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Patrick Pfeffer: Hallo und herzlich willkommen zu Digital Kompakt, Edition Health Tech. Mein Name ist Patrick Pfeffer und heute zu Gast bei mir Ilka Dekan, Head of Digital Transformation bei der AOK+. Herzlich willkommen, Ilka.
Ilka Dekan: Ja, ich freue mich riesig, hier zu sein.
Patrick Pfeffer: Ich mich auch. Eine ganz besondere Woche. Wir befinden uns immer noch mitten im zweiten Covid-Lockdown und führen das Gespräch natürlich von zu Hause aus. Und ich habe mich wirklich sehr auf unser Gespräch gefreut. Es gibt vieles, was wir heute miteinander besprechen wollen, wie zum Beispiel die Zukunft der Krankenkassen im Zeitalter der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Liebe Ilka, aber bevor wir dahin kommen, gib doch bitte nochmal den Zuhörern und Zuhörern die Gelegenheit, dich etwas besser kennenzulernen. Wer bist du? Wo kommst du her? Was hast du die letzten Jahre so gemacht?
Ilka Dekan: Gerne. Also ich bin Kadik Han, 40 Jahre alt und bin, wie man so schön sagt, ein AOK-Gewächs. Also ich bin schon seit über 20 Jahren dort und nichts verändert sich permanent als das Geschäft einer Krankenversicherung, auch wenn man das vielleicht nicht glaubt. Ich habe in den letzten Jahren die digitale Transformation der AOK Plus mit vorangetrieben. Und bin aber auch seit vier Jahren schon Finanzchefin, also quasi CFO für Finanzencontrolling, aber auch die Einführung für künstliche Intelligenz bei uns im Unternehmen verantwortlich. Und ja, der Weg dahin führte über die Unternehmensentwicklung, genauso auch wie über das strategische Kundenmanagement, wo wir uns dem Thema Kundenzentrierung schon sehr frühzeitig auch unserem Unternehmen gewidmet haben.
Patrick Pfeffer: Das Thema ist insbesondere, wenn man nicht aus dem Gesundheitswesen kommt, vielen noch gar nicht so bewusst, welche Rolle da Krankenkassen in dem ganzen System auch von innovativen Geschäftsmodellen dann tatsächlich spielen. Klingt jetzt erstmal für viele, naja, was haben denn Krankenkassen in diesem Bereich zu tun? tatsächlich zu tun und mit zu entscheiden, was da an Innovationen in den nächsten Jahren rauskommen soll. Aber ganz ehrlich, das ist für mich das Natürlichste der Welt, dass ihr dort einen Platz am Tisch habt, um mit zu entscheiden, welche Geschäftsmodelle, aber auch welche medizinischen Innovationen dann letzten Endes in die Versorgung kommen. Ja. Ich hatte gerade letzte Woche den Christian Weiß zu Gast von Heal Capital, wo ja sämtliche privaten Krankenkassen einen Investmentfonds in der Größenordnung 100 Millionen Euro gemeinsam stemmen, um in innovative Geschäftsmodelle zu investieren. Also von wegen, da gibt es keine Daseinsberechtigung am Tisch für Krankenkassen dort mitzureden. Dementsprechend bin ich ganz gespannt auf deine Einblicke, was ihr tagtäglich dort seht und auch wo die Reise dorthin geht.
Ilka Dekan: Also ein Platz am Tisch ist gut, denn wir sehen auch eine große Rolle da, die wir einnehmen können, die aber so ganz anders ist als vielleicht in der Vergangenheit. Wir haben uns vor fünf Jahren schon mal die Frage gestellt, brauchst du eigentlich in zehn Jahren noch eine Krankenversicherung wie die AOK Plus? Und spannend war an dem Tag, Als wir das gemacht hatten, wir hatten kein klares und eindeutiges Ja, denn wir haben schon gesehen, da gibt es ganz neue Technologien, wo es vielleicht jemanden wie eine Krankenversicherung im Sinne von, das ist der Financier oder der reine Bezahler, dann eben nicht mehr braucht. Insofern haben wir uns ganz frühzeitig damit beschäftigt, wo sind eigentlich unsere Stärken, welche Kompetenzen haben wir und wie sieht denn in Zukunft so eine moderne Gesundheitswelt aus? Und das ist schon was anderes als heute. Also ich glaube dran, man kann Gesundheit nochmal neu denken und wirklich einen ganzen Schritt weitergehen als das, was heute da ist.
Patrick Pfeffer: Das ist ein bisschen so für mich auch der Vergleich, wie wenn man jetzt in das elektrische Zeitalter der Mobilität einsteigt. Muss denn ein Auto unbedingt noch vier Räder und ein Lenkrad haben? Oder sollte man es vielleicht wirklich komplett neu denken? Und wir sind ganz schön beeinflusst durch das, was wir die letzten Jahrhunderte in diesem Bereich dann tatsächlich auch gemacht haben. Aber wie sehen denn Deiner Meinung nach diese unterschiedlichen Szenarien aus. Also wir haben so Schlagwörter wie AI, wir haben so Schlagwörter wie Blockchain, andere Technologien, die auch sicherlich in euren Zukunften eine Rolle spielen können. Lass uns doch mal dieses Was-wäre-wenn-Spiel spielen. In welche Richtung gingen da eure Gespräche?
Ilka Dekan: Wir haben dieses Was-wäre-wenn-Spiel mal ganz intensiv durchgeführt. Und ich frage mich immer, was wäre, wenn ich beispielsweise jeden Früh eine Information bekomme, wie heute mein Gesundheitslevel aussieht. Und ich würde vielleicht eine Information erhalten wie 85 Prozent. Denn wer, wenn man mal ehrlich ist, ist denn eigentlich schon den ganzen Tag gesund oder auch 100 Prozent krank? Also man hat vielleicht einen Schnupfen und dann ist man schon nicht mehr 100 Prozent gesund. Und das ist das Spannende daran. Was wäre, wenn ich dieses Gesundheitslevel kennen würde und wenn ich dieses Gesundheitslevel positiv beeinflussen könnte, wenn beispielsweise jetzt mal was Verrücktes meine Zahnbürste, meinen Speichel auswertet, ich meine Tracker-Daten, Vitaldaten in Echtzeit hätte und ganz konkrete Empfehlungen bekommen würde? Was ich denn tun muss, damit mein Gesundheitslevel steigt? Und das ist was ganz anderes als ein Gesundheitswesen oder eine Gesundheitswelt, wo es allein nicht darum geht, Krankheiten zu heilen, wenn sie auftreten. Da gibt es einen Begriff, der nennt sich Disease Interception und das bedeutet, Krankheiten erkennen, bevor sie auftreten. Und es wäre doch spannend, wenn wir das hinkriegen würden, so eine Gesundheitswelt mit allen Technologien, die es da gibt, also vorrangig AI, tatsächlich zu schaffen und so gesund zu bleiben, mal in einer ganz fernen Zukunft vielleicht.
Patrick Pfeffer: Da muss ich mal kurz reingehen, weil ich habe in meinem Freundeskreis regelmäßig die Diskussion, früher hat man sich ja dann noch in der Kneipe beim Bier getroffen, das macht man jetzt vor der Webcam inzwischen. Aber die Diskussion gibt es nach wie vor. Stichwort 23andMe. Willst du so einen Service in Anspruch nehmen und willst du es wissen? Und bei mir kommen dann die unterschiedlichsten Antworten wie, ja logisch, also ist doch total bescheuert, wenn ich diesen Zugang zum Wissen habe, es aber nicht nutze. Das andere Extrem ist dann aber, naja, ich möchte mich nicht Teil dieser digitalen Transformation werden lassen. Das ist ein robotisches Leben und so möchte ich einfach nicht leben, sozusagen ein ganzes Leben lang auf diesem Tag hinarbeiten. Oder hinleben, an dem es mit einer Wahrscheinlichkeit von X eintreten könnte. Wie siehst du das persönlich?
Ilka Dekan: Ich finde, jeder sollte halt die Entscheidung für sich selber treffen können. Wenn ich das vorgeschrieben bekomme, wenn beispielsweise dann meine DNA ausgewertet wird und frei verfügbar ist, was ich so habe, was ich mal bekommen werde und wie mein Gesundheitszustand ist. Das sollte jeder selber entscheiden einfach, ob er das denn möchte und ob er das wissen möchte. Ich verstehe auch die, die es nicht wissen möchte. Wenn du aber in deinem Gesundheitsumfeld oder in deinem Familienumfeld Menschen hast, die eben schwer erkranken und vielleicht auch eine Prognose hast, selber da gefährdet zu sein, dann überlegt man natürlich schon Schritte. Was kann ich heute tun? Und es gibt Firmen, die sich da wirklich intensiv mit beschäftigen. Wie kann ich so meinen Bio-Status an meinem Optimum halten? Das sind schon spannende Sachen für mich persönlich. Ich würde Also ich gehöre zu der Fraktion, ich würde es wissen wollen und nutzen, denn ich habe ja nur das eine Leben und möchte halt meine Kinder am Ende ja auch aufwachsen sehen und so lange wie es geht meinen Bio-Status so hoch halten, dass ich deren Hochzeit miterlebe, vielleicht Enkelkinder und so weiter.
Patrick Pfeffer: Wir haben uns gerade dem Thema Zukunft genähert und das erste Beispiel, was du angeführt hast, ist aber eigentlich jetzt schon da. Es gibt diverse digitale Spielereien, sicherlich auch durch Wearables unterstützt, wo man teilweise evidenzbasierte, teilweise aber auch nicht evidenzbasierte Unterstützungen unterstützt. für den Lebensalltag, für Lifestyle, Wellness, Wellbeing bekommt, bis hin zu sogar medizinisch zertifizierten Algorithmen, die dir sagen, wie jetzt dein Status beim Vorhofflimmern ist und ob es irgendeine Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall gibt. Also da sind wir ja eigentlich jetzt schon, aber trotzdem vieles von dem ist eher sehr lifestylig. Wie seht ihr das denn und wie lässt sich das denn jetzt beziehungsweise in der nächsten Zeit auch in die Denke von einer Krankenkasse integrieren?
Ilka Dekan: Also wir glauben daran, dass wir eine Vernetzung erreichen müssen von all diesen Dingen. Heute sind es alles Standalone-Lösungen, also gute Lösungen zum Teil, die schon gut funktionieren. Das Thema Vorhofflimmern zum Beispiel. Schön wäre es doch aber, wenn jemand an unserer Seite von sich selber einen Gesundheitscoach hätte oder einen Coach hätte, den ich fragen kann, der mir Empfehlungen gibt, wo ich selber entscheiden kann, was ich dann tue. Der aber genau mich als Person wahrnimmt, mich individuell und wo alle diese Wearables und diese Technologien miteinander vernetzt sind. Also der mir ganz konkret an meiner Seite zur Verfügung steht. Und tatsächlich Dateninformationen miteinander kombiniert werden und ausgewertet werden, anstatt halt diese Einzellösungen. Also das Thema Vernetzung ist ein unheimlich wichtiges. Wenn man heute sieht, dass Faxe immer noch so intensiv genutzt werden, gerade in der Corona-Krise ja gesehen, dann frage ich mich, in der heutigen Welt muss das denn sein oder geht das nicht einfacher, besser und vernetzter miteinander?
Patrick Pfeffer: Wie ist denn das beim Thema Vertrauen der Bevölkerung in Krankenkassen? Ich würde jetzt mal vermuten, durchweg positiv, wenngleich es ja von früher immer diese Horrorszenarien und Annahmen gab. Je mehr ich an Daten teile, desto mehr geht es dann auch in diese Richtung, dass Vergütungsmodelle von Krankenkassen möglicherweise sind, dass wenn ich mich jetzt nicht entsprechend eines guten Lebensstils verhalte, dass ich dann entsprechend zur Kasse gebeten werde. Wie sieht es da mit dem Thema Vertrauen aus? zur Weitergabe von Daten an Krankenkassen in der Bevölkerung aus? Hast du da irgendwie einen Einblick und Statistiken dazu?
Ilka Dekan: Also das Vertrauen bei uns jetzt in der AOK Plus ist sehr hoch und das ist auch ein sehr sensibles und ein sehr wichtiges Thema für unsere Kunden natürlich. Wir achten da sehr drauf, dass die Daten geschützt sind und wir glauben daran, dass Daten schon in der Zukunft ein wichtiges Gut sein könnten. Also wir wollen natürlich Kunden in dem Sinne unterstützen und aus den Daten wertvolle Informationen machen. trotzdem aber der Mensch selber entscheiden. Also welche Daten gibt er wem preis? Denn es sind ja seine Informationen. Und ich habe mich letztens mit einem Entwickler von uns unterhalten, der auch zu mir sagte, naja, für ihn ist das auch ein sehr wichtiges Thema, weil wenn dann quasi angenommen er mal eine Krebserkrankung hätte und dann seine Kinder noch vielleicht in einer Versicherung dann davon Abschläge bekommen, mal in der Zukunft, weil dann das Risiko höher ist, das würde er auch vermeiden wollen. Also insofern ist es ein unheimlich wichtiges Thema, wenn wir so über Zukunft sprechen. Also Es gibt ja nicht diese eine Zukunft. Es gibt wahrscheinliche Zukunfte und es gibt ja die mögliche Zukunft. Aber es gibt vor allem diese Wünschenswerte, also diese Zukunft, die wir uns als Unternehmen für unsere Kunden auch wünschen. Und die Frage ist, wie kommt man dahin? Und dort ist es so, dass wir glauben, dass die Daten dem Menschen gehören. dass wenn er sie ist bereit zu teilen im Sinne von so einer Art Gesundheitscoach, dass wir dann ganz konkrete Angebote machen können, wie er halt gesünder bleiben kann. Also bis hin zu seinem maximal möglichen Gesundheitslevel. Wenn du heute jung, sportlich, attraktiv bist, dann willst du einfach gesund bleiben. Wenn du aber vielleicht schon Diabetes hast, was ist denn dort das maximal mögliche Gesundheitslevel auf dem Stand? Und das ist die Zukunft, die wir gerade versuchen aufzubauen.
Patrick Pfeffer: Warum ich das gerade gefragt hatte, war auch gar nicht mal primär jetzt, um auf das Thema Datenschutz in der Tiefe einzusteigen, sondern ich frage mich gerade, warum nicht aus Krankenkassen heraus viel mehr in Richtung Ausgründung oder Innovationsmanagement geschieht. Sprich, warum betreiben Krankenkassen nicht ihren eigenen Accelerator, um Ich sage mal, neue Geschäftsmodelle in die Gesundheitsversorgung reinzubringen. Warum muss das zwingend extern erfolgen? Weißt du, warum ich das frage? Ich habe früher für die Industrie gearbeitet und die Industrie ist auch aktuell bestrebt, über Accelerator und Corporate Venture Capital und Co. wirklich außerhalb der Organisation Innovation entstehen zu lassen. Innerhalb ist nochmal ein anderes Thema. Das ist recht schwierig. Aber außerhalb ist das möglich. Wieso machen das Krankenkassen nicht?
Ilka Dekan: Also erstmal vorab, es gibt so einen schönen Spruch und da ist wirklich eine fünfte Wahrheit dran. Die größte Todesursache in zehn Jahren ist der Datenschutz. Von daher, da steckt schon wirklich ein interessanter Punkt drin. Und warum wir das nicht machen, ist, weil es heute nur ein Stück zu unserer Aufgabe zählt. Also wir haben halt den Auftrag gar nicht und machen aber trotzdem einige Sachen. beispielsweise sind wir seit drei Jahren Health-Partner vom SpinLab in Leipzig, was ein Accelerator ist, und arbeiten dort ganz konkret immer jedes halbe Jahr mit den Gesundheitsklassen dort zusammen und bringen auch zwei Startups mit auf den Weg, um am Markt ihre DIGA oder auch manchmal sind es ganz andere Produkte, wirklich mit unseren Kunden zu testen und dann ein echtes Geschäft draus zu machen. Also das ist uns ein wichtiges Thema. Wir gehen nur den Weg ein Stück anders. Also wir unterstützen den Accelerator und versuchen dort halt unsere Kompetenzen und Expertisen einzubringen.
Patrick Pfeffer: Jetzt bist du bei der vorherigen Antwort schon fast darauf eingegangen. Wie sieht denn dieses Zielbild oder dieses Wunschbild aus eurer Sicht denn aus einer möglichen Zukunft?
Ilka Dekan: Unsere wünschenswerte Zukunft sieht so aus, dass wir eigentlich das Krankenkassengeschäft von heute, zumindest das, was wirklich automatisierbar ist, auch automatisiert haben. Also einen Antrag zu prüfen, das kann in der Perspektive wirklich neue Technologien wie künstliche Intelligenz machen. Was wir glauben ist, der Wert liegt darin, dass wir wirklich an der Seite des Menschen stehen und zwar individuell. Also das heißt eben nicht, Frauen wie ich, zwei Kinder, 40, würden immer das Buch kaufen. ich überspitze es jetzt mal, sondern ganz konkret, was ist jetzt in meinem Fall der nächstbeste Schritt, um halt gesund zu bleiben und so weiter. Wir glauben dran, dass es wirklich eher dahin geht, so einen Gesundheitsassistent an der Seite zu haben. Es könnte auch sich dahin entwickeln, dass Menschen, wenn sie eben nicht ihre Daten teilen wollen. Also auch die Option muss man ja denken, dass es dann eben ganz moderne vielleicht Gesundheitszentren gibt, wo ich dann hingehen kann und wo ich dann eben checken kann, wie gesund ich eigentlich bin. Aber halt nicht allein ich immer nur, wenn ich erst krank geworden bin, sondern viel früher angesetzt. Wir glauben, dass es viel mehr Gesundheitskompetenz braucht. Das ist ab und zu ein Thema auch in der Schule bei den Kindern, aber kein Vorrangthema, weil wenn ich nämlich diese Gesundheitskompetenz aufgebaut habe, kann ich auch viel mehr mich selber reflektieren, unterstützt durch neue Technologien. Und wir glauben auch daran, dass Gesundheit ein Bestandteil einfach im Leben wird und dass neue Technologien uns intensiv dabei unterstützen.
Patrick Pfeffer: Stichwort Real World Evidence. Viele reden davon. Wir haben auch schon vorhin im Gespräch darüber gesprochen, Verfügbarkeit von Daten und auch wirklich ein integrativer Blick auf diese Daten aus unterschiedlichsten Quellen. Ist zum Beispiel eine Route für eine mögliche Zukunft? Wo stehen wir denn heute jetzt bei dem Thema Gesundheitsdaten? Sind wir da auf einem guten Weg und hat sich in den letzten Jahren einiges beschleunigt? Oder ist das für dich alles immer noch eine riesen Insellandschaft und eine Integration? Dieser unterschiedlichen Datenquellen ist für uns noch in weiter Ferne.
Ilka Dekan: Es gibt ja schon Gesetzesentwürfe und auch ein Gesetz, was durchgegangen ist, was das Thema beschleunigt, also dass man seine Daten spenden kann beispielsweise und damit was Gutes tun kann. Bart De Witt hat jetzt eine Initiative gemacht. Also Gründer von Hippo.ai auf den Weg gebracht zum Thema Brustkrebs, wo eben wirklich Daten, so viel wie es geht, in dem Bereich gespendet werden. Weil wenn ich jetzt mal künstliche Intelligenz nehme, wir lernen ja der künstlichen Intelligenz, wie sie bestimmte Dinge einwerten soll und was sie dann daraus machen soll. Das heißt, umso mehr Daten zur Verfügung stehen, die auch ordentlich bewertet sind und valide sind, umso bessere Ergebnisse kann ich hinten rausbringen. Beispiel ganz konkret, wenn ich 1000 Daten habe oder 100.000 oder eine Million oder eine Milliarde Daten, Bei einer Milliarde Daten ist es vielleicht dann sogar so, dass Brustkrebs einfach acht Monate oder zehn Monate eher erkannt werden kann und dann nur noch minimale Eingriffe notwendig sind. Und das ist genau der Weg, den ich meine. Also du kannst es schaffen, gesünder zu bleiben, dein Gesundheitslevel höher zu erreichen. Und das ist das Spannende, wenn wir bereit sind, unsere Daten dort mit einzubringen, meinetwegen auch anonymisiert oder pseudonymisiert, dann denke ich, dass wenn wir das schaffen würden, einen echten Schritt nach vorn machen.
Patrick Pfeffer: Ich habe für mich so ein Zielbild einer möglichen Zukunft. Ich nenne es jetzt mal die Demokratisierung der Gesundheitsdaten. Wir haben Technologien wie Blockchain und Co. Auf der Blockchain befinden sich unsere Gesundheitsdaten, die ich schon sehr früh angefangen habe zu sammeln und ich bin sozusagen Herrscher über meine Daten und entscheide, welche Daten ich auch mit wem teile. Das kann ich zu Forschungszwecken tun. Das kann ich vielleicht sogar in anonymisierter Form zu kommerziellen Zwecken tun. Aber ich kann sozusagen abschnittsweise und auch indikationsweise entscheiden, das gebe ich denen zur Verfügung, das gebe ich denen zur Verfügung. Ist das eine mögliche Zukunft, die du mit mir teilst?
Ilka Dekan: Absolut. Also genau das ist ein Weg, den wir uns vorstellen können. Derjenige, die Person entscheidet, was damit passiert. Das sind ja die eigenen Daten, können halt genutzt werden, wenn die freigegeben werden, damit tatsächlich Krankheiten viel früher erkannt werden können. Und das ist ein spannendes Modell, genau.
Patrick Pfeffer: In dem Fall wird es aber auch sicherlich spannend. Es gibt immer für neue Technologien tausende von Strömungen. Und dieses mögliche Zielbild ist jetzt nicht unbedingt die kommerziellste Variante aller Zielbilder. Und da ist dann natürlich die Frage, wie man überhaupt zu so einem Zielbild gelangen könnte, wo man doch weiß, wie viele Player im Markt tatsächlich für die Patientenakte der Zukunft werben. Und sobald wir dann wieder unterschiedliche Anbieter für unterschiedliche Teilprobleme haben, haben wir wieder Insellösungen, haben wir wieder kein integriertes Bild und sind eigentlich wieder da, wo wir heute sind. Also was meinst du, wie kommen wir aus diesem Dilemma raus?
Ilka Dekan: Wir müssen uns wirklich einfach vernetzen. Unser Gesundheitsminister Jens Spahn ist sehr rührig im Bereich Digitalisierung, bringt eine Initiative voran. Und zwingt ja jetzt auch quasi die Kassen zu einer digitalen Patientenakte, zwingt die Kassen zum E-Rezept und natürlich nicht nur die Kassen, sondern eben auch die Krankenhäuser, die Ärzte, da wirklich reinzugehen. Und wir müssen einfach wirklich jetzt alles stakeholder zusammenbringen, die Ärzteschaft genauso wie die Apotheken, dass wir daran an dieser Zukunft arbeiten, dass das funktionieren kann. Aber wenn man immer nur das große Zielbild hat vor Augen, dann schafft man manchmal diese große Lösung nicht. Also bin ich ein Freund davon, klein anzufangen, manchmal einfach auszuprobieren und zu machen, statt einfach nur zu reden. Deswegen finde ich gut, dass wir jetzt eine EPA haben und diese Schritte gehen. Ich glaube halt wirklich, wir müssen auch mal ausprobieren und nicht immer nur von dem großen ganzen Bild träumen, weil dann schaffen wir das nicht. Wir haben halt schon sehr starke Strukturen, es gibt so ein tolles Bild vom Gesundheitssystem, da sucht man ganz links am Rand mal so einen Kunden, um den es ja eigentlich geht und wir müssen alle miteinander vernetzen, damit wir das halt schaffen können.
Patrick Pfeffer: Sehe ich genauso wie du. In diesem Sinne, ein Zitat von dir, das ich mal aufgeschnappt habe, war, vergesst Digitalisierung, schafft Sinn. Ilka, was meinst du damit?
Ilka Dekan: Ja, das ist mal eine kleine Provokation an alle Digitalisierungsstrategen. Was ich damit meine ist, jedes Unternehmen muss sich doch bewusst machen, warum es eigentlich da ist, welchen Wert es auch schafft. Und ich möchte, dass bei unserem Unternehmen unsere Mitarbeiter aufstehen und genau wissen, warum sie jeden Tag auf Arbeit kommen. Unser Sinn ist es, ein maximal mögliches Gesundheitslevel zu erreichen für unsere Kunden. Unser Sinn ist es nicht, eine neue Technologie einzuführen, sondern wir haben ein größeres Ziel und die Digitalisierung unterstützt das. Die neuen Technologien tragen dazu bei. Wir hatten mal ein Projekt gemacht, da haben wir eben einfach neue Technologien ausprobieren wollen. Aber mach das mal ohne Use Case. Also wenn du eine neue Technologie hast und dann anfängst, Use Cases zu suchen, damit du das ausprobieren kannst, dann ist irgendwas, ja Ein Stück verkehrt. Also wir haben so viele Probleme, die es zu lösen gibt. Starten wir doch damit, Sinn zu stiften und das mit der Digitalisierung zu verbinden und diese dafür zu nutzen.
Patrick Pfeffer: Ein charmantes Bild, eine charmante Erklärung. Der Nutzer oder der Patient oder die Patientin im Fokus. Digital oder IT ist eine Unterstützungsfunktion von etwas Sinnstiftendem. Eine andere Variante und das jetzt vielleicht mal als kleine Provokation, als Antwort zu deinem Spruch zu bringen ist, Wir, die Menschheit, pilotieren nicht Digitalisierung, sondern umgekehrt. Das Digitale pilotiert die Menschheit. Was sagst du dazu?
Ilka Dekan: dann festgestellt, das ist totaler Schwachsinn. Also deswegen haben die dann eine eigene Sprache erfunden. Das Projekt wurde dann noch beendet, weil die halt gesagt haben, also wenn der Mensch sagt, das ist aber toll und der andere sagt, na, das ist aber toll und das meint was Unterschiedliches, das ist halt nicht 0 und 1. Also ich glaube, so weit sind wir bei Weitem noch nicht, was das Thema auch neue Technologien angeht. Und ich glaube, auch der Wert der Digitalisierung oder der neuen Technologien Liegt ja darin, dass wir am Ende menschlicher werden, weil vielleicht eben die ungeliebten Aufgaben durch Technologien erledigt werden und wir entlastet werden und uns dann mehr um menschliche Interaktion kümmern können. Also meine große Vision.
Patrick Pfeffer: Meine auch und ich sage mal auch kreative Themen und nicht so repetitive Themen, die wir nämlich langweilig finden.
Ilka Dekan: Genau. Also es gibt so einen AI-Spezialisten, ein Gutberg, der hat mal gesagt, AI will not kill jobs, it will kill tasks. Also quasi es werden Aufgaben verschwinden, aber nicht Jobs, denn Jobs werden ja auch neue hinzukommen. Also zum Beispiel so einer künstlichen Intelligenz Emotionen beizubringen oder ein gutes Kundengespräch vielleicht zu führen. Und das ist ja das Spannende. Vielleicht werden wir alle ein Stück glücklicher, ein Stück mehr entlastet.
Patrick Pfeffer: Für unser nächstes Gespräch werde ich dann noch die eine oder andere Publikation lesen. Es gibt nämlich tatsächlich Arbeiten im Bereich der KI, die Humor, Ironie und Zynik mit AI erforscht haben. Habe ich jetzt leider keine Ergebnisse, aber das interessiert mich brennend. Vielleicht passt das dann für unser zweites Gespräch, wie der Algorithmus dann wirklich bei Zynik reagiert hat, ob man das dann unterscheiden konnte oder nicht. Du weißt ja, dass ich beruflich auch ein bisschen mit dem Thema Crowdfunding zu tun habe. Wir hatten uns da auch schon mal drüber unterhalten. Es gibt insbesondere in den USA und wir wissen, wie es dort um das Gesundheitssystem und auch Vorhandensein von Krankenkassen oder Versicherungsstatus ja, nein steht. Dort gibt es ein paar Artikel, die schreiben, ist Crowdfunding sozusagen die Zukunft der Krankenkasse in den USA. Warum? Eben aufgrund mangelnden Versicherungsstatus hast du in den USA oftmals nur den Weg, über solche Portale zu gehen und zu sagen, ich habe hier einen Kapitalbedarf von 30.000 Euro für meine nächste Behandlung und gehst dann diesen Spendensammlerweg über Crowdfunding. Etwas, was aus heutiger Sicht undenkbar für Europa oder auch undenkbar für Deutschland klingt. Aber wie wirkt diese Entwicklung in den USA auf dich? Was hältst du davon? Und zweitens, siehst du das auch in der Zukunft für andere Regionen der Welt als Modell?
Ilka Dekan: Also das klingt interessant, weil es was Neues ist. Und ich finde es aber trotzdem so traurig, dass du Spenden sammeln musst, damit du halt eine Behandlung bekommst. Also das ist halt wirklich, wie du sagst, in Deutschland oder sogar in Europa auch gar nicht vorstellbar. Ich habe mich auch letztens mit einer Australierin mal unterhalten, die sagte, das, was wir in Deutschland haben, ist Luxus im Gesundheitswesen. Die hat ein Beispiel gebracht, zwei Finger abgesägt und du musst dich dann entscheiden, welchen willst du behalten, weil du hast nur Geld für einen wieder annähen. Und das ist ja echt gruselig. Auf der anderen Seite finde ich es spannend, wenn jemand solche neuen Wege geht und das ausprobiert. Deutsche sind eher sicherheitsliebend, also die möchten die Sicherheit haben, wenn sie eine Versicherung haben, dass sie dann, wenn sie halt einen Leistungsfall haben, auch eine Unterstützung erhalten. Deswegen, ich finde es auf der einen Seite ist es ein total spannendes Thema, für mich aber echt schwierig zu übertragen, auch wissenschaftlich. nach Europa oder eben auch nach Deutschland. Wobei Walmart hat in den USA vier neue Gesundheitszentren und zwar sehr zukunftsorientiert gebaut. Also Walmart, vergleichbar bei uns mit Real Kaufland oder sowas. Und vielleicht haben die ja dann in Amerika auch Erfolg damit, mit solchen Modellen. Gerade für die ärmeren Bevölkerungsschichten, die sich halt heute vielleicht dann auch trotz zwei Jobs eine Gesundheitsvorsorge nicht leisten können.
Patrick Pfeffer: Ich sage mal jetzt insbesondere in Zeiten der US-Präsidentschaftswahl, wo man sich nochmal etwas mehr in das amerikanische System einliest, war es für mich doch ein Stück weit nachvollziehbar. Wir Europäer oder insbesondere wir Deutschen haben doch, ich sage mal, in vielen Bereichen ein gewisses Vertrauensverhältnis zum Staat. Und sehen es auch nicht gleich als eine sozialistische Bewegung an, wenn der Staat hier und dort eingreift. In den USA ist das, glaube ich, ohne da jemandem Unrecht tun zu wollen, glaube ich zumindest, komplett anders, dass du bei dem kleinsten Eingreifen des Staates bei vielen schon die Alarm Glocken angehen, so unter dem Motto, wir bewegen uns ganz stark hier auf Sozialismus zu. Und dieses Crowdfunding-Thema ist für mich gerade so eine Art Umverteilung, gar nicht mal als Spende zu sehen, aber eine Umverteilung aus Volk, ohne dass der Staat dabei involviert ist. Und zu Amerika passt das, aber eben zu Europa gar nicht.
Ilka Dekan: Spannend ist auch dass die Menschen, die dann spenden, also nicht nur die, die eine Spende ja in Anspruch nehmen oder die da auf der Suche sind nach jemandem, aber spannend ist das ja, das Thema Zusammenhalt, gemeinsam Dinge angehen, also dass das dann dort im Vordergrund steht, also ich finde es wirklich einen spannenden Punkt. Mich würde wirklich interessieren, gerade die, die spenden, was deren Beweggründe sind. Also ein spannendes Thema, lohnt sich wirklich mal einen Blick.
Patrick Pfeffer: Liebe Ilka, zum Abschluss unseres Gesprächs. Wir haben uns über Zukunft unterhalten, sogar über Zukunfte, also Plural. Inwieweit ist denn aktuell überhaupt die Zeit für Zukunft oder Zukunfte? Stichwort Corona. Inwieweit gibt es denn überhaupt momentan für euch die Möglichkeit, sich um solche zukunftsträchtigen Themen zu kümmern?
Ilka Dekan: Also ich sage, wenn nicht jetzt, wann dann? Natürlich haben wir ganz andere Probleme als vielleicht, bevor wir so eine Corona-Krise überhaupt hatten. Und auf der anderen Seite entstehen unheimliche Chancen. Also das Thema Nutzung von Telemedizin. Also jeder Zweite in Deutschland ist mittlerweile bereit, auch mal eine telemedizinische Sprechstunde zu nutzen. Auch Ärzte sind viel bereiter dazu. Also wenn du quasi musst, um deine Existenz auch zu sichern, nutzen die Menschen auf einmal. Und deswegen sage ich, wenn nicht, Jetzt, wann dann? Natürlich haben wir Aufgaben zu lösen. Wir müssen auch im Hier und Heute dafür sorgen, dass die Versorgung gesichert ist, dass die Menschen gesund bleiben können oder eben, wenn sie jetzt erkranken, dass denen auch geholfen wird. Und dass wir nicht so Situationen wie in anderen Ländern, wie in Italien oder sowas erleben. Aber auf der anderen Seite gilt, entsteht jetzt die Chance, die Digitalisierung voranzutreiben, die neuen Technologien auszuprobieren. Denn die Menschen sagen, ja, wenn es mir halt hilft und wenn der Weg auch in Ordnung ist. Und die sind einfach viel bereiter, das wirklich zu nutzen und auszuprobieren. Also los geht's und weiter geht's. Und Projekte kann man genauso remote auch erledigen wie heute so ein Podcast.
Patrick Pfeffer: Ihr Lieben, habt ihr zugehört? Los geht's ist die Ansage von Ilka Dekan, Head of Digital Transformation bei der AOK+. Liebe Ilka, vielen, vielen Dank für das Gespräch.
Ilka Dekan: Ich danke dir vielmals. Danke, Patrick.