Den inneren Kompass ausrichten und intuitiv navigieren

12. April 2020, mit Marina Löwe

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Marina Löwe: Hallo und herzlich willkommen zu Make it Mindful bei digital kompakt. Diese Podcast-Folge ist eine Special-Folge, denn diesmal quatsche nicht nur ich dir alleine in die Gehörmuschel, sondern ich habe einen extrem spannenden Gesprächspartner, Bastian Michael. Ich bin Marina Löwe, Talentteam und Unternehmensentwicklerin und in dieser Folge erzählt uns Bastian, wie er von hier und da mal Schule schwänzen am Ende in Berkeley und Harvard gelandet ist. Und vor allen Dingen wird er behaupten, dass Hochleistung für sich genommen, keinen Wert hat. Was er damit meint und was das mit dem inneren Kompass zu tun hat, der uns dabei hilft, klar zu haben, was für uns stimmig ist und funktioniert und passt, wie man den verlieren kann, wenn man es oft genug wegdrückt und wie du ihn am Ende auch wieder freilegen kannst, das wirst du heute mitnehmen können. Am Ende wird Bastian seinen Tipp teilen, was er für sich macht, um diesen inneren Kompass wieder besser spüren zu können. Von daher wünsche ich dir viel Spaß bei dieser Folge. Wir sitzen gerade im Wohnzimmer von Bastian in Siedelsbrunn. Ja, genau. Danke nochmal, dass ich bei dir zu Besuch sein durfte.

Bastian Michael: Sehr gerne.

Marina Löwe: Und damit die Hörer wissen, mit wem wir eigentlich reden, kannst du uns vielleicht mal so ein bisschen kurz mit auf die Reise nehmen, die ich mir jetzt stückweit mit dir erarbeitet habe. Wo kommst du eigentlich her und was sind so die unterschiedlichen Stationen, die du im Arbeitsleben bisher mitgenommen hast?

Bastian Michael: Welche Station würdest du gerne so ein bisschen mit jetzt abklären?

Marina Löwe: Also bei Leistung ist mir hängen geblieben, dass wir auch über Fußball gesprochen haben, was noch nicht Arbeit ist, aber wo mir hängen geblieben ist, dass es deine Einstellung schon mal ein Stück weit getriggert hat. Also gerne bei Schule Fußball.

Bastian Michael: Ich glaube, wo wir uns ja auch die letzten Tage so ein bisschen darüber unterhalten haben, ist, wie verschiedene Kontexte sich auswirken, auch auf die eigene Leistungsmotivation. Und wenn ich jetzt in der Schulzeit zähle, einsteigen würde, dann kann ich sagen, dass da die Leistungsmotivation noch nicht besonders stark ausgeprägt gewesen ist. Ich glaube, wir haben auch kurz gesprochen vorgestern über die eine oder andere Schulstunde, die man mal nicht besucht hatte. Ich wusste schon sehr früh, was ich werden wollen würde. Also ich wusste, glaube ich, schon so mit 14, dass ich gerne als Schauspieler über die Bühnen toben möchte. Und genau, also wollte das für mich dann auch noch so ein bisschen überprüfen, habe das dann auch im Schultheater irgendwie angegangen. Damals haben wir sechseinhalb Stunden Faust 1 und Faust 2 gespielt im Goethe-Jahr. Das war damals Sechseinhalb Stunden? Sechseinhalb Stunden, ja, mit Pausen. Mit 14? Mit Pausen, glaube ich, drei Pausen gab es. Nee, nee, nee, nee, das war dann später, das war mit 17, glaube ich dann. Okay. Und genau, also wenn ich da auf die Schulzeit zurückschaue, ich bin gerne zur Schule gegangen und habe auch die Sachen, an denen ich irgendwie Vergnügen hatte, glaube ich, einigermaßen gewissenhaft und gerne gemacht, aber vieles halt auch überhaupt nicht und ich wusste nicht, Ich will Schauspieler werden. Ich brauche eigentlich noch nicht mal Abitur. Habe ich dann trotzdem gemacht, aber war eher so in meinem Vorgehen, dass ich geschaut habe, okay, worauf habe ich jetzt Lust?

Marina Löwe: Was hast du aus dem Fußball mitgenommen? zum Thema? Wir haben ja das Thema Achtsamkeit gehabt für Bedürfnisse wahrnehmen versus Leistungsanspruch und Forderung. Also wie hast du das beim Fußball erlebt?

Bastian Michael: Eine ziemlich große Kongruenz zwischen Bedürfnis und Leistung, weil da schon ein Bedürfnis da war, einfach auch da gut unterwegs zu sein. Spannenderweise fällt mir aber ein, dass ich was ganz anderes, glaube ich, aus dieser Fußball-Episode mitgenommen habe, weil ich irgendwann das Angebot hatte, zu so einem Leistungszentrum eingeladen zu werden und auch den Verein zu wechseln. Und das war so genau die Phase, ich glaube mit 16, wo dann diese beiden Räume für mich aufgegangen sind. Einmal zu gucken, wie weit das im Fußball tragen könnte und einmal aber auch diese Schauspielgeschichte aufzunehmen. die mir dann aber viel näher war. Und dann habe ich mich irgendwie damals für Schauspiel entschieden. Fand ich damals irgendwie cooler. Und habe aber dann gemerkt, und da gab es echt eine Veränderung später in meinem Leben, dass ich da noch nicht mal zu den Probetrainings dann gegangen bin, zu denen ich eingeladen wurde beim Fußball. Das ist spannend. Da müsste ich jetzt auch nochmal genau nachdenken, warum ich da nicht hingegangen bin. Und das hat sich irgendwann komplett verändert in meinem Leben. Das hat, glaube ich, mit der eigenen Selbstwirksamkeitserwartung nochmal zu tun, dass ich später dann alle, wenn ich jetzt auf die letzten, keine Ahnung, fünf, sechs, sieben, acht Jahre schaue, keiner Herausforderung mehr aus dem Weg gegangen bin und alle irgendwie angenommen habe. Und das hat mir total gut getan. Und auch dann zu sehen, was dann möglich wird.

Marina Löwe: Also du hast in der Schule teilweise Stunden gehabt, wo du geschwänzt hast. Du hast im Fußball die Option gehabt, auf Leistung zu gehen und da auch wirklich durchzustarten. Hattest eine zweite Leidenschaft, die so ein bisschen damit inkompetent war. Die dich als erste Leidenschaft beschreiben würde. Wo dein Herz dann mehr geschlagen hat, genau.

Bastian Michael: Auf jeden Fall.

Marina Löwe: Und die so ein bisschen überholt hat. Und bei beiden, was ich mal raushöre, also Fußball mit der Option auf Aufstieg oder mehr Gas geben und Schauspiel, sechseinhalb Stunden Faust, klingt jetzt alles noch nicht so ganz nach. Ich habe schon den größten Teil der Zeit auf der Couch gehangen und bin eigentlich jemand, der generell rumslautscht.

Bastian Michael: Ja, auch das ist spannend, weil es da echt einen Unterschied gibt, wenn ich so auf die unterschiedlichen Lebensphasen schaue. Und ja, auch da wird schon irgendwie so ein Ehrgeiz oder irgendwas vorhanden gewesen sein. Aber das war sehr, ich würde fast sagen, lustorientiert. Also so auf die Sachen, auf die ich richtig Bock hatte. Also ich habe Bock und dann gehe ich auf Gas.

Marina Löwe: Und gestern hast du gesagt, wir waren nämlich die letzten Tage hier schön durch Siedelsbrunn im Wald spazieren und haben dabei schon sehr viele Themen angerissen. Du hast gesagt, damals war das Schauspiel so bis um die 30 rum, glaube ich. Was ist so dein Hauptmitnehmen aus dieser Zeit? Was hat dir Schauspiel eröffnet?

Bastian Michael: Also ich war dann erst auf der Schauspielschule und dann hatte ich das Glück, dass auch nicht jedem Schauspieler zuteil wird, direkt nach der Schauspielschule ins Festengagement zu kommen. Bin dann nach Marburg gegangen ins Theater, da zweieinhalb Jahre gespielt. Und ich glaube, was ich da jetzt in dem Themenkomplex, in dem wir uns jetzt hier so ein bisschen ausgetauscht haben, auch die letzten Tage auf der Ebene mit rausgezogen habe, war, wie wichtig das ist, auch Chancen zu bekommen, wo man sich zeigen kann. Weil ich weiß, ich bin als junger Schauspieler, als Schauspieler ausgekommen. Und bei uns in der Schauspielschule gab es auch Konkurrenz, aber das war so eine sehr gesunde Form von Konkurrenz, wo man sich eher so ein bisschen angestachelt hat und jeder Lust hatte, immer noch so einen Schritt weiter zu gehen. und so kannte ich das und so mochte ich das auch. Und am Theater, in meiner Wahrnehmung zumindest, als ich angekommen bin, war ich erstmal so der Neue, der vielleicht auch irgendwelchen anderen, irgendwelche Rollenanteile irgendwie bestätigte. wegnehmen würde oder so. Das hat mich damals sehr überrascht, dass mir das da so begegnet ist, weil ich weiß, ich bin in den ersten Tagen da hingekommen und freundlich gegrüßt überall. Und da ist mir nicht an jeder Stelle irgendwie so diese absolute Freundlichkeit entgegengekommen wieder. Und ich weiß, dass ich das erste halbe Jahr, glaube ich, auch immer nur relativ kleine Rollen gespielt habe. Und es gibt natürlich auch die Haltung, dass man sagt, okay, also auch die ist sauber auszufüllen und da kann man einen Unterschied mit machen, aber was halt schwer ist in einer kleinen Rolle, ist so eine ganze Bandbreite zu zeigen von dem, was möglich ist. Und dann war das eigentlich wieder eine zufällige Fügung, da war jemand anders für die Hauptrolle vorgesehen, für die Buddenbrooks, total schöne Buddenbrooks-Inszenierung in Marburg. Und da ist der, für die Rolle vorgesehen wurde, kurzfristig ausgefallen. Und dann gab es da einen Regisseur, der mich dann glücklicherweise gefragt hat oder mir die Rolle dann angeboten hat, ob ich die spielen möchte. Und das war eine total glückliche Fügung, weil das war eine der Inszenierungen, wo alles zusammengekommen ist. Und das war eine total schöne Zeit. Aber wenn er nicht den Mut gehabt hätte, mir damals diese Rolle zu geben dann wäre dieser weitere Weg dann nicht möglich gewesen, weil danach habe ich dann nur noch Hauptrollen spielen können und konnte mich da wirklich auf der Bühne so austoben, wie ich mir das ursprünglich mal vorgestellt hatte. Und witzigerweise hat sich mit den Bunnenbrooks eigentlich dann sehr frühzeitig so ein Bogen für mich vollendet. So irgendwas, was mit Faust angefangen hat, wo ich irgendwie sowas wahrgenommen habe, wo es mich hingezogen hat, das hat sich mit Bunnenbrooks irgendwie vollendet, weil diese Ahnung, die ich da bei Faust hatte, die habe ich dann da im professionellen Kontext im Beruf nochmal wieder so vorgefunden. Und Dann war damit irgendwie so ein bisschen was gestillt. Ich glaube, das hat dann nochmal die Tür aufgemacht, einem der anderen Tracks, die ich dann auch in meinem Leben angegangen bin. Und genau, das war, da habe ich eine Frau kennengelernt in Marburg, mit der ich dann auch neun Jahre zusammen war. Und ihre Mitbewohnerin damals, die hat Psychologie studiert. Und da waren wir immer irgendwie in einem Gespräch und irgendwie fand ich es total spannend. Also ursprünglich aus einer künstlerischen Perspektive heraus. Weil das künstlerische Schaffen ja immer so sehr selbstreflexiv aus dem eigenen Schöpfen vonstatten geht. und da so diese wissenschaftliche Perspektive auf das menschliche Erleben und Verhalten auch nochmal einzunehmen, fand ich total spannend. Eigentlich ursprünglich so als Inspiration für die künstlerische Arbeit und dann hat die mich da ab und zu mal mit in die Uni geschleppt in Marburg zu irgendwelchen Vorlesungen und dann habe ich gemerkt, oh ja. Da packt mich nochmal was. Da ist dann die Tür aufgegangen, die dann eine andere Welt nochmal aufgemacht hat, die auch spannend war und wo ich aber sagen würde, wo das Leistungsmotiv dann bei mir nochmal viel stärker angesprungen ist. Also ist ja auch was, worüber wir uns die letzten Tage irgendwie immer wieder konzentrieren.

Marina Löwe: Das zu verbinden mit, was hat das mit Hochleistung zu tun? Und wie ist das Verhältnis? Also ist das ein Tanz? Braucht es den Wechsel? Bremst dich Achtsamkeit aus dieser Hochleistung raus? Und deshalb passte deine Geschichte da so mega gut rein, weil du gesagt hast, ich habe eigentlich diese unterschiedlichen Phasen gehabt in meinem Leben. Also was so durchklingt als roter Faden ist, du guckst, was sagt der Bauch, was sagt das Herz? Da packt mich was oder da hat es mich irgendwie hingezogen und viel dem Gefühl gefolgt. Also das Gefühl war eher für Schauspieler als Fußball. Das Gefühl war, an Psychologie ist was drin. Was ist das, das zu erkunden? Und dann hast du gesagt, diese Studienzeit war so, okay, Schalter umgelegt. Und vielleicht kannst du das nochmal kurz wiedergeben, was ist im Studium bei dir passiert? und wie würdest du das jetzt rückblickend auch beschreiben mit dem, wo du jetzt bist?

Bastian Michael: Ich glaube, was leistungsförderlich war zunächst, war tatsächlich ein gewisses Maß an Angst, weil ich war so lange raus aus dem schulischen Kontext ja schon und wusste überhaupt nicht, kann ich das noch, funktioniert das für mich, studieren?

Marina Löwe: Angst war da auch.

Bastian Michael: Ja, war auf jeden Fall auch da am Anfang. Wie werde ich mich da schlagen, weil es ein ganz neues Feld war. Und dann, weiß ich glaube, die erste große Klausur, die ich geschrieben habe, war tatsächlich Statistik. wo ja auch immer alle so einen heilen Respekt vorhaben, wo ich dann aber relativ schnell gemerkt habe, ah nee, das liegt mir, das macht mir auch so ein bisschen Spaß und habe dann gemerkt so, ah, okay, das ist eine sehr gute Note, so möglich. Und weil wir viel uns auch ausgetauscht haben, wie uns Kontext prägt, ich glaube, was dann echt einen entscheidenden Beitrag geleistet hat, war, dass in meiner Lerngruppe eine junge Dame war, die sehr leistungsambitioniert gewesen ist und die ganzen Stipendien und Möglichkeiten bekommen hat und ich irgendwann in der Lerngruppe so gemerkt habe, ah ja, Also so wie sie da unterwegs ist, das gelingt mir auch sehr gut. okay, manche Sachen checke ich vielleicht sogar noch schneller und das fällt mir auch leicht, so auf dem Level irgendwie unterwegs zu sein. Und dann kam auch Unterstützung von den Professoren, wo ich dann auch gemerkt habe, es war auch spannend, wie das Künstlerische mir in der akademischen Welt total zuträglich gewesen ist, weil ich hätte überhaupt nicht gedacht, dass ich davon profitiere, sondern das ist, keine Ahnung, was ich da gedacht habe, aber dass die das auf einmal total cool fanden, wenn ich irgendwelche Hausarbeiten nicht schriftlich gemacht habe, sondern als Kurzfilm oder so, weil ich mir immer irgendwelche Brücken gebaut habe, wie ich diese akademischen Herausforderungen für mich auch einigermaßen angenehm und erträglich machen kann. Weil ich das schon als sehr limitierend erlebt habe, diese Zeit in der Uni so sehr eng begrenzt, gerade wenn man aus dem künstlerischen Bereich kommt, Wissen einfach zu replizieren die ganze Zeit, also da hatte ich das Gefühl, ich bringe kaum Eigenleistung irgendwie, also ich gestalte nichts, sondern ich packe die ganze Zeit einfach was in meinen Kopf rein. und da habe ich mir immer versucht, so wenigstens so Mini-Inseln zu bauen, wo ich irgendwie dann noch was Künstlerisches reinbringe oder eigene Gedanken oder Ansätze entwickeln kann, damit es für mich ein bisschen lebendiger bleiben konnte, weil sonst hätte ich glaube ich nicht überlebt.

Marina Löwe: Das ist mir gestern schon hängen geblieben, dass du das beschrieben hast, von wegen, ich wollte ja nicht nur Wissen in meinen Kopf stopfen, sondern ich wollte es lernen und mein Ziel war, alles zu verstehen. Also um es vorwegzunehmen, du hast in Berlin mit 1.0 abgeschlossen, hast gesagt, ich habe halt alles, was es zu lernen gab, wirklich als Einziger. Ich wollte das alles einmal verstehen. Ja, absolut. Und ich meine, zum einen muss man sagen, klar, du bist 30 gewesen, als du angefangen hast und nicht wie jetzt häufig natürlich mit 18 oder 17 teilweise ja die Bachelorstudiengänge anfangen. Aber eben auch, was mich fasziniert hat, dass du viel als Referenz genommen hast, dein Bauchgefühl, deine Intuition, deinen inneren Antrieb und dir Sachen zu eigen zu machen und gestalten zu können. Wir haben ja gestern über den Artikel gelesen, der beschrieben hat, wie Digitalisierung sich auf uns auswirkt. dass wir Wissen konsumieren können ohne Ende. Du kannst das Schulsystem in Frage stellen und du kannst ja alles nachgoogeln irgendwo. Theoretisch ist es schon vorhanden. Warum dann noch lernen? Und das habe ich gestern auch gedacht, dieses einfach nicht nur reproduzieren, aufnehmen, sondern sagen, wie mache ich das zu meinem? Wie kriege ich es hin, dass es wirklich verankert ist und nicht nur für die Klausur abrufbar ist?

Bastian Michael: Genau, das habe ich auf jeden Fall genauso gemacht, dass ich alles einmal verstehen wollte und auch nicht linear einfach den kürzesten Weg gewählt habe, sondern immer alles angereichert habe mit Dingen, wo ich wusste, die würde ich mir für meinen weiteren Weg nochmal in meinen Rucksack packen. Das brauche ich für meinen Weg noch vielleicht und habe dann ja auch gerade in Berkeley dann später noch BWL, Soziologie, Philosophie mitgenommen. Also immer so geguckt in andere Bereiche rein und viel dann auf dem organisationalen Track mitgenommen und da echt immer viel rechts und links geschaut. und was ich aber spannend finde, weil das ja auch ein Thema ist, wo wir die letzten Tage viel drüber gesprochen haben, so sehr auf die innere Stimme irgendwie gehört, so auf diesen inneren Kompass. Und ich habe ja auch in den letzten Tagen gesagt, das war eher so die Zeit, wenn ich auf mein Leben zurückblicke, weil ich auch sagen würde, dass ich den sehr gut ausgebildet hatte, auch gerade im künstlerischen Bereich, wo der aber eher sehr in den Hintergrund getreten ist.

Marina Löwe: Also wie hast du die Leistung abgerufen? Du hast zwei Jahre in Berlin gehabt und dann bist du nach Berkeley gegangen und hast dann nochmal erweitert, wie du gesagt hast, um BWL und Soziologie und Philosophie. In welchem Modus warst du unterwegs? Also was war präsent und was war nicht mehr da?

Bastian Michael: Auf jeden Fall ein ziemlich hart ausgebildeter Leistungsmodus in der Zeit, würde ich sagen. Und es ist witzig, dass ich ja später dann noch für einen Forschungsaufenthalt in Harvard war und mein Mitbewohner war auch bei der Studienstiftung und wir dann abends manchmal da im Wohnzimmer saßen und uns dazu ausgetauscht haben, genau zu dem Thema, was jetzt ja auch so ein bisschen unser Thema geworden ist, wie Kontext halt prägt. Weil, genau, also das habe ich glaube ich gerade gar nicht gesagt, dass ich dann irgendwann auch in der Studienstiftung war und ich rede jetzt über einen Anteil. Also ich finde, man kriegt unglaublich tolle Möglichkeiten und begegnet wirklich sehr, anregenden Menschen und es ist ein tolles Umfeld und es gibt mega viele positive Anteile, aber wir haben uns jetzt so ein bisschen die letzten Tage auch mit den Anteilen auseinandergesetzt, die dann vielleicht auch ein bisschen herausfordernd sein können. Und um diesen Anteil zu beschreiben, würde ich glaube ich sagen, dass halt die Referenzpunkte, die du besitzt, ja dann sich auch aus diesem Umfeld heraus rekrutieren. Das heißt, du nimmst diese starke Leistungsausprägung als Normalität, wenn du quasi dann da auch dann viel auf den Akademien bist, Sommerakademien und so und die verschiedenen Programme und Berkeley sowieso. Ich weiß, dass ich da manchmal nachts aus dem Lab rausgekommen bin und gerade dann, also vorher glaube ich auch, ich aus dem asiatischen Raum dann echt bis vier, fünf Uhr morgens noch in der Library saßen und dann hattest du eher das Gefühl, wenn du da um zwei nach Hause gegangen bist, ach, die legen nochmal was ganz anderes auf und Das hat auf einer Ebene auch Spaß gemacht, aber auf einer anderen Ebene sind dadurch ganz viele andere Räume viel enger geworden. Und da würde ich sagen, war die Achtsamkeit nicht besonders stark ausgeprägt. Also da war es irgendwann wirklich so, dass sehr viel so wirklich optimiert war, dass du, keine Ahnung, wenn ich irgendwo im Bus hingefahren bin, noch wusste, okay, da habe ich dann die halbe Stunde und kann dann noch das und das vorbereiten und so. Dass wirklich auch so diese kleinen Zwischenräume, wo ich jetzt wieder merke, wie sinnvoll die auch sind, auch mal selbst reflektieren und so auch stattfinden kann. Die werden einfach sehr, sehr eng. Und das würde ich auch sagen, dass ich das so erlebt habe, dass das quasi ein Wandern von einem kleinen Erfolg zum nächsten irgendwie gewesen ist. Also es gab eigentlich wenig, was nicht funktioniert hat, so auf dieser Ebene. Aber dass der Preis halt war, dass andere Räume viel enger geworden sind. auch Zeit mit alten Freunden und so. Das ist alles ein bisschen im Hintergrund getreten.

Marina Löwe: Also was war das, wo du rückblickend sagst, das hat es auch gekostet? Einfach damit man sich auch Kosten, Nutzen bewusst ist. Weil der Nutzen war, super Hochleistungsumfeld, extrem inspirierend, tolle Leute. Du hast viel gelernt, das öffnet dir jetzt auch viele Türen. Genau. Was, sagst du, rückblickend hast du gekostet? Also was hast du liegen lassen?

Bastian Michael: Also ich glaube, das Wesentlichste, wo ich echt Zugang zu verloren habe in der Zeit, ist das, was ich jetzt hier auf unseren Spaziergängen auch so als inneren Kompass beschrieben habe, so das Stimmigkeitserleben. Und ich würde sagen, das ist der wesentlichste Referenzpunkt, den man sich selbst setzen sollte und was man kultivieren sollte, bei sich den eigenen Kompass zu haben und von dieser Warte aus die Entscheidungen, die irgendwie anstehen, betrachten zu können. Und ja, das ist echt in den Hintergrund getreten.

Marina Löwe: Was passiert, wenn er fehlt?

Bastian Michael: Man orientiert sich vielmehr an äußeren Punkten. Und auch wenn ich auf die Zeit zurückschaue, ich bereue das nicht vollumfänglich, weil das war der Weg, den ich für mich gesehen habe, um da so auf die Art und Weise durchzugehen. Und ich wollte auf diese Art und Weise da durchgehen und es hat mir viele Möglichkeiten gebracht. Aber ich glaube, es gäbe wesentlich zielführendere Möglichkeiten, möglicherweise da durchzugehen. Ich weiß nicht, ob ich auf einem anderen Weg so auf dieser Schiene erfolgreich hätte da durchgehen können, wenn ich ganz ehrlich bin. Ich muss so viel Aufwand dafür auch betreiben, glaube ich. Also ich habe gemerkt, ich kann auch mit viel weniger Aufwand immer noch weitergehen. sehr gute Leistungen bringt. Das war auch eine gute Erfahrung. Aber um die Garantie zu haben, immer unter den besten ein bis zwei Prozent mitzuschwimmen, habe ich sehr viel mehr Aufwand betrieben, also viele Extrameter so gegangen. Und das war ja nicht nur Uni, das waren ja auch viele Dinge, die dann noch rechts und links in der Zeit auch stattgefunden haben.

Marina Löwe: Ja, das ist ja auch was, was fair ist und wo ich merke, dass gerade wenn ich eher mit Mitarbeiterebene arbeite oder mit unteren Führungsebenen zu verstehen, wir sind ja ein Team. Und wenn du das wie ein Marathonfeld siehst, wie sehr man sich im Kontext orientiert. Also die, die vorlaufen, der Vorstand, sagen wir mal, das sind die im vordersten Feld. Die orientieren sich dann eher aneinander und sagen, ey, da sind noch zwei vor mir oder ich muss den, der direkt hinter mir ist, vom Hals halten. Aber dein Referenzpunkt ist ein ganz anderer. Du orientierst dich halt an dem vordersten Feld, in dem du mitläufst und da sind nur Hochleister. Du guckst selten, glaube ich, auf den, der so die 30 Kilometer hinter dir gerade erst losgelaufen ist. Wohingegen du vielleicht, wenn du weiter hinten bist, dich auch fragen kannst, das war so ein Aha-Effekt für mich damals mal in einem Seminar, wenn du einen Waldlauf machst mit einer großen Gruppe, stellst du dich bewusst in die erste Reihe und sagst, ich will als erster losrennen, als erster durchs Ziel. Also das ist so dein Anspruch. Wie stehst du an? Mittelfeld, das reicht mir, ich hole schon noch auf oder orientiere mich dann. Oder sagst du, sollen die anderen mal rennen? Ich genieße den Lauf. Und für mich bedeutet Hochleistung, ich kann nicht mehr genießen. Und da ist für mich auch wichtig zu sagen, das ist erstmal wertfrei. Das ist erstmal beobachten. einfach nur, wie bin ich unterwegs im Leben? Will ich immer vorne mitrennen? Orientiere ich mich immer an den Schnellsten? Orientiere ich mich an den Langsamsten? Und sage, naja, ich muss jetzt auch nicht ganz hinten laufen. Oder sage ich, das ist überhaupt nicht mein Feld. Mir ist das relativ schnurz. gerade. Ich spaziere meinetwegen auch, weil das ist, wie ich lieber durchs Leben gehe. Und das ist mir so ein bisschen hängen geblieben, als du das beschrieben hast mit den Leuten, mit denen du gearbeitet hast. Sind halt alle durchgetaktet und auch, wenn ich dich so im Call gerade erlebe oder am Rechner. Ich glaube, ich kenne wenig Leute. Ich dachte, ich tippe schnell. Aber du quälst die Tastatur schon ziemlich und dann kommt, ja, ja, ja. Also es wird alles wie so ein bisschen schneller gepacet nochmal. Wie die Podcast-Hörer, die wir teilweise haben, die auch auf anderthalbfache Geschwindigkeit oder zweifache gehen und sagen, okay, ich will einfach nur schnell mit den Input reinziehen.

Bastian Michael: Das ist spannend, weil ich in meiner Wahrnehmung so viel langsamer geworden bin auf eine angenehme Art und Weise, aber da scheint noch was drin zu stecken.

Marina Löwe: Ja, oder der Modus. Also du hast ja gestern gesagt, du sprichst viel von Räumen, dass du auch in Räume zurückgehen kannst und so weiter. Also du hättest diesen Raum ja weiter bespielen können. Du hättest ja drinbleiben können in Hochleistung und sagen, von Berkeley, ich war jetzt in Harvard noch für das Forschungsprojekt und dann gab es, glaube ich, die Option London. Und das hätte ja dein Weg sein können, zu sagen, ich mache dieses Durchpacen weiter, weil ich weiß jetzt einmal, wie es läuft, ich kann das. Jetzt sind die Türen offen und dann ist es der Klassiker, Karriere, tap, tap, tap, bis oben und hast halt diesen Funktionsmodus einmal. Und da kam, glaube ich, der Kompass irgendwann wieder ins Spiel. Also was war der Punkt mit London oder Siedelsbrunn? Wie bist du hier gelandet?

Bastian Michael: Da fällt mir ein Satz ein, den ein Kollege gesagt hat und der ist manchmal, finde ich, sehr hilfreich, glaube ich, sich das vor Augen zu führen. Was müsste passieren, dass wenn du am Ende deines Lebens stehst und so auf dein Leben zurückschaust und denkst, ey, das war ganz okay so, das war gut, dass ich da war irgendwie so. Und als ich dir gerade so zugehört habe, wie du diese Option ausgeführt hast, man hätte ja auch auf diesem Track einfach immer weitergehen können. Dann wäre das für mich persönlich, und ich glaube, das muss nicht für jeden so sein, also für manche kann es bestimmt total erfüllend sein, aber für mich wäre das eine relativ traurige Vorstellung, habe ich gemerkt. Echt? Wenn ich dir dabei gerade zuhöre, ja, tatsächlich. Weil dabei echt viele Sachen fehlen würden. Und das wäre wirklich ein Abarbeiten des Lebens anhand von äußeren Markierungen und Anerkennungen so von außen. Und ich finde Anerkennungen von außen auch total positiv, also auch total wichtig, tut auch gut, überhaupt gar keine Frage. Aber halt nicht, wenn es Also leitend sollte, finde ich, der innere Kompass sein und das macht am eigenen Erleben, glaube ich, auch einen großen Unterschied. Da habe ich nämlich witzigerweise auch darüber nachgedacht, jetzt springe ich nochmal kurz zurück, als du gerade gesagt hast, so in welchem Feld orientiert man sich und da hat man schon den Atem im Nacken und orientiert sich an den Vorne. Ich glaube, an dem Punkt ist mir was gelungen, selbst in der Phase, wo ich sagen würde, das war jetzt nicht so nur optimal, wie ich da unterwegs gewesen bin für mich selbst. Was mir aber gelungen ist, glaube ich, ist, dass ich mich da wenig abhängig gemacht habe von anderen oder so. Ich habe eigentlich nie so den Atem von anderen hinter mir gespürt oder wollte es auch nicht dem vor mir zeigen, sondern da bin ich wirklich auch von mir ausgegangen. Und da war mein Motiv einfach immer, das Maximale rauszuholen, aber aus mir heraus. Da habe ich nicht nach rechts und links geschaut und auch nicht auf andere geschaut.

Marina Löwe: Also was ist meine Laufzeit? Wie kann ich meinen Lauf verbessern?

Bastian Michael: Ja, genau. Okay. Nicht nur so, das wäre vielleicht noch gesünder gewesen, sondern wie kann ich den besten Lauf machen, würde ich sagen. So, das war der Anspruch.

Marina Löwe: Wie kann ich meine Höchstleistung bringen?

Bastian Michael: Genau. Und wie kann die Höchstleistung dann auch tatsächlich eine Höchstleistung sein? Und gesünder, ja, weiß ich gar nicht, aber wäre vielleicht so.

Marina Löwe: Woran definiert man denn dann Höchstleistung?

Bastian Michael: Also ich glaube, dass diese Seite, die da in mir ausgebildet wurde, die hat, glaube ich, viel damit zu tun, wie unser akademisches System einfach strukturiert ist. Und es war zum Beispiel, wo mein ganzer Freundeskreis studiert hat, früher, die ja noch im Diplom waren, da gab es, glaube ich, auch noch Unterschiede. Da gab es mehr Freiräume. Und mit der Umstellung auf Bachelor und Master ist es ja so, dass jede Leistung zum Beispiel für dein Endergebnis zählt. Das heißt, du musst jede Klausur, es muss alles immer sehr gut sein. Also es gibt nicht mal irgendwas, wo du Du kannst nicht einfach mal schleifen lassen. Das System habe ich mir angeguckt und ich wusste, ich will in dem System erfolgreich sein, weil ich wusste, ich will danach Wahlmöglichkeiten haben. Ich will danach entscheiden, was ich mache.

Marina Löwe: Also dein Antrieb, überhaupt in die Höchstleistung zu gehen, war eigentlich schon eine intrinsische, zu sagen, ich will Wahlmöglichkeiten haben.

Bastian Michael: Genau. Und ich glaube, dass es am Anfang sehr gut war auch und Sinn gemacht hat und immer noch Sinn macht, weil die Freiheit hatte ich tatsächlich danach und das ist sehr schön. Aber ich glaube, was geschieht oder was bei mir geschehen ist, wenn ich auf diesen Teil irgendwie zurückschaue, dass ich mir das System angeschaut habe, für mich geguckt habe, okay, was braucht es, um da maximalen Erfolg drin zu haben und das dann einfach ausgeführt habe, um da maximal irgendwie erfolgreich zu sein. Und das knüpft so ein bisschen an an das, was wir vorhin auch schon gesagt haben, bei mir zu dem Preis. Und es gibt wenige, glaube ich, die da auch anders durchgehen können, aber ich glaube, es sind wirklich wenige. Bei mir zu dem Preis, dass ich viel rechts und links zur Seite geschoben habe und zum Beispiel viel öfter Verabredungen abgesagt habe und gesagt habe, nee, sorry, heute kann ich nicht und so in Klausurvorbereitungszeiten und echt viel so zur Seite geschoben habe. wenn du die immer wieder einfach zur Seite geschoben hast. Und da knüpft irgendwie so ein bisschen das an, was deine Fragestellung gerade war. Was ist dann hier passiert, wo wir jetzt hier in meinem Wohnzimmer sitzen? Was hat dieser Ort damit zu tun? Und welche Rolle hat da London noch gespielt? Weil ich würde sagen, es war so vor anderthalb Jahren, dass ich das dann so sehr bewusst wahrgenommen habe, dass ich halt vieles immer zur Seite geschoben habe und sich dadurch, weil wir das Thema innerer Kompass gerade hatten, den Zugang da nicht mehr so klar ausgebildet hatte, wie ich das eigentlich von mir gewohnt war. Und ich hatte immer gedacht, okay, das ist einfach so, dass man immer so einen Zugang dazu hat. Das habe ich nie hinterfragt. Und dann aber zu merken, nee, natürlich, wenn du dich ein bisschen davon entfernst, und ich war mir bewusst, dass ich mich davon entferne, das war eine bewusste Entscheidung, weil ich gesagt habe, okay, für eine bestimmte Zeit ordne ich mich jetzt in einem anderen System unter, um in dem maximal erfolgreich zu sein und dann wieder die Wahlmöglichkeit zu haben, das zu tun, was ich machen möchte. Und das habe ich ja gerade schon ausgeführt. Was dann aber passiert ist, dass du die Entscheidung zwar bewusst treffen kannst, Aber ich nicht abgesehen habe, dass dann auch wirklich, wenn man alles zur Seite schiebt, den Zugang so ein bisschen verliert. Und dann weiß ich, dass ich mit einem guten Freund irgendwie durch Berlin spaziert bin und wir abends darüber gesprochen haben, habe ich ein paar Sachen aus meinem Studium beschrieben, wo ich gesagt habe, nee, mit klinischer Psychologie habe ich überhaupt nicht irgendwie viel am Hut. Also ich habe in der Zeit ja auch für Siemens dann gearbeitet und war so eher auf dem organisationalen Track unterwegs, Führungskräfteentwicklung und Organisationsentwicklung. Und genau, so klinische Psychologie hat mich nicht interessiert, weil mir das an der Uni auch so als sehr defizitorientiert immer entgegengekommen ist. Und das hat, glaube ich, dem, wie ich auch in dem künstlerischen Umfeld dann irgendwie unterwegs war, zu meinem Menschen- und Weltbild überhaupt nicht gepasst. Also da war echt eine große

Marina Löwe: Immer auf das, was fehlt, was nicht funktioniert.

Bastian Michael: Ja, genau. Und überhaupt so kategorial auf Menschen zu schauen, irgendwie dem pappen wir dann die und die Diagnose an die Stirn und so. Das ist halt nicht normal. Ja, und im Praktikum auch dann mal miterlebt habe, es war so ein Pflichtpraktikum, Leute, die so eine Diagnose erhalten, die sich dann auch fast vollumfänglich über diese Diagnose definieren und dann auch sagen, ja, wenn sie sich vorstellen, ja, ich habe die und die Störung irgendwie und das kam mir so absurd vor, weil ich eben

Marina Löwe: noch Oder noch anders sagen, ich bin Ja, genau.

Bastian Michael: Ich bin depressiv. Ja, genau. Ja, genau. Das meine ich. Genau. Genau.

Marina Löwe: Dies und das. Also dieses vollkommen identifizieren mit, das ist meine Diagnose. Vollkommen identifiziert, assoziiert. Oder ich bin rückengeschädigt oder ich bin.

Bastian Michael: Genau. Und was ich immer schon so witzig fand, weil ich dann das auch als Rückmeldung aufgegeben habe, ich habe vorher mit den zehn Minuten vielleicht da irgendwo gequatscht. Ich hätte nicht sagen können, sie sind depressiv. Also.

Marina Löwe: Und ich bin Mutter und keine Ahnung was. Oder über deinen Job. Also das ist auch die Frage, wie stellt man sich eigentlich vor? Und dass dann irgendwann das so ein ganz krasser Teil eigentlich deiner Person wird.

Bastian Michael: Genau. Und es geht überhaupt nicht darum, das zu marginalisieren und so. Und auch das Leid, was damit verknüpft ist, das muss, finde ich, gewürdigt werden. Aber es ist halt ein Anteil. Und spannend war dann für mich immer schon die Frage, und so habe ich mich in Rollen am Theater früher genähert, okay, in welchen Kontextbedingungen zeigt sich diese Symptomatik? Also was hängt da mit irgendwie zusammen? Also dass man das nicht alles

Marina Löwe: Das differenziert da an.

Bastian Michael: Nicht auf die Person attribuiert, sondern guckt, okay, wie sieht das ganze Gefüge aus? Und ganz oft merkt man dann, das ist vielleicht nicht die beste Lösung, diese Symptomatik zu zeigen, aber in einem bestimmten Kontext war es halt eine Überlebensstrategie oder so. In dem System ist es genau. Genau.

Marina Löwe: Was irgendwie funktioniert hat.

Bastian Michael: Genau. Und ermöglicht dann, finde ich, auch ganz andere Wege, wieder da rauszutreten. Und das war dann spannend, als wir dann in Berlin abends unterwegs waren, meinte dieser Freund dann zu mir, ey, Basti, guck dir doch mal die Klinik da unten in der Nähe von Heidelberg an. Die arbeiten genauso, wie du oft so daherredest. Ja. Und auf die gucken wir gerade, weil das ist das Celius Gesundheitszentrum. Genau, das ist das Celius Gesundheitszentrum und das war kein Praktikum, was ich noch hätte machen müssen, aber ich habe mich dann entschieden, da irgendwie das Praktikum zu machen, um das nochmal kennenzulernen, weil ich dann immer mehr davon gehört hatte. Und das gab es, glaube ich, so noch nie, würde ich sagen, dass ich an einem Ort war, also jetzt im professionellen Arbeitskontext zumindest, wo da so ein Kongruenz- und Resonanz-Erleben irgendwie stattgefunden hat bei mir. Also gerade auch vor dem Hintergrund, was wir gerade gesagt haben, auch so ein ganz anderer Blick, ressourcenorientiert, stärker orientiert, einfach unterwegs zu sein und halt nicht diesen defizitären Blick einzunehmen nach außen ins Gesundheitssystem, was berechtigterweise dann viele hier auch eher so als ein krankmachendes System vielleicht, Unser Krankheitssystem

Marina Löwe: in Deutschland.

Bastian Michael: Krankheitssystem, genau. Da braucht es das natürlich auch in der Kommunikation, aber in der Arbeit an sich spielt es erstmal keine Rolle. Da geht es wirklich Mensch-Du-Mensch-Begegnung. erstmal und einfach draufschauen.

Marina Löwe: Wobei, wer viel bei euch ankommt, sind eigentlich die Leute, die gemerkt haben, ich habe so viel Energie rausgehauen für Sachen, dass ich nicht mehr geguckt habe, ob genug Energie zurückkommt. Und jetzt bin ich an einem Punkt, wo ich eigentlich merke, pfff. Die Ressourcen sind alle oder ich weiß eigentlich nicht mehr so richtig, wie ich das bewältigen soll, was ich so im Alltag vor mir sehe. Ich brauche eine Auszeit und ich nehme mir auch gerne Unterstützung dazu, wieder auf die Beine zu kommen. Das ist mir so hängen geblieben von der Mechthild auch, was sie im Video nochmal aufgegriffen hat.

Bastian Michael: Genau. Und das ist also spannend, weil der Ansatz ja, das hast du jetzt ja auch so ein bisschen mitbekommen, den wir da leben und auch auf allen Ebenen durchbuchstabieren, auch auf Organisationsebene, also sehr selbstorganisiert zu sein, von vielen im Feld, da ja auch ziemlich als State of the Art wahrgenommen wird und da auch viele von den DAX-Unternehmen hier vorbeischauen und auch sich angucken, wie sind wir eigentlich so als Organisation aufgestellt.

Marina Löwe: Unternehmen vorbeikommen und sagen, Herr Michael, Sie haben gar keinen Chef, Ihnen sagt keiner, was Sie machen müssen. Wie kommt es, dass Sie Ihre Überstunden für sich selber aufschreiben, weil Sie merken, ich bin hier eher jemand, der mich vor lauter Begeisterung zu lange in Themen einarbeiten kann, aber es funktioniert total gut und bei ganz vielen das Fragezeichen, wie kann das bitte schön sein, dass euch keiner sagt, was ihr machen müsst. Also wie funktioniert das?

Bastian Michael: Beziehungsweise, also ja, auf einer Ebene bin ich vielleicht begeistert, aber ich würde nicht das Wort begeisternd wählen, weil das ist für mich so etwas sehr Flüchtiges.

Marina Löwe: Okay, das war ja eher so ein Chaka, aber es ist was

Bastian Michael: Genau, es hat sich einfach gut angefühlt und es fühlt sich jetzt, ich bin jetzt ein Jahr hier, auch immer noch einfach gut und richtig an und ich gehe gerne zur Arbeit und habe das Gefühl, dass wir da echt auch zum Teil sehr sinnvolle Beiträge leisten, bei allen Herausforderungen, die es natürlich da auch gibt, also es ist auch keine Zuckerwelt irgendwie, wo alles immer in jedem Moment gelingt. Nee, aber die Art und Weise, wie dann mit Herausforderungen umgegangen wird, die mich sehr beeindruckt. Das kenne ich auch aus anderen Organisationen so nicht. Ich habe das dann so für mich erlebt und war dann sehr überrascht. Aber es macht für mich auf einer anderen Ebene auch Sinn, dass ich sehr vielen Menschen in der Organisation begegnet bin. die ihren Weg genauso beschrieben haben, dass sie hierher angekommen sind und gemerkt haben, so wow, das ist echt was Besonderes, da passt was. Und das ist ja auch, glaube ich, das, was die ganzen Unternehmen anzieht, weil irgendwas nehmen die dann auch wahr, was irgendwie so ein bisschen anders ist, als es woanders vielleicht vonstatten geht. Das war ja damals nur ein Praktikum, das war, glaube ich, 2016. Und das war ein ziemlich folgenschweres Praktikum, weil ich hatte eigentlich dann schon die Zusage für den Masterplatz an der London School of Economics and Political Science und hatte auch Professoren gehabt, die mich da unterstützt haben und wieder ganzen Stipendien organisiert und alles. Und das war wirklich, ich glaube, zwei Wochen oder so, bevor es nach London ging. Und dann bin ich nach London rübergeflogen und es war ein cooles Masterprogramm. Mega gute Professoren, die ich auch echt, die habe ich sehr gemocht und auch von der fachlichen Seite einfach echt sehr anregend. und da waren 20 Leute aus 18 Nationen, also auch ein spannendes Umfeld, aber da habe ich halt so gemerkt, auch vor dem Hintergrund der Erfahrung hier bei Systelios, was mich mehr wieder connected hat auf dieser Kompassebene, über die wir jetzt hier viel gesprochen haben, da habe ich so gemerkt, so ey, Moment mal, äh. stimmt es hier überhaupt noch? Oder ist es nicht einfach nur dieser Track, der sich eher an diesen äußeren Wegmarkierungen orientiert, schneller weiter und immer mehr Möglichkeiten auftun? Und wo ich dann gemerkt habe, für eine bestimmte Phase in meinem Leben war das extrem sinnvoll, mir mehr Möglichkeiten zu erarbeiten. Das hat sich gut angefühlt. Und da habe ich mich dann aber gefragt, so brauche ich eigentlich gerade noch mehr Möglichkeiten. Was ist der Mehrwert an Möglichkeiten? An sich ist es kein Mehrwert, nur wenn du halt ein paar mehr Möglichkeiten brauchst.

Marina Löwe: Also eigentlich den Antreiber infrage gestellt.

Bastian Michael: Genau. Und wofür? Das Zentrale ist, ich hätte nicht mehr klar beantworten können, wofür braucht es das jetzt gerade? Weil mit dem Master hätte ich zum Beispiel nicht hier so gut andocken können.

Marina Löwe: Wärst du wieder in eine andere Richtung gelaufen?

Bastian Michael: Das wäre mir ja so auf dem Organisational Track irgendwie geblieben, den ich ja jetzt hier witzigerweise auch lebe. Ich bin ja jetzt hier gar nicht im therapeutischen Bereich tätig. Aber da habe ich gemerkt, so nee, also in London bin ich glaube ich gelandet, mehr über das Umfeld, in dem ich mich bewegt habe, weil wir ja darüber gesprochen haben, dass man so diesen inneren Kompass nicht mehr so klar ausgebildet hat möglicherweise. Und es war aus dieser Welt geschaut, so ein logical next step. Aber dann zum Glück habe ich mich gefragt, aber ist es mein Schritt? Und das habe ich dir ja auch gestern erzählt, dass ich auf diese ganzen Leistungen und Erfolge und rechts und links und Filmpreis und alles, was da irgendwie so passiert ist, in dieser ganzen Zeit, da habe ich gar nicht so ein Stolz erleben gehabt. Aber auf den Mut dann zu sagen, obwohl ich da saß in London, dann den Mut gehabt zu haben, zu sagen, nee, Moment mal, ich nehme jetzt ein bisschen Zeit, habe mir das ein paar Wochen überlegt, aber dann zu sagen, nee, das ist nicht mein Schritt, das ist ein cooler Schritt bestimmt, aber es ist halt einfach nicht meiner. Und dann geschaut habe, okay, was gibt es noch für Masterprogramme? Und dann nochmal für den Master nach Wittenherdecke gegangen bin, wo auch wieder viel mehr Konkurrenz besteht zu dem, auch wie hier gearbeitet wird und wo es auch so Querverbindungen gibt zum Teil. Hat für mich voll Sinn gemacht. Und das war echt die Entscheidung, das ist zwei Jahre her, Da bin ich wieder diesen Schritt zurückgegangen, quasi auf meine Spur, die ich so durch mein Leben irgendwie gehen möchte. Und das fühlt sich seitdem total gut an. Und ich habe das Gefühl, seit dieser Entscheidung kommt Woche für Woche, Monat für Monat immer mehr wieder so in Tune.

Marina Löwe: Ja, wo wir ja auch sehr schmunzeln mussten über eigentlich unser Zusammentreffen. Also wir haben uns ja im März auf der Mindful Leadership Konferenz getroffen, die auch mit Witten Herdecke verbunden ist. Und von den Parallelen über, wir haben beide Bezug zu Impotheater, Achtsamkeit und Meditation. aber eben auch Business-Kontext, Psychologie und Teamentwicklung, Führungskräfteentwicklung, war das ganze Wochenende für mich eigentlich auch so ein Dauerschmunzeln und Aha-Effekt, wie viel das zusammengreift über Fokus auf Selbstwirksamkeit, aber auch das, was so in den ersten Podcast-Folgen dran war von dem Tod des jungen Boxers. Wo ich gedacht habe, an wie vielen Stellen sind wir eigentlich in den Ring gestiegen mit einem ganz klaren Ziel und Fokus. Da gibt es ganz klare Regeln für Hochleistung. Und diesen Punkt gar nicht zu finden, wo ist es auch mal Zeit, das Handtuch zu schmeißen. Und wie viel bezahle ich eigentlich an Preis dafür, dass ich diesen 14. Kampf in Folge nicht sieglos aufgeben will zum Beispiel. Also wie kann man aus dem Autopiloten, aus den Mechanismen aussteigen, dass wir mehr sind als unser Kopf. Also wir haben eben nicht nur das Gehirn zwischen den Ohren, sondern wie viel unser Bauch mit reinspielt, vielleicht auch die Herzensangelegenheiten. Und da habe ich gemerkt, das hat so viel Parallelen zu dem, wie du deinen Lebensweg eigentlich beschreibst. wieder in Kontakt zu kommen, zu dem Kompass, zu merken, aha, wenn ich lang genug im Modus war, wegdrücken, wegdrücken, wegdrücken, für Hochleistung, Hochleistung, Hochleistung, ist das gar nicht so wie Fahrradfahren, wieder auf diesen Entspannungsmodus zu kommen, sondern der ist dann teilweise weg. Weil das ein Automatismus wird. Ich drücke das Bedürfnis nach Sport, nach Bewegung, nach Trinken, fällt mir auf, du trinkst immer noch relativ wenig teilweise.

Bastian Michael: Dann musst du noch ein paar Tage hierbleiben.

Marina Löwe: Noch ein paar Tage bleiben. Also wenn man einmal in diesem Work-Modus drin ist und sich diese Gewohnheiten eigentlich angeeignet hat, wie sehr das irgendwann zu einem selber werden kann. Wo ich dann immer denke, du hast das drei Jahre gehabt. Was macht das mit Leuten, die das 20 Jahre lang machen?

Bastian Michael: Ich hätte es fünf Jahre, würde ich fast sagen. Wo ich behaupten würde, wenn du noch ein paar Tage hierbleiben würdest, würdest du sehen, wie gut und achtsam und ausreichend ich mittlerweile wieder trinke.

Marina Löwe: Du bist ja jetzt auch wieder viel mehr auf dem Trip.

Bastian Michael: Ja, ja, voll. Das war ganz spannend, weil Mindfulness wirklich, glaube ich, auch einen Beitrag geleistet hat, auf diesem Weg wieder in der Spur irgendwie unterwegs zu sein. Und ich habe mir auch ganz gezielt, und zwar seit der Entscheidung, als ich von London weggegangen bin, habe ich wieder bei allem quasi angefangen, meinen eigenen Kompass auszubilden und mich gefragt, okay, was ist denn für mich, fühlt sich jetzt richtig an? Und deshalb bin ich auch, als ich dann nach Harvard gegangen bin, war das eine total sinnvolle Entscheidung, weil die war dann nicht getriggert dadurch, dass es Harvard war, sondern dass da ein länger als Professorin gearbeitet hat, diese Mother of Mindfulness auch den Titel da mehr oder minder inoffiziell erworben hat. Und wo ich quasi mit den Konstrukten nochmal viel mehr in Kontakt gekommen bin. Und das war dann auch so ein bisschen die Einflugschneise zur Mindfulness Leadership Konferenz, wo ich das ja dann auch da auf der Bühne ein bisschen mit Schauspiel verknüpft habe und so gemerkt habe, okay, das passt auch mit diesem Alten viel mehr zusammen. Also da steckt eigentlich auch in den ganzen Künstlerischen steckt sehr viel von den Mindfulness Konzepten.

Marina Löwe: Absolut, du hast ja auch Körperübungen beschrieben, Wahrnehmungsübungen, dass das ganz viel Basis ist, überhaupt erstmal in deinem Körper zu sein, den zu fühlen, zu spüren.

Bastian Michael: Und das ist jetzt für mich total schön, weil da verbindet sich was von der alten Welt mit der neuen Welt, mit der Psychologie, aber auch mit dem Business-Kontext und aber auch mit diesem Künstlerischen. Und neben dem, was man lernt und dann weitergeben kann, ist das auch eine spannende Reise, die man dann selber irgendwie so wieder macht. Und ich kann, glaube ich, jetzt im Rückblick gar nicht sagen, das hat so viel prozentualen Anteil an dieser Entwicklung gehabt und das andere so viel. Ich glaube, das war grundsätzlich wieder diese Ausrichtung, darauf zu hören, okay, was fühlt sich stimmig für mich an? Und das ist, glaube ich, das Entscheidende. Und als ich dann in der Entscheidung war Dass ich mir diese vielen Möglichkeiten erarbeitet hatte und dann auch wirklich gucken konnte, wohin möchte ich jetzt weitergehen. Was mich dann hier auch wieder sehr angesprochen hat, als ich dann hier mit der Geschäftsführung in Kontakt stand, dass sie halt auch gesagt haben, wir besetzen keine Stellen, wir besetzen Menschen. Und wir haben Lust, dass du hier zu uns kommst, da passt was und sag Uns doch mal, was du dir vorstellen kannst und wir zeigen dir hier, was bei uns anliegt und dann können wir irgendwie gucken, ob wir da auf eine gute Art und Weise zusammenkommen. Und es war ein extrem schöner Prozess, über den wir ja auch gesprochen haben jetzt hier in den letzten Tagen. Und wo ich auch nie gedacht hätte, dass ich so meine ganzen verschiedenen Hintergründe an einem Ort so leben und einbringen kann. Und das hat auch einen Wert. Es trägt bestimmt dazu bei, dass ich hier Weil du das vorhin auch gesagt hast, wir sitzen hier in meinem Wohnzimmer, vorne ist der Balkon und der Blick hinten auf das Serienhaus.

Marina Löwe: Du hast den Arbeitgeber vor der Nase, macht das Stress. Genau, ja.

Bastian Michael: Und es ist gut, dass ich nach einem Jahr noch sagen kann, nee, ich gucke da echt total gerne drauf.

Marina Löwe: Also für Unternehmen, die sich fragen, was können wir jetzt für Rückschlüsse daraus ziehen, weil natürlich habe ich dich exemplarisch genommen, du bist quasi die Case Study, würde aber sagen, dass Das entweder in meiner Bubble so ist, dass ich mehr und mehr davon wahrnehme, habe es aber statistisch nochmal angeguckt und es scheint ein Trend zu sein, dass es mehr und mehr Fokus noch gibt, obwohl es schon länger ein Thema ist. Die Sinnhaftigkeit muss da sein, das Verbundenheitsgefühl, also Community ist ein Riesenthema, wo natürlich Firmen wie Google und Facebook das auf eine ganz extreme Art und Weise tun und sagen, wir nehmen so Standorte wie Dublin oder Andere, wo die Leute halt zureisen aus aller Welt, die sind dann disconnected von ihrem normalen Umfeld und wir packen die hier in ein Dorf, wir kaufen ein paar Häuser und fast Straßenzüge auf und dann findet Sport, Essen, Hobby, Filme gucken, also ein ganzes Leben findet eigentlich mit dem Arbeitgeber statt. Und was das so für Vor- und Nachteile hat oder wen das anzieht, aber was mir so zwischen Gerade Mitte 20 und ich glaube Ende 30 auffällt ist, dass das die Generation ist, die sehr, sehr stark nach dem Sinn, nach der Passung sucht, die viel schneller in Frage stellt. Sag mal, meine Eltern sind 40 Jahre in einem System mitgelaufen. Also meine Eltern werden zum Beispiel auch, wenn sie in Rente gehen, außer bei der Ausbildung, ihr Leben bei einem Arbeitgeber verbracht haben. Und ich bin auch noch großgezogen worden mit erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Bastian Michael: Aber keine Lücken im Lebenslauf.

Marina Löwe: Keine Lücken im Lebenslauf und es muss stringent sein und je länger du irgendwo beschäftigt bist, desto besser. und geh doch zur Stadt in den höher gestellten Dienst, dann hast du was Sicheres. Junge, wie du wieder aussiehst, Löcher in der Hose. Das ist die Generation, die diese Eltern erlebt hat eigentlich mit sehr viel Commitment, mit sehr viel Loyalität, aber eben auch den Schmerzen, die man vielleicht gesehen hat in der Generation. Was hältst du danach aus? Was trägst du auch mit in den Firmen? wie viel Selbstentfaltung und wie viel Persönlichkeitsentwicklung findet da eigentlich statt, dass die noch viel krasser sucht nach Stimmigkeit. Also es muss für mich passen und wenn es nicht passt, dann laufe ich wirklich nur noch einen begrenzten Zeitraum mit. Dann hast du natürlich auch noch die berühmten Weltreise-Auszeiten, die Digital Nomads, die sagen, ich will überall zu Hause sein und mich connecten, aber dass sich, glaube ich, die Werteorientierung einfach so massiv innerhalb der Generationen verschiebt und du eine Mischung hast von Leuten, die noch dieses alte Weltbild im Kopf haben und die alte Haltung zur Arbeit bis hin zu den ganz Jungen. Mein Sohn ist ja jetzt 16, wo ich immer denke, oh Gott, oh Gott, oh Gott, wie arbeits- und lebensfähig wird diese Generation sein? Keiner muss so viel im Haushalt machen wie ich, wo ich immer denke, wenn du hier ausziehst, musst du lebensfähig sein. Das ist mein persönlicher Anspruch. Aber wie schlimm, dass deine Freunde das nicht sind anscheinend. Also wie kriegt man das miteinander verkoppelt? Und das wäre noch eine Frage in Bezug auf die Arbeit bei Systelius auch. Was erlebst du bei den Leuten, die zu euch kommen? Was ist das, was Leute am ehesten diesen Zufluchtsort suchen lässt, weil sie woanders was verloren haben, was sie da hoffen wiederzufinden?

Bastian Michael: Also ich finde, eine Hypothese, die man ganz aktuell bilden könnte, auch vor dem Hintergrund, wie du es gerade beschreibst, dass, glaube ich, viele in ihrer Arbeit erleben, dass sie vielleicht irgendwas von sich auch aufspalten müssen, weil sie irgendwelchen Zielen gerecht werden müssen, wo sie selbst vielleicht gar nicht so ein Konkurrenz erleben haben. Und das kann, glaube ich, über die Zeit relativ hohe Kosten verursachen in dem eigenen System. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Kompass-Thematik auch eine Rolle spielt, Wir haben ja viele, sehr viele bei uns, die aus dem Hochleistungsbereich kommen, also aus der Wirtschaft und auch aus dem Spitzensport und das ist schon eine Klientel, was hier viel vorzufinden ist. Was mich immer total beeindruckt ist, zu hören, dass wirklich ganz oft diese Rückmeldung kommt, so auch Leute, die schon mal woanders eine Klinikerfahrung hatten. dass hier echt für die was anderes geschieht. Und zu sehen, was mit den Leuten passiert, die dann, keine Ahnung, vier oder sechs Wochen hier sind. Und das sehe ich ja eher, wenn ich auch so in den Fluren unterwegs bin, wie die ankommen und wie die zum Teil dann wieder auch gehen. Also wo man sieht, da geht jemand durch echte Prozesse irgendwie durch, aber in vielen Fällen geht er auch wieder ganz anders oder nämlich die Menschen dann wieder so ganz anders waren auch. Und das finde ich total beeindruckend. Wenn man jetzt in Diagnosen denken würde, gibt es bei uns auch ein ganz breites Spektrum.

Marina Löwe: Also es geht gar nicht um die Diagnosen, wo du gerade so beschreibst, fällt mir auf. Sinn bedeutet ja gar nicht immer, ich rette die Menschheit oder wir arbeiten an einem Produkt, was den globalen Hunger sättigt. Sinn muss ja gar nicht immer so groß sein, sondern bei dir fällt auch immer wieder das Wort Konkurrenz. Also ich glaube eher diese Frage, kann ich den Dingen einen Sinn geben? Kann ich dem einen Sinn abgewinnen? Und Sinn kann ja auch sein, ich habe einen Job, der relativ repetitiv ist vielleicht, aber den ich mache, damit ich danach mich anderen Dingen widmen kann, was ja genauso legitim ist. Also nicht jeder will ja permanent sich weiterentwickeln. Das muss man auch immer im Hinterkopf behalten, dass das auch nicht alles für jeden funktioniert. Aber ich glaube, was mir immer wieder hängen bleibt, ist dann auch dieser Umgang miteinander.

Bastian Michael: Stimmt, das wird auch oft beschrieben. Und was mir gerade noch auffällt, wenn ich dir zuhöre und mir das Thema angucke, was wir jetzt hier die letzten Tage und jetzt vor allem hier auch im Podcast behandelt haben, war ja viel dieses Stimmigkeitserleben, weil du jetzt auch gerade nochmal so sagst, Kongruenz. Und ich glaube, das merkt man, dass das bei uns ganz groß geschrieben wird, sowohl im Umgang mit den Klienten, Weil da würden wir ja auch nie sagen, wir sind die Experten und sagen dir genau, was du tun musst und dann geht es dir so und so. Sondern es geht immer wieder um die Rückkopplung, auch das Stimmlichkeitserleben bei den Klienten abzuholen. Ja, wir sind die Experten und können bestimmte Angebote machen und Prozesse begleiten. Aber der Experte dafür, was gut oder nicht gut ist, diese Expertise, die liegt halt beim Klienten. Und das finde ich auch total wichtig, weil für mich persönlich war das auch immer so absurd, dass irgendein Mensch dem anderen erzählen wollte, was für den genau das Richtige ist. ist.

Marina Löwe: Der Therapeut verschreibt dir jetzt was und sagt dir, was du machen sollst.

Bastian Michael: Weil dann wird ja auch was ganz anderes angeregt, weil dann kommst du ja auch wieder in eine gewisse Form von Abhängigkeit und denkst, der andere macht das für dich.

Marina Löwe: Und bleibst eigentlich in dieser Hilflosigkeit.

Bastian Michael: Genau. Und wenn du das aber so co-kreativ machst und siehst, okay, der Therapeut, die Ärzte sind Experte für bestimmte Prozesse oder Angebote, aber was ich daraus mache und was ich mir daraus auswähle, das ist meine Expertise, dann wird man ja gleichzeitig auch wieder dieses Erleben, okay, ich habe da die Steuerungsmöglichkeit. Und das macht einen ganz großen Unterschied. Und auch, Was ich glaube, was für viele Menschen einen Unterschied hier macht, die hier andocken mit einer bestimmten Symptomatik, ist es ja auch so, das hatten wir ja vorhin, dass die Leute sich mit dieser Symptomatik oft identifizieren einfach. Aber wenn man auf einmal so drauf schaut, im Moment mal in dem Symptom, wenn man da anders drauf guckt, liegt ja eigentlich oft schon der Schlüssel drin zu einem bestimmten Bedürfnis oder so, was dahinter steht. Also das gar nicht mehr nur als Problem zu sehen, sondern als einen ersten Schritt, egal wie viel Leid, das habe ich ja vorhin auch schon gesagt, damit verknüpft ist, was auch zu würdigen ist und was auch eine krasse Leistung ist, was viele Menschen ja jahrelang in ihrem Beruf mitmachen oder sonst wo mitmachen und es immer weiter tragen. Das ist ja auch nicht nichts machen, das ist eine große Leistung. Aber dann zu gucken und sich die Symptomatik anzugucken und anzuschauen, okay, in welchen Kontexten tritt es auf, wo ist es aufgetreten und dass da eigentlich die Information zur Lösung drin liegt und mittransportiert wird, das macht auch nochmal einen Unterschied, dass man halt merkt so, nee, nicht mit mir ist irgendwas falsch, sondern wenn man sich den Kontext anguckt, macht das irgendwie Sinn, dass ich das irgendwann ausgebildet habe, was wir vorhin schon hatten, bestimmte möglicherweise nicht die beste Lösung, Möglichkeit gewesen, diesen Weg zu gehen, aber es wird nachvollziehbar. Und dann von da aus zu gehen, das hat auch viel mit dem Sinn zu tun.

Marina Löwe: Und bleibst du in einem krankmachenden System oder Kontext hängen, ist immer die Frage, wie viel kannst du an dir selber drehen und wo braucht es auch eine Veränderung am Kontext, aber dafür brauchst du erstmal wieder Kraft, um überhaupt was drehen zu können.

Bastian Michael: Und das Spannende ist, oft müssen die Veränderungen am Ende gar nicht so riesengroß sein, wie man denkt, weil man dann so Sorge hat, oh Gott, ich muss mein ganzes Leben umkrempeln. Und manchmal sind es kleinere Dinge, als man denkt.

Marina Löwe: Und Da nochmal kurz die Schleife zu Achtsamkeit zurück. Also für mich ist Achtsamkeit ja definitiv Haltung und Praxis. Also das eine ist, wie achtsam lausche ich zum Beispiel meinen inneren Kompass bis hin zu dann der Praxis. Wie mache ich das denn auch ganz praktisch? Also was braucht es, damit der Kompass überhaupt Raum hat? Und dass Achtsamkeit Aufmerksamkeitslenkung ist. Also dass du auch guckst, wo lenke ich meine Aufmerksamkeit hin? Wenn du so auf deine Lebensgeschichte guckst und auch das, wo du gesagt hast, ich habe eine Weile weggedrückt. Und gemerkt, irgendwann komme ich aus dem Wegdrückmodus auch gar nicht mal mehr wieder per Knopfdruck so schnell raus. Was ist für dich die Verbindung ganz persönlich nochmal zwischen Achtsamkeit, dem inneren Kompass, der Selbstwirksamkeit, was so die Schlüsselbegriffe waren?

Bastian Michael: Also wenn ich jetzt auf diese Zeit zurückschaue, die wir jetzt so ein bisschen hier mit Wegdrückzeit überschrieben haben, dann würde ich sagen, ist das eine Zeit, in der ich sehr wenig in so eine Metaperspektive zu mir selbst gegangen bin. bin. Also das Leben hat sich darum orientiert, Anforderungen gerecht zu werden und Dinge zu erfüllen. Und wir hatten auch vorhin irgendwann den Begriff Zwischenräume. Die gibt es dann halt nicht mehr, die es aber braucht, um zu sich selbst in so eine Metaperspektive zu kommen.

Marina Löwe: Du warst ja maximal durchoptimiert.

Bastian Michael: Selbst die Busfahrt.

Marina Löwe: Ich hoffe, du hast die Toilettenpausen nicht getaktet, so wie beim Tatortreiniger.

Bastian Michael: Was macht ihr beim Tatort rein hier?

Marina Löwe: Wir sind eine Beratungsfirma, wo die Stoppuhr mitläuft, wenn die Leute auf dem Klo sind, weil du hast ein gewisses Zeitgrinding am Tag für die Toiletten.

Bastian Michael: Okay, dann wäre der Weg zurück wahrscheinlich noch schwerer geworden. Und das ist eine Zeit, in der man ja quasi andere Dinge von außen wegdrückt, aber auch Dinge von innen wegdrückt. Also wenn sich irgendwas unstimmig anfühlt oder so, dann habe ich das auch weggedrückt, weil ich wusste, dafür ist jetzt kein Raum, wenn ich dieses Ziel, was ich mir da auch gesteckt habe, gerade auf die Art und Weise erreichen möchte. Und da würde ich auch sagen, das ist vielleicht nur der zweitbeste Weg gewesen, vielleicht gibt es einen besseren. Da war keine große Achtsamkeit mehr, weil diese innere Anbindung auch nicht mehr so stattgefunden hat. Für die eigenen Prozesse und diesen Begriff, der jetzt ja viel gefallen ist, dieses Konkurrenz- oder Resonanz-Erleben, das hat nicht mehr so eine große Rolle gespielt. Da ist, glaube ich, Achtsamkeit echt eine Möglichkeit, genau diese Dinge wieder zu kultivieren, weil wir ja eigentlich jetzt in der Rückschau beschrieben haben, da ist was wegkultiviert worden, was eigentlich schon mal da war und jetzt ist wieder was mehr hinkultiviert worden und da war Achtsamkeit ein Baustein von. Und ich glaube, es ist auch immer die Art und Weise, wie man damit umgeht. Also ich würde mich auch dafür hüten zu sagen, irgendein Weg ist der einzige richtige. Aber für mich. war das etwas, was ich wieder gebraucht habe und wollte. Und das Spannende ist für mich, ich mache zum Beispiel total wenig Achtsamkeitspraxis, dass ich mich jetzt jeden Morgen eine halbe Stunde oder zehn Minuten hinsetzen würde. Manchmal mache ich das, aber ich merke dadurch, dass ich diese Praxis wieder eine Zeit lang gelebt habe und überhaupt auch Aufmerksamkeit und Zeitressourcen auch wieder auf diese Ebene gebracht habe, merke ich, dass ich im Alltag wieder viel achtsamer bin. Also anderen gegenüber, aber auch mir gegenüber. Und dass ich das zum Beispiel gar nicht so praktiziere und brauche so für mich, dass ich mich dann da immer hinsetze und dann meditiere oder so. Das ist hilfreich und das ist für mich auch ein sinnvoller Weg und das habe ich auch teilweise gemacht. Aber zum Beispiel Ellen Langer in Harvard, die sagt immer, wo ich nicht mitgehen würde. Aber sie sagt immer, ihre ganzen Freunde hätten nicht so viel Zeit, sich da eine halbe Stunde hinzusetzen. Das braucht es auch gar nicht. Ich brauche einfach so eine Neugier und Offenheit für manche Dinge und es ist eine Haltungsfrage eher. Aber wie gesagt, meditieren. Meditation finde ich gut, aber ist jetzt nicht was, was ich jetzt ganz regelmäßig mache, sondern eher so zu merken, in ganz vielen kleinen Alltagssituationen wieder viel wachsamer zu sein und aufmerksamer zu sein und dass das einen riesen Unterschied macht, also nach außen und nach innen. Und ich glaube, wenn man das wieder mehr anlegt, dann ist das auch wieder was, was sich kultiviert über die Zeit und das ist für mich in meiner Wahrnehmung eine günstige Entwicklung.

Marina Löwe: Das passt ja auch, weil viele denken, oh Gott, oh Gott, jetzt muss ich eine ganze Praxis entwickeln und dieses jeden Tag eine Stunde sitzen. Wer hat denn da Zeit für? Witzigerweise hast du es ja gestern auch gemacht mit einer Produktivitätstag. Das heißt, machst du eine anderthalb Stunden Slot und dann hast du dich die fünf Minuten auf den Sitzsack gehauen und quasi nichts gemacht. Was ist das dann für dich?

Bastian Michael: Gibt es ja auch viele Studien zu, oder auch wenn man sich historische Ereignisse anschaut, wo jemand großartige Ideen gehabt hat, war das meistens nicht in dem Moment, wo die Person am Arbeitsplatz war oder im Lab und gepowert hat, sondern, keine Ahnung, unter der Dusche oder mitten in der Nacht kommen die großen Eingebungen. Und jetzt, wenn ich mich zurückerinnere, wie ich gestern auf diesem Sitzsack gelegen habe, da geht dann, glaube ich, einfach so ein anderer reichhaltiger, assoziativer Raum auf, wo sich so Dinge verknüpfen lassen. Also da liege ich dann einfach und steuere das nicht mehr so aktiv, sondern dann tauchen die Dinge eher so auf. Das ist gar nicht so leicht zu verbalisieren, glaube ich, dieser Prozess, aber in dem Moment, wo man sich diese Ruhe nimmt, fügt sich halt was zusammen und davor schaffe ich mir, glaube ich, dann wieder so eine Klarheit. Okay, was quasi für Prozessschritte dann notwendig sind, aber die tauchen dann eher auf und dann fühlt es sich auch organisch und stimmig an und dann kann ich mich auch wieder hinsetzen und weiterarbeiten. Ich glaube, das war es gestern so ein bisschen.

Marina Löwe: Also Hochleistung an und für sich ist ja was, was total gut ist und feiernswert, weil ohne jemanden, der vorläuft im Feld, hast du auch keinen, der das Feld überhaupt weiterzieht und sagt, so das ist das, was möglich ist, wo du sagst, mich hat inspiriert, dass jemand in der Studienstiftung war, ich konnte sehen, so kann Hochleistung aussehen. Und das hat dich überhaupt erst inspiriert. zu sagen, kann und will ich das auch. Trotzdem zu sagen, was braucht es neben Hochleistung, damit du eben nicht nur im Wegdrückmodus bist, weil du eventuell Sachen wegdrückst, wo du, im Idealfall nicht erst auf dem Sterbebett, aber irgendwann merkst, war krass. Ich meine, wer auf dem Sterbebett gefragt wurde, hat in der Regel nie gesagt, ich wünsche, ich hätte mehr gearbeitet, sondern es waren andere Dinge, die die Leute bedauert haben, rückblickend. Mit der Frage, die dein Kollege dir auch gestellt hat, wenn du zurückgucken würdest, was wären die Sachen, wo du nachher sagen würdest, das war stimmig, das war gut, da bin ich stolz drauf. Und Und diese Zeitfenster sich zu haben, und das kann je nach Taktung auch weniger sein als fünf Minuten, aber zu verstehen, dass wenn Sachen ihren Platz suchen müssen, also das ist glaube ich, du hast es so beschrieben, dass die Sachen auf ihren Platz gefallen sind in den fünf Minuten. Du hast das Notwendige getan und dann lässt du los. Und dann sortiert dein Gehirn, hat die Möglichkeit einmal über zum Beispiel den Nervus vagus Informationen vom Körper mit reinzunehmen, also eben auch Bauchgefühl zu integrieren, Intuition. Was ja gestern in dem Film so gut drankam, den ich gleich noch erwähnen werde. Und das ist eigentlich das, was nochmal Hochleistung qualitativ besser machen kann. Weil du eben nicht nur im Wissen konsumieren und reinpauken und reproduzieren musst, sondern da wirklich Kreativität, Neuschaffung, Gestaltung stattfinden kann.

Bastian Michael: Ich würde es sogar an einer Stelle noch radikaler formulieren. Ich würde sagen, Hochleistung an sich hat überhaupt keinen Wert. Überhaupt nicht. Weil es hat erst dann Wert, wenn es mit einem konkreten Wofür, was für einen Wert besitzt, verknüpft ist. Noch besser. Ja, weil bei Hochleistungen an sich, auch in bestimmten Bereichen, kann vielleicht Anerkennung von außen bringen. Aber das ist eine Anerkennung, die, glaube ich, auch für die eigenen Prozesse gar nicht zuträglich ist. Weil man sollte die Anerkennung auch aus den richtigen Gründen haben, weil dann wird auch was anderes in einem ausgebildet.

Marina Löwe: Ansonsten bist du Vorstand, aber hast dich eigentlich nie gefragt, wofür sitze ich eigentlich hier oben, außer für die Anerkennung von außen. Und wenn man mir den Vorstandstitel wegnimmt, wie viel bin ich dann noch wert?

Bastian Michael: Ja genau, es wird was anderes einfach angelegt. Und Hochleistung an sich hat, finde ich, einen sehr hohen Wert, wenn man klar hat, wofür man es macht. Und muss ja auch nicht jeder machen, also braucht es ja überhaupt nicht. Aber da ist das Wofür viel entscheidender als die Hochleistung an sich. Die Hochleistung ist dann eher ein Vehikel, um etwas Gestalt zu geben, wofür man unterwegs ist. So würde ich es beschreiben.

Marina Löwe: Dann hast du auch Leute und Freunde von außen, die sagen, sag mal, wann machst du das eigentlich alles? Das hast du ja auch gehört, das war bei mir ja auch oft so. Du hast ein Kind, du machst die Jobs, du hast die Projekte, dann liest du noch Bücher oder machst Fortbildungen. Wann machst du das eigentlich alles? Aber das Ähnliche wie du zu sagen, in dem Moment, wo das Wofür für mich klar ist, ist das so eine hohe intrinsische Motivation, dass du auch gar nicht über Arbeitsstunden per se reden musst, sondern Eher ist das für mich stimmig, passt das, mache ich das aus den richtigen Gründen und dann kann Hochleistung auf einmal auch einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Also das für sich zwischendurch zu überprüfen, bin ich im Autopiloten und mache einfach nur, weil das jetzt der nächste logische Schritt war, so wie London das für dich gewesen wäre oder weil mir das wofür klar ist. Auf den Film, den ich übrigens noch hinweisen wollte, weil der wirklich krass alle Themen zusammengefasst hat, die wir angerissen haben, der Film heißt Insight. Also I-N-N-S-A-E-I, das ist ein isländisches Wort und scheint zu stehen für Seeing from the inside out, wenn ich es richtig im Kopf habe.

Bastian Michael: Ja, unter anderem. Also ich glaube, das Spannende war, ich kriege es jetzt auch nicht mehr ganz zusammen, irgendwie innere Ozean oder so. Also es ging sowohl um den Blick nach innen als auch um den Blick nach außen.

Marina Löwe: Und dass du von innen nach außen guckst und nicht nur das Außen wahrnimmst, sondern immer diese Resonanz wahrnimmst.

Bastian Michael: in beide Richtungen hast. Und also die große Überschrift ist Intuition. Also welchen Wert hat Intuition? Und ist der vielleicht in so einem westlichen Kulturkreis ein bisschen in den Hintergrund getreten? Und was kann da drin stecken? Was ja auch zu dem passt, was du gerade gesagt hast. Auch so die Resonanz des Körpers als Feedback-Mechanismus bei Entscheidungen einzubeziehen oder halt nicht einzubeziehen.

Marina Löwe: Genau, und es werden alle Stationen abgeklappert, die Bastian so abgeklappert hat. Also ich habe ja auch die Berkeley-Coaching-Ausbildung gemacht und gemerkt, gerade Berkeley, Harvard, Stanford, die sind sehr orientiert inzwischen auch das MIT auf, ja eigentlich Sachen, die man früher so ein bisschen der ESO- oder Spiri-Szene zugeordnet hätte, weil es jetzt über Hirnforschung sehr greifbar geworden ist, weil es mit Leistung so nah verknüpft ist. Also was hat Achtsamkeit oder Wahrnehmung unserer Intuition eigentlich mit unserer Leistung zu tun? Wenn euch das interessiert, dann besorgt euch definitiv den Film. Sehr schön, dann sage ich dir ganz herzlichen Dank. Innerer Kompass verstehen statt einfach nur wissen und Dinge miteinander verknüpfen und unterschiedliche Räume offen halten im Leben. Das sind, glaube ich, so die Schlagwörter, die ich am Ende mit rausnehme. Und ich mag dir gerne das letzte Wort geben mit einem Präsent. Tipp oder einer Übung, weil du sagst, ich habe jetzt keine feste, reguläre Praxis, aber du hast ja auch aus dem Schauspiel oder Impro-Theater viel. Wenn du jemandem was Kleines mitgeben könntest, was er einfach im Alltag mal für sich machen kann, wo du sagst, das hilft mir zum Beispiel auch immer mal wieder mit meinem inneren Kompass einzuchecken. Was gibst du dir mit?

Bastian Michael: Ich kann nur teilen, vielleicht was mir einfach gut getan hat, gerade aus der Beobachtung heraus, dass ich, was wir jetzt als diese Wegdrückphase beschrieben haben, da auch nicht mehr so nah quasi an der eigenen Körperwahrnehmung gewesen bin, die zum Beispiel im Schauspiel extrem ausgeprägt war natürlich, weil es ein Instrument ist und wo ich immer dachte, das bleibt immer, das ist einfach Teil von mir und dann aber gemerkt habe, oh, wenn du die ganze Zeit nur am Schreibtisch sitzt und andere Sachen machst, dann tritt das auch komplett in den Hintergrund und da geht echt eine große Qualität verloren. Und deshalb, und Da klopfe ich mir tatsächlich dann so ein bisschen auf die Schulter. Bin ich da dann sehr geduldig geblieben und habe dann überlegt, okay, was braucht es da? Und habe dann zum Beispiel echt so ganz klassisch, das ist wahrscheinlich vielen hier der Zuhörer auch ein Begriff, Bodyscans gemacht. Einfach nur mal gelegen und so in den Körper reingehorcht und irgendwann wieder gemerkt, ah spannend, okay, es geht wieder bis in den Zeh hinein. Und je nachdem, wo du die Aufmerksamkeit hinlenkst, kannst du bestimmte Körpersensationen wahrnehmen.

Marina Löwe: Also vielleicht kannst du Bodyscan einmal schon kurz praktisch erklären, weil nicht eben ist es immer.

Bastian Michael: Für mich war es, so habe ich es für mich genutzt, einfach einen Weg, quasi den Körper wieder mehr wahrzunehmen und dadurch auch wieder Zugang zu dieser Informationsquelle zu bekommen, weil ich glaube schon, dass da eine Menge Intelligenz in unserem System abgespeichert ist, was wir oft nicht so zugänglich haben.

Marina Löwe: Also was machst du ganz konkret?

Bastian Michael: Ich lege mich hin, eigentlich sehr unspektakulär, und fange an, so ein bisschen mit meiner Aufmerksamkeit verschiedene Körperregionen von innen zu bereisen. Und keine Ahnung, ob das so klassisch ist, wahrscheinlich ist es sogar klassisch, fange ich meistens beim Fuß an, irgendwie beim linken Zehen.

Marina Löwe: Also John Cameron Fynn fängt bei den linken Zehen an, geht das linke Bein hoch.

Bastian Michael: Dann bin ich offensichtlich sehr konventionell unterwegs.

Marina Löwe: Beim Rechten wieder von den Zehen bis hoch zur Hüfte.

Bastian Michael: In jedem Moment vom Zehen geht er wohin?

Marina Löwe: Also du fühlst erstmal in deine linken Zehen rein, der macht das in den 45 Minuten Bodyscan, die ja klassisch aus dem MBSR kommen, wirklich mit Fußsohle wahrnehmen, Ferse wahrnehmen, die aufliegt, dann deine Fußoberfläche, dein Schienbein, die Wade, also wirklich jeden kleinen Körperteil abgehen, je nachdem, wie viel Zeit man sich gönnt. Kannst du natürlich auch im Turbotempo machen, aber einmal sich von unten nach oben wirklich durchzuscannen, Schultern, Nacken, wo ist Verspannung, auch da ohne Bewertung. Ja. Einfach nur wahrnehmen, fühlen, beobachten, meldet sich irgendwas.

Bastian Michael: Und das ist total spannend. Offensichtlich bin ich da eigentlich dann unterwegs, wandere auch so den Körper hoch und da fällt mir jetzt ein, weil du sagst, so Körperspannung wahrnehmen. Ich hatte überhaupt kein Bewusstsein davon, dass mein Kiefer in den Jahren sehr stark angespannt ist.

Marina Löwe: Hast du dich auch verbissen?

Bastian Michael: Ja, auf jeden Fall. Und dass ich dann erstmal wieder ein Bewusstsein dafür bekommen habe, wow, du kannst so in die Lösung gehen irgendwie, dass der Kiefer sich wieder richtig löst.

Marina Löwe: Und Also sobald du es wahrnimmst, kannst du auch wieder loslassen.

Bastian Michael: Genau. Und das ging aber auch nicht von heute auf morgen. Irgendwann habe ich erstmal wahrgenommen, wow, da ist ja ein bisschen Spannung drauf. Und dann irgendwie über die Zeit zu merken, wenn du da bewusst es irgendwie wahrnimmst, okay, es ist angespannt, dann kannst du es ein bisschen lösen. Und irgendwann merkst du auch, und da merke ich das jetzt so ein bisschen, das ist auch eine Überschrift für unseren Austausch hier, wie du auch das wieder kultivierst. Dass du dann das gar nicht mehr bewusst immer steuern musst, sondern dass es wieder von alleine locker wird.

Marina Löwe: Weil du häufiger so kurze Check-ins hast im Laufe des Tages und merkst, oh, die Schultern sind schon wieder an den Ohren.

Bastian Michael: Ja, das macht auch alles so viel Sinn. Also wenn wir bei diesem Wegdrücken sind, das braucht auch eine muskuläre Anspannung. Und Muskeln sind aber wieder mit ganz vielen anderen Aspekten bis zu Emotionen und so weiter und so fort irgendwie verkoppelt. Und da sich irgendwie auch wieder mit Wechselwirkungen auseinanderzusetzen und Auswirkungsbewusstsein zu entwickeln, ist, glaube ich, auf der individuellen und auch auf der gesellschaftlichen Ebene sehr zuträglich.

Marina Löwe: Also ihr merkt schon, ich könnte mit Bastian fünf Stunden voll quatschen und auch irgendwie wahrscheinlich sechs Folgen vom Podcast. Ich habe das sehr, sehr genossen, mit dir den Austausch zu haben. Ich hoffe, dass der ein oder andere beim Zuhören für sich auch so kleine Aha-Momente hat, weil das definitiv auch nochmal so den Prozess zusammenfasst, den wir über die letzten Tage hatten, quasi beim Wandelcoaching oder Wandercoaching, was so ein bisschen sich automatisch mit ergeben hat. Wenn ihr Fragen habt, dann meldet euch gerne. Und ansonsten schließe ich auch diesen Podcast wie immer ab mit der Aussage und dem Aufruf auf deinen Arbeitsalltag. Make it mindful. Vielen Dank.

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