Claudia Kemfert über Chancen des Klimaschutzpakets

6. November 2019, mit David Wortmann

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David Wortmann: Ja hallo, herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Cleantech Podcast. Mein Name ist David Wortmann. Ich bin heute hier im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und sitze hier mit einer der profiliertesten, das kann man vielleicht doch sagen, Claudia, Wissenschaftlerin hier zusammen, Claudia Kempfert. Sie ist Professorin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt. Sie hat in den letzten Wochen und Monaten nicht nur im Vorfeld dieses sogenannten Klimaschutzpaket, was ja vor einiger Zeit vorgestellt worden, ist viel mitgewirkt, sondern kann uns hier vielleicht auch helfen, das so ein bisschen einzusortieren, in welche Richtung das geht, welche Chancen und Risiken dort für Geschäftsmodelle drin sind. Und ja, ich freue mich total, dass wir es geschafft haben, Claudia.

Claudia Kemfert: Ja, ich freue mich auch. Hallo. Also ich bin sehr gespannt. Das ist eine sehr gute Gelegenheit.

David Wortmann: Wir haben ja üblicherweise auch viele Unternehmer hier in unserem Podcast. Insofern ist es, glaube ich, mal ganz spannend, von dir als Wissenschaftlerin und als Ökonomin sozusagen so eine Einordnung zu bekommen. Und vielleicht kurz vorneweg, du bist ja jetzt nicht nur Wissenschaftlerin, sondern du bist auch einer derjenigen, die auch sehr gerne auch über die Wissenschaft, über die Ergebnisse auch kommunizieren. Du hast einen sehr großen Einfluss, beziehungsweise du wirst sehr gerne gehört, auch in der Politik, in den Medien. Ich habe nochmal nachgeschaut, das Hängt immer so ein bisschen vom Ranking ab. Da gibt es ja auch so Rankings und da gehörst du immer sozusagen zu den Spitzenwissenschaftlerinnen, die auch immer wieder gerne gehört werden. Und das tun wir natürlich gerne ja auch. Aber du bist darüber hinaus Professorin an der Hertie School of Governance. Du bist Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen und bist auch Gutachterin des Intergovernmental Panels on Climate Change, also des berühmten IPCCs, welches immer wieder feststellt, was denn jetzt getan werden muss global, um CO2 einzusparen. Und vielleicht kurz als letztes, und dann möchte ich dir vielleicht gerne nochmal ein bisschen die Gelegenheit geben, das vielleicht nochmal ein bisschen zu ergänzen, dieses Bild. Du bist auch häufig Jurorin in verschiedenen Preisen und auch unter anderem bei einigen Unternehmenspreisen. Green Tech Award, beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis werden auch immer wieder Unternehmen ausgewählt. Insofern hast du auch nicht nur als Makroökonom einen großen wirtschaftlichen Sachverstand, sondern auch da auch sehr viel Erfahrung, auch gerade was Geschäftsmodelle anbelangt.

Claudia Kemfert: Ja, also vielen Dank für die freundliche Einleitung hier zu dem Ganzen, was wir hier auch gemeinschaftlich machen. In der Tat ist es so, dass das Thema Energiewende, Klimaschutz ganz viele Bereiche tangiert und durch die Tätigkeiten, die ja umfassend sind, jetzt im Sachverständigenrat oder auch in den einzelnen Gremien, immer wieder auch Geschäftsmodelle, Unternehmensentwicklungen begutachtet werden, bewertet werden und ich das unheimlich spannend finde. Deswegen bin ich auch gerne in diesen Juries auch tätig, weil man Unternehmen kennenlernt, weil man auch ein bisschen hinter die Kulissen guckt, weil man sieht, was es für tolle Unternehmer gibt, auch in diesem Land, in Europa überhaupt, die neue Geschäftsmodelle entwickeln, die Ideen entwickeln, auch Startups, die ganz viele tolle Dinge tun. Für die. Und das finde ich unglaublich spannend, weil ich gucke sehr gerne auch positiv in die Zukunft und schaue, was ist möglich, was sind die Chancen, die dahinterstehen. Das habe ich ja auch schon sehr früh auch in einem meiner ersten Bücher so thematisiert, wo ich mich explizit auch damit beschäftigt habe und finde es nach wie vor hochspannend. Und Unternehmer auch kennenzulernen, die sich da auch der Zukunft steuern. und das auch sehr erfolgreich oder auch Dinge entwickeln, das macht wirklich viel Spaß. Und die dann auch auszuzeichnen. für Engagement ist dann auch immer eine schöne Gelegenheit, das auch zu würdigen und auch zu sehen, es gibt ganz, ganz tolle Bewegungen, die man auch unterstützen sollte.

David Wortmann: Klimaschutz ist ja das große Megathema aktuell. Wir beide wissen, dass es eigentlich schon sehr viel länger ein größeres Megathema hätte sein können. Aber ich glaube, wir können froh sein, dass das Thema Klimaschutz so hoch auf der Agenda ist. Das eine ist, dass politische Ziele gesetzt werden müssen. Und darüber reden wir gleich kurz. Das andere ist, dass natürlich andere mithelfen, diese Ziele zu erfüllen. Dazu gehören natürlich die Unternehmen, die mit Geschäftsmodellen, Technologien neue Geschäftsmodelle und Technologien entwickeln müssen, die sich dann möglichst positiv auf Klimaschutz und Umweltschutz auch einzahlen. Bevor wir da jetzt nachher auch drauf kommen, am 20. September waren in Deutschland, glaube ich, 1,4 Millionen Menschen auf der Straße, allein in Berlin 270.000 Menschen. Am gleichen Tag hat die Bundesregierung ein sogenanntes Klimaschutzpaket verabschiedet. Was ist denn da überhaupt verabschiedet worden?

Claudia Kemfert: Ja, verabschiedet worden sind verschiedene Dinge. Das eine ist, dass man einen Rahmen setzen will für die zukünftige Klimaschutzpolitik mit einem Klimagesetz, was endlich nach vielen, vielen Jahren der Diskussion auch dann umgesetzt werden soll, was auch in die richtige Richtung geht, wo man einen Rahmen schafft, damit die Investoren, damit auch entsprechend die Ökonomie sich umorientiert in Richtung Dekarbonisierung, investiert eben in Klimaschutz. Klimaschonende Aktivitäten, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und all das. Und das will man auch sektorspezifisch zuordnen. Das heißt, die Ministerien bekommen ja eine Verantwortung, die Ziele auch zu erfüllen. Das ist das eine. Und das andere ist, dass man an verschiedenen Einzel-Stellschrauben etwas drehen will. Zum Beispiel mehr Förderung für nachhaltige Verkehrswende, für die Elektromobilität, Ladeinfrastruktur. Der Schienenverkehr soll gestärkt werden, der ÖPNV, der Flugverkehr etwas verteuert, also viele Einzelmaßnahmen, die da genannt werden. Und auf der anderen Seite ging es auch immer die ganze Zeit um diese Thematik CO2-Bepreisung. Wie hoch müsste denn ein CO2-Preis sein und auf was kann man sich da einigen? Und das war offensichtlich in den Diskussionen extrem schwer am Ende, da auch mit einem, wirkungsvollen Ergebnis rauszukommen, sodass es kommunikativ schwer noch möglich war, jetzt die ganzen Menschen, die da an dem Freitag auf der Straße waren, ich war auch Teil von Science for Future, auch teilweise dabei, und da war eine große Enttäuschung dann da, als die Ergebnisse zumindest als erstes so ein bisschen durchsickerten. Aber ich will mal ein bisschen wohlwollender das einordnen, weil es geht hier schon darum, dass man jetzt mal einen Anfang hat. Und ich glaube, dass da viel auch unterschätzt wird, was jetzt die Potenziale auch von so einem Klimaschutzgesetz sind, der jährlichen Überprüfung, der Zuordnung auch der Verantwortlichkeiten. Und man muss jetzt noch darüber sprechen, wie weit jetzt zum Beispiel auch die europäischen Strafzahlungen drohen. Wenn man im Wärme- und Verkehrssektor es nicht erreicht, muss man Zertifikate zukaufen. Dass das nicht nur vom Finanzminister getragen wird, sondern dass es auch eine Art von Sanktionierung in Anführungsstrichen gibt für diejenigen, die es nicht schaffen. Aber dass man das zumindest mal hat und dann jetzt schrittweise darauf aufbaut. Weil mehr kann es tatsächlich nicht sein. Weil das, was man leider versäumt hat aus unserer Sicht, ist, dass man umweltschädliche Subventionen beispielsweise reduziert. Die gibt es nach wie vor. Ja, die gibt es nach wie vor. Und darauf wird eben aufbauen, jetzt die ganzen Instrumente gestülpt. Eine umweltschädliche Subvention ist die Pendlerpauschale. Die hat man jetzt auch noch ausdrücklich erhöht. Das war jetzt überhaupt nicht das, was wir vorgeschlagen haben. Deswegen sind wir da auch sehr, sehr kritisch, weil man mit diesem Konzept, so wie man es jetzt macht Einerseits einen sehr niedrigen CO2-Preis, der bringt jetzt erstmal sehr wenig. Andererseits erstattet man auch noch eine höhere Pendlerpauschale, dann auch noch hohe Einkommensbezieher, übervorteilt und niedriger Einkommen benachteiligt.

David Wortmann: Da gehen wir in die Details gleich auch nochmal ein bisschen tiefer rein, aber vielleicht nochmal grundsätzlich. Also wir haben das Klimaschutzgesetz und dann haben wir eine Reihe von Einzelmaßnahmen sozusagen, die zum Beispiel Verbot der Ölheizungen und so weiter und so fort, da kommen wir nachher nochmal dazu. Wenn wir uns das Klimaschutzgesetz anschauen, Das ist im Grundsatz die von dir erwähnte CO2-Bepreisung. Und wenn ich das richtig in Erinnerung habe, habt ihr mit dem Sachverständigenrat für Umweltfragen im Vorfeld ja auch ein Gutachten gegeben. Da hattet ihr glaube ich 30 Euro die Tonne vorgeschlagen.

Claudia Kemfert: 35 als Einstiegspreis.

David Wortmann: 35 Euro die Tonne und am Ende sind es dann ja dann doch nur 10 Euro die Tonne geworden. Also kannst du vielleicht erstmal diesen Mechanismus nochmal vielleicht beschreiben, wie dieser Mechanismus überhaupt funktioniert und dann werden diese 10 Euro überhaupt eine Lenkungswirksamkeit erzeugen oder nicht?

Claudia Kemfert: Ja, wir haben uns das in der Tat im Vorfeld der Entwicklung dieses Klimapakets im Detail angeschaut, im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Nicht für den Sachverständigenrat, sondern als DIW. Aber davon unbenommen haben wir uns angeschaut, was müsste denn eingeführt werden, damit man einerseits eine Lenkungswirkung hat, die Emissionen runtergehen und andererseits ein sozialer Ausgleich kommt, dass man eben nicht hohe Einkommensbezieher erhält. Jetzt stark entlastet und niedriger belastet. Und da waren zwei Dinge. Das eine war, wir wissen aus der Forschung, dass im Verkehrssektor und Wärmesektor wir relativ hohe CO2-Preise brauchen, um überhaupt Emissionsminderungsziele zu erreichen. Wir haben ja schon eine Besteuerung auch auf Benzin und Diesel von über 280 Euro pro Tonne CO2. Das wird ja häufig vergessen. Und wir sehen aber, dass die Die Ökosteuer und die Mineralölsteuer. Und wir wissen, dass allein schon diese Preise kaum, so gut wie gar keine Lenkungswirkungen erzielt haben. Das heißt, die Emissionen steigen ja, sie sinken nicht. Es kommt noch die Dieselsteuererleichterung hinzu, die auch nochmal dazu führt, dass noch mehr Dieselfahrzeuge fahren. Also da wissen wir, wir bräuchten relativ hohe CO2-Preise darauf noch, die dann dazu führen, dass die Emissionen sinken. Und wenn wir jetzt bei 35 Euro pro Tonne CO2 einsteigen, passiert noch nicht allzu viel. Da haben wir vorgeschlagen, das relativ schnell auf 80 Euro pro Tonne CO2 zu erhöhen und dann auf 180 Euro bis 2030, um einen Teil der Klimawirkungen zu erreichen im Verkehrssektor. Noch nicht alles. Und im Wärmesektor sieht es ähnlich aus. Und deswegen macht es Sinn, da höher einzusteigen. Und wir sehen aber auch, weil dann ja die Diskussionen um die Gelbwesten kommen, weil wenn Benzinpreise so stark ansteigen, Da reden wir dann von 20 Cent bis zu 40 Cent pro Liter bei 180 Euro pro Tonne CO2. Um da jetzt nicht die Gelbwesten auf den Straßen zu haben oder die ganzen Proteste, sollte man das Geld rückerstatten. Wir haben da eine Pro-Kopf-Rückerstattung empfohlen, ähnlich nach dem Schweizer Vorbild, wo man den Menschen das Geld zurückgibt und man hat dann auch noch genügend Einnahmen, um alles Mögliche zu finanzieren, insbesondere den Schienenverkehr, den wir sträflich vernachlässigt haben in den letzten Jahrzehnten. Bahnhöfe müssen wieder ausgebaut werden, Schienenstrecken ausgebaut werden. Die Nachtzüge müssen wieder kommen. Die Nachtzüge müssen kommen. Es muss alles sehr viel billiger, attraktiver, komfortabler werden, damit die Menschen auf die Bahn umsteigen. Das würden sie dann auch tun. Das ist ein ganz wichtiger Punkt neben der Elektromobilität. Aber bei dem CO2-Preis müsste man relativ hoch einsteigen. Zurückerstatten pro Kopf, das entlastet vor allen Dingen niedrige Einkommensbezieher.

David Wortmann: Aber sie werden ja entlastet. Das heißt, im Idealfall gibt es sozusagen eine Neutralität im Haushaltseinkommen. Würde das denn dernoch eine Lenkungswechsamkeit erzielen?

Claudia Kemfert: Genau. Deswegen ist es so wichtig, dass man parallel eben das Geld auch nimmt und damit alternative Verkehrsformen unterstützt. Weil die Menschen müssen ja auch eine Alternative haben. Man kann jetzt den Preis stark erhöhen, aber gerade niedrige Einkommensbezieher müssen ja auch Möglichkeiten haben, mobil zu sein. Der Schienenverkehr bietet sich hier an. Wenn man gerade auch den Schienenverkehr im ländlichen Raum anschaut, wäre es sehr wichtig, diesen deutlich auszubauen. Gleichzeitig die Elektromobilität zu fördern, damit auch die Fahrzeuge erschwinglich werden, die Ladeinfrastruktur ausgebaut. Und fördern.

David Wortmann: meinst du, dass wirklich nochmal Geld in die Hand genommen werden muss?

Claudia Kemfert: Geld in die Hand genommen werden muss. und wir schlagen vor, Geld in die Hand genommen werden muss, um die Ladeinfrastruktur auszubauen. Und wir schlagen eine Elektroquote vor, Autoquote vor, für neu zugelassene Fahrzeuge auszubauen. Ab 2025 von 25 Prozent, ab 2030 von 50 Prozent, sodass die Autohersteller auch gezwungen werden, die Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. Wenn man auf der anderen Seite dann auch fossile Energien verteuert, auch die Dieselsteuer erhöht und gemäß dem CO2-Preis, dann schafft man auch tatsächlich einen Switch hin zu mehr Nachhaltigkeit. Ohne all das wird es schwierig, um jetzt auf deine Frage zurückzukommen. Die 10 Euro reichen im Ansatz nicht aus, weil das sind irgendwie 3 Cent pro Liter Benzin, inflationsbereinigt, also gar nichts. Und selbst die 25 Euro auf die es dann ergehen soll, 35 Euro, werden nicht viel bewirken. Das haben wir uns jetzt auch nochmal kürzlich angeguckt, auch die 60 Euro pro Tonne CO2. Wenn es dabei bleibt, wäre es deutlich besser als 10 Euro, aber auch dann wird man nur maximal 30 Prozent der Emissionsminderung erreichen können. Das heißt, wir brauchen alle anderen Maßnahmen, damit das überhaupt gelingen kann, die 2030-Ziele zu erreichen.

David Wortmann: Weil was ja nicht passieren darf, ist, dass das Fliegen teurer wird, aber ich hätte keine Alternative zum Fliegen, weil dann würde ich möglicherweise trotzdem Fliegen immer mehr Geld ausgeben dafür. Und deswegen stecken da ja dann auch die Chancen für neue Technologien und neue Treibstoffe, aber auch neue Verkehrsträger natürlich.

Claudia Kemfert: Ganz genau, richtig. Da stecken die Chancen für den Wandel, für die neuen Technologien, für neue Geschäftsmodelle. weil in der Tat brauchen wir diese Alternativen. Wir können nicht einfach nur irgendwas verteuern und die Menschen können nicht mehr mobil sein. Deswegen ist es so wichtig, dass man das eine tut, ohne das andere zu lassen und beides gleichzeitig macht, also CO2-Preise auch in vernünftiger Höhe einführt und gleichzeitig die nachhaltige Mobilität entsprechend fördert.

David Wortmann: Jetzt wird der CO2-Preis, wie er jetzt eingeführt wird, keine Lenkungswirksamkeit erzeugen. Allerdings ist damit zumindest schon mal so eine Art Grundmechanismus geschaffen worden, die Möglichkeit gibt, in Zukunft zumindest dann den Preis auch nochmal anzuerhöhen, um dann möglicherweise dadurch eine Lenkungswirksamkeit zu erzeugen. Jetzt hast du gerade schon die verschiedenen Sektoren angesprochen. Wahrscheinlich sind es auch die Hauptsektoren, der Energiesektor. Da passiert ja schon einiges und die Hauptsektoren ist sozusagen der Gebäudesektor und der Verkehrssektor. Vielleicht gehen wir nochmal so ein bisschen ins Detail, was diese beiden Sektoren auch haben, den Verkehrssektor. Da sagst du das klar mit den 10 Euro, am Ende sind es irgendwie 3, 4 oder 5 Cent. Dann wird das nochmal auskompensiert mit so einer Pendlerpauschale. Das heißt, es gibt sogar nochmal Anreize, auch sogar nochmal mehr zu fahren. Wo siehst du jetzt in naher Zukunft die tatsächlichen Geschäftschancen im Bereich der Verkehrswende?

Claudia Kemfert: Ja, im Bereich der Verkehrswende sind gigantische Geschäftschancen, weil man da noch am Anfang steht, anders als bei der Energiewende, wo wir ja schon 20 Jahre auch Entwicklungen hinter uns haben, wo auch noch viel notwendig ist, aber im Verkehrssektor ist wahnsinnig viel möglich und notwendig. Wir brauchen einmal Auch intelligente Schienenverkehrssysteme, insbesondere wenn es auch um, das klingt jetzt komisch, aber autonomes Fahren ist auf der Schiene ja nicht so kompliziert wie auf der Straße. Aber auch hier können Züge autonom eingesetzt werden, sehr effizient eingesetzt werden. Oder auch neue Treibstoffe, die notwendig sind, nicht nur im Schienenverkehr, auch im Schwerlastverkehr und Schiffsverkehr. der dann im Einsatz ist für die Bereiche, wo man Individualverkehr nicht elektrisch nutzen kann. Bei der Verkehrswende gilt, weil wir die Energiewende machen und mehr Ökostrom haben, dass man alles, was elektrisch geht, machen muss. Schienenverkehr, ÖPNV, Elektromobilität im Individualbereich, weil das die effizienteste Form ist, weil wir damit nicht noch mehr Energie verschwenden. Wenn wir erst mal Umwandlungsprozesse haben Richtung Wasserstoff und Power to Gas, verlieren wir wahnsinnig viel Energie auf dem Weg dorthin. Also man hat Wirkungsgrade von bis zu nachher nur noch 12 Prozent bei Power to Gas. Also ein sehr wertvoller Kraftstoff, wo wir auch sehr viele erneuerbare Energien für bräuchten. Und deswegen wäre es sinnvoll, dass man erstmal bei der Verkehrswende vermeidet, optimiert und dann auch entsprechend verlagert. Das heißt, wir sollten nicht jetzt die 47 Millionen Fahrzeuge, die wir jetzt auf den Straßen haben, einfach nur ersetzen mit einem Elektromotor und die Welt ist gut. Das kann es nicht sein, sondern hier kommen die neuen Geschäftsmodelle. dass wir Mobilitätsdienstleistungen benötigen, dass wir intelligente KI, also künstliche Intelligenz benötigen, Digitalisierung, auch zum Modelsplit, also dass man einzelne Komponenten zueinander bringt. Also wenn ich zum Beispiel eine App habe und habe eine App, das gibt es ja jetzt auch für Berlin, Und ich will von A nach B und habe bestimmte Constraints nach Zeit oder Geld oder wie mobil ich bin. Und dann bekomme ich die Optionen angezeigt. Das kann Elektrofahrrad sein, Lastenrad mit der S-Bahn oder mit dem Elektrofahrzeug. Je nachdem, was ich brauche. Und die Digitalisierung, die Apps, die können mir jetzt zeigen, was ich damit an CO2 einspare, wie viel Zeit ich brauche. wie teuer es ist und so. Und damit kann man eben sehr effektiv die Verkehrswende umsetzen. Und das sind hochinteressante neue Geschäftsmodelle, gerade für neue Unternehmen, die sich auch in diesem Marktsegment bewegen. Oder auch Etablierte, die auch überlegen, sich dort hinein zu bewegen. Das ist die eine Seite. Und die andere ist der ganze Fahrzeugmarkt. Da geht es in Richtung Elektromobilität oder im Schiffsverkehr in Richtung Power to Gas, synthetische Kraftstoffe. Der Flugverkehr dann auch mit synthetischen Kraftstoffen. Es gibt interessante Forschungen zum Thema Flugverkehr. Nicht jetzt. Die gibt es schon lange. Sie wurden noch nie so richtig aus den Schubladen ausgepackt, weil man es von der fossilen Industrie unterdrückt hat. Aber das kommt jetzt so langsam wieder raus. Es gibt interessante erste Ideen auch für Elektroflieger, die Kurzstrecken fliegen, zum Beispiel die Inselhopper oder Kurzstrecken, die geflogen werden können. Das sind keine großen Passagierflugzeuge, obwohl mir da die Forscher auch sagen, es wäre auch möglich. Da bin ich etwas skeptisch, zumindest was so die Batterietechnologie angeht.

David Wortmann: Es gibt ja konkrete Beispiele auch schon, also von kleinen Regionalfliegern bis hin zu Velocopto oder Lithium.

Claudia Kemfert: Ganz genau. Oder auch genau diese Flugtaxis, die es dann auch gibt. Das sind dann wieder andere Probleme, die sich dadurch auftun. Aber zumindest ist es technisch auf jeden Fall da und auch schon teilweise im Einsatz. Und beim Flugverkehr, jetzt den Langstreckenflugverkehr, geht man eher auf synthetische Kraftstoffe oder Biokraftstoffe. Die müssen allerdings dann nachhaltig sein. Das ist durchaus machbar, auch technisch machbar. Man muss es nur die Rahmenbedingungen so anpassen, dass es endlich funktioniert. Und da würde ich mir wirklich, wenn ich mir mal was wünschen darf, jetzt hier sind wir am Wünsch-dir-was-Konzert, wäre es so schön, wenn man eine Kombination hätte von der Bundesregierung, die Rahmenbedingungen setzt. zusammen mit Unternehmern, gerade die Flugbranche ist hier glaube ich prädestiniert dafür, eine Allianz zu schaffen für klimaschonenden Verkehr, für Flugverkehr in der Zukunft, damit solche Treibstoffe in den Einsatz kommen. Was dafür gebraucht wird, technisch ist es darstellbar, sollte dann in Kooperation mit der Politik in den Markt kommen. Und da fände ich eine viel, viel wertvollere Diskussion und viel, viel besser, das endlich mal auch in der Öffentlichkeit so reinzubringen, anstelle den Leuten zu erzählen, ihr dürft nicht mehr nach Mallorca fliegen oder ihr dürft das nicht fliegen. Das ist alles gut und richtig, dass man sich überprüfen muss. Jeder kann was dazu beitragen. Ich selbst tue es auch, kompensiere die Emissionen, alles richtig. Aber der richtige wirkungsvollste Beitrag wäre, darüber die Unternehmen, zusammenzukriegen in einer Innovationsoffensive für klimaschonenden Flugverkehr. Und das wäre wünschenswert.

David Wortmann: Aber ist das möglicherweise auch eine grundsätzliche Kritik dann auch an diesem Klimaschutzpaket, auch der öffentlichen Diskussion auch gegenüber, dass so stark immer über CO2-Emissionsreduktion gesprochen wird, CO2-Preise gesprochen wird. Also der schwingt ja immer irgendwie mit, wir müssen irgendetwas reduzieren und irgendwas wird teurer. Und natürlich sieht man dann gleich die Bildüberschriften, dass der kleine Mann, die kleine Frau am meisten davon betroffen sind, was ja durchaus auch stimmt, wenn man sich die Haushaltseinkommen mal anschaut. Und dass wir eigentlich viel zu wenig darüber sprechen, was sind denn eigentlich die neuen Technologien? Und häufig sind es ja noch nicht mal neue Technologien, es sind ja existierende Technologien. Und hätte man da nicht vielleicht auch noch sehr viel mehr den Schwerpunkt auch drauf setzen sollen, zum Beispiel einfach mal zu sagen, wir bauen jetzt 100 Prozent erneuerbare Energien aus?

Claudia Kemfert: Ganz genau. Also das ist genau mein Thema, was ich jetzt wirklich auch schon seit über zehn Jahren auch durch alle meine Bücher, Veröffentlichungen und so weiter immer postuliere, dass wir auf die Chancen gucken müssen. Und die Chancen sind gigantisch. Und die Wirtschaft, die auch im Schulterschluss zu nehmen, in die Verpflichtung auch zu nehmen, aber auch im Schulterschluss, wie man das gemeinschaftlich umsetzen kann und da auch eine Allianz der Willigen zu konstruieren und da Möglichkeiten zu schaffen, das explizit umzusetzen. Und ich stimme völlig überein, dass man auch in der Kommunikation in die Falle tappt, dass man jetzt nur darüber redet, was alles nicht gemacht werden darf, die Menschen moralische Verpflichtungen aufbürdet, dass man gar nicht darüber redet, was es denn oder nur über Preise redet oder welche Chancen dahinter stehen, werden überhaupt komplett ausgeblendet. Das stört mich ungemein. Und ich würde mir da wirklich mal wünschen, dass man sowohl von der Politik, das kommunikativ angeht, aber auch mit der Wirtschaft das gemeinschaftlich umsetzt und auch einen Fahrplan zeigt und wirklich mal in der Öffentlichkeit, ich weiß nicht wann, vielleicht auch kurz mal vor der Tagesschau, da jemanden hat, der erklärt, was alles gemacht wird, wie es der Umwelt geht. und was dafür gemacht wird, das zu verbessern und nur mal über Möglichkeiten reden. Das sage ich auch allen großen Unternehmen, wenn ich da mal zu Gast bin und sage, man erzählt mir doch nicht immer, was nicht geht. Ich möchte von euch mal wissen, was geht. Und dann wird es interessant, weil dann klappen die ihre Laptops auf und sagen, ja, selbstverständlich. Das können wir machen, das können wir machen, das können wir machen. Und dann wird es hochinteressant. Und da hätte ich gerne eine öffentliche Spotlight drauf, dass wir darüber reden und nicht nur, was alles nicht geht, sondern nur noch darüber, was geht und dann auch gemeinschaftlich überlegen, wie kriegen wir das denn jetzt auch hin. Und da bin ich mir ziemlich sicher. dass man nicht nur die Unternehmen dabei hätte, neue Unternehmen, etablierte, sondern auch die Menschen mitnehmen kann, wie es ja immer von der Politik hier so schön gesagt wird, dass man sie nicht verschreckt, sondern wirklich schafft, diesen gemeinschaftlichen Weg zu gehen.

David Wortmann: So einen kleinen Beitrag versuchen wir ja zu leisten hier auch mit diesem Podcast. Wir beleuchten auch immer wieder. Wieder auch neue Unternehmen, weil man stellt ja schon fest, dass etablierte Unternehmen auch sicherlich verständlich aus deren Perspektiven heraus ist. Natürlich der Umbau immer sehr viel schwerer als irgendwas Neues auf dem Reißbrett zu erfinden und loszulaufen ist auch nicht ganz einfach, aber zumindest so von der psychologischen Einstellung dann auch. Und deswegen haben wir hier auch sehr viele Startups auch hier im Podcast mit dabei. Mobilitätssektor, da waren wir gerade stehen geblieben. Es sind sozusagen diese zwei Seiten einer Medaille. Man hat das veränderte Verkehrsverhalten, was du ja auch angesprochen hattest. Da geht es ja auch sehr viel um Sharing Economy, um die neuen Modelle von Uber, von Kro, Mobilitätsmodellen, Leim, Tier und wie sie alle heißen, die Elektroscooter, die inzwischen auf den Straßen stehen, die Verzahnung natürlich auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das heißt, wir sehen ein verändertes Nutzungsverhalten. Siehst du denn jetzt auch aus diesem Paket heraus auch Chancen für den ländlichen Raum? Wir reden ja sehr stark ja auch immer nur über die Städte.

Claudia Kemfert: Ja, aber das ist ein Missverständnis, weil in der Tat ist es so, man hat immer die Städte gleich im Blick. Wenn man über E-Scooter nachdenkt oder eine App, die von A nach B geht, das ist ja auch nicht falsch, weil da die Dinge auch passieren und ÖPNV sehr stark im Vordergrund sind und man mehr Chancen und Möglichkeiten hat. Und in der Tat, in der Vergangenheit durch eine verfehlte Politik, gerade im ländlichen Raum, den Schienenverkehr sträflich vernachlässigt hat, Bahnhöfe zurückgebaut hat, Schienen zurückfährt, Nachtzüge abgeschafft hat. Alles grundsätzlich grundfalsche Entscheidungen, die man revidieren muss und wo den ländlichen Raum tatsächlich hier auch eine Stärkung stattfinden kann. Diese ganzen Lösungen, die du auch gerade erwähnt hast, sei es Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Verzahnung, die Elektromobilität ist hochinteressant und gerade für den ländlichen Raum, weil wenn wir über die letzte Meile reden, sprich man fährt zu einem Bahnhof, steigt dort aus und muss dann ja noch nach Hause kommen, wenn man im ländlichen Raum wohnt, bietet es sich ja geradezu an, auch nicht nur autonom fahrende Kleinbusse, sondern gerade auch Elektrofahrzeuge im Einsatz zu haben, die dann on demand ihre Schleifen fahren und die Menschen dorthin bringen, wo sie hinkommen müssen. oder Lastenfahrräder oder was man da auch braucht. Und diese neuen Technologien, gerade im ländlichen Raum, hoch interessant sind und dort auch schon zu größtem Teil im Einsatz sind, zumindest was Elektrofahrzeuge angeht. Weil der Trugschluss ist ja immer, dass man denkt, nur in der Stadt sind Elektrofahrzeuge im Einsatz. Das Gegenteil ist ja richtig. Die fahren ja gerade im ländlichen Raum, weil man dort auch die Struktur hat, weil sie die Reichweite haben und weil man dort auch problemlos laden kann. weil der Raum ja auch dafür da ist und die Eigentumsverhältnisse so sind. Also das ist eine Riesenchance, auch gerade für den ländlichen Raum, diese neuen Lösungen, wo man sehr viel mehr gestalten kann und man gar nicht das Gegeneinander ausspielen muss, weil es gehört direkt zusammen. Dass die Städte genauso wichtig sind, die Ballungsräume, aber auch der ländliche Raum, sollte uns überhaupt nicht davon abhalten, diese Lösungen flächendeckend einzusetzen, weil sie sind sozial gerecht, sie schaffen eine Gerechtigkeit auch für Menschen, Nicht nur einkommensschwache Haushalte für mobilitätseingeschränkte Menschen, über die müssen wir auch reden. Die müssen auch mobil bleiben und sollen das auch können. Und es geht um attraktive, finanzierbare, bezahlbare Mobilitätskonzepte. Und diese neuen Lösungen bieten all das. Und über diese Chance sollte man auch sehr viel stärker.

David Wortmann: Rund 70 Prozent der Ladevorgänge bei Elektroautos, wenn ich da jetzt die Zahlen richtig im Kopf habe, finden ja entweder zu Hause oder an der Arbeitsstelle statt. Das heißt, eigentlich nur der geringere Teil findet in der Öffentlichkeit statt. Dennoch habe ich jetzt diesem Klimapaket der Bundesregierung entnommen, dass insbesondere der Ausbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum gefördert werden soll und gar nicht so sehr jetzt im privaten Bereich. Das passt doch nicht zusammen.

Claudia Kemfert: Das ist völlig richtig, wenn das so wäre. Also es geht darum bei der Bundesregierung, dass man einerseits diesen öffentlichen Ladeinfrastruktur ausbauen sollte. Das halte ich auch für nach wie vor für sehr wichtig. Andererseits muss man endlich die Rahmenbedingungen so anpassen, dass auch im privaten Bereich die Ladeinfrastruktur funktioniert. ausgebaut werden kann. Und da meines Wissens plant man auch eine Änderung der Eigentumsverordnung, wo das geregelt wird, dass dies durch erleichterte Genehmigungsverfahren überhaupt möglich wird. Bisher war es ja nahezu ausgeschlossen, wenn man irgendwie in der Parkgarage oder bei sich zu Hause eine eigene Ladesäule aufstellen wollte aufgrund von Genehmigungsverfahren. Das will man jetzt offensichtlich erleichtern. Und das wäre auch beides notwendig, also dass man einerseits die Möglichkeiten da schafft, und andererseits aber auch viel mehr Ladepunkte schafft, damit man überall auch laden kann. Und hier noch mal interessant auch die künstliche Intelligenz. Damit kann man ja die Fahrzeuge steuern und auch so koordinieren, dass sie das dezentrale Netz entlastet, indem man eben nicht nur morgens und abends irgendwie lädt, Das Auto dahin steuert und sagt jetzt bitte jetzt laden, jetzt haben wir viel Strom aus Solarenergie, lad dich mal voll und dass das auch möglich wird. Das klingt jetzt noch weit weg, aber das wird in der Zukunft durchaus möglich sein können.

David Wortmann: Naja, vor allem wenn es kombiniert mit dem autonomen Fahren auch ist, dann wird das Auto quasi dann automatisch dann auch nach einem optimierten Route dann die entsprechende Ladesäule auch anfahren und dann auch die Ladevorgänge nutzen, die dann auch verhältnismäßig zu anderen dann auch wiederum dann netzoptimal dann auch sind.

Claudia Kemfert: Ganz genau. Und das bietet enorme Chancen, muss man sagen, gerade wenn es optimiert wird, auch für das dezentrale Netz oder auch als Speicherung. Die Batterien können ja auch genutzt werden, um zumindest das Netz abzupuffern in einer gewissen Zeit. Und das finde ich schon auch hochinteressant.

David Wortmann: Also die Energie, aber auch die Mobilitätsbranche und auch der Gebäudesektor, da kommen wir gleich jetzt noch dazu, haben ja noch sehr, sehr viel Potenzial nach oben, was die Digitalisierung anbelangt. Absolut. Wenn man sich da mal anschaut, also nach wie vielen Nanosekunden sozusagen an der Börse schon möglich ist, Aktien zu kaufen, zu verkaufen, die computergesteuert passieren, ist es schon noch fast noch manuell im Energiebereich, wo dann auf Viertelstundenbasis dann gehandelt wird.

Claudia Kemfert: Ja, ganz genau. Also da ist riesen Luft nach oben und die Digitalisierung kann ja enorme Chancen bieten, ja.

David Wortmann: Wie eng Mobilität und auch der Gebäudesektor und Bauen zusammenhängen, hast du ja gerade auch schon angesprochen, weil heute zum Beispiel im Wohnungsbaugesetz es nach wie vor möglich ist, mit einer Stimme Mehrheit in der Wohneigentumsgesellschaft kann jemand verhindern, dass eine Ladeinfrastruktur in der Parkgarage gebaut wird. Und das soll ja auch glücklicherweise geändert werden, dass es dann eine einfache Mehrheit gibt. Also wenn es eine Mehrheit von Menschen gibt, die zusammenwohnen, die sagen, wir wollen das, dass man sich dagegen nicht sperren kann. Was gibt es denn sonst noch für Chancen im Gebäudesektor nach diesem Klimaschutzpaket?

Claudia Kemfert: Ja, wichtig ist vor allen Dingen im Gebäudesektor, dass viel mehr getan wird, um Energie einzusparen, weil da sind wirklich die großen Energieeffizienzpotenziale. Durch die energetische Gebäudesanierung kann man wahnsinnig viel Energiebedarf runterfahren und dann, wenn man saniert, es auch bestens gleich quartiersbezogen macht, gerade in den Ballungsräumen, wo man dann auch gemeinschaftliche Konzepte nutzen kann, um erneuerbare Energien stärker auch im Wärmesegment einzusetzen oder auch Wärmespeicher, jetzt gerade zum Beispiel, wenn wir in Berlin reden oder Wien oder Hamburg, die ja auch immer mehr fluktuierenden erneuerbaren Energien Strom aufnehmen wollen in ihrem Wärmenetz. Es geht aber auch in Nahwärmebereichen, also Berlin wäre jetzt Fernwärme, aber es geht auch in Nahwärmebereichen, wo eben auch die Gebäudeenergie Teil der Lösung im Zuge der Energiewende ist. Dieser Dreiklang Energie sparen plus erneuerbare Energien plus eben auch die Energiewende-Kombination ist genau das, was die Gebäudeenergie oder die Quartierslösungen dann auch als Speichermedium mit anbieten können. Und da gibt es enorme Chancen, viele Unsicherheiten noch derzeit auch gerade für Unternehmen und Investoren, aber riesige Chancen und da muss man auch mal klare Flöcke einschlagen.

David Wortmann: Ein klarer Flock ist ja eingeschlagen worden mit dem Verbot von Erdölheizungen 2025, 26, 26. Das lässt natürlich immer noch Tür und Horn offen für Gasheizungen. Die hätten konsequenterweise eigentlich gleich mitverboten werden müssen, vielleicht sogar auch ein bisschen früher. Was gibt es denn für technologische Optionen im Wärmebereich?

Claudia Kemfert: Genau, also das ist jetzt die große Gefahr. Bin ich dankbar, dass du es ansprichst, weil wenn man jetzt genau das wieder macht, wie Damals beim Atomausstieg hatte man die Kohle nicht im Blick, jetzt bei der Kohle hat man das Gas nicht im Blick und rennt jetzt in die nächste Stranded Investment, also in die nächste vielgeleitete Investition, in die man jetzt denkt, ja, Erdgas ist jetzt die angebliche Brückentechnologie, die es aber nicht ist, weil zur Erreichung der Klimaziele müssen wir auch aus Erdgas aussteigen. Und da wäre es grob fahrlässig, wenn wir jetzt nur die Wärme-Öl-Heizung austauschen in Richtung Gasheizung, weil da muss man die Leute auch bewahren vor Fehlinvestitionen. Besser wäre es, man baut gleich um. Und das sind die neuen Konzepte. Also einerseits alles tun, Energie sparen, Energie sparen, Energie sparen, damit möglichst wenig Energiebedarf überhaupt da ist. Und dann gibt es am besten dann erneuerbare Energien. Das kann Solarthermie sein, das können Wärmepumpenlösungen sein mit Strom oder Oder Erdwärme, Geothermielösungen, die dann im Einsatz sind. Und das in der Kombination eben auch gerade am besten, wenn ein Gebäude auch in ein Quartier eingebunden wird, wo man dann auch mehrere Komponenten miteinander verbinden kann. Oder auch sogar Industrieabwärme, wie jetzt zum Beispiel in Großstädten, in Ballungsräumen. Aber da ist eine breite Palette an Möglichkeiten da. Ich kriege viele Anfragen auch von Menschen, die sich dafür interessieren. Was kann ich denn da machen? Und offensichtlich gibt es da auch eine Informationslücke. Noch immer, leider muss man sagen, weil jemand, der jetzt eine Ölheizung hat, gestern hatte ich jemanden, der mich gefragt hat, ich habe eine Ölheizung, jetzt will ich mir Gas kaufen. Es war genau das Thema, wo ich dann sage, na gut, aber Gas wird jetzt auch teurer im Zuge des Klimaschutzes und das wollen wir nicht, um zur Erreichung der Klimaziele. Dann fragt er eben, was kann ich da machen? Und dann sind eine breite Palette an Lösungen da, die aber offensichtlich auch nicht so richtig kommuniziert werden. oder wo viele Vorbehalte da sind, das entsprechend umzusetzen. Und hier in Richtung Geschäftsmodelle, glaube ich, gibt es da jetzt tatsächlich mittlerweile einen sehr großen Bedarf für sogenannte Rundum-Sorglos-Pakete für Menschen, nicht nur Hauseigentümer, Quartiersbesitzer, aber auch Kleinunternehmer, die auch teilweise, wie zum Beispiel im Bäckerhandwerk, auch Wärmebedarf haben, Strombedarf haben, diese Rundum-Sorglos-Pakete anzubieten. Da gibt es ja einige, die das auch sehr erfolgreich machen. Aber da tut sich jetzt mittlerweile ein größerer Markt auf und da würde ich mir wünschen, dass die Bundesregierung eben dann nicht nur mit so einem Verbot kommt, sondern ganz klar sagt, die Rahmenbedingungen gehen eben in diese neuen Geschäftsmodelle, damit sich das für die Unternehmen auch lohnt. Weil in der Vergangenheit war das nicht so und jetzt gibt es die Unsicherheit, wie lange dauert es denn, bis jetzt eben diese neuen Geschäftsmodelle kommen. Und da tut sich jetzt ein enormer Markt auf.

David Wortmann: Technologien sind ja auch häufig schon vorhanden. Die können natürlich immer noch besser effizienter werden und besser miteinander kommunizieren. Häufig ist es ja wirklich auch ein Fakt, wie die Marktakteure auch informiert sind. Weil ich als Verbraucher würde, wenn ich eine Sanierung vorhabe, den Gas-Wasser-Installateur anrufen. Der wird natürlich nach wie vor auf seine alte Technik setzen, weil er vielleicht sogar auch einen tollen Abnahmevertrag mit seiner Verbraucherin, Die er sonst immer so einbaut und wird dem Kunden dann alles andere ausreden. Und der Architekt ist da auch normalerweise nicht so versiert. Und das heißt, da hat man wirklich, da fehlt so sozusagen gerade im Gebäudebereich so diese Klammer manchmal. Und dieses Rundumpaket, was du gerade angesprochen hast.

Claudia Kemfert: Genau, also es bessert sich schon. Also es gibt mehr Informationskampagnen, die Industrie- und Handelskammern könnten hier nochmal auch wichtig werden, jetzt im Zuge der Handwerkskammern, im Zuge der Ausbildung der Handwerker und eben derjenigen, die das dann mit zu verantworten haben, wenn da jetzt eine Haussanierung ansteht. Bei den Architekten passiert auch schon einiges und da gibt es ja auch durch die Dena große Programme, wo das mit unterstützt wird.

David Wortmann: Die Deutsche Energieagentur, Andreas Kuhmann haben wir vor ein paar Sendungen schon hier gehabt.

Claudia Kemfert: Richtig, und der hat das sicherlich alles da im Detail erläutert. Aber es ist für Menschen häufig auch abschreckend, wenn sie sagen, ich muss jetzt erstmal einen riesen Verwaltungswust hier abarbeiten und weiß da gar nicht, wo ich da anfangen soll. Und da bräuchte man eben rund um Sorglos-Pakete. Und da müssten jetzt in der Schnittstelle Unternehmen kommen, die sagen, ich nehme dich hier an die Hand, ich erkläre dir das, was es an Möglichkeiten gibt und biete dir bestimmte maßgeschneiderte Lösungen an. Bisher war der Markt dafür wirklich nicht da. Also es gab mal Ansätze, ich weiß auch vom Vattenfall beispielsweise, die das schon angeschoben haben, wieder eingestampft haben, weil einfach der Markt nicht da ist. Aber das ändert sich ja wieder. Und jetzt ist sozusagen das Fenster der Möglichkeiten offener durch das Klimapaket. Noch nicht sperrangelweit auch, weil die Rahmenbedingungen wieder nur so ein bisschen halbherzig sind. Aber zumindest ist es da. Und da kann man jetzt auch was draus entwickeln. Und wenn man die Menschen da auch informiert und auch die Handwerker und auch die, die an der Schnittstelle arbeiten, dann kann man das auch durchaus schaffen.

David Wortmann: Es muss saniert werden. Wir wissen, dass die Sanierungsraten komplett unterhalb der Erwartungen sind. Ich glaube, wir sind bei 0,7 Prozent. Wir müssten eigentlich rund 2 Prozent haben.

Claudia Kemfert: Genau 1 Prozent und wir müssten 2 Prozent haben.

David Wortmann: Wir müssten 2 Prozent haben. Und dann gibt es in Berlin jetzt hier die Diskussion und wahrscheinlich auch bald ein Gesetz zu einem Mietendeckel, was dann wiederum Eigentlich dann auch wieder viele Investitionen wieder verhindert, Klimaschutzmaßnahmen zumindest hinein, weil der Investor es ja nicht refinanziert bekommt durch seine Miete.

Claudia Kemfert: Wir schlagen zwei Sachen an der Stelle vor. Das eine ist, dass wir finanzielle Förderung haben für Investoren oder Eigentümer, wer auch immer es beantragt. gezielt eine billige finanzielle Unterstützung bekommt, die man gegenrechnen kann, gegen die Modernisierungsumlage sich dadurch vermindert. Und das Zweite ist eine steuerliche Abzugsfähigkeit, dass man damit eben auch die Kosten für die Investoren senkt. Und statt dieser pauschalen Modernisierungsumlage, die häufig dann auch missbraucht wird durch Luxussanierungen oder durch Mitnahmeeffekte, sollte man es gegenrechnen gegen die realen Heizkosten, die Einsparung. die entstehen durch die energetische Gebäudesanierung. Das haben wir uns mal angeguckt. Da würde man tatsächlich auch die Umlage deutlich senken und man könnte sich davor jetzt auch wappnen oder es verhindern, dass solche überbordenden Steigerungen auftreten. Beim Mietendeckel muss man jetzt im Einzelnen schauen, dass es in der Tat diese Ungleichverteilung nicht gibt. Aber es darf nicht zulasten der energetischen Gebäudesanierung passieren. Und es darf auch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Also da muss man an diesen zwei Stellschrauben auch wirklich ran.

David Wortmann: Weil da können natürlich auch wieder tolle Geschäftskonzepte wie zum Beispiel die Firma EcoWorks, da hatte ich den Gründer neulich hier auch mit drin gehabt, die versuchen sozusagen mehr Familienhäuser im standardisierten Verfahren zu modernisieren und zu sanieren. In der Regel auch mit einer Wärmepumpe beispielsweise kombiniert. Und das sind ja auch alles solche neuen Geschäftsmodelle, die da enabled bleiben sollten.

Claudia Kemfert: Ja, absolut. Das ist genau das Richtige, auch mit Wärmepumpen oder auch mit Lösungen, die man dort anbietet. Und da kann man nur hoffen, dass die Rahmenbedingungen dann auch so bleiben, dass der sich da auch dauerhaft etablieren kann.

David Wortmann: Vielleicht noch ganz kurz in Schwenkrichtung Sektorkopplung, wo sozusagen die verschiedensten Dinge ja zusammenkommen. Wir haben über den Gebäudesektor gesprochen, über den Mobilitätssektor, Energie nicht ganz so viel, aber das haben wir auch schon sehr häufig im Podcast gehabt. Die Sektorkopplung ist ja so etwas wie der Versuch, das was wir an Stromproduktion haben, sozusagen auch in andere Sektoren hinüberzuführen. Das heißt, dass der Wärmesektor jetzt nicht nur rein durch Gas oder Öl bestückt wird, sondern eben durch Strom aus anderen Energieanlagen. Glaubst du, dass jetzt hier in dem Klimaschutzpaket ausreichend viel gemacht worden ist, um die Sektorkopplungen zu befördern, also Strom mehr auch sozusagen in die anderen Sektoren rüberzuführen? Welche Rolle spielt zum Beispiel da auch Wasserstoff, also im stationären Bereich?

Claudia Kemfert: Also leider nein. Im Klimapaket ist diese Sektorkopplung unzureichend berücksichtigt. Das wird eine Stellschraube sein, wo man deutlich nachjustieren muss. Insgesamt ist es ja sehr enttäuschend, dass man auch beim Ausbau der erneuerbaren Energie nicht wirklich vorankommt, was auch an der Ausgestaltung der Ausschreibungen liegt, was eben auch an den Rahmenbedingungen liegt, die verschlechtert wurden. Das geht völlig in die falsche Richtung. Und da muss mehr passieren, was jetzt auch Windenergie, Solarenergie und so weiter angeht. In Richtung Sektorkopplung ist es schon richtig, dass man einerseits auch stärker auf Elektromobilität setzt im Verkehrsbereich, den Schienenverkehr, wo man ja auch dann den Ökostrom nutzen kann. Also so viel elektrisch wie geht überall, sowohl im Verkehrssektor als auch im Wärmebereich, auch im Gebäudebereich.

David Wortmann: Früher war das ja undenkbar.

Claudia Kemfert: Genau, also auch zum Heizen bzw. Wärmepumpe, das ist ja strombasiert.

David Wortmann: Oder direkte Stromheizungen.

Claudia Kemfert: Oder direkte Stromheizungen sind in der Effizienz nicht so optimal. Also das haben wir uns mal angeguckt, auch im Prosumer-Ansatz, wo man eben den Strom vom Solardach dann direkt nutzt, sind die energetischen Heizungen jetzt mit Strom nicht unbedingt zu empfehlen. Da geht es jetzt wirklich darum, energetisch zu sanieren. Plus eben entweder Wärmepumpe, Solarthermie ist auch eine Möglichkeit. Oder man nutzt Erdwärmekonzepte, die durchaus auch kombiniert werden können. Aber in Richtung Sektorkopplung, da geht es sehr strombasiert, da bietet es sich tatsächlich an, Wärmepumpenkonzepte anzugucken. Aber hier sind ja zwei Dinge, die wichtig sind. Das eine ist der Strom aus Ökostrom, der dann verbraucht wird. muss ja auch kostengünstig sein. Das heißt, im Moment ist der Strompreis noch überfrachtet mit ganz vielen Abgaben. Das heißt, hier gibt es einen verteuerten Strompreis. Auf der anderen Seite ist fossile Energie, Gas oder Öl billig, weil man eben keine ausreichende CO2-Bepreisung hat, die Steuern nicht da sind und hier so eine Unwucht entsteht. Das heißt, es gibt immer Ein Nachteil, um Strom zu nutzen. Da hätte man ansetzen müssen in Richtung Sektorkopplung, damit der Strompreis sich senkt und man mehr Ökostrom auch einsetzt. Das ist jetzt in Richtung Sektorkopplung das eine. Das andere ist, du hast ja neue Treibstoffe angesprochen oder Kraftstoffe oder auch Speichermöglichkeiten eben über diese Sektorkopplung in Richtung Verkehrswende oder Gebäudenergie. Und da fehlen die Anreize auch noch.

David Wortmann: Wobei man dazu sagen muss, dass die reinen Produktionskosten von Windkraft und Solar ja heute schon günstiger sind in Deutschland, als wenn ich das mit einem neu gebauten Kohle- oder Gaskraftwerk vergleichen würde. Das heißt, da haben wir eigentlich eine Preisverzerrung eigentlich nur deswegen drin, aufgrund der ganzen Ablagen und Umlagen und Steuern, aber nicht die reinen Produktionskosten.

Claudia Kemfert: Ganz genau. Und wir hatten ja auch im Zuge dieser CO2-Preisstudie vorgeschlagen, die Stromsteuer zu senken.

David Wortmann: Die ja nicht kam, obwohl sie ja eigentlich immer angekündigt wurde.

Claudia Kemfert: Das habe ich auch nicht verstanden, warum das da drin ist. Und die EG-Umlage haben sie jetzt ein bisschen beschlossen zu senken, obwohl man da aufpassen muss, weil es kann ja in Richtung beihilferechtlicher Problematik passieren, wenn das jetzt aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Aber darum geht es genau, dass man den Strompreis senkt, die Steigerungen nicht entstehen, weil die erneuerbaren Energien die Preistreiber sind, sondern weil man da sehr viele überfrachtende Faktoren draufrechnet, die dort nicht mehr hingehören. Und das müsste man absenken in Richtung Sektorkopplung, damit Strom first, Electricity first in allen Bereichen auch wirklich umgesetzt werden kann. Das wäre ein wichtiger Hebel für die Sektorkopplung.

David Wortmann: Was kommt jetzt? Also Klimaschutzpaket ist sozusagen im Entwurf da. Wann können wir damit rechnen, dass all das umgesetzt wird? Und können wir damit rechnen, dass da nochmal nachgesteuert wird?

Claudia Kemfert: Wir werden ganz sicher damit rechnen können, dass nachgesteuert wird, weil es geht nicht ohne Nachsteuerung. Wir werden relativ zügig, gerade wenn auch so ein Nachjustierungskonzept eingesetzt wird durch das Klimaschutzgesetz, eine Nachsteuerung sehen. Weil jetzt geht es ja darum, die Pariser Klimaziele zu erfüllen. Und da müssen die 2020er-Ziele, die ja immer noch nicht erfüllt sind, und die 2030er-Ziele umgesetzt werden. Das heißt, die Emissionen müssen relativ schnell gesenkt werden. Wenn das nicht passiert in den Sektoren Wärme und Verkehr, müssen wir in Europa Zertifikate zukaufen. Das wird relativ kostspielig. Da wird der Finanzminister schon nervös, zu Recht. Das heißt, hier wird es Nachjustierungen geben, um auch das zu vermeiden. Und eben auch zur Erfüllung der Pariser Klimaziele, weil man sich da verpflichtet hat, das zu machen. Und jetzt dieses Klimaschutzgesetz kommt, was ja auch dann jährlich überprüft, die Verantwortlichkeiten zuordnet, auch den einzelnen Ministerien. Und dann auch genau weiß, wenn da ein Ministerium untätig ist, dann muss es irgendwie sich überlegen, ob es irgendwie ein gnädiges anderes Ministerium findet, was mehr tut, oder dann irgendwie selber Strafzahlungen leisten muss. Also da kommt einen gewissen Handlungsdruck in die ganze Sache. Ich würde mal sagen, im Moment ist so das vorsichtige Fundament gelegt. Und das Klimapaket ist nicht mehr als das. Und dieses vorsichtige Fundament muss jetzt aufgebaut werden. Und da gibt es jetzt viele Akteure und ich bin auch optimistisch, dass das passiert. dass man da jetzt Schritt für Schritt vorankommt. Und der Druck der Straße, auch die Jugend, Fridays for Future, Science for Future, Parents for Future, Entrepreneurs for Future, wie sie alle heißen, machen im Moment ja auch massiv Druck, dass da mehr passiert. Und diese Unruhe wird man jetzt auch nicht einfach beiseite schieben können und sagen, naja, die beruhigen sich schon wieder und wir machen doch jetzt was. Der Unmut ist schon relativ hörbar, auch lauthörbar, auch in der Politik. Das heißt, da wird man schon auch relativ zügig schnell einiges noch nachlegen müssen. Spätestens dann, wenn man sieht, die Emissionsminderungsziele erreichen wir wieder nicht oder im Jahr reicht das nicht aus, dann wird man einiges an Aktivitäten sehen, bin ich mir ziemlich sicher.

David Wortmann: Vielleicht können wir mit dem Thema auch kurz abschließen. Wir haben ja auch zu Beginn ja schon von den 1,4 Millionen Menschen gesprochen, die in Deutschland auf der Straße standen. Ich weiß gar nicht, wie viele das jetzt weltweit waren. Einige Millionen, ja. Jetzt bist du Wissenschaftlerin und ich habe so ein bisschen Sven Plöger auch die Frage gestellt in unserem letzten Podcast, der eigentlich Wettermoderator ist, eigentlich eine relativ klar definierte Rolle hat, den Menschen das Wetter zu erklären, dennoch auch für sich so ein bisschen aber auch die Mission sieht, auch darüber hinaus auch mitzuhelfen, zu kommunizieren. A, was sind die Unterschiede zwischen Wetter und Klima und wie schlimm ist es denn mit dem Klima? Aber natürlich auch einen gewissen Optimismus auch auszustrahlen, dass da auch einiges getan werden kann. Jetzt Bist du ja, das hatte ich eingangs ja auch schon gesagt, ja auch nicht nur rein wissenschaftlich, sondern welche Rolle siehst du denn für dich selber? Du hast Science for Future mit erwähnt, wo du engagiert bist. Du bist sehr stark in den Medien präsent. Wie siehst du da deine Rolle?

Claudia Kemfert: Das ist alles Wissenschaft. Ich bin reine Wissenschaftlerin und das auch mit Leidenschaft, was alle Rollen angeht, die du gerade aufgezählt hast. Das heißt dann aber auch, dass man wissenschaftlich aktiv ist, dass man die Dinge, die Erkenntnisse, die wir haben, auch in der Öffentlichkeit kommuniziert. Und ich bin auch immer schon jemand gewesen, der diese öffentliche Sichtbarmachung des Themas sehr wichtig war und das Gott sei Dank jetzt mittlerweile auch in der Breite angekommen ist und viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Rolle als Wissenschaftler auch in der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse immer wieder auch formulieren. Sven Plöger ist einer, es gibt viele andere. Wir haben auch im Rahmen des Science for Future einen Film gemacht. wo 99 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Wort kamen. 126 haben mitgemacht, nicht alle passten rein. 26.000 sind es, die den Appell mit unterzeichnet haben. Daran erkennt man, dass die Wissenschaft, denen es wirklich stark gelegen ist. Bei Science March, den wir auch schon mal hier in Berlin hatten vor Jahren, auch viele damals mitgegangen sind, weniger öffentliche Aufmerksamkeit da war, aufgrund der Tatsache, dass es Fridays for Future noch nicht gab, aber auch immer diese Rolle da ist. Und die Wissenschaft ist da doch relativ geschlossen für mehr Klimaschutz. Und das finde ich großartig.

David Wortmann: Ja, und was ich großartig finde, ist, dass auch wirklich tatsächlich kommuniziert wird, weil das ist ja das, was wir insgesamt ja haben. Wir haben ja kein Erkenntnisproblem. Also die Erkenntnisse ist durch die Wissenschaft der Gesellschaft ja sozusagen, wird sie immer wieder mitgeliefert, aber wir haben Umsetzungsprobleme. Das Umsetzungsproblem entsteht ja daraus, dass der Verhandlungsdruck nicht irgendwie da ist. Das liegt manchmal daran, dass zu wenig kommuniziert wird und insofern kann man Menschen wie dir eigentlich nur dankbar sein, dass sie so stark und so viel kommunizieren, weil doch gerade so aus dem Wissenschaftsbereich heraus auch vieles manchmal so ein bisschen in den Schubladen versandet und dann wird weiter geforscht und vielleicht greift jetzt das ein oder andere Unternehmen mal auf, aber so diese große gesellschaftliche Debatte haben wir leider zu wenig in den letzten Jahren gehabt, was sich jetzt hoffentlich ändert.

Claudia Kemfert: Was sich jetzt hoffentlich ändert und auch viele Klimaforscher, mit denen manchen bin ich ja befreundet, die mir dann auch sagen, naja, wir haben das schon in der Öffentlichkeit die letzten 40 Jahre immer wieder gesagt. Ihr habt es gemacht, ja. Zumindest nicht so, wie es jetzt der Fall ist. Und die Zeit uns dann ja auch immer mehr davonläuft. Insofern ist es das eine, richtigerweise, was du sagst. Es geht um Kommunikation, dass man auch die Dinge, die Erkenntnisse, die da sind, kommuniziert. Aber auf der anderen Seite auch eine breite gesellschaftliche Basis braucht. Und aus den Klimawissenschaften wurde viel kommuniziert. Es wird auch immer wieder diskutiert, wie kommuniziert man was, wie erreicht man eben auch eine breite Öffentlichkeit oder eben auch Studien, die vorgestellt werden. die dann irgendwo versanden oder nicht wieder aufgegriffen werden. Und man da auch eine gewisse Resignation auch aus vielen Wissenschaftsbereichen hört, wo man sagt, wir erzählen es doch, uns hört aber keiner zu. Und jetzt mittlerweile ist die Öffentlichkeit da. Und jetzt, glaube ich, haben wir ein anderes Momentum, wo die Fridays for Future, das haben wir wirklich denen zu verdanken, eher eine Öffentlichkeit für die Themen wieder da ist. Und man jetzt auch sieht dass die breite Gesellschaft verstanden hat, hier ist wirklich ein Thema, an dem wir uns nicht mehr vorbeimogeln können, so wie wir es die letzten 15 Jahre gemacht haben, sondern jetzt muss es wirklich vorwärts gehen. Und dieses Momentum sollte man auch nutzen. Und da bin ich auch dankbar. Ich bin ja nicht die Einzige, es sind ja viele mittlerweile, die sich da auch zu Wort melden. Auch Gott sei Dank viele, viele Kolleginnen und Kollegen, die in den letzten Jahren sehr ruhig waren und da nicht so viel kommuniziert haben, die das auch so breit kommunizieren. Und das hilft uns in der Debatte schon. Selten war die Wissenschaft doch so einig in der Bewertung des Klimapakets. Selten sind wir uns überhaupt, wir sind uns ja nie einig, aber es geht ja auch um wissenschaftlichen Diskurs, aber an dem Punkt einig, dass jetzt endlich mal mehr passieren muss. Weil so ein bisschen ja, aber nicht wirklich, bringt uns da nicht weiter. Und das ist das gute Signal. Und da bin ich der Fridays for Future Bewegung unendlich dankbar, dass sie dieses Momentum geschaffen hat. dass endlich auch die Aufmerksamkeit da ist und sich alle aus ihren Löchern heraus bewegen und auch wirklich deutlich machen, dass wir handeln müssen.

David Wortmann: Naja, und auch, dass die Medien auch zunehmend auch drauf schauen. Also jetzt nicht nur Fachmedien, sondern vor allen Dingen auch die Einladung zu Landes, wo du ja schon gewesen bist oder irgendwelche Anne-Will-Runden und so weiter und so fort, was ja wirklich wichtig ist, also auch an dieses sehr breite Publikum auch zu kommen.

Claudia Kemfert: Ja, die Thematik, also die gesellschaftliche Debatte ist einfach da, weil die Talkshows greifen dann das auf, was jetzt so gesellschaftlich diskutiert wird. Und da waren eben in den letzten 15 Jahren andere Themen offensichtlich denen wichtiger. Aber jetzt eben durch diese jungen Menschen auf den Straßen hat sich tatsächlich was bewegt.

David Wortmann: Ja, und die YouTuber, die anfangen, die Podcaster, die anfangen und so weiter.

Claudia Kemfert: Genau, und alle, die endlich auch sich da zu Wort melden. Und diese Stimmen sind auch wirklich gut, dass wir sie haben und man da auch weiter diskutieren kann. Weil es gibt ja nicht eine Antwort auf alle Fragen, sondern es gibt viele Antworten. Und diese Debatte, die habe ich wirklich zehn Jahre lang vermisst. Und da bin ich sehr, sehr dankbar, dass sie jetzt da ist.

David Wortmann: Zum Abschluss, welchen Rat kannst du jetzt jungen Unternehmerinnen und Unternehmern geben? In welchen Bereich sollten sie hineingehen?

Claudia Kemfert: Ja, mein Ratschlag ist der, dadurch, dass jetzt dieses Fenster offen ist für umfassenden Klimaschutz, sich da hinein zu bewegen. Das fängt an mit der nachhaltigen Mobilität, die wir besprochen haben. Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Gebäude, Energieeffizienz, die ganzen Technologien, die damit einhergehen, neue Dienstleistungen, die da gefragt sind. Angefangen von den Apps bis eben auch zu neuen Stadtkonzepten und all das, das ist ganz sicher ganz, ganz wichtig. Aber es gehört ein Bereich auch noch dazu, den wir gar nicht beleuchtet haben heute. Das ist das Thema Ernährung und da sind mir persönlich jetzt auch einige neue Startups begegnet, die ich hochinteressant finde, wo es um nachhaltige Ernährung geht. Nachhaltige Landwirtschaft, weil die gehört auch zum Klimaschutz dazu. Sehr relevanter Punkt, ja. die ich für hochrelevant halte. Und das wird völlig unterschätzt. Wahnsinnig schwierig, das umzusetzen. Gerade in Amerika gibt es aber tolle Neuunternehmerinnen, die das umsetzen und auch mit ganz viel Werbsicht da reinbewegen. Das ist noch unterschätzt, was die Potenziale angeht. Da wird wahnsinnig viel kommen und da brauchen wir auch sehr viel.

David Wortmann: Vor allen Dingen, weil global gesehen die CO2-Emissionen aus dem Energiesektor ja gerade mal 50, 55, 60 Prozent vielleicht ausmachen, was zwar der mehrheitliche Anteil ist, aber dennoch haben wir 30, 40 Prozent, die aus der Landwirtschaft kommen und aus vielen anderen Sektoren und da muss auch was passieren.

Claudia Kemfert: Ja, gerade die Ernährung ist enorm interessant und dadurch, dass wir so viele Co-Benefits in dem Segment haben, wie wir es ja so schön nennen, also nicht nur Klimaschutz, Emissionen gehen runter, sondern eben auch die Gesundheit der Menschen direkt betrifft, ist das ein enorm tolles Thema für junge Unternehmen und neue Geschäftsmodelle, die sich da auftun.

David Wortmann: Da machen wir bald mal einen extra Podcast dazu. Ganz besten Dank, Claudia, für das tolle Gespräch. Danke dir. Und frohes Schaffen und große Wirksamkeit, hohe Wirksamkeit.

Claudia Kemfert: Danke. Im Sinne des Klimaschutzes sind wir da alle jetzt mobilisiert, endlich mehr zu tun. Freut mich. Danke.

David Wortmann: Also bis dann. Tschüss.

Claudia Kemfert: Tschüss.