Big Picture zur Energiewende mit dena-Chef Andreas Kuhlmann

20. Juni 2019, mit David Wortmann

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

David Wortmann: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Cleantech Podcast. Heute habe ich mal wieder einen spannenden Gast, das ist Andreas Kuhlmann. Hallo Andreas.

Andreas Kuhlmann: Ja, hi, hallo. Schön, dass du da bist.

David Wortmann: Wer ist denn der Mensch Andreas Kuhlmann? Also ich habe, wir kennen uns ja auch schon natürlich ein paar Jährchen, aber vielleicht für die Zuhörer und einiges war für mich auch nochmal interessant, dass du ja eigentlich aus der Politik auch kommst. Jetzt zwar sozusagen in dieser Zwischenstellung bist, aber aus der Politik kommst. Vielleicht kannst du mal ganz kurz deinen Werdegang mal skizzieren. und was treibt dich an, was motiviert dich auch an diesem riesengroßen Projekt Energiewende mitzumachen?

Andreas Kuhlmann: Eigentlich bin ich ein Junge aus dem Ruhrgebiet und wenn man aus dem Ruhrgebiet kommt, dann hat man Kohle unter den Fingernägeln gehabt. So war das damals. Mein Vater hatte dann so einen kleinen Krauterbetrieb als Elektromeister und ich durfte dann später Physik studieren, weil mich das schon immer sehr interessiert hat, die ganze Debatte rund um die Kernenergie damals. Mir war immer so ein bisschen suspekt, dass alle irgendwie dagegen waren, aber keiner hat es so richtig verstanden. Und ich wollte da ein bisschen mehr zu wissen, habe deswegen Physik studiert, Nebenfach Volkswirtschaft. Und so kam ich dann letztendlich auch immer enger an diese Themen heran. Energie und Versorgung, wie passt das eigentlich? Und dann, ja, wie das Leben immer so ist, erst war ich ein bisschen an der Uni, dann bin ich im Europaparlament gelandet, erst noch in anderen Themenbereichen gelandet. Bei der Sozialpolitik ganz witzigerweise. Dann erst Umweltpolitik, dann ein bisschen Sozialpolitik. Dann bin ich im Rahmen des SPD-Wahlkampfes damals in die Politik noch näher hineingeschwommen.

David Wortmann: Die berühmte Kamper von 1998.

Andreas Kuhlmann: Ja, genau. Lange ist es her, aber hat Spaß gemacht damals.

David Wortmann: Und da war ja Müntefering damals Generalsekretär gewesen und Leiter der Kamper.

Andreas Kuhlmann: Richtig.

David Wortmann: Und du warst in seinem Büro gewesen.

Andreas Kuhlmann: Nein, damals war ich noch War kein großes Rad in der Kampa. Ich war da auch, um ein bisschen den danach anstehenden Europawahlkampf mit ins Blickfeld zu nehmen. Aber für mich war das alles ganz aufregend, weil ich eigentlich nicht so eine Juso-Karriere hinter mir habe, sondern ich bin wirklich damals zur SPD gekommen, weil mir die Auseinandersetzung über ein ökologisches Wirtschaftssystem einfach sehr spannend vorkam. Da wollte ich mich irgendwie einbringen. Aber ja, so war das damals.

David Wortmann: Aber es hat dich ja dahin gebracht, dass du jetzt voll professionell dich mit dem Thema Energiewende auch beschäftigst. Aber du hattest ja dann noch einen Übergang gehabt. beim BDEW, das ist der Deutsche Verband der Deutschen Industrie- und Wasserwirtschaft.

Andreas Kuhlmann: war ich zuständig für Politik und Strategie. Und was mir da sehr gut gefallen hat, war natürlich die permanente Auseinandersetzung mit den Akteuren der Energiewirtschaft, auch der Netzbetreiber und all diese Dinge. Und das war eine Zeit, 2010 bis 2015, bei der dieser ganze Umbruch massiv losging und man konnte richtig spüren, wie die Unternehmen in Veränderung waren. Und wir haben das, glaube ich, damals zusammen mit der Hildegard Müller, die ja die Chefin vom BDEW war, Ich bin ein bisschen stolz darauf, haben auch viel Dialog gesucht mit NGOs und haben wirklich versucht, den Blick der Branche auch nach vorne zu richten. Heute ist die Energiebranche eine ganz andere. Man kann das eigentlich nicht mehr vergleichen mit dem, wie die Situation im Jahr 2010 war.

David Wortmann: Du bist Chef der Deutschen Energieagentur. Und wer oder was die Deutsche Energieagentur ist, welche Rolle ihr habt, da reden wir gleich ein bisschen drüber. Ich wollte mal am Anfang so ein bisschen versuchen, das Thema mal einzugrenzen. Wir haben jetzt in den letzten Folgen sehr viel zum Thema Mobilität gemacht. Die Verkehrswende stand da. Sehr stark im Vordergrund. Natürlich hat die Energiethematik, die heute hiermit im Fokus steht, auch viel mit der Verkehrswende zu tun, aber eben nicht nur. Und da habe ich mir gerade nochmal die Zahlen raussuchen lassen, wie sozusagen die Entwicklung war. Denn wenn wir über Energiewende sprechen, geht es ja vor allen Dingen darum, wie können wir die deutsche Volkswirtschaft, die Industrie, den Verkehr, Gewerbe, Haushalte von einem sehr starken Anteil der fossilen und auch nuklearen Energien hin zu erneuerbaren Energien bringen. Und wenn ich mir das mal anschaue, von woher wir kommen, hatten wir insgesamt einen Anteil der erneuerbaren Energien von vielleicht 4, 5 Prozent. Das war im Jahre 1990. Das war vor allem die klassische Wasserkraft. Und wenn ich mir das mal heute anschaue, im Jahre 2017, 2018, zumindest bis dahin liegen die Statistiken ja auch vor, liegen wir insgesamt bei einem Anteil von 16,6 Prozent. Das klingt erstmal nicht nach viel.

Andreas Kuhlmann: Ja, das fängt schon mal an, welche Statistik schaut man sich an. Also wenn man jetzt mal schaut auf die Erneuerbaren nur im Stromsystem, da sind wir schon bei ungefähr 40 Prozent. Und das ist natürlich schon spektakulär, die Entwicklung, die wir da als Industrieland immerhin in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht haben. Es gab auch viele Irrungen und Wirrungen, haben dabei nicht alles richtig gemacht, aber das erstmal erreicht zu haben, ist auf jeden Fall ein großer Erfolg.

David Wortmann: Und das können wir gerne auch noch ein bisschen mehr vertiefen. Wir haben dann eben die 40 Prozent im Bereich Strom. Und da muss man ja auch dazu sagen, wenn wir über die erneuerbaren Energien reden, worüber reden wir? Wir reden über die Wasserkraft, wir reden über Solarenergie, wir reden über Windenergie, wir reden über die Biomasse. Und dann auch im kleineren Anteil auch über die Erdwärme, also die Geothermie. Insgesamt also sind wir da bei diesen 16,6 Prozent. Vielleicht noch eine andere Zahl. Wie viel Strom wir denn überhaupt, oder Energie insgesamt, Entschuldigung, das muss man auch mal wieder korrigieren, wie viel Energie wir insgesamt verbrauchen. Das wird in der Regel in Terawattstunden gerechnet und da sind wir bei roundabout 2600 Terawattstunden.

Andreas Kuhlmann: Ja, so in etwa, so zweieinhalb, 2600, richtig.

David Wortmann: Und wenn man sich da diesen Vergleichszeitraum mal anschaut von 1990 bis jetzt, hat sich da ja eigentlich gar nichts getan.

Andreas Kuhlmann: Also sagen wir mal so, wichtig ist erstmal bei dieser Aufteilung zu wissen, was geht eigentlich in welche Bereiche. Also wie viel davon ist Strom, wie viel davon ist Wärme und wie viel davon ist Verkehr. Und dann stellt man schon mal fest, dass fast die Hälfte oder ungefähr die Hälfte davon eigentlich Wärme ist. Ungefähr ein Viertel ist Stromversorgung. Ein anderes Viertel ist Verkehr. Und da sieht man schon die Komplexität dieser Fragen. Und dass es eigentlich am Ende nicht nur darum geht, Wind und Sonne aus der Nische zu holen und sie zu einer tragenden Säule zu machen, sondern wir reden über integrierte Energiewende, über alle Sektoren hinweg. Das wurde in der Vergangenheit mit Sicherheit zu stark vernachlässigt. Und hier setzen wir jetzt an mit vielen unserer Projekten.

David Wortmann: Und zu den da kommen wir ja auch gleich. Aber die Sektoren, weil du sie angesprochen hast, sind der Industriesektor, sind Gewerbe, Handel, ist der Haushaltssektor und der Verkehrssektor ganz grob betrachtet.

Andreas Kuhlmann: Gebäudesektor natürlich, der ist ganz wichtig für uns, da haben wir auch sehr viele Projekte. Das ist schon richtig so beschrieben, so wie ich es gerade gesagt habe, war es eher so nach Energieträgern oder Energiebereichen, also die Wärme, wie gesagt, insgesamt. Und da gibt es dann auch wieder verschiedene Unterscheidungen, die man machen muss. Prozesswärme, Raumwärme. Also Statistiken können kompliziert sein.

David Wortmann: Können kompliziert sein, aber halten wir jetzt zu Beginn des Gesprächs einfach mal fest. Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, eine Energiewende zu machen und es ist einiges passiert. Wenn man alle Energieformen sich anschaut, bei ungefähr 16,6 Prozent. Im Strombereich sind wir schon relativ weit mit 40 Prozent. Und wir haben einen großen Ausbau der erneuerbaren Energien bereits hinter uns, haben aber noch einiges vor uns.

Andreas Kuhlmann: Absolut.

David Wortmann: Das vertiefen wir gleich vielleicht gerne nochmal ein bisschen. Kommen wir jetzt erstmal zu euch. Du bist Chef der Deutschen Energieagentur. Was macht denn so ein Chef der Deutschen Energieagentur und was ist denn überhaupt die Deutsche Energieagentur?

Andreas Kuhlmann: Die Deutsche Energieagentur gibt es seit 2000. Damals war die Idee an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik. Eine Organisation, ein Unternehmen eigentlich zu gründen, das hilft, Energiewende zum Erfolg zu machen. Ganz starker Fokus auf das Thema Energieeffizienz und eben Zusammenarbeit mit den Akteuren aus der Wirtschaft, letztendlich aus der Perspektive der Wirtschaft, einen Beitrag zu leisten und zu schauen, wo gibt es Probleme, welche Herausforderungen sehen wir, wo kommen wir nicht schnell genug weiter und welche Lösungsansätze gibt es dafür. Heute hat die Dena rund 220 Beschäftigte, also sehr, sehr viele, stark gewachsen über die Jahre und wachsen auch jedes Jahr noch ein bisschen. Wir haben rund 80 bis 100 Projekte und die eben in den unterschiedlichsten Sektoren. Gebäude, Verkehr, die Integration von erneuerbaren Energien in die Energienetze spielt eine ganz wichtige Rolle. Wir denken hier schon seit langem sektorübergreifend. Da kommt uns die jetzige Debatte sehr gelegen.

David Wortmann: Kann man euch so ein bisschen auch als Think Tank der deutschen Politik, der Bundesregierung möglicherweise auch sehen im Bereich der Energiefragen?

Andreas Kuhlmann: Ja, das ist immer so eine Sache, wenn man sich selbst als Think Tank beschreibt. Aber die Bundesregierung tut das. Die sagt uns immer, sie will, dass die Dena Think Tank ist. Und ich glaube, es gibt auch gute Beispiele, an denen wir das zeigen können. Ich sage ganz gerne, wir sind der Think Tank der angewandten Energiewende. Es ist ein Unterschied, ob man sich, sage ich mal, von dem Jahr 2050 kommend Gedanken macht, wie müsste die Welt sein im Jahr 2030 oder ob man aus der unmittelbaren Umsetzung von Technologien im Energiesystem Gedanken macht, wie man das gestaltet. Ich glaube, die Leute, die hier arbeiten, haben einen sehr guten Überblick über alles das, was möglich ist. Und das macht uns, glaube ich, ein bisschen besonders auch in dem Reigen der Thinktanks, die es sonst so gibt.

David Wortmann: Das heißt, die Politik denkt vor im Sinne von, wir wollen so und so viel Prozent erneuerbare Energien, jetzt ganz konkret vielleicht sogar auch 65 Prozent erneuerbare Energien, wollen wir bis 2030 erreichen. So steht es ja im Koalitionsvertrag drin. Und ihr seid diejenigen, die sagt, so kann es funktionieren. und hier müssen wir mal ein paar Beispiele, Projekte voranbringen, um sozusagen Leuchtturmprojekte auch zu schaffen.

Andreas Kuhlmann: Leuchtturmprojekte sind ein Beispiel, aber auch genauere Analysen, wo Hindernisse sind, wie das eigentlich klappen kann. Die Politik denkt vor, hast du gesagt. Ja, das ist so, könnte manchmal ein bisschen mehr sein. Denn hier und da habe ich schon den Eindruck, dass ein paar Ziele vielleicht leichtfertig in Wahlprogramme oder Koalitionsprogramme reingerutscht sind. Wir haben das ja gemerkt bei diesem 2020er-Ziel. Deutschland wollte bis zum Jahr 2020 die CO2-Reduktion im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent senken. Das ist ein tolles Ziel natürlich, aber wir stellen jetzt fest, wir landen nur bei 31, 32 Prozent in etwa. So genau weiß man es noch nicht. Und dann darf man natürlich schon die Frage stellen, ist das eigentlich ausreichend unterlegt oder woran liegt es eigentlich, dass wir die Ziele nicht erreicht haben? Wer ist dafür eigentlich verantwortlich und wie stellen wir sicher, dass das für die Ziele im Jahr 2030 nicht wieder passiert?

David Wortmann: Da habt ihr einiges vor und wir gehen gleich nochmal so ein bisschen auch auf die politischen, aber auch sehr stark unternehmerischen Herausforderungen der Branche ein. Weil ich würde so ein bisschen auch sehen, dass wir heute so eine Kombination haben zwischen Deep Dive, Cleantech, so heißt ja unsere Sendung, aber auch so ein bisschen Big Picture Energiewende jetzt haben.

Andreas Kuhlmann: Das finde ich übrigens auch gut, wenn ich das kurz sagen darf, weil ich glaube, es ist sehr wichtig, dass diejenigen, die im Klinitech-Bereich erfolgreich sein wollen, sich auch Gedanken machen um die politische Diskussion. Denn die Rahmenbedingungen hängen doch hier sehr eng zusammen. Ich weiß, das ist in diesem Podcast auch oft Thema. Ich höre da immer mal wieder rein. Und deswegen glaube ich schon, es ist wichtig, dass wir alle einen Blick auf die politischen Gegebenheiten werfen und auch helfen, die so zu verändern, dass man eben in diesem Bereich auch erfolgreich sein kann.

David Wortmann: Und da möchte ich gleich noch ein bisschen vertieft reingehen, weil das steht ja schon so ein bisschen dafür, dass eine Energiewende, wie sie sich jetzt anderen vorgenommen hat, ja auch nicht ganz spurlos an den Unternehmen vorbeigeht und nicht ganz spurlos an den etablierten Geschäftsmodellen vorbeigeht. Und vielleicht kann man da mal so einen kleinen Blick mal in die Vergangenheit auch nehmen, den du auch hattest, auch die Erfahrung damals, um dann vielleicht gleich auch noch ein bisschen mehr auch in die Zukunft zu schauen, worauf sich heute auch Unternehmen vorzubereiten haben, wo sind heute auch die Herausforderungen. Aber wie hast du denn diesen Wandel mitbekommen oder auch mitgestalten können? Weil, um das mal kurz zu skizzieren, wir haben ja eine sehr zentrale Energiewirtschaft gehabt in der Vergangenheit.

Andreas Kuhlmann: Ja, ist richtig. Also es gab natürlich dann viele Diskussionen darüber, wie das technisch funktionieren kann. Du erinnerst dich ganz, ganz damals, da gab es ja auch so ein paar Irrungen. Die einen haben gesagt, mehr als 5% Erneuerbare in die Stromnetze, das geht gar nicht.

David Wortmann: Rein technisch nicht.

Andreas Kuhlmann: Rein technisch, so hieß es damals. Andere haben gesagt, mehr als eine Kugel Eis im Monat kostet das alles nicht. Heute wissen wir, beide Seiten lagen falsch. Aber damals ahnte man das eben auch noch nicht. Es war ein Neuland, das kann man schon auf jeden Fall so sagen. Ja, und dann ging es eben darum, dass man letztendlich auch schaute, wie bekommt man die dazu erforderliche gesicherte Leistung weiter in den Markt? Wie geht das Zusammenspiel zwischen konfessionellen Kraftwerken und erneuerbaren Energien? Wie können die Unternehmen selbst stärker in dem Bereich der erneuerbaren Energien tätig werden? Da gab es lange Hemmungen und irgendwann hat man sich dann ein bisschen geärgert, glaube ich, dass die Märkte so stark von privaten Teilnehmern dann besetzt wurden. Kennst du auch noch aus deinen vorherigen Jobs?

David Wortmann: Wir haben ja damals wie heute haben wir ja sogenannte Energiekonzerne, die wirklich versuchen, alles durch die Wertschöpfungskette auch abzudecken. Und damals gab es eben noch nicht die Solarenergieunternehmer oder die Windkraftenergieunternehmer. Warum haben sich denn diese Energiekonzerne sich nicht von vorne herein auf dieses Thema der erneuerbaren Energien gestürzt?

Andreas Kuhlmann: Ich glaube, das ist so ein bisschen so, wie wir das heute an ganz vielen anderen Stellen auch sehen. Da, wo du stark bist, wo du eigentlich meinst, gut im Markt platziert zu sein, bist du nicht so automatisch bereit, Veränderungen anzugehen. Heute ist die Denkweise schon ein bisschen anders. Man sieht das übrigens ganz witzigerweise, wenn man die Entwicklung im Automobilbereich vergleicht mit der Energiewirtschaft. Da sieht man eigentlich ähnliche Entwicklungen, lange Zurückhaltung und dann letztendlich dann doch irgendwie so eine Fokussierung auf die Themen, weil es auch von außen herangetragen wird und dann aber mit ganzer Kraft rein. Das ging ein bisschen schneller als in der Energiewirtschaft vielleicht, weiß gar nicht genau, ist so mein Eindruck. Weil wir heute eben auch wissen, wir leben in einer Zeit, in der Disruption einfach ein Thema ist, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Auch weil es eben viele Akteure überall in dieser globalen Welt gibt, die hier tätig sind. Und das war damals eben vielleicht auch noch ein bisschen neu. Und deswegen hat es etwas länger gedauert. Sicherlich auch verbunden mit der Sorge um die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. weil die sich viel lustig gemacht haben, aber da ist schon was dran, so ist kein Selbstverständnis. Und auch bedingt um die Frage der Kosten natürlich, denn die Sache mit der EEG-Umlage war jetzt auch nicht nur ein reiner Erfolg. Heute zahlen wir knapp 7 Cent pro Kilowattstunde zur Förderung der erneuerbaren Energien und das sind so Aspekte, die damals wichtige Themen waren.

David Wortmann: Das muss man kurz erklären. Die EEG-Umlage ist ja, vielleicht kannst du das mal kurz erklären.

Andreas Kuhlmann: Ja, die EEG-Umlage entsteht dadurch, dass letztendlich die Investitionen in erneuerbare Energien ja irgendwie bezahlt werden müssen. Es kommen in der Regel 20 Jahre garantierte Einspeisung und das Geld, das dafür aufgebracht wird, wird über eine Umlage von allen, die Strom beziehen, theoretisch beglichen. Da gibt es natürlich eine Reihe von Ausnahmeregelungen und das, was da zusammenkommt auf die einzelnen Teilnehmer, nennt man eben die EEG-Umlage, die Umlage nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz. Ist eine komplizierte Kiste, hat sich in den vergangenen Jahren auch immer weiterentwickelt. Aber was bleibt, ist ein großer Rucksack an Geldern, die wir heute immer umverteilen müssen und vielleicht kommen wir dazu auch noch. Weil wir in Deutschland eben nicht nur den reinen Strom bezahlen, sondern viele Umlagen, Stromnetze, KWK, Offshore und EEG-Umlage eben, haben wir schon einen recht hohen Strompreis. Und vor allem steht dieser Strompreis heute den Entwicklungen ein bisschen im Weg. Denn heute wollen wir ja, dass erneuerbarer Strom in besonderer Weise auch in anderen Bereichen eingesetzt wird, im Verkehr, auch bei Heizungen, in Wohnräumen. Und wenn der natürlich so teuer ist, dann haben wir da ein kleines Problem. Also hier sind wir auch bei einem Thema, ist eigentlich der ökonomische Rahmen, wie er heute vorliegt, ausreichend für alles das, was wir und was auch die Zuhörerinnen und Zuhörer vorhaben, der richtige?

David Wortmann: Ja. Ich wollte mal ganz kurz nochmal zu diesem Umbruch auch kommen und vielleicht nochmal versuchen, dir mal eine Erklärung anzubieten, warum die damaligen Energiekonzerne sich so schwer getan haben und dann letztendlich häufig disruptiert worden sind von Startups, die man damals noch nicht als Startups bezeichnet hat, aber es waren ja viele Ingenieursbuden, die es dann in Bonn gab, in Ostdeutschland gab, in München gab, in Frankfurt gab und die haben dann irgendwann mal angefangen, Solarfabriken in die Welt zu setzen, Windkraftturbinen herzustellen in Norddeutschland beispielsweise und eigentlich das gemacht haben, was man möglicherweise auch von den Energiekonzernen erwartet hätte. Aber hier ist das Erklärungsangebot, dass die Energiekonzerne vor allen Dingen natürlich Energieversorger waren und Kraftwerke gebaut und getrieben haben, betrieben haben und die Rohstoffe, die es dazu brauchte, natürlich eingekauft haben. Aber die erneuerbare Energiewirtschaft vor allen Dingen ja auf Technologieentwicklung fußt. Also im Prinzip ein ganz anderes unternehmerisches Denkmuster sozusagen voraussetzte, weil hier ging es um Halbleitertechnologien, hier ging es um Skalierungseffekte. Das sind alles Themen, die eigentlich ein Energieversorger möglicherweise damals gar nicht richtig verstanden hat.

Andreas Kuhlmann: Ja, würde ich sagen, da ist eine ganze Menge dran. Hinzu kommt noch, wir hatten ja in den 2000er Jahren die Liberalisierung der Märkte getrieben durch das, was die Europäische Union vorangebracht hat. Das hat erfreulicherweise auch doch zu einer etwas größeren Fokussierung auf Kundenbedürfnisse geführt. Allerdings nicht so schnell weitergekommen. wie man es sich vielleicht hätte wünschen können. Heute wissen wir, dass in der Tat neue Technologien eine wesentliche Rolle spielen für die Zukunft der Energieversorgungssysteme. Wir wissen auch, dass unheimlich viele Geschäftsmodelle nur dann erfolgreich sind und sein können, wenn sie vom Kunden gedacht sind. Die Menschen haben heute einen ganz anderen Anspruch auch an die Art und Weise, wie sie Energie beziehen und auch verbrauchen. Und das sind schon auch kulturell ganz erhebliche Veränderungen. Aber wenn man mal schaut, die ganzen Stadtwerke, die es damals gab, die gibt es auch heute noch. Auch die großen Unternehmen haben sich zwar unheimlich gedreht, vieles abgestoßen, sich neu orientiert und fusioniert und abgestoßen, aber im Kern gibt es sie auch noch. Das heißt, es hat jetzt nicht zum Untergang irgendeiner Branche geführt, zu erheblichen Verlusten und Umstellungen, Reibungen und Friktionen. Und jetzt glaube ich schon, dass eben diese Akteure auch eine wichtige Rolle spielen werden als Partner und als Gestalter des neuen Energiesystems.

David Wortmann: Und sind sicherlich auch so ein bisschen aufgeweckt worden, weil natürlich dann nicht die Energiekonzerne zu Beginn zumindest die Energiewende vorangetrieben haben, sondern die neuen Technologieunternehmer. Und dadurch ist ein Wettbewerb auch entstanden.

Andreas Kuhlmann: Auf jeden Fall. Und der tut uns unheimlich gut. Viele Startups tatsächlich, auch mit denen wir zu tun haben, haben neue Ideen, auf die die anderen nicht gekommen wären. Deswegen gibt es ja auch dieses Wettbewerb. Bedürfnis nach Kooperation. Also selbst wenn überhaupt gar keins von diesen Startups erfolgreich sein würde, da haben sie schon einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet, weil sie einfach frischen Wind, frische Luft in dieses System gebracht haben.

David Wortmann: Jetzt hattest du gerade die Energiepreisbildung angesprochen und auch zu Recht, wie ich finde, weil das natürlich sehr stark auch bestimmt ist für existierende Geschäftsmodelle, aber auch zukünftige Geschäftsmodelle. Was ist denn da aktuell die größte Herausforderung, die du da siehst?

Andreas Kuhlmann: Ja, wir haben in der Vergangenheit eine Reihe von Erfolgen gehabt. Wir sprachen ja zu Beginn schon drüber. Aber wir sind letztendlich bei dem eigentlichen Thema, nämlich die Vermeidung von CO2, bei weitem nicht so schnell vorangekommen, wie wir es hätten tun sollen. Da gab es gute Erfolge in den ersten fünf bis zehn Jahren nach der Wiedervereinigung. Aber dann ging das doch alles viel zu langsam. Wir müssen deutlich schneller werden. Und das geht wahrscheinlich auch nur, wenn wir den ökonomischen Rahmen eben stärker auf die Vermeidung von CO2 ausrichten. Das heißt, wir müssen mehr fördern, was wir wollen und mehr sanktionieren, was wir nicht wollen. Deswegen gibt es die ganzen Debatten aktuell rund um die CO2-Bepreisung. Und im Gegensatz dazu könnte man, so ist die Diskussion auch, natürlich dieses Gestrüpp von Umlagen und Abgaben, die wir im Energiesektor haben oder auch die Energiesteuern, die alle irgendwie historisch nur gewachsen sind, vielleicht so verändern, dass da mehr Klarheit reinkommt, mehr Orientierung, ein klarer Fokus auf Technologieoffenheit, Innovation und CO2-Vermeinung.

David Wortmann: Wie ist es denn heute? Vielleicht um das auch einfach mal den Zuhörern zu erklären. Wie setzt sich denn so ein Energiepreis zusammen? Und der differenziert sich ja auch, ob ich jetzt ein Haushaltskunde bin, zu Hause bin, Gewerbe oder Industrie bin.

Andreas Kuhlmann: Naja, aus Energiesteuern schon und eben aus Abgaben und Umlagen, wie wir sie beim Strom in besonderer Weise kennen.

David Wortmann: Also wir haben ja gerade die EG-Umlage, haben wir dann eine KWK-Umlage.

Andreas Kuhlmann: Eine KWK-Umlage gibt es. Offshore-Umlage und viele kleinere Dinge auch noch, aber vor allem auch die Netzentgelte natürlich, die für die Finanzierung des Umbaus der Stromnetze wichtig sind. Im Gas gilt das ähnlich. Im Verkehr haben wir sehr viele Steuerbelastungen und Energiesteuern natürlich, die da auch eingenommen werden. Insgesamt aber eben alle nicht darauf ausgerichtet, dass dort, wo besonders viel CO2 emittiert wird, auch besonders viel bezahlt wird. Wir haben noch immer keine Belastung auf Flugkerosin beispielsweise. Die Sache im Verkehr kann man sich da genauer anschauen und da haben wir schon so ein paar Blockaden im System.

David Wortmann: Wenn wir uns heute mal die Gestehungskosten anschauen, also eines Solarkraftwerkes, dann liegen wir ja bei rund, ich glaube, die günstigsten Anlagen, die jetzt zuletzt gebaut worden sind in Deutschland, lagen um die 4 Cent die Kilowattstunde. Im Windenergiebereich sind wir da sogar noch günstiger, aber der Haushaltskunde zahlt am Ende ja 30 Cent oder so etwas. Das heißt, da sieht man ja schon diesen riesengroßen Gap, den es gibt zwischen den eigentlichen Kosten der Stromproduktion und all dem, was noch da an Abgaben. Einiges ist ja sinnvoll, hast du ja auch schon beschrieben. Die Netze müssen ja auch mitfinanziert werden beispielsweise auch. Wo siehst du denn, und das hattest du gerade mit so einem Halbsatz mal angekündigt, denn das größte Potenzial, da jetzt etwas zu ändern, damit es auch neue Geschäftsmodelle gibt und neue Chancen auch für Unternehmer?

Andreas Kuhlmann: Ganz einfach gesprochen würde ich sagen, der Strompreis muss runter durch vielleicht die Abschaffung sogar der EEG-Umlage oder der Umstrukturierung der EEG-Umlage. Manche reden davon, dass man die Stromsteuer, die gibt es nämlich auch noch, das sind ungefähr zwei Cent für den Haushaltskunden, dass man die vielleicht abschafft, damit man Raum schafft für eine stärkere Fokussierung auf CO2-Emissionen, also durch Gas oder durch Öl oder im Verkehr durch Benzin und dergleichen.

David Wortmann: Das heißt ja, du möchtest ganz gerne, dass die Strompreise geringer werden und da vor allem in Umlagen und Ablagen schrauben möchtest, damit am Ende mehr Strom aus erneuerbaren Energien auch genutzt wird, damit der Anreiz sehr viel geringer ist, um beispielsweise eine Erdölheizung zu betreiben, die mehr oder weniger günstiger ist heute.

Andreas Kuhlmann: So ungefähr.

David Wortmann: Und das ist jetzt ein vielsagendes Lachen.

Andreas Kuhlmann: Ich sage es deswegen, weil wir reden viel darüber. Es gibt unterschiedliche Modelle, wie man das ausgestalten kann. Manche sagen, es reicht, wenn wir eine vernünftige Energiesteuerreform machen und uns einfach da anschauen, wo ist wie viel CO2 drin im Grunde und da die Belastungen entsprechend vernünftigerweise ausgleichen. Aber es gibt eben viele Dinge dabei auch zu bedenken. Ich sage mal ein Beispiel. Wenn es jetzt eine CO2-Bepreisung gäbe, dann würde die Wärme, die wir in der Wohnung nutzen, etwas teurer werden. Was heißt das für den Mieter? Das hängt eben sehr davon ab, wie wir damit umgehen. Wenn der Vermieter es bezahlen muss, aber einfach nur auf den Mieter umlegen kann, na ja, dann wird wahrscheinlich nicht so viel passieren. Wenn er das aber vielleicht nicht umlegen kann und wenn er weiß, dass die CO2-Preise in Zukunft noch eher steigen werden, dann bekommt er natürlich Anreize, schneller vielleicht eine alte Heizung auszutauschen und etwas dafür zu tun, dass weniger Energieverbrauch rund um das Gebäude passiert. Das kann so ausgestaltet werden, dass es am Ende ein Nutzen eben für alle Beteiligten ist. Wichtig ist aber dabei, bei dieser Art der neuen Belastung darf es zu keinen neuen Belastungen kommen, sondern es muss schon kostenneutral sein. Und wir müssen sehr dafür sorgen, dass die Menschen im Land nicht unter dem, was wir Energiewende und Klimaschutz nennen, leiden, wenn man es anders gestalten kann. Wir müssen auch darauf achten, dass wir natürlich Industrie nicht aus dem Land vertreiben, aber das können wir in Deutschland auch. Wichtig ist, dass so eine Reform auf den Weg gebracht wird und dass wir dann mit den Stakeholdern die richtigen Rahmenbedingungen dafür finden.

David Wortmann: Wir haben in unserer ersten Cleantech-Podcast-Ausgabe den Alex gehabt, Gründer von Solar, deren Geschäftsmodell ja darauf fußt, dass sie letztendlich eine sehr intelligente Online-Plattform aufgebaut haben, worüber letztendlich jeder, der ein Haus besitzt, Zugang zu einem Dach hat, über einen Online-Konfigurator sich seine eigene Solaranlage stricken kann und am Ende auch bauen lassen kann. Und sein Argument war, Wir brauchen eben, wie du es gerade schon gesagt hast, brauchen wir eigentlich eine Verteuerung der Alternativen, die ich heute habe im Haus. Weil ich kann mir stattdessen ja auch, statt meine Wärme durch Solarstrom sozusagen zu erzeugen, kann ich mir einfach ganz konventionell eine Ölheizung einbauen. Und da sind die Preise einfach noch zu gering. Und das ist ja genau das, worauf du wahrscheinlich jetzt auch hinaus wolltest. Was ihm dann auch helfen würde, wenn dort die Preise wirklich teurer werden, dann könnte ich nämlich tatsächlich den eigenen Anteil, den ich selber produziere in meinem Haushalt, so hoch sozusagen setzen, dass ich mehr oder weniger kaum noch sozusagen am Stromnetze hängen muss und oder von externen Mindestens Energie auch erzeugen möchte. Ist das die Vision, die auch der Chef der Deutschen Energieagentur hat, zu sagen, lass uns versuchen, so autark, so autonom wie möglich zu sein?

Andreas Kuhlmann: Nein, das ist nicht meine Vision letztendlich. Ich schaue da schon eher aufs Ganze und ich fange mal an, das zu erklären, auf Deutschland insgesamt betrachtet. Es gab zu Beginn auch viele, die gesagt haben, Energiewende muss dazu führen, dass wir autark werden in Deutschland. Aber das ist ziemlich absurd, weil wir sind erstens Deutschland im europäischen Binnenmarkt und da müssen wir schon viele Dinge berücksichtigen, Gott sei Dank, weil man dadurch natürlich auch eine Menge Effizienzen und Ausgleich schaffen kann. Und bei all den Szenarien, die wir uns für die Erreichbarkeit der Klimaschutzziele anschauen, sehen wir schon, dass wir deutlich unabhängiger vom Ausland werden, was Energieimporte angeht. Vielleicht 40 bis 60 Prozent weniger als das, was wir heute haben. Aber es bleibt etwas, was wir importieren müssen. Sei es Strom, sei es synthetische Kraftstoffe. Das werden wir noch sehen. Nur man stellt sich das mal vor, ausgerechnet die Exportnation Deutschland will den gesamten Energiebereich autark für sich regeln. Nun, Ich weiß nicht, ob das jetzt wirklich so dringend erforderlich ist. Ich glaube, dass dieser internationale Handel rund um Energie auch viele positive Aspekte hat. Und wenn man es mal runter bricht aufs Dorf oder auf den einzelnen Verbraucher, ja, ich glaube schon, dass da sehr viele Impulse gekommen sind von diesen Gedanken im System. Aber es ist natürlich so, dass der Einzelne allein kann sich nicht so super optimieren wie der Einzelne mit dem Quartier oder das Quartier mit dem Dorf oder das eine Dorf mit dem anderen. Und so kommt man eben dann zumindest mal dazu, dass man die unterschiedlichen Zellen, wie groß sie auch sein möchten, gut miteinander verknüpft, dass dazwischen ein guter Ausgleich, ein guter Austausch stattfinden kann. Wir brauchen in Zukunft Flexibilitäten, um die erneuerbaren Energien, die ja fluktuierend, sagt man, ins Netz nur eingespeist werden können, auch gut miteinander auszugleichen. Wir brauchen Speichersysteme und alles das. Und ich glaube schon, dass es gut wäre, wenn jeder für sich schaut, was er optimieren kann, aber dabei nicht vergisst, dass er Teil eines Ganzen ist.

David Wortmann: Also ein subsidiäres System sozusagen, was die kleinste Einheit nicht selber gut schaffen kann oder beziehungsweise auch nicht günstig schaffen kann, sollte die höhere Einheit sozusagen dann auch mitliefern.

Andreas Kuhlmann: Ja, kann man schon so ungefähr sagen. Die Dezentralität ist ein Treiber von Energiewende, auf jeden Fall. Auch wenn ein Offshore-Park jetzt auch nicht so dezentral ist, ist ja eine Riesenanlage. Aber das denke ich schon. Auch rund ums Gebäude passiert unglaublich viel heute. Man kann ja nicht nur eine Solaranlage auf dem Dach haben, man kann auch einen Speicher im Keller haben, wenn man dann ein Haus hat. Man kann letztendlich sein Elektrofahrzeug in Zukunft laden und all diese Dinge. Also da ist schon unheimlich viel möglich, was auch mit Komfort betrifft. mit einem guten Gefühl zu diesen neuen Technologien zu tun hat und deswegen wird das eine wichtige Rolle spielen, keine Frage.

David Wortmann: Und die Rolle des Konsumenten ändert sich ja auch. Er ist ja nicht nur Konsument, sondern auch Produzent und damit ein Prosumer, wie man so schön sagt.

Andreas Kuhlmann: Ja, richtig. Ich glaube jetzt nicht, dass irgendwie die allermeisten Menschen unbedingt sich mit Prosumer-Fragen auseinandersetzen wollen. Am Ende müssen wir Da sage ich wirklich, wir, also auch die Zuhörerinnen und Zuhörer, die gute Ideen anbieten, schon darauf achten, dass es gut handhabbar ist für die Kunden, dass nicht jeder nur dann investiert und etwas tut, wenn er ein toller Prosumer ist, sondern weil es einfach auch gut ist, weil es praktisch ist und vielleicht sogar auch günstiger.

David Wortmann: Jetzt haben wir bei den Energiepreisen gesprochen als großer Treiber für neue Geschäftsmodelle. Welche anderen Treiber oder auch Herausforderungen, vielleicht auch Chancen siehst du denn in dem aktuellen Stadium der Energiewende für Unternehmen?

Andreas Kuhlmann: Es sind eigentlich überwiegend nur Chancen. Der ein oder andere wird wissen, dass wir immer von den neuen Arbeitsplätzen bei den Erneuerbaren reden. Das sind aktuell so 350.000 oder vielleicht 380.000, sagen die Statistiken.

David Wortmann: Also ich habe die für 2016 dabei, 338.500. Wir waren schon mal höher. Wir waren bei 395.800 im Jahre 2012 und ein Großteil ist durch den Abbau von Solararbeitsplätzen entstanden.

Andreas Kuhlmann: Richtig, wobei auch da interessant wäre zu schauen, woran das eigentlich genau lag. Aber ist jetzt nicht das Thema. Nur was ich eigentlich sagen will ist, integrierte Energiewende, integrierter Klimaschutz ist viel mehr als Wind und Sonne. Das heißt, wir haben in diesem ganzen Bereich, der damit zu tun hat, viel mehr Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben die effizientesten Anbieter von Heizungstechnologien in Deutschland. Fisman, Feiland, Bosch und wie sie alle heißen, die sind ja hier bei uns aktiv und die sind auch deswegen so erfolgreich, weil Energieeffizienz im Rahmen der Energiewende ein wichtiges Thema ist. Wir haben Technologien, die helfen, Solaranlagen woanders zu bauen. Wir haben Maschinenparks, die eine wichtige Rolle spielen. Hinter diesen Themen Energiewende und Klimaschutz verbergen sich deutlich mehr Arbeitsplätze und Chancen. Es gibt einen tollen Green-Tech-Atlas, den hat Roland Berger für das BMU gemacht. Da heißt es, deutsche Unternehmen haben heute schon rund 14 Prozent Weltmarktanteil an Green-Tech. Und geht dann von einem Wachstum von über 8% pro Jahr aus. Das sind doch die Chancen, auf die wir setzen müssen. Und wir haben ein hervorragendes Ecosystem, was letztendlich diese Dinge auch begleiten kann. Und das müssen wir viel stärker auch proaktiv in den Fokus stellen. Und ein bisschen loskommen von diesen problembeladenen Diskussionen, die wir in der Vergangenheit hatten.

David Wortmann: Die Dena hat ja auch in den letzten Jahren, ich glaube, das war jetzt zum dritten Mal in Folge, letztendlich das größte internationale Startup Award ins Leben gerufen. Und ich durfte auch Teil der Jury bislang sein. Es hat auch sehr viel Spaß gemacht. Was hast du denn dort? Vielleicht erklärst du mal so ein bisschen, was ihr da macht.

Andreas Kuhlmann: Ja, das war erstmal eine verrückte Idee. Wenn ich ein bisschen ausholen darf an der Stelle. Als ich bei der Dena angefangen habe vor rund vier Jahren, war mir völlig klar, die Veränderungsdynamik der Energiewende, das ist eigentlich die wirklich spannende Frage. Und da wollte ich mich stärker darauf konzentrieren. Wir haben dann viel mit Startups auch im Berliner Raum schon gemacht und Meetup gegründet, uns dauernd getroffen, die in unsere Projekte teilnehmen. einbezogen, mit dem Startup-Bus nach Essen zur E-World gefahren und all solche Späße. Und dann dachte ich aber ja, wir müssen das vielleicht noch ein bisschen internationaler machen, ein bisschen mehr ausweiten. Eigentlich hatte ich im Kopf, ein globales Netzwerk der Innovatoren aufzubauen. Das war damals natürlich ein bisschen verrückt, das haben uns auch viele gesagt, aber einige haben auch mitgemacht. Du warst ja auch gleich mit dabei bei den Beratungen, die wir dazu hatten. Und dann haben wir diesen globalen Startup Award gestartet und haben, glaube ich, im ersten Jahr rund um die Uhr mit allen Menschen rund um die Welt telefoniert, um das in Gang zu bekommen. Wir hatten auch beim ersten Mal gleich über 400 Bewerbungen aus 80 Ländern der Welt. Das hat sich jetzt schon zweimal wiederholt. Insgesamt haben sich über 1200 Startups aus aller Welt, aus 100 Ländern insgesamt beworben. Wir vergeben dann entsprechend Preise, haben, glaube ich, einen sehr guten Juryprozess. Und was mir dabei vor allem am Herzen liegt, ist, wir wollen Brücken bauen. Zwischen denen, die die guten Ideen haben und denen, die vielleicht helfen können, sie zu verwirklichen. Aber auch in den politischen Raum. Denn ich möchte, dass Politik sieht und spürt, was es alles an Innovationen und Technologien gibt. Es geht nicht darum, jede einzelne zu verstehen. Weil das geht dir und mir auch so, dass wir ab und zu auch nicht mehr genau alles verstehen können. Dafür ist es zu vielfältig. Aber sehen und spüren, was möglich ist. Und das sichtbar zu machen und zu helfen, dass es groß werden kann. Das ist eine Aufgabe, die ich schon bei der Dena sehe. Und rund um diesen Award Startup Energy Transition Set Award mit Tech Festival, ja, klappt das ganz gut. Und wenn andere das loben, umso besser.

David Wortmann: Jetzt hat es das dreimal schon mal gegeben. Du sprachst von über 1200 Bewerbungen. Kannst du denn daraus schon so einen gewissen Trend sehen? Also wo gehen die Geschäftsmodelle hin? Aus welcher Richtung kommen sie? Gab es möglicherweise auch eine Veränderung in diesem Zeitraum bereits?

Andreas Kuhlmann: Naja, also ein Fokus ist sicherlich alles rund um digitale Technologien. Digitalisierung, wie man so schön sagt, das war zu Beginn auch stark Blockchain getrieben, das ist es immer noch. Mittlerweile kommt viel AI dazu, also künstliche Intelligenz natürlich. Aber was mich auch freut und was wirklich ganz interessant ist, es kommen auch mehr und mehr Startups, die jetzt nicht nur digitale Produkte anbieten, sondern auch Hardware. Denn am Ende des Tages geht es nicht nur um Software bei Energiewende und Klimaschutz, sondern auch um neue Technologien, die eben ein bisschen schwieriger zu entwickeln sind, wo man auch einen anderen Investitionshorizont haben muss, wo man auch stärkere, langfristigere Partner an Bord haben muss. Und das ist, glaube ich, schön zu sehen, dass es das gibt. Und da versuchen wir eben auch viel Unterstützung.

David Wortmann: Kannst du mal ein paar Beispiele nennen im Bereich Hardware, Technologie? Was brauchen wir?

Andreas Kuhlmann: Letztes Jahr hatte Kula beispielsweise einen Preis gewonnen. Da geht es um Kühlung, letztendlich mit erneuerbaren Energien. Gar nicht so leicht international, gerade in ärmeren Ländern der Welt, wirklich unglaublich brauchbar. Aber die brauchen eben Gelder, um das vernünftig zu entwickeln. Dieses Jahr hatten wir Enapta, ein Startup, das sich mit Wasserstoff und kleinteiligen Anlagen auseinandersetzt. Auch unglaublich spannend, was die machen, glaube ich auch sehr vielversprechend. Und auch da braucht man natürlich Anlagen und Piloten, die man auch richtig anfassen kann und nicht nur die digitale Technik dazu.

David Wortmann: Wasserstoff ist Elektrolyse. Das heißt, aus Strom kann man letztendlich andere oder aus erneuerbaren Energien Strom kann man verschiedenste Produkte produzieren. Also Gase, synthetische Treibstoffe und so weiter und so fort.

Andreas Kuhlmann: Genau.

David Wortmann: Und jetzt nicht im Hardware-Bereich, da gebe ich dir vollkommen recht, manchmal wird da auch zu wenig, glaube ich, auch in den Fokus drauf gelegt. weil am Ende wollen wir auch einen Umbau der Energiewirtschaft, der Energieerzeugung. Das kann nicht nur durch Digitalisierung passieren, aber unabhängig jetzt von neuen Erzeugungsarten, wo siehst du gerade im Bereich der Digitalisierung jetzt die neuen Trends, die neuen Themen, vielleicht auch Themen, die notwendig sind, wo auch neue Geschäftsmodelle auch gegründet werden sollen?

Andreas Kuhlmann: Gut, ich glaube schon, dass die Blockchain hier eine ganz wichtige Rolle spielen kann, auch wenn wir jetzt schon lange darüber reden. Wir haben gerade vor ein paar Monaten eine ganz spannende Studie dazu vorgelegt, haben wir mit Ich glaube, 15 Partnern insgesamt erarbeitet. Da haben wir elf Use Cases uns angeschaut und die richtig zerlegt in die gesamte Prozesskette von ganz vorne bis ganz hinten und geschaut, an welchen Stufen sieht es wie aus mit der Technologie-Blockchain, mit der Regulierung, mit den ökonomischen Rahmenbedingungen. Daraus ist, glaube ich, ein wirklich gutes Teil geworden, dass viele, die da tätig werden wollen, gut nutzen können. Wir haben auch viele Partner hier, gerade in Berlin, Ethereum und all die Kollegen, Ed Hesse und sein Team, mit denen wir uns viel austauschen. Aber hinzu kommt etwas, was wahrscheinlich einen kurzfristig zumindest noch viel größeren Beitrag leisten wird. Und ich glaube schon, das ist die künstliche Intelligenz. Wir sehen, dass man damit doch enorme Effizienzpotenziale hat. heben kann. Und das finde ich wirklich extrem beeindruckend, was da alles möglich ist. Also ich glaube, das wird uns im Bereich Energiewende und Energieeffizienz massiv weiterhelfen.

David Wortmann: Also im Sinne von Energieproduktion und Verbrauch besser zusammenzubringen.

Andreas Kuhlmann: Ja, richtig, genau.

David Wortmann: Was ja heute eigentlich noch eine große Herausforderung ist.

Andreas Kuhlmann: Ja, aber auch wenn man letztendlich einen Maschinenpark hat, der miteinander kommunizieren muss. Da gibt es so viele Ineffizienzen letztendlich, weil man das natürlich alles nicht so richtig gut im letzten Detail alles planen kann. Hier hilft AI, um das entsprechend zu identifizieren und die Fehlstellen abzustellen. Das hat enorme Effekte und da bin ich total fasziniert letztendlich.

David Wortmann: Jetzt hattest du eingangs auch darüber gesprochen, dass eigentlich zu wenig Impact, der Einfluss der Politik gesehen wird auf Geschäftsmodelle. Und ein Beispiel ist ja Das muss man vielleicht auch kurz erläutern. In Deutschland sind die sogenannten Smart Meter, also die intelligenten Stromzähler sozusagen, die überall jetzt eingebaut werden sollen ab einem bestimmten Verbrauch von Kilowattstunden. Und an diesem sogenannten Smart Meter Rollout hakt es ja. Und ich sehe auch viele Geschäftsmodelle, die genau deswegen nicht funktionieren. Man steht in den Startlöchern, möchte eigentlich was machen.

Andreas Kuhlmann: Ja, ist richtig. Ja, so langsam, glaube ich, klappt es jetzt mit dem Rollout ein bisschen. Also ich denke mal, da passiert jetzt In den nächsten Jahren wirklich was. Die ersten abgenommenen Muster sind da, sodass es ein bisschen losgehen kann. Aber wenn man da mal schaut, wenn man angefangen hat, darüber nachzudenken und wann es jetzt vielleicht losgeht, das war ja so ungefähr von iPhone 1 bis iPhone 8 ungefähr.

David Wortmann: Aber das ist ja schon absurd, oder? Diese Zeitdiskrepanz, die wir da sehr häufig haben. Also wir haben eine Technologieentwicklung, die ja teilweise unglaublich rasant ist und schnell ist, aber das politische System hängt so ein bisschen hinterher. Und ich bin mir sicher, das spielt hier eine große Rolle, um das zu heilen sozusagen, damit es auch schneller kommt.

Andreas Kuhlmann: Ich will da gleich gerne ein bisschen auch sagen, was wir da versuchen, um den Diskurs zwischen Startups und Politik auch zu stärken. Aber eine Sache vielleicht mal ganz grundsätzlicher halt. Insgesamt leben wir in Zeiten, in denen die Veränderungen unglaubliche Geschwindigkeit haben. Und diese Geschwindigkeit nimmt von Jahr zu Jahr eigentlich fast zu. Ich weiß nicht, ob das immer so bleibt, aber momentan ist das so. Und wir sehen vielleicht ein bisschen, wie eben diese Innovationsgeschwindigkeit plötzlich schneller ist und zwar deutlich schneller als die Möglichkeit für Politik, die Anpassungsprozesse zu gestalten. Das ist ein Problem, würde ich sagen, mit dem wir uns intensiver befassen müssen. Man sieht das bei der ganzen Nutzung von privaten Daten rund um die großen Unternehmen aus den USA. Das hängt, glaube ich, auch damit zusammen, dass wir einfach nicht frühzeitig erkennen, wie wir damit umgehen müssen, weil das einfach zu schnell ist und wir das gar nicht richtig verstehen. Und es ist natürlich auch ein Problem, wenn es darum geht, Innovationen, die möglich sind, schnell in den Markt zu bekommen. Ersteres ist, glaube ich, eine grundsätzliche Frage, die ich total spannend finde, mit der man sich auseinandersetzen muss. Zweitens ist eine, bei der man technisch natürlich ein bisschen was machen kann. Mit diesem Setlab beispielsweise haben wir das versucht. Wir haben rund 40, 50 Startups in einen sehr eng vom BMW geförderten Diskurs mit Workshops zusammengebracht. Und haben mit denen überlegt in verschiedenen Themenbereichen, woran liegt es, was könnte man konkret ändern oder was müsste man verbessern, um besser voranzukommen. Übrigens ein Prozess, wo natürlich auch nicht jedes Startup die gleiche Meinung zu hat.

David Wortmann: Weil natürlich die Geschäftsmodelle auf unterschiedlichen Regularien auch berufen, was ja an und für sich auch ein Risiko für die Geschäftsmodelle bedeutet. Auf der einen Seite, klar ist es die Chance, wenn da Regularien entstehen, aber auf der anderen Seite können sich die natürlich auch verändern und damit auch Geschäftsmodelle auch wieder kaputt machen.

Andreas Kuhlmann: Da sprichst du einen total wichtigen Punkt an, absolut richtig. So wie wir beide in den vergangenen zehn Jahren Energiepolitik kennengelernt haben, stellt man schon fest, dass Manche Dinge gehen langsam, aber es kann auch mal ganz schnell gehen, dass irgendeine Veränderung kommt. Und die muss nicht immer gut sein. Und in der Tat, wenn sich plötzlich was an den Umlagensystemen ändert, dann kann ein ganzes Geschäftsmodell wegkippen oder befördert werden. Und deswegen sollte man das schon im Blick haben.

David Wortmann: Das Beispiel CO2-Bepreisung ist ja auch da, weil man hat aktuell den Eindruck, jeder möchte es eigentlich. Selbst diejenigen, von denen man in der Vergangenheit vermutet hatte, dass sie es nicht wollen, sprich auch die Industrie, sind auch in einer Art und Weise mit dafür. Aber dennoch hakt es da so ein bisschen, dennoch scheut man sich so ein bisschen. Das ist so ein bisschen der Eindruck in der aktuellen großen Koalition, wahrscheinlich liegen da sozusagen die Hemmnisse eher im Wirtschaftsministerium als im Umweltministerium. Also die Umweltministerin hat das ja selber auch mit vorgeschlagen, dass da was passieren muss. Wie erklärst du dir das? Weil die Wirtschaft möchte es ja eigentlich.

Andreas Kuhlmann: Tja, die Wirtschaft möchte es eigentlich. Das ist ein bisschen arg pauschal gesagt. Es gibt immer mehr Akteure in der Wirtschaft, die das wollen. Es gibt aber auch natürlich noch einige, die Sorgen haben. Und was man schon sehen muss, ist, dass da mit einer solchen Reform würden viele Gelder umverteilt werden. Das heißt, keiner weiß so richtig, wo komme ich da raus? Was passiert eigentlich mit meinem Geschäft, mit meinem Portemonnaie, mit meinem Budget in der Zukunft? Das sorgt für unheimlich viel Verunsicherung. Dann noch diese ärgerliche Situation mit den Gelbwesten in Frankreich, wo es heißt, dass das ein Auslöser war, die Erhöhung der Spritpreise eben mit dem Argument CO2 einsparen zu wollen. Ich bin davon überzeugt, dass man das alles viel besser machen kann, dass man das gut und vernünftig regeln kann. Aber wir brauchen Vertrauen eben für diese Lösungsansätze. Was ich momentan sehe, ist, dieses Vertrauen wächst Stück um Stück. Und wir sind vielleicht kurz davor, einen echten Auftrag zu bekommen, jetzt nicht wir als Dena unbedingt, sondern wir in Deutschland, um es wirklich voranzutreiben, weil erst dann macht es auch Sinn, mit den unterschiedlichen Stakeholdern zusammenzuarbeiten. Ja, die Probleme, die auftauchen können, auch so zu besprechen, dass wir es am Ende gut hinbekommen.

David Wortmann: Weil am Ende sollen es ja auch immer Geschäftschancen sein, die wir kreieren wollen. Also ein anderes Beispiel ist ja die jetzt veränderte Verordnung für die Nutzung der Elektroscooter. die ja auch ein Argument dafür sind, zu sagen, dass man vielleicht durch die Elektroscooter noch mehr das Auto vielleicht stehen lässt. Im besten Falle werden die Elektroscooter durch erneuerbare Energien auch versorgt. Also da hat man im Prinzip ja schon ein Cleantech-Produkt, aber man durfte es nicht nutzen, weil es weder auf den Fußgängerwegen noch auf der Straße nutzbar war. Aber da hat sich ja dann auch der Verkehrsminister sehr, sehr schnell dann auch durchgerungen, etwas zu tun. Das ist mal ein Positivbeispiel, aber es gibt halt wahrscheinlich auch viele, viele andere Beispiele, wo man doch ein bisschen schneller auch sein könnte.

Andreas Kuhlmann: Ja, absolut. Ich meine, worum es uns eigentlich geht, ist CO2 zu reduzieren. Wir müssen diesem Klimawandel etwas entgegenstellen. Und das ist auch nicht irgendwie ein Nebenaspekt, das ist für mich persönlich der ganze Zentrale. Und da müssen wir besser werden, da können wir erfolgreicher werden. Und die spannende Frage ist dann, ist das eine Bürde oder ist das eine Chance? Und alles das, was du jetzt auch beschrieben hast, zeigt, dass die Zahl der Chancen deutlich höher ist als die Zahl der Risiken. Risiken sehe ich eher, wenn wir uns der Sache nicht annehmen. Dann verlieren wir den Ruf als technologieführendes Land, als Innovationsland, als Land der Ingenieure, die Zukunft gestalten können. Und ich glaube, das sollten wir uns hier nicht erlauben.

David Wortmann: Und da kommen wir ja zur These zu Beginn unseres Gespräches zurück, also das, was damals möglicherweise die Energiekonzerne verschlafen haben, proaktiver mit den erneuerbaren Energien umzugehen, was sozusagen so ein bisschen als Geschäftschance dann viele Jahre dann nicht erkannt worden ist, diesen Fehler nicht nochmal zu machen, sondern eher dann diesen Umbauprozess auch als Chance zu sehen.

Andreas Kuhlmann: Durchaus, ein bisschen aktiver begleiten, das wäre schon eine gute Sache.

David Wortmann: Vielleicht nochmal so zum Ende unseres Gespräches. Was ist denn dein großer Wunsch an die Politik? Also wenn der regulatorische Rahmen so ein großes Chance auch darstellt oder auch ein Risiko darstellt für viele Geschäftsmodelle, was muss sich jetzt ändern, damit wir tatsächlich auf die 65% erneuerbaren Energien kommen oder vielleicht auch irgendwann mal auf die 100% erneuerbaren Energien kommen?

Andreas Kuhlmann: Wir sprechen ja in spannenden Zeiten. Gerade eben hat sich das Klimakabinett gegründet. Die reden jetzt darüber, wie man die verschiedenen Maßnahmen in den unterschiedlichen Sektoren voranbringt. Die reden darüber, ob wir ein Klimaschutzgesetz als Rahmen noch brauchen. Die reden darüber, wie der ökonomische Rahmen neu gestaltet werden kann. Da ist unheimlich viel auf dem Tisch. Was ich mir wirklich wünschen würde, ist Dass dort gesehen wird, dass wir mit einer Veränderung erstens bestehende soziale Verwerfungen abbauen können, zweitens auch Verunsicherungen in der Industrie vielleicht beheben können, die wir in der Vergangenheit hatten wegen der ganzen Veränderungen. Abgaben und dergleichen. Und drittens eben Innovation und Technologieoffenheit massiv voranbringen können, wenn wir geschlossen vielleicht in dieser Bundesregierung mit ambitionierten Projekten vorangehen. Ich frage mich, was da wirklich rauskommen wird, denn das ist gar nicht so einfach. Politik hat sich in den vergangenen Jahren zu wenig damit befasst. Jetzt müssen sie in relativ kurzer Zeit etwas hinbekommen. Und jeder, der da helfen kann, soll sich einmischen jetzt, auch öffentlich oder mit Briefen.

David Wortmann: Was kann denn die Politik ganz konkret tun, also um Innovation zu fördern? Geht es dann immer nur um Geld?

Andreas Kuhlmann: Naja, also irgendwie geht es immer ein bisschen um Geld, aber die eine Sache ist schon der Umbau des ökologischen Rahmens. Da geht es tatsächlich um viel Geld, aber eben nicht so, dass der Staat mehr Geld einnehmen kann. Aber die regulatorischen Rahmenbedingungen kann man innovationsfreundlicher gestalten. Die ganze Frage Speicher beispielsweise, die ganze Frage Speichersysteme, die Frage synthetische Kraftstoffe vielleicht. Alles das sind Dinge, viele andere Modelle von Startups, die vielleicht Plattformen anbieten, um sie attraktiv zu machen für Haushalte und dergleichen. Viele dieser Geschäftsmodelle laufen nicht so, weil eben der regulatorische Rahmen innovationsfeindlich ist. Das zu erkennen und abzuändern, das wäre eine gute Sache.

David Wortmann: Was wünschst du dir von den Unternehmen? Also was muss hier noch mehr passieren? Und von den Investoren auch, die dahinter stehen?

Andreas Kuhlmann: Momentan sehe ich bei den Unternehmen viel Speed und viel Interesse. Viele sind, gerade von den Etablierten, sind froh, dass sie heute wieder auch positiv neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansprechen können. Weil jetzt geht es ja darum, die Zukunft auch wirklich zu gestalten. Und diesen Umbruch hat man da vielleicht auch hinter sich. Ich wünsche mir Dynamik, Power, Austausch, Offenheit für sektorübergreifende Geschäftsmodelle und vor allem letztendlich auch einen guten, aber auch einen fairen Wettbewerb und eine faire Partnerschaft mit Startups aus aller Welt.

David Wortmann: Und dass die Energiekonzerne sich jetzt kümmern, sieht man ja auch allein daran, dass die allermeisten großen Energieversorger, sei es Vattenfall, die InnoG, E.ON, eine EMBW und auch der mittleren Energieversorger inzwischen ja auch sehr viel für Startups machen. Die haben eigene Acceleratorenprogramme.

Andreas Kuhlmann: Das ist richtig, ja.

David Wortmann: Und das ist also auch etwas, was du schon auch als Erfolgsversprechen siehst.

Andreas Kuhlmann: Ja, das ist ein Punkt, der ist ganz spannend. Ich bin manchmal so ein bisschen ambivalent, was so unternehmensspezifische Innovationshubs angeht. Ich finde es eigentlich sinnvoller, wenn sich unterschiedliche Unternehmen, vielleicht sogar aus unterschiedlichen Branchen, zusammentun und einen Hub, einen Accelerator bauen, in dem dann letztendlich Startups von einem guten Management aufgenommen und begleitet werden. Da haben wir auch als Dena mal einen Vorschlag erarbeitet. Aber das setzt voraus natürlich, dass die Kooperationsbereitschaft der Unternehmen größer ist. Hier und da sieht man es, aber ich glaube, das bräuchten wir mehr.

David Wortmann: Und dass Deutschland ein sehr guter Standort ist für Startups in diesem Bereich, zeigt ja die von dir zwischendurch ja schon zitierte Zahl, dass von der Anzahl der Greentech-Industrie allein Deutschland 14 Prozent sozusagen beistellt. Ja.

Andreas Kuhlmann: Absolut. Und jetzt bei allem Gemeckere über das, was in Deutschland passiert. Man kann das auch ein bisschen erklären. Wir haben nämlich ein hervorragendes Ecosystem in Deutschland. Wir haben durchaus viele Start-ups, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sind. Wir haben gute Kooperation mit Wissenschaft, mit Universitäten, wachsendes Interesse der etablierten Unternehmerschaft und auch des Mittelstandes. Auch die Politik wird aufmerksamer, die Förderung wird besser. Wir haben wahrscheinlich eines der kleinteiligsten Energiesysteme der ganzen Welt mittlerweile mit 1,8 Millionen Solaranlagen und all diesen Dingen. Jeden Tag kommen neue dezentrale Komponenten dazu. Hier kann man unheimlich viel ausprobieren und auch voranbringen. Und wenn es, if you can make it here, you can make it everywhere.

David Wortmann: Das ist ein guter Abschlusssatz und ich bedanke mich sehr, sehr für das tolle Gespräch, Andreas, und wünsche euch mit der Deutschen Energieagentur ganz, ganz viel Erfolg und kann nur alle Startups und neue Unternehmer in diesem Bereich, in diesem Sektor einfach auch aufrufen, sich mal zu erkundigen, was denn alles so bei der Dena passiert. Vielleicht ganz kurz zum Abschluss noch, wann bewegt man sich jetzt für den nächsten Set Award?

Andreas Kuhlmann: Ja, das dauert noch ein bisschen. Das machen wir immer erst so im November. Aber zwischendurch finden schon unterschiedliche Sachen auch statt. Mal auf die Homepage gucken. www.startup-energy-transition.de Klasse.

David Wortmann: Danke, Andreas.