Wann Second Hand für Fashion ein attraktives Modell sein kann
8. Januar 2021, mit Joel Kaczmarek, Alexander Graf, Jochen Krisch
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen E-Commerce-Crossover-Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und ich habe gerade vom charmanten Alex Graf schon gesagt bekommen, ich sehe gar nicht so aus, als wäre ich ein Experte für Second Hand. Also ich kriege hier schon im Vorgespräch Komplimente verteilt und darum soll es heute gehen. Wenn Fashion, also wenn wir sagen Second Hand, wenn wir vor allem über Fashion reden, jetzt weniger über Elektronik und irgendwie über Waren, wenn die ein zweites Leben erfahren, was verbindet sich damit eigentlich für ein Geschäftsmodell? Das heißt, wir werden heute ein Stück weit reden über Anbieter wie Vinted, wie Danvoke, Ubup, aber natürlich auch Stationeros, also Oxfam, Humana und Co. Und natürlich ein ganz, ganz großer Faktor, warum gehen eigentlich die Amazons und About-Use dieser Welt, die Ottos nicht hin und machen auch gebrauchte Kleidung dem Endkunden und der Endkunde zugänglich. Das mal als kleiner Appetizer. Herzlich willkommen, lieber Alex Graf, mein lieber Schambolzen und schön, dass du auch da bist, lieber Jochen.
Alexander Graf: Hallo Joel. Moin Joel und ich meinte natürlich, dass ich dich ja in der hochwertigen Second-Hand-Ecke vermutet hätte. Also wenn jemand gebrauchte MS-Handtaschen kauft, dann Joel, für mich.
Jochen Krisch: Umweltbewusst, nachhaltig, nur das Positivste.
Joel Kaczmarek: Ja, ich habe ja auch mal gelernt, Second-Hand heißt nicht mehr Second-Hand, sondern Pre-Love-Fashion, um wieder noch einen schönen anderen Anglizismus einzubringen.
Jochen Krisch: Da können wir sogar durchgehen. About You nennt das jetzt Second Love und jeder hat dann eine andere Geschichte. Und sehr witzig fand ich dann Rebell, die jetzt im Hochpreisigen sind, die sagen, nee, wir nennen das Second Hand. Die anderen geben sich so viel Mühe.
Joel Kaczmarek: Gut, also um mal vielleicht so eine globalgalaktische Perspektive zu geben. Ich glaube, es gibt ja gar nicht so wenige Studien, die irgendwie vorrechnen, dass man mit der Fashion, die im Markt grassiert die Erde, glaube ich, fünfmal einkleiden kann. Also wir produzieren immer munter weiter Kleidung, obwohl eigentlich genug da ist und sie einfach, ja, outdated und dann in den Schränken versäuert oder im schlimmsten Fall im Müll. Gibt, glaube ich, auch viele Ansätze, die sich jetzt damit beschäftigen, wie man irgendwie Kleidung wieder aufbereiten kann. Also die H&M's dieser Welt sammeln ja zum Beispiel auch wieder ein, da können wir auch mal einen Schlenker machen. Aber wenn wir mal ganz bodenständig beginnen, fangen wir mal an als Händler, der eigentlich Fashion verkauft, der sich jetzt hier von Ökos wie mir den Vorwurf hören muss, ah, das ist doch doof, wir haben doch genug auf der Welt. Wie ordnet ihr ein, warum machen die Amazons, Ottos, About Yous dieser Welt oder auch die Zalandos bisher? oder warum war lange Zeit Secondhand gar nicht so sehr auf dem Schirm von denen? Was bedeutet das für so ein Geschäftsmodell?
Jochen Krisch: Also erstmals bedeutet es höheren Aufwand und passt überhaupt nicht in die Prozesse rein. Insofern, glaube ich, drückt man sich da sehr lange drum rum. Außerdem ist man natürlich daran interessiert, Ware einzukaufen und nicht wieder zurückzunehmen und wieder zu verkaufen. Also es ist im Grunde ein komplett anderes Geschäftsmodell. Deswegen glaube ich, hat das in den letzten zehn Jahren auch, war das eine eigene Kategorie und es haben sich eigene Spezialisten herauskristallisiert, die das gemacht haben. Aber jetzt ist es schon so, wie du auch erwähnt hast, dass natürlich das Bewusstsein stark gestiegen ist bei den Leuten und dass das mehr nachgefragt wird. wird. Beziehungsweise, dass man es auch PR-seitig, ich bin ja da auch immer so ein bisschen der, der auch so den Dorn da sieht, also dass das rein aus PR-Gründen gemacht wird. Also ist auch so ein bisschen PR-Thema, so dass man guckt, wie kann man sich ein bisschen umweltfreundlicher darstellen, weil man sich manchmal ja wundert. Die ganzen Fast-Fashion-Anbieter, du hast A&M erwähnt, Zara und andere, sind plötzlich an dem Thema interessiert, wobei deren Modell ja wirklich komplett anders ist. Einfach schnell Mode rauszuhauen und dass die Leute dann nur ein paar Mal tragen und dann im Prinzip entweder wegwerfen oder in Altkleidersammlungen geben. Also deswegen hat sich da in den letzten zwei, drei Jahren schon sehr viel gedreht. Aber ich glaube, das ist auch nachfragegetrieben. Also wenn man sich sieht, wie ein Kleiderkreisel und wie Mädchenflohmarkt und wie diese Angebote durchaus auch genutzt werden, dann ist da ein Markt da. Ich finde auch, die Online-Dynamik trägt dazu bei, dass online einfach Modelle anders abwickelbar sind. Also du kannst das viel mehr zentralisieren und du kannst auch Marken etablieren, die dann bei den Kunden entsprechend da sind. Und gegen den Trend gehen jetzt auch so ein bisschen die Etablierteren an. Also Zalando hat seine Pre-Irgendwas-Kategorie gestartet und eingebaut. About You zieht jetzt nach. Tarek würde sagen, natürlich, sie sind mindestens so sehr am Puls der Zeit gewesen. Gehen das, finde ich, auch sehr smart an, machen das über ein Marktplatzmodell, wo sie dann die Spezialisten einbinden, sodass das in den Kreislauf drin ist. Andere wie H&M zum Beispiel hat sich sehr stark bei Selpi beteiligt, ein schwedisches Unternehmen, was sie jetzt auch in Deutschland ausgerollt haben, was ein unabhängiger Anbieter ist, aber was auch eine Möglichkeit bietet. Ist ja sehr interessant. zum Beispiel, auch für H&M kann dann plötzlich Zara-Produkte mit drin haben oder Zalando kann dann plötzlich Zara-Produkte mit drin haben im Second-Hand-Bereich, was sie sonst nie bekommen würden oder noch nicht bekommen würden. Also es bieten sich so eine ganze Reihe von neuen Möglichkeiten. Das war alles das Positive. Das Negative ist, das hatte ich am Anfang gesagt, dass die Prozesse entsprechend schwierig sind und dass man das in den Griff bekommen muss. Aber daran arbeiten jetzt gerade alle.
Joel Kaczmarek: Ich habe lange darüber nachgedacht, ob man überhaupt einen Anreiz hat, als Händler Second Hand zu machen, weil du hast natürlich weniger Verdienst drauf bei höherem Handlingkosten. Also du hast einen hohen Aufwand. Die Produktqualität ist womöglich nicht einheitlich, weil bei dem einen ist die irgendwie ein bisschen eingelaufen, die Ware. Bei dem anderen ist sie vielleicht verfärbt oder oder. Also es ist ja irgendwie sehr schwer steuerbar. Und da bist du auch, glaube ich, relativ schwierig dabei. Es gibt jetzt keine ISBNs für Kleidung. Also dass du sagen kannst, das ist jetzt die Ralph Lauren Kollektion 743821. Also ich stelle mir das sehr komplex vor, eigentlich als Händler Second Hand zu machen.
Jochen Krisch: Also verdienst, wenn du von Marge sprichst, dann ist es nicht so. Die Marge ist größer bei Second-Hand-Artikeln als bei anderen. Natürlich, weil du es im Ankauf anders hast als im Verkauf. Also das würde ich jetzt nicht sagen. Aber die Prozesse sind das Problem und sind alles Einzelstücke. Du musst die einzeln fotografieren, einzeln auf die Seite bekommen. Da tut sich halt so ein Second-Hand-Shop an der Ecke leichter, weil da gehst du rein und hast halt alles hängen und wählst dann direkt aus. Also die Aufbereitung ist schon sehr kostenintensiv. Aber auch da haben sich einfach jetzt Prozesse entwickelt, die das zum Teil leichter machen. Ganz unterschiedliche Modelle. ein bisschen zweischneidig.
Joel Kaczmarek: Alex, wie siehst du das denn aus Händlersicht?
Alexander Graf: Also ich erstmal möchte dazu sagen, jetzt komme ich natürlich auch mit sowas. Ich habe das ja schon immer gewusst und schon immer gemacht. Ich habe 2008, als ich noch hauptberuflich Folien gemalt habe für meinen Chef bei Otto, da hatte ich auch ein paar Praktikanten immer in der Betreuung und habe dann immer ganz viele Master- und Bachelorarbeiten betreut. Und eine Bachelorarbeit damals von Silvia, schönen Gruß, falls ihr das hören solltet, war Second-Hand-Mode im E-Commerce vor Nachteilen für das Geschäftsmodell. Und damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass ich jetzt besonders schlau und voreint war, sondern da haben wir uns das so ein bisschen angeguckt, schematisch. Und da ist auch so ein bisschen rausgekommen, dass diese Vorteile, die auf den ersten Blick ja stechend sind, man hat irgendwie diese Kundendaten schon, man weiß, was die Kunden gekauft haben, man würde die Kreislaufwirtschaft enablen, das wäre ja für einen Otto auch damals schon, die ja immer sehr stark auf das Thema Nachhaltigkeit und Fairtrade gesetzt haben, ein Vorteil. Es passt aber wirklich null zusammen. Und nicht nur null, sondern eigentlich sozusagen, es erzeugt einen Minuseffekt zu allen Prozessen, die im Unternehmen anfallen. Es passt der Einkaufsabteilung nicht, die ja traditionell bei den Händlern die stärkste und wichtigste Abteilung ist. Ein Großteil des Vorstands sind ehemalige Einkäufer. Es wollen auch Marken nicht, dass gebrauchte Produkte aus der Vorsaison, die denken ja alle in Saisons, dass die dann nochmal irgendwo in den Shop gespürt werden. Du willst das eigentlich nicht von der Reinheit des Produktkatalogs her. Also die Bilder passen nicht zu den anderen Bildern. Du hast nur ein Produkt im In der Regel, das ist ganz, ganz schwierig prozessual abzubilden, das hatte Caro Juncker, die Feed-on-Work-Chefin, auch mal im Kassenzone-Podcast sehr, sehr eindeutig erzählt, du hast ein riesiges Fuck-up-Potenzial beim Erwartungsmanagement für den Kunden, wir erwarten dann deutlich mehr und dann ist dann doch irgendwie ein Riss drin, der kommt dann vielleicht von Otto oder von Zalando. und nicht von einer spezialisierten Second-Hand-Marke. Im Online-Marketing funktioniert es gar nicht, für Produkte, die nur einmal im Lager sind, Werbung zu machen. Du kannst es auch nicht in den Newsletter reinbringen. Vielleicht eine total coole Hermes-Handtasche, die dann sofort ausverkauft ist, erzeugt auch wieder Fucker-Potenzial bei den Kunden, die es nicht bekommen haben. Es ist, obwohl man auf den ersten Blick, und das war auch damals das Bauchgefühl, als wir die Bachelorarbeit gestaltet haben, gesagt haben, es müsste doch eigentlich was drin sein, ist das für den Händler eigentlich ein totales Desaster. Und in den letzten zehn Jahren gab es einfach keine Anbieter, also wie in einem Wied und Wog, wie in einem Rebell, die das als so eine Art Service-Modell für den Händler machen konnten. Die waren alle viel zu klein, viel zu unerfahren, viel zu eingeschränkt auch im Sortiment. Und erst jetzt, in den letzten Jahren, haben sich diese Anbieter zu einer Größe entwickelt, dass sie sagen können, wir haben hier eine richtige Produktionsstraße. Wir können die Marken checken, wir können die Qualität checken, wir können das zurückschicken, wir können das auch kosteneffizient machen. Vielleicht haben wir das auch in niedrigere Länder ausgelagert. Das passt irgendwie alles. Und da ist es eigentlich eine schöne Win-Win-Situation, auch für den About-You. Der Autor will dann sagen, okay, hier macht es Sinn. Also jetzt könnte ich quasi meinen Kunden einen Mehrwert anbieten. Die können da das ganz normale Retourenpaket nehmen. Das an mich schicken. Ich leite das einfach weiter zu Weed & Vogue oder wo auch immer hin, wenn die Produkte einen bestimmten Preispunkt überspringen. Aber es ist eigentlich raus aus meiner Vermarktung von der Webseite. Das willst du auf keinen Fall haben. Und da fand ich, hat der Sven Schöderbeck von Thomann im Kassenzone-Podcast einen schönen Satz gesagt. Wir haben uns auch viel darüber unterhalten, wie das eigentlich mit so gebrauchten Instrumenten ist oder so einem Marktplatzansatz. Weil du hast ja da im Instrumentenbereich Klaviere, Keyboards, hast ja Produkte im Wert von mehreren tausend Euro, wo man den Eigentlich sagen müsste er, dafür gibt es ja einen Markt. Also ich wäre vielleicht ja bereit, sowas zu kaufen. Aber er meinte, das versaut dir so dermaßen die Qualität des Katalogs und der Suche, dass es immer ein Minusgeschäft für alle. Und das war natürlich in der Zeit, wo alle nach Plattformen schreien, eine sehr, sehr mutige und starke Aussage. Aber operativ hat er einfach recht. Auch noch nicht mal ein About You würde das hinbekommen, das selber zu machen und mit einem Gewinn rausgehen. Vielleicht mit einem PR-Gewinn. Jochen da schon gesagt hat, ja, wir machen jetzt alles im Kreislauf und jetzt können auch andere Leute meine alten Unterhosen anziehen, aber für das Geschäftsmodell ist Second-Hand ein Desaster.
Joel Kaczmarek: Naja, ich überlege gerade so, wir wollen ja, wie gesagt, uns eigentlich auf Fashion beschränken, aber ich habe das mitgekriegt, im Videospiele-Bereich war es auch so, dass sich so große Produktionsfirmen wie so ein EA, glaube ich, teilweise sehr stark gegen gewehrt haben, dass man Produkten zweites Leben gibt, also im Gaming-Bereich war das immer so, dass man dann gesagt hat, man macht es so. Codes, die mit den Spielen verbunden sind. Wenn der einmal verwendet ist, kann das Spiel kein anderer mehr benutzen. Also da ist man sogar auf Herstellerseite vorgegangen teilweise. Ich weiß nicht, ob es EA war, aber auf Herstellerseite vorgegangen, um das zu verhindern. Und ich meine, unterm Strich ist es ja eigentlich total plain simple. So und jetzt überlege ich, was wir eigentlich lernen ist ja dann, entweder mache ich das quasi unter separater Brand und nicht in der About You Hauptsuche und mache es dann größtenteils für PR. Aber an und für sich ist das sozusagen eher schwierig, lerne ich von euch.
Jochen Krisch: Naja, was der Unterschied auch ist, also da stimme ich Alex zu, es gibt jetzt diese Spezialisten und zwar in unterschiedlichen Kategorien mit unterschiedlichen Modellen, wir können noch Medienflohmarkt erwähnen und Kleiderkreisel nochmal, also Vinted ist die Obergruppe und so, Depop dann noch und Poschmarkt, die jetzt an die Börse gehen oder so, also international ist das nochmal viel, viel größer. und es gibt eigentlich, interessant ist, es sind super viele gestartet, so 2010, 2011, super viele auch haben es nicht überlebt, aber wenn man sich jetzt mal anguckt, wie viele es gibt, es ist unheimlich, was am Markt jetzt da ist. Und ich glaube, das ist so ein bisschen der Punkt. Und ich vertrete ja noch die Hypothese auch, dass eigentlich die Second-Hand-Anbieter die Stärkeren sein könnten, wenn es denen gelingt, neue Ware reinzubekommen. Die haben ja nicht das Problem, was Alec beschrieben hat, sondern sie haben ihre lebendige Community da und die lieben das ja quasi, dass Basarmoment nenne ich es jetzt mal, dass sie da halt was finden können, was sie sonst nicht finden und angenommen, die schaffen es, das Neuware reinzubekommen. Also ich kann mir vorstellen, dass sich ein paar von denen da so durchsetzen und ich versuche das auch immer, die dann zu fragen, die Second-Hand-Anbieter. Es gibt auch Gegenargumente dafür und manche machen es nicht. Also zum Beispiel jetzt, ich habe Rebell gefragt, Cécile Wigmann, ob sie sich sowas vorstellen kann. Nein, eher nicht. Also sie spezialisiert sich voll auf den Second-Hand-Bereich, hat aber auch das Problem, dass die Verkäufer andere sind als die Käufer in dem im höherpreisigen Bereich. Die einen wollen eher den Kleiderschrank wieder leer räumen und Geld reinbekommen, um Neuware zu kaufen, um eigentlich mit der Mode zu gehen. Und die anderen sehen das als günstige Einstiegsmöglichkeit, um einfach da Luxusklamotten etc. oder Premiummarken auch sich leisten zu können. Und deswegen ist das auch ein sehr diffiziles Feld. Es gibt Wirklich sehr unterschiedliche Modelle und unterschiedliche Ansprüche, wie das dann auch gefahren wird. Also eines meiner Lieblingsmodelle ist zum Beispiel auch Poshmark, die das halt sehr auf eine 1 zu 1 C2C-Kommunikation hinmachen. Also das ist dann wirklich, was man vielleicht unter Social Commerce beschreiben würde und wo aber auch dann vom Verkäufer erwartet wird, dass er sehr aktiv ist, um die Ware auch. zu pushen und für Rückfragen zur Verfügung stellt etc. Die versuchen zum Teil auch klassische Händler reinzubekommen, denen das Modell aber dann zu nervig ist, weil sie dann wirklich ja auch gezwungen sind, sehr aktiv zu sein und immer präsent zu sein. Das lohnt sich dann oftmals für den größeren Händler nicht. Also ich beschreibe das nur, um zu verdeutlichen, wir sehen da unterschiedlichste Modelle und Und es ist nicht nur ein einfaches reines Sortimentsthema, was man jetzt über Marktplatz in die Plattform bringt oder in den bestehenden Handel bringt, sondern da haben sich auch wirklich einzigartige Geschäftsmodelle und Modelle der Kundenansprache entwickelt, die es für mich halt nochmal doppelt spannend machen. Deswegen würde ich nicht sagen, die bestehenden, die jetzt Secondhand reinnehmen, sind die Gewinner, sondern ich würde eigentlich eher mal andersrum denken und die sehr genau beobachten, die jetzt Secondhand machen und mit ihren Modellen sehr weit gekommen sind, welche Potenziale die auch haben. Also ich finde es dann immer sehr interessant, das letzte Anmerkung noch, wenn Tarek Müller von About You dann auch sagt, nee, die werden alle nicht überleben, sondern wir haben ja die Kunden und wir binden die ein und ihre Produkte können die über uns verkaufen. Das ist ein schlüssiges Argument, das stimmt auch und bis zu einem gewissen Grad müssen sie das auch machen, aber das übersieht so ein bisschen, dass es andere Modelle gibt, wie man Ware bekannt macht, Ware verkauft und dass Leute das auch zum Teil lieben einfach dann von der Vorgängerin, die sie einfach halt kennt oder wo sie den Eindruck hat, entsprechend das Kleid oder den Mantel oder etc. zu bekommen.
Joel Kaczmarek: Da sind wir aber beim Thema, was ich auch ansprechen wollte, weil die Besonderheit an Second-Hand ist ja auch, dass es quasi zwei Kundenseiten gibt. Also einen, der oder die das Produkt kauft und einen oder eine, der oder die das Produkt verkauft. Und wir können ja mal ein bisschen so hier spiegeln, könnt ihr auch mal gleich sagen, wie das bei euch so ist. Also ob ihr selber auch irgendwie Flohmarkt-Gener Second-Hand dass man mal die Zielgruppe so ein bisschen ausschiebt, wie das bei euren Frauen ist. Also bei meiner Frau ist zum Beispiel so, das habe ich die Tage mitgekriegt, das war für die ein Erweckungserlebnis, dass die über Zalando Wardrobe irgendwie Sachen nehmen kann, Marken eintippen, in Paket packen, wegschicken und kriegt quasi irgendwie Zalando-Gutscheine. Ging dann gleich so im Freundeskreis los, die Nachbarin auch probiert. Erster Versand war total super, 80 Euro Package hingeschickt, zack, von irgendwie 83 Euro Warenkorb auch wirklich 80 angekauft, ein Stück nicht, das wurde dann irgendwie vernichtet, alles klar. Und dann kam auf einmal so ein Rückspiel von der Freundin, so, ja, ich habe da irgendwie für 80 Euro was hingeschickt und ich habe nur 12 Euro verkauft. Und meine Frau, nächste Session gemacht, auch was hingeschickt und wieder Sachen, die vorher noch total gut angekauft worden wären, ja, also auf einmal zu viel, viel niedrigerem Preis entweder angekauft oder gar nicht angekauft. Was ich gelernt habe daraus war, da wird offensichtlich so ein Modell auch noch tariert. Also da wird irgendwie noch experimentiert, welche Produkte kaufe ich an, welchen Status müssen die haben. Vielleicht muss man auch seine Workforce noch ein bisschen schulen, dass man irgendwie am Anfang mehr durchgehen lässt und dann irgendwie feingliedert. Da ist ja sozusagen ein Faktor drin so und. Da sind wir auf ein bisschen, was Jochen ja meinte, das ist irgendwie anstrengender im Handling, man muss irgendwie mehr Kontrolle machen, man hat irgendwie eine ganz andere Seite. Aber das ist ja erstmal eine Komplexität und es ist also, je länger ich darüber nachdenke, über dieses Modell, desto mehr frage ich mich, klappt das wirklich, dass man sagt, okay, ich bin jetzt hier der große BMO Zalando, du kannst mir dein Zeugs hinschicken, Flatrate-artig kriegst du dann Gutscheine, ich bin ein bisschen großzügiger, was ich annehme, versus ich habe eine dezidierte Plattform, wo ich sozusagen Aktivität reinstecken muss, dass ich das da verkaufe. So, das ist so mein Gedankenweg gerade. Wir sind eurer, spiegelt mal euer an.
Jochen Krisch: Naja, es gibt halt zwei Zielgruppen. Ich versuche immer von mir zu abstrahieren, weil ich immer komplett anders dicke als der Markt. Ich sehe so diese beiden Zielgruppen. Die einen, also sowohl jetzt von den Nutzern, die einen wollen halt wirklich ihren Kleiderschrank leer bekommen. Und das war ja dieses Wardrobe-Modell, was Zalando auch gefahren ist. Die anderen haben ein bisschen mehr Zeit oder machen das halt Flohmarkt-mäßig, dass sie das wirklich auch auf den Plattformen verkaufen. Es gibt noch diese Concierge-Modelle, wo zum Teil quasi die Ware erstmal eingestellt eingelagert wird bei den Anbietern und was sich verkauft, wird eben verkauft. Man hat zum Teil noch die Preishoheit und kann einem sagen, das erwarte ich mir dann mindestens und zahlt aber dann dafür, zum Beispiel für die Einlagerung. Also das sind eigentlich so schöne Modelle, wie Rebell auch fährt und andere, die halt dann nicht diese hohen Ankaufkosten haben, sondern die andere Modelle dann fahren können und dann ist es sehr am Kunden, was er damit macht. Und das Spektrum haben wir und das ist die eine Frage, also die Zielgruppe ist. Das andere hatte ich ja schon beschrieben. Natürlich Im Grunde ist es sehr lukrativ. Als Anbieter neigst du dazu, deine Kunden dann zu verkraulen, wenn du ihnen nicht den Preis zahlst, den sie erwarten. Aber für dich kann es lukrativ sein. Und das herauszufinden, ist natürlich erstmal eine hohe Kunst. Wie viel Wert ist das noch? Und ich meine, wenn die Kundinnen den Neuwarenpreis sich an dem orientieren, was sie da noch brauchen. bekommen, ist es eh schon schwierig, aber auch im Second-Hand-Bereich gibt es ja ein Spektrum, was man fahren kann. Das ist halt leider nicht so schön, wie das jetzt bei ehemaligen Apple-Produkten, iPhones etc. ist, wo sich so ein bisschen Marktpreise jetzt auch für die Vorgeräte- Generationen etabliert haben. Ich glaube, im Modebereich ist das sehr viel schwieriger und das ist aber auch das Vertrauensmoment, was sich die Plattformen erarbeiten müssen. Hat man das Gefühl, das ist ein vertrauenswürdiger Partner? oder ist das jemand, der mich tendenziell über den Tisch zieht und Dinge einfach vermeintlich in Anführungszeichen aussortiert, ja dann doch vielleicht noch irgendwie verwertet? Wenn der Eindruck entstünde, ist das natürlich sehr, sehr schwierig.
Joel Kaczmarek: Vielleicht müssen wir auch mal zuspitzen. Welche Produkte sind denn eigentlich Second-Hand-fähig? Sind das nur große, teure Marken oder seht ihr auch Fenster für andere Gegenstände?
Alexander Graf: Ich würde eher die Frage umformulieren und sagen, welche Produkte sind Second-Hand-fähig über eine zentrale Plattform? Weil Second-Hand-fähig per se ist alles, sich da bei eBay Kleinanzeigen. Im C2C-Geschäft kannst du ja auch ein Playmobil-Set für 3 Euro, da kommt jemand vorbei und holt sich das ab und da könnte auch ein eBay-Kleinanzeigen vielleicht noch eine ganz, ganz kleine Prämie kassieren, aber natürlich keinen Service wie zentrales Einschicken, Qualitätskontrolle und Co. machen. Ich habe ja mal beim Wimbledex-Podcast den Gründer von United Wardrobe. interviewt, da habe ich mir das auch mal angeschaut in Amsterdam, wie die Prozesse aussehen und da hast du schon recht, das hat sozusagen diese Ankaufs- und Qualitätsprüfungsprozesse, da gibt es halt auch, wenn die Plattformen groß werden, extrem viel Fraudpotenzial, ja, so die falsche Ermessantasche einzuschicken, dann direkt die Kohle zu bekommen und damit sich aus dem Staub zu machen, das ist super komplex und darin liegt auch die Intelligenz, die die Plattformen entwickeln müssen. Für die niedrigpreisigen Sachen, die natürlich beim About You und Zalando auch verhäuft gekauft werden, halte ich Secondhand für sozusagen nicht sinnvoll. Und jetzt müsste man mal ableiten, welche Warenkörbe sind dann eigentlich Secondhand-fähig. Da wird man wahrscheinlich bei unter 10% landen, also irgendwie so Hosen oder Kleider oder Dinge, die selten getragen werden, die noch in einem guten Zustand sind, wenn man sie weiterverkauft. Die haben natürlich den Ankaufsvorteil, dass sie ja wissen, welcher Kunde was gekauft hat. Und welche Bonität er hat, was er sonst noch kauft. Das heißt, per se haben die schon einen Vorteil in dieser Qualitätskontrolle. Wenn sie das jetzt öffnen als Marktplatz, Kunden Sachen verkaufen lassen, ich weiß jetzt nicht, wie das bei deiner Frau war, das klang jetzt so, dass dort Sachen verkauft werden können, die vielleicht gar nicht bei Zalando gekauft wurden, dann macht man sich das Leben natürlich extrem schwer, weil man keine Historie hat. Aber bei dem Besuch in Amsterdam bei United Wardrobe habe ich schon gesehen, boah, also was kommt da quasi so rein? Was wird gerade noch auf die Plattform gelistet? Die hatten so einen großen Monitor, da ist das irgendwie so reingeploppt. Ankaufspreise konnte man sich dann dann geben lassen für die einzelnen Produkte und da war schon sehr viel Fraud dabei. Und United Wardrobe, da reden wir jetzt nicht über ein Unternehmen, was 50 Millionen Euro Umsatz im Monat macht. Das war vor einem Jahr, als ich einen Podcast gemacht habe, immer noch relativ klein. Das ist schon sehr komplex. Also da verstehe ich zumindest Robert Gens und Co., dass sie sich bisher von dem Thema ferngehalten haben. Und jetzt hast du ja gerade beschrieben, wie so ein Kundenerlebnis aussehen kann. Also du kannst sehr schnell Wow-Effekte erzeugen, wenn du zu viel Kohle raushaust. Aber du hast ein riesiges Fuck-up-Potenzial, wenn mal irgendwas nicht funktioniert und dann eine E-Mail kommt und sagt, ja, die zwölf T-Shirts, die sie mir geschickt haben, das ist nicht so, wie wir uns vorgestellt haben, sollen wir die jetzt verbrennen oder wollen sie die zurückgeschickt haben für 10 Euro Aufpreis? Und anders geht es aber gar nicht, weil so kompliziert sind nun mal die Prozesse.
Joel Kaczmarek: Ja, also ich kann das auch aus erster Hand irgendwie widerspiegeln, also wir fallen in diese Kategorie, die Jochen beschrieben hat, so den Kleiderschrank ausmisten, sich regelmäßig wieder so zen-mäßig reinigen selbst. und wenn ich dann hingehe, also ich habe es teilweise bei Momox aktiv verkauft, die haben ja dieses U-Bub oder wie das heißt, U-Bub, den Namen finde ich ein bisschen grausig, da muss ich mit Heiner nochmal drüber reden, aber im Prinzip hat man so eine Art Vorfilterung, willst du für Männer, für Frauen verkaufen, sind es irgendwie Shirts, Hemden, Hosen, Jacken oder? und dann tickert man sich durch, kommt irgendwann bei der Marke an und schickt hin und dann ist es wirklich manchmal banal, ich habe habe irgendwie was hingeschickt, habe geschrieben, Tommy Hilfiger Pullover und habe dann genau so eine E-Mail bekommen, kaufen wir nicht an, sollen wir es verbrennen oder willst du es für 4 Euro zurückgeschickt haben? Und ich guckte und dann war das Problem, ich habe irgendwie Hilfiger ausgewählt und es war Hilfiger Denim. Und das war in dem System sozusagen schon der Kill, wo du dann sagst, ja okay, warum machen sie mir nicht ein Ankaufangebot, wenn ich Hilfiger Denim angegeben hätte, anstatt zu sagen, aber das sind ja genau sozusagen diese Momente, die Alex da beschreibt, von daher verstanden. Hast du eigentlich mitgekriegt bei United Wardrobe, wie die den Fraud in den Griff kriegen?
Alexander Graf: Also ich schätze mal, wir drei sind jetzt ja nicht die Luxushandtaschenkäufer und du brauchst halt Leute, die sich damit auskennen, dieses Fashion-Thema auch leben, da gibt es ja zum Glück auch eine ganze Menge, die erkennen das dann auch, du kannst halt einiges sicherlich technisch vorfiltern, also woher kommt das Angebot, ist das schon ein geprüfter Verkäufer, hat der eine gewisse Kundenhistorie, da kann man über Algorithmen einiges lösen, aber viele Sachen entscheiden sich tatsächlich in der Draufsicht. und wenn man sich mal anschaut, Welche Qualitäten in einem normalen Retourenprozess bei Zalando oder Otto zurückkommen? Da brauchst du ja auch Leute, die sich anschauen, okay, wurde dieses Sommerkleid jetzt nicht doch schon mal getragen? Innerhalb der zwei Wochen Rückgabefrist, sogar da wird ja schon ganz viel aussortiert. Aber ja, 50% Technik, 50% manueller Aufwand.
Joel Kaczmarek: So, und bevor ich jetzt mit euch über die dezidierten Anbieter rede und wir auch mal ein, zwei Sätze über Stationäre sagen, die es ja schon seit Jahren teilweise gibt, habe ich noch so einen Exoten, wo ich euch mal fragen wollte, ob ihr die schon mal betrachtet habt. Und das ist Lands End. Weil Lands End ist ja, glaube ich, ein Anbieter. Ich kriege das von meinen Schwiegereltern und von meiner Frau immer mit. Du kaufst dir dort Kleidung und du kannst sie auch Jahre später noch zurückgeben und kriegst den vollen Warenwert wieder. Als wenn du quasi Kleidung eher abonnierst. Und da frage ich mich schon seit langem, wie das funktioniert, wie sich das rechnet. Und es ist wohl auch so, dass schon gegen geklagt wurde, vergebens. Also die dürfen das wohl auch machen. Habt ihr das Modell mal angeschaut?
Jochen Krisch: Nicht wirklich. Ich würde mich auch wundern, wenn das wirklich komplett erstattet würde. Also nur, wenn halt was nicht funktioniert. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die dann den vollen Preis….
Joel Kaczmarek: Nee, nee, ist wirklich so. Und auch geprüft.
Jochen Krisch: Aber das ist kein Mietmodell. Also irgendwo… Ja. Also schwierig. Also ich kenne Land's End und weiß auch, dass das hochwertige Bade ist und dass da ein anderes Modell dahinter steckt. Aber das irritiert mich jetzt schon ein bisschen, dass das hier so weit…. Du sagst es wirklich so. …so weit gehend.
Joel Kaczmarek: Teilweise vier, fünf Jahre im Nachgang, aber ich jetzt hier Leute animiere dahin zu schicken und es geht nicht. Und dann hat man hier das Fucker-Erfahrungserlebnis.
Alexander Graf: Also ich habe gerade parallel mal gegoogelt, also die haben einen Artikel geschrieben mit dem Titel, diese Jacke, das bin ich nicht. Lebenslanges Umtauschrecht. Das kann schon sein, aber vielleicht gilt das auch. nicht in allen Märkten, dass zum Beispiel Ikea hat ja dieses Umkaufsrecht ja zurückgezogen, relativ schnell in Deutschland, wo man Leute angefangen haben, den alten Schrank zurückzubringen, das wäre in anderen Ländern, da würden sich Leute das einfach nicht trauen, das wäre denen so peinlich, das zu machen. und da ist es dann ein Angebot, was du auch machen kannst, aber in Deutschland geht das glaube ich nicht, weil dann kommt wirklich der Opa und sagt, hier diese Jacke, die hat aber irgendwie 84 Mark gekostet und die mag ich nicht mehr, ich will jetzt hier diese grüne Strumpfhose für meine Schwiegertochter. Ich glaube, das ist eher ein Marketing-Hebel, aber ich will mich da jetzt auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Vielleicht hört da jemand zu von Lands End und kann uns da ein bisschen aufklären. Ich google ja immer parallel, während Jochen noch so Sachen von sich gibt.
Joel Kaczmarek: Aber bei Ikea ist es ja sogar noch einen Sacken schärfer gewesen. Da sind ja Leute hingegangen, haben bei eBay Kleinerzeigen Möbel gekauft, gebraucht von Ikea, haben die Verkäufer gefragt, ob sie den Bon noch haben. Dann hast du für 3 Euro bei eBay Kleinerzeigen gekauft und für 70 wieder zurückgegeben im Markt. Das ist Deutschland. Eigentlich ist ja Lands End dann aber auch nicht Second Hand, muss man ja auch sagen. Gut, gucken wir uns mal ein bisschen an, was es schon gibt. Also vielleicht an die spezialisierten Anbieter sich ranrobben, indem wir erstmal in die Historie blicken. Es gibt ja stationär Second-Hand wirklich schon seit Jahrzehnten. Also A, über den kleinen Second-Hand-Shop, aber auch teilweise durchaus etwas organisierter. Also wenn ich jetzt mal in Berlin mich so umgucke, wir haben solche Läden wie Humana Second-Hand oder Auch Ochsfarmen oder auch Stadtmissionen, die sozusagen in Kirchen angedockt sind, die kaufen ja sozusagen wirklich auch viel Mode an. Und was ich da zum Beispiel jetzt derzeit beobachte, auch in Zeiten von Corona war, dass die teilweise Ankaufstops haben. Also da wurden nur noch ganz dezidierte Produkte gekauft, ganz viele Sachen wurden nicht mehr genommen, Kindersachen wurden nicht mehr genommen, Ware, was non-fashion war teilweise auch nicht, weil die Lager halt voll laufen, gerade in Zeiten von Corona, wo man irgendwie zu Hause hängt und will sein Zuhause schöner machen. Was seht ihr denn sozusagen für Unterschiede zwischen solchen lange gelebten stationären Angeboten und den dezidierten Anbietern? Also wir haben jetzt schon ein paar gesagt, sowas wie Vinted, Rebell, Vite en Vogue. Vieles liegt auf der Hand, glaube ich. Einzugsgebiete und Skalierungspotenziale. Aber wenn ihr das mal so ins Verhältnis setzt, was ist durch Digitalisierung anders geworden im Second-Hand-Markt, wenn man es spezialisiert betreibt?
Alexander Graf: Ich würde mal Einzugsgebiete und Skalierungspotenziale als erstes nennen. Ja.
Jochen Krisch: Also Berlin ist insofern ein unglückliches Beispiel, weil Berlin ist natürlich perfekt für sowas als Großstadt. Aber gehen wir mal von aus, von Alex auf seinem Dorf oder ich in meinem Vorort oder generell mal so eine durchschnittliche Stadt in Deutschland. Also wie groß ist da das Potenzial, dass du tatsächlich vernünftig Secondhand kaufen kannst? Also im Sinne von, entweder du findest coole Sachen oder du findest noch trendy Sachen. Also nicht so ein Altwaren. Mischmasche-Thema. Und ich glaube, das ist so ein bisschen der Punkt, dass man sehen muss, dass viele gar nicht das Potenzial hatten, Secondhand zu kaufen, selbst wenn sie es wollten. Und das ändert sich jetzt online durch die Plattformen und durch die anderen Möglichkeiten. Und ich beziehe mich da so ein bisschen auf Tarek Müller, der das ausführlich beschrieben hat, der einfach auch sagt, das ist einfach auch ineffizient. Also die Kleinen da, die haben nicht den Nachschub und können aber auch nicht online gehen. Also da ist das Potenzial beschränkt. Und insofern braucht es schon eine andere Vermittlungslogik und ich glaube, da sind wir jetzt an dem Umbruch und man merkt es ja selbst bei den H&M, die sammeln eben überall ein in ihren Läden. Die machen das zum Teil jetzt nicht, dass sie es wirklich wieder in den Kreislauf bekommen, beziehungsweise sie haben zum Teil andere Kreislaufmodelle, dass sie sagen, die Stoffe, die alles, das können wir wiederverwenden, um neue Mode zu generieren. Es geht jetzt nicht immer darum, das nur in Secondhand zu bekommen, aber sozusagen, dass du eine Möglichkeit hast, wie du an die ganze Ware kommst und dann eben einen Kanal hast, wie du es dann wieder unter die Leute bekommst. Und Da sind halt die stationären beschränkt, wobei ich da noch einschieben möchte, zum Beispiel ein Rebell ist durchaus so, dass sie sagen, wir nehmen das einerseits von den Kunden, die ihren Kleiderschrank leer machen wollen, andererseits arbeiten wir aber auch genau mit solchen Geschäften zusammen und nehmen deren Sortiment und bringen das bei uns dann wieder auf die Plattform. bündelt es sich dann schon wieder, aber es braucht eben neue Anbieter, die das in der Form bündeln. Deswegen, ich will damit nicht das Totschreiben, äh, Totschreiben, Totsagen, was im stationären Bereich da ist. Ich glaube, das wird immer da sein und hat auch eine Berechtigung und ist zum Teil auch das effizientere Modell, muss man ja auch sagen. Wie gesagt, die ganze Aufbereitung und alles hat man nicht, aber ist im Grunde ein anderes Marktsegment und strukturell schon etwas im Nachteil für alle Beteiligten, also vor allem auch für die Kunden.
Joel Kaczmarek: Was kann man denn aber bei dem Modell eigentlich technologisieren? Also was seht ihr an Technologie, die in dem Segment aktiv werden kann? Vorhin beim Thema Fraud meinte Alex ja auch, manches kann man über Technik irgendwie lösen. Was kann ich da eigentlich machen? oder muss da wirklich immer ein Mensch hingehen und sich die Klamotte angucken?
Alexander Graf: Also man könnte jetzt hier natürlich das Click-and-Collect-Argument des klassischen stationären Handels nehmen, nur andersrum und sagen, bei uns hast du den Vorteil, dass du ein direktes Feedback von dem Ankäufer erhältst. im Laden bekommst. und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es dort auch viele Verkäufer gibt, die das machen. Ich glaube, meine Frau ist auch hin und wieder mal bei solchen Second-Hand-Läden, bringt mal Sachen dahin, nimmt die mit zurück, ist da auch super happy. Also es gibt immer ein direktes Feedback, man findet irgendwie was, es hat manchmal einen positiven Cash-Impact und der meiste Teil der Fashion wird ja immer noch stationär verkauft und man kann schon eine Zielgruppe erreichen über digitale Kanäle, die aber lieber Das stationäre Feedback haben wollen, das nicht anonym in ein Paket verpacken. Ich hatte jetzt parallel auch auf den Plattformen mal geschaut, die du genannt hast. Ich muss ganz ehrlich zugeben, ich kenne mich damit nicht so aus, aber es bietet keine an. Das sind Webseitenkonzepte von vor zehn Jahren, die bewerben ihre Läden. Jetzt wieder ein neuer Laden in Ismaning oder so. Weiß ich jetzt gar nicht, habe ich jetzt mehr ausgedacht als irgendein fancy Ort. Bestimmt. Und das könnte man schon machen. Das könnte man auch in so eine App mit reinbringen, weil die haben ja schon viele Kundenkontakte und oft ja auch Kunden, die hochwertige Sachen haben und die dann dazu bringen, noch mehr Sachen auf ihre Plattform zu bringen. Da gibt es ja das Problem, dass sie das Absatzproblem bekommen. Also wenn es zu viel Ware in so einem Laden bringt, bringt dir halt nichts, wenn du nicht so viele Kunden hast. Dann bräuchten die auch eine zentrale Vermarktungsplattform oder müssten selber anfangen, das bei eBay Kleinanzeigen und Co. zu verkaufen oder auf einer eigenen Plattform. Und da fehlt dann meistens die technische Kompetenz, weil ganz so trivial ist das eben nicht. Und das passt dann wieder nicht 100% zu dieser Logik, wo man einfach nur Läden öffnet. Und es passt auch nicht zu der Logik, Einige Anbieter, die du genannt hast, die ja so einen karitativen Ansatz haben, die auch viele kostenlos bekommen. Und würdest du jetzt kostenlos deinen Kleiderschrank da hingeben, in dem Wissen, dass sie ihn dann kommerziell verwerten, weil dein Ziel war es ja, irgendwie bedürftigen Menschen zu helfen. Da läuft dann so ein Zielkonflikt rein. Aber es gibt schon Möglichkeiten für die Unternehmen, die eine gute Customer Base haben. Die haben halt keine Markenbekanntheit, weil derjenige, der jetzt irgendwie seinen Second-Hand-Laden um die Ecke kennt, der geht vielleicht gar nicht davon aus, dass es davon noch 50 weitere Läden in Deutschland gibt.
Joel Kaczmarek: Jochen, wie nimmst du eigentlich die Markenbildung bei diesen Plattformen wahr? Weil wenn ich jetzt mal so drüber nachdenke, was Alex gerade gesagt hat, also im karikativen Bereich, da wird ja irgendwie angekauft, was geht. Manche selektieren noch, also so ein Oxfam ist glaube ich zum Beispiel für Aufbereitung bekannt, aber wenn du an so eine Stadtmission natürlich verkaufst, da hängen halt Sachen, die sehen so aus, als hätte man die vor 30 Jahren im Kleiderschrank gehabt, fairerweise. Während Secondhand, glaube ich, insgesamt so ein bisschen manchmal so dieses Geschmäckle von schmuddelig hat. Also vielleicht bin ich da subjektiv oder so, aber ich habe immer den Eindruck, das ist bei vielen Menschen so ein bisschen behaftet. Und sowas wie Rebell wirkt ja eher jung und frisch eigentlich.
Jochen Krisch: Ich glaube auch, das ist der Unterschied, dass das jetzt langsam rauskommt. Also es gibt halt manche, die sich dann eher, also ich würde jetzt mal als Begriff schäbig sich bezeichnen. Also wo du schon das Gefühl hast, das ist halt Secondhand in Anführungszeichen Ramsch. Und dieses Umdenken, was jetzt eben da ist, das ist im Prinzip nochmal eine weitere Nutzung. Und die Leute nutzen ja die Kleidung nicht mehr so intensiv und stark. Das ist ja nicht eine abgenutzte Kleidung. Und manchmal ist auch noch der Zettel dran. Es ist gar nicht getragen worden und genutzt worden. Und das ist schon, finde ich, ein Schritt, der da jetzt passiert ist. Und zwar einerseits hochwertigere Welten zu schaffen. Ich weiß gar nicht, wie man das ausspricht. Vestiaire, Kollektiv im Französischen, als auch so ein bisschen in der Rebell-Kategorie, dem edleren Bereich drin. Oder dann eben auch Depop und Poschmark oder so im cooleren Bereich. Also das Gefühl hast, kann Spaß machen oder ich bin da im Trend. Und dann hast du noch so, das ist für mich so eher noch so klassisch, so Kleiderkreisel und Mädchenflohmarkt etc. Die versuchen so aus der klassischen Welt das zu übernehmen und reinzunehmen. Präsentieren sich aber zum Teil auch anders. Also Kleiderkreisel und Co. verschwindet jetzt ja dann, weil Vinted das unter der Vinted-Brand machen will. Was auch schon zeigt, das steht halt dann auch für etwas anderes. Ich glaube schon, dass das jetzt so auch das Moment ist, was da ist, dass man versucht, das anders zu positionieren, anders aufzuladen. Das gelingt mal weniger gut, mal besser, je nachdem, wie gut die Fotos sind und wie gut die Ware sich präsentieren lässt. Aber zum Beispiel, was ich sehr smart auch fand, habe ich jetzt kürzlich entdeckt, machen sie schon seit zwei Jahren, aber dass Rebell auch mit Testimonials arbeitet im Sinne von, dass klar ist, wer seinen Kleiderschrank leert da. Also normalerweise kann man ja gar nicht so gut mit Testimonials da arbeiten oder mit Influencern etc., aber wenn du auf die Seite gehst, siehst du halt sofort auch, das sind Personen, denen man folgen kann. Direkt oder indirekt, dann lebt das, ist aufgeladener. Also sie machen das über einzelne wenige oder Postmark habe ich schon erwähnt, wo du dann auch wirklich eine Community baust und die Leute dann hasst. Ich glaube, das kann online auch leisten, dass es weggeht von diesem reinen Fokus auf die Produkte und ist das Produkt jetzt noch was wert? oder ich finde, das kann man anders besser aufladen. Deswegen verfolge ich immer die Technik. Interessierter, die halt jenseits dieses Bazaars und Flohmarkt-Moments sind und die sich da einfach auch Mühe geben, das so zu inszenieren quasi, dass du eine Second-Hand-Welt hast und deswegen bin ich auch ein Freund davon, irgendwann da neue Ware reinzunehmen, weil sich dann befruchten kann. und dann bist du Second-Hand-Fan und im Zweifel nimmst du immer das Second-Hand, weil das umweltbewusster ist etc., aber bist halt in einem anderen Umfeld dann. Das ist das, was ich eigentlich am spannendsten finde gerade. Und U-Bub, wie du ihn anhast von Momux, mit dieser verunglückten Bezeichnung, finde ich genau das Gegenbeispiel. Da weiß ich auch immer nicht. Also die verkaufen natürlich zum Teil dann über Ebay und über anderes. Deswegen ist das mehr die Annahmestelle. Aber U-Bub als Marke zu haben, ich weiß gar nicht, wie viel Marketingaufwand du da reinsteckst. muss, um das cool zu machen. Also das wäre jetzt für mich eher so ein Gegenbeispiel. Aber Momox bleibt damit. Es gibt auch Medimops und wie die alle heißen, also ganz eigenartige. Wie kommt man auf sowas, dass man so eine uncoole Marke jetzt für das Thema nimmt, wo man sich das Leben nochmal doppelt so schwer macht. Aber vielleicht verstehe ich auch bloß nicht genug. Also ich sehe das nur als Außenstehender und wundere mich dann.
Alexander Graf: Hybris für Software.
Jochen Krisch: Das ist ja schon wieder gut. So muss man es machen. So ein bisschen über sich hinaus gehen.
Joel Kaczmarek: Wie würdest du denn die Landkarte der Anbieter ausrollen? Also wir haben ja jetzt schon ein paar Beispiele genannt. Wir hatten Vito & Vogue, wir hatten die Vinted-Gruppe, wir hatten Mädchenflohmarkt, Poschmarkt, kannte ich ehrlich gesagt auch nicht. Und wie heißt der? D-Bob?
Jochen Krisch: D-Bob, ja. Das ist eine Mobile-App.
Joel Kaczmarek: Okay. Und Rebell. Also welche Marktsegmente versuchen die zu besetzen? Also zu wem stehen die in Konkurrenz? Konkurrieren die quasi mit dem stationären Angebot? Konkurrieren die mit den Händlern? Wo können die sich Marktanteile abschöpfen? Und was würdest du sagen, was gibt es da für Marktbewegungen insgesamt? Also konsolidiert sich da auch schon was? Gibt es irgendwie Player, die sich herausschälen als irgendwie die Top Acts? Wie ist das da aufgestellt?
Jochen Krisch: Ja, konsolidieren tut sich dauernd was. Es ist ein sehr volatiler Markt, wo die einen auftauchen, die anderen weggehen oder manche auch eine Zeit lang uncool werden, dann wieder hochkommen. Also Depop hatte ich zum Beispiel den Eindruck, die waren sehr gehypt 2011, als sie gestartet sind. Da ist auch Holzbrink und andere mit Investoren drin. Dann ist es ruhig geworden, dann haben sie eine Geschäftsführerin gefunden, die das wirklich jetzt nochmal vorangebracht hat. Und ich sehe es so gar nicht so sehr aus dieser Marktsicht, die du jetzt beschrieben hast, sondern für mich ist auch Secondhand ein großes Mobile-Thema, weil du ganz anders arbeitest. Weil wenn du C2C machst, hast du einfach die Kamera da schon drin und kannst das sehr leicht dann auch einstellen und damit arbeiten. Also gerade für die jüngere Generation ist das zum Teil sehr intuitiv, wie das gemacht wird. Und so sehe ich so ein bisschen die Welt. Also du kannst das natürlich jetzt unter Produktkategorien, Preispunkten etc. festmachen. Es gibt schon die Oberklasse, die halt nur auf Premium fixiert sind, aber das Massensegment schon auch. Und das unterscheidet sich dann wirklich in der Art und Weise, wie das Thema gespielt wird. Und da spielt dann schon Technologie rein. Und für mich ist auch Postmark immer so ein Beispiel, die gehen jetzt dann an die Börse, deswegen haben wir Zahlen dazu und auch mehr Informationen. Da bin ich schon sehr gespannt drauf, weil die einfach auch mit anderen Mechaniken arbeiten und andere Logiken da haben und auch sich sehr viel Zeit gelassen haben, um so ein Modell zu entwickeln. D-Bob ist für mich so ein ähnlicher Fall. Die nutzen Mobile so, wie es zu nutzen ist. Deswegen würde ich fast sagen, das sind auch nochmal Konkurrenten. dann zum klassischen Online-Handel, die halt nur über entweder ihren eigenen Shop in Anführungszeichen verkaufen oder über Ebay und die Marktplätze dann. Und so sehe ich so ein bisschen in der Entwicklung, in der Dynamik jetzt rein aus einer Online-Digitalperspektive betrachtet, jenseits jetzt von dem ganzen Thema, ist es ein Trend oder nicht ein Trendthema. Deswegen bietet das so viele Anknüpfungspunkte, um auch so ein bisschen in die Zukunft zu blicken, weil ich schon glaube, dass man hier Mechaniken sieht, die halt näher an einem Facebook, Instagram etc. sind, als so an so klassischen Handelsmodellen. Deswegen jenseits jetzt, ob die Ware gut ist oder ob Secondhand das Thema ist, interessiert mich das aus der Richtung auch noch, weil ich das Gefühl habe, da entstehen neue Interfaces, da entstehen neue Logiken und das sind wirklich nochmal Sprünge in der Online-Handelswelt, die da kommen.
Joel Kaczmarek: Alex, wie betrachtest du das Segment denn so? Du bist so ruhig heute.
Alexander Graf: Nee, also fairerweise fühlt sich das für mich nicht so leicht greifbar an, weil wir drei gehören jetzt nicht zur Zielgruppe und das Einzige, was wir gelernt haben, ist, es ist ein sehr großer Markt schon. Es ist auch sehr viel Potenzial da. Es gibt wenig Anknüpfungspunkte bisher für den traditionellen Handel. Also es ist quasi ein kompletter Sekundärmarkt und ich würde mir das wirklich zweimal überlegen an Tareks Stelle oder Robert Gens Stelle, ob ich mir das da ans Bein binden will, weil der Hebel auf dieses klassische Geschäftsmodell einfach sehr gering ist und ich finde, das sieht man ja auch an den Umstellungen im Geschäftsmodell von Kleiderkreisel und Co., wie schwierig es da ist, Geld rauszubekommen aus dem. Ein System, was sehr stark domestiziert worden ist durch den stationären Handel und durch den C2C-Handel bei eBay Kleinanzeigen, wo eigentlich niemand bereit ist, um was extra zu zahlen. Dafür ist das eine dritte Clearing-Instanz gibt. Ich hatte ja die Caro Juncker damals, als ich den Podcast aufgenommen habe, beim DCD auch ausgezeichnet als das beste Geschäftsmodell. Weil das in sich sehr schlüssig und auch geschlossen war. Die haben da auch hochwertigere Sachen angekauft. Das hat Sinn gemacht. Die Kunden waren halt sehr treu, das jetzt auf Zwang anzudocken. Also ich verstehe das natürlich aus einer kaufmännischen Perspektive, sowohl aus Vito- und Vogue-Sicht, die dann irgendwie vielleicht mehr Produkte bekommen, als auch aus Plattform-Sicht. Also mich überzeugt es ehrlich gesagt noch nicht. Ich finde den Aspekt dass wir in so eine Kreislaufwirtschaft kommen, schon gut. Niemand soll jetzt irgendwie weniger konsumieren, als er irgendwie möchte. Das kann man auch keinem vorschreiben. Aber ich bin noch nicht 100% überzeugt. Und wenn ich mir so anschaue, wie sensibel die Leute in diesen Foren reagieren, also es gibt ja da bei Kleiderkreisel Vinted ja auch eine ganze Menge Foren, die sich darum kümmern. Puh, das weiß ich nicht, ob das die Zielgruppe ist, mit der ich mich jeden Tag auseinandersetzen will, aus einer Business-Perspektive. Die sind schon sehr emotional unterwegs.
Jochen Krisch: Gut, aber das ist Marktplatzwelt. Also das ist eine ganz eigene Welt. Deswegen würde ich auch mal unterscheiden. Für mich fallen die Modelle mehr in die Marktplatzwelt als in die Handelswelt und das ist der Unterschied. Aber ich wollte gerade noch anmerken, weil du bist ja auch so ein Marktplatzspezialist und nimmst ja das immer alles auseinander, die Etsys und die Farfetch und Allegro jetzt und wie sie alle handeln. Und ich finde gerade so, ein Etsy zum Beispiel hat ja auch so einen Trend gesetzt, was jetzt Geschäftsmodelle für die Plattformbetreiber sind. Also, dass man eben bei Payment gute Möglichkeiten hat, da die Hand aufzuhalten. Jetzt sage ich es mal bewusst sehr uncharant, dass man im Prinzip über dieses Vertrauensmodell Möglichkeiten hat, weil es eben im C2C-Bereich dann oft auch schwierig ist, bekommt man dann auch tatsächlich das Geld, wenn man die Ware liefert. Also im Prinzip alles schon langfristig bewährte oder neuralgische Punkte von dem Marktplatzmodell. was jetzt hier nochmal auftaucht und wo diese Plattformen auch Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen und eigentlich ein sehr schönes, profitables Geschäftsmodell für sich zu machen. Jetzt unabhängig von dem, was wir besprochen haben, ist der Marge da, sind die Kunden glücklich etc. Deswegen können solche Plattformen für sich schon Sinn machen. Ich bin aber bei dir, um das noch zu ergänzen, weil ich jetzt ein bisschen in eine andere Lichtung geschwenkt bin, für einen Händler ist es wirklich, also da muss man ein großes Fragezeichen machen, das ist schon eine komplett andere andere melden. Ich finde es sehr interessant jetzt bei About You zum Beispiel, dass die das versuchen, wirklich in ihre Marktplatzwelt reinzubekommen, also dass es für sie gar kein Thema ist, dessen sie sich selber annehmen wollen, sondern sagen, okay, ob ich jetzt einen Händler oder eine Marke reinnehme und mit einbinde, genauso gut kann ich einen Second-Hand-Anbieter mit reinnehmen und dann biete ich die Produkte an und dann ist alles da und ich kann das PR-seitig auch gut spielen, aber hinten raus ist das komplett in der Hand des Partners. Dann ist es für mich auch wieder eine Logik, das kann man so fahren und da vertut man sich ja auch nicht wirklich was.
Joel Kaczmarek: Aber wenn du sagst….
Jochen Krisch: Genau das, was ich jetzt schon angedeutet habe. Also die Musik spielt gar nicht so sehr in dem Handelsmodell, Marge etc., sondern die Kunst ist es, die Leute erstmal drauf zu bekommen, zu aktivieren, bei Laune zu halten und dann eben indirekte Geschäftsmodelle zu finden, Erlösströme. Und das kann zum Teil Werbung sein, natürlich. Manche, die überhaupt nichts verlangen, wie Kleiderkreisel zum Beispiel. lange, also versuchen das auch gerade umzustellen. Die profitieren dann halt von Werbung und von derlei Geschichten. Finde ich jetzt nur so semi-spannend. Spannender finde ich dann wirklich, wenn Payment-Lösungen entstehen und wenn solche Services dann auch entstehen zum Teil, also Konserstervices und andere Sachen. Das ist natürlich alles, was Lagerhaltung Finde ich, das ist sehr schön unter der Hand oder integriert in das Gesamtmodell und die Leute spüren es nicht so sehr. Sie spüren es ohnehin nicht, weil die Preistransparenz ja nicht so groß ist. Aber für die Plattformen ist das alles eben sehr, sehr gut. Und es gibt ja schon große Player, die an der Börse notiert sind. Leider jetzt nicht in unseren Regionen, aber wenn man sich in Mercari anguckt, in Japan und andere, die einfach schon schöne Kennzahlen liefern. Also deswegen, das ist ein attraktives Modell, deswegen verstehe ich auch, dass Investoren da durchaus offen sind und die, die durchgehalten haben und genau die das eben geschafft haben, die Kunden anzusprechen und da wirklich ein schönes Ökosystem zu schaffen, die sind natürlich auch super lakrativ, deswegen sehen wir jetzt auch die ganzen Exits und man wird mal sehen, wie das dann weitergeht oder auch Übernahmen. United World, was Alex ja gesagt hat, ist ja gerade an Vinted auch gegangen, also noch bevor da ein Börsengang oder irgendwas da ist, ich gehe mal davon aus, dass Vinted jetzt auch gerade vorbereitet, um einfach da auch nochmal mehr Präsenz dann hinzubekommen. Es ist sehr nah an dem, was klassische Marktplatzmodelle machen, was Plattformmodelle machen. Aber durch diese Community-Aspekte hat es eben nochmal ein bisschen mehr Potenziale als der Marktplatz oder die Plattform an sich aus meiner Warte.
Joel Kaczmarek: Würdest du auf solche Anbieter setzen, Alex? Würdest du dir Aktien kaufen von einem Second-Hand-Player?
Alexander Graf: Äh, Aktien, ja.
Jochen Krisch: The Real Real ist noch in der Börse.
Joel Kaczmarek: Also, jetzt mal Aktiengeschäft aus dem Vor, aber wie stark glaubst du an diese Modelle?
Alexander Graf: Also, wenn es geschlossene Modelle sind, ich finde, das war beim Stitch Fix Börsengang interessant, weil das war auch ein Modell, was sehr stark, sehr gut gewachsen ist, was eine ähnliche Zielgruppe anspricht, als wir dann an der Börse waren und dann nach vorne skalieren mussten, quasi anorganisch diesen Markt erweitern mussten. Und Börse basiert ja immer auf Zukunftsbewertungen. Dann zeigt sich, dass das Modell dann doch schon schnell an so eine Grenze kommt. Deswegen würde ich mir das immer dahingehend anschauen, zu sagen, gibt es echte Netzwerkeffekte? Also bringt es mir quasi was, diese Nachfrage- und Angebotsseite massiv zu skalieren? Das sehe ich jetzt bei ganz wenigen Börsen. Modelle, muss ich ganz klar sagen, sind die so groß, dass sie diese Services, die Jochen gerade beschrieben hat, also Financial Service, Logistics Service, dass sie das wirklich aufbauen können, selber ownen können, damit Geld zu verdienen, ist auch noch nicht der Fall, muss ich sagen. Deswegen würde ich heute eher davon absehen, da sehe ich bessere Modelle am Markt.
Jochen Krisch: Ach, Alex ist ja immer so skeptisch in der noch frühen Phase und nachher sind es dann doch immer schöne Modelle. Also ich komme ja auch immer aus Potenzialsicht, dass ich mir sage, okay, die müssen eine gewisse Mindesthürde übersprungen haben und es muss ein Lichtblick da sein. Deswegen würde ich jetzt nicht 100 Prozent alles draufsetzen, aber dann gebe ich ihnen eine Chance und sage mir, okay, wenn ihr in eine gewisse Umsatzregion kommt und eine gewisse Nutzerzahlregion kommt, dann habt ihr wirklich gute Karten. Und ich bin halt gerade bei dem Second-Hand-Thema durchaus angetan, weil, wie gesagt, ich sehe es als Gefahr für den klassischen Handel. Ich kann mir vorstellen, dass größere Second-Hand-Player irgendwann in das Neuwarengeschäft einsteigen, weil sie den Kundenzugang haben, weil sie da einfach eine andere Atmosphäre kreieren können. Deswegen nehme ich das sehr ernst, was da kommt. Aber ich gehe auch unter in der Flut der Anbieter. Also ich würde jetzt auch nicht jeden x-beliebigen da nehmen und sagen, ja, das ist jetzt das Modell, nur weil es im Second-Hand-Bereich ist und weil es auf Community abläuft. Also das ist noch ein bisschen die Herausforderung. Aber da ist auch der Punkt, wir haben das jetzt seit zehn Jahren intensiv, auch im Immobilienkontext. Und die, die sich jetzt durchgesetzt haben und langsam rauskristallisieren, die würde ich schon ernster nehmen als jetzt so ein Newcomer, der das zwei, drei Jahre macht und wo man noch gar nicht weiß, wo das hingehen könnte.
Joel Kaczmarek: Gut, also es wird sich noch einiges tun. Man darf gespannt sein, wohin sich das Ganze noch entwickelt. Der Kollege Graf wird jetzt sicherlich auch mal ein bisschen sich das noch mehr angucken als vorher. vielleicht, oder? Bisschen weißen Landfleck jetzt getilgt? Nee.
Jochen Krisch: Ist nicht seine Leidenschaft, glaube ich.
Alexander Graf: Also ich habe ja quasi, ich habe ja da schon eine Bachelorarbeit betreut vor zwölf Jahren.
Joel Kaczmarek: Okay, dann hast du ja deine Leidenschaft.
Alexander Graf: Dann habe ich jetzt noch acht und dann kann ich wieder vorholen und dann können wir immer noch mal gucken. Also ich möchte nur dazu sagen, ein Beispiel geben, nämlich mit eBay Kleinanzeigen, was sicherlich jetzt auch nicht 100% perfekt gemanagt wurde von eBay in den letzten zehn Jahren und das hat sich eigentlich gar nicht weiterentwickelt. und das ist der Markt, wo ja Nachfrage-Angebot-Seite irgendwie schon sehr zentral zusammengeführt worden sind. Das lässt sich jetzt nicht alles eins zu eins übertragen auf den Fashion-Teil, aber ich sehe da momentan quasi mehr PR- Power drin, als wirklich Marktpotenzial. Wie gesagt, ich finde es gut, aber du hast es ja runtergedampft auf, würde ich da jetzt morgen 50 Euro investieren? Weiß nicht. Fünf. Wenn es denn hilft.
Joel Kaczmarek: Jochen wird uns auf dem Laufenden halten. Da werden wir immer fleißig die Analysen angucken. Man darf gespannt bleiben und ja, trotzdem spannender Ritt mit euch beiden. Hat viel Spaß gemacht. Danke euch.
Alexander Graf: Danke dir.
Jochen Krisch: Danke dir. Tschüss. Hey! Hey!
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.