
dm-Chef Christoph Werner über Digitalisierung und Politikversagen
29. März 2021, mit Joel Kaczmarek, Marcus Diekmann
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Händler. helfen Händlern Podcast von Digitalkompakt. Wie immer natürlich auch Händlerin, also das ist hier genderneutral. Ich bin Joel Kaczmarek und mit mir an meiner Seite heute der liebe Marcus Diekmann von Rosebikes. Hallo Marcus.
Marcus Diekmann: Moin, moin, moin. Toll, dass ich hier sein darf.
Joel Kaczmarek: Ja, ich muss dir ja danken. Ist ja deine geile Initiative, die du gestartet hast. Und wir haben einen super spannenden Gast heute und ich kann vorwegnehmen, ich will nicht sagen, dass es ist wie Katz und Maus, aber ich glaube, es sind schon zwei Extreme, die sich heute begegnen, nämlich einmal Marcus als jemand, der sehr digital in der DNA ist, weil er einfach auch viel in dem Bereich gemacht hat und viel digital gestartet hat. versus der liebe Christoph, der eines der spannendsten, größten und relevantesten Unternehmen dieses Landes leitet, nämlich DM, was natürlich sehr stark stationär geprägt ist und wir werden stark darüber reden. Man muss sich viel Gedanken machen, wenn ich so eine Situation habe. Es ist natürlich was anderes, was zu transformieren, als etwas von Null aufzubauen. Das heißt, unser heutiges Thema wird sein Digitalisierung in all seinen Facetten und ich kann vorwegnehmen, die beiden hatten mit mir schon mal einen lustigen Clubhouse-Talk, wo auch ich gemerkt habe, was sozusagen die unterschiedlichen Denkströmungen sind und ich bin sehr gespannt, wie wir das heute zusammenkriegen. Also ich glaube, es wird sehr, sehr spannend. Worüber reden wir heute? Wir werden fleißig darüber sprechen, was passiert eigentlich mit Innenstädten, wie ist eigentlich stationär im Vergleich zu digital aufgestellt, was muss man dort tun. Wir werden über Services reden im E-Commerce, aber auch im stationären Handel natürlich und darüber, wie man eigentlich digitale Denke in bestehende Unternehmen hereinkriegt, weil wir werden merken, das ist nicht so einfach, so viel kann ich schon mal vorwegnehmen. Wenn wir es schaffen, bestimmt auch ein bisschen Corona-Effekt, zwar ja bei dm sich auch sehr, sehr spannende Dinge tun, aber ich glaube, wir werden uns heute nicht langweilen. In diesem Sinne, lieber Christoph, vielen, vielen Dank, dass du da bist und herzlich willkommen.
Christoph Werner: Ja, guten Morgen zusammen.
Joel Kaczmarek: Ja, ihr beiden, wie fangen wir an? Also ihr seid ja eigentlich, glaube ich, im Geiste irgendwie Geschwister, aber habt auch unterschiedliche, sagen wir mal, Gemengelagen, auf die ihr Rücksicht nehmen müsst. Marcus, vielleicht fang du doch mal ganz kurz an, so ein kleines Heads-Up zu Rose zu geben, wie ihr aufgestellt seid, was ihr jetzt auch im Zuge von Corona nochmal an digital Schub hattet, weil da hast du ja viel gemacht und dann versuchen wir uns mal hier zusammenzubringen.
Marcus Diekmann: Ja, dank dir. Ja, ich meine, ich kann das ja nur nochmal wiederholen, was ich auch schon im Clubhouse Talk gesagt habe, dass die Perversion, nenne ich das immer, des Corona-Effekts, dass ich mit meinen Kindern immer im DM shoppen war, zwei Stunden lang. Nicht, dass ich nicht gerne beim DM wäre, aber nicht immer zwei Stunden als Shopping-Erlebnis. Aber wenn alles zu ist, dann war ich natürlich dort gerne. Das hat mir Spaß gemacht und von daher danke, dass das zu mir jetzt eröffnen durfte.
Christoph Werner: Und warum war das eine Perversion?
Marcus Diekmann: Zwei Stunden im DM, wirst du mir zugeben, jede Woche und die Kids mit Vollspaß. Bei allem Respekt vor deinem Konzept, aber du musst zugeben, dass es auch schönere Erlebnisse geben kann.
Christoph Werner: Naja, da ist sozusagen Herz und Hirn bei dir auseinandergefallen wahrscheinlich.
Marcus Diekmann: Nein, was man von Rosebikes glaube ich lernen kann, ist, dass wir Transformationsweltmeister sind, weil wir auf der einen Seite 107 Jahre alt sind und als klassischer kleiner Händler vor Ort mit Kaminen und mit Fahrrädern gestartet sind, dann zum Faxhändler wurden und plötzlich Überbestand hatten, das Wetter war scheiße und wir kriegten die Räder nicht verkauft. und dann hat Erwin Rose angefangen Faxe herauszusenden und so die Fahrräder zu verkaufen, dann zum Kataloghändler, dann zum Online-First-Händler und heute als Online-First-Händler echte Marke für Fahrräder und natürlich gleichzeitig mit bis Ende des Jahres zwölf Läden auch stationär vertreten. Und ich glaube, diese Rasanz und immer diese Transformationsfreude, ich glaube, das kann man von uns lernen und ich glaube, das ist das, was wir predigen wollen. Hört nicht auf, euer Modell einfach nur bestehen zu lassen, sondern mit den Mitarbeitern gemeinsam das mitzunehmen, aber in Rasanz nach vorne weiterzuentwickeln und mit viel Mut und Entscheidungsfreude.
Joel Kaczmarek: Bisschen Jeff Bezos-Style, ja? Disruptiere dich lieber selber, bevor dich jemand anders disruptiert.
Marcus Diekmann: Jetzt. Kill your company every day, hatten wir das früher mal genannt in der Digitalszene.
Joel Kaczmarek: So, Christoph, das ist natürlich sehr reißerisch und wir ganzen Internet-Fuzzis sind ja da immer schnell dabei, Ideen vorneweg zu preschen. Du bist jemand, der baut auf eine Firma auf, die hat ja quasi 50 Jahre Geschichte, hat sehr viel Verantwortung, viele Mitarbeiter. Ich könnte mir vorstellen, dein Blick auf das Thema ist ein bisschen anders. Wie verortest du euch denn und wie verordnet ihr euch selber für eine Kur?
Christoph Werner: Ich würde mal so sagen, wir sind ja 1973 gestartet und DM Drogeriemarkt ist eine Gemeinschaftsleistung. Das heißt, es sind in Deutschland über 40.000 Menschen, die da jeden Tag sich einbringen, ihr Bestes bringen und für die Kunden wahrnehmbar sind. Vor allem in den DM-Märkten natürlich. Und das ist das, was die Marke DM ausmacht. Und wir schreiben uns auf die Fahnen, wirklich kundenorientiert sein zu wollen. Das zeigt sich bereits in unserem Claim. Hier bin ich Mensch, hier kaufe ich ein als Anspruch. Das ist ein Versprechen, welches wir unseren Kunden geben. Und das ist damit für uns auch natürlich eine Verpflichtung, dem gerecht zu werden. Das heißt, wir müssen uns permanent damit beschäftigen, was bedeutet es eigentlich, hier bin ich Mensch? Also was sind die Bedürfnisse des Menschen, damit er Mensch sein kann? Das ist jetzt eine relativ hohe Flugbahn, kann man sagen. Aber es ist eine wichtige Fragestellung, weil das uns ermöglicht, uns immer wieder klarzumachen, dass die Fragestellungen die gleichen sind, aber die Antworten sich immer wieder verändern müssen, je nachdem, wie sich die Bedürfnisse der Kunden verändern. Und das hat dazu geführt, dass wir uns im Laufe der Jahre, der Jahrzehnte, eigentlich permanent auch verändert haben. Das heißt, das Unternehmen dmTorgarimarkt, so wie es der Kunde heute wahrnehmen kann, sah vor 20, vor 30, vor 40, bald 50 Jahren anders aus, als es heute ist. Das heißt, wir sehen unsere große Herausforderung und auch unsere große Chance, eigentlich eine Arbeitsgemeinschaft zu gestalten, die in der Lage bleibt, sich permanent zu transformieren, um unsere Leistung, die wir den Kunden anbieten, immer aktuell zu halten und am Menschen auszurichten. Und ich würde sagen, das ist das Geheimnis des Erfolgs in der Vergangenheit und die große Verpflichtung für das, was vor uns liegt. Und wenn uns das weiterhin gelingen wird, wird es uns weiterhin geben. Und wenn wir an dieser Aufgabe scheitern, werden wir vom Markt verschwinden eines Tages.
Marcus Diekmann: Man muss ja sagen, da möchte ich auch mein Kompliment ausrichten, weil ich meine, ich denke, das hat Rose geschafft, gemeinsam mit den Kunden einfach so eine. Ja, unsere Kunden lieben unsere Fahrräder und wir sind da sehr stolz drauf, aber bei DM empfiehle ich es genauso, weil abends finde ich mich mal am Stammtisch, selbst unsere Jungs aus dem Stammtisch lieben euch und ja, unsere Frauen aus dem Stammtisch lieben es auch, also von daher finde ich es schon ziemlich cool, mit welcher Begeisterung ihr es schafft, eure Kunden auch zu binden.
Christoph Werner: Ja, und ich glaube, das freut mich natürlich immer, wenn ich das höre, weil das eine Bestätigung ist. Aber was wir versuchen, uns immer wieder klarzumachen, ist, dass sozusagen der Applaus von heute ist die Ernte der Saat von gestern. Und wir müssen natürlich auch heute wieder säen, damit auch morgen der Applaus da ist. Und Applaus bei uns ist natürlich dann letzten Endes auch messbar in den Umsätzen und in den Umfragewerten, die wir haben. Und permanent im Dialog zu bleiben. Was muss heute gesät werden, damit die Saat auch morgen aufgeht? Das ist das, was uns beschäftigt, was uns umtreibt. Und wir sagen immer, Wer sich nicht sorgt, hat bald Sorgen. Deswegen sorgen wir uns permanent.
Marcus Diekmann: Ich finde es sehr spannend. Gestern war ja ein cooler Tag. Was war gestern? Der 12.3.? 12.3.? 11.3.? 11.3. Gestern war die Pressekonferenz Adidas. Und ich fand es ganz spannend, weil das ein Glaubensgrundsatz von mir auch ist. Direct-to-Consumer. Das ist so die Zukunft des Handels. Vielleicht ist das auch in der Food-Branche oder auch in der Drogerie-Branche noch ein bisschen anders teilweise. Aber zumindest jetzt mal bei anderen Brands. Direct-to-Consumer. Und der gestern auch eine Kampfansage an all seinen Handelspartnern ausgesprochen hat, nämlich direct to consumer, own the business, das ist unsere neue Strategy. Das fand ich radikal. Ich hatte mich gefreut und ich dachte, jo, verstanden. Tut mir definitiv leid für alle Händler, die treu ihm zur Seite standen. Das muss man auch von der Seite sehen. Aber aus der geschäftlichen Perspektive absolut nachvollziehbar. Und ihr seid ja, also Rose hat 45.000 Artikel. und wenn ich sehe, wenn nicht damals die Entscheidung gefällt worden wäre, diese starke Eigenmarke Rose, die dann letztendlich zur Marke Rose wurde, aufzubauen, wären wir heute pleite. Wie ist das denn bei DM eigentlich? Ich glaube, ihr seid auch stark in Eigenmarke, ne? Wie ist das Thema? Wie wichtig wird das? Wie siehst du das in der Zukunft? Weil Aldi hat ja früher quasi nur auf Eigenmarken gesetzt. Und wie siehst du da die Entwicklung in eurer Branche? Weil im markenübergreifenden Handel, klassisch so im klassischen Retail, wird man ohne Marke nicht mehr überleben können.
Christoph Werner: Na gut, ich glaube, es kommt darauf an, wie man jetzt die Aufgabenstellung definiert. Bei dem Druckeriemarkt sagen wir, unsere Kernleistung ist unser Sortiment. Das heißt, die Kategoriekompetenz und die Aufgabenstellung für Sortimentsmanagement bei uns ist immer sich zu fragen, wie lösen wir denn dieses Versprechen ein? Der Sortimentskompetenz. Und das ist eben der richtige Mix der richtigen Artikel, die bei uns nach den Grundsätzen von Attraktivität, Aktualität, Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit sozusagen gemessen wird. Und da gibt es natürlich auch einen Platz für die Eigenmarken. Aber wir haben bei der M2 Garimarkt ja ganz bewusst das Sortimentsmanagement vom Produktmanagement organisatorisch auch getrennt. Das heißt, unsere Produktmanager arbeiten an den Eigenmarken, für die sie verantwortlich sind. Und das Sortimentsmanagement arbeitet an den Sortimenten, das heißt an der Kategoriekompetenz. Und so gesehen ist für einen Sortimentsmanager auch der Produktmanager eigentlich wie ein Industriepartner. Natürlich sind die Wege kürzer, man kann sich besser abstimmen, aber mit dem Blick auf den Kunden fragt sich der Sortimentsmanager immer, was muss ich ins Sortiment reinnehmen, was muss ich rausnehmen, damit ich meinem Versprechen gerecht werden kann. Und da gehören die Eigenmarken dann genau so zu dem relevant set, würde ich mal sagen, aus dem man sich dann bedient oder sich auch auslistet. Da gibt es auch manchmal Diskussionen natürlich, dass Produktmanager sich nicht gehört fühlen oder dass Sortimentsmanager meinen, die Produktmanager würden sich anmaßen, sagen zu müssen, was ins Sortiment gehört oder nicht. Also das sind sozusagen die Dissenskulturen, die es da natürlich auch gibt und die Spannung. Aber es ist im sich stellen dieser Herausforderung, dass es immer wieder neu austariert wird. Und das ist etwas, was permanent geschehen muss. Und damit bleiben unsere Sortimente lebendig.
Marcus Diekmann: Glaubst du daran? Ich habe nur eine Frage, weil nochmal, wir gehen ja einen radikalen Weg bei uns und sagen, unser markenübergreifender Handel mit den 45.000 Artikeln, den bauen wir sogar aus, überstrecke jetzt, wir gehen jetzt auf 75.000, also es bleibt immer eine wichtige Säule. Ja, wir trennen das. Wir haben einmal den Handel mit markenübergreifenden Artikeln und einmal das eigene Brand, die eigene Marke. Beides sind unterschiedliche strategische Ansätze und unterschiedliche Geschäftsbereiche. Und beides betrachten wir auch komplett losgelöst und sagen, gibt Vollgas in der Marke. Und Sarah Volkmann als E-Commerce-Chefin, der sagen war, gib Vollgas zukünftig im markenübergreifenden Handel, wo wir uns aber eher als Connector und Plattform und solche Sachen verstehen. Nicht als Marktplatz, aber zumindest als Plattform und Connector. Und das finde ich interessant, dass wir sagen, hey, es reicht nicht, weil früher gab es zum Beispiel Red Bull und Co. Das war auch nicht Red Bull als Getränk, so hießen unsere ersten Fahrradansätze. Davor gab es nochmal ein paar andere, wo wir einen Eigenmarker ausprobiert haben und wo wir gesagt haben, das reicht nicht. Weißt du, nur Eigenmarken zu führen, die gut und solide sind, reicht nicht. Die müssen echte Marken werden. Ist das bei euch auch so? Wollt ihr selber bei DM das neue Nivea erfinden? Oder ich habe mich gestern noch gefragt, ich habe mir diese IO von Oral-B gekauft und ich frage mich, dieses Ding, das kann ja nichts. Also aus technischer Sicht ist das ja echt Schrott. Es ist teuer, es kann nichts. Warum es immer noch keinen gibt, der das in cooler macht? Also es muss ja nur nachgemacht werden für einen halben Preis und du wirst wahrscheinlich immer noch viel Geld verdienen. Ich kann das bei so einem Produkt überhaupt gar nicht nachvollziehen. Das ist eine rotierende Zahnbürste obendrauf mit einem rotierenden Knopf, mit einem hässlichen Display, wo ein oller smiley-Pixel drauf ist. Da kann mir ja keiner vorstellen, dass das keiner nachbauen kann, ein cooler.
Christoph Werner: Ich glaube, die Frage ist ja, wo sieht man seine Kernkompetenz? Wir sind Händler, Rosebikes ist ein Hersteller in erster Linie und das sind zwei unterschiedliche Ausgangspunkte. Natürlich ist immer die Frage, wenn man sich weiterentwickelt, möchte man bei dem bleiben, was man bisher schon hatte als Kernkompetenz oder möchte man das auch behutsam weiterentwickeln? Da gibt es natürlich immer wieder große Diskussionen und es ist auch gut, dass man diese Diskussionen führt, weil damit wird es immer wieder hinterfragt und auch immer wieder aktualisiert. Und ich glaube, was ja unheimlich wichtig ist, dass solche Grundsätze, sind ja Hilfen eigentlich, sind Orientierungshilfen. Und sie dürfen nicht so abstrakt werden, dass es Dogmen werden, die sich keiner mehr erschließen kann. Und deswegen glauben wir bisher bei DM Drogeriemarkt, dass unsere Kernkompetenz ist, Händler zu sein. Das heißt, das, was wir letzten Endes wirklich pflegen wollen, ist die Marke DM Drogeriemarkt. Wobei jetzt nicht sozusagen in kalter Markenarchitektur und Markendesign, sondern dass wir uns fragen, wie gelingt es uns denn, dass wenn Kunden die Marke DM denken, ihnen sozusagen im Bewusstsein etwas erscheint, wo sie sich sagen, ja, hier bin ich Mensch, deswegen kaufe ich hier ein. Da ist es eben, glauben wir bisher, dass wir sagen, wir nehmen die Bedürfnisse, die die Kunden haben, in den Kategorien, wo wir Kompetenz haben, nehmen wir ernst und da wollen wir sie begleiten. Und das machen wir durch Sortimentskompetenz. Und deswegen gehen wir auch ganz bewusst auch bei den Eigenmarken nicht in die vertikale Integration. Es gibt welche, die sagen, das ist genau der Weg, den man gehen muss, dass man da eben dann die Effizienzen auch hat und deswegen dann die besseren Erträge. Kann man machen. Es gibt welche, die machen das so. Wir sehen das anders. Wir glauben, dass es gut ist, mit innovativen Herstellpartnern zusammenzuarbeiten. Und dass wir die Markenführung machen. Also im Prinzip das, was Nike auch gemacht hat. Nike, zumindest, ich weiß nicht, ob es noch heute so ist, aber lange Zeit haben die keine Produktion besessen, sondern haben da ganz bewusst mit Spezialisten gearbeitet und haben sich auf die Markenführung, auf das kundenorientierende Produktdesign, Markenausstattung gekümmert. Und so gesehen sind die Eigenmarken sozusagen wichtig für uns, differenzieren uns auch, keine Frage. Aber es muss immer so sein, dass es auf die händlerische Kompetenz von dmTrogeriemarkt einzahlt. Und deswegen darf auch die Inszenierung der Eigenmarken nicht dazu führen, dass Menschen sagen, ja, aber in dieser Kategorie ist dm nicht kompetent, weil die haben nur Eigenmarken. Und ich kriege ja oft auch Zuschriften von Kunden und dann kommt öfters auch der Vorwurf, ja, es gibt nur noch Eigenmarken bei euch. Das ist natürlich immer ein guter Zuruf, eine gute Rückmeldung, um mal zu gucken, ob man das öfters hört, wie die Anteile sind. Und da stehen wir heute. So beurteilen wir das heute. Vielleicht sehen wir das in zehn Jahren anders. Aber bisher glaube ich, dass es so ist. Ich glaube, bei Rosebike ist es wahrscheinlich anders. Ihr kommt aus dem, mit Fahrrädern werdet ihr in Verbindung gebracht. Daran wird sozusagen die Glaubwürdigkeit der Marke Rosebike wahrscheinlich festgemacht. Wenn du jetzt sagst, ihr habt 45.000 Artikel und wollt das unter 75.000 ausweiten, wird das alles unter Rose sein oder sind das auch Markenartikel?
Marcus Diekmann: Der größte Teil davon sind tatsächlich markenübergreifende Sortimente, also von anderen Herstellern. Abus-Helme.
Christoph Werner: Ist aber nicht eure Kernkompetenz dann. Das, was eure Marke auflädt, ist wahrscheinlich die Qualität eurer Bikes.
Marcus Diekmann: Absolut. Der interessante Ansatz ist ja dieses One-Stop-Shopping. Also wir fahren ja unterschiedliche Geschäftsansätze. Wenn wir in die Biketown in Bocholt gehen mit 4000 Quadratmetern, da hast du eine komplette Mehrmarkenwelt. Da stehen oben natürlich auch die Rosebikes und auch die Rosebikes-Bekleidung. Rosebikes sagt man nicht, aber jetzt verleiten das. Also die Rosebikes-Bekleidung. Aber du siehst dann aber auch Asos-Hosen, Abus-Helme und Shimano und alles. Dann gehst du in einen Store in München, da findest du fast ausschließlich nur Rose-Sachen. Also das ist dann wirklich schon fast ein Monostore. So testen wir auch die unterschiedlichsten Konzepte. Am Ende des Tages glauben wir immer daran, dass der Kunde heute eine große Vielfalt braucht. Und gerade online und One-Stop-Shopping online eine gute Chance ist. Und wir die Kompetenz haben, in der Fahrradbranche besser Dinge verkaufen zu können, als die Hersteller selber, wie Abus und Co. Nur online. Und dass wir darum denen zukünftig unsere 15 Millionen Besucher, die wir im Jahr im Online-Shop haben, anbieten und sagen, ihr könnt mit unserer künstlichen Intelligenz, mit unserer Beratungstruppe, mit unseren Services, könnt ihr diese Kompetenz nutzen und darüber eure Sachen verkaufen an unsere Kunden. Ich glaube, das ist der eine Weg und stationär glaube ich, dass wir da zukünftig stark genug sind, weil wir Bekleidung massiv ausbauen, gemeinsam auch mit vielen Kunden und auch das Know-how da einziehen, ein tolles Team dort haben. und ich glaube, da gehen wir immer mehr in Monobrandstores.
Joel Kaczmarek: Wo wir doch eigentlich beim schönen Thema sind, Services. Weil für DM schlägt ja auch gerade eine neue Stunde, zumal ihr ja in Zeiten von Corona diese Teststationen aufgebaut haben. Und man hört ja immer wieder, dass Services auch so ein Differenzierungsmerkmal im Handel werden. Wie geht es euch denn bisher damit?
Christoph Werner: Ja, also diese Initiative Corona-Schnellteststationen bei DM jetzt anzubieten, also jetzt würde ich mal sagen für die nächsten Monate anzubieten. Wir hoffen ja alle, dass wir aus der Pandemie rauskommen und dass damit diese Selbsttests und diese Schnelltests nicht mehr notwendig sein werden. kommt bei uns aus der Überlegung heraus, was können wir tun, um für unsere Kunden den Unterschied zu machen. Und das muss man jetzt einbetten in die Situation mit Corona, die sich jetzt ja bald jährt. Erster Lockdown, war jetzt bald vor einem Jahr, noch eine Woche oder so, und dann war es vor einem Jahr, genau. Und da ist es ja so gewesen, dass die Regierung bisher die Strategie hatte, dieses Pandemie-Geschehen einzudämmen über zwei Säulen im Prinzip. Die eine Säule war Shutdowns, also sozusagen den Mobilitätsradius der Menschen zu reduzieren, indem man Anlässe, sich sozusagen vom Wohnort zu entfernen, weggenommen hat durch das Schließen vom Einzelhandel, vor allem von der Gastronomie und auch von Event und so weiter. Und die zweite Strategie war Impfung. Also die Überlegung, wenn dann die Bevölkerung geimpft ist, dann kann das wieder aufgemacht werden, weil damit die Infektionsketten so nicht mehr stattfinden können. Und das war wirklich eine Strategie. Ich persönlich muss sagen, vor einem Jahr, das hat mich damals echt betroffen gemacht. Wir hatten das Glück bei der M-Trogeriemarkt, dass wir aufbleiben durften. Aber ich weiß noch, als diese Ankündigung gab, da war ich, ich war wirklich niedergeschlagen, weil ich gedacht habe, was machen wir hier eigentlich? Das war jetzt vor der Bedrohungslage verständlich. Weil wir wussten wirklich nicht, wie gefährlich das ist, ob das sowas ist wie Ebola. Da gibt es ja diese Filme auch, die das ganz drastisch zeigen. Das war wirklich die Sorge damals. Deswegen war das damals wahrscheinlich auch im Rückblick erstmal das Richtige, da eine Notbremse zu ziehen. Aber als ich dann gesehen habe, dass sonst nichts gemacht würde, da habe ich mir gedacht, wohin wird das führen und wohin das geführt hat, haben wir jetzt ja auch gesehen. dass Freiheitsrechte eingeschränkt worden sind und im Bekanntschaftsumfeld erlebt man ja, zu was das auch führt. Also diese Kontaktbeschränkung, das ist ein echtes Problem, weil unsere Gesellschaft davon lebt, dass wir uns austauschen, dass wir auch miteinander sprechen, dass wir miteinander diskutieren und nicht, dass wir diesen Riss haben in der Gesellschaft, wie jetzt entstanden ist durch diese Politik, dass es Menschen gibt, die sagen, die Maßnahmen, die ergriffen wurden, waren alternativlos und die einzig Richtigen und eine andere Gruppe sagt, ja, das ist alles ein großer Plan. und fühlen sich nicht gern. Also, und jetzt die dritte Säule, die jetzt endlich angegangen wird, ist, dass man sagt, testen. Und zwar testen deswegen, damit wir wieder öffnen können. Das heißt, wenn wir wieder öffnen können, aus zwei Gründen. Erstens, weil die Inzidenzzahlen zurückgehen, weil die Menschen sich selbst testen und damit bewusster damit umgehen, eben die Großeltern beispielsweise nicht zu besuchen, wenn sie einen positiven Test haben sollten. Und zum Zweiten, dass wir auch gerade das Kulturleben wieder hochfahren können und die ganzen anderen Dinge, auch die Gastronomie, wenn die Menschen sich freitesten können. Und freitesten kann man sich natürlich nur, wenn das nicht ein Selbsttest ist, sondern wenn es eine dritte Person sozusagen anschaut und zertifiziert. Deswegen braucht es eine Infrastruktur, dass wenn man beispielsweise wieder ins Stadion gehen kann, und da gehen tausende Menschen hin, kann man das ja nicht vor den Toren machen. Weil wenn man 15 Minuten warten muss, bis das Testergebnis da ist, ja, wenn das Spiel abends um 18 Uhr losgeht, muss man dann schon um 13 Uhr kommen. Also das funktioniert ja nicht. Das heißt, es muss eine Struktur geben, dass man sich testen kann, um dann das Zertifikat zu haben, um dann reingehen zu können. In meinen Gesprächen dann auch mit der Politik hatte ich dann wahrgenommen, dass es in diese Richtung geht. Und dann haben wir bei dmTrogeriemarkt uns die Frage gestellt, also wenn das jetzt kommt und wir sehen ja, dass die Menschen ungeduldig werden jetzt, dass die Menschen wieder ihr Leben zurück haben wollen, dann die Frage, wie können wir da unterstützen? Und dann kommt man genau an den Punkt und sagt, was können wir eigentlich, was können wir denn anbieten, wenn jetzt plötzlich das Bedürfnis da ist, das zu machen, wenn unsere Kunden das wollen? Und dann schaut man, was sind die Fähigkeiten, die wir haben? und die Fähigkeiten bei dmTrogeriemarkt ist, dass wir ja schon seit Jahrzehnten ausbilden und zwar den Beruf der Trogisten. Das heißt, wir haben Menschen, die sind da gesundheitsnah. Das heißt, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen so sind, dass solche Tests auch bei DM durchgeführt werden können und auch bei anderen Einzelhändlern, möchte ich dazu sagen, dann können wir dabei helfen, dass eine Öffnungsstrategie auf das Freitesten setzen kann. Und dann sind wir intern da ins Gespräch gegangen, vor allem auch mit dem Betriebsrat natürlich, um zu fragen, was wären da die Anforderungen, damit die Menschen bei DM-Drogeriemarkt auch bereit sind, das zu tun, also die Kolleginnen und Kollegen. Und um sich dieser Aufgabe zu stellen. Und da sind wir jetzt genau bei dem Punkt, wie geht man um in einer Organisation, wenn es darum geht, dass man plötzlich etwas machen möchte, was man bisher noch nicht gemacht hat. Das ist genau die gleiche Fragestellung wie bei Digitalisierung letzten Endes. Weil was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir anders arbeiten, dass unsere Tätigkeiten anders aussehen werden, als sie bisher gewesen sind. Und wie kann es gelingen, dass die Menschen sagen, ja, ich bin bereit, mich auf dieses Abenteuer einzulassen. Also sozusagen aus der Komfortzone in die Lernzone mich wieder zu begegnen. Und die Erkenntnis, die wir haben und hatten, ist, dass wenn die Menschen den Sinn darin sehen, wenn sie verstehen, warum das einen Unterschied macht, dann sind sie gerne bereit, sich aus ihrer Komfortzone in die Lernzone zu begeben, um sich diese Fähigkeiten anzueignen. Und es war wirklich erstaunlich, als wir jetzt ungefähr vor einer Woche bekannt gegeben haben, dass wir das wirklich machen wollten, es musste jetzt auch relativ schnell gehen, da haben wir natürlich dann viele Rückmeldungen auch aus der Arbeitsgemeinschaft gekriegt. Ich war wirklich überrascht oder erfreut, muss ich sagen, zu sehen, wie viele Menschen bei dmTurkeriemarkt sich sofort gemeldet haben und gesagt haben, ja, in diesen Teststätten, da würde ich gerne unterstützen. Natürlich auch noch Fragen, wie das dann im Einzelnen geht. Deswegen ist dann auch unsere Pflicht zu gucken, dass da die Informationen richtig gemacht werden, dass die Schulung richtig ist, dass die Menschen das auch souverän und mit großer Kundenorientierung machen können. Das ist unsere Aufgabe, das zu machen. Aber zunächst geht es ja mal darum, dass die Menschen sagen, da haben wir Lust, das zu machen. Und war für mich auch wirklich lehrreich, wie wichtig ist es, gerade als verantwortlichem Unternehmen, Immer genau zu schauen, was sind die Bedürfnisse der Menschen und unsere Kolleginnen und Kollegen sind ja Teil der Gesellschaft, die stehen ja nicht außerhalb. Das heißt, die erleben ja auch das, was in der Bevölkerung lebt. Und dann zu sagen, so und jetzt mit dem, was wir können bei der M-Torquerie-Markt, mit unserer IT-Infrastruktur, mit unserer Ausbildung, die wir haben, auch mit unseren E-Learnings, Learning Tools, die wir haben, haben wir die Gelegenheit, jetzt möglichst schnell diese Testcenter dann auch auszurollen, wenn die Prototypen jetzt dann stehen. Und wir haben jetzt heute die dritte Teststellung bereits, wo gerade die IT-Infrastruktur nochmal getestet wird, damit das wirklich funktioniert, sozusagen von der Terminvergabe bis dann sozusagen zur Mitteilung des Testergebnisses. Und jetzt machen wir auch schon die Filme, um die ganze Schulung der Mitarbeiter und Informationen der Mitarbeiter zu machen. Und dann hoffen wir, dass wir nächste Woche mit den ersten Testcentern live gehen können, um das dann skalieren zu können. Unheimlich interessante Insights für mich auch, was Transformation anbelangt, was die Frage von Kommunikation anbelangt. Es geht letzten Endes halt nicht nur um Kronos, sondern es geht auch um Kairos. Es geht um den richtigen Zeitpunkt. Man muss wissen, wann ist der Moment, wenn ich dann mit einer Initiative starten kann und es einfach einsichtig ist und dann geht ein Schub durch die Organisation, die einfach hilft, lernfähig zu bleiben.
Joel Kaczmarek: Was hast du mitgenommen für euch als Organisation insgesamt? Also du sagst ja eigentlich, ist es ein Produkt, was im Idealfall begrenzt ist zeitlich. Also wenn wir Glück haben, müssen wir das nicht mehr führen. Aber hast du für dich trotzdem gelernt, du hast ja auch gerade beschrieben, wie man skaliert. Es hat ja auch einen starken Digitalisierungsanteil eigentlich, also Terminvergabe und Co. Ist das was, was ihr sozusagen zukünftig auf andere Themen replizieren könntet? Also beispielsweise Schminken in euren Läden oder Produktberatung nochmal auf anderer Ebene machen? Oder sagst du, ist jetzt eigentlich eine Momentaufnahme und wird für uns gar nicht so eine Rolle spielen?
Christoph Werner: Naja, ich würde sagen, unser Ziel ist ja, diese Testzentren so schnell wie möglich auszurollen, damit wir sie so schnell wie möglich wieder abbauen können. Also sozusagen, weil das Pandemiegeschehen vorbei ist. Hat nebenbei bemerkt interessante betriebswirtschaftliche Fragestellungen natürlich auch. Wie geht man damit rum in der Kalkulation? Wie profitabel soll Soll das sein oder nicht? Da kann man ganz unterschiedlich, also was ist sozusagen die Dividende? Ist die Dividende, wollen wir das nur finanziell sehen oder wollen wir das auch gesellschaftlich sehen? In Klammern, das ganze Thema Masken und sozusagen Provisionen, die da gezahlt wurden, auch an Politiker, ist ja wirklich die Frage vom Dividendenverständnis auch. Aber das nur sozusagen in Klammern. Letzten Endes würde ich mal sagen, wenn man das jetzt mal so ein bisschen abstrakt, wenn ich das mal erlauben darf, ist auch so eine Corona-Pandemie und der Umgang damit ist wie ein Fitnessgerät für uns, um unseren Muskel Entwicklungsfähigkeit zu trainieren und unter Beweis zu stellen.
Joel Kaczmarek: Christoph, ist ja ein spannender Satz, wenn du sagst, ihr habt dann Muskel trainiert, nämlich die Anpassungsfähigkeit, die Veränderungsbereitschaft und Co. Wenn wir uns jetzt ganz viele kleinere Händler auch zuhören, was würdest du sagen, sind so Learnings, die ihr als jemand sehr Großes mitgenommen habt, ihr müsst ja aber als sehr große Organisation das trotzdem auf kleine Außeneinheiten übertragen. Gibt es so Dinge, wo du sagst, okay, ich hatte so drei, vier, fünf Top Insights, die man auch mit anderen teilen kann, wo jetzt ein Händler, der vielleicht nur ein Geschäft hat oder eine Handvoll von euch partizipieren kann?
Christoph Werner: Ja, also ich meine, wir haben natürlich das Riesenglück, dass wir eine große Organisation mittlerweile sind, mit vielen Experten auch. Also gerade wenn es jetzt um Digitalisierung geht und so, haben wir einfach sozusagen die Mannschaften auch, um das dann auch zu durchdringen und zu entwickeln. Aber das war nicht immer so. Also jede Zeit hat so ihre Herausforderungen auch gehabt. Und ich glaube, das Erfolgsrezept von dm ist wirklich, dass wir immer versucht haben, entwicklungsfähig zu bleiben. Und ich glaube, das ist letzten Endes keine Frage von Größe. Ich würde sagen, die Herausforderung ist umso größer, je größer das Unternehmen ist, weil das Unternehmen, wenn es größer ist, sich einfach mehr spezialisiert hat und Prozesse wesentlicher sind, damit die Zusammenarbeit klappt. Da tun sich kleinere Unternehmen leichter. Und ich glaube, wenn es auch in kleineren Unternehmen gelingt, diese sozusagen konsequente Kundenorientierung zu haben und dieses permanente, konstruktive Hinterfragen der bestehenden Prozesse, dann bleibt ein Unternehmen innovationsfähig. und dann würde ich mal sagen, wenn auch die Eigentümer bereit sind, nicht immer permanent die ganzen Gewinne zu entnehmen, sondern auch, dass das Unternehmen Substanz bilden kann, also thesaurieren kann und die finanziellen Freiheiten dann auch bekommt, dann würde ich mal sagen, auch kleine Einzelhändler, die werden
Marcus Diekmann: Wachstum überhaupt nicht verhindern können. Ich finde es ja spannend, weil ich sehe immer so gerne mal aus Lette, dass bei Coesfeld, das ist so ein kleiner Spielzeughändler, weißt du, der ist auch hart getroffen gewesen und das ist so ein kleiner Laden. Und dann hat er kurz vor Weihnachten alle seine Freunde gebeten, seine E-Mail weiterzuleiten an alle und hat bei Facebook, hat er gar nicht viel, aber er sagt, brauche ich ja nicht, brauche ich ja nur bei mir in der Region. Und hat so einen Service ins Leben gerufen, schickt mir alles, was ihr euren Kindern schenken wollt zu Weihnachten und schickt es mir, egal ob ihr mir einen Amazon-Link schickt oder was, ich besorge euch alles. Auf Rechnung und ich sorge dafür, dass das Zeug heiligabend bei euch eingepackt in schönem Geschenkpapier unterm Tisch liegt. Ich habe das auch genutzt und der hat seinen Rekord Weihnachtsjahr als Kleiner und ich meine, der hat keinen Online-Shop, aber das würde man schon ein bisschen Digitalisierung nennen, weil der hat eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet und das hätte jeder gekonnt. Und das finde ich, das mit dieser Innovationsfreudigkeit, wie du es beschrieben hast, finde ich schon, ja, einen coolen Ansatz. Und ich glaube, wir denken immer so, wir tun uns so schwer, weil wir alle immer in so Riesenkonzepten, ich weiß nicht, wie das bei DM ist. Ich glaube, wenn man zum Beispiel jetzt auch bei uns auf Rose guckt, vielleicht ist es an der Fahrradbranche so ein bisschen, dass die sagen, wenn man mal so ein Radrennen verliert, dann muss man sich auch neu erfinden. Weißt du, wie ich das meine? Und ich habe schon immer das Gefühl, weil die so sagen Okay, da ist irgendwas passiert, hat sich verändert, gar nicht schlimm, dann trainieren wir halt neu. Dass wir so schwer tun. Ich habe mit so vielen Händlern jetzt gesprochen. Ich habe alleine mit 402 Händlern telefoniert im ersten Lockdown. Und von vielen, da habe ich gehört, ich habe noch nie geguckt, was mein Nachbar überhaupt verkauft, der auch Anzüge verkauft. Ich fand das so erschreckend, dass man, aber auch von Restaurants, die nie bei der Konkurrenz essen gehen, um zu sagen, was kann ich eigentlich von dem lernen? Was macht der besser? und auch Wir reden ja auch immer darüber, warum etwas nicht klappt, sondern dass wir eher in diesem Modus, was kann ich von anderen lernen und was macht der eigentlich gut und was er schlecht macht, das sieht jeder. Aber so das Positive und warum kann es klappen, wenn wir in diese Philosophie kommen, dann ist das, glaube ich, der erste Schritt der Digitalisierung oder der Transformation.
Christoph Werner: Naja, Marcus, ich glaube, was du gerade beschreibst, wenn das jetzt so ist wirklich, dass die sozusagen niemals zum Mitbewerber gegangen sind, dann würde ich sagen, diese waren nicht sonderlich kundenorientiert. Weil es ist ja wichtig zu wissen, was den Kunden interessiert. Und das sehe ich auch, wenn ich bei Mitbewerbern natürlich mal bin und schaue, was da gekauft wird, wie da gekauft wird, wie sich die Menschen da mit den Sortimenten oder mit den Dienstleistungen auseinandersetzen. Vielleicht nochmal was zum Thema Digitalisierung, weil da ja viel drüber gesprochen wird. Was ich interessant finde in der Diskussion, dass Digitalisierung oft so als Zweck bezeichnet wird, aber Digitalisierung ist Mittel. Ist nicht der Zweck. Also Digitalisierung ist nicht das Ziel, sondern Digitalisierung kann mir ermöglichen, Dienstleistungen oder Waren und Dienstleistungen meinen Kunden anzubieten in einer Art und Weise, die einfach wettbewerbsfähiger sein wird, als wenn ich es ohne Digitalisierung mache. Und wenn wir jetzt nochmal diese Corona-Teststation bei dm nehmen, ja die Digitalisierung ist beispielsweise die Möglichkeit der Terminvergabe. Und dass es dann möglich ist, tausende von Stationen anzubieten mit einem Backoffice, welches sehr, sehr überschaubar und effizient ist und wenig sozusagen mit Strukturen arbeiten muss, die dazu führen, dass alles sehr, sehr langsam wird. Ich meine, das Problem, was man doch jetzt, deswegen ist Corona-Krise, ich glaube, im Rückblick, wenn sozusagen die Tragödie, die sich da in den Familien abgespielt hat, wenn das sozusagen mal in den Hintergrund tritt und wir mal aus der Vogelperspektive dann mal draufschauen werden und das analysieren werden, Ich glaube, es wird eine Möglichkeit sein zu sehen, welche Herausforderungen wir auch in Deutschland haben. Also dass die Behörden und Ministerien sich so wahnsinnig schwer tun, ist, weil sie nicht digitalisiert sind. Also wenn immer noch die Corona-Zahlen am Montag nicht valide sind, weil immer noch irgendwelche Gesundheitsbehörden die Daten nicht übermittelt haben, also wenn das elektronisch wäre, wäre das egal, welcher Wochentag das ist. Also wir sind in den Behörden nicht digitalisiert und deswegen sind wir nicht leistungsfähig, wir sind nicht beweglich. Wir haben einen Gap zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. Weil die Wahrnehmung erst immer hinterhergezogen wird, weil das halt mit Faxen noch oft heute in den Behörden passiert. Und da kann man jetzt genau sehen, was die Folgen davon sind, wenn man sich nicht digitalisiert. Das heißt, man ist weniger anpassungsfähig. Und dieser Begriff der VUCA-Welt, also diese Beschreibung mit Adjektiven, was unsere Welt heute ausmacht, abgekürzt durch dieses Akronym VUCA, V-U-C-A, stehen für volatil, unsicher, komplex und ambig, also mehrdeutig. ist eine Herausforderung, die wir im Handel haben. Und beim Handel funktioniert es dann so, entweder bin ich in der Lage, damit umzugehen, indem ich agiler werde, indem ich sozusagen schneller mich verändern kann, um weiterhin für die Kunden relevant zu bleiben. Wenn mir das nicht gelingt, verschwinde ich vom Markt. Also sozusagen der Markt regelt das. Mit Behörden wird es natürlich schwierig, weil die Behörden sind natürlich nicht ein Wettbewerb, weil das ist ja nicht Marktwirtschaft, sondern das ist Verwaltung. Und jetzt könnte man natürlich mal die Frage stellen, was passiert denn, wenn wir mit unserer öffentlichen Verwaltung nicht in der Lage sind, Antworten zu VUCA zu geben, die im Moment zu einer Gesundheitskrise führen und zu den Shutdown-Maßnahmen als sozusagen einzigste Maßnahme, die man noch treffen kann. Also auch diese ganzen Corona-Hilfen, die nicht ausgezahlt werden, weil es einfach nicht managebar ist. Und auch das Wirtschaftsministerium versucht es ja nach Kräften, aber es geht halt nur so viel. Da können wir mal die Frage, was passiert eigentlich in einer VUCA-Welt, wenn die öffentliche Struktur nicht in der Lage ist, darauf eine Antwort zu geben? Wenn wir mal ganz ehrlich sind, zu was das führt, letzten Endes ist es zur Revolution. Immer wenn die öffentlichen Strukturen nicht mehr mithalten konnten mit den Bedürfnissen der Bürger, sind die Bürger irgendwann aufgestanden und dann gibt es eine Revolution. Deswegen will es gar nicht revolutionär klingen, aber einfach um die Gesetzmäßigkeiten uns mal klar zu machen. Das heißt, das ist für uns als Gesellschaft eine Riesenaufgabe jetzt zu schauen, dass auch die öffentliche Verwaltung die Digitalisierung wirklich ernst nimmt und damit weiterhin bürgerorientiert unser Gemeinwohl und unser Gemeinwesen gestaltet.
Marcus Diekmann: Händler helfen Händlern durfte ja letztens bei der OECD vorsprechen und den deutschen Handel netterweise vertreten. Und eine unserer Forderungen war, dass sich der Staat eher als Integrator versteht. Weil wir haben heute im Handel gelernt, ich meine, du kannst weiterhin wie BMW versuchen, selbst ein Navi aufzubauen oder du nimmst einfach Google Maps. Und das Navi von BMW, sorry, das ist Käse, der will kein Mensch. Bei bestem Wissen, die kommen auch nicht schnell genug in den Innovationszyklen. Tesla integriert einfach perfekt Google Maps. Volvo integriert es perfekt. Und ich glaube, wenn der Staat auch da umdenkt, er muss sich als Integrator verstehen in vielen Dingen und dann wäre es einfach lösbar. Und ich wollte mal sagen, ich möchte aber auch nicht nur den Staat angreifen. Ich finde deine VUCA-Formel super. Und ich möchte auch sagen, ich finde auch, viele von uns haben einfach auch das letzte halbe Jahr nach dem ersten Lockdown verschlafen. Denn es war völlig klar, dass der zweite Lockdown kommt. Ich habe es auch wirklich, oder? nicht nur ich, sondern auch die Kollegen von Handlife Nenner haben das so oft gepredigt. Und kaum hat sich einer vorbereitet. Und ich meine, wir konnten aus der Gastronomie lernen, die dann zum Beispiel relativ schnell auf QR-Codes gesetzt haben. Wenn du bei mir essen willst, musst du dich eben kurz registrieren. Ich war gestern, ich bin Advisor Change noch bei Baby One. Das ist so der stationäre Marktführer für Baby- und Kleinkind-Märkte. Und da habe ich einen Franchise-Nehmer in Meppen besucht. Und ich fand es saukool. Der hatte einfach draußen in der Scheibe ganz neu einen QR-Code hängen für Click & Meet. Und sagte hier, zack, kannst du dann einfach easy leicht umgesetzt. Und ich fand es geil. Du brauchst keine Terminbuchung zu Hause machen, wie im Restaurant. Aber ich meine, das ist auch nicht neu. Das gab es jetzt schon vor einem halben Jahr in jedem Restaurant. Und wir haben dieses Wissen nicht schnell genug geteilt. Und das ist ja nicht nur beim Staat so. Ich glaube, das Wissen teilen Ich merke das überall, dass es überall dran scheitert, am Wissenteil. Und jeder arbeitet an seiner eigenen Lösung. Jeder probiert, das selbst zu machen. Und ich durfte mal vor drei Jahren, ich weiß nicht, ob ihr euch noch erinnern könnt, es gab ja mal eine Zeit, wo man reisen durfte. Früher. Da war ich in Seattle und hatte Salesforce besucht. Und ich fand das so spannend, weil die haben einen ziemlich coolen Sales-Chef damals gehabt, einen Dan. Und er sagt, ihr Deutschen, ihr habt die besten Ingenieure, aber weißt, was das Problem an euch ist? Ihr fangt immer bei Null an. Wir Dan und wir Amerikaner, wir gucken erst mal, was die Deutschen schon so gemacht haben. klauen das ein bisschen und machen das von dort aus besser. Und darum sind wir einfach schneller als ihr. Und dann nützt es auch nichts, die besten Ingenieure zu haben. Und so sehe ich das im Handel auch. Jeder frickelt an seine eigene Lösung. Jeder will sich auch verstecken. Das darf der andere bloß nicht sehen und auch nicht sehen. Und ich glaube, wenn wir da auch, ja, wenn wir unter Digitalisierung auch Wissen teilen und das mehr gemeinsam zu machen und dadurch auch schneller uns alle zu entwickeln, uns eher als Integrate zu verstehen, ich glaube, dann gewinnen wir auch schneller.
Joel Kaczmarek: Aber ist eine interessante Frage, weil es kam mir auch in den Kopf, als Christoph erzählt hat von den Terminvereinbarungen. Wie handhabt ihr beide das denn in euren Unternehmen? Weil ich glaube, das ist für viele kleine Händler wie große gleichermaßen interessant. Wenn ich einen Prozess digitalisieren möchte, also ihn technisch abbilden, baut ihr das dann in der Regel selber oder kauft ihr euch Sachen ein, dass ihr sagt, genau dieses Google Maps Modell, was Marcus gerade gesagt hat. Wie habt ihr das zum Beispiel bei euren Stationen gemacht?
Christoph Werner: Sowohl als auch. Meistens ist die schnellere Lösung, es erstmal einzukaufen und dann muss man schauen, ob man mit dem Anbieter auch in einer Art von Kooperation das weiterentwickeln kann oder ob es sinnvoll ist, das selbst zu machen. Ich glaube, es kommt immer darauf an, wie entscheidend es ist. Also beispielsweise, wir arbeiten auch mit SAP, sozusagen die Grundinfrastruktur und da gehen wir auch ganz bewusst den Weg, dass wir sagen, möglichst wenig anpassen auf uns, also möglichst nah am Standard zu bleiben, weil sonst kriegt man Riesenprobleme mit den ganzen Updates, die nachkommen. Wenn es sehr spezialisierte Lösungen sind, kann es manchmal hilfreich sein, das selbst zu machen. Aber jetzt speziell bei der Terminvergabe beispielsweise, haben wir das Riesenglück, dass wir bei dm im Drogeriemarkt in Österreich ja auch Kosmetik- und Friseurstudios zu unserem Leistungsumfang dazu zählen. Und damit haben wir da einen IT-Partner, der diese Software schon zur Verfügung stellt zur Terminvergabe. Und mit dem konnten wir jetzt, es muss jetzt ja super schnell gehen im Moment, also das ist keine Zeit, jetzt hier sechs Monate sich Gedanken zu machen, sondern es muss innerhalb von Tagen funktionieren. ein paar Wochen jetzt funktionieren. Deswegen da auf Standardlösung setzen und dann mit dem Partner gemeinsam gucken, wie man das jetzt genau darauf anpassen kann. Muss man natürlich dann auch verhandeln, was kostet es. Ganz andere Last, die da drauf kommt plötzlich. Aber das ist sozusagen Kernkompetenz von uns. Das machen wir dann. Und dann, wenn sich das dann etablieren sollte, wenn das wirklich etwas ist, was es dann auch auf Jahre gibt, dann wird es neu beobachtet. Aber wie gesagt, ich glaube, die Corona-Teststation, wenn wir das gut machen, dann werden wir sie bald wieder abbauen können. Das ist sozusagen der Widerspruch in dieser ganzen Sache, aber das liegt an der Situation.
Marcus Diekmann: Ich habe ja das Glück, also A, dass ich Job und Leidenschaft kombinieren darf, weil ich auch wirklich gerne Fahrrad fahre. Das ist ja in der Work-Life-Balance und jetzt darf ich sogar während der Arbeitszeit mal Fahrrad fahren gehen und das ist offiziell Arbeit, das ist ja mega.
Christoph Werner: Das ist so wie Einkaufen bei mir. Ja.
Marcus Diekmann: Das ist ja, ich hatte ja erzählt, Shopping-Erlebnis bei den Kids bei euch. Aber was ich sagen will, eine Grundmaxime, die ich damals, das zweite, wo ich Glück hatte, ich durfte ja eine Agentur kaufen, die Freunde von mir aufgebaut haben, Tim und Sepp und Sarah. Und darf auch mit diesen tollen Menschen noch zusammenarbeiten, zusätzlich zu den Roseleuten, die auch wirklich wunderbar sind.
Joel Kaczmarek: Das macht er immer so charmant, dass er es so als ein Geschenk verkauft, aber eigentlich auf dicke Hose macht.
Marcus Diekmann: Und das Coole ist, wir haben damals so ein Prinzip für uns entwickelt. Das heißt nicht, dass es das noch nie irgendwo gab, aber wir haben das für uns wirklich, glaube ich, ziemlich gut übertragen bekommen. Das ist Test, Learn, Build, Bigger. Das ist so einfach. Aber Test, Learn, Build, Bigger, eine Umzusetzung ist nicht so einfach, weil die meisten verwechseln das mit Idiotisch starten. Das ist damit nicht gemeint. Du musst schon hoch clever starten. Ein doofer Test ergibt nur doofe Ergebnisse. Das ist einfach Fakt. Aber es heißt auch nicht, Test, erstmal ein Jahr ein Konzept schreiben. Das ist auch nicht Test. Und so haben wir das bei der Terminvergabe und WhatsApp-Beratung. Also Ich glaube, Tim hat in seinen Stores tatsächlich, ich glaube, 18.3. war der erste Lockdown. Und der hatte direkt fünf Tage später, hatte der WhatsApp-Beratung in den Läden. Und hatte das mit den Verkäufern gemacht und erst mal nur konzeptlos mit deren eigenen Handys. Datenschutz und alles mal hin und her geworfen. Betriebsratsproblematik, alles mal jetzt dahingestellt. Die Verkäufer fanden es mega geil, weil sie verkaufen durften. Keiner musste in Kurzarbeit und nix. Und wir konnten das alles machen. Und das Spannende ist, wir haben vor drei Wochen mehr Umsatz mit unserem Münchner Laden zum ersten Mal nur mit WhatsApp-Beratung aus dem Laden gehabt. Alles beim geöffneten Zustand. Und das finde ich wirklich spannend. Wenn ich mir mal überlege, was wir also alles für Chancen verpasst haben, weil wir ja an Ladenzeiten gebunden sind, dass wir nicht abends WhatsApp-Beratung aus dem Laden anbieten, wenn die Leute vielleicht im Feierabend sind. Die zweite Erkenntnis ist ja, wir haben uns dann ein paar Bullys geholt und sind zu den Leuten nach Hause gefahren. Haben gesagt, wenn du nicht in den Laden darfst, bringen wir dir drei Testräder zu dir nach Hause, du kannst die da testen und wenn du dann eins möchtest, behältst du es. Rose at Home haben wir das genannt. Und Rose at Home haben wir auch ohne Konzept erstmal einfach nur rund um Bocholt angeboten, dann rund um München und so weiter. Und auch das war ein Wahnsinnserfolg. Das zeigt mir aber auch, dass in der Zukunft es nicht mehr ausreicht, als Händler einfach nur in seinem Laden zu sitzen und zu warten, dass die Kunden kommen. Und da rede ich ja noch nicht mal von E-Commerce, sondern ich abends wie ein Pizzaservice, wie jede kleine Dönerbude es schafft, abends auch zum Kunden muss. Und das finde ich spannend.
Christoph Werner: Ich würde gerne nochmal auf den Punkt eingehen, den du vorhin gesagt hast, und zwar Start als Integrator, ne? Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Frage, die du da aufhörst. Was ist die Aufgabe des Staates? Ich meine zu beobachten in Deutschland, dass die Idee des Etatismus, also sozusagen der Staat soll es richten, dass diese Überlegung zunehmend populär wird. Ich sehe das ehrlich gesagt mit Sorge, nicht zuletzt, was wir jetzt in der Corona-Krise erlebt haben. Gerade in der jetzigen Zeit zeigt eben, wie schwer das fällt. Und deswegen ist es, glaube ich, nochmal wichtig, die Rollen zu klären. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass ich Gelegenheit hatte, in Arbeitskreisen dabei zu sein, die auch von Ministerien gemacht wurden, wo es darum ging, Zukunft der Innenstädte, Zukunft des Handels. Ist übrigens, scheint es auch im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung, scheint es zu stehen, ich habe das nicht überprüft, aber wurde da zumindest gesagt, dass der Staat helfen soll bei der Digitalisierung des Handels. Quatsch. Naja, also kann man sich fragen, warum eigentlich? Das ist nochmal eine separate Diskussion, aber wenn wir das einfach mal als Ausgangspunkt nehmen, weil also schon gesehen wird, dass Digitalisierung eine Voraussetzung ist, dass die Unternehmen sich auch gut entwickeln können und der Staat es jetzt als seine Aufgabe sieht. Und da kommen dann Fachkommissionen zusammen und da werden dann Vorschläge gemacht, auch von Beratern, die dann sozusagen dem Handel helfen sollen, sich zu digitalisieren. Auch in diesen Fachkommissionen habe ich eine klare Position vertreten, die jetzt nicht so sehr gut ankam. Aber ich glaube, da müssen wir einfach ehrlich miteinander sein. Wenn ein Händler keine Lust auf Digitalisierung hat, dann wird es auch der Staat nicht richten können. Also wir müssen auf das Unternehmertum setzen. Und wenn ein Händler möchte, dass er weiterhin für seine Kunden relevant bleibt, dann muss er sich Gedanken machen, was er dazu braucht. Und dann muss er sich die Hilfe holen. Er ist doch Unternehmer, ist ja kein Funktionär. Und deswegen, glaube ich, muss die Frage sein für den Staat nicht, wie kann ich Händler, die eigentlich von Digitalisierung nichts halten, jetzt dazu bringen, sich zu digitalisieren. Das kann nicht die Fragestellung sein, sondern die Fragestellung muss sein, wie muss der Staat die Rahmenbedingungen schaffen, damit Unternehmertum, unternehmerische Initiative sich ausleben kann.
Marcus Diekmann: Absolut. Ich würde nur einen Punkt ergänzen dazu, weil ich das mega finde, wenn ich ganz kurz darf, dann bin ich wieder ruhig. Ich finde das so spannend, weil Amazon und Händler helfen. Händlern haben gemeinsam eine E-Learning-Plattform entwickelt, ratzfatz in der Lockdown-Phase, Quickstart minus online und komplett extra ohne Registrierung, damit uns niemand vorwerfen kann, wir wollen 35 Schulungsvideos, wo du alles lernen kannst für den Handel, alles kostenlos für alle Zeiten pro Bono. Wirtschaftsministerium vorgestellt, die so, nee, wir werden das selber irgendwas sowas mal machen. Weil es ist doch da und wahrscheinlich können wir es bessern. Wir konnten es in drei Monaten hochziehen. In drei Monaten. Wir haben alle unsere Freunde angerufen, alle Facebook und Co. und haben gesagt, macht ihr alle mit? Jo, wir machen alle mit und machen tolle Schulungsvideos. Und der Staat sagt, nee, wir werden das selber machen. Zweite ist, und ich schätze die Arbeit des HDE ist sehr und das ist sehr wichtig. und wenn ich sehe, in dieser Krise wie wichtig der auch war und good job, aber jetzt richten die diese Kompetenzzentrum an für Digitalisierung. Und ich meine, da muss man sich mal vorstellen, dann fängt der Staat an, das muss man nur mal, damit alle das ein bisschen besser verstehen. Digitalisierung ist ja das eine, ist digitale Autobahnen von mir aus 5G oder whatever bereitzustellen. Aber wir reden ja auch von Geschäftsmodellweiterentwicklung, das ist auch Digitalisierung, Kulturweiterentwicklung, das kann der Staat einfach nicht. Und jetzt stellt der Digitalberater ein für 45.000 bis 65.000 Euro Budget. Es gibt keinen Digitalberater, der für 45.000 bis 65.000 anfängt oder er kann nichts. Das ist einfach Fakt. Und wenn das die Antwort darauf ist, dann Prost Mahlzeit. Und das muss man einfach so sagen.
Joel Kaczmarek: Mal kurze Randfrage, bevor wir mal Christophs Diskussion über die Innenstädte verfolgen. Das Lustige ist ja eigentlich, ihr habt sozusagen ein Online-Learning-System für Leute gebaut, die online nicht können. Wurde es genutzt?
Marcus Diekmann: Das ist tatsächlich eine sehr, sehr spannende Frage, die Amazon Das ist eine gute Frage. Wir mussten nämlich lernen, dass wir sie ganz anders bewerben. Da brauchten wir von Facebook Mithilfe und Co. Und wir hatten das natürlich Glück, dass wir über die Amazon-Kanäle schon sehr, sehr viele Händler auch erreichten und das auch eine Bewerbung anders ausstrahlen. Aber wir mussten, das sieht man ja auch an der Google-Initiative, die bis ins Fernsehen geht. um den Handel zu erreichen. Und das erste, nämlich in der ersten Welle haben wir das quasi sehr, sehr, sehr stark über Google Ads beworben. Und das hat gar nicht funktioniert. Weil das ist nämlich genau die Antwort auf deine Frage. Und darum sind wir ja auch zum Wirtschaftsministerium und haben gesagt, wir müssen bis zu den IHKs, wir müssen die Leute dahinter. Wir haben gesagt, Geld für einen Online-Shop bereitzustellen für den Staat wird nicht helfen. Weil ein veraltetes Modell zu digitalisieren, bleibt ein veraltetes Modell nur jetzt auf zwei Kanälen. Das kann nicht die Antwort sein. Also müssen wir aus der damaligen Situation auch in damals noch in sogenannten, wie damals sagte man noch Entwicklungsländer. Und wenn man daraus diese Erkenntnis, dass Geld allein nicht reicht, sondern Hilfe zu Selbsthilfe der Schlüssel ist. Und das ist das, glaube ich, worüber wir hier reden müssen. Hilfe zu Selbsthilfe und das massiv und intensiv zu fördern. Aber das wird nur gehen, wenn natürlich nicht jeder Verband seine eigene Lösung macht, sondern, aber auch da kann man daraus lernen. Amazon und wir konnten das so schnell. Der Staat nicht. Ich hätte, wenn ich heute Jens Spahn gewesen wäre und ich hätte es garantiert so gemacht, ich hätte gesagt, ich zahle nicht 600.000 an meine Parteikollegen als Vermittlungsprovision. Ich hätte Christoph von dm angerufen, ich hätte all die Leute angerufen und hätte gesagt, was ist das, ihr könnt in Masse Sachen einkaufen und ihr könnt vor allem Qualitätssicherung. Ihr könnt nämlich die beiden Sachen und das können wir nicht. Einkaufen können wir vielleicht noch, aber Qualitätssicherung nicht.
Christoph Werner: Darauf aufbauend noch eine kleine Veränderung. Ich hätte anstelle des Staates gesagt, wir zahlen x Euro pro Maske, gebt uns eure Angebote. Oder wir zahlen maximal x Euro pro Maske, so hätten wir es machen müssen. x Euro pro Maske, jetzt mal eure Angebote. Dann hätte sich der Staat entscheiden können, aufgrund der Kriterien, die er anlegt, an die Qualität, und dann auch den Händler dafür verantwortlich machen, dass die Qualität geliefert wird. Dann müsste sich jetzt die Regierung nicht rumschlagen mit Lieferanten, die sonst im Trüben fischen und da jetzt sozusagen versucht haben, mal den Staat auszunehmen. Hätte man das locker lösen können. Hat man aber nicht gemacht. Warum? Gedanke des Etatismus wiederum. Ja. Ja, sozusagen, wir machen das, statt auf die, mich macht das traurig, ehrlich gesagt, wenn man sich, wenn man sich, ja.
Joel Kaczmarek: Unfassungslos.
Christoph Werner: Ich sage immer, was mich ärgert, entscheide ich selbst. Aber ich sage, dafür muss man nicht Volkswirtschaftslehre studiert haben, um zu wissen, wie die Kräfte des Marktes sind. Und ich meine, wir haben doch die Spezialisten auch in unseren Verwaltungen, in unseren Ministerien. Die müssten das doch wissen. Warum gelingt uns das nicht, diese selbst einfachen Gesetzmäßigkeiten für uns in der Bevölkerung nutzbar zu machen, indem man beispielsweise so vorgeht?
Marcus Diekmann: Thorsten Rose, mein Mitgeschäftsführungskollege, der hat gerade 5.000 Schnelltests gekauft. Und ich fand das lustig, weil Thorsten war total glücklich. Hey Marcus, ich habe nur 5.000 Schnelltests, damit unsere Mitarbeiter können sich jetzt alle zwei Tage bei uns testen lassen. Und ich bin total glücklich, ich habe einen günstigeren Kurs gekriegt als Jens Spahn und der Staat. Das bei nur 5.000 Schnelltests, das muss man sich mal einfach überlegen. Das heißt, mit dieser Minimenge haben wir die Einkaufskonditionen des Staates schon geschlagen. Ich meine, daran sieht man das. Und ich meine, wir reden hier über Milliarden Subventionshilfen im dreistelligen Milliardenbereich, die wir EU über eine Billion, die wir jetzt der Wirtschaft zur Verfügung stellen wollen. Aber bei den Masken haben wir so rumgeheiert, anstelle alle Bürger zu überschütten mit Masken und Schnelltests.
Christoph Werner: Es macht fassungslos, in der Apotheken ad hoc, das ist eine der Zeitungen spezialisiert auf Apotheken, habe ich gelesen, dass wenn man mal schaut, was für Masken ausgegeben wurden, also FFP2-Masken ausgegeben wurden, dann ist es 70 Euro pro Bezugsberechtigten. Ja. Und das ist, das ist, das ist, das macht sprachlos.
Marcus Diekmann: Und Björn. Björn ist der Björn Borgmann. Jeder, den ihr nicht kennt, das ist der Security-Chef der deutschen Nationalmannschaft. Manuel Neu hatte mich mal mit ihm connected, weil der neben mir wohnt. Ich wohne in Coesfeld, der wohnt in Aos. Ich habe schnell festgestellt, ich kann schneller Rad fahren, aber man hat weder im Armdrücken noch irgendwas zur Chance, selbst wenn man mit drei Leuten gegen ihn drückt. Total netter, sympathischer Typ. Und ja, der ist gerade dran, weil er sich mit Masken intensiv auseinandersetzt. Und der stand jetzt in der Zeitung, hatte mir das rübergeschickt. Ich wusste das gar nicht. Die Masken, die zu schlecht waren, damit die vom Staat abgenommen werden konnten. Was? hat der Staat dann an die Apotheken verkauft. Und die sind aber ohne Kennzeichnung, dass sie zu schlecht sind, an die Bürger verkauft worden. Und ich hatte Björn gesagt, Björn, das kann doch gar nicht sein. Aber es stimmt. Ich habe auch keinen Widerspruch auf diesen Artikel.
Christoph Werner: Und gleichzeitig muss man sagen, dass die Menschen auch in den Ministerien, die haben ja ihr Bestes versucht. Das darf man auch nicht vergessen. Deswegen ist das so traurig. Aber ich glaube, wenn wir daraus was lernen, dann war es wenigstens nicht vergebens.
Joel Kaczmarek: Absolut. Innenstädte, großes, großes Thema. Ich habe dieser Tage auch einen Beitrag gelesen. Ich möchte dir nicht zumuten, dass du über deinen Wettbewerb sprichst, Christoph, deswegen mache ich es mal anonym. Es war auch aus dem gleichen Segment oder ähnlichen Segment, wo du unterwegs bist, wo so der Gedanke war, zehn Jahre in die Zukunft geblickt, wie wird sich irgendwie die Innenstadt und der Handel entwickeln. und das war so, also ich habe ein solches Maß an Realitätsverzerrung in meinem Leben noch nicht gesehen, aber das Statement dort war, Ja, die Innenstädte werden grüner, die Autos kommen weg, es kommt wieder mehr Biophilie rein, die Menschen flanieren durch die Straßen und dann weiß man auch den Händler zu schätzen. Und die großen Amazons dieser Welt, die werden alle zerschlagen als Monopolisten und wir erkennen mehr das Zusammenspiel von online und offline. Also es war so ein bisschen, wie man sich die Welt wahrscheinlich wünscht, aber wie sie vermutlich ist. gar nicht ist und nie werden wird. Wie siehst denn du das? Weil ich meine, es ist ja für euch ein sehr essentielles Thema. Ihr seid ja ein sehr stark innenstadtorientiertes Unternehmen und man könnte jetzt denken, was Marcus vorhin gesagt hat mit, ja super, wir machen jetzt Fahrradberatung per WhatsApp. Das macht mehr Volumen als in meinem Laden und ich kann das auch bis 22 Uhr machen, wenn ich da eine gute Regelung finde mit meinem Betriebsrat. Wie geht es dir denn damit? Was sind denn deine Hypothesen zum Thema Innenstadt?
Christoph Werner: Ich möchte vielleicht kurz, was du gerade gesagt hast, dass wir ein innenstadtorientiertes Unternehmen sind. Das würde ich so nicht sagen. Wir sind ein kundenorientiertes Unternehmen. Und wenn die Kunden in der Innenstadt einkaufen, dann sind wir gut beraten, in den Innenstädten zu sein. Und wenn die Menschen nicht mehr in der Innenstadt einkaufen möchten, dann müssen wir dort sein, wo die Kunden einkaufen. Das wird dann entweder außerhalb der Innenstädte sein oder vielleicht online oder grüne Wiese oder Einkaufszentren. Also das wird sich verändern. Das hat sich auch schon immer verändert. Aber zu der Frage, wie werden sich die Innenstädte entwickeln? Also ich würde mal sagen, Innenstädte wird es immer geben. Die Frage ist, was wird in den Innenstädten stattfinden? Und ich glaube, wenn wir mal auf die Entwicklung der Innenstädte schauen, dann ist es ja so, dass der Handel in erster Linie in den Innenstädten auch lange stattgefunden hat. Und das lag eben daran, dass es wenig Alternativen auch gab und auch über die Nutzungsverordnung Einzelhandelsgenehmigungen zum Teil auch nur in den Innenstädten gegeben wurden und nicht außerhalb. Und damit war das auch gestaltbar gewesen. Und zu was das geführt hat, ist, dass die Innenstädte eigentlich, ich möchte es mal ein bisschen zugespitzt sagen, zu Verkaufsmaschinen geworden sind. Also wenn wir schauen, was für Frequenzen wir haben in den Fußgängerzonen, also die Zeil zum Beispiel, eine der ganz stark frequentierten Fußgängerzonen in Deutschland. Das hat natürlich dazu geführt, dass da richtig viel verkauft werden konnte und die Mieten sind gestiegen. Und dann hat man im Prinzip so eine Art von Kreislauf. Und zwar hohe Mieten führen dazu, dass sich das nur bestimmte Einzelhandelskonzepte leisten können. Und weil sich gewisse Einzelhandelskonzepte leisten können und die dann um diese Standorte konkurrieren, hat es dazu geführt, dass die Mieter wiederum höhere Mieten verlangen konnten. Und deswegen ist es auch sozusagen diese Spirale, die da entstanden ist, hat eben auch dazu geführt, dass wir zunehmend filialisierte Einzelhändler in den Innenstädten haben und auch sehr viel Fashion. Wenn wir da schauen, was es da so gibt, weil da einfach die Roherträge so sind, dass da Mieten gezahlt werden konnten. In den Top-Einkaufslagen sind es ja sechsstellige Mieten, die da gezahlt werden konnten. Monatlich. Also da kann auch der kleine lokale Einzelhändler nicht mithalten. So und jetzt ist die Frage, was wird jetzt passieren, wenn sich das verändert? Also wenn beispielsweise mehr Menschen online kaufen und deswegen nicht mehr in die Innenstädte gehen oder indem es einfach Beschränkungen gibt, weil beispielsweise auch die Erreichbarkeit nicht mehr so da ist oder weil die Menschen jetzt sagen, ich möchte in überfüllte ÖPNV-Verkehrsmittel nicht reingehen. Dann wird der Handel Und da sind die Gesetze des Marktes wieder, der wird dem Kunden folgen. Und das wird dazu führen, dass Läden auch zumachen. Und dann wird die entscheidende Frage sein, was passiert mit den Mieten? Werden die Vermieter dann sagen, gut, dann werde ich jetzt meine Miete anpassen? Oder werden die Vermieter sagen, ja, ich warte mal, dass was passiert, weil wenn ich in der Miete runtergehe, muss ich vielleicht eine Wertberichtigung in meinen Bilanzen vornehmen?
Marcus Diekmann: Oder am Börsenkurs, Umsatz und alles mögliche.
Christoph Werner: Genau. Also wenn wir mal bei dmToggeriemarkt beispielsweise schauen, ist der weit überwiegende Teil unserer Vermieter, und wir haben ja in Deutschland 2040 dm-Märkte und noch mehr Mietverträge, weil ja noch nicht alle eröffnet sind. auch, da ist der weit überwiegende Teil davon sind institutionelle Vermieter. Also das heißt, es sind Fonds, Pensionsfonds, Investitionsfonds und was es da so alles gibt. Oft auch gar nicht mit Sitz in Deutschland. die diese Immobilien auch erworben haben, basierend auf einer Annahme über die möglichen Mieterträge. Also da werden wir wahrscheinlich sehen, dass einige von diesen Einzelhandelslokalen, wie man sagt, also diese Einzelhandelsräumlichkeiten erstmal zu bleiben werden, weil die einfach warten in der Hoffnung, dass es vielleicht doch nochmal höhere Mieteinkünfte geben wird und man dann keine Wertberichtung wird vornehmen müssen. Aber irgendwann wird sich auch das sortieren. Und wenn dann die Mieten runtergehen, dann werden diese Standorte plötzlich auch wieder erschwinglich für andere Konzepte werden. Deswegen, Joel, zu dem, was du zitiert hast, was du gelesen hast, dass die Innenstädte wieder florieren. Ich glaube, das ist durchaus möglich. Die Frage ist, was wird es dort dann geben? Wird es Dienstleistungen sein, andere Gastronomiekonzepte, vielleicht auch Dienstleistungskonzepte, vielleicht Kindertagesstätten, vielleicht auch Vorlesungsräume wieder von Universitäten, die in den Städten sind?
Joel Kaczmarek: Aber ist ja nur Teil der Wahrheit. Du musst ja einer Frage fragen, was passiert in den Innenstädten? und zweite, wie werden die Leute kaufen? Weil gerade wenn ich an euer Segment denke, könnte ich mir schon vorstellen, wenn ich irgendwie einen Modus habe, dass ich mir morgens auf der Arbeit was bestelle und abends habe ich es im Briefkasten, dann verzichte ich gerne darauf, in den Laden zu laufen.
Christoph Werner: Ja, dann bin ich halt online für die Kunden da.
Joel Kaczmarek: Fangt ihr das schon an? Also platziert ihr diese Wette? Weil du musst ja Hypothesen haben. Wenn du sagst, wir müssen gucken, was mit den Innenstädten passiert, du hast ja garantiert eine Hypothese dazu.
Christoph Werner: Wenn man glaubt, was der HDE sagt, der sagt, es werden 50.000 Einzelhändler zumachen. Und ich habe auch gerade in der Lokalzeitung von Karlsruhe, das sind die badischen neuesten Nachrichten, BNN, gelesen, da war ein Bericht über die Kaiserstraße. Und das ist immer ganz gut, Lokalpresse auch zu lesen, da ist man so ziemlich nah dran. Und da war die Aussage, naja, also wenn der Einzelhandel wieder aufmachen darf, werden viele Händler aufmachen, aber einige von denen werden nur noch aufmachen, um ihre Warenbestände zu liquidieren, um dann zuzumachen.
Marcus Diekmann: Ich hatte gerade mit einer großen Sportverbundgruppe gesprochen, möchte, kann jeder die Fantasie haben, welches sein könnte. Und die erzählten mir, Marcus, das ist auch ein krasses Problem. Wir wissen jetzt schon von ganz vielen, die sowieso die Nachfolgeregelung gar nicht geklärt hatten. Und wenn du einen Sportladen hast, der vielleicht immer gut lief, du jetzt aber in der Corona-Zeit richtig Geld verloren hast und jetzt musst du überlegen, willst du für deine letzten fünf Jahre noch Hab und Gut verfänden? um da wieder einzusteigen oder machst du gar keine Wiedereröffnung? Und das ist ja tatsächlich ein spannendes Thema. Ich wollte noch ganz kurz auf die Städte rein. Also es wird immer eins vergessen. Es sind ja zum Glück heute auch in vielen Familien beide berufstätig, was ja super ist. Das heißt, sie können auch gar nicht von Montags bis Freitags zu den normalen Eröffnungszeiten einkaufen gehen. Das heißt, es verschiebt sich sowieso schon auf den Freitags- und Samstagskauf. Und nochmal Vorwurf an den Staat, und mir ist das Verfassungsrecht an der Stelle völlig egal, da muss man es halt ändern, dass wir den Sonntagskauf nicht möglich machen, wie in Holland. Und das, wenn beide berufstätig sind und man Samstags und Sonntags richtig Geld ausgeben könnte stationär und stationär leben möchte und das nicht möglich macht, ist der Staat auch selbst schuld, dann darf er da auch nicht sich beschweren. Das ist auch nicht mehr zeitgemäß. Zweitens muss man sagen, Oberzentren wie Frankfurt, Münster, von mir aus auch Düsseldorf, die werden immer als Magnetstädte bestimmt auch bleibenund attraktiv bleiben. Aber wenn ich dann heute mal auf Coesfeld gucke,das ist so eine ganz, ganz tolle Stadt mit ganz tollen Bürgern,40.000, ich wohne da, Elisa ist da Bürgermeisterin,ist die Welt noch in vielen Sachen in Ordnung,toller Mittelstand da, also wirklich. Aber dann guckst du auf den Handel,der natürlich es immer schwerer hat,ein paar tolle Konzepte sind da noch,aber ansonsten, warum ist auch ein H&M in einer 40.000er Stadt? Da muss man sich auch echt mal fragen. Wenn ich sowieso 30 Kilometer weiter in Münsterschon ein riesen H&M habe und so weiter. Was passiert mit sämtlichen Leerstand dort in der Innenstadt gerade? Der geht an Bäckereiketten. Ich weiß gar nicht, wie viele Bäckerei-Cafés dort noch aufmachen sollen, die alle nur Brötchen belegt mit Käse verkaufen. Damit steigerst du die Attraktivität dieser Innenstadt mal gleich null.
Christoph Werner: Vielleicht wird es dann andere Konzepte wieder geben, ne? Vielleicht wird es wieder andere Konzepte geben. Ich glaube, die Herausforderung, die wir haben, wenn wir Zukunft denken, ist, dass wir natürlich oft sozusagen erfahrungsorientiert darauf schauen. Also wir schreiben sozusagen die Vergangenheit fort in die Zukunft und stellen die sich so und so vor. Wir sagen immer, wir müssen gucken, dass wir erkenntnisgeleitet in die Zukunft gehen, dass wir versuchen zu verstehen, was sind so die Mechaniken oder die Gesetzmäßigkeiten, die da vielleicht zum Tragen kommen könnten. Und ich glaube, wenn wir mal auf die Menschen schauen, der Mensch ist ein soziales Wesen, der möchte Kontakt haben. Und gerade auch mit der ganzen Digitalisierung des Einzelhandels und den ganzen Möglichkeiten, die man heute hat, über WhatsApp oder Onlineportale und so weiter einzukaufen, der Tag wird weiterhin 24 Stunden haben. Und auch wenn die Menschen weniger pendeln werden, weil sie vielleicht zu Hause sind. Was werden die Menschen mit ihrer Zeit machen? Werden die nur zu Hause sitzen und daddeln? Oder haben die doch wieder Lust, sich zu treffen? Und dann ist die Frage, wo werden die sich treffen? Vielleicht werden sie sich wieder in den Innenstädten treffen und die Konzepte werden sich dem anpassen. Also es ist durchaus denkbar, dass die FMCG, also die Fast-Meeting Consumer Goods, also Waren des täglichen Bedarfs, dass die künftig vielleicht in den Innenstädten nicht mehr verkauft werden. Aber wenn die Mieten wieder erschwinglich werden, auch für andere Konzepte, ist es durchaus denkbar, dass auch kleinere Handelskonzepte sich dort wieder etablieren werden. Und auch unternehmerische Initiativen geben. Vielleicht wird es kleine Shops geben, wo Rosebikes repariert werden oder Inspektionen durchgeführt werden, was heute undenkbar wäre, weil die Mieten überhaupt nicht erschwinglich sind. Also es ist wirklich denkbar, dass da eine ganze Menge Neues kommt. Deswegen nochmal zu Joel, das, was du da zitiert hast. Die florierenden Innenstädte. Denkbar, wirklich denkbar, aber wahrscheinlich in einem ganz anderen Mix, als wir das heute kennen. Und das kann attraktiver sein, als was wir heute kennen.
Marcus Diekmann: Absolut. Und ich glaube ja immer an Trend und Antitrend. Also immer wenn etwas verfällt, kommt etwas Neues. Und das ist ja das Schöne. Ich hatte das mal 2011. Damals hatten mich alle vom großen Handelsverband, durfte ich dir das mal vorstellen, so als Vortrag, ging es um Innenstadtentwicklung. Und ich habe gedacht, ich würde das Ikea-Prinzip anwenden. Und ich meine, mich hat es als Kind immer zu Tode gelangweilt, mit meinen Eltern shoppen gehen zu dürfen. Und ich dachte, warum kann ich denn nicht in dieser Innenstadt spielen schnell auf diesem riesen Spielplatz, den es aber einfach fucking nochmal nicht gab. So. Mama wäre glücklich gewesen, wenn ich auf diesem Viehplatz gespielt hätte, hätte sie shoppen gehen können. Für Papa noch irgendein tolles Erlebnis, dann hätten wir ein tolles Frühstückscafé, tolles Mittagkafé, abends Bier trinken dort mit Freunden, dann würden alle wieder in die Innenstadt zurückkehren, dann würde automatisch sich wieder Handel ansiedeln, hey, weil das wieder cool ist, da zu sein und weil da wieder Leben entsteht, aber es muss leider erst einmal vor die Hunde gehen, dann lockern sich Regularien, dann findet eine Wirtschaftsförderung einer Region, das ist plötzlich spannend, das wieder zu entwickeln und so weiter.
Christoph Werner: Also wird die Frage sein, gibt es nur Gewinner oder gibt es auch Verlierer? Also über die Gewinner haben wir gerade gesprochen. Ich glaube, die Verlierer werden diejenigen sein, die auf diese hohen Mieten angewiesen sind und die darauf spekulierend die Preise bezahlt haben für die Immobilien. Und jetzt kann man sagen, ja, was dann? Und da würde ich sagen, ja, also das ist halt Chance und Risiko. Also die Chance wurde gesehen und die hat man auch gerne dann für sich in Anspruch genommen. Und das Risiko, das darf jetzt nicht sozialisiert werden, würde ich sagen. Also wenn die Gewinne privatisiert worden sind, was ja in Ordnung ist, dürfen jetzt aber die Risiken nicht sozialisiert werden, sozusagen, dass die Gemeinschaft das tragen muss.
Marcus Diekmann: Absolut. Und das war auch von Händler helfen Händlern eine Botschaft an die OECD, dass man jetzt nicht wild anfängt, einfach jedes Konzept als erhaltenswert zu sehen. Nur alles, was changewillig ist, darf auch gefördert werden. Und das ist, da sehe ich es nämlich gerade. Und das ist genau das, was du auch sagst. Und da bin ich absolut bei dir. Und dann muss man es auch riskieren. Und wenn wir mal auf den Blick auf 2008, ich finde so, das ist ja noch das, wo wir uns alle daran erinnern, Die schlimmste Wirtschaftskrise seit langem, 2008, 2010. Aber ich kann jetzt nicht merken und viele reiche Leute haben viel Geld verloren und Rentenfonds haben Geld verloren und volkswirtschaftlich natürlich blöd. Aber ich kann jetzt nicht feststellen, dass 90% oder 95% der Deutschen ein schlechteres Leben am Tag. Ich glaube, ehrlich gesagt 2008, 2009, wenn die Leute das gar nicht in der Presse gelesen hätten, hätten das 95% gar nicht gemerkt. Das Gute ist ja, auch bei Inflation, wenn man positives Guthaben verlieren kann, kann man auch negatives Guthaben verlieren. Das ist für viele Privatleute auch ein großer Vorteil. Also von daher gibt es in jeder Risiko auch da eine riesen Chance für alle.
Joel Kaczmarek: Ihr beiden, es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht. Ich habe ja so fast die Überlegung, ob wir vielleicht uns mal ab und zu wieder treffen. So einmal im Jahr, einmal im halben Jahr oder so und so ein kleines E-Commerce-Update machen. Also wir könnten noch ganz viele weitere Themen anschauen, aber ich muss ja auch immer die Uhr im Blick haben, weil ihr beide seid ja gefragte Männer. Habt ihr noch ein Schlusswort, dass wir vielleicht nochmal schließen, was ihr mitgenommen habt heute?
Marcus Diekmann: Marcus, fängst du an? Ich muss sagen, erstmal danke für die Einladung und danke, dass du Händler helfen Händlern da auch immer so kräftig unterstützt und Händlerinnen natürlich auch. Und ich muss auch nochmal dir ein Kompliment sagen, Christoph, hat mir echt Spaß gemacht. Und ich glaube, was wir heute geschafft haben, ist, in einer positiven Art und Weise viele Impulse zu setzen und Meinungen auch zu teilen. Weil im Augenblick ist auch nicht mehr die richtige Zeit, einfach nur alle schwarz zu malen. Wir brauchen jetzt wieder Optimismus in diesem Land. Und ich glaube, das haben wir heute mit diesem Talk gefühlt geschafft. Und gleichzeitig haben wir auch viele kritische Punkte untergebracht. Also von dir hat mir echt Spaß gemacht. Großes Dankeschön auch an dich.
Christoph Werner: Ja, es war ja gerade kürzlich der 90. Geburtstag von Michael Gorbatschow. Das ging ja auch durch die Presse. Und da ist mir aufgefallen, dass öfters dazu berichtet wurde, dass damals, als Helmut Kohl, der damalige Bundeskanzler, und Gorbatschow sich dann getroffen haben, damals in Bonn, Bundeshauptstadt damals, wurde die Geschichte erzählt, dass sie über die deutsche Einheit gesprochen haben, also noch früher. vor 89 war das gewesen und dass die da im angeblichen Garten des Kanzleramtes, welches ja da am Rhein ist, gesessen hätten und dann hätte der Kohl mit dem Gorbatschow zusammen auf den Rhein geguckt. und der Kohl soll gesagt haben, also im Hinblick auf die deutsche Einheit, die Deutschen wollen wieder vereinigt sein, die wollen nicht in zwei unterschiedlichen Staaten leben. Und eines Tages wird es passieren, so wie das Wasser im Rhein immer zum Meer fließen wird, wird sich das nicht aufhalten lassen. Man kann es vielleicht staunen und dann werden sich Seen bilden, aber die werden überlaufen und das Wasser wird immer seinen Weg zum Meer finden. Und ich finde Das ist so ein gutes Bild. Und er hat ja, was jetzt die deutsche Wiedervereinigung anbelangt, ja auch wirklich recht gehabt. Und ich glaube, das gilt auch für den Handel. Ich glaube, die Herausforderung, die wir haben, ist, dass wir natürlich immer versuchen, die bestehenden Strukturen uns zu halten. Also wir wollen immer in unserer Komfortzone bleiben. Wir wollen diese Lernzone. Damit tun wir uns schwer. Veränderung macht uns erst mal Angst. Und ich glaube, wenn wir uns klar machen, dass letzten Endes den Handel wird es immer geben. Einzelhändler werden kommen und gehen und ob man lange in diesem unendlichen Wettbewerb als Händler teilnehmen kann, wird davon abhängen, ob man immer kundenorientiert bleibt. Und wenn man kundenorientiert bleibt, dann ist es so, dass man im Prinzip verstanden hat, dass der Kunde immer seinen Weg zur Ware finden wird. Ich glaube, wenn wir das beherzigen, dann wird es uns auch als Einzelhändler gut gehen. Und je mehr, glaube ich, Einzelhändler sich auch austauschen, unter Beachtung natürlich der kartellrechtlichen Bedingungen, glaube ich, kann man wirklich viel voneinander lernen. Also insofern hat mir Spaß gemacht heute. Nochmal vielen Dank für eure Zeit auch und vielleicht haben wir Gelegenheit, das wieder fortzusetzen. Vielen Dank und tschüss.
Marcus Diekmann: Danke dir auch.
Joel Kaczmarek: Ja, danke euch. Voll das politische Schlusswort. Mann, ich bin abgemeldet. Danke.
Christoph Werner: Ciao.