Innovation durch echte Fehlerkultur
30. Mai 2019, mit Joel Kaczmarek, Stefan Lammers
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen High Performance Leadership Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute ist wieder der gute Stefan Lammers mit dabei. Grüß dich, lieber Stefan.
Stefan Lammers: Hallo Joel.
Joel Kaczmarek: Sag mal, mir ist aufgefallen, wir verwenden viel zu wenig Airtime darauf, eigentlich auch nochmal ein bisschen über dein Unternehmertum selbst zu sprechen. Lass uns mal eine kurze Schleife, bevor wir zu unserem heutigen spannenden Thema kommen, über SLBB, deine Beratungsgesellschaft, machen. Was genau macht ihr da eigentlich? Was beratet ihr eigentlich alles, dass die Leute dich vielleicht auch nochmal ein bisschen näher kennenlernen nach nun schon 15 Folgen oder so?
Stefan Lammers: Ja, finde ich ja eine tolle Idee von dir, das mal zur Sprache zu bringen. Ja, wir sind ein Team von über 30 Beratern in der Zwischenzeit, die sich nicht nur in Deutschland aufhalten. Wir sind da relativ flächendeckend vertreten, sondern auch außerhalb. Wir haben drei verschiedene Zielgruppen, sagen wir immer, nämlich einmal den Entscheider als Einzelperson, also Führungskräfte, mit denen wir arbeiten. Zweite Zielgruppe sind Teams, mit denen wir arbeiten, um die besser zu machen, Teambuilding, High-Performance-Teams aufzubauen. Und das Dritte ist auch ganze Organisationen. Also beispielsweise machen wir gerade ein großes Kulturentwicklungsprojekt, das passt ja auch zu unserem Thema, was wir gleich haben, mit 130 Führungskräften und dem Vorstand. Das ist eben auch etwas, was dann immer wieder ineinander greift, weil oft ist es so, dass aus einem Coaching auch eine Teamentwicklung entsteht oder aus einer Teamentwicklung eine Organisationsentwicklung. Und natürlich sind bei größeren Themen innerhalb einer Organisation auch immer Workshops oder auch Coachings dabei. Und wir schauen dann halt, was sind die Themen, die anstehen und gucken dann, welcher Berater passt da am besten zu. Das heißt, ich bin das nicht immer nur selber, sondern wir haben ein super kompetentes Team. Das sind auch alles Leute, die Erfahrung haben im Führungskräfte-Bereich, viele auch, die sich mit agilen Methoden auseinandergesetzt haben, da wir ja in der Zwischenzeit im Prinzip in zwei Bereichen vertratet sind, nämlich einmal in den etablierten Konzernen und auch in der ganzen Start-up-Szene sehr viel unterwegs sind.
Joel Kaczmarek: Also wir haben ja auch schon ein paar kennengelernt, die Steffi bei Executive Presence, die Marina beim Thema Achtsamkeit. Geht jetzt gar nicht so sehr darum, dass wir hier eine Werbeveranstaltung für dich machen, aber dass man eigentlich mal aufzeigt, was so alles dein Background ist. Und natürlich lag mir heute am Herzen mal so eine Grundlage zu legen für unser Thema heute, nämlich das Thema Fehlerkultur, Umgang mit Fehlern. Deswegen habe ich da auch so explizit nach gefragt, dass wir mal aufmachen, dass du in beiden Welten unterwegs bist, weil die werden wir bestimmt mal gegeneinander halten. Und dass es natürlich unterschiedliche Themenbereiche gibt, wo sowas passieren kann. Und neben den Bereichen jetzt Startup versus Konzern oder KMU natürlich auch Team versus Individuum versus gesamter Betrieb. Das sind mal so als die Sphären, die da eine Rolle spielen. Fangen wir mal sozusagen ganz munter frisch an. Fehlerkultur ist ja so ein neumodisches Wort fast schon oder eigentlich schon wieder auch ein Stück weit etabliert. Also ganz viele sagen, das braucht man unbedingt im Unternehmertum oder im Unternehmen generell. Man muss offen mit Fehlern umgehen. Das ist gleichzeitig ein bisschen wabert. Was bedeutet das denn für dich als jemand, der damit sehr häufig quasi konfrontiert ist, mit dem Umgang mit Fehlern und deren Relevanz?
Stefan Lammers: Da passt das auch schon hervorragend von deiner Einleitung, dass es einen sehr großen Unterschied macht, in welchem Umfeld ich eben unterwegs bin. Also ich fange jetzt mal an mit den etablierten Konzernen. Da gibt es für mich so zwei Betrachtungsweisen. Die eine Betrachtungsweise darauf ist, dass in der Regel in den etablierten Konzernen eine Nullfehler-Kultur da ist. Ist auch oft geprägt durch bestimmte Methoden, die eingeführt worden sind zur Qualitätssicherung. Beispielsweise das Thema Six Sigma oder ähnliches, was eingeführt wird. Und da gibt es ja unter anderem Themen wie Null-Fehler-Management. Uns darf kein Fehler passieren. Dann kommt dazu, das finde ich für mich persönlich ganz spannend, auch das Thema, dass ich ja früher sehr viel in China unterwegs gewesen bin. Und da ist das ja nochmal eine ganz andere Kultur. Also da gibt es ja gar keine Fehler, weil das ja sofort den Gesichtsverlust bedeuten würde. Und das hat zur Folge, dass versucht wird, Fehler zu kaschieren. Das hat auch zur Folge, dass über Fehler gar nicht geredet wird. Und das hat wiederum oft zur Folge, dass keine Lösung gefunden werden oder dass sich Sachen noch manifestieren und immer schlimmer werden. Und Hauptsache, ich habe es dann nicht gesagt. Ich bin nicht der böse Bote, der das festgestellt hat und in diesem Moment benannt hat. Das heißt also, es ist ein echtes Kulturthema, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Was ich mir dadurch verbaue, wenn ich so eine Kultur habe, ist, dass ich zu schnellen Lösungen komme und ich verbaue mir dadurch auch ein Stück weit Innovationskraft.
Joel Kaczmarek: Also was du gerade mit Sixix mal angesprochen hast, das sind ja auch teilweise Methoden, die ja gerne mal bei Autobauern irgendwie zum Tragen kommen. Also wenn ich mich richtig entsinne, war Toyota ja auch so ein Beispiel. Absolut. sehr viele von diesen Prozessen geprägt hat. Und natürlich ist es so, es gibt Bereiche, da sind Fehler lebensgefährlich. Also beim Autobau, wenn da ein Airbag nicht funktioniert, sterben Menschen. Oder im Flugbereich, wenn was mit den Flugzeugen irgendwie ist und die abstürzen oder da was passiert, genauso. Das heißt, es gibt sozusagen schon unterschiedliche Fehler vermutlich. Wie kann man das denn aber vereinen, wenn du sagst, es gibt Orte, wo Fehler nicht passieren dürfen? Qua Sicherheit, qua hohe Kosten vielleicht. Und gleichzeitig will man aber eigentlich eine Kultur schaffen, dass darüber geredet wird und das nicht verschwiegen, weil das ist dann sogar noch gefährlicher.
Stefan Lammers: Ist das wirklich gar nicht so einfach. Warum? Wenn wir jetzt mal beispielsweise dieses Thema Betriebssicherheit, ob das jetzt Flug ist oder ein Produktionsgewerbe oder wo auch immer, anschauen, dann gibt es Bemühungen beispielsweise, wenn es um das Thema Unfälle geht. Ich kenne Unternehmen, die haben dort ein sehr gutes Tracking von Unfällen. Und es geht ja immer darum, möglichst unfallfrei zu sein. Es gibt auch sehr viele Unternehmen, die beispielsweise beinahe Unfälle tracken. Warum? Um daraus wiederum zu lernen, damit erstmal der große Unfall nachher gar nicht passiert. Das ist natürlich eine schlaue Vorgehensweise. Auf der anderen Seite ist das in diesen Unternehmen oftmals nicht in der DNA drin. Also es wird immer wieder darüber gesprochen und für die Menschen, die da drin sind, ist es eher ermüdend oder auch in Anführungsstrichen gefährlich, weil in dieser Kultur eigentlich gar nicht verankert ist, dass man mit Fehlern konstruktiv umgeht. Und wem wird das angelastet in dem Moment? Und darum geht es, dass ich ein Umfeld schaffe, indem ich bedenkenlos auch unangenehme Dinge oder auch Fehler oder Dinge, die nicht gut funktionieren oder auch Sachen, die besser gemacht werden können, aussprechen kann und rausbringen kann. Und das muss eben nicht unbedingt über eine Form eines betrieblichen Verbesserungswesens oder was auch immer laufen, weil das ist ja immer sehr formalistisch, sondern jeder von uns kennt es, dass er im täglichen Leben Dinge sieht, die nicht gut laufen und da selbst die Verantwortung zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass die besser gemacht werden, geändert werden können, ist ein Teil dieser Fehlerkultur. Ich will mal ein Beispiel nennen. Wir hatten letztens einen Workshop. Da hatten wir zwölf Führungskräfte international. Und es ging eben auch genau um dieses Thema. Lengioni-Pyramide erinnert ihr euch vielleicht noch aus vergangenen Podcasts. Um diese erste Ebene Vertrauensaufbau. Und am ersten Tag haben wir traditionelle Konzernproduktionswesen. Da haben wir uns über das Thema unterhalten, wie kann man Vertrauen aufbauen. Und eine unserer Ideen war, eine Fakabnei zu machen. Fuckup-Neid kennt vielleicht der eine oder andere, kommt aus Mexiko ursprünglich, wo sich Menschen treffen und über ihr Scheitern reden. Und es war total spannend zu sehen, wie viel Befürchtung es bei den einzelnen Leuten gab, überhaupt an so einer Fuckup-Neid teilzunehmen. Also wir haben sehr viel Zeit darauf verwandt, darüber zu sprechen, was heißt das denn? Also rede ich denn jetzt über private Sachen? rede ich da über geschäftliche Sachen bei der Fuckup Night. Gerade wenn es in einem Team ist, wo man sich kennt und jeder muss was sagen. Und dann kamen wir eben auch an diesen wichtigen Punkt, wo ein Kollege dann sagte, naja, das ist überhaupt nicht unsere Kultur hier, über Fehler zu sprechen. Und das wird eher einem angekreidet, dass man etwas nicht hingekriegt hat. Genau die gleichen Themen habe ich immer wieder in Gruppen, wenn ich mit denen arbeite und wenn ich sowas wie eine Fuckup Night organisiere. Dass genau diese Widerstände, diese nicht vertrauensvolle Haltung dann auf einmal zum Thema wird. Und es ist auch in dieser Gruppe genauso gekommen wie bei den anderen. Also glücklicherweise schaffe ich das in der Regel, die Gruppen dazu zu motivieren, es dann doch durchzuziehen. Und hinterher wird immer wieder gesagt, das war eigentlich das größte Ereignis für die Gruppen, wenn sie es ernsthaft betrieben haben, hier zu lernen von den anderen. zu sehen, jeder hat schon mal ein Scheitern erlebt, jeder hat schon mal einen Fehler gemacht. Dadurch, dass man das miteinander teilt, wächst zum einen das Vertrauen in dieser Gruppe und zum anderen gibt es natürlich dadurch auch einen Erlaubnisrahmen, über solche Dinge überhaupt sprechen zu dürfen. Und das ist eine Befreiung für die Mitarbeiter auch und bringt natürlich auf einmal auch Progress in die Organisation rein.
Joel Kaczmarek: Gut, also Fehler destigmatisieren sozusagen. Wer jetzt zugehört hat und sagt, das möchte ich auch mal ausprobieren, wie genau funktioniert so eine Fuck-up-Night?
Stefan Lammers: Also es gibt ja einmal die offiziellen Fuck-up-Nights, die haben auch ein ganz bestimmtes Event und da könnt ihr einfach mal Suchmaschinen nutzen und könnt mal gucken, was ihr dazu findet. Wir machen das immer in einer Form, wo von der Art es ist, dass wir über das Thema sprechen. Was ist Scheitern bei euch eigentlich? Also es gibt ein Vorgespräch in dieser Gruppe, mit der wir arbeiten. Was hat das für Vorteile zu scheitern? Was ist die konstruktive Energie da drin? Was sind die Ideen, die daraus entstehen können? Und dann kriegt jeder eine Einzelzeit, um für sich zu entwickeln, was ist denn das Thema eigentlich, über das ich sprechen möchte. Und das ist ganz unterschiedlich. Das ist wie gesagt privat oder geschäftlich, das ist ganz egal. Die wichtige Aufgabe ist aber, dass er eine Quintessenz rausdestilliert am Ende. Was ist der Gewinn für die Gruppe? Also was ist meine Erkenntnis, die ich mit dem Team teilen möchte? wo ich praktisch ein Geschenk auch an das Team mache, mein Lernen daraus zu teilen, was eine Bedeutung für dieses Team und für das Wachstum des Teams in der Zukunft auch hat. Das heißt, wenn ich jetzt, nehmen wir das Beispiel zurück, wo ich mit den zwölf Leuten zusammen war, mit der Marina, da gibt es zwölf Geschenke, wo sich Menschen, Führungskräfte, aus ihrer tiefen Erfahrung oder teilweise auch Verletztheit oder Bedürftigkeit, was da passiert ist, wichtige Kernelemente teilen und sich darüber unterhalten. Und das ist natürlich eine unheimliche Energie, die in diesem Moment auch freigesetzt wird. Vertrauen entsteht da, wo man sich kennenlernt und das ist natürlich eine tolle Möglichkeit.
Joel Kaczmarek: Lustigerweise habe ich nicht gelogen. Ich habe nicht gewusst, dass wir heute konkret über Fehlerkultur podcasten. Und gestern Abend, kein Scherz, habe ich auf der Couch gesessen und wir erstellen gerade so ein digital kompakt Manifesto. Da sind ganz viele Sachen definiert. Was verstehen wir unter Qualität? Was verstehen wir unter Verantwortung übernehmen? Und ein Punkt war auch, wie gehen wir mit Fehlern um? Und wir haben erst, jeder hat was aufgeschrieben, seine Punkte dazu mit einem Kürzel und dann haben wir alle zusammen diskutiert und jetzt gießen wir das quasi in Reinform. Und ein spannender Punkt, der dann auch aufkam, war, dass eine Mitarbeiterin dann meinte, naja, wir müssen eigentlich einen Rahmen schaffen, dass Leute proaktiv ihre Fehler erzählen, damit andere sehen, dass sie das auch können. Also es geht so ein Stück weit darum, so ein bisschen, ach, wenn der das macht, kann ich das ja auch. Also dass man quasi, wie du es auch gerade gesagt hast, ein Klima schafft. eine Umwelt, wo ich nicht nur weiß, ich kriege den Kopf nicht abgerissen, wenn ich einen Fehler mache, sondern ich im Gegenteil sogar noch eingeladen bin, ihn proaktiv zu teilen. Wie kann sowas gelingen über so eine Fuck-up-Night hinaus, also dass man das institutionalisiert?
Stefan Lammers: Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt, das in der Kultur zu verankern, Bilder zu schaffen zu Anfang, wenn man Kulturveränderungen machen will. Kulturveränderungen laufen in der Regel nicht, so wie es oft versucht wird darüber, dass man eben von der Kommunikationsagentur eine tolle Broschüre erstellen lässt. Eine intensive Kulturveränderung braucht Zeit und Man braucht eben an dieser Stelle auch Bilder, Geschichten, über die man erzählt. Und dazu sind natürlich solche Highlights, sage ich jetzt mal, wie eine Fuck-up-Night erstmal total wichtig. Und dann kommen wir zu dem, was du gerade gesagt hast, dieses Manifesto oder eben auch tatsächlich diese Beschreibung dieser Kultur, die wir uns wünschen. Und da kann man bestimmte Spielregeln miteinander einfach verarbeiten. Beispielsweise das Thema, dass man schlechte Nachrichten sofort eben weitergibt, also wenn irgendetwas nicht funktioniert. Also wir kennen das vielleicht, also bei uns in der Firma beispielsweise haben wir immer einen Deal-Ticker, der läuft über Teams, wo wir uns mitteilen, was ist da gerade neu reingekommen. Aber da kann man eben genauso auch hingehen zu sagen, okay, was ist gerade schiefgelaufen, wo haben wir gerade Kunden beispielsweise nicht gewonnen, was ist in die Hose gegangen, um daraus wieder zu lernen und eine Verbesserung zu machen. Das ist eben etwas, was dann eine Kraft entwickelt, also das Thema schlechte Nachrichten sofort teilen. Dann als Führungskraft ist es auch dieses Thema, sich widersprechen zu lassen. Also die Mitarbeiter zu ermutigen, einen selber auch immer wieder zu challengen. Das ist ja oft ein Einengen dieser Freiheit, dass man das Gefühl hat, das ist so ein Top-Down-Ding, dass die Führungskräfte sagen dürfen, was sie wollen, dass die Mitarbeiter es aber ihren Führungskräften nicht sagen dürfen. Und das erlebbar zu machen, dass das okay ist, dass mir widersprochen wird, dass ich in Frage gestellt werde, dass Dinge, die ich auch falsch gemacht habe, entsprechend benannt werden, das ist erstmal eine ganz große Grundlage an dieser Stelle. Dabei ist es auch wichtig, eben die Sachen, die man selber gemacht hat als Führungskraft, man ist da eben auch wieder derjenige, der die Bilder schafft. Wenn einem selber was misslungen ist, das zu benennen und auch offen zu legen, um das mit den Mitarbeitern dann zu kommunizieren. Und in der anderen Richtung natürlich auch wieder, wenn ich feststelle, dass einer Informationen versteckt hat und da nicht offen drüber geredet hat, auch das wieder sofort zum Thema machen, weil der Mitarbeiter damit ja auch wieder dem Team etwas entzieht. Und ich fand es ganz spannend, bei uns im Unternehmen, wir haben im letzten Jahr einige neue Mitarbeiter eingestellt, unter anderem Natadell, unseren Bildungsmanager. Und der hatte für einen Workshop Unterlagen vorbereitet, die hat er erdrucken lassen. Und dann kam die Situation, dass ich mir die angeguckt habe und gesagt habe, oh, das sind die alten Charts. Dann hyperventilierte er ein bisschen im ersten Moment. War gerade ganz neu dabei, falsche Charts gedruckt und es ging jetzt um einen Workshop nach Hamburg. Und er hat gesagt, was soll ich jetzt machen und wie gehe ich damit um? Und da habe ich gesagt, Nathanael, du brauchst dir gar keine Gedanken darüber machen. Du konntest das gar nicht wissen, dass das ein altes Chart ist. Konntest du überhaupt nicht einsortieren. Wir müssen jetzt gucken, wie wir sicherstellen, dass wir keine alten Charts mehr da drin haben. Gib jetzt einfach das neue Chart in Auftrag und lass es drucken. Und dann guckt er mich an und dann sagt er zu mir, okay, jetzt weiß ich, was du mit Fehlerkultur meinst. Es geht nicht darum, in so einem Moment ihm zu sagen, was hast du da getan oder hättest du da nicht besser nachgucken können oder sonst irgendetwas. Sondern jede Sache, die passiert ist, ist passiert. Und solange sie nicht mit Vorsatz gemacht ist, ist die Frage nach dem Warum nicht wichtig. Sondern es ist die Frage, was machen wir daraus? Was können wir daraus lernen? Wie können wir jetzt etwas damit machen? Und das ist die einzige Frage, die man sich stellen kann.
Joel Kaczmarek: Kennst du mein Lieblingsbeispiel? Habe ich dir bestimmt schon mal erzählt von Dale Carnegie mit dem Piloten?
Stefan Lammers: Nicht, gerade nicht auf dem Schirm.
Joel Kaczmarek: Also das Buch ist ja irgendwie in den, ich weiß gar nicht, erste Jahrhunderthälfte, 20. Jahrhundert entstanden, irgendwann zwischen 1930 und 1940. Und da ging es um einen Piloten, der mit einigen Passagieren losgeflogen ist und in der Luft Ein paar hundert Meter, paar tausend Meter vielleicht sogar, setzten auf einmal die Maschinen aus. So, es war ein sehr erfahrener Pilot, der hat es geschafft, mit geschickten Flugmanövern das Flugzeug gerade so an den Boden zu kriegen. Die Leute wurden nur leicht verletzt, das Flugzeug war natürlich ein Totalschaden, also ist quasi gelandet. Und wie er es sich schon gedacht hatte, stellte sich sehr schnell der Fehler heraus. Der Tankwart hatte einfach beim Flugzeugtypen einen Fehler gemacht und das falsche Benzin eingeführt.
Stefan Lammers: Okay.
Joel Kaczmarek: Und er ist zu diesem Tankwart hingegangen, stapfte über den Flughafen. Jetzt kann man sich mal überlegen, was würde man selbst sagen, wenn man gerade aus einer brennenden Maschine aussteigt, die abgestürzt ist, weil jemand das falsche Benzin eingefüllt hat. Das ist ihm hin und hat gesagt, damit Sie sozusagen wissen, dass ich Ihren Fähigkeiten vertraue, gehe ich davon aus, dass Sie morgen wieder mein Flugzeug betanken, weil Sie ja jetzt wissen, worauf es ankommt. Ist überhaupt nicht hingegangen, hat ihm Vorwürfe gemacht und wie kann das sein und wie kann das passieren, sondern dem war klar, das war nicht mit Absicht passiert. Das war dem selber unangenehm, dass er da um ein, ein, mehrere Menschenleben gekostet hätte. Und dass ihn diese Erfahrung so geprägt hat, dass er so viel daraus gelernt hat, dass er den nächsten Tag erst recht einsetzt. Das ist so mein Lieblingsbeispiel beim Thema irgendwie Fehlerkultur. Ich lege sowieso den Leuten immer ans Herz, Adil Carnegie, wie man Freunde gewinnt. Aber um das nochmal jetzt weiter zu präzisieren.
Stefan Lammers: Ich würde da gerne gerade nochmal eben einhaken wollen in zweierlei Richtungen. Das ist genau dieser Punkt. Wieder einer dieser Punkte, wo etwas Gutes innen liegt in dieser Situation. Und das kennt jeder von uns, dass er, wenn er einen Fehler gemacht hat, das ist so präsent, das passiert einem nicht mehr. Und das ist genau dieser Vorteil, der in diesem Moment da ist. Und jetzt geht er auf den nächsten, der hat den Fehler noch nicht gemacht und es passiert ihm dann in dem Moment. Also wir Menschen entwickeln uns hauptsächlich über dieses Trial-and-Error-System, über dieses Fehlersystem weiter. Aber aus irgendeinem Grund haben wir verlernt, darüber auch zu sprechen und daraus in irgendeiner Form etwas zu machen. Es gibt da zwei Dinge, die ich an dieser Stelle dazu sagen möchte. Das eine ist, wenn ich eine gute Fehlerkultur habe, Wenn ich weiß, dass wir da konstruktiv mit umgehen, dann kann ich in diesen Momenten, wo ein Fehler passiert, auch viel souveräner damit umgehen. Wenn meine geistige Leistung sich darauf konzentrieren muss und einstellen muss, dass ich jetzt etwas vertusche oder versuche, einen Workaround zu finden oder mich nicht traue, die anderen um Hilfe zu fragen, damit sie mir eine Lösung mit mir gemeinsam kreieren, verschenke ich Zeit und verschenke ich Energie und komme vielleicht nicht zu dieser Lösung. Wenn ich aber diese Kultur habe, wo wir damit umgehen können, ich bin dann nicht alleine in dieser Situation, sondern ich kann mir Hilfe holen, ich kann das mit anderen teilen, kann ich viel, viel souveräner und gelassener in diesen Momenten reagieren und kann dadurch natürlich auch viel schneller zu adäquaten Lösungen kommen. Zweiter Punkt, da will ich jetzt auf Aristoteles zurückkommen an dieser Ecke. Also es haben sich schon alle, Konfuzius und so weiter, Iging wurde sich schon mit Fehlerkultur und so weiter beschäftigt, also schon sehr lange zurückgegangen. Und ich finde aber gerade Aristoteles an der Ecke auch nochmal sehr, sehr spannend, weil er eine Unterscheidung macht. Und diese Unterscheidung heißt, es gibt den Begriff Unglück, also etwas, was unvorhersehbar passiert, ohne eine böse Absicht in diesem Moment. Dann gibt es das Thema, was ist ein Fehler, der ist vorhersehbar, aber er hat keine üble Absicht. Und was ist eine böse Tat, wo ich etwas eben machen will, um jemand anderen zu schädigen. Und das ist vielleicht für uns auch nochmal in solchen Situationen ganz hilfreich, sich zu überlegen, inwieweit habe ich denn auch tatsächlich auch das wieder als Entlastung gedacht? Inwieweit habe ich denn tatsächlich die Möglichkeit gehabt, darauf zu reagieren? Dann kann ich mir Gedanken darüber machen, wie ich das verhindere, dass mir das nochmal passiert. Was sind Umstände, die eingetreten sind, wo ich keinen Einfluss drauf hatte? Das ist das Unglück. Da fragt sich dann vielleicht eher der Chef als ich selber. Wenn ich feststelle, dass es eine böse Tat ist, kann ich dann eben fragen, warum hast du diese böse Tat gemacht? und kann dann eine Entscheidung treffen, ob dieser Mitarbeiter dann noch dabei sein soll oder nicht. Aber das hilft vielleicht nochmal eine Differenzierung auch in dieses Thema Fehler reinzubringen.
Joel Kaczmarek: Ja, das ist total gut. Vor allem, ich hatte auch so dieses Thema Design Thinking im Kopf. Da haben Sie uns damals auch diesen Satz beigebracht und den habe ich auf deinen Unterlagen, glaube ich, auch schon mal irgendwo gesehen. Fail early and fail often. Ja. Also je früher du einen Fehler machst, desto schneller setzt dein Wissensvorsprung ein. Und je öfter du Fehler machst, desto intensiver werden quasi deine Lernerfahrungen. Jetzt fragt man sich ja aber so ein Stück weit, ist Fehler gleich Fehler? Also es gibt ja so Scheitern auf kleiner Flamme und man lernt sich sozusagen nach oben. Also es gibt ja auch hier diesen schönen Edison-Spruch, Failure way to success, der gesagt hat, ich kenne 999 Wege, wie man keine Glühbirne baut und habe dadurch den einen gefunden, wie man eine funktionierende Glühbirne baut. Das ist ja so der bekannteste, glaube ich. Aber jetzt hast du meinetwegen so einen Autobauer vor dir sitzen und der sagt, Ja, aber Herr Lammers, wenn hier irgendwie ein Draht in meinem Airbag falsch ist oder in meiner Benzinzufuhr, dann habe ich halt ein signifikantes Problem. Wie kann ich denn eigentlich Fehler sozusagen voneinander unterscheiden? Was ist denn jetzt irgendwie ein Unglück? Was ist ein Fehler? Was ist eine böse Tat? Was ist ein kleiner Fehler? Was ist ein großer Fehler? Wie würdest du an sowas rangehen?
Stefan Lammers: Also ich würde erstmal auf der einen Seite Kategorien schaffen, um die für mich einordnen zu können, überhaupt worum es geht in diesem Moment. Das zweite ist, dass ich natürlich ganz klar unterscheiden muss, bin ich in einem Innovationsprozess, dann bin ich auch bei diesem Thema mache Schnellfehler und oft sehr viel stärker, als wenn ich in einem Produktionsprozess oder in einer Maschine bin. heute morgen ja auch hingeflogen, da hätte ich gerne, dass die Leute sich da vorher Gedanken drüber gemacht haben, was könnte passieren und dafür schon Vorkehrungen getroffen haben und nicht mehr erst im Nachgang. Und wie die das dann rausfinden, dass die für den Flieger die beste Lösung gefunden haben, damit er gut funktioniert, das ist mir egal. Da muss er funktionieren während des Flugs. Die Wahrscheinlichkeit ist aber, dass der Flug sicher durchgeführt wird, viel, viel höher, sollte irgendjemand irgendwo einen Fehler entdeckt haben, dass er auch die Ermächtigung und die Traute hat, das in dem Moment sofort zu thematisieren. Wenn ich das Vertrauen nicht aufbringen könnte, auch in so einem sicheren Prozess, dass die Leute über Fehler nicht sprechen würden, dann würde ich mich in keinen Flieger mehr setzen.
Joel Kaczmarek: Jetzt geht es ja viel darum, ein Umfeld zu erzeugen, hast du gesagt. Das ist ja ein Umfeldfaktor, dass ich die Traute habe, wie du gerade gesagt hast, zu sagen, ich habe einen Fehler gemacht und wie der aussieht. Was ist denn das Forum eigentlich für sowas in einer Firma? Also wir haben zum Beispiel auch bei uns darüber diskutiert, ist das etwas, was man bilateral bespricht? Ist das etwas, was man in einem Teammeeting bespricht? Ist das etwas, was man in einem Fehlermeeting irgendwie extra für anlegt? Was würdest du denn ans Herz legen, wie man Fehler quasi in seine Firmenkultur jetzt mal rein von der Forensbetrachtung her einführt?
Stefan Lammers: Also ich würde das wie eine spannende Erkenntnis betrachten. Also ich würde kein extra Meeting dafür machen. weil das wieder die Gefahr hat, dass es dann viel zu lange dauert, bis darüber gesprochen wird, sondern das muss ein Selbstverständnis in der Kommunikation sein und ich muss mir immer wieder Gedanken darüber machen, für wen ist das interessant und für wen ist das relevant. Und insofern würde ich eine Kultur schaffen, in der eigentlich permanent über diese Themen auch gesprochen wird und das ein Selbstverständnis ist, genauso wie ein neuer Deal, der angekündigt wird oder sowas, der gerade abgeschlossen worden ist. Genauso auch über einen aktuellen Fehler, der gerade da ist, gesprochen wird, um sich eben sofort zu verbessern und ein Lernen für alle rauszumachen.
Joel Kaczmarek: Okay, spannend. Weil der andere Faktor, der mich daran beschäftigt, ist, es geht ja jetzt nicht per se um den Fehler, sondern es geht ja vielmehr um die Erkenntnis aus dem Fehler. Wie gehst du sowas denn an? Hast du Werkzeuge, mit denen man im Prinzip Learnings aus Fehlern institutionalisieren kann, dass ich auch weiß, also A, wie komme ich zur Erkenntnis? und B, wie teile ich die dann mit dem Unternehmen?
Stefan Lammers: Nein, habe ich keine speziellen Werkzeuge. Wir wollen ja jetzt nicht irgendwie die Leute auf eine Spursuche stellen, dass die, sag ich jetzt mal, der Fokus in der Organisation auf Fehler liegt. Es geht darum, wenn Fehler da sind oder wenn Verbesserungsmöglichkeiten da sind, die sofort wahrzunehmen in diesem Moment und sich selbst und dieses Thema wichtig genug zu nehmen, um darüber zu kommunizieren in diesem Moment. Ich bin an der Ecke wenig Freund von der Systematik. Es sei denn, jetzt kommen wir nochmal in diesen anderen Bereich rein, des Fehler-Trackings, Unfall-Trackings, wie ich es eben genannt habe, in Konzernen. Da geht es ja auch um ganz andere Strukturen. Da müssen wir vielleicht nochmal von der Größe des Unternehmens und des Teams unterscheiden. Also alles, was ich gerade gesagt habe, keine Methode und so weiter, würde ich jetzt auf der Team-Ebene lassen. Wenn ich einen Produktionsbetrieb habe mit 100.000 Mitarbeitern, kriege ich ja kein Gefühl mehr dazu, wenn das nur innerhalb des Teams passiert. Da ist es schon wichtig, ein Tracking zu haben in irgendeiner Form. Um ein Gefühl zu haben, beispielsweise, naja, an der Art der Verladung beispielsweise bei einem Logistiker oder sowas, da sind jetzt in dem Werk sowieso und in dem Werk sowieso, da sind überall ähnliche Fastunfälle gewesen. Und das lässt uns dann irgendwann darauf schließen, das ist ein sensibler Bereich, mit dem wir uns mal beschäftigen müssen. Das kriegt dann eine Priorität. Also ich glaube, in solchen Bereichen ist es wichtig, schon eine systematische Erfassung zu machen. Auf der Team-Ebene kommt es, glaube ich, aus dem Team raus, wo ein Team für sich dann entscheidet und sagt, okay, das hat für uns eine Relevanz oder hat keine Relevanz. Joel Kaczmarek: Und trotzdem, ich bin da ja irgendwie so ein bisschen hungrig darauf, zu verstehen, das ist ja ein spannender Faktor. Also sagen wir mal, was du gerade gesagt hast, hier großes Möbelhaus, Logistik, irgendwie in 50 Standorten oder 50 Ländern dieser Welt hat immer genau an der Verlagerung so ein Problem. Was ist die Instanz, die sowas festlegt? Und nimm auch dich im kleinen Rahmen. Du hast jetzt vielleicht irgendwie, was hast du schon gesagt, 80 Mitarbeiter oder 80 Berater? 30. 30, Entschuldigung. Nimm jetzt zum Beispiel dich. Du hast 30 Berater. Dann hast du gesagt, wir verwenden alte Charts. Was ist denn bei euch so das Forum, um zu sagen, okay, wie können wir verhindern, dass das nochmal passiert? Also wer hat dafür den Hut auf, ist ja so ein bisschen die Frage. Wer ist die Instanz? Stefan Lammers: Jeder. Also bei uns hat jeder den Hut auf. Bei uns kommt das witzigerweise sehr oft in den Kernbahnmeetings dort. machen plötzlich zur Sprache, dass dann gesagt wird, oh Mensch, mir ist noch das aufgefallen. Oder auch in unseren Team-Meetings, wo einer da drauf kommt und die Themen auf einmal zum Thema macht und dann wird geguckt, wer hat da den Hut für auf, um das Thema zu solven. Und manchmal geht es auch über verschiedene Instanzen. Wenn wir jetzt mal das Thema Charts nehmen, wir haben an vielen unterschiedlichen Stellen Charts gehabt und so weiter und es gibt gerade eine Bereinigungsaktion unserer ganzen Ordnerstrukturen und ähnliches, die neu aufgebaut werden. Das ist ein riesiger Aufwand, das gerade zu machen. Das macht keine Keiner gerne, weil das ist so eine blödsinnige Arbeit. Aber ich merke jetzt schon einfach, wie das eben nicht nur Fehler verhindert, sondern wie es auch einfach Produktivität bringen kann. Natürlich, wenn du dich da mal einmal durchgequält hast und das Thema machst. Aber wenn nicht vorher verschiedene Meldungen von verschiedenen Leuten gekommen wären, dass wir da gerade entweder unproduktiv sind oder falsche Charts gedruckt haben oder sonst irgendetwas, dann wäre mir das Thema ja nie angegangen. Joel Kaczmarek: Sollte man Fehler dokumentieren? Also wenn Edison sagt, er kennt 999 Wege, wie man keine Glühbirne baut, dann muss er die ja eigentlich irgendwo niederschreiben, so ungefähr. Stefan Lammers: Im großen Kontext ja, im kleinen Kontext würde ich sagen eher nein. Joel Kaczmarek: Was heißt großer Kontext? Stefan Lammers: Großer Kontext heißt, wenn es Teamgrenzen verlässt, wenn es auf Bereichsgrenzen geht, das heißt andere Leute müssen darüber auch informiert werden oder über Standorte hinweg geht, dann ist es glaube ich sehr sinnvoll, dass man eine Instanz hat, haben die meisten Firmen dann auch, die solche Sachen notieren und tracken, um daraus eben wirklich Relevanzen ableiten Joel Kaczmarek: zu können. Stellst du eigentlich fest, dass es so Cluster gibt von Fehlern, wenn man sich mit sowas auseinandersetzt, wenn man eine offene Fehlerkultur hat, dass es so Bereiche gibt, in denen die immer wieder passieren oder dass man die zuordnen kann und auch sollte? oder ist das eher individuell? Stefan Lammers: Das ergibt sich oft, dass dann auf einmal ein Bild daraus wird in der Diskussion, wenn man sich darüber unterhält, dass man feststellt, es haben eben mehrere Fehlern. Also jetzt mal im kleinen Rahmen bei uns mit diesem Thema Charts. Da hat jeder für sich vielleicht schon mal gesessen und hat gesagt, das ist aber irgendwie doof, aber hat nichts draus gemacht. Aber durch den Diskurs darüber, dass erst einer zum Thema gemacht hat, ist auf einmal offensichtlich geworden, dass uns das alle behindert und daraufhin sind wir in Aktion getreten. Joel Kaczmarek: Jetzt beschäftigt mich noch ein anderer Faktor. Als du vorhin von der Fuckup-Neid erzählt hast, habe ich mich dabei ertappt, dass ich manchmal so ein bisschen das Gefühl habe Dass sich Leute mittlerweile fast ein bisschen dran aufgeilen, wenn sie Fehler machen und sie den anderen Leuten preisgeben können. Dass das richtig so ein Profilierungsthema geworden ist. Merkst du das auch? Und meine Vermutung wäre, das schießt etwas übers Ziel hinaus. Richtig? Stefan Lammers: Ja, bist du sehr richtig. Ich merke das auch, dass in manchen Bereichen, da sind wir jetzt gerade eher auch in den Startups unterwegs beispielsweise, das ist teilweise hip. Darüber zu reden dann irgendwann und darum geht es aber überhaupt nicht. Es geht nicht darum, jetzt für sich selbst eine Story aufzubauen und immer wieder zu sagen, wo ich überall gescheitert bin und so weiter und sich damit zu beweihräuchern, dass man doch so offen und so ehrlich ist. Dann kommt man weg von dem eigentlichen Ziel, was dahinter steht, eben Innovationen zu schaffen oder gute Lösungen zu schaffen. Joel Kaczmarek: Es erinnert mich an eine Geschichte, ich sage jetzt mal nicht die Namen, aber es war ein Vortrag, wo ein Gründer, der irgendwie was, ich sage mal, aus dem produzierenden Gewerbe kommt, sich auf die Bühne stellte und meinte so, ja, ich habe irgendwie sieben Startups gegen die Wand gefahren. Und der Mittelständler, mit dem ich wieder geredet hatte, meinte nur so, und ich dachte in der Sekunde, glaube ich sofort. Stefan Lammers: Ja. Naja, das geht ja so weit, dass manche Leute heute schon über ihre Misserfolge auch, also das kann ja auch ein gutes Kriterium sein, wenn man mal sieht, da ist schon jemand gescheitert. Dann ist die Wahrscheinlichkeit vielleicht ja auch ein Stück weit höher, dass er beim nächsten Mal, so wie wir es vorhin schon mal besprochen haben, daraus gelernt hat und das ist ihm nicht normal passiert. Aber wenn ich anfange, damit zu kokettieren, ist es natürlich so eine andere Geschichte. Die Frage ist da beispielsweise, schreibe ich das in den Lebenslauf rein? Also mein ganzes Scheitern? Und wie wird das dann von den anderen Leuten aufgenommen an der Ecke? Also da sollte ich auch vorsichtig sein. Also es gibt Leute, die sowas tun heutzutage schon. Da bin ich wieder so bei dieser Grenze, kokettiert da einer oder ist das wirklich sinnvoll? Was will er mir damit sagen? Der Psychiater fragt nicht immer, was steht da, sondern warum erzählt er mir das gerade? Das ist dann vielleicht eine gute Frage. die man sich stellen sollte und spätestens an dem persönlichen Interview nochmal stellen sollte. Also darum geht es nicht. Joel Kaczmarek: Aber ich habe das zum Beispiel in Israel kennengelernt. Als ich dort war, hat man mir das auch immer mehrfach gesagt, dass israelische Unternehmer stark sogar Wert darauf legen. Da ist die dankbar. Also Investoren war das dann. Das hat mir ein israelischer Investor in Israel gesagt. Wenn ein Gründer kommt und hat eine Firma sozusagen schon mal erfolglos versucht zu etablieren, aber ich sage mal auf einem Level, wo das halt schon mit einem gewissen Fokus und einer gewissen Qualität passiert ist, sieht er das eher als stärkeren Gründer. Stefan Lammers: Absolut, aber da sind wir genau bei diesem schmalen Grat. Geht es gerade darum, um dem Investor zu zeigen, dass ich daraus neue Kompetenzen erworben habe und dass dadurch ein Lernen stattgefunden hat? Also es geht dann auch um die Transformation, was ich vielleicht dann sage, was habe ich daraus eben entsprechend gelernt? Was würde ich jetzt das nächste Mal anders machen? Oder geht es um ein Kokettieren, was ich für ein Held bin? Und das Kokettieren, ich bin ein Held, ist halt nichts als heiße Luft. Joel Kaczmarek: Hast du noch ein, vielleicht abschließend ein schönes Bild für alle, die jetzt sagen, ich möchte für mich eine offene Fehlerkultur schaffen, ohne in eins der Extreme zu fallen, also weder Stigma noch Kokettieren, was das nochmal irgendwie plastisch macht? Stefan Lammers: Ein Bild, mit dem ich ganz gerne arbeite, das kann man auf ganz unterschiedliche Ebenen transferieren. Es kommt eigentlich auch aus dem Thema, Entscheidungen zu treffen, also wie treffe ich eigentlich Entscheidungen? Wenn ich eine Entscheidung treffe, gibt es zwei verschiedene Achsen. Also es gibt einmal die Achse, dass ich, wenn ich eine richtige Entscheidung getroffen habe, sehr, sehr viel Fortentwicklung erziele, Progress erziele, es passiert irgendetwas in diesem Moment. Wenn ich eine falsche Entscheidung treffe und wir gucken jetzt auf die zweite Achse und die zweite Achse ist dann das Thema Lernen. Wenn ich eine falsche Entscheidung treffe, dann erziele ich zwar nicht so viel Progress, aber ich lerne in diesem Moment und wachse. Was ist, wenn ich keine Entscheidung treffe? Ich lerne nicht und ich wachse nicht. Und gleichzeitig erziele ich auch keinen Fortschritt. Und das will ich jedem immer wieder sagen, seid mutiger, Entscheidungen zu treffen. Und wenn ich eine gute Vertrauenskultur an dieser Ebene habe und eine gute Fehlerkultur, dann kann ich auch in diesem Moment eine falsche Entscheidung treffen. und ich verbuche es unter diesem Thema, wir entwickeln uns weiter und lernen darin. Joel Kaczmarek: Man sagt ja auch Lehrgeld zahlen und bei Lehrgeld steht aber Lehre drin. Also man hat ja sozusagen was für bekommen, auch für sein Investment, wenn man so will. Stefan Lammers: Genau. Oder es gibt noch den anderen Spruch in diesem Kontext, der heißt gescheitert. Und in gescheitert steckt gescheit. Joel Kaczmarek: Vor allem gescheiter, also eine Steigerung sozusagen. Schöne, schöne Sprachbilder hier, sehe ich schon. Hervorragend. Abschließend, lass uns nochmal zusammenfassen, dass die Menschen richtig was mitnehmen können. Wie sieht konstruktiver Fehlerumgang aus? So die Top-Punkte. Stefan Lammers: Konstruktiver Fehlerumgang beginnt mit Vertrauen zu bilden und nach vorne zu schauen, es als Feedforward zu betrachten und zu sagen, was lernen wir jetzt aus dieser Situation und wie sorgen wir dafür, dass es uns nicht noch ein zweites Mal passiert, beziehungsweise wenn wir in den Innovationsbereich gehen, sich zu fragen, was ist die Innovation, die wir daraus ableiten können, die wir in Zukunft weiterentwickeln wollen. Joel Kaczmarek: Hervorragend, dann hoffe ich, dass wir ganz viele Menschen dazu animiert haben, offener mit ihren eigenen Fehlern umzugehen und toleranter mit denen der anderen und ganz viel Lehren draus ziehen. Vielleicht nehmen wir das Chart nochmal und verlinken das. Also es ist echt schön, so vertikale Achse, Fortschritt, horizontale Achse, Lernerfahrung und dann merkt man, egal ob richtige oder falsche Entscheidung, Entscheidung treffen bringt einen weiter. Das ist, glaube ich, auch, was Zuckerberg mal sagt von Facebook. There's no worse decision than no decision oder so ähnlich. Genau. Also, ich sehe schon, viel gelernt heute. Wolltest du noch was Abschließendes sagen? Stefan Lammers: Ich würde gerne nochmal einen Aufruf machen zum Schluss unter dem Aspekt, wenn ihr spannende Fehler habt, aus denen ihr viel gelernt habt, lasst sie uns zukommen. Vielleicht veröffentlichen wir die auch mal an irgendeiner Ecke. Vor allen Dingen, um diese Insights daraus zu destillieren. Das ist vielleicht nochmal ein ganz spannender Punkt, der andere Leute auch motiviert, offen mit Fehlern umzugehen. Joel Kaczmarek: Ja, sehr gerne. Wir haben sogar witzigerweise eine Artikelreihe bei Digitalkompakt mal gehabt. Meine fünf größten Fehler, wo eine ganze Reihe von Leuten drin ist. Ich weiß, mit Roman Kirsch von Lesar hatten wir einen gemacht und noch zwei, drei anderen. Wir haben sogar schon überlegt, wir eine ganze Fehlerfibel draus machen, dass wir sagen, was sind die Fehler, was habe ich draus gelernt? In diesem Sinne, schreibt uns einfach, kommentiert und an dich wie immer lieben Dank, lieber Stefan. Stefan Lammers: Danke.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Leadership: Dazu spricht Joel regelmäßig mit Stefan Lammers von SLBB, der auf die Entwicklung von High Performance Teams spezialisiert ist. Du bist hier genau richtig, wenn du auch zur High Performance Führungskraft werden und erfahren willst, welche Potenziale in deiner Führung stecken. Ob für dein gesamtes Unternehmen oder für dein Team – mit diesem Podcast katapultierst du deinen Führungsstil auf ein neues Level.