IPO Insights: Wie ein Börsenprospekt funktioniert
3. Dezember 2024, mit Joel Kaczmarek
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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, heute mal ein wirklich komplexes Thema, denn ihr wisst ja, ich kläre immer gerne auf über alle Phasen des Unternehmertums und heute widmen wir uns mal der Börsengang-Phase. Denn das heutige Thema lautet Börsenprospekte. Was ist denn das eigentlich, fragt sich vielleicht der ein oder andere von euch oder ist mitten im Prozess und sucht vielleicht den ein oder anderen guten Rat. Und ich bin ja genauso. Ich schaue mir dann auch immer an, wer hat sich denn mit dem Thema sehr tief auseinandergesetzt und wer beherrscht das richtig gut. Und da habe ich heute gleich zwei Gentlemen am Start, die das, glaube ich, wirklich in der Tiefe atmen. Denn wir haben ein durchaus komplexes Projekt gehabt, als es um das Thema Börsenprospekt geht. So, und nach der heutigen Folge weißt du nämlich a. Was ist ein Börsenprospekt? Was macht der? Welche Funktionen hat der? Worauf sollte ich achten? Und wir gehen mit SMT-Scharf, das ist eine AG, auch einen Case durch, dass du mal ein konkretes Beispiel hast, wie sowas in der Anwendung aussieht. Und daher kommen auch meine beiden Gäste. Der eine nämlich, der liebe Volker Weiss, der ist CFO bei der SMT Schaf AG. Und Mirko Sickinger, der wiederum ist Rechtsanwalt und Partner bei Holking und hat das Ganze auf der fachlichen Seite begleitet. Also nimmst du heute beides mit. Wie sieht es aus aus dem Pilotensitz und aus dem Beifahrersitz, der sozusagen immer noch guckt, dass auch alles richtig läuft. Und ja, wenn du danach nicht schlau bist, weiß ich auch nicht. Von daher in diesem Sinne. Hallo ihr beiden. Schön, dass ihr da seid.
Volker Weiss: Hallo Joel, hallo Mirko.
Mirko Sickinger: Danke, dass wir hier sein dürfen.
Volker Weiss: Prima.
Joel Kaczmarek: Ja, Schönchen. Also lasst uns doch mal mit eurem Case anfangen, Volker. Also vielleicht machst du mal eine ganz kurze Vorstellung, was die SMT Schaf AG eigentlich macht, weil es ja ein durchaus komplexes Produkt und genauso komplex war ja eigentlich auch euer Vorgang, wenn es ums Thema Börse geht. Vielleicht nimmst du uns da mal ganz kurz an die Hand, dass wir eigentlich wissen, worum es geht.
Mirko Sickinger: Also die SMT Schaf wurde 1941 gegründet, hat dann durch den Bergbau in Deutschland sehr, sehr viele gute Jahre gehabt, musste sich dann später anpassen, ist aber immer in dem Produktportfolio treu geblieben. Das Produktportfolio ist im Wesentlichen eine Transporttechnik für den Personen- und Gütertransport. insbesondere für steile Lagen oder auch schwere Güter. Das ist unser Fachgebiet. Und wir haben, da der Bergbau in Europa ja bekanntermaßen auf den absterbenden Bereichen sogar schon geschlossen ist, natürlich auch Transformationen in andere Bereiche vorgenommen. Und da sind wir in dem Bereich Tunnelsegment auch schon sehr, sehr gut gestartet. Insgesamt, um die SMT Schaf AG ein wenig zu skizzieren, Wir machen durchschnittlich 80 Millionen Umsatz im Jahr, haben ca. 400 Beschäftigte und haben in zahlreichen Ländern Niederlassungen. Zahlreiche Länder heißt vor allen Dingen China. Dort ist auch unser größter Markt inzwischen. Wir haben eine Niederlassung in Südafrika, in Polen, in Russland, in Kanada und in Deutschland auch noch eine Elektronik-Niederlassung. Als Produkt muss man wirklich sagen, ist es die Transporttechnik unter Tage, die entsprechende Zulassungen benötigt, sowohl in Deutschland wie auch in China, in allen möglichen Ländern. Also bevor ein Produkt unter Tage in Betrieb geht, muss wirklich ein Zulassungsprozess durchlaufen werden. Das haben wir im Tunnelsegment nicht, aber dort haben wir auch bestimmte Herausforderungen, insbesondere was Gewicht angeht oder auch Steigungen angeht, sodass wir da in dieses Segment auch zunehmend einsteigen.
Joel Kaczmarek: Spannend. Also ich hangel mich so durch. Ich hatte mal einen Gast, der machte Schatzsuchertechnik. Wenn ich jetzt mal das Bernsteinzimmer finde hier, das soll ja irgendwo bei Krakau in den Tunneln sein, dann weiß ich jetzt, wer mir das transportieren kann. Und Mirko, vielleicht kannst du ja mal ganz kurz beschreiben, was so euer Börsencase war, den ihr gebaut habt mit SMT, weil das war ja durchaus, also ich will nicht sagen ungewöhnlich, aber ein bisschen herausfordernder als das Gewöhnliche vielleicht.
Volker Weiss: Ja, du hast mich ja gerade als Beifahrer beschrieben. Also die Rolle, die ich hier habe als Anwalt, ist die eben im Wesentlichen auch den Börsenprospekt, der unser Thema sein soll, im Wesentlichen zu schreiben. Beim Börsengang habe ich halt ein rechtlich erforderliches Dokument, ein zentrales, das ist der besagte Wertpapierprospekt. Und weil der eben rechtlich erforderlich ist, unterscheidet er sich von vielen anderen Unterlagen. Bei so einem Börsengang wird ja viel verteilt, auch viele Hochglanzprospekte, die dann eben gelesen werden von Anlegern. Der Börsenprospekt selber ist kein typisches Hochglanzprospekt, auch wenn er vielleicht ein glänzendes Deckblatt hat, sondern der wird letztlich in seinem Inhalt geprägt von vielen komplizierten rechtlichen Anforderungen. Das ist heute im Wesentlichen europäisches Recht. Ein bisschen deutsches Recht ist es auch. Dieser Prospekt wurde früher vor allem von den Banken geschrieben. Heute wird er weder von der Bank geschrieben noch von der SMT Schaf AG selber, sondern das macht man halt mit externen Dienstleistern. Das sind wir Anwälte typischerweise. Wir liefern einen ersten Entwurf, wissen natürlich auch nicht alles über das Unternehmen und insofern wird da heutzutage mit sogenannten virtuellen Datenräumen gearbeitet. Früher bekamen wir lastwagenweise Leitsordner, in denen eben auf Papier alles über das Unternehmen stand. Heute klicken wir bei einem der typischen Anbieter in so einen virtuellen Datenraum. Da gibt es entsprechende Strukturen, wo man eben alles über das Unternehmen findet. Das Unternehmen selber liefert halt diese Informationen zu Unternehmen.
Joel Kaczmarek: Bevor wir da schon eintauchen, sag doch nochmal ganz kurz, was der Vorgang eigentlich war bei SMT Scharf. Weil es war ja nicht so, wir sind neu gegründet, gehen an die Börse, sondern da war es ja ein bisschen komplexer.
Volker Weiss: Genau, also da gab es zwei Besonderheiten. Zum einen, die SMT Scharf war bereits börsennotiert. Der Begriff ist ein bisschen schillernd. Sie hatte eine Notierung in sogenannten Freiverkehrssegmenten. Man könnte jetzt sagen Börse light, aber das sind durchaus sehr ernstzunehmende Börsen, die technisch genauso funktionieren wie der regulierte Markt. Hier ging es jetzt darum, vom Qualitätssegment M-Access, das ist so ein besonderes Freiberkehrssegment der Börse München, in den regulierten Marktsegment Prime Standard der Frankfurter Börse zu wechseln. Und damit sind wir auch schon bei der zweiten Besonderheit. Parallel zu dem Börsengang in den Prime Standard gab es eine Private M&A Transaktion. Das heißt, da gab es einen Altaktionär, Er hat eine Mehrheit veräußert an einen chinesischen Investor, eines der größten Mining-Unternehmen der Welt, das auf allen Kontinenten präsent ist und das gesagt hatte, wenn wir hier uns engagieren bei der SMT Schaf AG, dann wollen wir, dass die genauso wie wir, das ist die Shandong Energy, Eben Börsennotiertes im höchsten Qualitäts- und Transparenzstandard und damit waren wir dann eben im Prime Standard. Diese Parallelität aus M&A und Börsengang führt dann zu einer ganzen Reihe von zusätzlichen Anforderungen.
Joel Kaczmarek: Glaube ich gerne. Also haben wir sogar bis ins höchste Extrem durchdekliniert. Und jetzt lass uns doch nochmal ganz kurz reintauchen in die Funktion von so einem Börsenprospekt. Also du hast ja eben so schön gesagt, es hat zwar ein glänzendes Cover, aber es ist jetzt keine Verkaufsbroschüre in dem klassischen Sinne, als wenn ich jetzt jemanden so glossy überzeugen möchte, aber es ist ja ein total wichtiges Instrument in diesem ganzen Prozess. Wofür ist das eigentlich da?
Volker Weiss: Es soll halt den Anleger darüber aufklären, was die Inhalte der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft sind. Es soll bedingt über Chancen informieren. Vor allem soll es dem Anleger aber alle Risiken auch dieser Anlage vermitteln. Dahinter steht wie überall im EU-Recht bei der Kapitalanlage der Verbraucherschutzgedanke. Anleger sollen halt auch geschützt werden, wenn sie investieren müssen. Das heißt, der Anleger wäre eigentlich gut beraten, wenn er einerseits in diesen Börsenprospekt schaut, sich dort vor allem die Jahresabschlüsse anschaut, die Bereiche Risiken der Geschäftstätigkeit und dann parallel in die Hochglanzbroschüren schaut. In der Praxis ist es häufig so, dass der Anleger dann doch nur in die Hochglanzbroschüren schaut. Aber eine Aufgabe des Anwalts ist dann häufig auch, die Dinge zu synchronisieren, dass er darauf achtet, dass eben in der Hochglanzbroschüre nichts anderes steht, also jedenfalls nichts widersprüchliches, in beiden Unterlagen widerspruchsfrei, vollständig und nicht irreführend über das Unternehmen aufgeklärt wird.
Joel Kaczmarek: Volker, habe ich das jetzt eigentlich richtig verstanden bei Mirko, dass ich mir das so ein bisschen vorstellen darf, dass der Börsenprospekt quasi das Kleingedruckte ist? und dann gibt es quasi noch so die Glossy-Prospekt-Inhalte, wo man den Anlegern quasi schmackhaft macht zu investieren. Und der Börsenprospekt ist sozusagen aber die, sage ich mal, rechtliche Strukturierung dessen, dass man beschreibt, wo steht das Unternehmen, wer führt das, was ist die Historie. So habe ich es jetzt eingeordnet. Ist das richtig?
Mirko Sickinger: Ist sehr, sehr schön geschildert und trifft den Punkt mit dem Kleingedruckten. Ich hatte so immer das Bild hier mit meinem Team vor Augen, dass wir morgens Marketing-Hochglanzbroschüren gemacht haben, um Kunden zu überzeugen von unseren Produkten. Nachmittags haben wir uns dem Börsenprospekt gewidmet und haben dann alles zusammengetragen, was denn da so an Risiken zu beachten ist. Also es sind wirklich zwei verschiedene Perspektiven und das ist sehr schön zusammengefasst. Es ist wirklich so eine Art Kleingedrucktes.
Joel Kaczmarek: Und ich meine, das andere spannende Thema dabei ist ja immer Haftung, also auch in deiner Rolle. Ist der Gedanke daran auch, dass sich quasi diese ganzen Haftungsthemen, die ja entstehen können, wenn ich an die Börse gehe und es vielleicht unterschiedliche Erwartungen gibt, als die Realität sich dann herauskristallisiert, dass das dafür auch gedacht ist?
Mirko Sickinger: Definitiv. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, weil eben in einer bestimmten Funktion haftet man auch mit dem Privatvermögen. Wir haben vor dem Hintergrund auch rechtzeitig mit Versicherungen verhandelt oder über Makler eine Versicherung mit an Bord genommen. der uns da entsprechend auch einen gewissen Schutz bietet. Selbstverständlich sind wir dann trotzdem noch gefordert und müssen auf viele, viele Feinheiten achten. Und das Bündel an Risikenquellen ist derart groß und umfangreich. Dafür ist es aber dann wieder wichtig, so erfahrene Partner wie Heuting an Bord zu haben, die dann sehr hilfreich schon mal auf das eine oder andere hinweisen oder die richtigen Fragen stellen, damit man dann auch das Bündel richtig abgreifen kann und darstellen kann. Aber definitiv eine Versicherung würde ich auf jeden Fall dazu empfehlen.
Joel Kaczmarek: Wir können ja gleich mal auf die Akteure auch schauen, die daran beteiligt sind, aber vorher nochmal an dich Mirko, du hast ja mit Holking garantiert schon sehr oft diesen Prozess begleitet. Ist das eigentlich immer gleich, wie so ein Börsenprospekt funktioniert und ist es auch in den unterschiedlichen Märkten gleich? oder macht es zum Beispiel einen Unterschied, ob ich jetzt irgendwie in London, in Frankfurt oder in New York an die Börse gehe?
Volker Weiss: Es gibt eben einmal europaweit, also im Sinne von Europäische Union, einen einheitlichen Standard für diese Prospekte. Da wollen wir ja schon dem gemeinsamen Markt entsprechen und auch eine Kapitalmarktunion verwirklichen. Das heißt, wenn man irgendwo in Europa so einen Prospekt billigen lassen würde, sollte das im Grundsatz überall gleich funktionieren. Ist aber nicht so, weil wir haben immer noch nationale Aufsichtsbehörden. Das heißt, in Deutschland haben wir eine Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. In Luxemburg haben wir zum Beispiel eine CSSF und es gibt da tatsächlich neudeutsch ein gewisses Forum-Shopping. Es kommt also im Anleihenbereich etwa vor, dass man Prospekte für Anleihen gerne in Luxemburg billigen lässt, weil die Aufsichtsbehörde da vielleicht etwas schneller ist als in Deutschland. Im Aktienbereich habe ich die Möglichkeit nicht. Wenn ich hier eine deutsche Gesellschaft habe, muss ich tatsächlich bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht diesen Prospekt einreichen und billigen. Rechtlich gelten dieselben Anforderungen überall, aber die Verwaltungspraxis ist halt immer noch ein bisschen unterschiedlich. Und dann hattest du jetzt Hongkong, glaube ich, erwähnt oder USA. Da habe ich natürlich einen ganz anderen rechtlichen Rahmen. Die Prospekte in Hongkong zum Beispiel sind nochmal viel umfangreicher als in Deutschland. Da freut man sich, dass das bei uns in Anführungsstrichen so einfach ist. Auch in den USA ist der Prozess nochmal deutlich aufwendiger. Wir sind also insofern schon einigermaßen serviceminded hier in Deutschland.
Joel Kaczmarek: Ja, ich habe auch gelernt, da können wir vielleicht nach hinten raus über den Versicherungen nochmal reden, dass es in Amerika deutlich höhere Haftungsrisiken gibt. Also da gibt es durchaus Unterschiede, lerne ich. Alles klar. So und jetzt wäre mal spannend, Volker, was für Akteure sind denn eigentlich an so einem Prozess beteiligt? Also Mirko Hakenhinter als Anwalt, der wahrscheinlich da viel mit der Strukturierung macht. Was sind sonst noch die Rollen, die ihr euch an Bord geholt habt?
Mirko Sickinger: Und vornherein sollte auf jeden Fall der Wirtschaftsprüfer dabei sein, denn der muss letztendlich die Zahlen mit abnicken. Der wird auch letztendlich noch einen so einen Komfortletter ausstellen, wo er also praktisch den letzten Abschluss nochmal bestätigt. Und von daher ist das ein ganz wesentlicher Player, der dabei ist. Darüber hinaus haben wir eine Bank mit an Bord, die das entsprechend dann an der Börse auch platziert. Nicht vergessen davon beispielsweise aber auch Service-Dienstleister, die zum Beispiel einen geeigneten Datenraum mit zur Verfügung stellen. Denn was da an Daten angefragt wird von dem Käufer, ist doch enorm. Und heute sind es zum Glück nicht mehr die hunderte Anleitsordner. Aber es muss schon eine vernünftige Qualität sein, sodass da also auch der Käufer, der geneigte Leser entsprechend mit drauf zurückgreifen kann. Darüber hinaus sind Relationsagenturen dabei, Versicherungsmakler haben wir schon genannt, Corporate Finance Berater, ganze Truppe an verschiedenen Fachbereichen, die dann letztendlich dazu unterstützen, dass man der BaFin entsprechend dieses Prospekt belastbar vorlegen kann, ehe man dann wirklich an der Börse zugelassen wird und dann vielleicht die Glocke bimmeln kann und gelistet ist.
Joel Kaczmarek: Okay, also wenn ich nochmal ganz kurz zusammenfasse, ihr als Emittenten selbst, dann Anwälte, wahrscheinlich verschiedene, dann Bank natürlich und Wirtschaftsprüfer. Das ist mal so der harte Kern plus der Versicherer für die Absicherung nach hinten. Dann verstehe ich also Dienstleister, sowas wie Datenraum und ihr habt ja, sage ich mal, auch noch viele so. unterschiedliche Elemente drin, sowas wie das M&A-Element, Investor Relation.
Mirko Sickinger: Investor Relation, genau. Sodass also auch da entsprechend wir Unterstützung bekommen haben, was Wording angeht. Investor Relation ist wieder eine entsprechende Blickrichtung, die vielleicht sogar in Richtung Marketing geht, während das Prospekt ja auch einen anderen Wortlaut hat. Also von daher haben wir Investor Relation mit an Bord gehabt, um an der richtigen Stelle mit dem richtigen Wording auch auftreten zu können.
Joel Kaczmarek: Und sag mal Mirko, wie läuft denn das von der Grundsache her? Sind das alles Rollen, die man sich von extern reinholt, weil es sehr spezialisiert ist? Oder gibt es auch Unternehmen, wenn die so ein Prospekt schreiben, dass die sagen, nein, Investor Relations haben wir in der Abteilung, wir haben irgendwie einen Legal Council, der macht irgendwie beim Rechtlichen noch dies, das, jenes mit. Wie ist das?
Volker Weiss: Das ist in der Tat sehr unterschiedlich, hängt ja stark von der Unternehmensgröße an, also genau in den Bereichen, die du angesprochen hast. Es gibt Unternehmen, die haben sehr große Rechtsabteilung. Es gibt umgekehrt Unternehmen, die haben gar keine Inhouse-Juristen. Beides haben wir in der Mandantschaft. Also wir beraten sehr kleine Unternehmen, aber eben auch große. Und da kann man sich im Team dann halt drauf einstellen. Das ist die alte Make-or-Buy-Entscheidung. Wer eben keine Rechtsabteilung hat, muss an der Stelle ein bisschen mehr ausgeben. Aber im Grundsatz, die normale Rechtsabteilung besteht eben aus jemandem, der kann Arbeitsrecht, Mietrecht. Der kann hier ohnehin nicht viel unterstützen. Das heißt, Rechtsabteilungen mit Kapitalmarktrechtlern, die finde ich dann jetzt in der Deutschen Bank vielleicht oder bei Siemens, das ist eher die Ausnahme. Insofern sind wir schon gewohnt, dass wir die rechtliche Seite sehr umfassend abdecken. Du hattest das eben angesprochen oder geahnt. In so einem Projekt hier, da waren sechs verschiedene Anwaltskanzleien, weil der M&A-Käufer hatte eine Kanzlei, der Verkäufer hatte eine Kanzlei. Wir hatten zusätzliche Kanzleien in Südafrika, Russland, China, Polen, Kanada, glaube ich, eingebaut. Also insofern waren das viele Anwaltskanzleien. Investor Relations hattest du angesprochen, da gilt das Gleiche. Größere Unternehmen haben In-House Investor Relations, andere greifen auf Agenturen zurück und die sind natürlich auch stark eingebunden hier.
Joel Kaczmarek: Jetzt mal eine ganz blöde Frage. Wenn so viele Köche an einem Gericht wirken, läuft man da nicht Gefahr, dass es an irgendeiner Ecke auch mal kracht? Also wie kriege ich das gesteuert, dass da nichts passiert? Und vor allem, wenn was passiert, wer hat denn dann den schwarzen Peter am Ende?
Volker Weiss: Ja, wenn wir das jetzt mal nicht direkt auf die Haftung beziehen, da sprechen wir ja vielleicht auch nochmal drüber, ist ja erstmal die Frage, wie sorge ich dafür, dass dieser Prospekt, am Ende ist das ein Word-File, so zusammengesetzt wird, dass jemand noch den Überblick hat. Die Verantwortung bei der Haftung tragen ja zwei. Wir haben den früher unterschrieben. Heute übernimmt man die Haftung elektronisch. Das ist eben einmal der Emittent, sprich der Vorstand unterschreibt diesen Prospekt und hat damit natürlich selber auch eine Haftung. Und zum anderen ist es hier die begleitende Bank, die unterschreibt. Die beiden interessieren sich halt besonders dafür, dass auch alles richtig ist, was in dem Prospekt steht. Rein handwerklich hat die Verantwortung halt erstmal der Anwalt, weil er mit seinem Team diesen Prospekt als Word-File bearbeitet. Rein technisch kann man das natürlich unterschiedlich aufsetzen. Man kann jetzt sagen, wir setzen das Word-File in einen Sharepoint. 40 Leute schreiben da gleichzeitig dran. Technisch haben wir diese Möglichkeiten. Tatsächlich machen wir es aber sehr konservativ. Das heißt, das Master-Dokument wird bei uns geführt. Es hat niemand anderes elektronisch unmittelbaren Zugriff auf dieses Master-Dokument, sondern jeder kann an dem Word-Dokument arbeiten, liefert uns dann aber das Word-Dokument. Wir gleichen das ab mit unserem Master-File und überlegen, was wir übernehmen und was wir lieber nicht übernehmen.
Mirko Sickinger: Man muss sich auch vor Augen führen, dass wir ja viele verschiedene Titel, verschiedene Themen in diesem Prospekt bearbeiten müssen und dass wir die entsprechend austeilen an die entsprechenden Fachleute oder in den jeweiligen Ländern Leute mit einbinden müssen. Und da gilt es dann eben, dieses wieder zusammenzuführen. Und da ist es wirklich empfohlen, das auf einem Schreibtisch bildlich gesprochen zusammenführen zu lassen. Diesen Schreibtisch haben wir eben auch bei Heuking gefunden und das hat sehr, sehr gut funktioniert.
Joel Kaczmarek: Wie lange dauert denn so ein Prozess eigentlich? typischerweise, Mirko, wenn man so einen Börsenprospekt baut? Also jetzt haben wir vielleicht mit SMT Schaf ein Extrembeispiel, weil dieser M&A-Prozess, multinational. Aber was ist denn so die typische Dauer auch von sowas?
Volker Weiss: Also eine ganz typische Dauer gibt es nicht. Die BAföG nimmt sich drei Monate, um den Prospektkorrektur zu lesen. Die muss ich also auf jeden Fall einplanen und dann rechnen wir rückwärts und fragen uns, wie viel Zeit brauchen wir bis zur ersten Einreichung bei der BaFin, um den Entwurf einreichungsfähig zu machen. Und ein Fast Track kann vielleicht mal zwei Monate sein. Unter zwei Monaten ist es nicht seriös. Hier ist es zum Beispiel so, wir kannten das Unternehmen gut aus einer langjährigen Zusammenarbeit. Das Unternehmen hatte sehr gut aufbereitete Informationen. Es gab insbesondere Jahresabschlüsse nach IFRS, die man hier benötigt. Das ist zum Beispiel so ein typischer Bottleneck. Das reine Zusammenstellen und Erfassen der Informationen, das kann man in zwei, drei Monaten darstellen. Häufig gibt es aber Vorbereitungsarbeiten, die für sich genommen schon länger dauern. Wenn man zum Beispiel eine Buchhaltung von HGB auf IFRS umstellen muss, können das gleich zusätzliche zwei oder drei Monate sein. Wenn man, was wir auch schon gesehen haben, die ganze Konzernstruktur neu aufstellen muss, wir haben zum Beispiel Börsengänge für asiatische Emittenten begleitet, wo dann eben erst unter einer deutschen Aktiengesellschaft die ganzen verschiedenen Auslandsgesellschaften zusammengeführt werden müssen, kann das auch mal drei Monate zusätzlich dauern. Und wenn man sehr große Börsengänge hat, ob es jetzt Douglas oder Renk dieses Jahr waren, dann kann das auch ein Jahr Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen. Wir waren zum Beispiel bei einem sogenannten Private Equity Exit dabei, unlängst. Private Equity Investoren, die Unternehmen erwerben, haben viel Erfahrung mit Börsengängen als Möglichkeit, eine Beteiligung wieder zu veräußern. Und da wird dann auch typischerweise ein Jahr im Voraus begonnen, die Planung aufzusetzen und die Dokumente vorzubehalten.
Joel Kaczmarek: Spannend. Und sag mal, Volker, was ist so der typische Ablauf von sowas? Also es gibt so eine Entscheidung, wie immer die zustande gekommen ist, ob jetzt durch einen neuen Investor oder ob man es selber trifft. Wie fängt man dann an? Also dann nimmst du das Telefon in die Hand, rufst Mirko an und sagst, ich möchte das machen und dann geht der Prozess los. oder musst du schon, weißt du, was ich meine? Also was ist das so?
Mirko Sickinger: Bei uns im konkreten Fall zeichnete es sich relativ früh ab, dass eben Käufer der Aktienmehrheit und Verkäufer der Aktien dies mit zur Bedingung gemacht haben. Und von daher hatten wir eine entsprechende Indikation, dass wir dort Teams zusammenstellen müssen. Teams zusammenstellen, wie eben genannt, die verschiedenen Akteure. Da wir eben insgesamt auch sonstige Rechtsberatungen mit dem Hause Heuking machen, auch schon an anderen Stellen Kapitalmarkterfahrung mit Heuking zusammen sammeln, hatten wir da also schon den ersten Ansprechpartner. Darüber hinaus gibt es dann praktisch die üblichen Anbieter, sei es auf dem Finanzsektor, also Banken, die in diesem Bereich sich tummeln, sodass man sich dann drei, vier Angebote holt, Gespräche führt. Genauso im Laufe eines Jahres nimmt man ja an verschiedenen Kapitalmarktevents teil, sodass man dort die Anbieter auch trifft, einen gewissen Kontakt hält, sodass man dort auf einen Fundus, auf Ansprechpersonen zurückgreifen kann und dann letztendlich schaut, wer bei diesem konkreten Objekt dann am besten mitkommt. unterstützen kann. Darüber hinaus würde ich aber auch nochmal betonen, dass wir intern uns auch unbedingt organisieren mussten. Das heißt, wir mussten also die jeweiligen Ansprechpartner, ich sage mal vorrangig die Finance-Teams an den jeweiligen Standorten, die mussten wir entsprechend mit einbinden. Einbinden heißt, dass wir ein geeignetes Level an Details kommuniziert haben. Es darf ja auch nicht zu viel kommuniziert werden. Es gibt ja auch bestimmte Geheimhaltungspflichten. Aber dass eben die entsprechenden Personen vor Ort sich ins Zeug legen mussten, um dann die entsprechenden geforderten Daten zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stellen zu können. Insgesamt, wir haben eben über den Zeitraum gesprochen, ist es wirklich ein sehr zeitintensives, zusätzliches zu dem normalen Day-to-Day-Business. Denn wir müssen natürlich unsere entsprechenden Umsätze bringen. Wir müssen die Kunden entsprechend beliefern. Wir müssen die Ergebnisse realisieren. Und dann zusätzlich solch eine Anforderung in Richtung Kapitalmarkt. Das ist also schon eine enorme Arbeit, die da von allen Beteiligten gestemmt wurde.
Joel Kaczmarek: Und sag mal, ist es so, dass man das so paketweise bucht? Also könntest du jetzt zum Beispiel zur deutschen Börse gehen oder zu einer Anwaltskanzlei und sagen, wir möchten das machen und dann haben die so schon eine Art Bouquet zusammengestellt, dass die sagen, okay, wir arbeiten gerne mit der Bank und dem Versicherer und hier für den Datenraum empfehlen wir euch dieses Angebot oder suchst du dir das alles händisch zusammen?
Mirko Sickinger: Es gibt einen bestimmten Umfang und ich habe jetzt nicht in Erinnerung, dass wir eine Vorgabe oder eine Wunschliste bekommen haben, ein Bouquet von wegen, geht doch bitte mit denen zusammen. Nee, das war so nicht. Also von daher konnten wir uns schon die Akteure, mit denen wir da eng zusammenarbeiten wollen, selbst zusammenstellen. Denn letztendlich waren alle in der Form am Markt bekannt und hatten entsprechende Erfahrungen.
Joel Kaczmarek: Ist das dann eigentlich eher so ein Wasserfallprozess, dass man einen Abschnitt fertig macht und es geht zum nächsten über oder geht das immer ineinander über, dass quasi alle Rollen immer mal wieder einen Anteil haben in dem ganzen Prozess?
Mirko Sickinger: Ich würde das eher als letzteres bezeichnen. Ganz einfach vor dem Hintergrund, dass man ja auch bei der BaFin was einreicht und man bekommt nach einer Zeit dann Feedback. Dieses Feedback ist darauf ausgerichtet, etwaige Widersprüche aufzudecken, zu hinterfragen, sodass man dann also wieder an alle Bereiche geht oder in dem Fall entsprechende Bereiche zur Aufklärung herantreten muss, um dann wieder gegenzulesen, um dann wieder zu sagen, Moment, wie habe ich da was geschildert? Was muss ich mit den Informationen machen? Was wollte ich sagen? Was ist falsch verstanden worden? Also von daher ist das so ein rollierender Prozess, in dem dann meistens doch zahlreiche Beitragenden dann wieder mit eingebunden werden müssen.
Joel Kaczmarek: So, und jetzt sind wir ja mitten im Prozessfaktor schon drin. Mirko, du machst das ja sehr regelmäßig. Was sind denn eigentlich so die wichtigsten Anforderungen, die auch so eine BaFin stellt? Also gibt es da so ein kleines Einmaleins, wo du schon weißt, okay, das kommt immer und dann gibt es so eine Spezialeffekte vielleicht, die je nach Anbieter nochmal variieren?
Volker Weiss: Das klang auch bei Volker schon an. Die BaFin ist letztlich darauf angewiesen, zwei Dinge zu machen. Eine Konsistenzprüfung, sprich ob dieser Entwurf eines Prospektes in sich widerspruchsfrei ist, Sie macht ja keine Ortsbesuche. Sie wird jetzt nicht bei Volker klingeln und fragen, habt ihr wirklich da in dem Lager diese Bestände, die im Prospekt stehen. Das macht sie nicht. Aber sie wird natürlich den Prospekt einschließlich der einbezogenen Jahresabschlüsse querlesen, von vorn nach hinten und wieder von hinten nach vorne und schauen, ob das jedenfalls in sich stimmig ist. Daneben wird sie ihn auf Vollständigkeit prüfen. Und da gibt es halt umfangreiche Anforderungen, was alles aufgenommen werden muss. Es gibt einerseits diese undankbare Generalklausel. Der Prospekt hat alles zu enthalten, was wesentlich für einen Anleger wäre, der eben so eine Aktie kaufen will. Das hilft nicht viel. Und dann gibt es eben sehr umfangreiche Dokumente. Das sind nicht nur die europäischen Verordnungen, sondern das ist auch der sogenannte Level 3. Das sind Verwaltungsanweisungen letztlich von den europäischen Aufsichtsbehörden, wo zu einzelnen Prospektteilen dann ganz genau steht, was denn da enthalten sein muss. Es gibt zum Beispiel eine Tabelle Kapitalisierung und Verschuldung. Da findet man in den Verwaltungsanweisen eine Art Formular. Da steht Zeile für Zeile, was ich in diese Tabelle aufnehmen muss. Und das wird dann eben sehr genau verprobt. Erstaunlich oft findet die BaFin genau an der Stelle zum Beispiel Fehler, obwohl das alles gut erklärt ist. Dann stellen wir vermehrt fest, dass die BaFin zwar nicht vor Ort vorbeikommt, dass sie aber zumindest mal einfach unabhängig im Internet sucht und uns dann fragt, schaut mal, da haben wir ein bisschen gegoogelt und dies und jenes gefunden, warum finden wir das denn nicht im Prospekt? Das heißt, man ist gut beraten, wenn man auch selber mal die Suchmaschinen anwirft und schaut, was finde ich denn hier über meinen Mandanten? und warum höre ich das nicht?
Joel Kaczmarek: Was sagt so die Erfahrung? Gibt es jedes Mal was, was die BaFin beanstandet oder jedes dritte Mal oder jedes zweite? Gibt es da so eine Faustregel?
Volker Weiss: Eine Woche. Man erhält sogenannte Anhörungsschreiben, Im Zweifel über 10 bis 40 Seiten, sage ich jetzt mal, Anmerkungen zum Entwurf enthält. Das hört sich erstmal wahnsinnig viel an. Das liegt aber daran, dass zwei Drittel des Schreibens bestehen aus Wiedergabe des Wortlauts der gesetzlichen Anforderungen, von denen man annimmt, dass die hier noch nicht vollständig erfüllt sind. Wir schauen uns dieses Schreiben an, öffnen als erstes mal die Datei und sagen, oh, diesmal waren es nur zwölf Seiten, dann waren wir einigermaßen gut. Oder, oh, es sind 40 Seiten, dann schauen wir uns das erstmal in Ruhe an. Am Ende ist es natürlich nicht nur eine Frage des Seitenumfangs. Es gibt ganz, ganz viele Beanstandungen, die sind rein formaler Natur, die lassen sich durch die Änderung einer Definition zum Beispiel im Prospekt schnell beheben. Dann gibt es andere Anforderungen, wo man vielleicht tatsächlich die Information gar nicht hat, nach der gefragt wird und wo man die erst erstellen muss. Dann kann es eben auch sehr langwierig sein. Also ja, es gibt diese Fragen immer. Und es gibt da ein eingespieltes Verfahren. Ich hatte gerade erwähnt, das sind 13 Wochen typischerweise. Da kann man grob einen Zeitplan abstimmen. Das macht nicht jeder BaFin-Mitarbeiter. Es gibt auch zwei Dezernate, die sind auch etwas unterschiedlich in der Praxis bei der BaFin. Aber für den regulierten Markt kann man so einen Zeitplan abstimmen. Und der besteht dann eben aus der Ersteinreichung vorne, der Prospektbelegung hinten. Und dazwischen sind typischerweise drei Durchläufe dieses Entwurfs grob vereinbart, wo gesagt wird, ihr reicht einen ersten Entwurf ein, bekommt ein erstes Anhörungsschreiben, dann reicht ihr den zweiten Entwurf ein. Und das geht dann halt bis zu einer dritten Einreichung und der finalen Billigung.
Joel Kaczmarek: Und mal jetzt so in die Zukunft gerichtete Frage. Glaubt ihr, dass es in naher Zukunft so sein wird, dass man auch mit künstlicher Intelligenz das ein oder andere abkürzen kann? Weil ich sage mal, Inhalte vergleichen und Textkonsistenz, dadurch ist ja so eine Maschine durchaus gut. Also könnte das was sein, was den Prozess auch beschleunigt perspektivisch?
Volker Weiss: Also daran wird kontinuierlich gearbeitet. Wir arbeiten mit Tools aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Ich will jetzt keine Wertschätzung. Es gibt teilweise Eigenentwickelte, es gibt welche, die kauft man am Markt ein, die auch schon bewährt sind in den USA und auch von deutschen Kanzleien zunehmend verwendet werden. Es gibt im Moment noch keine Lösung, die ich mir schon vorstellen kann, wo man auf den Knopf drückt und sagt, ich stelle mir mal einen Wertpapierprospekt aus den öffentlich zugänglichen Informationen. Das gibt es heute noch nicht. Was wir zum Beispiel machen, wir laden Texte hoch, die wir eben haben und lassen daraus dann einzelne Passagen schreiben. Es gibt ja auch Tools, das finde ich toll, denen kann man das einfüttern, was schlechte Anwälte schreiben und sagen, mach mir daraus doch mal ein einfaches, verständliches Deutsch, ich hätte es gern etwas einfacher. Also punktuell gibt es ganz viele Möglichkeiten, hier schnell zum Ziel zu kommen. Übersetzungstools haben wir natürlich schon lange, aber man kann eben auch Auswertungen fahren aus Dokumenten, die man hochlädt und die man dann eben überarbeiten lässt.
Joel Kaczmarek: Okay, so und jetzt hast du ja eben gesagt, in der Ersteinreichung fängt es an bis hin zur Prospektbelegung. So, dann hat man quasi den Haken hinter. Was passiert denn danach und was für Effekte stellen sich eigentlich dann ein?
Volker Weiss: Das ist ja ein rechtliches Dokument. Danach darf ich eben an der Börse das Listing im Prime Standard aufnehmen. Es dauert dann typischerweise nochmal eine knappe Woche. Dann gibt die Frankfurter Börse das grüne Licht und dann gibt es den ersten Handelstag. Alle gehen aufs Parkett, klingeln mit der alten Glocke, die es da immer noch gibt. Das ist sehr schick, macht immer viel Spaß, schafft vor allen Dingen auch wieder einen guten Newsflow im Netz. Dann gibt es die entsprechenden LinkedIn-Beiträge und es gibt viel Präsenz. Ich kann – das ist ja der zweite Anlass des Prospektes – ein öffentliches Angebot der Aktie vornehmen. Kern der Platzierung ist meist dann immer noch ein Private Placement, wo man auf bestimmte gut bekannte sogenannte Adressen, institutionelle Investoren, Family Offices zugeht. Aber daneben gibt es eben das öffentliche Angebot, wo eben auch jeder Privatanleger die Aktie kaufen kann. Das sind mal die unmittelbaren Folgen des Prospekts. Der ist übrigens ein Jahr gültig. Ein Jahr lang kann ich damit dann weiterarbeiten.
Joel Kaczmarek: Volker, wann war denn so der Zeitpunkt, als ihr gesagt habt, okay, jetzt können wir mal anstoßen, jetzt ist das Wesentliche durch. Ist das, nachdem diese Billigung da ist oder ist das echt erst auf dem letzten Schritt, wenn die Glocke geklingelt wurde? Was war das bei euch?
Mirko Sickinger: Nein, das ist wirklich, wenn du die Nachricht erhältst, war von dazu gestimmt, die Billigung nicht vor. Das war der Moment, wo wir gesagt haben, jetzt ist es geschafft. Das andere ist dann nur noch eine Umsetzung und ob es dann Montag oder Dienstag ist, das ist dann wirklich sekundär. Das ist dann eine Frage der Organisation, wer denn alles daran teilnehmen kann und wer das wieder medial auch entsprechend nutzen möchte. Denn das ist wirklich ein gutes Marketinginstrument, so wie Mirko es gerade geschildert hat, dass man dann auch entsprechend wieder nutzt.
Joel Kaczmarek: Und sind dir so Do's und Don'ts im ganzen Prozess aufgefallen? Also gibt es so Dinge, wenn jetzt Menschen zuhören, die das dann zum ersten Mal durchstreiten, wo du sagst, achte hierauf, vermeide jenes?
Mirko Sickinger: Ja, also ich war zu Beginn sehr, sehr verwundert, welche Feinheiten doch von der BaFin dann in dem ersten Schreiben mitgeteilt werden. Also da geht es dann auch, welche Abkürzungen dann nochmal extra erklärt werden müssen. Und genau wie Mirko gerade geschildert hat, ich musste mich erstmal hinsetzen. Ich glaube, wir hatten zuerst so zwölf Seiten zurückbekommen und habe gedacht, wie willst du das denn alles schaffen? Aber es ist wirklich an dem, dass da vom Kern her nicht so umfangreich viel glücklicherweise bei uns war, weil es wahrscheinlich auch entsprechend gut vorbereitet war. Was ich aber insgesamt bis zur Billigung immer wieder bemerkt habe, ist, wie empfindlich doch etwaige zeitliche Verzögerungen sich auswirken können. Sprich, wenn wir überlegt haben, oh Mensch, sind wir jetzt soweit oder brauchen wir vielleicht eine Woche länger, um die Überarbeitung wieder abzugeben und ist der angestrebte Bedingungstermin so noch zu halten? Das ist ein ganz, ganz sensibles Thema, habe ich so mitgenommen. Das heißt also, wenn man eine Zeitachse mit der BaFin vereinbart hat, ansteuert, dann ist das wirklich einzuhalten. Ansonsten läuft man ja auch Gefahr, wenn ich das richtig verstanden habe, dass die BaFin, wenn man es zu sehr überschreitet, den Zeitplan sagen kann, nein, jetzt ist Feierabend, diese Verlängerung kann ich nicht mehr billigen und übrigens musst du jetzt den Antrag nochmal neu stellen, was natürlich auch dann wieder entsprechende Gebühren nach sich zieht. Also von daher, die Zeitachse ist ein ganz empfindliches Thema dabei.
Joel Kaczmarek: Aber Gebühren, interessanter Hinweis, haben wir gar nicht drüber gesprochen, ist es so, dass du bei Bedarf dann auch Gebühren zahlst, neben deinen ganzen Kosten, die du für Anwälte, Dienstleister und Co. auch hast?
Mirko Sickinger: Für alle möglichen Agenten und Berater, die dabei sind, gibt es dann entsprechende Rechnungen am Ende oder auf jeden Fall auch dann schon eben zwischendurch. Ja, auch die BaFin stellt dann noch eine Rechnung.
Joel Kaczmarek: Hast du mal überschlagen, was sich so ein Börsenprospekt kostet? Also wenn du jetzt die Summe nicht sagen willst, vielleicht prozentual gesehen am ganzen Börsengang?
Mirko Sickinger: Wir haben im Prospekt eine Größenordnung selbst auch veröffentlichen müssen und da habe ich 900.000 in Erinnerung.
Joel Kaczmarek: Funde ich, finde ich. Aber Mirko, du machst ja den Prozess ganz, ganz oft durch. Ich fand total schön, jetzt von Volker mal so die Inperspektive von jemandem, der das da sozusagen einmal durchgeritten ist, gehört zu haben. Wie ist es denn bei dir, der das öfters macht? Was sind so deine Do's und Don'ts, die du immer im Hinterkopf hast?
Volker Weiss: Ja, ich meine, dass es sehr wichtig ist, dass man den Prospekt von Anfang an strukturiert aufgleist, weil man eben so viele Beteiligte hat. Hier hatten wir zum Beispiel komfortabel die Situation, dass wir doch ungefähr ein Jahr auch Vorlauf hatten. Und das Wichtigste ist eben, dass man das richtige Projektteam zusammenbekommt. Das hängt eben immer auch von der Größe und Komplexität des Projektes und der beteiligten Unternehmen ab. Insofern gibt es kein perfektes Team, sondern es muss eben zum jeweiligen Fall passen. Und das möglichst früh richtig zusammenzusetzen, das ist, glaube ich, die wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Projektes.
Joel Kaczmarek: Gibt es denn so typische Fehler, die viele Unternehmen machen, wenn die sich mit dem Börsenprospekt das erste Mal auseinandersetzen?
Volker Weiss: Ja, der Prospekt ist ja eben nur ein Teil des Gesamtprojektes und bei der Zahl, die ja gerade genannt wurde in Euro, ist der Prospekt auch nicht die wesentliche Größe, aber ist natürlich insofern kritisch, als ich da einen Player habe, eine öffentliche Behörde, die sich jetzt auch nicht beeindrucken lässt von Zeitdruck, den das Unternehmen hat, sondern die sagt, wir haben festgelegte Abläufe und insofern liegt dieser Wertpapierprospekt absolut auf dem kritischen Pfad. Das ist also besonders wichtig, dass man fehlerfrei umsetzt oder eben mit einer großen Fehlerpolaranz, die sich in dem Projekt dann nicht auswirkt auf dem Zeitplan.
Joel Kaczmarek: Kann man sich das auch echt vorstellen? Das muss sich irgendwie auch ganz schön druckvoll manchmal anfühlen, wenn man dann derjenige ist, der so auf den Knopf drückt und wieder so ein Ding abschickt und dann wartet, was da zurückkommt, oder? Ja.
Volker Weiss: Ja, aber insofern fehlerfrei war jetzt auch nicht die Erwartungshaltung, sondern wir wissen ja, weil wir das häufig machen, es gab keinen Fall, wo die BaFin sagt, wir billigen die erste Einreichung. Da würden auch alle ins Schleudern kommen. Es gehen alle davon aus, dass diese 13 Wochen erforderlich sind und dass eben erst 13 Wochen später eine Prospektbelegung steht.
Joel Kaczmarek: Gut, so und nach hinten raus, wir haben ja jetzt schon ein paar Mal über das Thema sich versichern und absichern gesprochen. Was kann ich denn tun, um meine Haftung da im Rahmen zu halten?
Volker Weiss: Also in der Tat haben sich diese Prospektversicherungen weitgehend durchgesetzt. Es gab die gleiche Entwicklung bei Unternehmenskäufen. Auch da gibt es entsprechende Versicherungen des Haftungsrisikos und da gibt es Makler. die die verschiedenen Versicherungen an den Start bringen. Es gibt eine ganze Reihe bekannter deutscher Adressen, die sowas versichern. Wenn es sehr groß wird, muss man zusätzlich ins Ausland gehen. Es gibt umgekehrt eine Mindestgröße. Wenn die Versicherung am Ende weniger als 100.000 Euro an einem Fall verdient, dann lohnt sich das Ganze nicht. Denn die Versicherung nimmt das Haftungsrisiko am Ende. muss ja ihrerseits letztlich auch den Prospekt lesen. Inzwischen sind das sehr professionelle Beteiligte, die sich nicht als Stolperstein in den Gesamtprozess einbringen. Die wissen natürlich auch, wenn es an ihnen hängt, dass das ganze Projekt verzögert wird, dann nimmt die Attraktivität, dieses Produkt Prospektversicherung auch wieder ab. Also hier etwa in dem konkreten Fall war das für mich als begleitender Anwalt absolut geräuschlos und hat sich in keiner Weise belastend ausgewirkt. Aber die Versicherung muss halt den Prospekt lesen. Das ist einiges auch an Zeitaufwand. Nach meinem Verständnis muss schon mindestens 100.000 Euro Honorarvolumen für die Versicherung rausspringen. Was wiederum heißt, es muss eine gewisse Mindestgröße der Gesamttransaktion da sein, damit man diese 100.000 Euro auch ausgibt.
Joel Kaczmarek: Na gut, also ansonsten sind geneigte Hörerinnen und Hörer auch nochmal angeregt, in unserer Playlist dazu wird eine ganze Episode über Posi und DNO und Co., also da kann man ja wirklich eintauchen und in die Tiefe gehen. Vielleicht letzte Frage, so Volker, jetzt hast du den Ritt einmal durch, würdest du in der Rückschau was anders machen? oder hast du sowas mitgenommen, wo du sagst, wow, wenn ich das noch ein zweites Mal mache, dann?
Mirko Sickinger: Absolut ein Erfolgserlebnis in der Form. Was ich mitnehmen würde, um mich selbst entsprechend aufzustellen, ist, dass alles doch viel zeitaufwendiger ist und wesentlich mehr Input bedarf, als man das so neben dem normalen Tagesgeschäft eigentlich möchte.
Joel Kaczmarek: Glaube ich gern. Na gut, ihr beiden, dann ganz herzlichen Dank. Also ich finde, dafür, dass es so ein komplexes Thema war, ihr habt es super erklärt und drücke ich euch die Daumen für etwaige weitere Börsenprospekte, die noch so anstehen.
Mirko Sickinger: Prima, vielen Dank für die Möglichkeit, das hier so zu erörtern. Hat Spaß gemacht. Vielen Dank.
Volker Weiss: Ja, sehr gerne, Joel. War in der Tat sehr spannend und gut aufbereitet.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Börsengänge: Unsicher auf dem Börsenparkett? Nicht mit uns! Gemeinsam mit unterschiedlichen Expert:innen der Deutschen Börse spricht Joel regelmäßig über alles rund um die Themen Börse, Börsengang und späte Finanzierungsphase (pre IPO).