35% China, also ganz klar der dominante Player, 25% Restasien. Nimmst du da noch Indien dazu, bist du bei 70% von allem Venture Capital, was irgendwie in Fortbewegung fließt. Und du kannst die Uhr danach stellen, da wo Venture Capital hingeht, passiert ein, zwei Jahre später was. Erfolgreich oder nicht, nochmal eine andere Frage, aber da geht auf jeden Fall was. Europa hat mit so 5% in etwa Anteil in dieser Gesamtrechnung noch nie eine Rolle gespielt. USA ist nach wie vor signifikant, Tendenz aber eher abnehmend als steigend. Und so war es dann für uns eigentlich 2018 mit dem Ausrufezeichen versehen, okay, jetzt müssen wir da was machen. Und dazu passt dann auch ganz gut, dass für die Lufthansa Group, das ist auch keine Überraschung, insbesondere China der wichtigste Wachstumsmarkt ist. China ist schon jetzt der zweitwichtigste Langstreckenmarkt der kommerziellen Luftfahrt und ist 2022, je nachdem wie diese Corona-Delle sich darstellt, der weltweit wichtigste Markt für kommerzielle Luftfahrt. Das heißt, wir mussten die Lufthansa Group entscheiden. Wir sind zum Vorstand nicht lange davon überzeugen, dass das irgendwie ein guter Ort ist, wo man kommerzialisieren kann und wo man auch vertreten sein muss aus einer digitalen Perspektive. Und so kam es dann, dass man uns tatsächlich dann das Go gegeben hat, Mitte 2018. Und wir haben dann einmal mehr fast ein Jahr Zeit gehabt, uns da so ein bisschen reinzufühlen. Das heißt, wir haben uns tatsächlich acht Standorte in Asien angeschaut, dort die jeweiligen Technologie-Ökosysteme, auch so ein bisschen die Talent-Pools versucht kennenzulernen. Und haben dann auf der Basis sehr, sehr systematisch hergeleitet, okay, das Einfallstor ist Singapur. Einerseits, weil Singapur einfach sehr westlich bekömmlich ist in Asien. Andererseits, weil dort der Lufthansa Group Standort für Gesamtasien ist. Und im nächsten Schritt, weil China nicht Asien ist, Asien nicht China, dann nochmal Shanghai als Einfallstore in diesen dann doch wichtigsten Markt China.

Matthias Weigert: Und wie ist das Setup da unten? Kannst du das schon beschreiben oder ist das noch relativ jung sozusagen?

Gleb Tritus: Es ist in der Tat sehr jung, haben wir diesen Setup schon rund ein Jahr gewerkelt. Wir haben, nachdem wir uns mal für die Standorte entschieden haben, angefangen so eine Art Stoßtrupp aus Berlin rüber zu schicken, auch mit einer Art. Interims-MD, der dann auch vor Ort dauerhaft war und insbesondere das Hiring getrieben hat. Dann haben wir diese Person ausphasen lassen und ersetzen quasi da gerade den ursprünglichen Interims-Setup mit einem festen lokalen Setup. Das heißt, wir haben jetzt knapp sieben Leute da, die sind alles lokal geheierte Talente, insbesondere aus dem Technologie-Ökosystem. Und wir haben einmal mehr, um diesen zwei Betriebssystemen Rechnung zu tragen, auch einen aus der Lufthansa dahin verpflanzt, der tatsächlich jetzt Innenminister so ein bisschen die Anschlussfähigkeit sicherstellt. Das heißt, wir versuchen eigentlich nichts anderes zu machen, als unseren Weg in Berlin damals 2014, 2015 eigentlich eins zu eins für Asien zu replizieren. Nur, dass wir ökosystemseitig natürlich aus dem asiatischen Ökosystem heiern und eben nicht deutsche Start-up-VC-Experten jetzt nach Singapur verpflanzen.

Matthias Weigert: Und wie ist das jetzt in der Arbeit da unten? Du hast gesagt, du bist hin und zu dort. Wie ist die Zusammenarbeit? Ich meine, das sind ja ganz unterschiedliche Kulturen, die ja auch, selbst wenn wir Singapur und Shanghai nehmen, ja schon mal unterschiedlich sind. Aber wie kriegt ihr das gemanagt? aus einer Digitaleinheitsperspektive oder Innovationsperspektive?

Gleb Tritus: Das ist Work in Progress und wir lernen tagtäglich dazu und das braucht man auch gar nicht schöneren, das ist auch echt ein dickes Brett. Wenngleich wir sehr nah am Thema Reise sind und tatsächlich auch sehr viel im Flieger sind und für uns das jetzt nicht so ein großer Akt ist, oft in Singapur zu sein, by the way, kompensiert selbstverständlich, Es ist trotzdem so, dass wir natürlich nicht durchgehende Interaktionen haben können. Das heißt, Videoconferencing ist tatsächlich für uns gerade ein Riesenthema. Wir haben uns lange Gedanken gemacht, wie können wir das so sicherstellen, dass wir da vernünftig kommunizieren können. Nicht so, wie das eigentlich im Alltag dann doch wieder ist mit, hörst du mich? Nein, ich höre dich nicht, jetzt sehe ich dich und so weiter. Da sind wir noch nicht angekommen. Aber die erste Maßnahme, relativ platt, wir haben ordentlich Geld in die Hand genommen für unsere Verhältnisse und haben auf beiden Seiten High-End Videoconferencing installiert, um zumindest diese Interaktion tagtäglich bestmöglichst umzusetzen. Dann haben wir überlegt, was sind so die natürlichen Schnittstellen, wo brauchen wir ein inhaltliches Heranwachsen und Zusammenwachsen im nächsten Schritt und haben wirklich geschaut, dass wir die jeweiligen Heads unserer Teams hier, die schon recht etabliert sind, wirklich in eine Art Belegungsplan übers Jahr verteilt immer drüben haben. Und gleichzeitig wiederum die asiatischen Kollegen auch hier haben, fernab der üblichen Termine wie Jahresstrategie, Offsite, Weihnachtsfeier und so weiter, auch zwischenzeitlich regelmäßig rund um bestimmte Projekte gebaut und Und das ist noch alles so ein bisschen in der Findung. Wir haben da noch nicht die Ideallinie gefunden. Klar ist aber, dass es wirklich ein dickes Brett ist. Wir sind alle auf Slack, alle always on und so weiter. Es ist aber trotzdem nicht das Gleiche wie, ich schrei dir mal eben was über den Tisch. Auch wenn wir das überschnittlich oft machen können mit den Besuchen, es reicht trotzdem nicht, sich einmal im Monat face-to-face zu sehen. Also das ist noch alles in so einer Kalibrierung. Wir sehen auf jeden Fall, dass das ein Stretch fürs Team ist und auch ein Stretch für die Kultur. Also das ganze Thema Kommunikation, Transparenz ist ein klares Fokusfeld. Das zweite Thema, das ist jetzt nichts Neues bei uns, aber gleichwohl eine Herausforderung, ist natürlich die kulturelle Diskrepanz. Auch wenn unsere dort gehaltenen Talente alle westlich geprägt sind, auf internationalen Hochschulen waren, stellenweise auch in Deutschland gearbeitet haben, ist ein chinesischer Millennial dann doch nochmal anders als ein deutscher Millennial. Darauf muss man sich einstellen. Da brauchst du hier sowas wie Sensibilisierungsworkshops und da brauchst du hier auch andere Teambuilding-Maßnahmen, als du es sonst machen würdest in der klassischen Berliner Konstellation. Und auch da sind wir noch nicht fertiggebacken, aber investieren echt viel Zeit und auch Geld, dass die Leute so ein bisschen beide Seiten mehr auf der interkulturellen Schiene verstehen. Die letzte Dynamik, die so ein bisschen reingreift, ist einfach die Tatsache, dass tatsächlich das ganze Ökosystem, also Travel Mobility Tech in Asien, dynamischer, schneller, bowler ist, nach anderen Maßgaben funktioniert, Netzwerke dort ein bisschen anders funktionieren als hier. Auch wenn die dortigen Counterparts auch hier wieder sehr westlich geprägt sind mittlerweile, also von den ganzen großen Playern wie Diddy, Grab, die Counterparts, mit denen wir da sprechen, die haben in den USA studiert, in Deutschland. Das ist jetzt auch nicht mehr so die große Diskrepanz wie noch vor ein paar Jahren oder vielleicht im Incumbent-Bereich. Gleichwohl ist es trotzdem ein anderer Rhythmus. Und das merkt man gerade, dass wir nicht einfach eins zu eins zum Beispiel unseren Investment- oder Partnership-Approach aus Deutschland nehmen können und den dann über ein Unternehmen aus Singapur drüber stullen. Das braucht schon dann diesen Local Flavor und eine Kalibrierung, die dann auch nur wiederum nur Locals machen können, die in diesem Ökosystem gearbeitet haben. Und das Potpourri aus diesen drei Dimensionen macht das schon zu einem fortwährend spannenden Prozess, den wir auch ganz ehrlich unterschätzt haben. Also wir, die halt schon so global sozialisiert sind und glauben, ja Singapur, Shanghai, Berlin, das ist dann am Ende doch irgendwie schon sehr vergleichbar, waren da schon relativ schnell so ein bisschen realitätsgeküsst, dass das, sehr divers ist, auch für uns, die eben sehr multikulturell gepulst sind, keinen Halt macht.

Matthias Weigert: Super spannend. Jetzt haben wir noch so ein anderes Thema. Du hast es eben schon angeschnitten und es brennt mir auf den Fingern unter den Nägeln. Du hast Corona angesprochen, eine Implikation, die ja so nicht vorhersehbar war. Und die Frage natürlich, was bedeutet sowas für euch jetzt auch gerade im Kontext Asien? Gibt es auch schon erste Lernfelder daraus? natürlich ein spannendes Thema. Wie geht ihr jetzt auch als Innovation Hub, einer der führenden Airlines, die ja sehr stark auch von dieser Krise betroffen sind, mit so einem Thema um?

Gleb Tritus: Das eskalierte eigentlich in den letzten drei Wochen tagtäglich. Es fing damit an, dass wir das gesamte Singapur-Team in Shanghai drüben hatten, weil sie parallel helfen, das Shanghai Office aufzubauen. Dann gab es die ersten Gerüchte, dass Singapur die Einreise aus Festland-China demnächst verweigern wird. So kam es dann auch. Also haben wir es mit so einer Nacht-und-Nebel-Aktion das ganze Team zurück nach Singapur beordert. Und das war zum ersten Mal so ein Oha-Moment. Das eskaliert da gerade so ein bisschen. Dann hat unser Team in Singapur relativ schnell gemeldet, dass sämtliche innerlichen Tracks peu à peu pausiert wurden von den jeweiligen Counterparts. Es fing damit an, dass die lokale Organisation gerade andere Sorgen hat als digitale Innovation und endete dann mit großen namhaften Partnern, die gerade auch ihre Wachstumsambitionen und Partnerschaftsambitionen massiv zurückschrauben. Das heißt, wir haben wirklich auf Pause gedrückt bei den wesentlichen Vorgängen und wir haben gerade auch tatsächlich bis auf Weiteres den weiteren Aufbau des Shanghai-Standorts, den wir jetzt sehr lange, by the way, vorbereitet haben und durchdacht haben, zurückgefahren. Das andere, was wir gerade merken, es hat auch irgendwie eine Chance auch für uns, weil gerade die sehr gut vernetzte und für uns sehr wichtige lokale Organisation der Lufthansa Group Pacific Raum mehr Auffassungsgabe, mehr Zeit bekommt, sich um doch sehr innovationsbetonte Innovationstopics mit uns zu kümmern. Sie haben sonst natürlich eine Latte von Kerngeschäft vor sich. Dieses Kerngeschäft macht gerade eher eine Seitwärtsbewegung, nicht zuletzt, weil wir die Flüge nach Festland China eingestellt haben. Und so haben sie dann tatsächlich gerade vielleicht ein bisschen mehr Kapazität im wahrsten Sinne des Wortes mit uns ein paar Themen nachzuziehen, die von einem Jahr noch vom Tisch gefallen sind. Also das ist ein kleiner Pluspunkt. Kulturell zwischen Singapur und Berlin hatten wir die längste Zeit so ein bisschen die Herausforderung. Wir haben das alles wahrgenommen in den Medien, aber die Brisanz war uns nicht klar. Gleichzeitig war diese Brisanz, das Singapur-Team, tagtägliche Realität. Es gab in Singapur relativ schnell so 80, 90 bestätigte Fälle. Das ist ein sehr kleines Land. Das ist auch ein Land, was sehr allergisch auf sowas reagiert. So haben sie dann lautstark um Verständnis geworben und auch so ein bisschen um Sichtbarkeit des Themas, während wir hier noch verhältnismäßig entspannt waren. Das hat sich spätestens letzte Woche, glaube ich, auch eingestellt. Das heißt, wir sind jetzt, glaube ich, alle auf so einem ähnlichen Alert-Level und schauen jetzt einfach tatsächlich, dass wir das Beste draus machen und auch hier einmal mehr eine sehr enge und kurz getaktete Kommunikation zu den Kolleginnen und Kollegen bewahren, damit die sich erstmal auch ganz platt nicht alleine fühlen mit der Geschichte. Das ist ein super kleines Team, die sind gerade noch in der Findung von ihrer eigenen Identität, die sind im wahrsten Sinne des Wortes sehr weit weg, haben maximal per Videoconferencing Anschluss zu uns und so versuchen wir gerade über diesen Kanal einfach mehr Interaktion zu üben und tatsächlich auch Verständnis zu werben und ein authentisches Interesse an diesem Thema und an den Implikationen dieses Themas zu zeigen.

Matthias Weigert: Jetzt hat ja jede Krise auch so eine Chance. Du hast ja schon einige genannt, in Technologie vielleicht denken, gedanklich nur so ein bisschen aus dieser Krisen- und Menschlichkeitssituation so ein bisschen raus. Was könnten denn da auch für Travel-Mobility-Tech-Unternehmen, können die da vielleicht auch daraus lernen? Gibt es erste Impulse schon, was so Lernpunkte sind, wo es interessant ist, vielleicht auch als Innovation-Hub? stärker vielleicht nochmal hinzugucken zukünftig.

Gleb Tritus: Absolut. Also was wir auf der Meta-Ebene erstmal losgelöst von Reisemobilität zum ersten Mal eigentlich so in der jüngeren Technologie-Geschichte sehen, ist, dass Super-Apps wie WeChat, wie Kakao dafür genutzt werden, um das Ganze irgendwo A transparent zu machen, B dann auch im nächsten Schritt einzudämmen. Du kannst über WeChat heute Verdachtsfälle melden, du kannst sogar lokal schauen, wo Gefahrenherde stattfinden. Das ist sehr eindrucksvoll, wie dann so ein massiv verbreitetes Tool dann auch wieder was Gutes tun kann. Runtergesummt auf unsere Reisemobilitätstechnologie-Ebene haben wir gerade zwei konkrete Ansätze, die plötzlich sehr viel Sinn machen in diesem Kontext. Wir haben schon seit ungefähr zwei Jahren zunehmend lautstark die Hypothese, dass Videoconferencing Airlines, nicht nur die Lufthansa Group, sondern Airlines im Allgemeinen mittelfristig signifikant tangieren könnte. Wir haben einen hohen Anteil an Geschäftsreisen in unseren Flugzeugen. Wenn die, mal in die Tüte gesprochen, in zehn Jahren eine Videokonferenz so durchführen können, dass sie nicht mehr den Unterschied sehen, ob sie gerade wirklich in einem Raum sitzen oder nicht, werden die sich zweimal die Frage stellen, ob sie jetzt für ein Drei-Stunden-Meeting von Berlin nach München oder von Bangkok nach Hongkong fliegen. Dazu kommt noch das signifikante Sustainability-Narrativ, was darauf einwirkt. Insbesondere für die Premium-Airlines, die sehr viel im Geschäftskundenverkehr abwickeln, wird das eine Implikation haben. Jetzt ist die Frage, wie geht man damit um? Embracet man das vielleicht sogar? Versteht man den Auftrag einer Airline wie Lufthansa Group langfristig in dem Verbinden von Menschen und Kulturen mit Hochtechnologie? Heute ist die Hochtechnologie ein Airbus A320. Im nächsten Schritt könnte die Hochtechnologie ein modernes Videoconferencing-System sein, was beispielsweise in letzter Konsequenz über Hologramme und Ähnliches arbeitet. Das klingt also wie Science Fiction. Tatsächlich gibt es schon eine Latte an Unternehmen, die das schon produzieren und testen. Zum ersten Mal kam dieses Narrativ im Zuge dieser Corona-Krise auch plötzlich mal in der Presse und in den Research-Papern an. Man spricht jetzt sogar schon zunehmend so von dem Oha-Moment des Videoconferencing-Sektors, wo die Leute zum ersten Mal merken, hey, das hat schon technologische Sprünge gemacht in den letzten drei, vier Jahren. Das ist nicht dieses gebrochene, hörst du mich? Nein, ich sehe dich nicht und so weiter, sondern das ist eigentlich schon fast schon so wie ein richtiges Meeting. Die Qualität ist super. vorausgesetzt du hast genug Bandbreite und die Nahtlosigkeit ist mehr denn je gegeben. Das heißt, das ist gerade in der Krise ein Stück weit eine Chance, dieses Thema so ein bisschen vorzubringen und wir wollen das natürlich auch nutzen, um das ein bisschen mehr auf die Agenda zu bringen und zu embracen, wenn du mich fragst, was die Lufthansa da tun sollte. Wir sollten unser Verständnis von Verbindung eben auf sowas ausweiten und dafür werden wir dann auch werben als Innovation Hub. Die zweite Perspektive, die sich auftut, ist unser Approach Research zu betreiben. Wie eben schon gesagt, wir versuchen sehr, sehr genau zu achten, wo wird gegründet, wo wird finanziert. Und die dritte Dimension, die uns sehr zuverlässig die Richtung weist, ist das sogenannte öffentliche Narrativ. Also worüber wird in den sozialen Medien gesprochen? Und auch viel spannender für uns, worüber wird in der Presse gesprochen? Einerseits in der General Interest Presse, andererseits in der fachspezifischen Presse. Du kannst, wenn du da so eine Wortwolke bildest und schaust, wie sich einzelne Wörter positiv oder negativ konnotiert darstellen, recht genau absehen, wie bestimmte Themen hochkochen und andere Themen wiederum so den Hype Cycle runterrutschen. haben es die längste Zeit dafür genutzt, um Trends entlang der Reisekette vorauszusagen. Das kannst du natürlich auch eins zu eins auf solche Krisensituationen drüberlegen. Das heißt, wie kann man an Patterns im nächsten Schritt erkennen, dass zum Beispiel Verkehre in bestimmte Richtungen Einbußen hinnehmen werden. Andererseits, wie kann man Verkehrsströme, beispielsweise im Hinblick auf noch unbekannte Destinationen, vorzeitig erkennen und den Vertrieb dahingehend hochschrauben oder vielleicht auch zum ersten Mal eine Verbindung etablieren? Also was sind die nächsten Trenndestinationen, fernab von dem, was in Condé Nast Traveler und anderen bekannten Presseorganen besprochen wird? Wieso ist gerade Tiflis in Georgien und der Oman hochgekocht? Das hätte man vielleicht auch schon vor drei Jahren irgendwo in diesem Public Narrative erkennen können. Da spielen wir gerade so ein bisschen zugespitzt durch die Corona-Krise mit dem Gedanken, wie können wir das künftig in so eine Prediction-Logik überführen und vielleicht auch im nächsten Schritt an die jeweiligen Fachbereiche des Konzerns anschließen.

Matthias Weigert: Also schon ganz konkrete Überlegungen auch und das macht Appetit auf mehr, zuzuhören wie in Innovation Hub Airlines mit diesem Thema auch. umgeht und am Ende auf der einen Seite, und das finde ich schön, die menschliche Perspektive hat, die Herzperspektive hat, auch das Team im Mittelpunkt hat und auf der anderen Seite aber auch dann wieder den Kopf einschaltet und sagt, was können wir eigentlich konkret auch aus der Krise lernen und welche Trends kriegen eine Beschleunigung oder welche etablieren sich sogar neu. Abschließend habe ich immer so ein paar Fragen, die einfach viele Hörer interessieren. Ich frage, wie bildest du dich persönlich weiter? Was ist dein Weg, wie du dich up-to-date hältst, dein Wissen aktualisierst?

Gleb Tritus: Relativ oldschool mit Lesen. Allerdings muss man sich mehr denn je auch wirklich dazu anhalten, dabei zu bleiben. Und wie machen wir das? Schon ein paar Mal erzählt, wir haben ja sowas wie Reading Slots. Das machen immer mehr Mitarbeiter hier. Die stellen sich zweimal die Woche eine Stunde in den Kalender, wo wir lesen. Ich versuche insbesondere, so ein bisschen aus meiner Travel-Mobile-Detect-Slash-Startup-und-VC-Blase rauszukommen, explizit Kram zu lesen, der mich erstmal inhaltlich nicht tangiert. Das kann hinten dann rum doch wieder so ein bisschen die Dots connecten und sehr viel Sinn machen und mindestens inspirieren.

Matthias Weigert: Hast du zwei konkrete, eine konkrete Sache, wo du sagst, Mensch, die hat mich echt beeindruckt oder verändert oder gibt es da Bücher, die vielleicht wohl bekannt sind, aber zumindest bei uns in unserer Startup-Blase immer so ein bisschen später aufschlagen.

Gleb Tritus: Ich habe gerade Y-Nations Fail auf der Platte, das finde ich super. Also wie funktionieren Länder oder wieso funktionieren sie auch nicht in bestimmten Fällen? Das finde ich extrem spannend. Das ganze Thema, wie entwickelt sich die Gesellschaft? beispielsweise in puncto Social Media befeuerten Narzissmus, also gesellschaftspolitische Themen, Trendthemen, die insbesondere Millennials betreffen, für uns eine zunehmend wichtige Zielgruppe, die wir noch ein bisschen stiefmütterlich tangieren. Also relativ breit gestreut tatsächlich und da auch im wilden Mix von Büchern, die explizit in ein Thema reinzoomen, hin zu, ich sag mal so, Information Bits. Also ich gebe mir mal 500 Worte auf irgendeinen Blog, der vielleicht irgendwie gerade was mit Street Art oder Musik zu tun hat. Also sehr breit gefächert und ich habe mittlerweile für mich den Rhythmus gefunden, dazu zu erziehen. Einerseits durch diese Reading Slots, andererseits einfach durch die bewusste Ausweitung des Horizonts. Also ein bisschen weg von Startups, ein bisschen weg von Trail Mobility Tech hin zu Themen, die mich jetzt mal inhaltlich nicht tangieren. Das ist das eine. Das zweite ist, tatsächlich versuchen wir es auch auf der Individualebene wie auch als Organisation zu systematisieren. Das heißt, wir haben jetzt zunehmend sowas wie Education Budgets als Gehaltsbestandteil eingeführt. Wir haben gerade in der Mache eine Art LEH Education Track, der beinhaltet sowohl fachspezifische Themen rund um Tram Mobility Tech, aber auch periphere Themen wie Leadership, Dynamiken in Teams, also all das, was du auch irgendwo tagtäglich auf der Platte hast. Also Systematisierung von Education und Hochhalten von Education ist, glaube ich, eine ganz sinnvolle und naheliegende Maßnahme, die wir treiben. Und last but not least natürlich sehr viel Interaktion einfach mit Gleichgesinnten. Also wir sind einerseits sehr gewollt aus unserem Auftrag heraus präsent, andererseits auch extrem daran interessiert, wie lösen denn andere Herausforderungen, wie nehmen sie Chancen wahr, die vielleicht erstmal nichts mit unseren Chancen oder unserem einmal mehr Gebiet zu tun haben. Also sehr viel tatsächlich interagieren, Netzwerke pflegen, nicht nur in Berlin, sondern auch darüber hinaus und Best Practices absaugen, relativ platt. Ich glaube, da erzählen wir auch nichts Neues.

Matthias Weigert: Dann vielleicht die vorletzte Frage. Wie hältst du dich digital?

Gleb Tritus: Ich glaube, die Frage stelle ich mir gar nicht mehr. Ich bin, glaube ich, so an der Schwelle zwischen Digital Native und Adapter. Gleichwohl aber, glaube ich, überdurchschnittlich fixiert im positiven und negativen Sinne, was digitale Tools angeht. Das heißt, es ist für mich total natürlich, morgens aufzuwachen, erstmal Slack aufzumachen, E-Mails zu lesen, genau das Gleiche zu machen, wenn ich abends schlafen gehe und alles, was dazwischen so stattfindet. Es fühlt sich für mich total natürlich an. Ich wüsste nicht, wie es sich anders anfühlen sollte. Auch ich habe schon mal so einen Digital Detox gemacht. War ganz witzig. Hat trotzdem mal wieder Sinn gehabt, dann wieder in den alten Modus zu verfallen. Es ist für mich ein inhärenter Bestandteil meines Lebens und kein besonderer Modus, den ich da irgendwie befreien muss.

Matthias Weigert: Bist du ein Ausprobierer?

Gleb Tritus: Wir iterieren sehr viel im Innovation Hub. Zehn Ideen, die wir so pro Jahr anfassen, fahren so sieben gegen die Wand. Das hat uns natürlich kalibriert als Ausprobierer. Das heißt, ich lade mir jeden Kram runter, sei es einen Exploration-Modus, also random was runterladen. Bis hin zu, ich höre mir sehr viele Empfehlungen aus meiner Peergroup an, die sagen, hast du das schon mal gesehen, hast du dieses Tool ausprobiert? Ich lese extrem viel Tech-Presse naturgemäß, das heißt, ich kriege auch da so ziemlich alles mit und habe einen sehr ausgeprägten Appetit auf Neues, zumindest temporär. Und dann aber wiederum die Aufmerksamkeitsspanne dauerhaft zu halten, da wird es schwer, da suche ich noch ein Patentrezept, wie ich länger bei der Stange bleiben kann.

Matthias Weigert: Okay, dann die letzte Frage. Wie können Hörer mit dir in Kontakt treten, mit euch in Kontakt treten, wenn sie mehr wissen wollen?

Gleb Tritus: Sehr gerne über LinkedIn, sowohl über unsere EliH-Seite als auch über meine private Seite. Und ansonsten einfach mailen an welcome-at-lh-innovation-app.com. Die wird auch tatsächlich abgerufen und beantwortet.

Matthias Weigert: Vielen, vielen Dank für deine Impulse, die du uns geben konntest. Die Offenheit, mit der du auch Herausforderungen beschrieben hast. Und vielen Dank fürs Gespräch.

Gleb Tritus: Danke, Matthias. Ja.

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HR

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Digitalisierung: Der Spagat zwischen digitaler Transformation und Unternehmenskultur ist eine echte Herausforderung. Doch keine Sorge, mit Mathias Weigert hatten wir dazu regelmäßig einen Gastmoderator, der dir zeigt, wie echter Kulturwandel funktioniert, wie das digitale Mindset ins Team kommt und wie du digitale Talente findest.