Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.
Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Legal & Tax Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute sprechen wir über die Gesetzesmaßnahmen rund um Corona. Korrekt ausgedrückt heißt das dann das Gesetz zur Milderung der Folgen der Corona-Pandemie. Aus dem heutigen Podcast wirst du also ganz viel Wissen mitnehmen rund um das Thema Insolvenzantragspflicht, Leistungsverweigerungsrechte, wie wird eigentlich mit Darlehen umgegangen, was ist mit Mietverhältnissen und welche Erleichterungen gibt es eigentlich so auf der Gesellschafter-Ebene. Dazu haben wir wieder einen meiner Lieblingsgäste, den guten Jörg Zätzsch von CMS Hasche-Siegle. Lieber Jörg, schön, dass du da bist.
Jörg Zätzsch: Hallo, diesmal ganz ungewohnt von zu Hause.
Joel Kaczmarek: Ja, mal nicht in der Kanzlei und mal nicht im gleichen Raum, in der Tat. Wie merkt ihr sonst insgesamt als Anwälte sozusagen die Veränderung gerade? Also spürt ihr das auch stark, dass man jetzt nicht mehr im Büro sein kann und alles virtuell machen muss?
Jörg Zätzsch: Ja gut, also wir haben schon sehr viel digital gemacht. Insofern ist das nicht das Riesending für uns. Und was die Arbeit angeht, ist es so, dass immer neue Deals reinkommen. Aber man muss auch sagen, dass andere Deals abgesagt werden. Das gibt es schon auch. Und die Arbeitsrechtler haben natürlich sehr viel zu tun.
Joel Kaczmarek: Das glaube ich gerne. So, aber lass uns mal richtig straight rein starten. Der erste Punkt, mit dem ich vielleicht anfangen würde, wäre das ganze Thema Insolvenz. Das kam ja auf rund um Corona, dass man da von den ganzen Antragspflichten in gewisser Weise befreit werden kann. Vielleicht machen wir so einen Vorher-Nachher-Blick. Wie war es denn bisher, also prä-Corona? Wird es wahrscheinlich wieder Post sein? Und wie sieht es jetzt gerade dann während Corona aus? Was hat sich da getan?
Jörg Zätzsch: Also die Bundesregierung hat ja verschiedenste Gesetzgebungsvorhaben angestoßen, im arbeitsrechtlichen Bereich, Kurzarbeit und so weiter, Soforthilfen. Und ein Ausschnitt davon ist das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie, so heißt das, im Zivilinsolvenz- und Strafverfahrensrecht. Und das ging ziemlich schnell durch, am 25. März hat der Bundestag das beschlossen und am vergangenen Freitag hat der Bundesrat zugestimmt. Und ein Kernbestandteil ist die Frage, wie wird eigentlich mit der Insolvenz umgegangen? Wenn wir mal jetzt, wie du es gefragt hast, schauen, wann muss man normalerweise Insolvenz anmelden, dann ist das so, wir haben zwei Anknüpfungspunkte. Einmal eine Gesellschaft, die zahlungsunfähig ist oder wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, wenn sie überschuldet ist. Die Zahlungsunfähigkeit, das wird jedem irgendwie einleuchten, ist der Fall, wenn ein Schuldner eben nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Und das nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn man sagt, es gibt eine Lücke zwischen den vorhandenen liquiden Mitteln und den fälligen Verbindlichkeiten, die muss größer als 10% sein. Und diese Lücke, die kann irgendwie nicht innerhalb von längstens drei Wochen beseitigt werden. Dann spricht man von Zahlungsunfähigkeit in Abgrenzung zur Zahlungsstockung. Und die Überschuldung ist dann wieder was anderes. Die liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die Verbindlichkeiten eben nicht mehr deckt. Und eine Überschuldung ist aber dann ausgeschlossen, wenn eine sogenannte positive Fortbestehensprognose für das Unternehmen besteht. Das ist ein Das ist eine Regelung, die damals zumindest in dieser Gestalt aus der Finanzkrise kam, sonst wären nämlich alle Banken schwuppdiwupp überschuldet gewesen. und dann hat man gesagt, wenn es also nur positive Fortstehensprognose geht, dann gehen wir gar nicht erst in diese Überschuldungsprüfung rein. Das ist also der Stand, wie er vor dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen war.
Joel Kaczmarek: Und wie sieht es mittlerweile aus? Also ist das sozusagen abgemildert worden, komplett ad acta gelegt? Wie muss ich es mir derzeit vorstellen?
Jörg Zätzsch: Also zurzeit ist es so, hätten wir das so gelassen, hätten sicherlich viele sofort Insolvenz anmelden müssen, weil die Liquidität gefehlt hätte bei den Unternehmen und wir sofort Zahlungsunfähigkeit gehabt hätten. Und jetzt ist diese Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages ausgesetzt worden, und zwar bis zum 30. September diesen Jahres. So, und jetzt wird es ein bisschen kompliziert. Das soll nämlich nicht gelten, wenn diese Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung der Corona-Pandemie beruht. Oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, dass die Zahlungsunfähigkeit überhaupt beseitigt wird. Also eine doppelte Negierung. Es gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Corona-Pandemie beruht. Da greift man sich natürlich so ein bisschen an den Kopf, aber es ist schon klar, was gemeint ist. Man will die Unternehmen diesen Schutz einräumen, die eben durch die Corona-Pandemie in die Notlage, in die Zahlungsunfähigkeit gekommen sind. Und da sieht man auch deutlich, das ist natürlich sehr schwierig erstmal zu bestimmen, wie kann das sein, wer ist denn jetzt aufgrund Corona-Krise zahlungsunfähig, wer nicht. Und hier hilft auch der Gesetzgeber, indem er sagt, wenn ein Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war, dann vermuten wir, dass die Insolvenzreife aus den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. So ist ungefähr die Regelung, vereinfacht gesprochen, aber man merkt schon, es ist sehr technisch.
Joel Kaczmarek: Zumal Corona, glaube ich, erst im Februar hier so richtig losging. Okay, verstanden. Also im Prinzip ausgesetzt bis 30.09.
Jörg Zätzsch: Und man sieht jetzt aber auch, dass es natürlich eine Vermutungsregelung ist und zur Beweislast ist jetzt nichts ausdrücklich geregelt. Also man sollte dann schon, wenn man jetzt merkt, die Liquidität wird immer schlechter und es ist ein Auftrag weggebrochen, jemand hat ein Projekt abgesagt oder eine Finanzierungsrunde scheitert, empfiehlt es sich für Unternehmen dann, nachzufragen bei dem Vertragspartner, warum denn und möglichst festzuhalten, dass es eben aufgrund der Corona-Krise passiert ist, damit man in diese Vermutung reinkommt, damit klar ist, okay, ich muss jetzt keinen Insolvenzantrag stellen, weil meine Zahlungsunfähigkeit auf dieser Corona-Krise beruht.
Joel Kaczmarek: Ich meine, vielleicht kannst du auch mal einen Satz sagen, warum will man denn Insolvenzen unbedingt verhindern? Also es gibt ja auch Wege aus einer Insolvenz wieder heraus. Man muss ja dann so einen Insolvenzverwalter auch bestellen und wenn dann manchmal Mittel und Wege gefunden werden können, gibt es ja durchaus auch mal positive Ausgänge. Warum ist man so bedacht darauf, Insolvenzantragspflichten quasi vom Tisch zu nehmen?
Jörg Zätzsch: Weil erstens, so viele Insolvenzverwalter gäbe es, glaube ich, gar nicht, um das abzuarbeiten, aber man möchte halt die Wirtschaft weiter am Laufen halten. Wenn du jetzt überall Insolvenzen anmelden würdest, würde auch das Vertrauen in die Vertragspartner extrem getäuscht. und es muss jetzt weitergehen, es muss eine Regelung gefunden werden und das ist hier, glaube ich, dadurch gelungen, dass das Wirtschaftsleben weiter am Laufen bleibt. Und der Gesetzgeber hat noch einen konsequenten Schritt weitergedacht. Grundsätzlich darf man ja auch als Geschäftsführer Zahlungen nach Eintritt des Insolvenzfalles eigentlich gar nicht mehr leisten aus Gläubiger-Schutzgründen, weil ja die Gläubiger im Insolvenzverfahren alle gleich befriedigt werden sollen. Und jetzt ist es so, wenn diese Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist, dann gilt dieses Zahlungsverbot nicht mehr grundsätzlich, sondern Zahlungen, die du im ordnungsgemäßen Geschäftsgang machst, die sollen privilegiert sein, wenn sie betriebsnotwendig sind, diese Zahlungen. Das heißt, du darfst jetzt nicht einfach nochmal schnell irgendjemand was zuschüstern, sondern die Zahlungen müssen schon betriebsnotwendig sein. Dann sind sie aber auch okay in dem Zeitraum, in dem die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wird. Das ist eine notwendige Zusatzänderung, die der Gesetzgeber hier gemacht hat. Denn sonst wäre womöglich der Geschäftsführer haftbar.
Joel Kaczmarek: Was für einen Status habe ich denn eigentlich, wenn ich jetzt von Corona betroffen bin? Bin nicht in der Lage, meine Rechnungen zu zahlen, muss mich aber auch nicht insolvent melden. Was bin ich denn dann eigentlich gerade?
Jörg Zätzsch: Du bist ein ganz normales Unternehmen weiterhin. Das bedeutet aber auch, dass natürlich der Gläubiger weiterhin seine Ansprüche gegen dich geltend machen kann. Er kann auch seine Ansprüche weiter vollstrecken, wenn er Urteile dazu hat und so weiter und so fort. Also wir haben nicht durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht automatisch den Erlass jeglicher Forderungen. Die gehen schon weiter. Und wenn du sie nicht zahlst, dann wird es einen Verzugszins geben.
Joel Kaczmarek: Also soviel mal rund um das Thema Insolvenz. Jetzt gibt es ja noch einen weiteren Aspekt, was sich so schön als Leistungsverweigerungsrechte betitelt. Was genau hat es damit auf sich?
Jörg Zätzsch: Ja, also wie gesagt, die Insolvenzantragspflicht, das heißt jetzt nicht, dass der Anspruch plötzlich ganz weg ist, sondern den gibt es natürlich noch. Der Gesetzgeber hat hier aber auch helfen wollen und hat ein sogenanntes vertragliches Moratorium eingeführt, ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30. September 2020. Und jetzt mag man sich als Start-up freuen, allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Regelung sehr eingeschränkt. Das gilt nämlich nur erstens für Verbraucher und für Kleinstunternehmen. Kleinstunternehmen, da muss man nachgucken bei der KMU-Definition im EU-Recht, das sind Unternehmen, bei denen bis zu neun Personen beschäftigt sind oder die einen Jahresumsatz von unter zwei Millionen oder eine Jahresbilanzsumme von unter zwei Millionen haben. Also nur diese zwei Personen. Gruppen, Verbraucher oder Kleinstunternehmen. Das ist das eine. Und dann geht es auch nur bei bestimmten Schulden, bei bestimmten Vertragsverhältnissen. Beim Verbraucher zum Beispiel sind das die wesentlichen Dauerschuldverhältnisse, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge, heißt es, erforderlich sind. Also das sind so Verträge über Wasser, Strom, Gasversorgung. Da gibt es ein Leistungsverweigerungsrecht. Und bei Kleinstunternehmen, da sollen es dann einen Anspruch geben oder ein Leistungsverweigerungsrecht geben, wenn infolge von Umständen, die auf die Pandemie zurückzuführen sind, erstens das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder zweitens dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der eigentlichen wirtschaftlichen Grundlagen unmöglich wäre. Also man sieht, es ist sehr eingeschränkt. Es ist zum einen Wer darf es in Anspruch nehmen, dieses Leistungsverweigerungsrecht? Verbraucher und Kleinstunternehmen und dann auch nur für bestimmte Verträge. Und natürlich muss sich das auch auf ein Dauerschuldnerverhältnis beziehen, welches schon vor dem 8. März, da kommen wir wieder zu dem Stichtag, abgeschlossen wurde und das zur Eindeckung mit Leistungen zur Fortsetzung des Erwerbsbetriebs abgeschlossen wurde, auch nicht jeder Vertrag also.
Joel Kaczmarek: Und was genau heißt dann Leistungsverweigerung? Heißt das, ich muss jetzt meine Stromrechnung nicht mehr zahlen und irgendwie der März und der April sind sozusagen free of cost? Oder heißt das einfach nur eine Stundung, ich muss die bezahlen, aber ich darf es sozusagen später tun, ohne dass man mir den Strom abstellen darf?
Jörg Zätzsch: Soweit ist man nicht gegangen, dass man gesagt hat, das ist jetzt alles for free. Der Gläubiger ist da nicht schutzlos gestellt. Ich muss das irgendwann zahlen. Ich kann bloß zur Zeit sagen, ich darf diese Leistung rechtmäßig verweigern. Und im Übrigen müssen wir ja auch sehen, wir haben ja hier ein Problem der Realwirtschaft und nicht nur der Finanzwirtschaft. Das heißt, der Gläubiger hat ja hier vielleicht auch einen Nachteil, weil er ja kein Geld vom Schuldner bekommt. Und auch das hat der Gesetzgeber berücksichtigt. Er hat nämlich gesagt, wenn das, ich vereinfache es jetzt ein bisschen, wenn das beim Gläubiger wiederum zu großen Nachteilen führt, die das für ihn unzumutbar machen oder gar seine Existenz bedrohen, Dann gilt wiederum, dass der Gläubige sich nicht darauf einlassen muss, dass dieses Leistungsverweigerungsrecht gilt. Und dann kommt es so weit, dass in diesem Fall der Schuldner den Vertrag außerordentlich kündigen kann. Es ist also so, zunächst hat der Schuldner das Leistungsverweigerungsrecht, dann wird geschaut, wie sieht es eigentlich beim Gläubiger aus, muss der das gegen sich gelten lassen oder führt das bei dem auch zu einer Unzumutbarkeit. Und wenn das auch bei dem zu Unzumutbarkeit führt, dann könnte der Schuldner kündigen.
Joel Kaczmarek: Gut, klingt trotzdem nicht nach einer Win-Win-Situation für beide, aber verstanden, Prinzip sozusagen durchblickt.
Jörg Zätzsch: Und wichtig ist noch, letzter Punkt dazu, der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass das Leistungsverweigerungsrecht nicht für Pacht- und Mietverträge gilt und auch nicht für Darlehensverträge oder arbeitsrechtliche Ansprüche. Da hat er nämlich teilweise Sonderregelungen erlassen.
Joel Kaczmarek: Da wollte ich jetzt auch zu kommen. Fangen wir mit den Darlehen an. Also die sind davon nicht sozusagen abgedeckt, von dem, was wir gerade gesagt haben, von dem Leistungsverweigerungsrecht. Aber wo ist denn jetzt da sozusagen dann gedreht worden?
Jörg Zätzsch: Ja, bei dem Darlehen, da hatte man stark drauf gehofft, auch viele Startups hatten darauf gehofft, dass hier eine Stundungsregelung vom Gesetzgeber eingeführt wird und auch ein Kündigungsschutz neu geschaffen wird. Das ist auch passiert. Leider aus Sicht der Startups, aber nur für den Verbraucher, also Leute zum Beispiel, die ein Darlehen aufgenommen haben, um ein Haus zu kaufen. Und für die gilt jetzt, dass diese Darlehen gesetzlich gestundet sind, also auf Rückzahlung, Zins und Tilgung, das alles gestundet. Und zwar für die Ansprüche, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, aber auch nur dann, wenn der Darlehensnehmer wegen der Krise Einnahmeausfälle erzielt. hatte, die auch dazu geführt haben, dass er eben diese Darlehensverbindlichkeiten nicht bedienen kann. Und hinzu kommt, dass die Kündigung wegen eines solchen Zahlungsverzugs oder wegen einer solchen wesentlichen Verschlechterung beim Darlehensnehmer ausgeschlossen ist. Also das ist für Verbraucher schon ein sehr großer Schutz.
Joel Kaczmarek: Okay, also als Verbraucher stark geschützt, als Unternehmen, wenn jetzt zum Beispiel ein Startup sich mit sowas beschäftigt, für die gelten diese Darlehensregelungen explizit nicht.
Jörg Zätzsch: So ist es. Wobei man dazu sagen muss, die meisten Darlehen, die man jetzt so aus Convertible Loans oder sowas kennt, die haben ja ohnehin schon einen Rangrücktritt, der für die Zwecke der Feststellung der Überschuldung einen Rangrücktritt vorsieht und auch meist so gestrickt sind, wenn sie richtig formuliert sind, dass man eben nicht zurückzahlen muss, wenn das zur Zahlungsunfähigkeit führen würde. Das heißt, in diesen Im Mietverhältnis muss man sich prinzipiell erst mal nicht so sehr sorgen, wenn man da einen ordnungsgemäßen Rangrücktritt hat. Beim Venture-Debt-Darlehen, was meistens ausländischen Rechtsordnungen unterliegt, findet man üblicherweise nicht so einen Rangrücktritt. Das heißt, wenn diese fällig werden, dann werden sie fällig und man muss mit dem Darlehensgeber sprechen.
Joel Kaczmarek: Zweites Thema, was du eben angeschnitten hattest, was auch nicht unter dem Leistungsverweigerungsrecht abgefackelt wird, Mietverhältnisse. Sprich, man liest ja ganz, ganz viel, man darf jetzt gerade irgendwie nicht gekündigt werden, war ja immer so in aller Munde. Was ist denn da wirklich passiert?
Jörg Zätzsch: In der Tat, da ist der Gesetzgeber auch aktiv geworden. Es ist so, dass nach der Neuregelung der Vermieter ein Mietverhältnis nicht kündigen darf, wenn der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht zahlt und diese Nichtleistung wiederum, auf den Auswirkungen der Corona-Krise beruht. Also wir sehen, das ist so ein Motiv, was sich durch alles zieht. Die Nichtleistung muss irgendwie auf die Krise zurückzuführen sein. Und das ist jetzt eine Regelung, die nicht nur auf Verbraucheranwendung findet, sondern generell gilt. Das heißt, auch Unternehmen kommen in den Genuss dieser Regelung.
Joel Kaczmarek: Ah, okay, also ich dürfte jetzt sagen, ich kann mein Büro meinetwegen zwischen dem 1. April und dem 30.06. nicht zahlen, weil Corona betroffen. Also es ist wieder nicht geschenkt, es wird dann schätze ich mal gestundet, aber ich darf in der Zeit nicht gekündigt werden.
Jörg Zätzsch: Die Kündigung darf nicht ausgesprochen werden, das ist richtig. Aber wie wir schon vorhin gesagt haben, die Schuld bleibt natürlich weiterhin bestehen. Und du redest auch in Verzug. Und wenn man ins BGB schaut, dann gilt unter Kaufleuten ein Verzugszinssatz von 9% über dem Basiszinssatz. Deswegen ist es ein bisschen zu kurz gesprungen zu sagen, super. Ich werde hier nicht gekündigt, weil ich hier in Not geraten bin. Die Schuld bleibt bestehen und muss dann eben später beglichen werden. Das heißt, wir werden, glaube ich, auch bei all diesen Sachen zeitlich verzögert nochmal draufschauen müssen und das bewerten müssen, wie viel das eigentlich gebracht hat.
Joel Kaczmarek: Gelten diese 9% Zinsen jetzt nur für Firmen oder auch für Privatmenschen?
Jörg Zätzsch: Die gelten im kaufmännischen Rechtsverkehr.
Joel Kaczmarek: Gut, also auch hier lernen wir, aufgeschoben ist nicht aufgehoben und im Sinne der Firmen de facto noch teurer. Verstanden. Last but not least, lass uns auch ein bisschen über Gesellschaftsrechte reden. Da hat sich ja auch was getan. Hat sich da signifikant was getan, beziehungsweise welche Änderungen hast du denn jetzt wahrgenommen?
Jörg Zätzsch: Also es gibt eine Reihe von Änderungen, die die Aktiengesellschaft betreffen. Die lassen wir jetzt mal kurz außen vor, weil die, glaube ich, nicht so relevant sind. Die meisten Startups sind ja in der Rechtsform der GmbH organisiert. Nur kurz vielleicht dazu. Es geht darum, wie kann man möglichst einfach eben jetzt Hauptversammlungen abhalten, die ja sonst sehr förmlich abgehalten werden müssen. Und es ist vielleicht auch keine so gute Idee, tausend Leute in einen Saal zu färschen. Also es stellt auch die Frage, wie können wir das virtuell machen? Steht da auch im Raum und wird auch dort behandelt. Für die GmbH ist es ja so, eine sogenannte Vollversammlung, die kann ja auf alles verzichten, also die ordnungsgemäße Einladung und so weiter und so fort. Und wenn sich alle einig sind, dann kann man nach geltendem GmbH-Recht auch zum Beispiel bei Telefonkonferenz eine Gesellschaftsversammlung abhalten, wenn diese nicht notariell beurkundet werden muss. Das setzt aber voraus, dass jeder zustimmt. Und da hat jetzt der Gesetzgeber geholfen. Er hat nämlich gesagt, dass ein solcher Beschluss auch durch schriftliche Stimmabgabe erfolgen kann und nicht das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter voraussetzt. Das heißt, man könnte laden zu einer schriftlichen Stimmabgabe, die würde rumgesendet und dann könnte auf diese Art und Weise ein wirksamer Beschluss zustande kommen, ohne dass es da einen gibt, der sich querstellen könnte. Und das ist natürlich sehr wichtig, denn sonst wäre man blockiert.
Joel Kaczmarek: Weitere Sachen noch oder sind das die wesentlichen Dinge, die sich auf Gesellschaft erinnern?
Jörg Zätzsch: Das ist die Achtmonatsfrist. Und zwar muss man den Handelsregister-Eintragungsantrag zum Beispiel für eine Verschmelzung binnen acht Monaten stellen, wenn man eine handelsrechtliche und steuerrechtliche Rückwirkung erzielen will, auf eine Bilanz, die eben acht Monate zurückliegt. Das bedeutet für Gesellschaften, die das Geschäftsjahr 31.12. haben, also das normale Kalenderjahr, dass immer Ende August ein riesen Run auf die Handelsregister war, weil jeder versucht hat, eben noch seine Verschmelzung, seine Umwandlung, Abspaltung und so weiter dort einzureichen, um diese Rückwirkung auf die Jahresbilanz zu bekommen. Und diese Frist ist jetzt verlängert worden von acht Monaten auf zwölf Monate. Man hatte also noch hier ein bisschen Zeit und kommt nicht so in furchtbaren Zeitdruck, der eben auch dadurch entsteht, weil man mit anderen Sachen beschäftigt ist und auch eben diese Schwierigkeiten vielleicht hat mit der Ladung zu Gesellschaftsversammlungen und so weiter und so fort.
Joel Kaczmarek: Gut. Gut, wenn wir also mal zusammenfassend auf das ganze Thema blicken, dann lernen wir, man hat auf der Insolvenzseite etwas Druck rausgenommen, dass man nicht dazu gezwungen ist, bis zum 30.09. Insolvenz unter den sonst gegebenen Auflagen einzureichen. Wir haben diese Leistungsverweigerungsrechte, die vor allem eher auf Verbraucher und Kleinstunternehmer gehen. Die Verbraucher sind auch im Bereich Darlehen geschützt und bei den Mietverhältnissen haben wir auch Stundungsmöglichkeiten sowie besagte Erleichterung gerade bei den Gesellschaftsrechten. All in all, sozusagen zusammenfassend, was sagst du so aus der juristischen Praxis? Sinnvolles Paket insgesamt und erfüllt es seine Nutzen? oder fehlen dir noch Dinge?
Jörg Zätzsch: Also aus der Start-up-Sicht ist natürlich das Thema Insolvenzantragsaussetzung das Allerwichtigste und das war, glaube ich, ein sehr richtiger Schritt, das zu tun. Man muss das aber dann nochmal in drei Monaten bewerten, was das bedeutet, wenn diese Aussetzungsfrist eben endet, ob das wirklich vor der Insolvenz schützt. Ansonsten sind die Regelungen ja, haben ihren beschränkten Anwendungsbereich, sodass sie nicht alle auf Unternehmen Anwendung finden. Hier hätte sich vielleicht der eine oder andere mehr gewünscht im Bereich der Darlehen. Auf der anderen Seite denke ich, dass hier nicht so nicht unmittelbar der Schwerpunkt liegt, sondern eher auf vielleicht der Abwicklung der Soforthilfen, die finanziellen Soforthilfen, die es gibt. Hier hat ja auch der Startup-Verband viele gefordert, was nicht unbedingt umgesetzt worden ist. Ich denke, dass das ein zweiter sehr, sehr wichtiger Bestandteil ist.
Joel Kaczmarek: Gut, lieber Jörg, dann ganz, ganz herzlichen Dank dir, dass du uns das mal eingeordnet hast und die Leute irgendwie einen Überblick gewinnen. Wie immer gilt, liebe Hörer da draußen, wenn ihr euch mit solchen Themen ernsthaft auseinandersetzt, sucht euch einen Anwalt eures Vertrauens. Einen habt ihr hier gerade gehört, aber vielleicht wollt ihr auch noch einen anderen hören oder habt schon einen. Das legen wir euch immer ans Herz. Lieber Jörg, vielen Dank dir und vielleicht machen wir auch bald mal ein Update sozusagen nach der Corona-Krise, was denn daran hingeblieben ist.
Jörg Zätzsch: Genau, und dann sprechen wir über angenehmere Themen.
Joel Kaczmarek: Auf jeden Fall. Danke dir.
Jörg Zätzsch: Danke dir. Hey! Hey!
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Rechtsthemen: Joel trifft sich dazu regelmäßig mit wechselnden Top-Anwält:innen, Steuerberater:innen und Rechtsexpert:innen, welche dir praxisnah und leicht verständlich die wichtigsten Rechtsthemen erklären. Als Unternehmer:in und Gründer:in kannst du diese dadurch sofort verstehen und anwenden.