Wie steuert man ein Hochleistungsteam?

14. Februar 2017, mit Joel KaczmarekStefan Lammers

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen High Performance Leadership Podcast von digitalkompakt. Ich bin Joel Kaczmarek und mit mir dabei ist wieder unser Kenner in Sachen Führung, Stefan Lammers.

Stefan Lammers: Hallo Stefan. Hallo Joel, schön wieder dabei zu sein.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Wir haben ja irgendwie jetzt schon drei Folgen hinter uns. Wir legen ja manchmal so ein bisschen noch Grundsteine an vielen Stellen. Wir haben am Anfang darüber gesprochen, was ist eigentlich High Performance Leadership konkret? Was bedeutet das? Wo wir den Leuten so ein bisschen nahegebracht haben, da geht es eigentlich darum zu schaffen, dass man möglichst wenig Reibung hat. Also es geht nicht darum, Leute irgendwie noch mehr Druck aufzulasten, als sie schon haben, sondern im Gegenteil, man will die Möglichkeiten des Zusammenspiels optimieren, damit man effizienter wird.

 In Folge 2 haben wir darüber gesprochen, warum es wichtig ist, eine Unternehmensvision zu haben. Also dass man das Ganze auch irgendwie kanalisiert und in eine bestimmte Richtung lenkt, die man alle sich teilt. Teil 3 war, wie finde ich jetzt eigentlich richtige Mitarbeiter? Da haben wir schon so ein bisschen aufgehört und gesagt, okay, ist ja interessant. Wir suchen die Leute, bevor wir eigentlich wissen, was die machen sollen. Und dazu wollen wir heute so ein bisschen kommen. Also heute soll es um das Thema Rolle gehen.

Also eigentlich sozusagen um Organisationsstrukturierung. Wer tut was, in welcher Funktion? Und daraus abgeleitet natürlich, welche Verantwortung und Erwartungen hat diese Person? Also welche Erwartungen kriegt sie gestellt und welche kann sie an andere haben? Und wie steuere ich das eigentlich? So, das ist so grob der Rahmen, über den wir heute sprechen wollen. Dann lass uns da doch auch gleich mal konkret einsteigen. Was würdest du sagen, wie fängt man an, so einen Organisationsrahmen zu bauen und was soll da eigentlich können? Also was ist wichtig zu haben, wenn man genau diese Definitionsarbeit eigentlich leistet, der Zusammenarbeit?

Stefan Lammers: Ja Joel, das fängt an wie immer in unserer gesamten Reihe, das wiederholt sich. Es fängt an bei der Führungskraft, dass die Führungskraft erstmal eine maximale Klarheit entwickelt für sich selbst. Was ist überhaupt unsere Aufgabenstellung? Was ist auch das Ziel, was ich erreichen will mit dieser Truppe? Du hast es gerade schon gesagt, ich habe die richtigen Leute ausgewählt. Und jetzt geht es natürlich darum auch zu gucken, wer macht denn was? Wie wird die Arbeit entsprechend verteilt? Und dazu gibt es verschiedene Modelle, wie man mit dem Thema umgehen kann.

Das Wichtige ist einfach, dass es klaren Rahmen gibt. Und das wird maßgeblich unterschätzt. Ich erlebe es oft, dass Führungskräfte einfach sagen, das ist jetzt die Aufgabe und jetzt macht mal im Grunde genommen. Ihr habt alle Freiheiten, auch gerade heute in Sachen agiler Führung. Und das funktioniert nicht. Für mich ist immer ein schönes Beispiel aus dem Fußball, um da mal einfach gleich einzusteigen. Wenn man sich manche Fußballmannschaften anschaut, die haben gute Einzelspieler, laufen trotzdem recht unkoordiniert über den Platz und schaffen es nicht, eine gemeinsame Team-Performance aufs Spielfeld zu bringen. Und wenn man sich dann anschaut, die Top-Vereine heute, die haben einfach sehr klare Laufwege definiert. Die haben eine sehr klare Abstimmung. Man kennt das so, Wörter aus dem Fußball wie blindes Zuspiel und in den freien Raum reingelaufen, wo dann plötzlich der Ball auch tatsächlich ankam.

Und genau darum geht es letztendlich, diese Rahmenbedingungen klar zu machen, die es braucht, um als Team eben tatsächlich zu performen. Und dazu muss jeder seiner eigenen Rolle sehr bewusst sein. Also was ist das Spiel, was ich spiele? Bin ich gerade als Torwart unterwegs? Bin ich gerade als Mittelfeldspieler, Abwehrspieler oder Stürmer unterwegs? Und das ist da eben auch meine Aufgabe in diesem Moment. Und wie schaffe ich das jetzt? Und da kommen wir wieder zu diesem Thema High Performance, meine große Leidenschaft. Wie schaffe ich es also, hinzugehen mit einem Team, mit möglichst wenig Aufwand, möglichst viel zu erreichen? Und das funktioniert eben, indem wir die Passwege kennen, indem wir Klarheit geschaffen haben über die Rahmenbedingungen. Und durch uns ist schon eins vielleicht noch, da ich ja mit Fußball eigentlich gar nicht so viel am Hut habe und Handballer bin, hat mich das begeistert in der letzten Woche bei der Weltmeisterschaft. Da habe ich wieder so einen klassischen Spielzug der deutschen Mannschaft gesehen, wo der Torwart einfach zwei Spielern, die nach vorne gerannt sind, den Ball zuwirft übers ganze Spielfeld. Der eine hat jemanden plötzlich vom Gegner vor sich stehen und schmeißt ohne, dass er überhaupt guckt, den Ball nach hinten, weil er genau weiß, dass der zweite Partner mitgelaufen ist. Der nimmt sich den Ball auf und knallt ihn rein. Das ist eben High Performance. Das ist Passwege kennen und das ist Effizienz. Und darum geht es. Das wird jetzt gelegt, nachdem man die richtigen Leute ausgesucht hat, indem die Leute auch wissen, was sind die Erwartungen, die an mich gestellt werden. Was sind meine Kompetenzen? Was ist mein Rahmen, in dem ich unterwegs bin?

Joel Kaczmarek: Ja okay, deswegen habe ich geschmunzelt. Ich habe jetzt für mich im Bild so FC Barcelona, Xavi, Iniesta, Messi und Co. spielen sich die Bälle zu so Tiki-Taka, war ja immer das Bild, was man da hatte. Also wir wollen sozusagen organisatorisches Tiki-Taka ermöglichen.

Stefan Lammers: Super Ausdruck, finde ich total klasse, ja.

Joel Kaczmarek: Dass man erreichen kann, dass jeder genau weiß, welche Rolle habe ich eigentlich. Weil ich habe das selber auch schon mal gemerkt. Witzigerweise, obwohl ich jetzt nicht der körperlich Größte bin, habe ich Basketball früher gespielt und bin dann in eine Mannschaft gekommen, die war eingespielt. Und das war total merkwürdig, in sowas reinzukommen und nichts zu wissen, weil die haben mir nie gesagt, wer läuft eigentlich wo lang, wer nimmt die Dreier, wer zieht in die Zone, wer ist irgendwie der Dunking-König, dass ich das jetzt nicht bin, ist offensichtlich. Aber wann nehme ich einen Wurf und wie? Genau solche Sachen musst du ja wissen. Und das ist ja in einer Organisation jetzt nicht ganz anders. Es gibt so einen Organisationsrahmen, der irgendwie vorgibt, wie jeder funktioniert.

Jetzt wäre so meine erste Annahme, man muss ja wahrscheinlich vorgeben als Leader in der Sekunde, was ist erstmal meine eigene Rolle? Weil ein Leader kann ja sehr, sehr unterschiedlich arbeiten. Der kann ja zum Beispiel sagen, ich bin irgendwie aktiver Teil dieses Teams, mache viel Micromanagement, hänge mich in Sachen mit rein. Der kann aber auch sagen, ich bin mehr so ein Enabler. Also ich bin mehr euer Dienstleister. Ich bin eigentlich sozusagen wie bei der Schifffahrt jemand, der das Eis erstmal aufbricht. So ein Eisbrecher, der euch eigentlich den Ärger vom Hals hält und ihr hinter mir sollt performen. Also hinter mir jetzt gar nicht mal im Sinne von Hierarchie, sondern eigentlich so ein Enabler halt. Ist die Annahme richtig zu sagen, dass so ein Organisationsrahmen bei der Führungskraft anfängt? Oder weil du auch gesagt hast, es gibt da bestimmte Modelle. Wie würdest du sowas sonst beginnen?

Stefan Lammers: Du hast das gerade so schön klassisch beschrieben, wie ich das ganz, ganz oft erlebe. Die Führungskraft sagt, ich bin der Eisbrecher und ihr müsst hinten dran performen. Und wenn dann nicht performt wird, was ja eigentlich die Aufgabe der Führungskraft wäre, dafür zu sorgen, dass die anderen performen können, dann sind die anderen schuld. Ich war ja der Eisbrecher, ich habe ja für alles gesorgt. Die Aufgabe von der Führungskraft ist, Verantwortung zu übernehmen und ist dafür zu sorgen, zu gucken, dass dieser organisatorische Rahmen jedem klar ist. Und insofern, Führungskraft fängt an. Führungskraft muss für sich ein Bild haben davon, die Spielphilosophie im Grunde genommen klar haben, wie wir hier spielen. Und wie diese Zahnräder ineinander greifen. Und das ist auch manchmal ganz gut, das wirklich bildlich für sich selbst erstmal zu visualisieren. Und es passt auch hervorragend rein, das, was du gerade beschrieben hast.

Die, die das nicht haben, die integrieren genauso, wie du es beschrieben hast, neue Leute. nämlich die kommen da rein, da ist jemand neu eingestellt, der kommt da rein und der muss sich jetzt die Hörner abstoßen, indem er erstmal überall guckt, wie etwas funktioniert, der kommt natürlich mit seinen eigenen Erfahrungen aus der Vergangenheit rein, sagt, das hat bei uns in der alten Firma gut funktioniert, also mache ich das hier auch. Und dann stellt er irgendwann fest, nachdem er da dreimal nicht mit durchgekommen ist, dass er es doch anders machen muss, das ist ein irrer Zeitverlust und so kann natürlich eine Mannschaft nicht ordentlich performen.

Und ich kenne andere Unternehmen, wo es beispielsweise ein Einstellungsbuch gibt. Also diese ganzen klassischen Themen, wo ist die Toilette, wo musst du was anfordern? und so weiter, das ist einmal niedergeschrieben. Die kriegen so eine Welcome-Box zu Anfang. wo im Prinzip mehr oder weniger so ein Laufzettel und die FAQs der wichtigsten Fragen für so eine Einstellung drin ist. Und was man da so einer Organisation sofort an Last erspart, weil alle haben ja heute auch schon Angst, dass neue Mitarbeiter dazukommen, weil sie sich ja jetzt um die kümmern müssen. Die kommen ja jetzt alle mit Fragen und kennen sich nicht aus und so weiter. Ja, kann man maßgeblich vereinfachen, indem man sich da mal drauf vorbereitet und ein Handbuch oder ähnliches entwickelt. Das muss ja nicht besonders dick sein, da muss man einfach gucken, was sind hier häufig diese Fragen, die gestellt werden. Und gibt ein schönes Welcome Present an die Leute, die dann erstmal nachschlagen können. Das ist für beide Seiten viel, viel einfacher, braucht aber eben wieder die Führungskraft, die das initiiert.

Joel Kaczmarek: Gut, also im Prinzip Onboarding ist schon so einer der Schritte, der bei dem ganzen Thema Organisationsrahmen sehr, sehr relevant wird, weil er einem nach hinten raus viel Ärger spart. Da sind wir ja aber eigentlich an einem Punkt, da ist ja der Organisationsrahmen schon geschaffen und ich fange ja schon an, den zu kommunizieren und zu dokumentieren. So würde ich das jetzt erstmal einordnen. Kannst du mal vielleicht so ein bisschen erklären, wenn du jetzt gerade gesagt hast, wir bleiben in unserer Sportmetapher, der Leader ist so ein bisschen der Pep Guardiola, der irgendwie die Spielphilosophie entwickelt und daraus soll jetzt irgendwie ein Rahmen geschaffen werden, bei dem jeder Spieler auch ein neuer Transfer, den man sich neu von Arsenal London oder so eingekauft hat, der soll das auch schnell verstehen können.

Wie gehe ich das an, dass ich so einen Organisationsrahmen baue? Weil meine instinktive Frage wäre jetzt zum Beispiel, wenn ich mich damit noch nicht auseinandergesetzt hätte, zu sagen, Baut das so ein Leader eigentlich alleine in seinem Elfenbeinturm oder diskutiert man das auch im Team oder welche Teile davon sind Diskussionsaspekte und welche nicht? Das heißt, wie komme ich denn zu diesem Organisationsrahmen, in dem ich mich selber dann auch als Leader positioniere?

Stefan Lammers: Meine Empfehlung ist beispielsweise, das mache ich öfter in Teamprozessen dann, in diesen Entwicklungsprozessen, dass ich einen Teamcharter aufbaue. Also wo man gemeinsam etwas erarbeitet. Aber nichtsdestotrotz, dieses gemeinsame Erarbeiten funktioniert nur, indem die Führungskraft vorher eine hohe Klarheit darüber für sich selbst entwickelt hat, wo sind meine persönlichen Grenzen, was sind auch die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um da dann auch immer wieder matchen zu können, ob das, was man gemeinsam miteinander bespricht, hinterher auch tatsächlich umsetzbar ist und dazu führt, dass man seine Ergebnisse erreicht. Was ich oft erlebe ist eben, dass es das nicht vorher gibt, dieses klare Bild.

Dann wird etwas gemeinsam erarbeitet und am Ende, beispielsweise am Ende des Jahres oder sowas, stellt man fest, dass die Performance nicht ausgereicht hat. Und das hat meistens nichts mit der Leistung in diesem Team zu tun, dass die Leute nicht gut genug wären, sondern dass man sich vorher dieses Ziel nicht hundertprozentig klar gemacht hat, was wollen wir eigentlich erreichen. Und eben auch erkennt, was sind No-Gos, also was ist nicht ausreichend dafür, um am Ende diese Ziele auch erreichen zu können. Deswegen, ich bleibe dabei, Onboarding ist extrem wichtig, aber bei allem braucht es im Vorfeld eine große Klarheit des Chefs darüber, was ist eben seine Spielphilosophie und was will er erreichen. Will er eben gegen den Abstieg kämpfen, ist er mit dem Mittelfeld zufrieden, will er EuroLeague oder will er Champions League spielen. Ja, und das braucht unterschiedliche Spieler. Es braucht unterschiedliche Systeme, weil in diesen unterschiedlichen Klassen auch unterschiedlich dann eben miteinander gespielt wird. Und darüber muss ich aber für mich selbst Klarheit haben.

Joel Kaczmarek: Ich meine, das ist ja auch irgendwie ein typischer Aspekt von gerade dem, was man so in Startups jetzt zum Beispiel sieht. Der Digital Leadership basiert ja darauf, dass ich sage, man definiert eine gemeinsame Vision, aus der sich dann Ziele und Werte ableiten lassen. Ja. Die geben mir eigentlich einen Handlungsrahmen, der mich dazu befähigt, autarke Entscheidungen zu treffen und dadurch Agilität und Geschwindigkeit reinzukriegen. Weil ich kann schneller entscheiden, weil ich selbstständig sozusagen arbeiten kann, ohne immer diese Rückversicherung. Also es ist eigentlich ein Micromanagement-Reduktionsprozess, könntest du auch sagen. Trotzdem, ich will hier gar nicht absprechen, das finde ich ja total valide zu sagen, das ist eine Leadership-Aufgabe, so einen Spielrahmen festzusetzen. Und der wird dann in seiner Ausgestaltung sicherlich auch ein Stück weit im Team diskutiert, weil man holt sich ja auch Feedback rein und sagt, was sind eure Erfahrungen, zum Beispiel bei Sales oder so, was kommt bei den Kunden gut an, was nicht. Also da hat man ja irgendwie interne Kommunikationsprozesse.

Setzen wir jetzt mal voraus, dass wir nicht irgendwie in diesen alten Denkmustern hatten, die wir schon mal hatten mit und transaktionaler Führungsstil, setzen wir mal jemanden voraus, der diese Verantwortung annehmen möchte und das sozusagen prototypisch, bilderbuchmäßig umsetzen, wie du es gerade gesagt hast. Was wären so die ersten Schritte für ihn? Weil ich beobachte immer so ein bisschen diese Problematik. Eine Führungskraft will Verantwortung an die Mitarbeiter übergeben. Also die Mitarbeiter sollen Verantwortung übernehmen. Das können sie nur, wenn dieser Handlungsrahmen klar ist. Und dann hast du gerne mal schnell so ein Dissens, so bin ich genug befähigt, ja oder nein? Oder habe ich einfach nicht performt? Also darum geht es ja auch so ein bisschen, das zu erkennen.

Stefan Lammers: Erst wenn die Führungskraft ja für sich selbst ein klares Bild davon hat, was eine gute Performance ist und was nicht. Erst dann ist die Führungskraft ja auch entscheidungsfähig, ob jemand das Unvermögen hat, etwas machen zu können oder ob der nur nicht genug Bescheid weiß darüber. Das heißt, ich brauche erstmal für mich diese innere Klarheit. Und dann kommen wir auf die andere Seite des Mitarbeiters. Und da sehe ich wirklich ein großes Dilemma bei den Startups und bei den Unternehmen, die jetzt über agiles Arbeiten sprechen. Wenn du dir anguckst, die Unternehmen, die wirklich formal, sag ich jetzt mal, nach bestimmten Rollen, selbst demokratische Unternehmen wie Holacracy oder Unternehmen, die mit Scrum arbeiten oder was auch immer, die haben extremst formale Richtlinien und es ist sehr, sehr klar, wer welche Aufgabe hat, mit welcher Verantwortung, mit welcher Kompetenz.

Das ist eben wichtig, damit der Mitarbeiter auch wirklich seinen Rahmen ausschöpfen kann. Das heißt, je mehr Klarheit in so einem Team existiert, umso performanter wird letztendlich die Zusammenarbeit und umso besser kommt man dann eben auch entsprechend in den Flow rein, dass man sich gegenseitig vertraut und weiß, okay, wenn da eine Aufgabe ist, dann übernehme ich jetzt auch erstmal die Selbstverantwortung und jeder versucht es im Prinzip in diesem Moment zu lösen, um, wenn er feststellt, dass es eben länger funktioniert, sofort auch wieder daraus eine Regel zu machen.

Joel Kaczmarek: Ich glaube, wir sind ja vom Denkmodell gar nicht so weit auseinander. Es geht ja so ein bisschen darum, einen Rahmen zu setzen. Also ich mache klar, was sind die Aufgaben jedes Einzelnen, welche Verantwortung hat der damit und auch welche Kompetenzen. Das ist ja der Handlungsrahmen, den du absteckst, so wie auf so einer Risikolandkarte. Wo ist irgendwie mein Gebiet? Und aus diesen Dingen speisen sich ja dann Erwartungen. Erwartungen, die die Führungskraft hat und Erwartungen, die der Mitarbeiter hat. Woher weiß ich als Führungskraft, dass ich das ausreichend getan habe? Also wann weiß ich, dass dieser Onboarding, dieser Ins-Bild-Setzen-Prozess akkurat abgeschlossen ist? Und wie sollte ich das dokumentieren? Also du hast ja jetzt schon zwei Sachen gesagt, Onboarding-Guides und so ein Welcome-Book. Aber vielleicht hast du ja auch noch ein spannendes Modell, wo man dann immer auch irgendwie was hat, wo man sich drauf berufen kann. Darum geht es ja manchmal.

Stefan Lammers: Also wenn die Führungskraft erstmal für sich so ein Bild entwickelt hat, dann würde ich in den Prozess reingehen, um ein gemeinsames Teamcharter aufzubauen. Das würde ich gar nicht zu extrem aufbauen, aber es gibt da eben fünf bis sechs Grundsätze, mit denen man sich da auseinandersetzen kann. Das ist einmal eben so. diese Frage, warum gibt es uns als Team? Das haben wir ja schon so ein bisschen in der Vision und so weiter beschrieben, aber was ist dann eigentlich auch unser Service, den wir hier erbringen wollen? Was ist auch Unser Qualitätsanspruch, den wir hier gemeinsam erfüllen wollen. Dann ist die Frage nochmal, wofür ist das Team verantwortlich? Also auch, was sehen andere an Verantwortung an uns? Aber auch, wo sind unsere Grenzen? Was gehört nicht mehr zu uns dazu?

Dann ist etwas wichtig, was man untereinander lernen kann und lernen sollte. Das ist aber auch ein Prozess. Das ist dieses gemeinsame Vertrauen untereinander zu entwickeln. Und was ist auch unser akzeptabler oder nicht akzeptabler Verhaltenskodex? Also wo sind auch Grenzen? Und dazu gehört eben auch von der Führungskraft immer aus meiner Erfahrung eine sehr, sehr hohe Ehrlichkeit und eine sehr, sehr hohe Klarheit auch wieder. Also für mich ein Beispiel aus der Vergangenheit, wo eine Person eine neue Führungsrolle übernommen hat und in das Management Team reingegangen ist, was damals 16 Leute umfasste und gesagt hat, ich sage euch ehrlich, jeder von euch hat die Chance, zukünftig Bestandteil dieses Management Teams zu sein. Ich sage euch aber auch ehrlich, es wird nicht jeder sein. Und damit ist ein Prozess gestartet und heute im Prinzip hat dieses Leadership-Team im Kern um fast noch fünf Leute. Weil sich das Team im Laufe der Jahre, in sechs Jahren immer weiter professionalisiert hat. weil die Aufgaben immer klarer geworden sind, was gehört überhaupt zum Management-Team dazu und was nicht, was gehört auf andere Ebenen und dadurch konnte das Management-Team sich eigentlich auf die Kernfunktionen wieder viel, viel mehr konzentrieren. Und die Mitarbeiter hatten auch eine höhere Klarheit, was eigentlich deren Aufgabe ist und dadurch sind sie viel performanter dann geworden.

Also das sind so Regeln, die einfach da sind. Und Verhaltenskodex heißt eben auch, wenn es bestimmte Abmachungen gibt, dass die auch eben eingehalten werden. Und wenn sie nicht eingehalten werden, dass sie dann entweder auch thematisiert werden oder eben auch zu Konsequenzen führen. Und im Übrigen vielleicht auch eine ganz kurze Anmerkung noch dazu, das ist immer so ein Thema, gerade in Deutschland, da wird ja immer gesagt, Unangenehmes und so weiter, sollte man immer unter vier Augen besprechen. Ehrlich gesagt, da halte ich nicht so viel von. Ich finde immer, wenn man ein gutes Team ist, dann muss man das auch aushalten können, dass man über diese Dinge im Team spricht. Und wenn jetzt einer beispielsweise diesen Verhaltenskodex gebrochen hat an irgendeiner Stelle und das wird jetzt im Team besprochen, also die Führungskraft spricht mit demjenigen und die anderen Teammitglieder sind dabei. dann lernen ja auch gleichzeitig alle anderen Teammitglieder, aha, okay, da ist also diese Grenze. Und dann muss die Führungskraft nicht mit zehn Leuten hinterher diese Einzelgespräche führen, sondern sie führt sie einmal. Das braucht aber Vertrauen eben, das man vorher aufgebaut hat und diese Leistungsbereitschaft auch von den einzelnen Mitarbeitern in so einem Team.

Joel Kaczmarek: Kannst du mal irgendwie einen Tipp geben, wie man sich so einen Verhaltenskodex zusammenbauen kann? Also was gibt es da für Tools? Weil vielleicht hat nicht jeder jetzt die Muße oder auch das Kapital, sich irgendwie kompetente Berater zu leisten, wie zum Beispiel dich.

Stefan Lammers: Das ist schade.

Joel Kaczmarek: Ja, sollten sie, ne?

Stefan Lammers: Sollten sie auf jeden Fall, ja.

Joel Kaczmarek: Machen sie bestimmt, wenn sie genug Geld haben. Aber sagen wir mal, sie sind irgendwie noch relativ am Anfang oder wollen da erst so die ersten Füße, den ersten Zeh ins Wasser halten. Du hast ja Teamcharter zum Beispiel gerade schon so als Begriff in den Raum geworfen. Ich kannte das zum Beispiel jetzt nicht. Vielleicht kannst du ja dazu mal einen Satz sagen, was das ist und wo man sonst auch mal Anregungen herkriegt, was in so einem Verhaltenskodex eigentlich progressiv und was eher destruktiv ist.

Stefan Lammers: Ich meine, das ist immer individuell und das hat viel mit dem eigenen Selbstbild der Führungskraft natürlich zu tun. Aber man kann eben eine Definition eines allgemein akzeptierten Verhaltenskodex machen. Man kann also wirklich hingehen und macht mal ein Meeting dazu, zu diesem Thema, was ist denn bei uns ein positives Verhalten in bestimmten Situationen und was wäre eher ein negatives Verhalten. Da kann man ja drüber reden. Also man kann situative Beispiele nennen und kann dann den jetzt beispielsweise diskutieren und kann dann hinterher festhalten, Was ist für uns akzeptabel und was ist für uns auf jeden Fall nicht akzeptabel, um dann diese Grenzen klarer zu machen. Das ist im Übrigen auch viel einfacher im Vorfeld zu machen. Das ist so ähnlich wie mit einem Ehevertrag oder sowas. Den macht man auch am besten vor der Ehe und nicht, wenn es die Probleme gibt, dann funktioniert das nämlich meistens nicht mehr. Zu diesen Grundregeln gehört auch, auf welche Art und Weise werden wir denn Entscheidungen treffen? Treffen wir dann eine gemeinsame Entscheidung als Team? Oder wo ist denn mein Vetorecht als Führungskraft? Oder treffe ich diese Entscheidung als Führungskraft? Also das sind auch wichtige Dinge, die man besprechen kann und besprechen sollte.

Joel Kaczmarek: Hast du da Empfehlungen eigentlich, wie man da vorgehen sollte? Weil das sind ja so Fragen. Entscheidet jetzt Pep Guardiola, ob man irgendwie mit hängender Spitze spielt oder macht das irgendwie der Spielerrat, jetzt mal überspitzt formuliert? Das ist ja genau so eine Frage. Entscheidet das die Führungskraft? Hat die irgendwie so eine Wildcard oder ist das eine Teamentscheidung? Was ist da so deine Herangehensweise, die sich empfiehlt?

Stefan Lammers: Meine Herangehensweise ist, das wirklich im Vorfeld möglichst abzusprechen und sich daran zu halten oder aber diese Regel wirklich zu ändern. Ansonsten, wenn man feststellt, dass die Regel nicht funktioniert und da können wir jetzt wieder in den Sport reingehen. In Bayern München gibt es ja mehrere Beispiele. Sammer, der dann auf einmal weg musste, der eine ganze Zeit funktioniert hat. Der Arzt, der auf einmal weg musste, Müller-Wohlfahrt, der auf einmal weg musste. Im Grunde genommen geht es darum, dass da auf eine andere Art und Weise, weil dieser Entscheidungskonsens nicht mehr da ist, der ist plötzlich nicht mehr da. Und dann gibt es eben Konsequenzen daraus, wenn das dann nicht mehr funktioniert. Und insofern ist es eben wichtig, sowas im Vorfeld zu besprechen und eine Klarheit darüber zu haben. Auch da scheuen sich Führungskräfte oft zu sagen, an dieser Stelle habe ich das Recht und nehme das für mich in Anspruch, so und so zu entscheiden. Wenn er das vorher gesagt hat, dann ist es für alle Leute klar. Und wenn das aber nicht vorher gesagt ist, dann machen die jetzt irgendetwas. Das hat aber trotzdem nicht funktioniert. Sie haben aber alles dafür getan. Sie haben das Beste reingesetzt. Und die Führungskraft entscheidet jetzt auf einmal und sagt, das ist alles Mist, wie ihr das macht. Ihr hättet es gleich so machen müssen und so weiter. Das ist die ganze Motivation kaputt. Kriege ich kein High-Performance-Team mehr. Wenn er das aber vorher definiert hat und gesagt hat, ich gebe dann und dann meinen Kommentar dazu, dann ist das für die Leute eine ganz andere Situation.

Joel Kaczmarek: Lass uns doch nochmal ein bisschen in diesen Aspekt Dissonanzkultur, Kritik äußern hineingehen. Also du hast ja gesagt, du regst dazu an, dass man wirklich offen kommunizieren sollte und auch sich trauen, irgendwie so einen Konflikt auszuhalten. Ich erinnere mich an eine deiner letzten Buchempfehlungen, das war ja Patrick Lencioni, »Die fünf Versuchungen eines CEO«. Du merkst, ich passe auch mal auf, dass er dezidiert auch eine der Versuchungen, der einem Geschäftsführer irgendwie anheimfallen kann, dass er Harmonie vor Konflikt stellt. Also in dem Bestreben, sich nicht zu trauen, Leuten klare Erwartungen zu setzen, dass er eher die Harmonie sucht als den Konflikt. Das ist ja ein sehr, sehr spannender Punkt. Was hast du für Empfehlungen, wie man so etwas umsetzen sollte? Also du hast ja zum Beispiel eine Sache gerade schon gesagt, mit ruhig sich trauen, vom Team zu reden. Das muss man ja erstmal den Mut haben so ein bisschen. Also hast du da so ein bisschen so ein Handwerksrüstzeug, wie du sowas machst?

Stefan Lammers: Also als erstes ist tatsächlich diese Punkte zu Anfang zu klären und am Anfang so schnell wie möglich, wenn es Konflikte gibt, die auch so schnell wie möglich zu benennen. Also es ist wirklich eine Frage des Timings. Wenn man die zu lange laufen lässt, entwickeln sie sich oft schwierig und sind auch schwierig dann wieder zu stoppen. Das ist manchmal wie so ein Virus, wenn so ein Konflikt hochkommt, die Menschen sprechen ja miteinander auch, dann sind plötzlich Leute, die unbeteiligt sind eigentlich, die sind jetzt auf einmal emotional da irgendwie doch beteiligt. Und es wird für mich als Führungskraft immer schwieriger, Konflikte einzudämmen. Also insofern ist die Kunst eigentlich, im Vorfeld schon mal ein Modell zu haben, auf welche Art und Weise lösen wir eigentlich Konflikte, wie gehen wir damit um, was sind für uns mögliche Konflikte, die überhaupt da sind.

Und das ganz spannende ist, wenn man das vorher einmal durchdacht hat und miteinander besprochen hat, dann kommen die meistens erst gar nicht, weil man ja schon vorher einfach mal drüber sprechen konnte. Konflikte entstehen extrem stark dadurch, dass nicht ausgesprochene Fantasien sich ihren eigenen Bann brechen, Dass man eine Fantasie hat, wie der andere über die Situation jetzt denkt und dann kocht man das immer schlimmer auf. Gibt es im Übrigen eine sehr schöne Geschichte dazu von dem Paul Watzlawick, dem Kommunikationspsychologen, die Geschichte mit dem Hammer. Ich sage sie jetzt mal sehr verkürzt, also morgens geht jemand aus dem Haus. Er geht bei dem Nachbarn vorbei, grüßt ihn und er grüßt ihn nicht zurück. Und dann kauft er sich ein Bild, kommt nach Hause und will dieses Bild aufhängen, hat auch einen Nagel, aber er hat keinen Hammer. Und dann fängt er an, darüber nachzudenken, wer hätte denn einen Hammer. Und dann denkt er an den Nachbarn. Und dann denkt er weiter, ach, der hat mich heute Morgen nicht gegrüßt. Und dann geht es weiter und eskaliert, der grüßt mich nie. Und dann irgendwann sagt er, wieso leiht er mir überhaupt nicht den Hammer, das könnte er doch einfach tun. Und die ganze Eskalation zum Schluss ist ja, dass er dann beim Nachbarn an die Tür klopft, der von nichts eine Ahnung hat und ihn dann anschreit, behalt deinen Scheißhammer.

Und das ist eben so oft wie Konflikte ablaufen, dass das gar nicht um eine tatsächliche Wahrheit geht, was da gerade passiert ist, sondern dass das im Kopf abläuft. Und insofern ist es gut Im Vorfeld Mechanismen etabliert zu haben, wie man damit zukünftig umgehen wird. Also gehen wir jetzt bilateral ins Gespräch, machen wir das hier in der Gruppe. Meine Empfehlung, legen wir die Sachen hier immer offen auf den Tisch, auch wenn sie schwierig sind. Das sind so Vorgehensweisen, die ich an dieser Stelle empfehle. Und je mehr man voneinander weiß, je mehr man sich kennt, auch das ist für mich eine große Erfahrung. Umso leichter kann man damit umgehen. Und oft werden Konflikte ja auch mit dem Thema Scheitern verbunden, dass ich irgendetwas nicht hingekriegt habe oder ich nicht gehört worden bin oder was auch immer.

Und eines der großen Themen innerhalb des Bereichs Agiles Führen ist ja auch dieses Thema schnelles Scheitern. Auch das braucht Vertrauen wiederum in der Gruppe. Und ja, eine Maßgabe von mir ist, wenn du sagst, wie gehst du damit um? Ich habe jetzt beispielsweise mit einem Executive Team im Prinzip eine Fuck-up-Night in einen Fuck-up-Morgen gewandelt und jeder hat seine eigene Geschichte erzählt über seine größte Niederlage und größte Schwierigkeit, die er im Leben gehabt hat. Hat dann anschließend sich Gedanken darüber gemacht auch, was heißt das eigentlich für mich? Was ist die größte Erkenntnis für mich, aber auch für uns als gemeinsames Team? Was können wir daraus lernen aus meiner Niederlage? Und ich muss sagen, was da für eine Energie freigesetzt worden ist und wie sich dieses Team auch dadurch verändert, dass die jetzt keine Angst mehr davor haben müssen, dass es mal einen Konflikt gibt oder dass irgendwas nicht funktioniert hat. Weil alle wissen, bei jedem anderen ist das ja auch schon mal so gewesen, dass da was nicht funktioniert hat. Das heißt also, Teamentwicklung und dieses Vertrauen aufzubauen, ist eben was sehr, sehr Persönliches und braucht eben auch gemeinsame Erlebnisse.

Joel Kaczmarek: Vielleicht nochmal ein Satz zu diesem ganzen Thema mit dem Hammer gerade. Da geht es ja eigentlich um Verselbstständigung von Wahrnehmung, Emotion, dass so ein Konflikt eigentlich entsteht, weil man wahrscheinlich nicht genug kommuniziert, weil es irgendwie schwierig ist. Also wie du gesagt hast, eigentlich so dezentral baut sich sowas vielleicht auch auf. Was würdest du denn einer Führungskraft empfehlen, wie man damit umgeht? Weil ich habe zum Beispiel die Beobachtung gemacht, wenn ich selbst in Führungsrollen war, habe sowas mitgekriegt, dass bei Einzelnen Unzufriedenheit herrscht. Man kommuniziert mit denen, hört sich das dann an, man hat ja fast was Therapeutenhaftes manchmal, dass man dann sagt, erzähl mir mal deinen Blick, was sind gerade so die Probleme, was weiß ich.

Das kommt nicht immer unbedingt positiv an. Das hat dann so das Gefühl Manipulation, Aushorchen, oh, der ist ja hier in seiner Doppelrolle, der gibt sich gerade menschlich, aber vielleicht will der eigentlich mich nur irgendwie organisatorisch an den Pranger stellen, was weiß ich. Dann gibt es ja auch ganz oft das Thema, was Männer und Frauen auch gerne mal haben. Ein Mitarbeiter erzählt dir irgendwie was, was ihn belastet, will aber keine Lösung von dir, sondern will nur verstanden werden. Also ich finde den Umgang mit sowas eigentlich relativ schwierig, wenn man merkt, es entsteht so eine subtile Unzufriedenheit. Was ist da deine Empfehlung?

Stefan Lammers: Tatsächlich zum einen kommunizieren und zum anderen, wenn wir über das Thema Feedback letztendlich reden. Feedback ist erstmal die Frage, ist denn Feedback überhaupt gewünscht? Also besteht bei diesem Mitarbeiter dann in diesem Moment überhaupt diese Bereitschaft, sich mit seiner Führungskraft über dieses Thema zu unterhalten? Und da kommen wir wieder dazu, wenn das dann vorher etabliert ist in der Gruppe, dass wir sagen, wenn wir unangenehme Sachen haben, das ist jetzt ein ganz klassisches Beispiel, wie du mir das gerade nennst, das könnte jetzt so etwas sein für eine Teamregel, Verhaltenskodex, die man zu Anfang eben beschreibt, dass man sagt, okay, Wenn wir hier bei uns im Team Dinge haben, wo wir das Gefühl haben, dass einer gerade irgendwie eine Sorge hat, dann sprechen wir das an. Dann ist das eine Regel und damit ist das okay, damit gibt es die Erlaubnis, das zu tun. Aber ganz oft erlebe ich, dass da irgendetwas gar nicht miteinander besprochen ist und dass jetzt eine Führungskraft sich tatsächlich als Therapeut bei dem Mitarbeiter versucht, aber der Mitarbeiter hat nie nach einem Therapeuten gefragt, der will eine Führungskraft.

Und das ist dann eben tatsächlich auch wieder diese Entscheidung einer Führungskraft, so den richtigen Grad zu finden zwischen Empathie und zwischen eigener Klarheit. Auf der einen Seite sieht man der anderen Person, geht es nicht gut und dann bin ich vielleicht ganz empathisch und will dieser Person helfen, aber gleichzeitig habe ich eben als Führungskraft auch einen Anspruch daran, dass diese Person bestimmte Performance erfüllt. Und das ist ein Dilemma und deswegen bin ich auch kein Anhänger von dieser ganzen Superthematik, die Führungskraft als Coach. Führungskraft ist nicht neutral. Eine Führungskraft hat letztendlich eigentlich immer eine Absicht, nämlich dass derjenige performt und dass er weiterkommt. Aber wenn jetzt eine Führungskraft seine eigene Rolle eben nicht mehr richtig ausfüllt, das heißt diese Person jetzt nicht damit konfrontiert, pass auf, ich habe hier diesen und diesen Anspruch an dich, ich brauche dich da in dieser und dieser Performance. Und der Mitarbeiter merkt jetzt, okay, der geht jetzt auf eine ganz andere Rolle, der will auf einmal mein Freund sein oder mein Therapeut sein oder was auch immer. Da fehlt dem dann auf einmal diese Führungslegitimation. Dann ist schlimmstenfalls der Mitarbeiter hinterher ganz verunsichert und weiß gar nicht mehr, wie er sich verhalten soll.

Joel Kaczmarek: Was ist dann die logische Konsequenz für mich daraus als Führungskraft? Was wäre dann akkurates Verhalten?

Stefan Lammers: Als Führungskraft wäre es eben tatsächlich diese Frage, wie kann ich dich unterstützen? Brauchst du Unterstützung? Kann ich dich unterstützen? Möchtest du mit mir darüber reden? Also erstmal tatsächlich diese Offenheit einholen in diesem Moment, aber auch in diesem Kontext immer wieder diese Rolle als Führungskraft klarzumachen und zu sagen, hey, ich habe aber auch eine Erwartung an dich. Ich komme jetzt nicht einfach nur als dein Freund und möchte dir irgendetwas geben, sondern klar, als Führungskraft habe ich eine Erwartung an dich, dass du hier auch performst, aber ich habe auch eine Verantwortung für dich und wie kann ich dich dabei unterstützen? Und da könnte jetzt sein, jemanden zu unterstützen, das ist eine ganz unterschiedliche Geschichte. Jetzt reden wir mal von Hardcore, jemanden zu helfen, in eine Therapie reinzukommen oder jemanden zu helfen, einen Coach zu finden oder eine Fortbildung zu machen oder sowas. Oder jemanden zu motivieren, mal Urlaub zu machen. Es gibt ja auch die ganz andere Richtung, dass jemand sich echt überarbeitet und nie Urlaub machen will, weil er so viel Spaß an dem Job hat. Auch da zu motivieren, mal früher nach Hause zu gehen oder was auch immer das sein kann.

Joel Kaczmarek: Ich meine, jetzt hast du ja gesagt, es gibt Erwartungen. Das wäre nämlich auch so ein Punkt, auf den ich dich mal ansprechen wollte. Ich erinnere mich, in dem Patrick Lencioni Buch, wo wir auch das Thema hatten, Konflikt ruhig aushalten anstatt von Harmonie, gab es auch eine der fünf Versuchungen, dass, wenn jemand irgendwie diesen Verantwortungsrahmen, den er hat, nicht erfüllt, dass es dann auch eigentlich immer Konsequenzen geben sollte. Wo ich so ein bisschen hinaus möchte, ist, sollte es ein Sanktionierungssystem geben, wenn man irgendwie seinen Organisationsrahmen, also durchbricht es mal das eine, aber wenn man zum Beispiel seine Leistung nicht bringt, die aber an Erwartungen geknüpft ist aus diesem Organisationsrahmen, sollte man sanktionieren und wenn ja, wie?

Stefan Lammers: Also erstmal ist es wichtig, diese Erwartungen klar formuliert zu haben, zu Anfang. Dann stelle ich fest, dass diese Erwartungen nicht so sind, wie ich mir das vorgestellt habe. Und dann muss ich nochmal diese Klarheit herstellen. Und dann muss ich mich fragen und muss ich auch die Person fragen, wie kann ich sie unterstützen, damit sie diese Erwartungen letztendlich erfüllen kann. Und wenn ich dann irgendwann feststelle, dass das nicht auf Dauer funktioniert, auch bei allen Unterstützungsangeboten, dann muss ich konsequent sein und mich möglicherweise von der Person trennen.

Joel Kaczmarek: Okay, das ist ja aber wirklich die Tabula-Rasa-Methode. Wenn man jetzt irgendwie sagt, wir haben folgendes Vorgangsmodell im Sales oder was weiß ich. Und dann merkst du so, wir haben auch über Scheitern geredet. Und aus Fehlern lernt man ja auch. Und jetzt macht derjenige einen Fehler, was vielleicht nicht so ein Thema ist, den gleich rauszuhauen. Aber dann würdest du sagen, so beim ersten Mal, okay, ich wiederhole nochmal, irgendwie dir klarzumachen, was sind meine Erwartungen an dich. Frag dich, kann ich was tun? Ja, nee, alles okay. Dann kommt das vielleicht ein, zwei, drei Mal weiter vor. Du bist jetzt aber noch nicht an einem Punkt, wo du sagen würdest, das ist ein Non-Performer, den muss ich irgendwie rausschmeißen oder was weiß ich, sondern der hat zum Beispiel irgendwas nicht gebracht. Wärst du dann jemand, der sagen würde, man kann wirklich eine Form der Sanktion schaffen, indem er jetzt irgendwie sagt, keine Ahnung, ich überspitze mal ein bisschen. Jedes Mal, wenn er diesen und jeden Fehler macht, muss er zwei Euro in die Teamkasse tun und wenn 20 Euro zusammen sind, gehen wir davon alle essen. So, das ist ja eine Form von irgendwie Sanktion. Ist das irgendwie ein Mittel, was irgendwie funktioniert? Weil wir wollen ja gleich auch noch so ein bisschen auf das Thema Teamkultur hinaus, ja. Weil wenn ich eine Grenze setze, muss ich ja auch eine Konsequenz schaffen, wenn diese Leistungsgrenze nicht erfüllt wird oder wenn es eine Verhaltensgrenze ist, wenn sie überschritten wird.

Stefan Lammers: Du bringst wieder immer so schöne Beispiele rein. Finde ich großartig. Ja, genau das funktioniert nicht, was du gerade beschrieben hast, weil der Mensch sich ja an alles gewöhnt. Und wenn wir also jetzt eine Vereinbarung treffen, für jede Situation zahle ich zwei Euro, dann mache ich Ablasshandel und kann mich freikaufen. Also ich kann immer wieder den gleichen Fehler machen, zahle meine zwei Euro und das ist ja gut. Also im Prinzip hilft das gar nichts. Im Übrigen einer der ersten Punkte, die Herr Klinsmann abgeschafft hat, damals bei der Fußball-Nationalmannschaft, die hatten nämlich ein Strafensystem und das hat er ganz schnell abgeschafft aus diesem Grund. Und was er gemacht hat, ist eben das Verantwortungssystem eingeführt, wo ich ein großer Anhänger von bin. Nämlich die klar zu machen, du hast eine Verantwortung für dich und für dein Ergebnis, du hast aber auch eine Verantwortung hier für dieses Team.

Und du musst dir klar machen, wenn du das nicht machst, dann nimmst du deine Verantwortung gegenüber dem Team oder gegenüber dir selbst auch nicht wahr. Und du musst damit rechnen, dass das zum Schluss zu Sanktionen führt. Und die Sanktion ist es nicht, zwei Euro in ein Sparschwein reinzumachen, sondern dass die Leute ein bestimmtes Bild von dir bekommen und dass ich auch ein bestimmtes Bild von mir bekomme. Das wird mich irgendwann unter Handlungsdruck setzen, weil wenn ich das oft genug feststelle, dass du das nicht hinkriegst, dann scheinst du nicht der Richtige auf dieser Position zu sein und dann muss ich mich für eine andere Person entscheiden. Dann kann ich dir vielleicht noch helfen, woanders eine dir gerecht werdende Position zu finden. Aber schlimmstenfalls habe ich da keine und dann muss ich mich auch von dir trennen. Also deswegen bleibe ich bei diesem ganz harten Feld, weil zum Schluss, wenn jemand in einem Team nicht performt und nicht funktioniert, dann kann es die einzige Sanktion nur sein, dass er nicht mehr zu diesem Team dazugehörig ist.

Joel Kaczmarek: Okay, aber gibt es bis dahin eine Eskalationsstufe für dich oder einen Eskalationsleiter?

Stefan Lammers: Das Gespräch und der Person zu sagen, dass es der Verantwortung da in diesem Moment nicht gerecht wird, dass es seine eigene Verantwortung ist, die er da gerade trägt. Also er trägt ja, also die Person, die jetzt das nicht hinkriegt, trägt ja die Verantwortung dafür, dass er da gerade nicht performt. Das ist ja nicht die Führungskraft. Das wird oft falsch gesehen. Das ist ja die Person, die da gerade was nicht hinkriegt. Die hat die Verantwortung dafür, das hinzukriegen. Und jetzt kann ich, als die Person, die das nicht hinkriegt, wenn ich jetzt da Mitarbeiter bin, kann ich mir Gedanken darüber machen, was brauche ich denn, damit ich das hinkriege. Und damit kann ich zum Chef gehen und kann sagen, pass auf, ich brauche jetzt eben, ich bleibe jetzt mal bei den Klassikern, eben ein Coaching oder ein Seminar oder ich muss mich nochmal mit einem anderen Kollegen zusammensetzen, um das von dem zu lernen oder sowas.

Und da glaube ich, wenn jemand da so klar mit zu seinem Chef geht, bekommt er auch immer seine Unterstützung. Also versucht der Chef das zu machen. Wenn sich dann nach dieser Unterstützungsleistung, die von dem Mitarbeiter gekommen ist und angefragt worden ist, sich keine Verbesserung ergibt, dann muss man irgendwann Konsequenzen treffen. Weil das ist ja nicht nur etwas, was für das Team und für das Unternehmen wichtig ist. Es ist ja auch für einen Mitarbeiter wichtig. Und das erlebe ich dann oft, wenn in diesen High-Performance-Teams so eine Klarheit ist. Dass Mitarbeiter dann auch irgendwann rausgehen und sagen, das ist gar nicht das richtige Team für mich. Ich möchte irgendetwas anderes und die fühlen sich dann an einer anderen Stelle viel wohler. Also es ist für den Mitarbeiter dann besser letztendlich, weil es hat ja keiner Spaß, die ganze Zeit nicht dazu zu gehören oder nicht zu performen.

Joel Kaczmarek: Wollen wir vielleicht in dem Zusammenhang auch nochmal auf Tuckman eingehen, auf den wir ja glaube ich auch schon mal im letzten Podcast, wenn ich mich richtig erinnere, hatten mit dieser Team-Uhr. Das greift ja Punkte dessen mal so ein bisschen ganz schön auf. Das haben glaube ich viele schon mal gehört und ich könnte mir mal vorstellen, dass das irgendwie ein ganz spannender Punkt ist, den hier nochmal ganz kurz aufzugreifen, bevor wir dann abschließend nochmal ganz kurz auf das Thema Kultur eingehen, was ja gerade in der Digitalbranche immer sehr relevant ist.

Stefan Lammers: Okay, also es gibt die Teamuhr von Tuckman. Da gibt es vier verschiedene Phasen. In dem ersten Quadrant von 12 bis 3 ist die Phase Forming. Dann kommt von 3 bis 6 das Storming, von 6 bis 9 das Norming und von 9 bis 12 wieder das Performing. Das heißt also, jedes Team durchläuft permanent immer wieder diese Uhr. Also auch wenn Veränderungen in der Teamzusammensetzung sind, dann fängt diese Uhr immer wieder an zu laufen. Das heißt also, ein Team kommt zusammen, es sind bestimmte Leute ausgesucht worden, die jetzt in so einem Team sind und die sind jetzt in dieser Forming-Phase zusammen. Das heißt also, wir werden erstmal zusammengebracht, möglichst von der Führungskraft in einer sich gut ergänzenden Kombination, damit die hinterher auch ihre Ziele erfüllen können. Und jetzt kommen wir zu dieser Phase. Storming als nächstes.

Und in diesem Storming, da geht es darum, na wie läuft denn jetzt beispielsweise diese Hierarchie in diesem Team? Also auch da können wir jetzt wieder aus dem Fußball schön übernehmen. Fußball-Nationalmannschaft beispielsweise, die ja immer wieder übernimmt. neu zusammengesetzt wird. Da hat man dann über Jahre teilweise so stabile Pfeiler wie einen Schweinsteiger oder sowas. Da ist das klar, das ist der Boss. Und dann gehen dann auf einmal eine ganze Reihe von diesen Bossen, also Schweinsteiger und Lahm und so weiter gehen. Und jetzt muss ich so ein Team erstmal wieder neu finden und geht dann auch in so eine Storming-Phase rein. Wer ist denn jetzt der neue Leader hier bei uns? Wer hat es denn jetzt sozusagen? Und Deswegen ist es manchmal eben auch so, da ist glaube ich eben, ich glaube auch zu Klinsmanns Zeiten steckte Löw schon dahinter, da ist Löw einfach extrem gut, wo er dann manchmal Entscheidungen trifft, beispielsweise, dass er bestimmte gute Spieler nicht mitnimmt, weil er sagt, die passen eben in dieser Zusammensetzung nicht zusammen und auch in diesem Hierarchiegebilde hinterher nicht zusammen. Dann kommt dann eben plötzlich Odonkor aus der Kiste oder andere Spieler, wo man sagt, das kann doch gar nicht sein und so Spieler wie Kießling oder sowas, die nie dabei sind. Warum auch immer.

Und ich glaube, das hat viel mehr gar nicht mit dem Spielsystem und mit der Leistung der Persönlichen zu tun, sondern wie passen die auch eben als Team dann entsprechend zusammen. Weil es geht nicht darum jetzt zu sagen, wir haben doch schön zusammengespielt, sondern es geht darum, wir wollen Weltmeister werden. Und für die nächsten Spiele brauchen sie andere Typen von Spielern und brauchen erholte Spieler. Und das ist aber in diesem Team, und deswegen funktioniert das auch gerade so gut, weil die sind über diese Storming-Phase drüber hinweg, die haben eben nicht diese Hierarchiespielchen, sondern die sagen alle gerade, auch die, die gehen, sagen, ja, wir wollen Weltmeister werden und ich bin ein Teilchen, was dazu gehört. Und in einem Team, wo noch so eine Storming-Phase ist, da würden die jetzt erstmal die Messer wetzen und würden sagen, was für eine Schweinerei, dass ich nach Hause geschickt werde und so weiter und so fort, ja. Und dann bilden sich eben Hierarchien raus in Teams. Und dann kommen wir in diese Phase, wo wir ja heute auch sehr stark drüber sprechen, eben wie schaffen wir es dann, so unser Teamcharter aufzubauen, was ist Verhaltenskodex und ähnliches. Das ist die Norming-Phase, wo wir sind die Passwege, wie wir zusammenspielen. Und dann, wenn man da nicht mehr drüber sprechen muss, weil das alles klar ist, dann kommt man in die Performing-Phase. Und High-Performance-Teams halten sich dann eben hauptsächlich in dieser Performing-Phase auf. So lange, bis wieder jemand Neues dazukommt oder jemand weggeht oder sich die Aufgabe stark verändert und dann durchläuft man kurzfristig eben wieder diese Teamuhr.

Joel Kaczmarek: Ja, das ist wirklich nochmal eine ganz schöne Zusammenfassung, finde ich. Also das macht ja wirklich diesen Prozess eigentlich nochmal sehr schön plastisch. Jetzt lass uns abschließend, wie schon irgendwie angekündigt, nochmal ein, zwei Sätze zum Thema Kultur und Motivation sagen, weil gerade in diesem ganzen Startup-Umfeld ist ja irgendwie Teamkultur so ein Aspekt. Wenn ich mir jetzt irgendwie eine Stellenbeschreibung durchlese von einem Digitalunternehmen, dann siehst du regelmäßig Kaffee-Flatrate, kostenlos Obst, Casual Friday, Ja, entspanntes Miteinander. Also das ist ja mittlerweile dort schon etwas, was man sogar als, ja, wie soll man sagen, als Währung verkauft. Also ich habe das früher teilweise auch gemacht, dass ich Leute gefragt habe, was ist deine Währung außer Geld? Ja, das heißt, man inzentiviert gar nicht mehr über Gehalt, sondern es kann was ganz anderes sein. Eigenverantwortlichkeit oder genau solche Geschichten. Was ist so deine Empfehlung? Wie glaubst du, wenn man diesen Organisationsrahmen gesetzt hat, kann man so eine Teamkultur schaffen, die einen weit trägt in so Richtung High Performance und wo man auch es schafft, Leute zu motivieren?

Stefan Lammers: Also alle Studien zeigen letztendlich, dass extrinsische Motivation auf Dauer nicht funktioniert. Die funktioniert letztendlich kurzfristig. Und das heißt, das mit dem kostenlosen Wasser, kostenloser Kaffee oder Kickerspielen oder was auch immer, das ist am Anfang super und nach einer kurzen Zeit selbstverständlich. Das ist genau das gleiche wie mit einer Gehaltserhöhung. Jetzt nehmen wir mal an, da verdient einer 30.000 Euro im Jahr und kriegt jetzt eine Gehaltserhöhung auf 50.000. Da sagt der, super, sensationell. Ist der deswegen mehr motiviert? In der Regel nicht, weil der sagt, das habe ich mir ja vorher verdient, weil meine Leistung so gut war, habe ich jetzt ja endlich das gekriegt, was mir zusteht. Im nächsten Jahr ist Gehaltsverhandlung und dann sagt er, wenn der jetzt eine Nullrunde hat, wie die anderen haben alle mehr gekriegt und ich nichts. Stramm. Ja, weil der sich so schon wieder daran gewöhnt hat, die 50.000 sind jetzt plötzlich schon Normalität geworden.

Und dann wird nur noch der Vergleich gezogen, was kriegt denn der andere und was kriege ich. Also diese extrinsische Motivation funktioniert in der Regel nur sehr, sehr kurzfristig. Und jetzt komme ich auf die andere Ecke. Die intrinsische Motivation funktioniert langfristig, das heißt also das Thema Sinn. Und da kann es natürlich sein, dass ich, wenn ich eine andere Kultur, zum Beispiel eine eher familiäre Kultur habe, wir haben ja heute so dieses Thema Vertrauen, Cocooning war ja mal eine Zeit lang gesagt worden, also dieses Thema Vereinzelung. Ich habe gerade einen Bericht über die Möbelmesse gelesen, eine riesen Explosion der Umsätze in der Möbelindustrie, weil alle Leute sich schön zu Hause einrichten, weil keiner mehr rausgehen will. Thema Terroranschläge und so weiter, alle machen sich zu Hause schön. Was gibt mir denn jetzt so diesen sozialen Kontakt? Da gibt es einmal das Internet, da gibt es aber eben diesen großen Part der Firma. Und wenn ich das schon schaffe, in einer Firma ein gutes familiäres Umfeld zu geben, also dieses Gefühl zu haben, ich bin zu Hause, ich bin angebunden, ich bin emotional mit den Leuten verbunden, die da sind, ich habe da Spaß dran, dann ist das, glaube ich, einer der kulturellen Vorteile, die junge Unternehmen gegenüber etablierten Unternehmen auch schaffen kann.

Und ich glaube, dass das auch eine der Herausforderungen ist für die etablierten Unternehmen, dass die gucken müssen, wie schaffe ich eben eine stärkere emotionale Bindung auch der Mitarbeiter, wie schaffe ich das wieder, meine Identifikation zu stärken. Und in manchen Industrien Erlebe ich es, wenn wir jetzt mal in die Bankenwelt jetzt reingehen, wenn man sich vor, jetzt würde ich schon fast sagen vor etlichen Jahren, mit einem Deutschbanker unterhalten hat, dann hat er gesagt, ich arbeite bei der Deutschen Bank, stolz geschwellte Brust. Ein paar Jahre später hat er gesagt, ich arbeite bei einer Bank. Dann hat er gesagt, er arbeitet in der Finanzindustrie. Und heute sagt er noch in seinem Freundeskreis, ich bin Angestellter.

Also die Identifikation hat immer weiter nachgelassen, weil Banker im Moment in keinem guten Licht stehen und weil sie Schwierigkeiten haben. Das heißt, diese Identifikation geht verloren und damit geht natürlich auch ein Stück Leidenschaft und ein Stück Energie verloren. Und das ist so die Frage und auch eine große Aufgabe von Unternehmen, wieder dafür zu sorgen, eine Verbindung zu schaffen zu den Mitarbeitern, Sinn zu stiften. Und wer Leistung will, muss einfach Sinn bieten. Und ich glaube, da sind die jungen Unternehmen einfach in einem ganz, ganz großen Vorteil, weil die es oft klarer haben und weil die eben noch was anderes dazu binden, eben nicht nur diese inhaltliche Verbundenheit, sondern auch eine emotionale Verbundenheit untereinander.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, das passt ja ganz gut. Ein Unternehmer meinte mal zu mir, den kennst du witzigerweise auch sogar, der sagte mal, ja, Dankbarkeit ist ein bisschen wie so ein Akku. Ich muss das irgendwie immer wieder aufladen, indem ich wieder was neu reingebe, das lässt sozusagen nach. Das passt ja so ein bisschen zu dem, was du sagst. Also manche der Faktoren sind dann irgendwann Hygienefaktoren, die müssen irgendwie stimmen, aber es ist eigentlich nicht das, was die Leute motiviert, so ihre Höchstleistungen hervorzubringen. Von daher Würdest du trotzdem sagen, dass Gehalt irgendwie was ist oder sozusagen, man kann ja sagen, alles, was mit diesen Belohnungen in Anführungsstrichen zu tun hat, ist so eine Form der Wertschätzung. Also ist irgendwie Wertschätzung in so einer Form abzubilden trotzdem etwas, was auch so ein High-Performance-Team irgendwie braucht?

Stefan Lammers: Klar, aber auch eine High Performance Team Wertschätzung, das ist aber für mich nicht Gehalt. Also ich glaube, dass jeder Mensch, und da rede ich nicht nur von High Performance Teams, jeder Mensch braucht ein angemessenes Gehalt, wo er gut von leben kann. Und das, was angemessen ist, ist unterschiedlich in den jeweiligen Gruppen, wo man unterwegs ist. Das heißt also, wenn ich jetzt als Angestellter in bestimmten Branchen weniger verdiene als in anderen Branchen, dann muss ich zumindestens, muss mein Gehalt vergleichbar sein mit den anderen Kollegen innerhalb meiner Branche. Oder wir haben ja auch große Unterschiede in Deutschland, in welchen Regionen man gerade unterwegs ist. Da gab es auch gerade wieder so Studien zu, in bestimmten Städten wie Düsseldorf oder München oder sowas verdient man einfach mehr für den gleichen Job als in anderen Gegenden. Aber ich muss eben in dieser Peergroup, in der ich unterwegs bin, da muss ich angemessen auf dem gleichen Niveau das Gleiche verdienen.

Joel Kaczmarek: Viele Manager sanktionieren ja auf diesem Wege, dass die sagen, wenn ich jetzt unseren Organisationsrahmen angucke, du erfüllst noch nicht so irgendwie die Erwartungen, die ich habe, deswegen kriegt dein Kollege XY jetzt mehr, obwohl der streng genommen die gleiche Rollenbeschreibung hat wie du. Ist das in deiner logischen Konsequenz dann ein Fehler?

Stefan Lammers: Also in meiner logischen Konsequenz würde ich immer Festgehalt geben und nicht mit Bonus und ähnlichen Arbeiten, weil auch dadurch so der Verantwortungsfokus einfach verschwindet. Also in manchen Unternehmen habe ich das erlebt, wenn da 25, 30 Prozent bonifiziert sind und dahinter ganz oft ja, damit das dann auch noch hinterher messbar ist und so weiter, dann bestimmte Ziele vereinbart sind. dann kümmern die sich gar nicht mehr um den eigentlichen Job, der ist ja unwichtig, obwohl der mit 75 Prozent bezahlt wird, sondern der ganze Fokus liegt darauf, diese 25 oder 30 Prozent zu erreichen. Und dann werden diese drei oder vier Aufgaben super gemacht, da wird alles reingesteckt, aber alles andere kümmern sich dann die anderen drum, aber ich nicht mehr selber. Und insofern glaube ich, einfach verschiebt das die Realität und die Ehrlichkeit, worum es hier eigentlich geht. sondern ich bin ein Freund davon, Menschen immer ein angemessenes Gehalt zu zahlen. Dafür muss er eine angemessene Leistung bringen und das muss zueinander passen. Und dann ist das gut.

Joel Kaczmarek: Und trotzdem, wie honorierst du dann Extraleistung? Also wenn du dann irgendwie schaffst, dass jemand wirklich sogar noch outperformt, dass man merkt so, wow, der ist einfach drei Level besser und du willst den auch irgendwie halten, weil wenn wir wieder beim Fußball sind, ein Messi kriegt irgendwie schweineviel Gehalt. Der kriegt jetzt mehr als irgendwie, weiß ich nicht, der Torwart von denen oder die Abwehrspieler, die teilweise nicht mal so in der breiten Masse bekannt sind. Das heißt, die sind da extrem ungleich bezahlt, weil der halt irgendwie Top-Leistung bringt und man den irgendwie halten will.

Stefan Lammers: Da sind wir jetzt wieder bei dem, was ich vorhin gesagt habe. Du musst immer gucken, was ist deine Peergroup, mit der du dich vergleichst. Und Messi vergleicht sich nicht mit dem Abwehrspieler oder mit dem Torwart, sondern er vergleicht sich mit Ronaldo. Und da sind die in der Peergroup wieder alle eng beieinander. Das sind Spitzenleister, die kämpfen alle regelmäßig um den Weltfußballer des Jahres. Die verkaufen eine wahnsinns Anzahl an Trikots und das heißt, die stiften einen Wert, der zurückgezahlt wird letztendlich an die. Und deswegen ist die Peergroup für so einen Messi eben nicht der Torwart oder der Abwehrspieler oder wer auch immer. Und wenn die Peergroup ist, das kenne ich auch noch früher aus meiner Handball-Bundesliga-Zeit, Da gibt es eben die Halbrechten und die Halblinken. Die haben eben, was auch immer, Handball wird nicht so gut bezahlt wie Fußball, die haben dann ihre 6.000 oder 7.000 oder 8.000 Euro netto gehabt. Und ein Außenspieler, der hat dann teilweise 450 Euro, 750 Euro oder was auch immer gehabt. Mal 1.500. Aber es gibt eben wenige wirklich gute Halblinke oder Halbrechte. Und insofern hast du auch in so einem Team eine große Spreizung. Das ist aber auch jedem in so einem Team dann in diesem Moment bewusst. Und wenn ich unterschiedliche Aufgaben da drin habe in einem Team, kann ich sie auch unterschiedlich bezahlen. Ich muss nicht jedes Teammitglied gleich bezahlen. Wenn ich eine unterschiedliche Verantwortung trage oder einen unterschiedlichen Beitrag leiste, dann kann ich auch die unterschiedlich bezahlen, solange sie in ihrer Peergroup vergleichbar sind. Und solange ich da transparent drüber bin. Weil wenn ich da nicht transparent drüber bin, das ist ein wichtiger Punkt nochmal, und ich gebe das Gefühl, alles ist gleich, und dann merkt einer auf einmal, dass er schlechter bezahlt ist, dann ist er zu rechts sauer. Und sofort auch total demotiviert.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, das ist, glaube ich, eine schöne Einsicht. nochmal so zum Abschluss oder ein wichtiges, wie sagt man so neulich, Takeaway, habe ich gerade dieser Tage wieder gehört, den wir sozusagen aus dem Gespräch jetzt auch haben. Also es ist eigentlich sehr, sehr wichtig, Erwartungsrahmen klar im Vorfeld zu kommunizieren und zu definieren, da offen drüber zu kommunizieren, weil dann hast du immer was, auf das du dich berufen kannst, dann hast du auch irgendwie diesen Erwartungsrahmen sehr, sehr klar. Hervorragend. Das war doch irgendwie ein sehr spannender Podcast wieder, für den ich dir schon mal ganz herzlich danke. Beim nächsten Mal reden wir so ein bisschen über das Thema Regeln und Prozesse. Da können wir natürlich auch mal genau in solche Sachen reingehen, wie Zielsetzungen, weil wir das gerade schon mal so ein bisschen hatten, also was wie Smart Goals, reißen wir dann sicherlich mal an. Genau, das wird sehr, sehr spannend, da freue ich mich schon drauf und dir vielen Dank.

Stefan Lammers: Dankeschön.

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