Drehbuch für einen Börsengang – Teil 2: Die Umsetzung

22. November 2018, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Road to IPO Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und wir gehen in die zweite Runde unseres Drehbuchs für den Gang an die Börse. Beim letzten Mal haben wir ja ganz viel gesprochen über Regulatorik, was ich so aus der Legal-Seite machen muss, wenn ich an die Börse möchte. Und heute wird es mal ganz, ganz spannend, also in Richtung der Banken. Legal finde ich auch spannend, lieber Andreas, den wir gleich noch mal vorstellen. Bin ich mal gespannt, was du erzählst von der Front, Stefan, dieses Verkäuferische da drin. Wie man Sachen interpretiert, wie man sie darstellt, da ist sozusagen ein bisschen mehr Bewegungsmöglichkeit drin. Aber wir fangen natürlich erst mal an mit einer kleinen Vorstellungsrunde. Mit mir dabei ist natürlich die liebe Renata. Guten Morgen, Renata.

Renata Bandov: Hallo Joel.

Joel Kaczmarek: Eigentlich muss man schon Mahlzeit sagen. Ist ja hier schon Mittag im schönen Frankfurt mit Blick auf das hessische Umland. Ganz kurz, vielleicht hat der eine oder andere schon unseren letzten Podcast gehört, aber sag doch nochmal, was du machst bei der Deutschen Börse, was in deine Verantwortung fällt.

Renata Bandov: Ich bin verantwortlich bei der Deutschen Börse für den Primärmarkt. Das heißt, wir sind diejenigen, die die Unternehmen bei ihrem Weg an die Börse begleiten.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Also du wirst heute aus deinem Alltag plaudern können. Und das gilt für unsere anderen beiden Gesprächspartner natürlich auch. Schon bekannt aus unserem letzten Podcast. Nevertheless, lieber einmal zu viel vorstellen als einmal zu wenig. Lieber Andreas, mach doch kurz den Anfang. Wer bist du? Was machst du?

Andreas Zanner: Hallo Joel, mein Name ist Andreas Zanner. Ich bin Rechtsanwalt und Partner bei der großen Wirtschaftskanzlei CMS Hasche-Siegle und leite dort den kapitalmarktrechtlichen Bereich und beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Börsengängen, also vor allem IPOs und Secondary Placements.

Joel Kaczmarek: Okay, bei 20 Jahren, da bist du ja quasi auch so in der Wild

Andreas Zanner: Ältere Semester schon, ja.

Joel Kaczmarek: Nee, aber vor allem in der Wild-West-Zeit, neuer Markt, so voll rein, ne? Ja, da bin ich, genau. Also, sehe ich schon, müssen wir hier nochmal Veteranengeschichten auch austauschen. So, und heute kriegt der gute Stefan, glaube ich, ganz viel Airtime, weil wir über Pitch-Kriterien reden, die ganze Aufbereitung, wie man eigentlich eine Equity-Story verkauft. Lieber Stefan, auch dir herzlich willkommen und sag doch auch ein, zwei Sätze zu dir und der Berenberg-Bank.

Stefan Ries: Hallo Joel, freut mich, dass ich wieder dabei sein darf. Ja, Stefan Ries, bin bei Berenberg zuständig für alles, was mit Aktienplatzierung zu tun hat, also eben Börsengänge, aber auch Kapitalerhöhung oder Aktienumplatzierung. Bin dort seit acht Jahren, mache das insgesamt auch schon über 20 Jahre und Andreas und ich haben in der Tat schon im wilden Westen zur neuen Marktzeit den ein oder anderen Ritt bestritten, glaube ich.

Andreas Zanner: So ist es.

Joel Kaczmarek: Ich habe ja mal gehört, dass es damals wirklich so war, dass die Leute mit dem Geldkoffer irgendwie in die Büros der Unternehmen reinkommen.

Stefan Ries: Es ist wirklich unvorstellbar eigentlich. Wir sind damals mehrmals täglich ausgerückt und haben uns beworben für Börsengänge. Und wir hatten ein Jahr, jetzt aus Erinnerung, in einem Jahr mehr als 170 Börsengänge. Die Zahl habe ich mir irgendwie gemerkt. In einem Jahr. Und nur, dass man das mal im Verhältnis sieht. Wir haben heutzutage in einem Jahr, wenn es gut läuft, vielleicht irgendwie 15 oder 20 Börsengänge. Oder auch mal 10 oder weniger.

Joel Kaczmarek: Die guten alten Zeiten, möchte man sagen, wenn der Ausgang nicht ein bisschen speziell gewesen wäre. Heute soll es wie gesagt darum gehen, dass wir mal verstehen, wie die ganze Entwicklung der Equity-Story funktioniert, welche Pitch-Kriterien man sich so festlegt. Und lass uns doch mal anfangen, indem wir beginnen zu erklären, wie du eigentlich ins Spiel kommst, wenn man sich um das Thema Börsengang interessiert. Wie kommt eine Investmentbank aufs Tapet, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt? Wie wirst du mandatiert?

Stefan Ries: Also im Grunde genommen gibt es zwei Wege. Der eine Weg ist der, dass man selbst eben sehr früh an Unternehmen herantritt und auf die zugeht, weil man den Markt auch analysiert und guckt, was es da so gibt und die Unternehmen anspricht und versucht, mit denen frühen Kontakt zu bekommen und die dann auch auf dem Weg dahin zu begleiten und denen eben zu raten, wie sie sich aufstellen müssen. Viele Dinge, die wir im ersten Teil schon besprochen haben, eben auch abbildet. Und idealerweise damit eine Verbindung zu den handelnden Personen aufbaut, nicht nur zum Management, sondern idealerweise auch zu den Eigentümern, denn die entscheiden ja auch sehr stark mit, wer das macht, um dann eigentlich ohne eine große weitere Prüfung sozusagen in den IPO schon reinzukommen. Das ist eigentlich so der ideale Weg. Und dann gibt es den zweiten, der ist eher so, dass man möglicherweise ein Unternehmen vorher noch gar nicht gekannt hat und dann eben ein Prozess orchestriert wird vom Unternehmen selbst oder von einem Berater, die Banken auszuwählen, die diesen Börsengang zu machen. Und manchmal ist es auch noch der Weg dazwischen, dass man durchaus ein Unternehmen schon länger kennt und begleitet hat. Dann aber doch die Eigentümer und das Management sagen, um da jetzt den wirklich besten Berater rauszufinden, veranstalten wir jetzt eben doch nochmal so eine Beauty Parade und so ein Beauty Contest, um dann eben den besten rauszufinden.

Joel Kaczmarek: Okay, also so ein Stück weit Inbound versus Outbound, höre ich daraus, sagt der Salesman, glaube ich. Was genau hat es mit diesen Beauty Contests auf sich? Wie muss man sich das vorstellen?

Stefan Ries: Wir als Bank machen sowas ja jeden Tag, unser Tagesgeschäft, also mehrmals. Ich selbst habe wirklich ganz viele Börsengänge schon gemacht. Ein Unternehmen oder ein Eigentümer macht es meistens nur einmal. Und der will dann natürlich den besten Berater haben, der aus seiner Sicht dann auch wirklich das beste Konzept hat, die beste Vertriebspower hat, die besten Leute hat und das Unternehmen versteht und alles eben mitbringt, um das auch zu einem Erfolg zu führen. Und deswegen ist es eben häufig so, dass man dann mehrere Banken anspricht. Alle bekommen die gleichen Informationen, in der Regel eine ausführliche Präsentation zum Unternehmen und dann die Zahlen aus der Historie und den Businessplan. Und dann geht es los, dann wird ein klarer Anforderungskatalog gestellt, RFP, Request for Proposal, wie wir das nennen. Und dann ist dieser Fragenkatalog abzuarbeiten im Rahmen einer Präsentation, die dann auch persönlich vom Team vorgestellt werden muss.

Joel Kaczmarek: Und worauf wird da geguckt? Also natürlicherweise hätte ich gedacht, dass da so der Klassiker ist, dass die Leute schauen, so ist es zumindest im VC-Part einer Unternehmensgeschichte, Bewertung, wer holt mir die höchste Bewertung raus, was kostet mich der Ganze, was hat er für einen Track Record? Also das wäre, wie ich beim VC gucken würde. Ist das bei euch dann auch so?

Stefan Ries: Das sind auch ganz klar die zentralen Aspekte. Natürlich spielt die Bewertung eine extrem große Rolle. Aber was genauso wichtig ist, ist eben, dass man sich anguckt, welches Team ist das? Also passt das auch von den Menschen? Wir hatten, glaube ich, im ersten Teil schon mal angerissen, dass man da ja auch durchaus ein halbes Jahr zusammenarbeitet. Also das muss auch passen. Dann gucken die sich natürlich ganz genau an, welchen Track Record hat die Bank? Also was hat die denn gemacht in der Vergangenheit? Macht die sowas das erste Mal oder macht die es ein-, zweimal im Jahr? Oder macht sie es ganz oft und hat das auch sehr erfolgreich schon gemacht? Und dann eben natürlich, wie sehen die das Unternehmen? Verstehen die das gut? Wie würden die das positionieren von der Equity-Story her? Und insbesondere, wie würden die das Unternehmen bewerten? Das ist auch ganz wichtig natürlich, denn die Eigentümer wollen es ja nicht zu irgendeinem Preis verkaufen, sondern zu dem, den sie auch wirklich als angemessen sehen. Plus alles, was dazugehört. Wie sieht der Zeitplan aus? Und ganz wichtig natürlich, an welche Investoren würden die das denn verkaufen?

Joel Kaczmarek: Renata, werdet ihr oft gefragt in eurer Rolle als Börse, wenn jemand darüber nachdenkt, einen Börsengang vorzunehmen, wen ihr empfehlt und dürft ihr sowas überhaupt? oder ist das so, dass die Leute sich das schon gesucht haben und eher bei euch aufschlagen, wenn sie schon gesettelt sind?

Renata Bandov: Also das kommt durchaus vor, dass gerade kleinere Unternehmen, die selber nicht Zugang zu Kapitalmarktbanken haben, zu Investmentbanken, dass die auf uns zukommen und aus den ersten Gesprächen über Börse und über einen möglichen IPO man dazu kommt, dass man sagt, naja, wie sieht es denn aus, könnt ihr uns nicht eine Bank empfehlen. Wir halten das so als Börse, dass wir neutral bleiben wollen und keine Empfehlungen an der Stelle aussprechen. Was wir aber machen, ist, dass wir ein Capital-Market-Partner-Netzwerk aufgebaut haben, wo eben Kapitalmarktakteure, Intermediäre im Netzwerk sind, unter anderem eben auch Banken, die Platzierung und IPO-Begleitung machen. Und da verweisen wir ganz gerne drauf. Das ist auch eine Möglichkeit. Was wir aber auch machen, jetzt im Zusammenhang mit unserem neuen Segment Scale, dass wir einen Service auch für Unternehmen anbieten und sagen, also wir organisieren eine sogenannte Roadshow auch für euch. Das heißt, ihr schickt uns eine Unternehmenspräsentation und wir würden diese dann im Rahmen einer Roadshow bei Banken präsentieren und organisieren für euch einen entsprechenden Termin.

Joel Kaczmarek: Aber Stefan, wie macht ihr es denn, dass ihr euch da spezifisch hervorhebt? Weil ich sage mal, ob da jetzt Berenberg steht oder Goldman Sachs oder Deutsche Bank, ihr werdet ja alle einen guten Track Record haben. Ihr werdet alle erfahrene Leute haben. Ihr werdet, wenn ihr euch richtig anstellt, ich glaube, da hat keiner Lust, irgendwie so einen Börsengang überzubepreisen, alle zu relativ ähnlichen Ergebnissen kommen in einer gewissen Range. Was genau seht ihr denn da eigentlich so als USP? Hat jeder zum Beispiel ein eigenes Vorgehen als Bank? oder was hebt ihr da eigentlich hervor?

Stefan Ries: Angenommen, da kommen irgendwie sechs, sieben Banken an einem Tag vorbei und präsentieren alle ihr Konzept, wird jede Bank sagen, wir sind die Besten. Wir haben den besten Track Record, wir verstehen euer Unternehmen am besten, wir haben auch das beste Team, wir haben sehr viel Erfahrung und so weiter. Und wichtig ist eben dann genau, So wie dann auch das Unternehmen sich am Kapitalmarkt später positioniert über die USPs, also wo sind wir besser als viele andere, dass wir in dem Termin zeigen, warum sind wir die Besten, um dieses Projekt zu machen. Und da muss jede Bank für sich einen Weg finden, herauszuarbeiten, was macht es aus, Berenberg oder eben eine andere Bank dann am Ende zu mandatieren. Und wir kommen da sehr stark über die Schiene, dass wir natürlich sehr viel machen, also sehr viel Erfahrung haben. Dadurch, dass wir viele Transaktionen machen. Das ist sicherlich wichtig, dass wir auch damit erfahrene Leute haben, die wissen, wie es geht. Der zweite Aspekt ist sicherlich sehr stark auch, dass wir ein sehr, sehr gutes Research Team haben, das sektoral aufgestellt ist und dann aber sehr, sehr wichtig. Und das ist für uns eines der Differenzierungskriterien. An welche Investoren verkauft man das Unternehmen? Wo bietet man das an? Und da verstehen wir uns als ein Haus, das sehr komplementär zu anderen ist, also viel breiter aufgestellt ist als das ein oder andere Haus, das du gerade genannt hast. Es gibt Banken, die betreuen sehr schwerpunktmäßig 70, 80 oder 100 Investoren global. Die kennen wir auch, das machen wir auch, aber wir betreuen insgesamt über 700 Investoren, teilweise kleine Investoren, die vielleicht nicht Multi-Billion-Funds steuern, aber die auch dreistellige Millionen-Euro-Fonds steuern oder sogar ein bisschen weniger. Das ist ein Differenzierungsmerkmal. Und als Berenberg, bei der ja das zweite Standbein neben dem Investmentbanking auch die Vermögensbetreuung für private Kunden ist, bringen wir eben auch mit das Geld von Family Offices und dem, wie man das nennt, Private Wealths, also eben die vermögenden Privatkunden, was andere Häuser teilweise nicht können.

Joel Kaczmarek: Hast du irgendwie das Gefühl oder sagt man dir das vielleicht sogar, was so der ausschlaggebende Faktor war, warum man euch mandatiert hat? Gibt es da so eine Top 3, wonach die Leute schauen? Also meinetwegen Preis, hat der quasi jemanden in meinem mittelbaren Wettbewerbsfeld schon mal an die Börse gebracht, kennt der mein Segment oder was sind so die Top 3 Faktoren, weswegen man euch auswählt?

Stefan Ries: Also ich glaube, das spielt, was du gesagt hast, das spielt sicherlich eine sehr große Rolle. Hat ja schon mal was Vergleichbares erfolgreich gemacht. Die Bewertung spielt auch eine Rolle. Meiner Erfahrung nach gewinnt aber nicht immer der, der die höchste Bewertung zeigt. Weil am Ende ist wichtig, ist es eine realistische Bewertung? Kriegt man die auch wirklich durch oder liegt man vielleicht zu hoch? baut Erwartungen auf, die am Ende dann nicht erfüllbar sind. Und dann ist, glaube ich, ganz wichtig auch diese sogenannten Hitlisten. Es gibt ja dann auch über Bloomberg und Reuters und andere Medien gibt es dann eben auch Auswertungen, wer hat wie viel gemacht in puncto Anzahl von Transaktionen und auch Volumen von Transaktionen, wie erfolgreich war die einzelne Bank.

Joel Kaczmarek: Wie wichtig sind Analysten in dem Bereich, also die Zusammenarbeit mit Analysten?

Stefan Ries: Das ist auch ein sehr wichtiges Kriterium und auch da sind wir meines Erachtens etwas anders als andere. Wir versuchen in der Regel auch, den Analysten mit an den Tisch zu bekommen, wenn wir in diesem Beauty-Contest sind, also wenn wir die Präsentation machen. Das ist ein bisschen schwierig, weil der Analyst ja eigentlich auf der anderen Seite dieser sogenannten Chinese Wall ist, also der darf ja nicht öffentliche Informationen wissen und auch keine Zukunftsaussagen zum Unternehmen. Deswegen ist der eigentlich, wie gesagt, aus diesem Prozess so ein Stück weit ausgegrenzt. Aber der ist eben in dem Prozess extrem wichtig, weil er derjenige ist, der am Ende mit den Investoren spricht und das Unternehmen positioniert und verkauft. Und deswegen wollen die Eigentümer und das Management den Typen auch sehen. Was ist das für einer? Kennt er das Unternehmen? Versteht er uns? Wie committed ist der eigentlich für so etwas? Und deswegen holen wir den in der Regel für den Ausschnitt, wo es genau um die Positionierung des Unternehmens geht, mit an den Tisch.

Joel Kaczmarek: Wie muss ich mir denn generell so einen Ablauf vorstellen? Also es ist ja eigentlich wie so ein klassischer Pitch. Also wenn jemand zum Beispiel einen Agenturbeauftragten macht, dann schreibt er ja auch was aus, gibt im Prinzip, wie du gesagt hast, so eine Art Proposal-Anfrage raus. Wie läuft das dann ab? Wie viel Zeit habt ihr euch darauf vorzubereiten? Wie lang ist so ein Termin, den ihr dann habt?

Stefan Ries: Sehr wenig Zeit haben wir da. Also das kann durchaus sein, dass wir so einen RFP mit anderthalb, zwei Wochen Vorlauf bekommen, maximal, manchmal auch nur eine Woche. Und dann gilt es eben, relativ schnell diese Präsentation zu erarbeiten. Meistens muss man es ein bis zwei Tage vor dem Präsentationstermin auch abgeben, damit die sich das vorher schon mal angucken können. Und dann hat man in der Regel zwischen ein bis anderthalb, sehr selten zwei Stunden Zeit, das zu präsentieren und muss dann auch mit einem wirklichen Projektteam dort antreten. Also das ist dann Meistens jemand aus der Leitung des Bereiches, dann ist es jemand, der eben der Projektleiter wäre für das Projekt, plus 1, 2, 3 Juniors, die dann im Day-to-Day-Business den Prozess auch fahren. Und wir haben eben auch oft den Analysten dabei, andere Banken haben den Sektorbanker dabei, der in dieser Industrie sehr gut zu Hause ist und das gut vermitteln kann. Und wir haben dann, das ist auch eine Spezialität bei uns, manchmal auch noch einen Kollegen dabei aus dem Legal-Bereich. Wir haben ja auch im Team eigene Juristen und Rechtsanwälte, die die ganzen Dokumentationsthemen begleiten und Verträge machen und so weiter, sodass man das komplette Team hat, das dann auch in der Folge, wenn wir das Mandat bekommen, das Team wirklich sein sollte, das das Projekt dann auch umsetzt.

Renata Bandov: Umsetzen ist sicherlich auch ein gutes Stichwort. Stefan, es ist doch sicherlich auch nicht immer eine Einbahnstraße. Also man merkt sicherlich in so einem Termin auch, ob es auch von Seiten der Bank passt. Also es gibt sicherlich auch bei euch ja auch die Situation, dass ihr sagt, passt aus welchen Gründen aus eurer Sicht nicht oder die Erwartungen, die das Unternehmen hat, könnt ihr nicht bedienen. Oder dass hier vielleicht auch zu dem Ergebnis kommt, ja, das Unternehmen ist gar nicht reif für die Börse oder es sollte vielleicht irgendwie ein Zwischenschritt gemacht werden oder vielleicht gibt es eine andere Lösung. Ja.

Stefan Ries: Das wird man in der Regel dann aber vorher schon rausfinden. Also im Extremfall würden wir dann zu so einem Termin gar nicht auflaufen, sondern würden im Vorfeld auch über den Berater oder dem Unternehmen direkt sagen, wir sind der Meinung, ihr seid noch zu früh oder da fehlt es noch an dies oder an irgendwelchen Themen. Das würden wir in der Tat dann vorher sagen. Was wir manchmal machen ist, dass wir durchaus in so einen Termin gehen und sagen, wir würden euch empfehlen, das nicht im übernächsten Quartal zu machen, sondern wir glauben, aus den und die Gründen macht es mehr Sinn, noch mal ein, zwei Quartale zu warten, weil dann die und die Dinge passieren werden. Und dann habt ihr eine viel höhere Kredibilität am Markt, wenn ihr es dann Investoren zeigt und den IPO dann macht.

Joel Kaczmarek: Gibt es denn generell Monate, wo IPOs sich besonders empfehlen?

Stefan Ries: Ja, das gibt es. Es gibt gewisse Fenster, wo es sich sehr, sehr stark anbietet. Und das liegt insbesondere an dem Prospekt und an den Zahlen, die in den Prospekt reinkommen. Vereinfacht ausgedrückt ist es so, dass der Abschluss, der im Prospekt ist, der ist nur viereinhalb Monate gültig. Der hat quasi so eine Art Gültigkeit. Für diesen Zeitraum gibt der Wirtschaftsprüfer, nämlich der das gemacht hat, nur sein Prüfsiegel da drauf. Und wenn man diese viereinhalb Monate überschritten hat, dann braucht man wieder einen neuen Abschluss, einen Zwischenabschluss. Und das führt einen dann natürlich wieder in ein anderes Fenster, in dem man dann an die Börse gehen kann.

Joel Kaczmarek: Und welche Fenster sind gut für Börsengehege?

Stefan Ries: Die typischen Fenster sind die, dass man mit dem Jahresabschluss geht, also volle zwölf Monate, ein Kalenderjahr. Und dann geht man im April, Mai. Das ist so ein klassisches Fenster. Oder man geht mit den Halbjahreszahlen und macht es dann im Oktober, November. Und dazwischen gibt es natürlich noch Möglichkeiten mit Zwischenabschlüssen, also Quartalsabschlüssen zu gehen. Wir empfehlen häufig, wenn das passt vom Unternehmen und vom Geschäftsmodell, zum Beispiel den Q3-Abschluss zu nehmen und dann ganz früh im neuen Jahr, nämlich im Januar, Februar rauszugehen. Warum? Weil das eher wenige machen und dann eben nicht wie im April, Mai 5 oder 10 oder 15 unterwegs sind in Deutschland und global natürlich noch viel mehr, sondern eben nur ganz wenige und man hat ein bisschen mehr Aufmerksamkeit.

Joel Kaczmarek: Thema Weihnachtsgeschäft könnte ich mir vorstellen, spielt auch eine Rolle. Also es gibt ja ganz viele Unternehmen, die machen 60, 70 Prozent ihres Jahres Umsatz zu Weihnachten teilweise. Tue ich mir einen Gefallen, wenn das nach meinem Börsengang kommt und die Leute sozusagen mir den Aufwärtskurs geben? oder tue ich mir einen Gefallen, wenn ich das im Rücken habe und dann aber mit Enttäuschung rechnen muss, falls das Q1 halt nicht so toll ist?

Stefan Ries: Wenn das vierte Quartal eine große Rolle spielt, sollte man das mitnehmen, weil sonst, wenn man es davor macht, werden die Leute eher so ein bisschen skeptisch und sagen, okay, viertes Quartal ist eigentlich immer gut, aber ist es diesmal wieder gut? Kann ja sein, dass es vielleicht dieses Mal nicht so gut läuft. Und dass es dann eine gewisse Zyklizität in den einzelnen Quartalen gibt, das wird man den Investoren einfach sagen. Dann wird man auch ganz offen sagen, okay, das vierte ist das Beste. Und ihr müsst davon ausgehen, dass das erste Quartal im neuen Jahr oder das erste Halbjahr im neuen Jahr nicht zu vergleichen ist mit dem vierten Quartal oder dem zweiten Halbjahr des Vorjahres.

Joel Kaczmarek: Jetzt hatten wir eben intensiv darüber gesprochen, wie so ein Termin abläuft. Du hast gesagt, wen du da alles mit hinnimmst. Wie groß ist denn eigentlich so ein Transaktionsteam, was ihr von Bankenseite mit ins Spiel bringt?

Stefan Ries: Also das Transaktionsteam, das den Prozess steuert und die einzelnen Workstreams bearbeitet und diesen Vorbereitungsprozess managt, das sind so zwischen vier und sechs Personen bei uns im Corporate Finance oder im ECM, Equity Capital Markets. Und dann kommen natürlich in der Bank immer mehr Leute dazu. Dann kommen die Analysten dazu und dann kommen insbesondere die Salesleute dazu, also die Aktien-Salesleute, die dann im Handelsraum sitzen und am Ende dann irgendwann ihre Investoren anrufen, mit denen in Interaktion treten. Und da haben wir in der Bank insgesamt weit über 100, die das machen.

Joel Kaczmarek: Ist das so Wolf of Wall Street Style, wie sich jetzt viele das vielleicht vorstellen? Oder ist das wirklich so? telefonieren, telefonieren, telefonieren und dann Hörer auflegen, wenn die Glocke

Stefan Ries: Was das angeht, wahrscheinlich schon. Viele andere Dinge, die man von diesem Film kennt, habe ich so noch nicht erlebt. Aber in der Tat ist das am Ende wirklich ein Verkaufsprozess. Da geht es dann darum, dass man seine Kunden anruft und mit denen in die Diskussion geht und sagt, hier ist ein tolles Unternehmen. Und dann stellen die Fragen und dann müssen die natürlich auch alle vorbereitet sein, weil die Investoren natürlich eher nach Themen suchen, die nicht toll sind.

Joel Kaczmarek: Und wie geht ihr vor, wenn ihr nur anderthalb Wochen Zeit habt, um euch so eine erste grobe Equity-Story, ein Positioning zu überlegen? Wie macht ihr das eigentlich?

Stefan Ries: Das machen wir eben dadurch, dass wir in-house sehr, sehr viel Sektor-Know-how haben. Und dann gucken wir uns das Unternehmen an und graben uns da ein und analysieren das und versuchen da eben eine entsprechende Story aufzubauen.

Joel Kaczmarek: Rein medial, am Ende des Tages sind das ja alles Menschen. Und Menschen kriegt man ja am besten mit Geschichten. Muss ich mir das als PowerPoint-Sammlung vorstellen, als gigantisch dicke PDF, als kleinen Film, als persönliches Gespräch? Was gibt da so den Kick?

Stefan Ries: Sowohl als auch. Zunächst ist das natürlich eine PowerPoint-Präsentation in PDF. Die kann 60 bis 70 Seiten dick sein. Das ist das, was man da abliefert, vorab schon mal, ein, zwei Tage vor, dass Sie sich das angucken können. Und das ist dann auch die Unterlage, die bei diesem Pitch-Termin physisch dann auf dem Tisch liegt. Aber dann ist natürlich viel, viel wichtiger, dass man das mit Leben füllt und in der Tat mit Emotionen erfüllt. Und die Gegenseite oder der Kunde muss eben auch merken, dass man brennt für das, was man da tut, was das Unternehmen tut. Und dass man überzeugt ist davon, dass es eine tolle Geschichte ist und dass man das gut verkaufen kann und das zu einem Erfolg führen kann. Also es ist schon sehr viel Emotion und Überzeugungsarbeit und Commitment eben dabei, das man da zeigen muss.

Joel Kaczmarek: Du hast ja eben auch von einem Berater gesprochen. Wen stellen sich die Unternehmen denn genau an, der euch dann quasi zu so einem Pitch einlädt?

Stefan Ries: Das sind eben spezialisierte Berater, die solche Prozesse schon vielfach gesteuert haben. Und das sind, um ein paar Namen zu nennen, das ist, ich weiß nicht, macht Lazar und Rothschild und Lilja. Also es gibt da eben eine Handvoll Berater, die so etwas machen. die eben den Zugang zu den Banken haben, die wissen, wie ein IPO-Prozess läuft, worauf es da ankommt und die ein Stück weit eben diesen Prozess für den Kunden managen, der das ja eben noch nie gemacht hat und unerfahren ist und am Ende auch nicht Gefahr laufen will, dass ihm da Dinge von der Bank vielleicht vorgesetzt werden oder präsentiert werden. Und er hat überhaupt keine Möglichkeit einzuschätzen, kann man das jetzt auch vielleicht links oder rechtsrum anders machen? oder ist es genau nur der Weg, der da gerade vorgestellt wird.

Joel Kaczmarek: Und wer ist am Ende der Kapitän von diesem ganzen Prozess? Also seid ihr das dann, wenn ihr mandatiert werdet? Oder bleibt so ein Berater dabei? Oder wie muss ich mir das vorstellen? Also zum Beispiel, wir hatten ja ganz viel Legal mit Andreas im letzten Podcast. Beauftragst du den Andreas mit seiner Kanzlei? Oder ist der schon beauftragt gewesen, wenn du drankommst? Wie muss ich mir das vom Ablauf her vorstellen?

Stefan Ries: Also wenn es einen Emissionsberater gibt, dann ist der in der Tat so. der, ich würde sagen, der im Lead, der ist der Head, der führt den ganzen Prozess. In der Bank gibt es dann aber auch einen Projektleiter, der wiederum den Emissionsberater, die sind ja auch meistens andere Banken dabei, die Rechtsberater, die Kommunikationsagentur, der die alle managt und in einem vier-, fünfmonatigen Prozess zum Ziel führt. Ganz wichtig, Projektkoordination, ist also viel Projektmanagement auch dabei.

Joel Kaczmarek: An wen musst du denn das sellen, Andreas?

Andreas Zanner: In der Regel ist es so, dass man natürlich von Banken empfohlen wird. Also wir kommen meistens nach der Bank ins Spiel, gesellschaftlich zuerst die Bank aussucht und dann mit der Bank eben auch mal bespricht, welche Anwaltskanzleien könnten wir auf den beiden Seiten einsetzen, wer kommt auch gut miteinander aus, wer kann das, wer passt auf die Größe des Deals, vielleicht auf die Industrie, gibt es ja auch unterschiedliche Schwerpunkte, sodass die Banken für uns natürlich schon wichtige Intermediäre sind.

Joel Kaczmarek: Ist das eigentlich ein wichtiger Faktor, dieses Miteinander, weil wenn man halt wirklich sechs Monate lang an so einem Projekt bastelt und sich die Stunden um die Ohren schlägt und hat dann jemanden, mit dem man so ein bisschen edgy unterwegs ist, also wie wichtig ist dieses schon eingespielt sein bei dem ganzen Prozess?

Andreas Zanner: Ich finde es auch extrem wichtig. Also der Emittent muss bei der Auswahl wirklich ein sehr gutes Gefühl haben. Und das gilt auch für die Anwälte. Der muss davon überzeugt sein. Es gibt ja auch viele Anwaltskanzleien, die sich da tummeln und die geben sich letztlich auch nicht so wahnsinnig viel. Und der Emittent muss schauen, kann ich mir vorstellen, mit dem sechs Monate sehr, sehr eng zusammenzuarbeiten. Am Prospekt ja auch. Das ist ja die Hauptaufgabe von Gesellschaft und den, die Gesellschaft begleitenden Rechtsanwälten, den zu schreiben. Und das ist natürlich schon auch wichtig. eine Herausforderung, wo die Atmosphäre einfach gut sein muss.

Stefan Ries: Ja, in der Tat, wenn wir gefragt werden, auf der Bankseite einen Anwalt zu empfehlen, werden wir dann auch häufig gefragt haben, wir haben jetzt den und ihr schlagt jetzt die drei vor. Haben die denn schon mal miteinander gearbeitet und wie hat es funktioniert? Wenn die dann Hinweise haben, dass zum Beispiel zwei Kanzleien sich eher gekabbelt haben und das eher so ein bisschen schwierig war, dann tendieren die natürlich eher zu jemandem, die da erfolgreich und sehr emotionsfrei zusammengearbeitet haben. Das spielt schon eine Rolle. Also es menschelt da überall, sowohl bei der Auswahl der Bank, als auch bei dem Berater, als auch bei den Anwälten. Weil in der Tat, wie du sagst, Joel, das ist am Ende ein vier-, fünfmonatiger Prozess und da ist es angenehmer, wenn man mit Leuten zu tun hat, die man kennt und wo man ein gutes Gefühl hat. Aber es ist nicht immer so. Man ist dann auch eben oft in Konstellationen und selbst mit Leuten, die man kennt, da knirscht es immer mal an der einen Ecke und muss dann halt gucken, dass man da durchkommt und eine Lösung findet.

Renata Bandov: Da sind wir froh, dass wir konkurrenzlos sind.

Joel Kaczmarek: Ja. Aber wann kommt ihr denn ins Spiel? Wann nimmt eure Reibung zu? Wann geht ihr mit in den Prozess?

Renata Bandov: Ja, am Ende des Tages, wenn es dann tatsächlich konkret wird, wenn man sich entschieden hat, man will das machen und führt entsprechend konkrete Gespräche, dann kommt es irgendwann mal auch auf den Punkt, ja, welcher Kapitalmarkt ist der richtige.

Joel Kaczmarek: Jetzt sollten wir vielleicht einen Satz nochmal sagen zu diesem zentralen Thema Bewertung. Wie arbeitet ihr denn da? Weil es wäre ja ein leichtes, einem Unternehmer, der natürlich möglichst viel Ertrag ziehen will aus so einem Börsengang, die Bewertung möglichst hochzuschrauben und zu gucken, was sagt mein Wettbewerb? und ich setze halt noch einen drauf. So, da legt man sich ja manchmal aber irgendwie ein Ei ans Nest. Wie geht ihr da vor? Wie arbeitet man damit?

Stefan Ries: Also zunächst mal muss man es schaffen, einen Preis zu finden, der für beide Seiten attraktiv ist, also sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer. Klar, der Verkäufer will möglichst das Optimum rausholen und den besten oder höchsten Preis. Der Käufer, also die neuen Investoren, die wollen natürlich auch irgendwo einen Preis zahlen, wo sie nicht gleich das Maximum zahlen und ein hohes Risiko haben, dass bei der kleinsten Marktentwicklung oder wenn irgendwas im Unternehmen nicht so kommt, wie erwartet, dass dann der Kurs sofort runterrauscht. Das heißt, diesen Clearing-Preis sozusagen, das ist die Kunst, den zu finden. Und da ist dann am Ende auch bei den Eigentümern und beim Management schon immer die, am Anfang pushen die das natürlich und sagen, das muss so hoch wie möglich sein, weil die auch wissen, es kann gut sein, dass sich das im Zuge des Prozesses irgendwo so ein bisschen wieder nach unten bewegt. Aber diese Bereitschaft ist dann auch da, weil die wollen ja am Ende auch, dass es eine erfolgreiche Transaktion wird, weil auf der anderen Seite der Investor eben nicht bereit sein wird, irgendwelche Premiums zu zahlen oder Mondpreise zu zahlen, wo er am Ende das Risiko hat, dass es eher nach unten läuft als nach oben. Das ist schon mal als Grundvoraussetzung, glaube ich, das, was man erreichen muss. Und dann gehen wir eben sehr technisch vor. Das heißt, wir machen eine vergleichende Bewertung. Wir gucken uns eben an, welche Unternehmen gibt es im Markt, die schon notiert sind. Und da kann man ja Preise oder diese sogenannten Multiples ablesen. Und wir übertragen das auf die Zahlen des Unternehmens. Von dem Ergebnis nimmt man dann in der Regel eben so einen gewissen Abschlag, weil der neue Investor Der will eben nicht gleich das bezahlen, was ein am Markt schon gelistet das Unternehmen als Bewertung hat, sondern eben ein bisschen weniger als Risikopuffer sozusagen. Und dann machen wir auch immer noch eine sogenannte DCF-Bewertung, also Discounted Cashflow-Bewertung, die im Grunde genommen, um das vereinfacht zu sagen, den intrinsischen Unternehmenswert beinhaltet. Also der basiert wirklich auf der Unternehmensplanung, die das Unternehmen gemacht hat. und die sicherlich meistens zu dieser Multiple-Bewertung nach oben hin die Bewertung abfedert und zeigt, was da eigentlich als Maximum möglich sein könnte.

Joel Kaczmarek: Macht ihr sowas so ein bisschen Elfenbeinturm-mäßig im stillen Kämmerlein oder macht ihr zum Beispiel auch mal so erste Pre-Soundings, dass jemand nachfragt, wer Potential Investor ist, was würdest du taxieren, wenn ich jetzt mit dem und dem Pitch auf dich zukäme? oder ist das noch zu früh?

Stefan Ries: Das dürfen wir nicht. Aber in der Tat, der ganze Vermarktungsprozess, der ist dann später mehrstufig aufgebaut. Und die ersten Meetings mit Investoren, die passieren in der Regel schon vier, viereinhalb Monate, bevor der eigentliche Börsengang stattfindet. Damit man genau das angeht, dass man in diesem Ablauf vier, fünf, sechs Monate zum IPO kommt. ein Gefühl dafür bekommt, wie sehen Investoren, welche Vergleichsunternehmen würden die heranziehen und welche Bewertungsverfahren und welche Multiples würden die denn sehen für so ein Unternehmen, damit man eben nicht, wenn man auf den Knopf drückt und die Aktien verkauft, man dann plötzlich merkt, oh, die Investoren haben da einen ganz anderen Blick, die sehen eine ganz andere Bewertung. So viel wie möglich Sicherheit auf den Weg dahin vorher reinzubringen, das ist die Aufgabe. Und das macht man über diese Mehrstufigkeit, sogenannte Early Look, vier, fünf Monate vorher. Pilot Fishing, das ist dann so zwei, drei Monate vorher. Und dann am Ende letztlich wirklich die tatsächliche Vermarktung.

Joel Kaczmarek: Und was siehst du, wie viel Bewegung in der Bewertung liegt zwischen unterschiedlichen Banken, die dort pitchen? Hat man da ein großes Feld?

Stefan Ries: Ja, also das ist schon teilweise ein relativ breites Spektrum, weil das eben sehr davon abhängt, welche Vergleichsgruppe man da findet. Es gibt ja nie das Unternehmen im Markt, das eins zu eins vergleichbar ist mit dem, das man da gerade hat. Und deswegen muss man hilfsweise Unternehmen finden, die annähernd vergleichbar sind. Am Ende ist das Ausfluss der Bewertung, aber vielmehr ist es Positionierung. Also wie kann ich das Unternehmen vergleichen? möglichst so attraktiv in eine Gruppe positionieren, die eben ein RBDA-Multiple von 10 hat und nicht von 7.

Joel Kaczmarek: Hat man da denn viel Spielraum? Also ich habe ja mal gelernt, je später die Finanzierungsphase, desto weniger Verkauf auf Vision. Also eine frühe Bewertung kann ja manchmal im Verhältnis zu dem, was da ist, viel höher sein, weil man Visionen verkauft. Und nach hinten raus habe ich immer mehr Kennzahlen, die ich eigentlich hart belegen kann.

Stefan Ries: Viel Spielraum hat man eigentlich nicht. Im Gegenteil, man muss eine gewisse Historie zeigen. Also wenn man zum Beispiel sagt, nach vorne raus in den nächsten drei, vier Jahren wollen wir 35 Prozent wachsen. Das Unternehmen ist aber in den letzten drei Jahren nur 5 Prozent gewachsen. Wenn die Leute sagen, okay, zeig mir mal ein Jahr, wo du 30 Prozent wächst. Warum soll das jetzt gerade? Diese typischen Hockeystick-Planungen. Am Ende muss man sich immer fragen, hält das stand, wenn man später mit Investoren spricht und kriegt man das denen erklärt und verkauft und gehen die das mit?

Joel Kaczmarek: Und jetzt mal zum Thema Kosten. Wie berechnen sich die Kosten für eine Bank, die im Börsengang berät und unterstützt und mit seinem Team zusammenarbeitet?

Stefan Ries: Also zunächst mal ist es bei den Kosten für die Bank ja so, dass die Bank nur verdient, wenn die Transaktion durchläuft. Also wenn die vorher abgebrochen wird bis hin zum Bookbuilding, also man ist wirklich schon draußen. bietet die Aktien an, das Buch füllt sich nicht und man muss nach zwei Wochen aufhören und sagen, sorry, hat nicht geklappt, dann hat man sechs Monate für nichts gearbeitet. Weil wir vollständig erfolgsabhängig bezahlt werden. und das ist eben eine Provision, ein Prozentsatz, der sich anlegt an das Transaktionsvolumen, also an das, was da platziert wird. Und diese Provision ist in der Regel zweistufig gestaltet. Es ist so eine Art Basisvergütung, die man dann auf jeden Fall bekommt, plus eine Incentive-Vergütung, die man bekommt, wenn der Kunde zufrieden ist. Und diese Zufriedenheit, die kann sich nach verschiedenen Faktoren orientieren.

Joel Kaczmarek: Also geht ja auch quasi in Vorleistung, habt ihr sozusagen Working Capital, was die ganzen Personalkosten angeht? Absolut.

Stefan Ries: Und deswegen überlegen wir uns eben auch sehr gut, welche Projekte wir angehen, wo wir uns bewerben wollen. Und wir müssen da schon eine hohe Transparenz und Sicherheit haben, dass wir das auch zu einem Erfolg führen können.

Joel Kaczmarek: Was für eine Emissionsgröße hat man denn da typischerweise, beziehungsweise was ist das Minimum, wenn du sagst, Prozentsatz am Emissionsvolumen?

Stefan Ries: Da gibt es verschiedene Blickwinkel. Das hängt auch sicherlich immer so ein bisschen davon ab, welche Investoren man hat, die man anspricht. Bei uns ist das so, dass wir eine Minimumgröße sehen von 100 Millionen Transaktionsvolumen, weil unsere Investoren, die wir betreuen, nach unserer Erfahrung bei darunter liegenden Volumina eher sagen, ist uns zu klein und dann am Ende sind da nicht genügend Aktien im Handel später und man kann da nicht wirklich kaufen und verkaufen.

Joel Kaczmarek: Und wie viel Prozent von diesem Volumen kriegt dann eine Bank als Gebühr, als Kosten?

Stefan Ries: Die Gesamtkosten für so ein Projekt, die liegen in der Regel so zwischen 4 und 5 Prozent. Mit Rechtsanwälte, Kommunikationsagenturen, Bank natürlich auch.

Joel Kaczmarek: Ist das erfahrungsgemäß so ein Schmerzpunkt? Also wird da viel verhandelt? Ist das irgendwie so ein Genickbrecher-Thema, die Kosten? Oder bewertet man das eigentlich so von außen erstmal über?

Stefan Ries: Das ist schon ein sehr wichtiges Thema und da wird auch verhandelt an jeder Stelle, sowohl mit der Bank als auch mit den Juristen und Kommunikationsagenturen. Da gibt es erstmal ein Angebot und dann wird natürlich versucht, das auch noch ein Stück runter zu verhandeln.

Joel Kaczmarek: Macht man das als Bank eigentlich nicht, oder? Wenn man sagt, da hat es so viel Risiko, würde ich da vermuten.

Stefan Ries: Also ich sage mal so, man hat da natürlich ganz klar ein Limit. Man sagt, ich habe da ein entsprechendes Team und bringe da auch ein entsprechendes Commitment mit und das bindet mich fünf, sechs Monate. Und am Ende wird man da eine gewisse Mindest-Fee oder einen Mindestertrag, den wird man da rausholen wollen und darunter würde man es dann auch nicht machen.

Joel Kaczmarek: Was würdest du sagen, sind das wirklich die Unternehmer, die da im Driver Seat sitzen und euch mandatieren? Oder haben da die Investoren, wenn es denn welche gibt, auch irgendwie einen großen Einfluss?

Stefan Ries: Wenn man ein privat geführtes Unternehmen hat, da haben die Eigentümer in der Regel das Sagen. Das Management muss natürlich auch mit den Leuten auskommen. Und wenn das eher Finanzinvestoren sind, kommt es so ein bisschen darauf an, wie stark das Management da ist. Aber ich würde auch da sagen, da sind schon die Private Equity oder Venture Capital Firmen, die sind da schon sehr aktiv. nah dran und wirken da auch mit und entscheiden da auch sehr stark mit.

Joel Kaczmarek: Gut. Jetzt sagen wir mal, du hast überzeugt, dann kriegst du wahrscheinlich irgendwie, wirst du mandatiert, kriegst du einen Vertrag. Was passiert dann als nächstes?

Stefan Ries: Also da werden erstmal mal, wenn die noch nicht an Bord sind, die anderen Berater ausgewählt. Anwaltskanzleien, Kommunikationsagentur, Wirtschaftsprüfer sind ja meistens schon an Bord. Und dann gibt es ein Kick-Off-Meeting. Das heißt, da treffen sich dann alle zeitnah nach dieser Entscheidung, wer das machen soll. Also die führende Bank organisiert das. Die treffen sich dann bei der Firma und dann sitzen da von 20 bis 30, 40 Leute um den Tisch, je nachdem, wie groß dieses Projekt ist. Dann geht man den Zeitplan durch, geht die ganzen Arbeitsprozesse durch und legt fest, wann jeder einzelne Zuständige seinen Input liefern muss, um das zu einem Erfolg zu führen. Das ist so ein bisschen auch, sagen wir mal, physisch der Startpunkt, eben der Startschuss für das Projekt. Und dann geht es weiter, dann wird ein Tageszeitplan erstellt und dann werden die einzelnen Working Streams, die gehen dann halt wirklich in die Umsetzung. Prospekterstellung, Due Diligence, Equity Store, also Vermarktungsunterlagen erstellen.

Joel Kaczmarek: Ist der Berater dann wieder derjenige, der eigentlich der Projektmanager ist?

Stefan Ries: Das macht dann die führende Bank oder die führenden Banken. Das sind die, die das koordinieren. Wenn ein Berater dabei ist, immer im engen Schulterschluss mit dem. Oder eben, wenn es keinen gibt, dann eben die Lead-Banken.

Joel Kaczmarek: Also rein vom Tooling her, wie arbeitet ihr dort? Was habt ihr für digitale Werkzeuge, mit denen ihr agiert? Weil das ist ja ein hochwichtiger Prozess. Also der muss ja wirklich zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein, dringend. Und es gibt viele Akteure, die da reinkommen. Also da kann ja jeder, der Projektmanagement macht, insgesamt von lernen. Wie macht ihr sowas?

Stefan Ries: Ist, ehrlich gesagt, technisch nicht groß unterlegt. Am Ende ist das ein Excel-Zeitplan, Tag für Tag, Woche für Woche. Und der Rest ist wirklich sehr, sehr viel Erfahrung. Einfach Erfahrung, Koordination. Dann gibt es Weekly Calls, das ist auch sehr wichtig. Also einmal in der Woche zu einem Jour Fix, zu einer bestimmten Zeit, wählen sich alle Beteiligten für eine Viertel- bis halbe Stunde ein, telefonisch. Und man geht eine Agenda durch, die ganzen Workstreams. Und jeder wird da quasi auf einen Stand gebracht. Und auch da kann man sehr schön überlegen, orangefarbene oder rote Lampen anmachen, wenn irgendwo was nicht stimmt, wenn es hakt und dann alle da wieder auf eine Linie bringen.

Joel Kaczmarek: Wie ist das so? Kriegst du dann auch mal um 22 Uhr noch Anrufe von deinem Stakeholder und dann musst du irgendwie auch mal die Nerven beruhigen?

Stefan Ries: Schon, ja, das ist in der Tat so. Immer wieder, wenn es dann um gewisse Meilensteine geht, wenn es Feedback aus diesen Investoren-Meetings gibt und die waren vielleicht nicht so gut und wenn Bewertung plötzlich irgendwie aus deren Sicht irgendwo in eine Richtung rutscht, wo die das nicht hinhaben wollen oder vermuten, dass das schwierig wird und so.

Joel Kaczmarek: Wie viel Therapeut steckt dann in so einem Banker am Ende?

Stefan Ries: Ja, das ist eine gute Frage. Am Ende schon viel. Also man muss auch immer wieder, wie du es eben gesagt hast, die Gemüter wieder beruhigen, runterholen, sagen, ist alles nicht so schlimm. Es ist ja gut, dass wir es jetzt hören, damit wir das einfließen lassen können in den weiteren Prozess und am Ende dann doch unser Ziel erreichen.

Joel Kaczmarek: Alles klar. Dann vermute ich, dass ja auch irgendwann, also geht dann noch dieser Prozess der Equity-Story als erstes los? Oder ist das relativ früh in diesem Prozess oder unterliegt das sowieso der ganzen Geschichte?

Stefan Ries: Das unterliegt dem ganzen Prozess. Wir müssen ja schon mit einer ersten Equity Story antreten bei diesem Pitch-Termin, bei diesem Beauty-Contest, wo wir halt eben aufgrund der öffentlich verfügbaren Informationen und der Informationen, die uns das Unternehmen gegeben hat, uns da ein Bild machen müssen. Und das ist zugegebenermaßen wahrscheinlich noch nicht immer das, was man dann tatsächlich am Ende verkauft, weil wir einfach auf einer begrenzten Informationsbasis arbeiten. Und dieses Setup, das wird man dann in diesem vier-, fünfmonatigen Prozess immer stärker verfeinern. Natürlich auch dann mit Hilfe des Unternehmens, weil dann hat man die ja am Tisch und kann die fragen und dann können die einem das nochmal erklären. Und dann wird das immer fokussierter, immer komprimierter und Muss auch vereinfacht sein. Das sind ja oft komplexe Modelle. Am Ende muss man es aber in 40 Minuten bei einem Investor mit sechs, sieben Argumenten erklären.

Joel Kaczmarek: Reitet ihr dann richtig ein bei den Unternehmen, dass ihr zum Beispiel auch mal jemanden hinschickt und der geht dann mal in die Produktion und sagt, okay, wie wahrscheinlich ist es, dass wir Ausfälle haben oder, oder, oder?

Stefan Ries: Machen wir. Also in der Tat gucken wir uns auch da, wo es Produktion gibt, gucken wir uns dann auch mal die Produktionszahlen an und die Prozesse. Oder wir setzen uns auch mal mit dem Finanzleiter oder dem Controller vor ein Rechnungswesensystem und gucken uns da die Daten an und prüfen, gehen da schon in die Tiefe.

Joel Kaczmarek: Wenn ich es richtig verstehe, müsst ihr dann so ein Stück weit USPs rausarbeiten, gleichzeitig aber auch irgendwie einen Benchmark haben, den die Leute verstehen. Also irgendwas, auf was ihr verweisen könnt und dann aber quasi die Einzigkeit hervorheben.

Stefan Ries: Genau. Am Ende geht es eigentlich immer darum, einerseits den Anker zu werfen und zu sagen, Das ist ein vergleichbares Unternehmen, weil so denken ja auch Investoren. Also man geht da per se hin und sagt, versucht die abzuholen bei Dingen, die die schon kennen und muss dann aber eben sagen, an der und der Stelle sind wir anders und idealerweise besser als die anderen, die ihr kennt.

Joel Kaczmarek: Gibt es denn sonst so typische Sorgen und Einwände, die Investoren haben, die ihr dann ansprecht, die ihr schon kennt? Also gibt es da so die Classic Five oder sowas? Ja. Ist das immer individuell?

Stefan Ries: Das ist individuell. Letztendlich prüfen die Investoren natürlich das Unternehmen. Danach können die das Wachstum wirklich durchhalten. Wird die Profitabilität angegriffen durch Wettbewerber oder dass Produkte plötzlich im Markt nicht mehr so laufen und positioniert sind? Also sie versuchen überall da reinzukieksen, um festzustellen, ist das, was ihr da für die Zukunft vorhersagt oder wie ihr euch positioniert, wirklich wasserfest? Oder könnt ihr da von anderen überholt und angegriffen werden, was dann dazu führt, dass eure Zahlen ganz anders aussehen? Und dann sehr stark, das ist sicherlich wichtig, das muss man noch erwähnen, das Management spielt eine ganz große Rolle. Am Ende, ich würde sagen, 50 Prozent, manchmal mehr, manchmal ein bisschen weniger, der Entscheidung hängt auch davon ab, was sind das für Typen, die da sitzen und das verkaufen. Sind die glaubwürdig?

Joel Kaczmarek: Gibt es da so Do's und Don'ts oder schickt ihr die auch zum Beispiel zu einem Trainer nochmal, dass ihr sagt, die kriegen Kommunikationstraining, die kriegen Rhetoriktraining?

Stefan Ries: Absolut. Also es ist wirklich ein Rundumpaket. Wir hören uns natürlich das Unternehmen auch an, wie die präsentieren und wie die sich verkaufen. Und wenn das nicht das ist, was wir da erwarten oder was Investoren erwarten, am Ende müssen die ja vorbereitet sein und da bei den Investoren entsprechend performen, dann holen wir da Kommunikationsberater rein, dann machen wir Trainings und sowieso vor jeder Investorenaktion machen wir sogenannte Rehearsals und Ryruns. Das heißt, wir schließen uns mit denen zwei Tage vorher ein und dann müssen die das dreimal vorsingen. Und wir spielen Investor und stellen blöde Fragen und kritische Fragen an. Und auch da, die müssen im Grunde, haben die einen Antwortkatalog. Es darf keine Frage geben, die ein Investor stellt, die die vorher noch nicht gehört haben. Weil das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn die dann sich zurücklehnen und Pause und wissen nicht, was sie da drauf sagen sollen.

Joel Kaczmarek: Also die Juristen würden sagen, wie so eine Scheinverhandlung, sozusagen einmal die Trockenübungen.

Stefan Ries: Nein, das ist eine Vorbereitung, einfach eine Vorbereitung.

Joel Kaczmarek: Okay, verstehe. In was für einem Dokument gießt sich diese ganze Equity-Story denn nieder? Gibt es da ein zentrales Dokument, wo man das quasi kommuniziert? Ja.

Stefan Ries: Es gibt dann eine Management-Präsentation und die gibt konzentriert das Unternehmen wieder, was das Unternehmen ausmacht mit all seinen Facetten und insbesondere USPs und Besonderheiten. Und die ist meistens so aufgebaut, dass man erst die Leute vorstellt, dann gibt man so ein, zwei Seiten Flashlight auf die Company wie so eine Zusammenfassung und dann sagt man was zum Markt. Und dann hat man meistens so fünf, sechs, sieben Investment-Highlights, also eben genau diese runtergebrochenen, fünf bis sieben Argumente, was das Unternehmen ausmacht, die man dann durch jeweils zwei, drei Seiten unterlegt mit Informationen.

Joel Kaczmarek: Renata, ist das so der Zeitpunkt, zu dem ihr auch reingeholt werdet, wenn die Vision langsam klarer wird, wenn man diese Managementpräsentation hat oder passiert das schon früher oder noch später?

Renata Bandov: Es kann ganz, ganz am Anfang sein, bevor überhaupt irgendwie Banken und Anwälte mit drin sind, wie vorhin schon ausgeführt. Es kann aber auch sein, dass eben erst, wenn der Prospekt in der Billigung oder in der Endphase ist, die Börse dazu kommt. Also es kommt immer drauf an, gibt es irgendwie Themen, die Börsenrelevanz haben, wo wir einfach unterstützen können. Und wo es Sinn macht, dass man die einfach vorher bespricht, sei es rechtliche Themen, die vielleicht irgendwie besprochen werden müssen, weil es am Ende noch eine Entscheidung gibt. Und es wäre natürlich fatal, wenn der komplette Prozess durchgelaufen ist, die Prospektbilligung da ist und die Börse dann irgendwie sagt, als Letzte in der Prüfungskette, jetzt haben wir aber einen Konzern und das Ganze können wir nicht zulassen.

Joel Kaczmarek: So, jetzt war ja Prospekt schon ein Thema. Also im Prinzip, wann erstellt man so einen Wertpapierprospekt und welche Funktion hat er eigentlich?

Andreas Zanner: Relativ bald, nachdem die Beteiligten zusammengefunden haben, sollte man auch mit dem Prospekt anfangen. Liegt daran, dass man ungefähr sechs Wochen einplanen muss für die Billigungsphase durch die BaFin. Also dieser Prospekt muss ja bei der BaFin eingereicht werden und er darf erst dann veröffentlicht werden.

Joel Kaczmarek: Was macht der genau? Also welche Funktionen hat der im Kern?

Andreas Zanner: Also es ist im Grunde das zentrale Dokument meiner Meinung nach des ganzen Börsengangs. Die ganzen Präsentationen, die Management-Präsentationen, die Stefan angesprochen hat, beispielsweise darf nichts anderes enthalten als der Prospekt. Also der Prospekt gibt quasi vor, was ich auch in der Vermarktungsphase sagen kann. Es darf jetzt keine Abweichungen geben. Der Prospekt ist weiterhin ein Enthaftungsdokument. Ich hafte ja als Emittent und als Bank für diesen Prospekt, für den Inhalt des Prospekts gegenüber dem Anleger. Das heißt, er hat zum Beispiel viele Seiten Risikofaktoren. Das ist wie so ein Beipackzettel bei Medikamenten. Da erschrecken die Investoren auch nicht, sondern das ist üblich, dass man einfach geschäftsspezifische Risiken in dem Prospekt erwähnt. Und last but not least, ganz wichtig, ist eben da auch nochmal die Equity Story. Also das ist schon auch ein Dokument, dass dem Unternehmen die Möglichkeit gibt, sich einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. mit der Equity Story, mit der Strategie Wettbewerbsstärken. Wo sehe ich mich im Wettbewerb?

Joel Kaczmarek: Ist so ein Wertpapierprospekt so ein Stück weit wie ein Businessplan, den jeder Unternehmer irgendwie lästig findet? Er weiß, er braucht ihn irgendwie und dann merkt man eigentlich so nach dem Prozess, ah, war doch irgendwie ganz augenöffnend, hat so eine gewisse Katalyse bei mir verfordert, dass das doch irgendwie sinnvoll war?

Andreas Zanner: Der Vergleich, wie jeder Vergleich, hinkt da sicherlich ein bisschen, aber er ist auch nicht ganz unzutreffend. Das ist sicher so. Man braucht das Management ja auch für die Erstellung des Wertpapierprospekts. Und man muss am Anfang Hindernisse überwinden, weil der Vorstand sagt, ja, da kann ich aber gar nicht in der Woche, ich muss ja schließlich mein Unternehmen führen, da bin ich in den USA. auf der so und so Messe, das muss man natürlich auch aufeinander abstimmen, aber es ist eben schon wichtig, dass der Vorstand und das Unternehmen auch vielleicht in der zweiten Führungsebene wirklich ganz eng dabei ist bei den Prospektsitzungen und dort wirklich sich einbringt. Aber ein bisschen kann man den Vergleich wahrscheinlich ziehen.

Stefan Ries: Absolut, es ist schon sehr stark eine Standortbestimmung und zu Papier zu bringen, also die haben eine Strategie im Kopf, die wissen, wer ihre Kunden, ihre Wettbewerber und die Produkte sind, aber Das dann mal wirklich niederzuschreiben in mehreren Seiten, das ist immer ein Selbstfindungsprozess und der führt in der Regel auch sehr positiv im Unternehmen dazu, nochmal für sich zu formulieren und festzustellen, wo stehe ich eigentlich, wo will ich hin? Und dann hat man das wirklich mal klar strukturiert und auch zu Papier gebracht.

Joel Kaczmarek: Was sind so die klassischen Inhalte da drin? Also du hast schon gesagt, Risiken wäre ein Faktor. Was kommt noch rein?

Andreas Zanner: Also Strategie, Wettbewerbsstärken, sozusagen die Equity Story, das ist ein ganz wichtiger Teil. Überhaupt das gesamte Business muss natürlich erklärt werden mit allen Produkten und Dienstleistungen, die ich anbiete. Das ist der größte Teil des Prospektes. Sehr wichtig auch ist die sogenannte Management Discussion and Analysis. Da werden die Jahresabschlüsse diskutiert und analysiert. Es wird also dargestellt, warum, welche Positionen sich in den letzten drei Jahren darstellen. wie verändert hat, warum ist der Umsatz gestiegen, warum ist an der Stelle eine Position vielleicht gesunken. Das ist auch sehr wichtig, glaube ich, für die Investoren, weil man wirklich verstehen will, wie sich die Zahlen in den Jahresabschlüssen zusammensetzen und wie sie sich entwickelt haben.

Joel Kaczmarek: Wie lange dauert die Erstellung von so einem Prospekt üblicherweise?

Andreas Zanner: Man kann im Grunde nicht früh genug beginnen und kurz nach dem Kick-Off-Meeting, das vielleicht sechs Monate vom First Day of Trading entfernt liegt, sollte man im Grunde schon mit vorbereitenden Maßnahmen anfangen. Also wir machen das beispielsweise, dass wir dann sehr früh schon einen sogenannten Shell, heißt das so, ein Prospektgerüst, wo eben schon mal die wichtigen Kapitel, aber nicht nur die Überschriften, sondern teilweise auch schon so ein bisschen unter Überschriften gegliedert, dem Emittenten an die Hand geben und sagen, so, das ist jetzt das Gerüst oder der Knochen, wenn man so will, da müssen wir noch das Fleisch jetzt dran bringen und lass uns mal anfangen. Erklär uns mal dein Geschäft und erklär uns mal die Risiken und dann kommt man Stück für Stück voran. Aber früh anfangen in dieser Sechsmonatsperiode.

Joel Kaczmarek: Wer schreibt das denn? Schreibt ihr das als Anwälte? Schreibt das die Kommunikationsagentur?

Andreas Zanner: Schreiben üblicherweise Anwaltskanzleien, die darauf ja auch dann eine sogenannte Disclosure-Opinion über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts abgeben.

Stefan Ries: Und schreibt eben auch der Anwalt auf der Ishworth-Seite, aus der Firmenseite. Und der auf der Bankseite, der liest den und kommentiert den und guckt, ob das aus seiner Sicht richtig ist. Aber originär geschrieben wird es vom Ishworth-Counseln.

Joel Kaczmarek: Und was ist so, wenn du sagst, die BaFin braucht sechs Wochen, also es gibt doch, glaube ich, sogar mehrere Entwurfsphasen. oder täusche ich mich, dass man sagt, erster, zweiter?

Andreas Zanner: Also früher hat man so gesagt, 15 Tage, 10 Tage, 5 Tage für drei Einreichungen. Inzwischen sind es eher ein bisschen vier Einreichungen, weil man natürlich manchmal auch noch gewisse Informationen in der ersten Einreichung noch nicht drin haben kann. Wenn eben ein Zwischenabschluss noch nicht fertig ist im Zeitpunkt der Ersteinreichung, dann kann ich den erst bei der Zweiteinreichung dazugeben. Es gibt auch Fälle, dass der Formwechsel von der GbH in die AG, dass der noch irgendwo beim Handelsregister hängt. Dann muss ich die AG-Angaben eben auch nachtragen. Und die BaFin prüft eben auf Kohärenz, nennt sie das, oder man kann auch Konsistenz dazu sagen, dass alle Angaben im Prospekt eben in sich schlüssig sind. Und dass eben zum Beispiel auch keine Superlative unbedingt drinstehen, die nicht irgendwo belegt sind durch Quellen. Dass die Risiken tatsächlich geschäftsspezifisch sind. Und dass aber in diesen Risikofaktoren zum Beispiel auch keine Relativierungen drin sind. Also so nach dem Motto, wir haben zwar das und das getan und sind uns sicher, dass das nicht eintritt, aber vielleicht könnte doch das folgende Risiko sich materialisieren. Da würde die BaFin anmerken, das geht nicht, weil die Risikofaktoren eben ganz nackt sind. geschrieben wäre.

Stefan Ries: Aber sie prüft eben nicht auf Richtigkeit. Das ist richtig. Weil die das gar nicht können. Ob jetzt die Dinge, die da beschrieben sind, richtig oder falsch sind, das interessiert die wenig. Das ist richtig.

Joel Kaczmarek: Scheitern oder verspäten sich Börsengänge oft aufgrund des Prospekts in seiner Erstellung?

Andreas Zanner: Früher nicht, würde ich sagen. In letzter Zeit ist die BaFin sehr überlastet und man kann im Moment sehr schwer mit der BaFin Zeitpläne absprechen. Und dadurch ist man immer in so einer gewissen Unsicherheit, zumindest wenn das Verfahren beginnt. Also früher konnte man einen Zeitplan ganz bis in alle Facetten abstimmen mit der BaFin. Man wusste dann sehr genau, wann wird der Prospekt gebilligt und konnte von darauf aus wieder Roadshow und andere Dinge aufsetzen.

Stefan Ries: Da kommt es dann eben auch darauf an, dass man die richtigen Anwälte an Bord hat, die ein gutes Verhältnis zu den Sachbearbeitern dort haben, die die kennen und die denen zureden, sag ich mal. Auch da ist man wieder Therapeut.

Joel Kaczmarek: Ist das echt so, dass man da so per Du ist?

Stefan Ries: Per du nicht, glaube ich. Per du nicht.

Joel Kaczmarek: Aber you know what I mean?

Andreas Zanner: Es ist genau auch da wieder wichtig, es menschelt überall und deswegen ist wichtig, dass man die Leute kennt. Es ist wichtig, dass man oft mit der BaFin zusammenarbeitet, mit vielen Prospekten dort ist und dann kann man natürlich auch auf kleinem Dienstweg mal was besprechen, selbst wenn die mal so ein bisschen aufgeregt dann sind, weil sie selber, das muss man ja auch verstehen, die Leute haben wahnsinnig viel plötzlich zu tun jetzt wieder. Die hatten eine ganze Zeit lang nicht so viel zu tun und plötzlich kommt diese ganze Welle für das letzte Quartal. Und die haben in dem Sommer noch Urlaubszeit, haben die sicher sehr viel zu tun gehabt. Und da muss man sich auch psychologisch hineinversetzen und einfach für eine gute Atmosphäre sorgen.

Stefan Ries: Und es ist ja so, dass diese Einreichungsrhythmen, die du erläutert hast, nicht gesetzlich festgelegt sind. Also man hat keinen Anspruch darauf, sondern das ist in der Tat sage ich mal, eine einvernehmliche Verhandlung und das wird ja auch dann eigentlich immer so festgelegt, aber am Ende könnten die sich zurückziehen auf gesetzliche Fristen, mit denen man nicht arbeiten könnte, weil die völlig lang und unbestimmt sind und damit könnte man nie diesen Zeitplan einhalten. So ist es.

Joel Kaczmarek: Damit man das jetzt als Laie versteht, also so ein Wertpapierprospekt ist auch wirklich für die Öffentlichkeit gedacht, den kann jeder einlesen und sich belesen. Jetzt beobachtet man ja manchmal, dass man dann auf diese Investor Relations Seiten der Unternehmen geht und dann gibt es immer so eine Häkchen, so ich muss irgendwie bestätigen, dass ich kein US Citizen bin und solche Geschichten. Warum passiert sowas eigentlich?

Andreas Zanner: Der Prospekt führt dazu, der gebilligte Prospekt, dass ich einen sogenannten europäischen Pass habe, mit dem ich meine Aktien in Gesamteuropa anbieten kann oder im EU-Bereich, so muss man noch konkreter sagen. Aber eben nicht in den USA. Und dementsprechend, um nicht irgendwie SEC-registrierungspflichtig zu werden und Probleme dort zu bekommen, sind eben diese Disclaimer oder diese Filter notwendig.

Joel Kaczmarek: Renata, was sagt so die Erfahrung, machen Börsenprospekte im Nachhinein manchmal Probleme? Also wenn man sagt, es ist eigentlich auch ein Thema der Haftung, passiert das manchmal, dass man darauf verklagt wird oder oder oder?

Renata Bandov: Ich glaube, so oft passiert es in der Tat nicht. Es liegt sicherlich irgendwie daran, dass sich das so etabliert hat, dass wir gute Kapitalmarktakteure auch im Markt haben, dass das System als solches funktioniert.

Joel Kaczmarek: Aber es ist doch schon so ein bisschen, also ich habe es jetzt bei einem jüngeren Börsengang gelesen, da kam ja dann so ein bisschen auch der bissige Kommentar auf, so, oh, da habt ihr eure Zahlen aber gut verkauft, auch im Prospekt. Wenn wir jetzt in den USA wären, würde es reihenweise Klagen geben.

Renata Bandov: Man muss gucken, wofür ist denn so ein Prospekt da? Ein Prospekt ist dafür da, ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen, damit der Investor irgendwie sich ein ausreichendes Bild über das Unternehmen und das Geschäftsmodell verschaffen kann, um seine Anlageentscheidung zu treffen. Also es sind am Ende des Tages im Regelfall objektive Zahlen, nüchterne Informationen, die dann belegt werden mit Finanzkennzahlen und so weiter. Das Unternehmen wird sich hüten, im Prospekt irgendwelche Annahmen und Ausblicke zu machen und wird das nur so eingeschränkt tun, damit es sich eben dieser Haftung nicht aussetzt. Und jetzt gibt es natürlich immer Situationen, dass das durchaus passieren kann, dass sich Fehler einschleichen in einen Prospekt und dann hat man natürlich vielleicht irgendwie daraus Haftungstatbestände oder dass natürlich irgendwie auch in dem Zusammenhang kriminelle Energie sich breit machen kann. Das sind dann aber Sachverhalte wie woanders auch. Also ich glaube, dadurch, dass hier verschiedene Beteiligte mit involviert sind, die alle das Interesse haben, die Haftung so gering als möglich zu halten, ist die Qualität der Prospekte überragend, glaube ich, hier im europäischen Raum. Wir haben Kanzleien, die, wie gesagt, mit einer Legal Opinion entsprechend das Ganze bestätigen. Banken lassen sich diese Haftungsfreistellung auch nochmal geben. Die Wirtschaftsprüfer gucken noch mit drüber. Und wenn man weiß, man hat Akteure, die das alles ernst nehmen und auch am Ende des Tages mit ihrer Reputation einstehen, und das ist das Wesentliche, glaube ich, für

Joel Kaczmarek: alle Akteure,

Renata Bandov: Wenn man einmal irgendwie in dem Umfeld negativ aufgefallen ist, dann hat das halt einfach Auswirkungen für weitere Transaktionen und für Folgegeschäfte. Und ich glaube, das möchte keiner.

Joel Kaczmarek: Abschließend, bevor wir dann in unserer nächsten Folge mal wirklich auf die ganze Umsetzung des Börsengangs kommen. Gibt es noch weitere Legal-Dokumente, die in dem ganzen Zuge eine Rolle spielen? oder ist es im Wesentlichen das, dass man auf der einen Seite eine Equity-Story in so eine Management-Präsentation gießt, was jetzt kein Legal-Dokument ist, aber so ein Stück weit schon einen Bezug zu dem Prospekt und halt den Wertpapier-Prospekt? oder haben wir noch was vergessen?

Andreas Zanner: Ähnlich wichtig ist der Übernahmevertrag zwischen Emittent und den Banken. Dort wird geregelt eben die Platzierung der Aktien letztlich, wie das technisch abläuft. Aber es sind auch sehr viele Gewährleistungen des Unternehmens vorgesehen. Das rechtfertigt sich auch daraus, dass eben Banken und Emittent für den Prospekt haften. Die Bank haftet also auch für jeden Satz, der im Prospekt steht, kann es aber natürlich am Ende ja nicht so gut beurteilen wie das Unternehmen. Und deswegen lässt man sich natürlich sehr viele Gewährleistungen vom Unternehmen geben, dass eben die Jahresabschlüsse richtig sind, dass überhaupt insgesamt gesagt der Prospekt richtig ist. Und dann gibt es noch ein paar kleinere Dokumente vielleicht, die aber auch wichtig sind. Die Anwälte, ich habe es schon gesagt, müssen Opinions abgeben auf den Prospekt und auch auf die Wirksamkeit, also auf die Richtigkeit des Prospektes und auf die Wirksamkeit des bestimmte rechtliche Vorgänge, dass die Gesellschaft ordnungsgemäß gegründet worden ist, dass die Kapitalerhöhung zum IPO rechtswirksam durchgeführt worden ist etc. Und dann gibt es noch Guidelines, es gibt für die Analysten Research Guidelines, es gibt für die gesamte Kapitalmarktkommunikation sogenannte Publicity Guidelines. und dann können eben noch andere rechtliche Dokumente hinzukommen, Sei es, wenn es ein Stock-Option-Programm gibt, dann die diesbezüglichen Beschlüsse und Verträge, überhaupt Gremienbeschlüsse, Vorstandsbeschlüsse, Aufsichtsratsbeschlüsse. Und es gibt, wenn mehrere Banken beteiligt sind, Bankenkonsortien, natürlich auch einen Konsortialvertrag unter den Banken.

Joel Kaczmarek: Dann haben wir heute, glaube ich, extrem viel gelernt über diesen ganzen Prozess und was da eigentlich so passiert. Und ich freue mich schon, wie gesagt, beim nächsten Mal sprechen wir mal darüber, wenn es wirklich losgeht, also Roadshow und irgendwie Glocke läuten und so weiter. Also da muss Renata dann mal von der Front erzählen, wie Leute sich so anfühlen. Und ich danke euch ganz herzlich und freue mich schon aufs nächste Mal.

Andreas Zanner: Danke dir, Joel. Vielen Dank.

Renata Bandov: Dankeschön.

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