Vom Startup zum Unicorn 9 🦄:: Den Bereich Service skalieren
10. Mai 2022, mit Joel Kaczmarek, Florian Heinemann
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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute ein neues Unicorn Rodeo. Und da ist natürlich wieder der liebe Florian Heinemann an meiner Seite, mit dem ich ja regelmäßig über Gründungsthemen rede. Und wie schon so oft, haben wir auch den guten Martin Schilling zu Gast. Ihr wisst es bereits, er hat ein spannendes Buch geschrieben, The Builder's Guide to the Tech Galaxy. Ich bringe jedes Mal den Namen durcheinander, wo es genau darum geht, wie erhöhe ich die Wahrscheinlichkeit, mein Startup in ein Unicorn, also ein Unternehmen zu transformieren, was mit einer Milliarde Euro oder mehr bewertet wird. So und wir hangeln uns ja hier von Unicorn-Wahrscheinlichkeit zu Unicorn-Wahrscheinlichkeit durch. Also wir sind jetzt schon in der neunten Folge. Wir haben schon über Nordsterne geredet, AAA-Teams, Funktionale Exzellenz. Dann kamen Unterthemen zu Funktionale Exzellenz, nämlich Produktmanagement, Technologie, B2C-Marketing, B2C-Sales, Supply Chain. Heute geht es um Kundendienst. Also Martin kann uns gar nicht genug kriegen und wir machen ja auch guten Service. Von daher ist er jedes Mal wieder da. Also Martin, erstmal schön, dass du da bist. Moin, moin.
Martin Schilling: Hi Joel, hi Florian.
Florian Heinemann: Moin, moin.
Joel Kaczmarek: Und heute, wie gesagt, der Bereich Kundendienst. Auch da werden wir sieben Fehler insgesamt durchdeklinieren, wie man sich selbst davon abhält, sehr stark da zu skalieren. So, that being said, ich habe ja schon gelernt von euch beiden, früher war das so, da kommt man entweder mit einem guten Produkt oder mit ein paar Euros, die man hier in Heinemannisches Marketing investiert hat, noch voll überzeugen. Heute reicht das nicht mehr, heute braucht man auch noch glückliche Kunden, sowas. Wie kommt denn das, Martin, ey?
Martin Schilling: So ist es, Joel. Also vielleicht mal kurz auf der Fintech-Schiene geritten. Vor über zehn Jahren hat ja N26 und Revolut sind ja da gestartet, unter anderem, und haben mit einem guten Produkt überzeugt. Das reicht heutzutage nicht mehr. Heutzutage ist der Wettbewerb in vielen dieser Bereiche deutlich intensiver geworden. Und wenn man ehrlich ist, ist unterscheiden sich die Produkte auch oft gar nicht mehr so stark. Gucke man Richtung Entity Six und Revolut oder zu den Robo-Advisern. Und da macht ein großartiger Service eben immer mehr einen Unterschied.
Joel Kaczmarek: Jetzt muss ich ja mal ganz gemein sein, Martin. Du warst ja früher COO bei N26 und mir ist N26 eigentlich immer eher durch grotten schlechten Kundenservice aufgefallen. Tue ich euch da Unrecht?
Martin Schilling: Also das war ein großes Thema bei uns. Das hat sich ja zum Glück deutlich verbessert. Warum war das schwierig? Weil N26 ja auch irgendwie die glückliche Situation hatte, sehr schnell Produktmarktpassung, also Product Market Fit zu finden und dann einfach mit dem Wachstum nicht mehr hinterhergekommen ist. Und da hat natürlich auch der Kundendienst dann in einigen Phasen gelitten.
Joel Kaczmarek: Weil ich erinnere mich noch, es war ein großes Thema damals bei euch, es passieren ja immer mal Fehler, oder es gibt ja auch so Scammer, die dann irgendwie hingehen und dann guckst du mal gerade um die Ecke und auf einmal hattest du 5000 Euro an jemanden überwiesen, den es gar nicht gibt. Also da gibt es ja wirklich manchmal verrückte Sachen. Und ohne Witz, das passiert auch echt erfahrenen, schlauen Leuten. Andrej Bajorat, der in der Deutschen Bank in der Chefetage sitzt, der hat mir auch erzählt, dass ihm das schon passiert ist. Und der hat damals den Weg über Twitter gehen müssen, das ist nicht so lange her, fairerweise, um bei N26 quasi den Kundenservice aktiviert zu können.
Also da war es so, dass er meinte, meine App wurde gehackt, ich bin auf so eine Mail reingefallen, hab da was gedrückt, dann hatten sie meine App gehijackt, ich kam nicht mehr in die App rein, wenn du nicht in die App reinkommst, kannst du den Kundenservice nicht kontaktieren. und zack waren glaube ich 7000 Euro weg oder so. Und er hat es alles wieder zurückgekriegt und es hat auch irgendwie geklappt, aber er musste den Umweg über Twitter gehen, also Da merkt man mal, bei euch war das Thema Kundenservice sogar nicht nur so, dass es sich gut anfühlen müsste mit dem Produkt, sich irgendwie auseinanderzusetzen, sondern da war ja auch noch ein richtig krasser Security- und so Feeling-Aspekt drin. Also bei Geld will ich wissen, dass das in guten Händen ist und dass ich immer jemanden ansprechen kann. Aber ich will dich jetzt nicht dissen, Entschuldigung, so war es natürlich nicht gemeint.
Martin Schilling: Du hast recht, das ist schon in der Tat knapp vier Jahre her, aber klar, die Banken und natürlich Fintechs haben immer die große Herausforderung, gerade wenn auch Kunden sich betrügen lassen, wie kulant bist du dann? Da müssen sich Fintechs und Banken kulant zeigen, aber da gibt es natürlich auch dann irgendwann eine graue Linie.
Joel Kaczmarek: Ja, das passiert wirklich oft. Also manchmal auch, wo man es gar nicht denkt. Also ich habe mitgekriegt, dass bei Payback irgendwie Leute versuchen, dir Punkte abzuzocken. Visa, Mastercard ist ja immer so ein Thema, Kreditkarten. Also das trifft fast alle. Aber damit haben wir ja schon mal hier für Vorspannung gesorgt, dass die Leute raffen. Okay, das ist ja voll wichtig, was die drei Hansel hier heute erzählen. Fangen wir mit dem ersten Fehler an. Die Verbesserung der Kundenerfahrung nicht als eine zentrale Priorität im Vorstandsteam verankern. Mein erster Gedanke, als ich das gelesen habe, war, was soll denn der Vorstand noch alles enthalten? Also manche Leute jammern ja schon, dass Tech nicht im Vorstand ist, dann kommt das jetzt irgendwie dahin. Du würdest sogar so weit gehen, dass du Kundenservice, also Kundenerfahrung und Erlebnisse noch auch mit verankern würdest.
Martin Schilling: Also die ist ja verankert im Vorstand. Ich war damals COO von N26, also Operations Service ist ja im Vorstand in der Regel verankert. Die Frage ist, was sind so die Top-Zielmetriken, nach denen du die Firma steuerst? Und da ist eben eine zentrale Kennzahl für den Net Promoter Score. Und da gibt es oft die Diskussion, nimmst du den jetzt ganz oben rein oder nicht? Oder überlässt du den den Service Team oder dem Produkt Team? Und was wir eben gesehen haben, wenn du das schaffst von vornherein, neben Wachstum und vielleicht Kosten sparen, auch die Kundenerfahrung als zentrale Priorität verankerst, dann löst du viele Probleme gemeinschaftlich im Unternehmen deutlich besser. Und zwar eben Probleme rund um Service und Operations.
Joel Kaczmarek: Okay, also dass ein Operations-Chef da ist, klar. Ich habe jetzt gedacht, du meinst sowas wie einen Chief Customer Officer, der müsste jetzt im Vorstand sitzen oder so. Aber wenn ich dich richtig verstehe, heißt es eher Customer-First-Denke und Kundenorientierung sollten eine Denke sein, die in Vorständen quasi
Martin Schilling: Genau, und operationalisiert. Ein Vorstand muss immer auf drei, vier zentrale Ziele blicken und die operationalisieren. Und da sollte NPS und Kundenerfahrung eben als eine sein.
Joel Kaczmarek: Florian, wie viele Unternehmen in deinem Portfolio machen das? Auf wie viele trifft das zu?
Florian Heinemann: Da müsste ich jetzt ehrlicherweise lügen, wenn ich das jetzt aus dem Kopf wüsste, weil das ja auch so ein Thema ist, das kommt häufig erst in den Fokus und da ist es völlig zu Unrecht, wenn es halt Probleme gibt. Also sonst hast du das häufig gar nicht so auf dem Schirm, weil man das so als gegeben ansieht und das ist wahrscheinlich falsch. vor dem Hintergrund auch, was du gesagt hast, Martin. Und ich kann das auch nur unterstreichen, weil man muss ja schon sehen, so dieses traditionelle Performance-Marketing, was ich auch recht stark vorangetrieben habe in der Frühphase meiner Karriere, das reicht halt eben in der Tat nicht mehr als Differenzierungsfaktor, weil du halt sagen musst, die Marketingkosten steigen tendenziell, auch im Performance-Marketing. Das heißt, du musst im Prinzip Bestandskunden aktiv halten und auch bei Bestandskunden eine Erfahrung erzeugen, die halt zu Referralen, also zu kostenlosen, Neukunden führt, weil die eben von ihren guten Erfahrungen berichten. Und das wird ja immer relevanter in einer Zeit, wo sozusagen die Marketingkosten tendenziell zunehmen.
Das ist eben schon etwas, was du eigentlich across the board beobachten kannst, weil auch sozusagen die, ich nenne es jetzt mal die Blackboxisierung von Facebook, Slash, Meta und Google eben auch zunimmt. Also sozusagen die Fähigkeit, sich über Performance-Marketing zu differenzieren, nimmt tendenziell ab, weil sozusagen die Ausstörungsmöglichkeiten, die du als individueller Advertiser hast, werden halt geringer, weil eben Facebook und Meta und Google das in ihren Systemen letztendlich immer weniger für dich ermöglichen. Und das zeigt nochmal, wie relevant das eigentlich ist, weil klar, du hast einen Differenzierungsfaktor auf der Ebene Produkt. Das ist aber nicht so einfach. Also wenn du jetzt eine gute Neobank bist oder ein guter Neobroker mit vielen Ressourcen, wie jetzt Revolut N26 und so weiter, sich dann da positiv abzuheben, ist ja gar nicht so einfach, weil du eben gegen Leute spielst, die auch alle schlau sind, die auch alle Geld haben. Das heißt, wenn du irgendwas Gutes machst, so machen die das dann auch irgendwann. Und Service ist natürlich, da eine gute Experience zu erzeugen. Das ist nicht so ganz so transparent wie jetzt. irgendwelche Features in der App, Das heißt, da wirklich eine gute DNA, eine gute Denke zu haben, ist schon nochmal ein potenziell richtig guter Differenzierungsfaktor, der nicht so einfach zu kopieren ist und der vor allen Dingen auch relativ intransparent jetzt erstmal von außen in der Systematik zu erfassen ist.
Und das macht es, glaube ich, so charmant. Deswegen bin ich ja ein großer Freund von, da ausreichend Fokus drauf zu haben. Und das hat eben auch immer einen gewissen Vorlauf. Das darf man auch nicht vergessen. Also wie bei Logistik. Vielleicht Logistik nochmal extremer, aber das ist ja das Thema, was wir letztes Mal hatten. Du kannst ja nicht sagen, morgen habe ich einen besseren Customer Service und dann ist das so, sondern das ist in der Regel mit Investments in Software, in Leute, in Ausbildung und so weiter verbunden. Und dann dauert das eben Monate, bis du in der Breite einen systematischen Fortschritt siehst. Und das zeigt im Prinzip auch sozusagen, warum man sich da differenzieren kann, wenn man es gut macht, aber eben auch sozusagen abfallen kann oder negativ eben auffallen kann, wenn man das eben nicht so gut macht. Deswegen, das spricht nochmal so ein bisschen für das Thema, was du gesagt hast, Martin, dass man eben ausreichend Fokus drauf haben sollte.
Martin Schilling: Dauert Monate, zahlt sich aber aus. Vielleicht das nochmal kurz anschließend. Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die zeigen, wenn man in seiner Branche NPS-Führer ist, also den höchsten Net Promoter Score hat, wachsen diese Firmen doppelt so schnell im Durchschnitt als Firmen mit Standard-NPS in der Branche. Also ganz klare Auswirkungen auf schnelleres Wachstum.
Joel Kaczmarek: Ja, ich habe auch gerade wieder an diese Sprüchlein gedacht, die wir, glaube ich, bei Sales schon mal hatten, dass es signifikant günstiger ist, einen Kunden zurückzugewinnen, als einen kalt zu akquirieren oder einen abzusellen auch nochmal signifikant billiger ist.
Florian Heinemann: Das muss ja gar nicht unbedingt zurückgewinnen sein. Es kann einfach auch sein, den halt happy zu halten in einem steady state. Und klar, du hast da nochmal eine Differenzierungsmöglichkeit, wenn ein Kunde sehr aktiv unhappy ist und den dann über guten Customer Service zurückzugewinnen. Das ist eine Sache. Aber ich glaube schon alleine einfach ein gutes Response-Level und Qualitäts-Level bei sozusagen normal temperierter Interaktion zu haben. Also gar nicht, wenn der Kunde das schon mit negativen Einstellungen, sondern einfach da einen guten Job zu machen, das ist ja auch schon eine Differenzierung. Also man muss, glaube ich, gar nicht bis zur Rückgewinnung gehen, sondern das setzt, glaube ich, schon Feuer an.
Joel Kaczmarek: Aber sag mal, jetzt hast du mich ja neugierig gemacht, Florian. Du meintest ja eben, du seist auch mal mit Performance-Marketing gestartet. Ich stelle dich ja mal als Marketing-Kurifä vor. Bist du das gar nicht mehr? Also worauf allokierst du denn deine Ressourcen mittlerweile, wenn du eine Firma optimierst?
Florian Heinemann: Ne, also ich meine, ich investiere ja nur. Das heißt klar, wir involvieren uns natürlich sehr aktiv dort, um die Firmen operativ besser zu machen. Aber es ist schon ganz klar so, dass diese Aufgabe, für eine Differenzierung zu sorgen, schon eine andere ist, als das jetzt 2007, 2008 oder so in den Frühphasen von Rocket war. wo du häufig mit einem relativ guten Marketing schon eine ziemlich gute Differenzierung erreichen konntest. Und ich würde nicht sagen, dass ein gutes Marketing nicht weiterhin notwendig ist, aber es ist eben keine hinreichende Bedingung mehr, um eine Differenzierung zu erreichen, sondern die Differenzierung ist heute sicherlich ein Stück weit komplexer, weil eben du gleichzeitig ein gutes Produkt, gleichzeitig gute Operations und eben wahrscheinlich auch gleichzeitig eine gute Customer Service Experience brauchst. weil du eben ohne diese Bestandskunden-Retention eben keine Chance hast in einer Welt steigender Marketingkosten. Und deswegen ist das eben keine hinreichende Bedingung mehr, gutes Performance-Marketing zu machen, sondern maximal noch eine notwendige. Ich würde nicht sagen, dass es komplett irrelevant ist. Es gibt ja auch Leute, die sagen, das ist nur noch Produkt und Product-Led-Growth und so weiter.
Ich würde sagen, du brauchst eigentlich beides. Also es spricht überhaupt nichts dagegen, quasi eine Firma über das Produkt und gute Retention im Produkt und gute Experience sich gut entwickeln zu lassen. Das spricht aus meiner Sicht jetzt noch nicht dagegen, auch sehr gute Kundenakquisitionen oder Marketing zu machen, sondern ich würde eher sagen, das muss halt beides passieren, weil natürlich auch der ROI auf Marketingaktivitäten bei einem sehr guten Produkt mit einer sehr guten Experience natürlich auch nochmal besser ist. Und das ist ja auch das, wo einige D2C-Brands aus meiner Sicht gerade große Probleme haben. Das ist ganz spannend zu sehen, die halt früher über Influencer-Marketing First oder Profitable Kunden eingekauft haben mit einem Medium-Produkt und sich dann wundern, dass die Retention nicht gut ist. Und wo du halt siehst, okay, die Produkte, die halt auch wirklich dann noch gut sind, die haben auch in einer Welt, wie wir sie heute haben, weiterhin eine Chance, aber nicht, weil sie überlegenes Marketing machen, sondern weil sehr gutes Marketing trifft auf eine gute Produkt-Service-Proposition. und die gemeinsam oder dieses Zusammenspiel, das ist dann eben in der Lage, eine nachhaltige sozusagen Überlebensfähigkeit zu erzeugen.
Joel Kaczmarek: Müsste man jetzt nicht eigentlich mal auf frecher Weise sagen, die ersten Jahre von Rocket waren davon geprägt, genau das Gegenteil von dem zu machen, was Martin gesagt hat, nämlich auf das Kundenerlebnis einen Scheiß zu geben und es mit viel Marketing hochzublasen? und reparieren. können wir hinterher?
Florian Heinemann: Ja, wobei du ja schon siehst, dass die Firmen, die sich dann wirklich nachhaltig durchgesetzt haben, genau die sind, die es eben nicht so gemacht haben. Also ich glaube, wenn du heute die erfolgreichsten Firmen anguckst, da aus dieser Zeit sind das eben ja HelloFresh und Zalando und ich glaube, das sind beides Unternehmen, die beide mittlerweile eine sehr gute Kundenexperience haben. Und das bei sehr komplexen Produkten. Also ich sage mal, HelloFresh ist ja sicherlich eines der komplexesten Produkte von den Operations, die man sich vorstellen kann mit frischen Lebensmitteln und das in wechselnden Zusammenstellungen und das jede Woche in verschiedenen Ländern und so weiter. Das musst du erst mal gut hinkriegen, das schon was anderes als Bücher irgendwie erfolgreich zum Kunden zuzustellen. Also das ist vergleichsweise einfach.
Joel Kaczmarek: Spaß ist was anderes, das stimmt. Gut. Zweiter Fehler. Kennen wir ein bisschen, haben wir, glaube ich, gefühlt fast in jeder Ausgabe bei den Unicorns, nämlich die falschen Schlüsselergebnisse zu messen. Was wäre das im Service-Bereich, wenn man es richtig machen will, lieber Martin?
Martin Schilling: Ja, und diese Frage nach Schlüsselergebnissen werden auch immer wichtiger. Wenn du Richtung Unicorn kommst, dann musst du immer sauberer werden. Das brauchst du in der frühen Startup-Phase eben oft noch nicht ganz so. Was ist wichtig im Service? Drei große Themen. Erstens Kontakte pro Kunde minimieren, zweitens großartiges Service-Erlebnis schaffen. und drittens die Kosten im Griff behalten, also die Kosten pro Kontakt. Ich möchte mal kurz zu Kontakt pro Kunde. Meine Frage an dich, Joel, wie oft hast du schon mit Amazon telefoniert?
Joel Kaczmarek: fünf, sechs Mal, vier, fünf Mal.
Martin Schilling: Ja, interessant. Also das heißt, du bist eher eine Ausnahme, weil die meisten haben es nicht und die meisten wollen es auch nicht. Also das ist ein bisschen die Logik dahinter. Der beste Service ist kein Service. Also du willst eigentlich bei Tech-Produkten oder auch Produkten wie bei Amazon, du willst eigentlich mit der Firma gar nicht groß interagieren auf einer Kundenservice-Ebene, weil dann meistens irgendein Problem entstanden ist. Also nochmal kurz auf FinTech. Wenn jemand sich bei Entity 6 oder Evolut meldet, ist meistens irgendein Problem im Hintergrund. Deswegen versuchst du, ein Schlüsselergebnis, die Kontakte pro Kunden, also die Kontaktrate zu reduzieren. Warum ist das wichtig? Wir haben uns das bei Entity 6 angeguckt und haben gesehen, wenn Kunden uns innerhalb eines Jahres mindestens einmal kontaktiert hatten, dann ist die Die Zufriedenheit dieser Kunden um 20 Prozent geringer und auch die Möglichkeit, diese Kunden weiterhin zu halten, sinkt um 20 Prozent. Also in der Regel sind Kontakte nicht gut und deswegen versuchst du, die nach unten zu drücken. Zweitens, Server-Erlebnis, da gibt es jetzt die Klassiker, wir hatten jetzt vorhin über NPS natürlich gesprochen, aber dann auch sowas wie Lösungsquote nach erstem Kontakt. Also 100 Kontakte kommen in ein Kontaktcenter rein.
Wie viele dieser Kontakte kriegst du sofort abschließend nach einem Kontakt gelöst? Das ist ein ganz wichtiges Schlüsselergebnis. First Contact Resolution. Durchschnittliche Antwortdauer, also wie lange müssen deine Kunden warten im Kontaktcenter? und dann sowas wie der sogenannte CSAT, also der Customer Satisfaction Score, wie Kunden zufrieden sind mit dem Service nach einer Umfrage. Und dabei Kosten pro Kontakt. Da kann man wahrscheinlich eine ganze Ausgabe machen. Wie man Kontaktcenter richtig steuert, dass die effizient geführt werden. Da gibt es so Themen wie Occupancy und Utilization, also das sind Auslastungsraten und Nutzungsraten. Vor allen Dingen ist aber wichtig hier, dass du mit externen Partnern arbeitest, die einfache Kontakte nehmen, die nämlich in der Regel günstiger sind als eigene Kontaktzentren.
Joel Kaczmarek: Na, ich glaube, wir werden ja bei Fehler 6, wo es dann auch um Self-Service geht, noch ein bisschen über sowas reden wie KI und Chatbots und was es an Technologien gibt. Aber was mich ja an der Stelle nochmal interessieren würde, ist, wie habt ihr das damals bei N26 betrachtet? Weil so wie du jetzt Customer Service beschreibst, es ist ja eigentlich ein Cost-Center, was aber auf die typischen Profit-Center einzahlt. Aber es macht erstmal Kosten, das ist erstmal negativ. Aber wenn du es nicht gut machst, dann hast du diese Wachstumsprobleme, die du beschrieben hast. Also wie war denn eure Wahrnehmung von diesem Bereich damals?
Martin Schilling: Also wir sind durch die Phase gegangen in der starken Skalierung, also da, wo ich jetzt auch gerade dabei war. Wir haben das ein Stück weit in der Anfangsphase vernachlässigt, wie viele das auch tun. Also beispielsweise mal PayPal ist der Klassiker. Was haben die gemacht, als das Produkt zum ersten Mal so richtig am Markt ging? Die haben so viele Anfragen bekommen, die sind einfach nicht mehr ans Telefon gegangen. Das kannst du dir als Bank natürlich nicht leisten, solltest du dir auch nicht leisten und wir haben dann immer mehr darüber nachgedacht, dass das einfach auch ein Teil der Kundenerfahrung, ein positiver Teil der Kundenerfahrung werden muss und haben da investiert und zwar massiv.
Joel Kaczmarek: Florian, wie ist es bei dir im Portfolio? Gehst du da auch hin und sagst, was jetzt so KPI-Messungen angeht, das und das, darauf solltet ihr achten und das ist aus diesen und jenen Gründen wichtig oder verstehen die das eigentlich von selbst?
Florian Heinemann: Nee, also ich glaube gerade so diese NPS-Messung, wo ja Service ein Teil von ist, das ist schon eigentlich, würde ich sagen, mittlerweile gelernte Praxis, weil natürlich jeder irgendwo so diese Statistiken kennt, dass NPS ist eigentlich der beste Predictor. Das hat Bain, glaube ich, die das ja entwickelt haben, dieses Konzept, das haben die schon marketingseitig sehr, sehr gut gemacht, dass NPS ja der beste Predictor für langfristigen Unternehmenserfolg ist. Das hat sich eigentlich in jedem Kopf von Unternehmern irgendwie durchgesetzt und deswegen wird das eigentlich sehr regelmäßig erfasst. Und davon ist Customer Service natürlich so ein Aspekt. Und eigentlich bei allen, sagen wir mal, etwas Operations-lastigeren Geschäften, jetzt E-Commerce oder so, ist das eigentlich schon auch ein Thema, dass du da die Kosten pro Vorfall und First Contact sozusagen, Abschlussrate und so, dass das alles schon erfasst wird. Und hast du natürlich bei einigen Geschichten jetzt wie so Trade Republic oder das gleich wie bei N26, ist das auch ein Problem? Bafin-relevantes Thema.
Du musst sozusagen der Bafin auch nachweisen, dass du quasi mit dem Kundenwachstum Schritt halten kannst, weil wenn das nicht passiert, kannst du dich als Kunde beschweren. Das machen Kunden auch. Und da kann dir die BaFin, wenn es schlimm läuft, sozusagen dann auch untersagen, dass irgendwelche Neukunden aufgenommen werden oder da irgendwelche Quotas auferlegen und so. Also da hat das dann schon wirklich nicht nur einen Messaspekt, sondern das greift dann schon massiv ins operative Geschäft ein, wenn du das nicht tust. Aber das ist eben auch ein Finance-Spezifikum. Also im E-Commerce kannst du schon die Taktik, nicht ans Telefon zu gehen, relativ lange durchhalten, wenn du das möchtest. Aber das führt natürlich nicht zu Zufriedenheit. Aber wie gesagt, also abgeleitet aus dem NPS ist das eigentlich bei jedem customerorientierten Business mittlerweile ein Thema, würde ich sagen.
Joel Kaczmarek: Ich glaube, Michael Artug macht freitags immer so eine LinkedIn-Post, Kunden direkt aus der Hölle und dann schleibt er seine schlimmsten Anfragen von Kunden. Ist das nicht manchmal auch extrem anstrengend, NPS hochzuhalten, wenn die andere Seite der Gleichung sozusagen extrem unangenehm ist?
Florian Heinemann: Das ist ja so die generelle Erfahrung. Das ist jetzt ein lustiges Ding. Ich habe das auch schon mal gesehen. Aber ich meine, das darf man nicht vergessen. NPS ist ja wirklich in der Breite statistisch relevant gemessenes Thema. Und die Kunden aus der Hülle, das ist ja dann in der Regel doch etwas, was sich im Bereich unter 10 Prozent der Kunden abspielt oder noch weniger. Also insofern glaube ich, wenn man vom Einzelfall abstrahiert, macht das schon sehr viel Sinn. Und die meisten Kunden sind ja jetzt auch nach meiner Erfahrung nicht auf Ärger aus. Also das ist ja
Martin Schilling: Genau, also was Florian sagt, ist hundertprozentig richtig. Auch die Erfahrung haben wir bei N2D6 ausführlichst gemacht. Das ist ein ganz kleiner Anteil von Kunden, also irgendwie 0,01 Prozent, die dann wirklich sehr laut auf Social Media werden. Wir können ja gleich nochmal über Rollen sprechen, aber da ist es wichtig, Teams einzuführen, die sehr schnell auf solche Fälle reagieren.
Joel Kaczmarek: Also in Michaels Fall ist es so, dass der Kunden, die ihm im Kundenservice richtig unverschämt werden, quasi anonymisiert mal so ein paar, die die Nachrichten teilt. Deswegen Martin, komm mal hier ganz kurz unsere Hörerinnen und Hörer wieder aufzuwecken. Was war denn so dein verrücktestes, witzigstes, absurdestes Customer-Service-Erlebnis bei N26?
Martin Schilling: Also du hast vorhin eine Sache erwähnt, man sich natürlich offiziell über Twitter beschwert. Das macht natürlich schon Druck, klar. Also Einzelfälle weiß ich jetzt auch ehrlich gesagt gar nicht mehr so ganz genau. Aber was wir halt schon überlebt haben, immer wieder, dass Kunden die dann sehr unzufrieden sind, auch weil die Kommunikation vielleicht nicht gut genug war, dann halt schnell auf Social Media gehen und es öffentlich machen. Also da muss man immer sehr genau hingucken, weil da gibt es natürlich auch Kunden, die sind auch, nicht alle sind da mental gesund. Die ganze Breite der Gesellschaft ruft natürlich da an. Und es gibt dann schon Fälle, wo Kunden mit Kundendienstmitarbeitern eine Stunde sprechen wollen, weil sie einsam sind. Also du hast solche Fälle. Ja, und da versuchst du dann schon auch einfach ein Stück weit Kundenbedürfnisse zu berücksichtigen, aber da gibt es natürlich dann auch irgendwann Grenzen.
Joel Kaczmarek: Ja, manchmal passieren komische Sachen. Habe ich dir erzählt, ich habe die Tage, habe ich einen Brief bekommen von jemandem, da stand drauf, Philipp Westermeyer, DK Online Medien GmbH und innen drin war eine Studie über Digitalisierung im öffentlichen Dienst oder irgendwie sowas, wo ich so dachte, warum genau will man mir sowas schicken? Aber anyway, gut, ich schweife ab. Kommen wir zum dritten Fehler. Den Servicebereich nicht skalierbar genug aufstellen. Also das sind, glaube ich, die Rollen, die du gerade angedroht hast, lieber Martin. Wenn man dein Buch aufschlägt, sieht man dann immer so spannende Organigramme mit irgendwie links, rechts, Boxen hier und Boxen dort. Nimm uns doch mal ganz kurz mit hinter die Kulissen, Ja, gerne.
Martin Schilling: Und warum ist das wichtig, diese Organigramme? Da gibt es keine eine Wahrheit. Aber wenn du schnell skalierst, baust du das Organigramm teilweise in jedem Quartal um. Und ich habe da selbst auch persönlich den Fehler gemacht, das teilweise zu lange liegen zu lassen. Dann war die Organisation zu unklar und das hat natürlich Mitarbeiter verwehrt. Also deswegen da sehr regelmäßig drauf zu gucken, passt dein aktuelles Organigramm noch zu den Erfordernissen des Geschäfts, ist wichtig. Deswegen haben wir das ins Buch geschrieben. Also jetzt im Servicebereich, wenn du skalierst, also wir sprechen jetzt von 100 Personen plus Serviceorganisationen, gibt es in der Regel so drei große Elemente, die du einziehst. Erstens, wir haben das genannt globales Front Office, zweitens globales Back Office und dann so eine Reihe von befähiger Teams.
Front Office, da hast du oft ein internes Kontaktzentrum, also ein Kontaktzentrum, ein Callcenter, das du selbst betreibst. Dann hast du zweitens ein Team, was deine externen Partner managt, die du in der Regel brauchst. Und dann drittens hast du die sogenannte globale Personaleinsatzplanung, also dieses Workforce Management, oft total unterschätzt. Das ist das Team, das dafür verantwortlich ist, dass du Kontaktkosten nicht von 8 Euro pro Kontakt hast, sondern von 4. Also das ist so ein bisschen Thema Front Office. Dann hast du ein sogenanntes Back Office. Das heißt, das sind die Kollegen, die schwierige Kundenanfragen übernehmen. Das kann jetzt zum Beispiel Betrugsfälle sein bei Kreditkartenbuchungen, die du im Front Office nicht sofort lösen kannst. Und dann hast du eine Reihe von Befähigerteams, wie operative Exzellenz, wir hatten bei Supply Chain drüber gesprochen, operative Einsatzbereitschaft, wenn du in neue Märkte gehst, dass du mit Operations da bereit bist, du hast da Qualitätssicherung, Training, Content, das sind so typische Teams.
Joel Kaczmarek: Das klingt aber irgendwie relativ cool sogar. Hätte ich gar nicht gedacht. Ich habe gerade auch gedacht, es muss relativ interessant sein, wenn man hier in deinem globalen Backoffice bei N26 ist und muss dann hier wie bei so einem Krimi die krassen Dinger da lösen.
Martin Schilling: Also cool. Ja, also vielleicht nochmal kurz, weil du vorhin gefragt hast, auch noch den besonderen Fällen. Also was wir gelernt haben, ist, wie bekommst du diese Kundenbeschwerden, die öffentlich werden, schnell gelöst? Da haben wir dann ein sogenanntes SWAT-Team eingesetzt, also eine Art Eskalationsteam. Das guckt, wenn Kunden zu lange in Antwort- und Frageschleifen bleiben. Also wenn du im Prinzip so Tickets hast, wo zehnmal hintereinander E-Mails hin und her gehen, dieses Team schnappt sich diese Fälle und löst die. Also du ziehst im Prinzip die schwierigen, komplexen Fälle, die offenbar die Organisation irgendwie nicht gelöst haben, einfach raus und löst die mit einem extra Team. Das ist also eine Weise, wie man diese viralen Beschwerdefälle schnell löst.
Joel Kaczmarek: Jetzt will ich bei dir nochmal Mäuschen spielen. Hast du in deiner Zeit bei N26 dich selbst mal mit so einem Headset an so einen Rechner einen Tag gesetzt und Anrufe angenommen? Und wenn du das gemacht hast, sind die Leute alle so unfreundlich barsch, dass die schimpfen? Oder sind das eigentlich höfliche Menschen, die da anrufen im Gro?
Martin Schilling: Also ich habe das alle zwei Wochen gemacht. Also ich habe mich dann meistens neben einen der Kollegen hingesetzt, weil du kriegst nicht, wenn du nicht das täglich machst, kriegst du nicht alle Themen sofort gelöst. Aber wir haben das dann zusammen gemacht. Und die meisten sind sehr dankbar. Natürlich können die einfach vielleicht mal ein Kontoauszug runterladen. Und dann hast du natürlich auch so emotionale Themen wie, ich habe meinen Geldbeutel verloren. Ich kann nicht mehr bezahlen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Und wenn du dann denen hilfst, dann kriegst du da auch ganz viele sehr positive Geschichten und Rückmeldungen auch auf Social Media. Die landen nie in der Presse, aber die haben wir dann wöchentlich intern gezeigt. Also jede Woche gab es da tolle Fälle, wo auch Kunden super glücklich waren.
Joel Kaczmarek: Gut, kommen wir zu Fehler 4. Zu spät in die Verfügbarkeit des Serviceteams investieren. Was ist damit gemeint?
Martin Schilling: Das ist der klassische Fehler, den viele machen und als Thema zu spät angehen. Also wenn du jetzt ein Startup baust und du merkst, du erreichst Produktmarktpassung, das ist ja, wir hatten es ja in einer der ersten Folgen besprochen, das ist ja so, du rollst so einen großen Felsblock den Berg hoch, dann rutscht der wieder zwei Meter runter, dann rollst du ihn wieder oben und irgendwann hast du den großen, schönen Moment, dass der Felsblock auf dem anderen Berg runterrollt. Dann hast du so Produkt-Markt-Passung erreicht. Aber dann kommt oft dein Serviceteam nicht hinterher. Also das heißt, die Antwortzeiten sind zu lang. Wir hatten bei N26 in der Tat Momente, wo Kunden eine halbe Stunde gewartet haben, bis jemand ans Telefon gegangen ist oder Chat verfügbar war.
Viel zu lang. Und wenn du sowas hast, dann musst du sofort vor allen Dingen mit externen Partnern arbeiten. Also unser großer Fehler damals war, wir haben zu lange versucht, das Thema intern zu lösen, einfach zu rekrutieren in Berlin, das Kontaktcenter größer zu machen, anstelle ein Netzwerk von externen Kontaktpartnern aufzubauen. Und das haben wir dann gemacht. Deswegen ist die Regel ein hybrides, sogenanntes hybrides Betriebsmodell aufbauen. Du hast intern ein Kontaktcenter, das hohe Qualität und die schwierigen Fälle nimmt. Und du hast dann ein großes Netzwerk von vielleicht zwei, drei Partnern mit vier, fünf Kontaktcentern europaweit, die dann die Masse übernimmt. Das ist so ein Thema, wie man früh in Verfügbarkeit investiert.
Joel Kaczmarek: Ja, Henning Heesen ist ein Freund von mir, der freut sich gerade ein Loch im Bauch, dass ich ihn erwähne. Der hat nämlich hier mit Sales Supply so einen Callcenter. Ich glaube, der macht genau sowas. Also Florian, erzähl doch mal aus deiner Erfahrung, wie habt ihr denn so diese Verteilung in eurem Portfolio hingekriegt? Haben die auch anfangs eher so, ich hatte nämlich in unserer letzten Folge über DocData geredet, da wurde quasi die Logistik ausgesourced. Ist es bei deinen Startups auch so, dass ihr am Anfang Customer Service outsourced noch zu großen Teilen oder kommt das erst später? Wie ist da bei euch so das Vorgehen?
Florian Heinemann: Also das, was ich jetzt eher so aus der Beobachtung sagen würde, zu Beginn macht man es eigentlich eher Inhouse, was auch glaube ich nicht schlecht ist, weil du sozusagen in der frühen Phase, wenn du noch Product-Market-Fit suchst, dann ist das schon nicht so schlecht, dass alles First-Hand, genau wie es auch gut ist, dass ein Spryker am Anfang die Implementierung seiner Software am Anfang primär selbst gemacht hat als Shop. Auch das ist nicht schlecht. Das ist natürlich nicht ultimativ skalierbar, aber ich glaube sozusagen, um diesen Product-Market-Fit zu finden, ist das gut. Und das ist auch eigentlich normal. Und dann beginnt eigentlich mit dem Wachstum, mit der Skalierung beginnt dann eben idealerweise das Outsourcing auf Basis von einem sehr soliden Verständnis der Prozesse und des Product-Market-Fits. Und das ist, glaube ich, das richtige Vorgehen. Und so kannst du es relativ gut auch beobachten. Trotzdem würde ich das, was Martin gesagt hat, unterstreichen. Man beginnt das häufig zu spät, dieses Outsourcing und auch so dieses konzeptionelle Nachdenken, wie funktioniert dann eigentlich dieses hybride Modell, weil natürlich der Großteil des Gehirnschmalzes in so einer Organisation dann in das Kernprodukt geht oder von mir aus noch in die Dateninfrastruktur.
Also und das Thema, das ist so ein bisschen so ein Stiefkind, weil man halt so sagt, das muss halt funktionieren, aber es ist nicht der intellektuelle, konzeptionelle Fokus der Aktivität. Das ist schon so und das ist wahrscheinlich ein Fehler, weil das eben genau wie die anderen Themen auch, auch hier funktioniert. Brauchst du sozusagen Architekten, die drüber nachdenken, wie sind da eigentlich genau die Abläufe, wie muss das genau zusammenspielen, was brauche ich eigentlich für IT-Systeme dahinter? Auch hier brauchst du eigentlich schlaue ITler, die in der Lage sind, dir sozusagen bei der Automatisierung dessen, kommen wir ja gleich nochmal zu, zu helfen und so weiter. und das ist, glaube ich, eher das Problem. dass dieser Fokus dann eigentlich erst shiftet. Hier drauf, wenn man eben viele von diesen Fällen hat, die dann eben auf Social Media eskalieren oder eben schlechter, also dann shiftet der Fokus. Und ich glaube, man könnte relativ stark diese Themen verhindern, wenn man eben von Anfang an sagt Also wenn ich hier wirklich ein Unicorn werden will, und das ist ja sozusagen Schwerpunkt dieser Reihe hier, sag ich jetzt mal, dann muss ich natürlich antizipieren, dass ich ein erhebliches Wachstum habe.
Mit einem erheblichen Wachstum wird, auch wenn ich es richtig, richtig gut mache, eine erhebliche Anzahl von Servicevorfällen entstehen. Das kann ich ein Stück weit verhindern. Siehe Amazon, das ist ja wirklich beeindruckend. Also ich habe über 100 Sachen bestellt letztes Jahr und kein einziges Mal Kontakt gehabt. Das ist schon beeindruckend, so das zu sehen. Und trotzdem hat Amazon ja wahrscheinlich 10.000 Mitarbeiter im Customer Service und intern und extern. Aber ich glaube, das frühzeitig da den Fokus drauf zu haben, das zahlt sich schon aus. Aufgrund der schon vorhin angesprochenen Vorläufe, die man eben hat, wenn man grundsätzlich Systeme da ändern will oder Dienstleister onboarden, das dauert natürlich alles lange. Und das ist eben so ein bisschen das Thema, warum man das mit ausreichender Weitsicht und ausreichendem Fokus angehen muss, um eben genau sowas zu antitilfen.
Joel Kaczmarek: By the way, wenn einem sowas passiert ist, wie ihr es gerade beschrieben habt, dass man hier seinen Shitstorm auf Social immer abkriegt, wie das so ist. Und bei du habe ich gelernt, dass Candystorm das Gegenteil ist. Also Martin hat vielleicht auch mal Candystorms bekommen.
Martin Schilling: Ja, absolut.
Joel Kaczmarek: Ist das fixbar? Also wie schlimm ist das quasi in Geschäftseffekten, wenn sowas passiert?
Florian Heinemann: Ich glaube, das ist immer deutlich. Also kannst ja gleich auch nochmal deinen Eindruck sagen, Martin. Aber mein Eindruck ist, dass sozusagen diese Shitstorms in unserer Bubble hier, also spielt das natürlich immer eine Riesenrolle, an geschäftlicher Relevanz würde ich das nicht überschätzen. Also da muss schon richtig was passieren, damit das eine nachhaltige finanzielle Auswirkung hat auf das Geschäft. Also man liest ja dann immer hier Zalando Shitstorming, irgendwelche Arbeitsbedingungen oder so. Dann heißt es schon wieder Amazon. Peak Amazon ist erreicht, weil sozusagen wieder in irgendeinem Logistikcenter die Leute streiken. Und Verdi sagt, das ist alles ganz schlimm, was da bei Amazon passiert. Und dann kommen die nächsten Quartalzahlen und dann so. Also man sollte darauf reagieren und man darf das nicht laufen lassen. Bloß trotzdem ist, glaube ich, das, was man an emotionalem Schaden dann nimmt und was das auch für eine Auswirkung auf die Mannschaft hat, keiner hat Bock, bei einem Laden zu arbeiten, der ständig irgendwelche Shitstorms hat. Das ist, glaube ich, fast der größere Effekt als jetzt die wirkliche Kundenreaktion, muss man sagen. Weil ich glaube, man überschätzt die Reichweite, die reale Reichweite, die dann sowas wirklich hat. Gerade wenn man sich sozusagen rausbewegt aus der Berliner Blase, Wo das dann irgendwie jeder mitbekommen hat, in Richtung sozusagen, wie viele Endkunden haben das eigentlich, normale Endkunden, die jetzt nicht Teil dieser Blase sind. Und es ist ja zu 99 Prozent sind die ja nicht Teil dieser Blase. Wie viele haben das davon dann eigentlich mitbekommen? Und da ist mein Gefühl, wird das häufig überschätzt, der Effekt von sowas.
Martin Schilling: Ja, das Richtige, was Florian sagt, wir hatten in einer vorigen Frage über Marke gesprochen. Also in der Tat sind einzelne Shitstorms in der langfristigen Wirkung überschätzt. Wenn man das aber nicht in den Griff bekommt und dann regelmäßig mit bestimmten Themen in der Presse ist, man denkt jetzt nochmal an Fintech mit Themen wie Sicherheit und Erreichbarkeit, das sind natürlich schon ganz zentrale Themen für die Kunden. Und auch Florian sagt zu Recht, es hat auch einen Mitarbeitereffekt. Du hast auch eine Wirkung auf die Arbeitgebermarke. Also deswegen da dann jetzt zwar nicht übertrieben zu gehen, aber doch jetzt genau diese Strukturen zu legen, die wir jetzt hier diskutieren, zahlt sich natürlich mittelfristig auf die Marke sehr aus.
Joel Kaczmarek: Gut. Fehler Nummer 5. Vielleicht auch ein bisschen anknüpfend an das, was Martin meinte. Manche Leute wollen einfach auch nur nicht einsam sein oder regen sich gerne um des Aufregens auf. Unnötige Kontakte nicht von Anfang an verhindern. Wie macht man denn das?
Martin Schilling: Also, das schließt das Thema an, der beste Kundenservice ist gar kein Kundenservice. Da gibt es ein paar Themen, die eine Firma gemeinsam schnell etablieren sollte. Das macht ein Startup, ein Scale-Up eben halt nur dann, wenn du von vornherein, sieh unser Fehler 1, den NPS und die Kundenerfahrung wirklich als zentrales Ziel der gesamten Organisation siehst. Also erstes Thema, Du reservierst Zeit auf der sogenannten Roadmap der Produktorganisation, um an Produktfehlern zu arbeiten und technische Probleme im Produkt zu lösen. Weil viele der Probleme, die ja entstehen auf Kundenseite, also ich kann keine Beweisung machen, sind technische Natur. Da brauchst du dann Produkt und Technologie. Erster Punkt. Zweiter Punkt. Verursacherprinzip einführen. Auch da ist einmal so ein ganz gut, wenn jemand in der Organisation Kontakte verursacht, also jetzt Waren kommen zu spät, dann entstehen ja Waren, lieferbezogene Kontakte, Kontakte, dann sollten die Kosten dieser Kontakte idealerweise die jeweiligen Teams tragen. Also jetzt in die Budgets des VP Delivery zum Beispiel laufen. Technische Probleme in Echtzeit erfassen. Also wir hatten bei N26 dann in der Scale-Up-Zeit ein kontaktspitzen Warnsystem aufgebaut. Das heißt einfach, wenn in den letzten Stunden oder in den letzten 24 Stunden auf einmal in Spanien sich die Probleme rund um Geldautomaten häuften, Haben wir sehr schnell gesehen, da gibt es irgendein Problem, da müssen wir sofort reagieren. Das mal als drei Ideen, wie man unnötige Kontakte vermeidet.
Joel Kaczmarek: Ich meine, ansonsten ist das glaube ich so der Klassiker, dass man irgendwie so eine große FAQ-Datenbank einbaut und irgendwie versucht, die Kunden von den Telefonnummern fernzuhalten und die sonst dreimal erst so die Knowledge Base zu präsentieren, oder? Ist das nicht so der Klassik eigentlich auch?
Martin Schilling: Ja, das ist jetzt, also wir sprechen jetzt über zwei verschiedene Sachen, also das können wir gleich besprechen. Also wie lenkst du Kundenanfragen auf die Selbsthilfe um? Das ist genau richtig, das ist aktuell. Aber Wenn jetzt irgendein technisches Problem entsteht und du kannst kein Geld abheben, dann hilft dir halt auch eine FAQ nichts. Okay, verstanden.
Joel Kaczmarek: Aber dann können wir es ja vielleicht verbinden. Macht es Sinn, dass wir Fehler 6, nämlich zu wenige Transaktionskontakte zum Self-Service umleiten, dass wir das gleich mal mit aufgreifen?
Martin Schilling: Ja, sehr gerne. Also dazu muss man verstehen, es gibt transaktionale Kontakte und emotionale Kontakte. Das ist ein wichtiger Unterschied. Transaktionale Kontakte sind einfach Themen, die Kunden schnell mal gelöst haben wollen. Also ich brauche einen Kontoauszug, den kriege ich jetzt nicht, bitte schick mir den mal. Das ist so ein typischer Transaktionskontakt. Und emotional, ich habe vorhin ein Beispiel erwähnt, du bist in Amsterdam im Club, verlierst deinen Geldbeutel, hast auf einmal keine Karten mehr, kannst nicht mehr bezahlen. Hochemotionale Situationen. Du willst die transaktionalen Kontakte eher gelöst haben über Self-Service. Du willst die emotionalen Kontakte eher über einen Menschen lösen. Und deswegen ist es wichtig, den Self-Service entsprechend aufzubauen, um da die Transaktionskontakte zu lösen.
Joel Kaczmarek: Florian, was ist denn deine Erfahrung in dem Bereich? Also ich habe ja schon mal angedeutet, auch Self-Service, das hat sich ja sehr stark durchgesetzt, auch auf Chatbots zu setzen oder auf Chat per se, also um erstmal die Telefonleitung vielleicht gering zu halten, oberflächliche Sachen schnell zu lösen, dann hatten wir diese FAQ-Themen. Ich habe so den Eindruck, das hat sich sehr stark professionalisiert sukzessive und was ich so mitkriege, lassen sich glaube ich irgendwas zwischen 60 und 70 Prozent mittlerweile des Customer Service automatisieren, aber vielleicht bist du tiefer drin als ich.
Florian Heinemann: Ja, also wir haben ja auch eine Beteiligung da in dem Bereich mit Dixar und die versuchen sich da auch sehr stark zu positionieren, machen das auch sehr erfolgreich aus meiner Sicht genau. Und das ist einer der Teile, also dass sie sagen, wir sind eben relativ gut da drin, Automatisierung zu unterstützen. Und ein weiterer Teil, den ich glaube ich dann auch ganz relevant finde, der auch so ein bisschen in diese Richtung geht, was wir vorhin hatten und das versuchen die zum Beispiel auch recht stark wiederzuspiegeln, ist das Thema Kundenzentrierung. Und das finde ich auch nochmal ganz schlau, weil die im Prinzip sagen, so diese Ticketing-Lösung, die sehen im Prinzip nicht, also normalerweise arbeitest du im Customer Service, das löst immer ein Ticket aus. Also du hast einen Customer Service Vorfall. Egal, ob jetzt Kollege Bajorath sich über Twitter meldet, eine E-Mail kommt oder irgendwie der Kunde aus der Hölle direkt anruft, das löst letztendlich alles ein Ticket aus und dieses Ticket wird dann eben als Einzelvorfall abgearbeitet.
Und was Dixda zum Beispiel versucht und das scheint auch gewisse Resultate eben in Richtung Kundensenzierung zu haben, das fanden wir eigentlich ganz schlau. Zu sagen, ja, eigentlich darf nicht mehr das Ticket die primäre Dimension sein, nach der man im Kundendienst sortiert, sondern eigentlich muss es ja der User oder der Kunde sein. Das heißt, was die versuchen ist, sozusagen sämtliche Kommunikation primär nach Personen zu schneiden. Das heißt, du hast dann unabhängig davon, wo jetzt irgendwie Kunden herkommen, also über welchen Einflugkanal, hast du so eine Art WhatsApp-Kanal. Chat-Logik, wo dann letztendlich sämtliche Messages aber pro Kunde versucht werden, in eine Reihenfolge zu bringen und dann darüber dem Customer-Service-Mitarbeiter das Gefühl zu vermitteln, das ist jetzt hier nicht Vorfall XYZ, sondern das ist ja wirklich der Kunde und der war auch letzte Woche schon mal da und der hat übrigens das hier gemacht und so. Das ist natürlich nur dann relevant, muss man fairerweise sagen, wenn Kunden wirklich auch eine häufige Transaktionshistorie oder eine häufige Interaktionshistorie haben, dann hat das aber glaube ich schon einen Impact.
Vielleicht noch eine weitere Sache, die mir noch aufgefallen ist, das ist auch ein interessantes Unternehmen, wo wir jetzt nicht beteiligt sind, aber die ja diesen Gedanken sehr stark aufgreifen, Zenloop, die versuchen letztendlich, Customer-Service-Interaktion und sozusagen auch NPS-Erfassung eben zu machen auf Basis sozusagen von einzelnen Wertschöpfungskettenbereichen. Das heißt, die versuchen dann wirklich eben zu zerlegen, wo wird eigentlich welche Erfahrung gemacht, dass man sozusagen nicht mehr ein Gesamt-NPS hat und eine Gesamterfahrung, sondern dass man versucht, das zu zerlegen in einzelne Teil-Service-Bereiche und versucht eben Zufriedenheiten und Unzufriedenheiten daraus zu finden und dann eben auch noch mal eine semantische Analyse dahinter zu legen, wo fallen eigentlich in welchem Wertschöpfungsbereich oder in welchem Servicebereich welche Probleme an, um dann wiederum Input zu liefern für die Produktweiterentwicklung. Das haben wir schon so ein Stück weit angerissen, warum macht man Customer Service am Anfang selbst und so, um genau eben diesen Feedback-Loop zu haben. Und ich glaube, das ist nochmal ein Thema, da haben viele noch Nachholbedarf. Diese systematische Analyse, nicht nur sozusagen, was kann ich in FAQs überführen, sondern das, was du ja auch vorhin angedeutet hattest, sozusagen dieses Umleiten in, was muss ich eigentlich abstellen, damit es weniger von diesen Vorfällen gibt. Und das ist aus meiner Sicht eigentlich einer der spannendsten Bereiche, wo man wirklich punkten kann, wenn die Kunden auch merken, boah, Wahnsinn, das Produkt entwickelt sich hier wirklich weiter. Und das ist auch ehrlicherweise meine Interpretation, warum das bei Amazon so gut klappt. dass die es eben sehr konsequent geschafft haben, die Anlässe für Customer-Service-Interaktion systematisch nach unten zu fahren, indem sie einfach viele Dinge sehr schön gelöst haben mit einem hohen Qualitätsstandard.
Martin Schilling: Ganz genau. Absolut, das ist ganz genau richtig. Amazon, vielleicht nochmal kurz daran anzuschließen, die haben zwei Sachen richtig gemacht, gerade im internen Aufbau des Kundendienstes. Einerseits haben die den Kundendienstmitarbeitern einen sehr hohen Grad an Autonomie gegeben. Sie können selbst entscheiden, ob sie Gelder zurückbezahlen, Produkte zurücknehmen. Es gibt sogar einen roten Knopf bei Amazon, den aus meines Wissens jeder Customer Service Mitarbeiter drücken kann, mit dem man ein Produkt von der Website nimmt. Also die geben den einzelnen Mitarbeitern relativ viel Macht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite haben sie ein sehr stringentes Leistungsmanagement eingeführt. Das haben wir bei Entity 6 dann auch gemacht. Also Wir haben dann, unser Leiter des Kundendienstes hat sich jede Woche mit allen Customer Service Teams zusammengesetzt und hat die KPIs angeguckt. Ich als CEO habe das zusammen mit dem Leiter des Kundendienstes jeden Monat gemacht. Diese Kombi aus Autonomie auf der einen Seite, aber ein relativ engmaschiges Leistungsmanagement macht da einen großen Unterschied.
Joel Kaczmarek: Und ich meine, man muss ja sagen, Amazon beginnt ja den Kundenservice gefühlt schon im Internen, dass die quasi ihre ganzen Händler, die angedockt sind, ja denen so harte Daumenschrauben anlegen und die so stark auf Performance auslegen gegenüber dem Kunden, dass das schon da anfängt, ne? Also man kennt ja so diese Geschichten, wirst gesperrt auf Geschäftsführer-Ebene, das heißt, du kannst dann Lifetime bei Amazon nicht mehr Händler werden und so. Also es ist schon harsch, aber von daher, gut. Ich habe auch gerade nochmal geguckt, in der Historie habe ich mal eine schöne Folge gemacht mit Erik Pfannmüller von Softmade. What the fuck ist Kundenservice-Automatisierung? Also die kann ich ja den Hörern und Hörerinnen auch nochmal ans Herz legen. Und Erik, der ist echt die Rakete in Sachen Kundenservice. Der hat auch gerade verkauft. Also ihm sei hiermit nochmal Ich muss den mal anrufen und ihm gratulieren. Aber jetzt mache ich es schon mal on air. Da freut er sich auch. Gut, ihr Lieben. Eine Sache würde mich noch interessieren. Martin, du hast mir erzählt, du hast jetzt zu Fehler 6, nämlich das Self-Service-mäßig umzuleiten, auch nochmal dir so ein paar experimentelle Geschichten angeguckt. Weil was ich ja immer angucke, ist ja Stimme. Da gibt es ja zum Beispiel auch solche Sachen wie diese Deepfakes, dass du mittlerweile mit irgendwie künstlichen Stimmen arbeiten kannst und, und, und. Und ich hatte dich so verstanden, dass du da auch schon Beispiele gesehen hast. Gibt es da was?
Martin Schilling: Haben wir. Also wir sprechen jetzt von sogenannten Voicebots. Diese Idee ist schon seit einigen Jahren auf dem Markt. Es gibt erste Firmen, die damit erfolgreich experimentieren. Also Bank of America setzt die Sprachsoftware Erika ein. Capital One hat eine Alexa-Integration. Das ist oft nur nicht ganz so weit, wie man es sich wünscht. Aber das ist im Prinzip die nächste Ebene. Also im Prinzip sagt man jetzt bei dem Thema, wie leitest du Kunden zum Selbstservice um? Du hast eine Basis. Basis ist sowas wie die Online-FAQs, Erklärvideos. Du hast ganz normal, wenn du anrufst, so eine typische Spracherkennung. Das ist die Basis. Dann so ein bisschen fortgeschritten. Du setzt oft mittlerweile Chatbots ein, also Machine-Learning-basierte, also selbstlernende Chatbots. Und du automatisierst in App. Das ist so ein bisschen die zweite Stufe. Und dann die experimentellen Themen sind aktuell vor allen Dingen rund um Voicebots. Und da werden wir in den nächsten Jahren noch einiges sehen.
Joel Kaczmarek: Hoffentlich besser. Man hat ja sonst immer dieses typische, tut mir leid, das habe ich nicht verstanden. Wiederholen Sie die Anfrage. Und dann sitzt du mal am Telefon und brüllt, Servicebearbeiter, Servicearbeiter.
Florian Heinemann: Genau.
Martin Schilling: Dann sagt man am besten immer Beschwerde, dann kommt man sofort durch.
Joel Kaczmarek: Ah, guck, neues Wort, was ich lerne. Guck, so macht man das.
Martin Schilling: Weil viele Firmen gerade im regulierten Bereich das machen müssen. Beschwerden werden sofort durchgeleitet. zu Menschen. Krug.
Joel Kaczmarek: Florian von dem Martin, jetzt am Ende, wenn wir fast am Ende sind, da lernen wir die wichtigen Sachen.
Florian Heinemann: Ja, jetzt kommen wir an die Learnings. Beschwerde, Beschwerde.
Joel Kaczmarek: Gut, Fehler 7. Der studierte Professor, so wird er, wenn er hier am Kundenservice unzufrieden ist.
Florian Heinemann: Nein, ich bin immer ganz freundlich im Kundendienst. Ich weiß ja, dass das kein einfacher Job ist, das muss man sagen. Also die Leute, die da sitzen und das dann auslöffeln, die haben in der Regel am allerwenigsten damit zu tun, was dazu geführt hat. Das darf man bei allem Ärger immer nicht vergessen.
Joel Kaczmarek: Gibt ja diesen schönen Spruch, obwohl er eigentlich total unlogisch ist, mit Honig fängt man Bienen, glaube ich, ne? Ich meine, Bienen produzieren Honig, also eigentlich macht es gar keinen Sinn, aber ich finde das Bild ganz schön. Fehler Nummer 7. Zu spät für ausreichend Durchsatz im Backoffice schaffen. Ne, das klingt irgendwie, doch, das macht das grammatikalisch Sinn. Zu spät, ausreichend Durchsatz im Backoffice schaffen. So ist es richtig.
Martin Schilling: Also, klingt ein bisschen dröge, ist aber wichtig. Klingt wirklich dröge. Ja, eine Serviceorganisation braucht ein Backoffice. Also im Prinzip sind das die Teams, die schwierige Fälle im Hintergrund bearbeiten. Du hast jetzt irgendwie eine Kreditkartenbuchung, die nicht funktioniert hat, da gibt es irgendeinen Betrug. Das kannst du teilweise nicht sofort am Telefon lösen. Da brauchst du ein Team im Hintergrund. Wie baust du die in einem Scale-Up auf? Erstens, du organisierst die rund um Kundenreisen, also du spezialisierst die. Also du hast dann Teams wie jetzt im Fittick, hast du dann Rückbuchungen, Betrugspräventionen, Mahnungen, also du spezialisierst die. Das steigert schon mal Lösungsraten und Kundenreferenz um ungefähr 20 Prozent, haben wir oft gesehen.
Zweitens, du stellst Leistungstransparenz her. Also auch das klingt alles sehr dröge im Operationsbereich, ist aber, wenn man sich genau anguckt, sehr spannend. Also du versuchst sicherzustellen, dass du die einzelnen Tickets, die Florian gerade angesprochen haben, nach einzelnen Prozessen sortiert hast und dann nach Eingangsdatum gefiltert hast. Also du willst wissen, hast du da teilweise sehr alte Tickets liegen? Also wenn du jetzt zum Beispiel sagst, du hast 100 Kartenbetrugspräventionstickets, die älter als 14 Tage sind, ist das ein Riesenthema, weil du ja Kunden nicht zwei Wochen warten lassen willst. Also allein das hinzubekommen auf der Ebene ist für viele Startups schon mal nicht leicht. Dann haben wir Automatisierung, da ganz wichtig, Wegwerflösungen sind völlig in Ordnung. Also wir hatten bei N26 zum Beispiel am Anfang einfach Massen-E-Mails mit Google-Slides geschickt oder Google-Sheets geschickt mit Mahnungen. Das ist völlig in Ordnung am Anfang, bis du dann zu einem vollautomatisierten Mahnwesen kommst. Und dann fährt es nach Outsourcing. Also du versuchst arbeitsanfängliche Aufgaben, sowas wie Digitalisierung und Klassifizierung von Post, das versuchst du sehr schnell nach außen zu gehen.
Joel Kaczmarek: Florian ist gerade das Gesicht eingeschlafen, Martin. Deswegen stelle ich mal die nächste Frage an.
Florian Heinemann: Hey, alles gut. Ich bin da. Ich bin da. Um das zu unterscheiden. Ich glaube, gerade dieses Thema in Automatisierung investieren, das ist wie auch im Logistikbereich. Das ist auch hier, da Leute zu haben, die sich mit solchen Themen auseinandersetzen können. Das ist, glaube ich, absoluter Kern von Anfang an. Also das ist ja mein Petitum sowieso in jedem Bereich. IT- und Datenspezialisten zumindest in Zugriff zu haben, um eben genau solche Themen zu treiben. Das ist hier elementarst. Und das ist schon ganz spannend, wenn du siehst, dass sozusagen da häufig im Entwicklungsbereich oder im Kernprodukt mit allen möglichen, was weiß ich, künstlichen Intelligenz und sonst irgendwas Themen gearbeitet wird und mit irgendwelchen Machine Learning Models. und dann guckt man in Customer Service und da ist das Niveau, auf dem da gearbeitet wird, häufig ein ganz anderes.
Und das ist aus meiner Sicht ein relevanter Fehler, gerade wenn man versuchen will, Unternehmen dann profitabel zu kriegen, dann irgendwann, nach ein paar Jahren. Also das Unicorn an sich, das wird ja auch immer wichtiger, dass es sozusagen es schafft, sinkende Gemeinkosten oder sinkende Customer Service Kosten, sinkende Observations Kosten am Gesamtumsatz zu haben. Also sprich, diese Skalierung dann auch wirklich in besseren KPIs zu zeigen. Und das ist ein Riesenfaktor, was man eben genau über diese Themen jetzt hier, die Martin anspricht, vorantreiben kann und zeigen kann. Und da braucht man einfach Leute auch mit so hoher Ambition, die genau diese Themen auch dort vorantreiben. Ist übrigens auch aus meiner Sicht mal ein Karriere-Tipp an Leute. Man denkt ja immer, die Leute wollen unbedingt jetzt immer an den Fancy-Product und so weiter arbeiten. Als schlaue Person sich in diesem Bereich hier zu tummeln, ist aus meiner Sicht wirklich kein blöder Karriere-Hinweis, weil jeder braucht das und jeder braucht Menschen, die in der Lage sind, hier zählbare Erfolge zu produzieren, systematisch und das auch noch gut darzustellen. Also sich hier zu positionieren als schlauer Absolvent mag auf den ersten Moment jetzt nicht so sexy sein, ist aber, glaube ich, auf jeden Fall ein absoluter Zukunftsbereich. Bei aller Automatisierung und Digitalisierung, diese Themen lassen sich halt nicht komplett automatisieren. Das wird halt nicht funktionieren. Oder man braucht einfach Leute, die die Architekten sind hinter dieser Entwicklung. Also insofern ist das, glaube ich, ein sehr, sehr schöner Bereich.
Martin Schilling: Nochmal daran anschließend, Florian, genau das haben wir auch erfahren, jetzt bei N36 beispielsweise, Talente in diesem Bereich zu gewinnen, also die strategisch denken können, die Führungspositionen dort einnehmen wollen und können, sind mindestens so rar wie Tech-Entwickler. Weil einfach in diesen Bereichen, du hast da sehr viele Leute, die das irgendwie mal gelernt haben, sozusagen am Kontaktcenter und steigen dann auf. Aber jemand, der mal auch von außen mit reinkommt und sich da einarbeitet, ist da sehr selten. Warum ist das ein spannender Bereich? Ich habe da nochmal vielleicht zum Schluss die Lanze zu brechen. Also du musst dich vorstellen, in so Scale-Ups hast du teilweise zehntausende bis hunderttausende Kontakte, die da pro Woche reinlaufen. Also jetzt bei Entity6 hatten wir, als ich damals da war, ungefähr hunderttausend Kontakte pro Woche. Und die dann konsistent in hoher Qualität abzuarbeiten, da musst du als Architekt ran. Du musst das ganze System in kürzester Zeit auf nächste Ebene heben. Und das ist eine sehr spannende Herausforderung, wo man Talente braucht.
Joel Kaczmarek: Ich kann jetzt total verspähen, das ist ungefähr auch die Anzahl an Beschwerden, die ich pro Monat für Florians Podcast kriege, von daher weiß ich, was du meinst. Nun gut, ihr Lieben, das war ja ein spannender Ritt und ja, ich glaube, wir sind alle auch nochmal sensibilisiert und haben tolle Sachen gelernt, also mit Beschwerde komme ich schnell durch die Hotlines, mit irgendwie solchen Jobs im Backoffice, im Customer Service mache ich hier Karriere.
Florian Heinemann: Also wenn es zwei Dinge gibt, die du mitnehmen solltest, dann das. Beschwerde und Karriere-Tipp.
Martin Schilling: Exakt.
Joel Kaczmarek: Gut, ich glaube, die nächste Folge wird unser letztes. Stell dich ein für den Moment mit dem lieben Martin. Da werden wir nämlich über Wachstumskapital reden, also wie man erfolgreich Investorengelder einwirbt. Er hat uns doch nochmal breitgeschlagen. Da freue ich mich schon drauf, lieber Martin.
Martin Schilling: Ich mich auch.
Joel Kaczmarek: Und mal gucken, was sich noch in der Zukunft so ergibt. Also für den Moment, ihr beiden, alles Gute. Alles Gute. Danke euch.
Florian Heinemann: Macht's gut. Ciao.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Gründung: Du willst dein eigenes Unternehmen gründen, bist schon Gründer oder von Startups fasziniert? Mit dem Top-Experten Florian Heinemann sprechen wir regelmäßig über Tipps und Ratschläge zu Finanzierungsfragen, Strategien und operativer Umsetzung auf dem Weg zu deinem eigenen Business.