Vom Startup zum Unicorn 16 🦄: Die Wichtigkeit des Kundenwertversprechens

28. März 2024, mit Joel KaczmarekFlorian Heinemann

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und habe hier wieder das dynamische Duo in Sachen Gründertum an meiner Seite. Nämlich zum einen den lieben Florian Heinemann, kennt ihr alle bei Project A Partner und Koryphäe in Sachen Marketing und Unternehmertum. Und zum anderen den guten Martin Schilling. Kennt ihr auch, der ist bei Techstars der Deutschlandchef und hat ein großartiges Buch geschrieben, nämlich The Builder's Guide to the Tech Galaxy. Und wenn wir drei zusammenkommen, dann geht es immer um die Frage, wie erhöhe ich eigentlich meine Erfolgswahrscheinlichkeit, um vom Startup zum Unicorn zu werden. Gar nicht als Selbstzweck, dass man hier auf dicke Hose machen kann und die Mark Zuckerberg hier in Pantoffeln beim Investor reinlatscht, sondern einfach, um mal unternehmerische Relevanz in diesem Land zu schaffen, was ja schwer genug wird, wenn man sich den Weltmarkt mal anguckt. So, und fürs heutige Mal haben wir uns das Thema Kundenwertversprechen vorgenommen und warum das natürlich in der frühen Startup-Phase so wichtig ist. Also schon mal vorneweg, wir gendern mal Kundenwertversprechen nicht, aber ansonsten versuchen wir das natürlich schon. Und heute erwarten dich dabei fünf Puzzlesteine, nämlich einerseits, wenn wir mal drüber reden, wie geht es eigentlich mit dem Geschäftsproblem zurande, was ist eigentlich das Idealkundenprofil, wie geht man hin und adressiert Kundenbedürfnisse, die bis dato nicht adressiert sind. Dann werden wir ein bisschen über Produktfunktionen reden. und als Bonus noch ein kleines Geheimrezept in Sachen Wertschöpfung. So, also, einiges, worüber man sich verfolgen darf. Ihr beiden, moin moin, schön, dass ihr da seid. So, also hohes Kundenwertversprechen hoffentlich schon mal für diesen Podcast hier geliefert. Martin, lass uns doch mal irgendwie straight rein starten. Also was wir im Prinzip hier tun, ist ja Value Proposition, würde man sonst so auf Gründerdeutsch sagen. Sprich, wem löse ich eigentlich welches Problem, durch? was habe ich von dir gelernt? Also in deinem Buch gibt es ja da ganz viele Anleitungen. Alles beginnt ja immer mit einem Problem bekanntermaßen. So, hast du da für dich so eine Formel entwickelt, wie du da den ersten Schritt wagst, das Herangehen, weil da wollen wir ja heute ein bisschen eintauchen.

Martin Schilling: Also vielleicht, bevor wir über Probleme sprechen nochmal, warum ist Kundenwertversprechen überhaupt wichtig? Neben Team und Traktion gucken da Investoren immer besonders drauf. Also wenn du in der Lage bist, ein Kundenwertversprechen super klar zu artikulieren, dann kannst du nicht nur besser gegenüber Kunden verkaufen, sondern auch gegenüber Investoren. Also das ist oft eines der ersten Fragen, die man da gestellt bekommt. Deswegen da in diesen fünf Puzzlesteinen klar zu sein, ist eben super hilfreich. Erstens ist das Problem. Also ich mache mal ein gutes Beispiel für so einen Problemaufriss, wenn du mit Investoren sprichst. Also der Mangel an automatisierten Gewächshausbetrieben verursacht bei Lebensmittelproduzenten jährlich bis zu 25 Prozent Ernteverluste. Das ist ein gutes Beispiel, weil hier jetzt der Gründer, die nennen sich Hexafarms, drei Dinge relativ klar hinbekommen. Erstens, was ist das Geschäftsproblem? Also Mangel an automatisierten Gewächshausbetrieben. Dann können die schon so eine Brücke bauen zum Idealkundenprofil, dem Ideal Customer Profile. Das sind jetzt hier die Lebensmittelproduzenten. Und dann quantifizieren sie noch was im Problem. Also jährlich bis zu 25 Prozent Ernteverluste. Das ist ein gutes Beispiel. Andere Firma, die sagt, mehr als 30 Prozent der kleinen und mittleren Automobilen Zulieferer in Deutschland nutzen keine Industrieroboter, weil mehr als 30% täglich die Fertigungsstraße ändern müssen und 40% sich das gar nicht leisten können. Also auch das gutes Beispiel, wieder die drei Dinge. Du hast ein Geschäftsproblem, was du beschreibst. Du hast schon einen Kunden, den du da reinbaust in das Problem und quantifizierst die Schmerzen.

Joel Kaczmarek: Hast du noch ein schlechtes Beispiel?

Martin Schilling: Finanzierung von Klimawandelprojekten ist kaputt. Die Mittel fließen nicht in die wirkungsvollsten Projekte. Das ist eins von vielen schlechten Beispielen. Florian und ich haben da glaube ich ja Hunderte wahrscheinlich gelesen. Fairerweise ist es auch gar nicht so einfach, das sauber hinzuschreiben. Aber wenn du sehr generische Makro-Probleme beschreibst, also jetzt Finanzierung von Klimawandelprojekten ist sehr generisch, mittelfließend nicht entwicklungsvollste Projekte, da ist jetzt keine Qualifizierung drin, da ist jetzt kein Kunde drin, auch das Problem nicht ganz genau klar, das wäre so ein schlechtes Beispiel.

Joel Kaczmarek: Sag mal Florian, wie ist es dir denn eigentlich so ergangen, wenn du mal deine Investoren-Historie so Revue passieren lässt? Wie viele Unternehmen, die bei dir pitchen, sind denn eigentlich mit einem Problem gestartet? Weil uns haftet da als Deutschen ja auch lange so der Ruf an, dass wir so nur Copycat-Guys sein, dass wir uns eigentlich gar nicht für Probleme interessieren, sondern dass man irgendwie immer nur so nach Modellen guckt und dann schaut, worauf werfe ich dieses Modell, worauf kann ich das applizieren? Weißt du, was ich meine? Also wie viel beschäftigen sich überhaupt mit dem Frage-Problem?

Florian Heinemann: Ja, ich glaube, das hat sich schon sehr geändert. Also ich glaube, die meisten Leute beschäftigen sich schon mit dem Problem. Und Problem wird ja nicht weniger relevant oder kleiner oder größer, nur weil jemand anders sich auch schon mit dem Problem beschäftigt. Also insofern, ich war ja nie so der große Freund dieser Copycat-Diskussion. Ich fand die eigentlich wenig zielführend, weil nicht nur im Digitalbereich, sondern auch ansonsten gibt es ja immer viele Leute, die sich um Probleme kümmern, wenn das Problem groß genug ist. Das hat ehrlicherweise noch nie geschadet. Da war immer so ein bisschen dieser implizite Monopolanspruch drin, wenn ich der Erste bin, der sich um ein Problem kümmert, dann sollte ich auch der Einzige sein. Da frage ich immer, warum jetzt eigentlich genau? Aber ich habe schon den Eindruck, dass auch gerade mit der Veränderung, was wir schon sehr stark sehen, weniger reine BWLer-Teams hin zu sehr produktlastigen, technologielastigeren Gründerteams und der Wandel ist ja ganz klar jetzt erkennbar. Ich glaube, sich diese Mühe zu machen, das hilft halt schon enorm. Du hast ja relativ wenig Zeit als Gründer. Du holst Geld von irgendwelchen Business Angels und zwölf 16, 18 Monate später musst du ja das nächste Geld in der Regel holen von irgendwelchen VCs oder weitergegebenen Investoren auf Basis dessen, was du erreicht hast. Und wenn du natürlich eine etwas unklar formulierte Problemstellung hast, dann tust du dich natürlich schwerer, dich zu fokussieren. Und iterieren ist ja schön innerhalb von einer klar spezifizierten Problemstellung, aber wenn du noch iterierst auf der Ebene der Problemstellung, also was ist jetzt genau mein Zielkunde, dann braucht das natürlich wahnsinnig viel Zeit und die Gefahr ist natürlich einfach, dass du, bis dir das Geld ausgeht, du keinen Fortschritt erzielst, zumindest keinen ausreichenden, um dein Geld zu holen. und deswegen ist es glaube ich so wichtig, bevor man loslegt, zumindest mal eine Hypothese dazu zu haben, was das Problem genau ist und für wen ich da eigentlich was genau löse. und Und dann kann man ja sagen, wie das bei Hypothesen immer so ist, ich falsifiziere jetzt diese Hypothese, also sprich, das, womit ich ursprünglich mal angetreten bin, das kann ja sein, dass ich dann lerne im Verlauf, vielleicht ist doch eine andere Gruppe relevanter oder das Teilproblem innerhalb dessen ist doch wichtiger und nicht hier ist eigentlich das große quantifizierbare Problem, sondern dort. Das ist alles total legitim, aber ich glaube, was ich schon auch ein Stück weit von Olli Sommer gelernt habe, der war halt immer brutal fokussiert auf möglichst kleine Teilprobleme und hat dann immer versucht, eben das konzentriert zu lösen und dann zum nächsten Problem zu gehen. Und erfahrungsgemäß hilft das Gründern und Gründerinnen einfach sehr dabei, da möglichst effizient, auch kapitaleffizient und zeiteffizient zur nächsten Runde sich zu bewegen. Bei jedem VC oder bei jedem Investor, wo du pitchst, sind ja häufig hunderte, tausende von Leuten, die gerne Geld haben wollen und da bist du natürlich schon als jemand, der nicht so fokussiert sagen kann, was er da eigentlich jetzt genau macht, fällst du natürlich schon ab im Vergleich zu anderen, die das eben können. Manche Gründer treten auch hier an und die wollen das dann gemeinsam mit dir diskutieren, was denn wahrscheinlich ein guter Startpunkt wäre und davon kann ich eigentlich auch nur abraten. Also ich glaube, man sollte immer selbst eine klare Vorstellung haben. Da kann man immer noch in der Diskussion auch mit Investoren dazu kommen, dass es vielleicht was anderes ist, was relevanter ist. Aber ich finde, sich selbst einmal die Mühe zu machen, das wirklich Ende zu Ende zu durchdenken und zu formulieren, das macht immer Sinn. Da kann man auch deutlich konstruktiver dann mit Angels oder mit anderen Investoren diskutieren, dass auch so ein bisschen die Erfahrung und die Qualität des Feedbacks, das man bekommt auf die eigene Idee, nimmt ab. auch sehr stark damit zu, je klarer man darin ist, die Dinge zu formulieren, weil da kann man natürlich viel spezifischer und gezielter diskutieren dazu.

Joel Kaczmarek: Also ich habe ehrlich gesagt auch den Eindruck, dass das massiv zugenommen hat, dass Gründungen wirklich mit so den klassischen Templates eigentlich starten, dass du mit Canvases arbeitest, dass du sagst, ich arbeite mir irgendwie Ideal Customer Profiles raus, ich setze mich irgendwie hin, nehme zum Beispiel auch solche Bücher wie von Martin über Überleg mir, was ist so der Nordstern, welche Metrik betrachte ich, was ist die Problemstellung, wem löse ich dieses Problem etc. pp. Also ich würde es ja fast zuspitzen und würde sagen, wenn du das nicht hast, bist du eigentlich gar nicht mehr so richtig tauglich für wahrscheinlich Investoren, oder?

Martin Schilling: Sich mit den Themen, die wir jetzt hier auch sprechen, tiefer zu beschäftigen, machen viele. Aber deswegen ist jetzt, glaube ich, auch unser Podcast ganz relevant. Da ist oft noch zu wenig Schärfe und Tiefe drin. Je präziser du in der Lage bist, jetzt hier das Kundenwertversprechen aufzuschreiben und zu kommunizieren, desto klarer kriegst du noch Feedback zurück. Das würde uns jetzt auch, glaube ich, schon mal zum zweiten Punkt führen. An wen verkauft man Idealkundenprofil? Das ist eine ganz einfache Frage, die erstaunlicherweise zumindest in den frühen Phasen oft zu wenig artikuliert wird. An wen verkaufen wir überhaupt? Wem schicken wir die Rechnung? Und du kannst an ein paar Variablen festmachen, wer dein Idealkundenprofil ist. Ich nenne mal sechs. Jobtitel, Branche, Region, Unternehmensgröße, Technologie und Geschäftsprobleme. Hier nochmal von dem Gewächshaus, von der AI-basierten Firma, die die Gewächshäuser unterstützt. Wir verkaufen an Geschäftsführer und Betriebsleiter von Gewächshäusern. Das ist jetzt der Jobtitel. Gewächshäuser und Indoor-Farmen, die Branche in Europa, Region, mit 2 bis 10 Millionen Euro jährlichen Umsatz. Das ist jetzt die Größe. Die LAN-Kabel-Technologie ohne KI verwenden und Lösungen suchen für Pflanzenüberwachung und Energiekostenschwankungen. Das ist ein technologiekompetenter. und auch nochmal der genaue Schwerz erwähnt. Das ist ein gutes Beispiel, wo du sagst, okay, die haben sich Gedanken gemacht, an wen verkaufen sie, welche Branche, welche Regionen, welche Größe des Unternehmens, was ist noch die relevante Technologie und was ist das Problem, was sie eigentlich da lösen. Aber das kriegst du nur so präzise hingeschossen. Entweder, wenn du schon wirklich im Markt bist und verkaufst und auch wirklich mit dutzenden Kunden das schon diskutiert hast und auch siehst, wo du Traktion hast. Oder zumindest, wenn du das validiert hast, mit dutzenden möglichen Kunden.

Joel Kaczmarek: Ich wollte mich gerade fragen, was so deine Formel ist, um zu so einem Präzisionslevel, dass man das so formelhaft bauen kann. Also was ist vielleicht auch die Zeitachse? Weil das klang ja bei dir gerade schon raus, das ist gar nicht mal eben in der Woche gemacht, sondern eher ein sehr iterativer Prozess. Hast du da irgendwie einen Weg gesehen, den erfolgreiche Unternehmen dafür bestreiten?

Martin Schilling: Was die Herausforderung jetzt, ich spreche jetzt von der ganz frühen Phase hier eher, also jetzt so Pre-Seed in dem Bereich, im Kern fährst du ein Experiment nach dem anderen. Also du überlegst jetzt, verkaufe ich jetzt hier an die Gewächshäuser oder ist es doch vielleicht der Supermarkt, der irgendwie eine Indoor-Farm hat. Also da hast du im Kern Hypothesen zu verschiedenen Idealkundenprofilen. Und gehst dann zu den verschiedenen Kunden hin und validierst das mit denen. Also du machst Interviews, guckst, wie er dir schnell ein LOI unterschreibt, also ein Letter of Intent, wie er schnell mal Pilotkunde wird. Also wir sehen das ganz oft, dass Gründer da irgendwie mit drei, vier Hypothesen rausgehen und da eine ganz klare Präferenz haben für einen bestimmten Kundentyp und dann da einen Kunden nach dem anderen ansprechen oder auf eine Messe nach dem anderen gehen und teilweise völlig frustriert zurückkommen und sagen, da geht gar nichts. Und dann plötzlich kommt von der Seite so eine E-Mail von einem Angel-Investor, der zufällig auch Kunde werden will, ein zweiter Kundenprofil ist. Und die Gründerinnen dann sehen, oh Moment, interessant, hier gibt es noch einen ganz anderen Typus von Kunden, für den wir vielleicht viel mehr Wert schaffen können. Also deswegen, du kommst nur dahin, wenn du sehr schnell integrierst am Anfang.

Florian Heinemann: Wenn du einfach irgendwelche Kundeninterviews führst, das ist natürlich etwas anderes, als wenn du wirklich sagst, ich habe die fünf, sechs Hypothesen und die versuche ich jetzt zu bestätigen oder zu falsifizieren. Das ist halt eine tendenziell deutlich systematischere Vorgehensweise. Und deswegen ist es, glaube ich, wichtig, erstmal vielleicht ein paar losere Interviews zu führen, um die Branche zu verstehen, wenn ich sie noch nicht so richtig gut verstehe. Dann aber im nächsten Schritt wirklich so schnell ich kann, halbwegs valide Hypothesen abzuleiten und spezifische Hypothesen. Das spart auch Vertriebsineffizienz und Frustration. Und wichtig, Wichtig ist eben nicht nur, welche Zielgruppe, sondern auch, warum kaufen diese Menschen dann eigentlich und wer kauft da eigentlich. Und gerade im B2B ist es natürlich dann nochmal komplizierter, weil da hast du dann häufig Kunden, der es dann wirklich nutzt, aber dann hast du häufig noch ein Einkaufsdepartment und dann hast du häufig noch irgendwelche Leute, die von der Seite reinkommen, also so Buying-Center-Strukturen. Da wird das schon ein bisschen komplizierter, aber ich glaube, sich da einmal Gedanken zuzumachen, wie da Hypothesen aussehen und wie du die auch sinnvoll falsifizieren oder bestätigen kannst.

Joel Kaczmarek: Hast du mal einen Zeitrahmen, Florian? Was würdest du sagen, ist die typische Länge, die man braucht, um seinen idealen Customer-Profile relativ future-proof zu haben?

Florian Heinemann: Ich glaube, das ist sehr schwer a priori zu sagen. Das hängt aber wahnsinnig von deinem eigenen Vorwissen ab. Und es hängt natürlich auch sehr stark davon ab, wie relevant ist für deine Kundengruppe das Problem, was du jetzt da löst. Wenn du jetzt ankommst zu Leuten, die, keine Ahnung, Customer-Service-Infrastruktur betreiben und denen sagst, Ich habe hier ein KI-Tool, damit machst du deine Customer Service Agents 30, 40 Prozent effizienter und du siehst bei deinem Chef richtig gut aus. Dann hast du wahrscheinlich nächste Woche einen Termin, wenn du jetzt sagst, also wir haben hier irgendwie etwas, wie man das Wissensmanagement im Customer Service Bereich auf eine 5 bis 10 Jahresperspektive total steigert. Da würde man sagen, okay, Wissensmanagement, was auf fünf bis zehn Jahre irgendwie eine gute Idee ist, das ist in 2024 wahrscheinlich nicht ganz so einfach. Da wärst du wahrscheinlich in 2020 und 2021 deutlich besser mit angekommen. Deswegen kommt es, glaube ich, schon sehr davon ab, wie akut ist im Prinzip das Thema in der Problemhierarchie deiner Kunden. Das kann aber auch wiederum eben Teil deiner Hypothesenbildung sein, dass du halt sagst, in dieser Kundengruppe hier sind wir in der Problemhierarchie unter den ersten eins bis fünf, dann geht der Prozess halt deutlich schneller.

Joel Kaczmarek: Gut, also jetzt haben wir schon mal über Probleme geredet. Wir haben irgendwie geklärt, an wen verkaufen wir eigentlich. Jetzt kommt natürlich die Frage, warum kaufen KundInnen? Also das, was man auch gerne als das nicht adressierte KundInnen-Bedürfnis nennt. Wie ich dich kenne, Martin, hast du doch da wieder eine Formel am Start.

Martin Schilling: Also ich verweise mal auf den lieben Gero Decker, der ja auch hier im Podcast öfters mal war, der das ganz gut ausgedrückt hat und der sagt ja so, löse mir ein Compliance-Problem, dann gebe ich dir einen Euro als Kunde, löse mir ein Zeit- und Kostenproblem, dann gebe ich dir zwei Euro, organisiere mir mehr Umsatz, dann gebe ich dir fünf Euro. Und da sollte man sich sehr, sehr klar sein als Gründer, wo zahle ich da ein? und dann kann ich das quantifizieren. Das ist das Entscheidende. Also jetzt im Prinzip bin ich in der Lage, quantifiziert zu sagen, was meine Wirkung beim Kunden ist. Also Beispielen, wenn deutsche Automobilzulewerer und OEMs unsere cloudbasierte Plattform für die Roboterautomatisierung nutzen, können sie erstens die Automatisierung in weniger als 30 Minuten für die Kleinserienfertigung einsetzen, zweitens Arbeitsintensität und Arbeitskosten um 40 Prozent senken. Und drittens 40.000 Euro pro Jahr sparen. Das ist eine sehr gute Art und Weise, das auszudrücken. Also im Kern, du bist in der Lage, über erste Studien, die du machst bei den Kunden, über erste Pilotprojekten, vielleicht auch mal über ein paar Studien, die du jetzt einfach recherchiert hast, bist du in der Lage, quantitativ zu sagen, warum sollten Kunden kaufen.

Florian Heinemann: Man muss ja immer überlegen, wie kann man es der Person, die man anspricht, auch möglichst einfach machen, das intern wiederum gut zu verkaufen, weil das ist ja das, das eine ist ja, dass du irgendjemanden überzeugst, aber wie kannst du es der Person möglichst einfach machen, intern dann wiederum die Ressourcen, weil das ist ja in der Regel, klar, wenn du eine Endkonsumentin oder einen Endkonsumenten davon überzeugst, betrifft das ja nur diese Person, die macht das mit sich selbst aus und dann guckt sie sich ihr verfügbares Budget an und dann kauft sie und dann kauft sie nicht. Das ist natürlich in einem Corporate-Setting häufig anders und das fällt ja immer wieder auf, wenn du halt sagst, du kannst 20% sparen oder so und so viel mehr Umsatz machen. Da kriegt man halt sofort interne Aufmerksamkeit, interne Ressourcen, interne Priorität. Im Zweifelsfall wirst du ja nicht in der Lage sein, mit allen internen Personen innerhalb des möglichen Kundenunternehmens zu sprechen, sondern du hast häufig den einen Kontaktpunkt. Aber in der Regel müssen die halt wiederum andere kommunizieren, mit denen du gar keine Interaktionspunkte hast. Das heißt, da kannst du nicht als Person überzeugen oder da kannst du nicht über Sympathie überzeugen, sondern da musst du halt über möglichst einfach kommunizierbare Fakten überzeugen. Und das sind halt in der Regel quantifizierbare Dinge. Und da gibt es auch wenig Missverständnisse. Das ist auch ganz gut. Deswegen sind ja auch solche Themen so wichtig, wo man dann auch zeigen kann, guck mal, andere haben das auch schon so gemacht. Guck mal, das und das wurde erreicht bei einem mit dir vergleichbaren Kunden, der auch noch als relativ sophistiziert gilt. Der Kunde so und so hat 30 Prozent gespart und der sagt mir ja noch was und da könnte ich theoretisch dann auch anrufen und fragen, ob das wirklich so war. Das ist dann vielleicht nochmal so die Steigerung der Quantifizierung, so die Hinterlegung mit Trust-Signalen. Weil letztendlich ist ja das, was man macht, man signalisiert. Der Kunde kauft ja irgendwas unter Unsicherheit oder soll irgendwas unter Unsicherheit kaufen und man versucht letztendlich über vertrauensbildende Signale dessen Unsicherheit zu reduzieren.

Martin Schilling: Genau, vielleicht nochmal kurz anschließend. Wir sprechen jetzt hier vor allen Dingen von B2B-Fällen. Also wir verkaufen an andere Unternehmen, weil es einfach auch viele Startups gibt in dem Bereich. Wenn man im B2C-Bereich unterwegs ist, also gegenüber Konsumenten, sind diese Bedürfnisse komplexer. Also da hast du eben nicht nur Compliance-Kosten mehr Umsatz, da gibt es eine ganze Reihe von Bedürfnissen, die man adressieren kann. Bain hat da eine gute Pyramide gebaut. Also wer das sucht, das ist ein guter Startpunkt. Das nennt sich die Elemente von Wert, also Elements of Value von der Firma Bain & Company. Das ist ein guter Startpunkt für alle B2C-Gründer und Gründerinnen, um da mal anzugucken, welche Werte man als Konsumenten man adressieren kann.

Joel Kaczmarek: Ja, super spannend. Sehr schön. Also wir hangeln uns durch unsere fünf Puzzlesteine durch. Der erste war das Problem. Also welches Geschäftsproblem lösen wir? Das zweite, das Ideal Customer Profile, also an wen verkaufen wir? Das dritte, die nicht adressierten Kundenbedürfnisse. Aber warum kaufen Kunden? Und dann kommt natürlich noch die Frage nach den Funktionen, so Sprichwort Featureitis. Also was kaufen Kunden eigentlich? Bin ich einmal neugierig, wie da deine Formel lautet, Martin.

Martin Schilling: Also wenn du sagst Featureitis, das ist was in der frühen Phase oft fehlt, interessanterweise. Also in der Lage zu sein, ganz präzise zu sagen, hey, was sind denn meine Top-3-Produktfunktionen-Features, die ich liefere. Also da ist die Formel, wenn man sagen könnte, wir liefern Kategorie meiner Lösung mit Merkmal oder Funktion 1, Funktion 2, Funktion X. Beispielen, wir bieten eine visuelle Programmierplattform für die Automatisierung von Robotern, die erstens unabhängig von der Marke der Roboter ist, zweitens mit Gestensteuerung und visueller Programmierung zehnmal schneller programmiert werden kann und drittens in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern eingesetzt werden kann. Also da sind jetzt relativ klare Funktionen da und die mal genau rauszuarbeiten, das kann man natürlich auch mit einem Video machen oder einfach mal zeigen, wie das Produkt aussieht, das fällt am Anfang vielen schwer, weil du natürlich gerade auch dabei bist, erst das Produkt zu bauen und zu iterieren. Also deswegen da sehr klar mit den Funktionen unterwegs zu sein, am Anfang hilft.

Joel Kaczmarek: Ich meine Florian, vielleicht können wir es ja nochmal auf so eine Abstraktionsebene heben, weil ich finde, es gibt ja auch ganz oft den Fall, dass man Kundenbedürfnisse und Probleme irgendwie identifiziert. Sie sagen aber anderes, als sie zum Beispiel auch kaufen. Also so Klassiker ist ja zum Beispiel so Security. Da schreien irgendwie alle nach, aber sie kauft irgendwie keiner. Oder umweltfreundlich sollte es sein und es kauft dann irgendwie auch keiner. Was ist die Brille, mit der du auf dieses Thema drauf schaust?

Florian Heinemann: Du brauchst eigentlich eine Hook-Funktion. Der sozusagen, der ist, den die Leute wirklich cool finden. Das können unterschiedlichste Dinge sein. Also was ich jetzt, wenn du sagst, jetzt im B2C-Bereich, Trade Republic, wenn du sagst, hier guck mal, du kannst auf einmal für einen Euro traden oder du kannst Fractional Trading machen. Du kannst sozusagen einmal im Monat 20 Euro Nvidia besparen. Ob das jetzt sinnvoll ist oder nicht, das sei jetzt mal dahingestellt. Aber das finden Leute halt cool. Und dann fängst du halt an, dich auch mit den anderen Funktionen zu beschäftigen, die du dann auch irgendwie hast. Und ich glaube, zu erkennen, für welche Kundenpersona, und das ist eigentlich egal, ob es B2C oder B2B ist, der Hook-Case, warum Leute mit dir sprechen und wo du auch eben sozusagen diese Priorität erzeugst, das muss man irgendwie rausarbeiten. Viele andere Dinge sind auch sinnvoll dann. Aber ich glaube, durch die breite Masse an Funktionen kann man eine fehlende Hook-Funktion nicht kompensieren. Ich glaube, wenn man das beherzigt, steigert man schon mal deutlich die Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn man das klar beantworten kann.

Joel Kaczmarek: Gut, und ich habe da auch eine schöne Brücke rausgehört zu unserem fünften Puzzleteil, nämlich das, was quasi die Bonusfunktion ist für erfolgreiche Unternehmen, wenn man auch ein ganz eigenes Geheimrezept der Wertschöpfung gefunden hat. Also ich finde so ein schönes Wort, was ja da immer wieder auch aufkommt, ist so das Wort Flywheel, was viele durch Amazon ja auch irgendwie kennengelernt haben. Hast du da ein paar schöne Beispiele für, Martin?

Martin Schilling: Was so ein Stück weit, würde ich sagen, aus Investorsicht Bonus ist und auch wahrscheinlich für viele sehr zentral, wenn du in der Lage bist, also auf einer Folie darzustellen oder auf der Webseite, Was hat deine Firma rausgefunden, was andere nicht rausgefunden haben? Das von dir angesprochene Schwungrad ist ein typisches Beispiel. Jetzt die ganzen Gen-AI-Startups, die gerade kommen, die können zum Beispiel argumentieren, hey, also ich baue gerade einen Schwungrad. In einem bestimmten Anwendungsfall bekomme ich jetzt relativ viel Daten. Deswegen werden meine Algorithmen besser. Deswegen wird das Produkt besser. Kommen wieder mehr User rein, die mir wiederum mehr Daten bringen. Das ist ein typisches Schwungrad. Amazon hat da angefangen. Jetzt Gen-AI wäre so ein Fall, wo man das darstellen kann.

Joel Kaczmarek: Da dockt ja eine ganz interessante Frage an. Bei den ersten vier Themen, die wir bisher hatten, stellt sich aber irgendwann im fünften Schritt die Frage, was kann ich denn eigentlich für Barriers of Entry schaffen? Also genau dieser Aspekt, was kann meine Firma, was vielleicht nicht so leicht kopierbar ist, was ja Florian auch immer predigt. Hast du da so eine Formel für dich gefunden, Florian? Welchen Unternehmen gelingt das eher? Was sind so Bausteine, die dafür wichtig sind? Weißt du, was ich meine?

Florian Heinemann: Häufig basiert diese besondere Wertschöpfung auf irgendeiner überlegenden Nutzung oder schlauen Nutzung von Technologie oder Produkt. Und das ist eigentlich auch etwas, worauf wir jetzt irgendwie relativ stark achten, wenn wir frühphasig investieren, weil da eben häufig dann sich die Quelle für Netzwerkeffekte drin versteckt oder dass so die Basis dann werden kann dafür, auch von der Balance in so einer Firma, dass man halt wirklich versucht, eine Technologie, Schrägstrich Daten, Schrägstrich Produkt, Firma zu bauen, was sich dann auch darin widerspiegelt, dass Top-Leute aus diesen Bereichen im Management vertreten sind, im Top-Management, idealerweise im Gründerteam, aber eben auch von der Anzahl an Personen, da arbeiten, dass da eben ein ausreichendes Gewicht auf diesem Bereich ist, auch in einer relativ frühen Phase schon. Also ich weiß, das ist jetzt relativ abstrakt, viel konkreter kann man es nicht machen, weil das eben wirklich vom Einzelfall abhängt. Wenn du nicht eine Firma bist, die von Anfang an so denkt, dann ist es sehr schwer, da den Hebel umzulegen. Also man kann nicht sagen, so ich mache jetzt mal Execution-basiert, so war das ja so ein bisschen bei Rocket, da wurde immer so Execution-basiert, irgendwas dann ausgerollt, mit Manpower irgendwie totgeschlagen. Wenn du dann versuchst, eigentlich eine Technologiefirma zu werden, das gelingt nicht vielen Firmen.

Martin Schilling: Wir haben jetzt über Schwunggeräte und Netzwerkeffekte gesprochen. Das kriegt nicht jede Firma hin. Da gibt es noch ein paar andere wirklich relevante Überlegungen, wie du das machen kannst. Also nochmal die Idee, wenn du in der Lage bist, als Firma mit einem Bild zu sagen, das machen wir anders als die anderen, jetzt zu dem Punkt von Florian, gerade auf der technologischen Seite, dann ist das wahnsinnig überzeugend. Also jetzt weitere Ideen neben so einem Schwunggerät, zum Beispiel, wir sehen viele Firmen, die Wertschöpfungsketten von Industrien disruptieren. Also du hast zum Beispiel eine Firma, die sagt Es gibt eine Wertschöpfungskette, um für Green-Tech-Projekte Emissionszertifikate zu produzieren. Und die ist aktuell sehr langsam. Das dauert Monate. Die ist sehr teuer. Da bleibt mindestens 30 Prozent an Intermediären hängen. Jetzt komme ich als Startup rein, baue da eine neue Technologie und mit mir kannst du Zertifikate innerhalb von wenigen Wochen mit einem Bruchteil der Kosten hinbekommen. Also das als eine Idee. Oder du hast so eine Art Prozessinnovation, wo du sagst, es gibt so ein traditionell, jetzt in einem Krankenhaus zum Beispiel, da gibt es einen Chirurg, der macht Tradition. Trauma-Operationen, normalerweise dauert die Planung einer Operation vier Stunden, mit unserem Tool dauert sie vier Minuten. Deswegen also mit einem Bild mal zu sagen, hey, das ist die Kernwertschöpfung und das ist die Technologie, die wir da haben. Also das wäre aus meiner Sicht eines der zentralen Punkte beim Wertversprechen, das sauber hinzubekommen.

Joel Kaczmarek: In welcher Reihenfolge würdet ihr welchen Fokus drauflegen, also welche Intensität?

Florian Heinemann: Ich glaube, wenn du das Problem und das Idealkundenprofil nicht klar hast, dann kannst du den Rest eigentlich nicht beantworten. Und ich glaube, wenn man das klar für sich beantworten kann, folgt der Rest. Ich will nicht sagen, der folgt dann nicht von selbst, aber der folgt dann sachlogisch zumindest.

Martin Schilling: Also ergänzend dazu, wem schreiben wir die Rechnung, Idealkundenprofil? Und warum zahlen die die Rechnung? Wenn du da klar bist, dann kannst du das Produkt auf der Basis eben sehr gut entwickeln.

Joel Kaczmarek: Es kaskadiert, merkt man. Also eher sequenzielle Denke. Und wenn man dann den ersten Baustellen macht und den zweiten, also einer nach dem anderen. Je weiter man da kommt mit richtig gemachten Entscheidungen, desto besser. Ja, cool, ihr beiden. Dann hoffe ich doch, dass wir unser Kundenwertversprechen heute eingelöst haben und anderen dabei helfen, dass sie ihres überhaupt erst finden. Dafür vielen, vielen Dank. Und ich freue mich schon auf das nächste Mal mit euch hier wieder die Einhörner voranzubringen. Dankeschön.

Florian Heinemann: Danke.

Martin Schilling: Danke euch.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Gründung: Du willst dein eigenes Unternehmen gründen, bist schon Gründer oder von Startups fasziniert? Mit dem Top-Experten Florian Heinemann sprechen wir regelmäßig über Tipps und Ratschläge zu Finanzierungsfragen, Strategien und operativer Umsetzung auf dem Weg zu deinem eigenen Business.