Warum verzweifelte Marktplatzstrategien zum Scheitern verurteilt sind

18. Februar 2022, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich E-Commerce mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek, Alexander Graf und Jochen Krisch. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek, ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und heute wieder von den E-Commerce-Granden Alexander Graf und Jochen Krisch umgeben. Eigentlich muss ich die gar nicht mehr vorstellen, aber aus Höflichkeit mache ich das natürlich immer gerne. Den lieben Alex Graf kennt ihr von Kassenzone und natürlich von seiner großen Gründung Spryker. Und Jochen Krisch, um den kommt man auch nicht herum, der hat mal spannende Gedanken bei denen. Exchanges als Podcast, auf der K5-Konferenz sowieso und durch Exciting Commerce auch in geschriebener Form. So, und wir beschäftigen uns ja ganz viel mit unterschiedlichen Unternehmen, mit unterschiedlichen Strategien und wollen heute mal darüber sprechen, warum verzweifelte Marktplatzansätze zum Scheitern verurteilt sind. Also, ich kann schon vorwegnehmen, die beiden sind pro Plattformstrategien, aber halt, wenn sie Sinn machen und nicht auf so einer Verzweiflungstat. Deswegen, wir werden am Anfang mal einen kleinen Ausblick geben für das Jahr 2022, wo wir das gerade aufnehmen hier, diesen Podcast. Und dann werden wir darüber sprechen, kurz für die nicht so tief drin befindlichen Hörerinnen und Hörern, was ist eigentlich ein Marktplatz, was ist eine Plattform, wo liegen die Unterschiede? Und dann, wann ist eigentlich was sinnvoll und wann eben nicht, wenn man nämlich verzweifelt ist. So, that being said, ihr beiden, moin moin, schön, dass ihr da seid.

Jochen Krisch: Hallo Joel.

Joel Kaczmarek: Ja, lieber Alex hat sich ganz doll gewünscht, mir ganz viel Bitte, Bitte, dass wir einmal ein bisschen Ausblick machen ins Jahr 2022. Komm Alex, was ist denn hier so dein Big Picture dann?

Alexander Graf: Ja, es war ja viele Menschen, die auch in Aktien investiert sind, im E-Commerce-Markt ja ein trauriges Q4 und jetzt hört sich das alle schon wieder so ein bisschen an wie 2012, wo ganz viele Menschen gefragt haben, kann Zalando jemals Geld verdienen, warum gehen die überhaupt ab? an die Börse. Und ich nehme so ein Grundzweifeln wahr. Und ich möchte nur mit euch besprechen, dass ich dieses Grundzweifel überhaupt nicht teile, weil alle makroökonomischen Faktoren voll Richtung E-Commerce zeigen. Das Wachstum zeigt Richtung E-Commerce. Die Konsumtrends zeigen Richtung E-Commerce. Das ganze Thema Ökologie zeigt Richtung E-Commerce, woher die Innenstadt oder viele andere Formate total verliert. Das Wachstum der Logistiker zeigt in diese Richtung das jetzt trotzdem noch in 2022 daran gezweifelt ist. Diesen Zweifel möchte ich gerne so ein bisschen ausräumen. Und ich glaube, 2022 wird zumindest auf der Zahlenseite, wie wachsen die Unternehmen, wie profitabel entwickeln sie sich, glaube ich, ein sehr, sehr gutes Jahr. Und ich hoffe, dass sich das auch so ein bisschen wieder an den Börsen widerspiegelt bis Ende des Jahres. Ich habe da aber natürlich weniger Einblick in diese Börsenphilosophie, als das vielleicht Jochen hat. Aber ich glaube, es wird wieder ein richtig geiles E-Commerce-Jahr.

Jochen Krisch: Wie sollten wir das anders sagen? Ich glaube, das ist so ein bisschen, was sich jetzt so eingebürgert hat. A, E-Commerce ist nicht mehr sexy, um ein bisschen Tarek Müller zu adaptieren. Und es hat sich so nach dem Boom-Jahr 2020 jetzt so der Eindruck festgesetzt dass 2021 gar nicht toll war, dass das irgendwie so mäßig lief, so Black Friday, so lala, das Weihnachtsgeschäft, so lala. Wenn man es nur an den Wachstumsrat misst, wenn man sich mal die absoluten Umsatzzahlen anguckt und gerade auch immer die zwei, drei Jahresvergleiche zieht, dann sieht man eigentlich, dass das weiterhin extrem boomt und vor allem auch unterm Strich im Ergebnis gut läuft. Deswegen, ich bin so ein bisschen der Überzeugung, wir haben halt jetzt den Corona-Effekt, haben wir jetzt noch ungefähr noch ein halbes Jahr drin, so bis Mitte 2022. Da wird das alles noch etwas zäh und danach werden die Zahlen wieder wunderbar aussehen, weil die Vergleichsbasis einfach eine andere ist. Und das ist eine reine, also aus meiner Sicht eine mentale Geschichte, Einbildung, wie der Eindruck ist. Interessanterweise auch in den Unternehmen. Es ist ganz, ganz, ganz interessant, dass alle das als entspanntes Jahr empfanden, 2021. Weil eben 2020 so extrem war, man musste so improvisieren und so Gas geben. Also deswegen, es ist ein Phänomen irgendwie und schlägt voll natürlich in der Börse durch, wie Alex gesagt hat. Aber andererseits kann man sagen, jetzt ist alles günstig bewertet, in einem halben Jahr kann man dann gucken, was draus wird.

Alexander Graf: Ich habe mal eine Frage an dich, Jochen. Die Börse spiegelt ja institutionelle und private Anleger so ein bisschen wider und du hast ja auch mit vielen Institutionellen zu tun über den Fund, den du managst. Sind die genauso sorgenvoll oder so ein bisschen zweifelnd, weil die hatten natürlich 2020-Jahre eine sensationelle Entwicklung mit euch gemacht. und jetzt sagen sie sich, sollte ich vielleicht doch wieder SAP-Aktien kaufen oder Siement-Aktien oder reagieren die professioneller und gelassener?

Jochen Krisch: Nee, also nicht nur. Das Problem ist schon wirklich, ich glaube, es hängt ein bisschen davon ab, hat man eine langfristige Perspektive oder eine kurzfristige Perspektive. Die kurzfristige Perspektive bekommen schon ein bisschen Panik und das spüren wir auch, dass man dann als Sorge hat, ui, jetzt ist es so gut gelaufen und jetzt bin ich eigentlich bei den anderen Themen, die gerade gut laufen oder gelaufen sind, nicht dabei und dann muss ich eben aus dem E-Commerce wieder raus. Die langfristigen, glaube ich, sehen das entspannt. Da haben wir zum Glück auch genügend, also auf Fünfjahressicht oder auf Zehnjahressicht, Da muss man sich da keine Sorgen machen. Du hast ja die ganzen Gründe genannt, also was so an Trends dafür spricht. Aber leider schon. Das ist auch so ein bisschen das Trickige, wenn man zu sehr auf den täglichen Aktienkurs oder auf den Glory-Kurs etc. guckt, dann kommt man den Eindruck irgendwie Weltuntergangsstimmung, weil es ja wirklich jetzt vom Höchstzeitpunkt sehr stark runtergegangen ist. Und das ist wirklich eine Frage der Perspektive. Ich bin aber ganz froh, die, die das langfristig sehen und entspannt sehen, die Gruppe überwiegt noch. Die andere macht es einem natürlich auch nicht unbedingt leichter.

Joel Kaczmarek: Alex, komm, wir gehen mal in so einen Krypto-Online-Shop und kaufen Jochen hier mal so eine, diesen Hodl-Pullover, ne? Wirst du die dann immer alle tragen. Kennst du das?

Alexander Graf: Ja, Hodl, genau. Ach, dieses NFT. Aber da lass uns lieber nicht in diesem Bereich abschweifen und sagen, da kommen mir nur die Tränen. Nein.

Joel Kaczmarek: Aber ich habe eine schöne Überleitung. dann zu unserem eigentlichen Thema, weil du ja eben meintest, so Börse und 2022 und überhaupt, die werden ja alle gerade so abgestraft und sie müssen sich ja erstmal beweisen. Ich fand, in unserem Vorgespräch hast du ja auch gesagt, eigentlich ist ja die Ironie, dass der stationäre Handel viel mehr Hypothesen, die vielleicht falsch sind, widerlegen muss oder viel mehr beweisen muss, dass er es noch kann, als der Online-Handel. Warum reden wir eigentlich darüber, dass die sich beweisen müssen, wenn die anderen das viel mehr müssen? Und das ist ja vielleicht, wenn wir sozusagen mal auf die Schwachen blicken, also auf das schwächste Glied der Kette, da wollen wir ja heute hin. Nämlich, was machen denn diejenigen, die irgendwie kacke performen mit beschissenen Geschäftsmodellen, die jetzt die Marktplatzmodelle rausziehen? Was ist denn da eigentlich los? Warum tut man das und was hat das für einen Sinn? Und wir fangen mal an, um die Leute hier voll sauber abzuholen, lieber Alex. Auch für so Dullis wie mich hier. Ich bin ja nur Teilzeit-E-Commerce-Kenner. Du bist ja der Vollzeit-E-Commerce-Kenner. Mach mal vielleicht nochmal den Unterschied auf. Was bedeutet für dich Plattformstrategie? Was bedeutet für dich Marktplatz?

Alexander Graf: Das ist natürlich eine sehr theoretische Diskussion, genauso wie die zwischen Cross-Channel, Omni-Channel, Multi-Channel. Da gibt es quasi keine offizielle Diskussion. So wie ich das für mich strukturiere, bedeutet Plattform Ökonomie, dass ich Geschäftsmodelle, die vorher einen sehr, sehr klassischen Erlöskanal hatten. Ich kaufe Produkte von irgendwelchen Herstellern, verkaufe die zu einem Aufpreis an Endkunden weiter, entwickle ein Modell, in dem sie den Zugang zu diesem Endkunden vermieten und dann an die Hersteller diesen Kundenzugang zur Verfügung stellen, dafür Werbeeinnahmen bekommen, dafür Marktplatzprämien bekommen, dafür über ihre Finanzprodukte Einnahmen bekommen, Logistik-Services verkaufen können, aber sie erhalten eben nicht mehr das Warenrisiko. Das ist für mich quasi immer. aus einer Handelsperspektive ist das für mich Die Plattformökonomie und Marktplatz versteht wahrscheinlich auch jeder so ein bisschen anders, aber in einem Marktplatz geht es erstmal nur darum, dass man Produkte, die man auf seinem eigenen Inventar listet, auf seiner Webseite listet, dass die nicht mehr vollständig finanziert und gekauft werden müssen, sondern dass man dort Anzeigenfläche vermietet. Das ist quasi eine Teilmenge der Plattformökonomie und ich glaube So wie Marktplätze heute aufgebaut und verstanden werden von vielen Händlern, ist das viel zu kurz gesprochen. Ich bin immer noch ein ganz, ganz großer Believer für diese Plattformökonomie. Ich glaube, dass jedes Business sich überlegen muss, wie schafft es reinzukommen in diese Ökonomie, wie schafft es Erlöskanäle zu schaffen, die von diesem direkten Umsetzen ein bisschen unabhängiger sind, wie schafft es Serviceerlöse zu schaffen. und Marktplätze ist dann einfach nur eine ganz kleine Teilmenge dieser Diskussion.

Joel Kaczmarek: Also, Plattform als Dach darüber. Haben wir eigentlich auch schon mal ganz schön gemacht bei Amazon, wenn man mal darüber redet, die machen sowas wie AWS-Hosting, die machen sowas wie Werbeeinnahmen, die machen Finanzservices, Logistik bieten sie an und und und. Also das so als das Big Picture. Dann fangen wir nochmal bodenständig an, mal auf der positiven Seite der Macht. Was würdet ihr beide denn sagen, wann betrachtet ihr es als sinnvoll, einer Plattformstrategie nachzugehen, indem man einen Marktplatz schafft?

Jochen Krisch: Aus meiner Sicht ist das immer ein Thema, was aus einer Position der Stärke heraus passiert, in welcher Form auch immer. Man hat eine Kompetenz, wo man extrem gut ist und sich da zutraut, diese Kompetenz auch anderen zur Verfügung zu stellen. Also das fängt vom Marktplatz an, geht bis die anderen Services und irgendwann hat man eben so viel. Kundenzugang ist ein schönes Stichwort oder Traffic auf der Webseite, dass man Werbevermarktung etc. machen kann. Also das ist für mich auch das Kriterium. Und der andere Weg ist ja immer, wenn solche Modelle aus einer Position der Schwäche gebaut werden, dann hilft das halt niemandem. Also dann sind das so die Beispiele, die wir als lächerlich betrachten würden und das macht dann auch keinen Sinn. Also du hast nicht genügend Kunden, genügend Traffic und machst dann so einen Marktplatz mit einem großen Versprechen eigentlich, dass du da deinen Partnern irgendwie einen Zusatzboom bescheren könntest. Und dann hast du die ganzen Produkte da, aber der Umsatz steigt nicht und letztendlich ist es für alle Beteiligten ein Also wenn du das PR-seitig und anderweitig gut spielst, dann fällt es vielleicht nicht so auf. Aber es gibt eben genügend Beispiele, wo das eigentlich dann komplett floppt und dann denkt man sich auch, ja, jetzt alle sprechen von der tollen Marktplatzstrategie, aber bei uns funktioniert das gar nicht und das ist wieder so ein Hype in der E-Commerce-Szene gespielt wird. Also das ist für mich der wichtigste Punkt. Die Stärke muss da sein.

Alexander Graf: Ich würde da noch ein bisschen was zu ergänzen. Also das sehen wir ja ganz viel. Wir reden ja vielleicht nochmal über ein, zwei Beispiele gleich. Und es gibt ja die verschiedenen Stakeholder in diesem Marktplatzgeschäft. Einmal hast du diesen Marktplatzoperator, jemand, der seine Webseite zur Verfügung stellt und Marktplatz werden will. Dann hast du die Vendoren, also andere Merchants, die auf diesem Marktplatz verkaufen und du hast die Kunden. So, wenn die Kunden vorher mega zufrieden waren mit dem Retailer, die sagen, das ist eine ganz tolle Marke, ich bin halt mega zufrieden, die Produkte sind toll, der Service ist toll und das wächst irgendwie ganz stark, dann ist das erstmal schon eine gute Ausgangsposition. und zu überlegen, okay, welchen anderen Partnern möchte ich diesem Kundenzugang zur Verfügung stellen? Und wann macht das eigentlich Sinn? Und als Marktplatz möchtest du aber in der Regel, dass du so gut bist, dass diese Partner langfristig eigentlich nur bei dir verkaufen wollen. Vielleicht noch in ihrem eigenen Online-Shop oder in ihrem eigenen stationären Geschäft, aber eigentlich sollen die nur bei dir bleiben. Und ganz viele Marktplatzansätze, die wir jetzt sehen, die argumentieren ja damit, dass sie so eine Art Pool aufbauen. Dass man Vendoren dazu erzieht, ihre Produkte auf vielen Marktplätzen zu verkaufen. Auf Ebay, auf Amazon, auf deinem eigenen Marktplatz. Das macht für Marktplatzbetreiber gar keinen Sinn. Das ist total dämlich. Als Marktplatz versuchst du immer in deiner Nische so eine gewisse Monopolsituation zu erreichen, um auch die Monopolmargen dafür zu nutzen, den Service zu verbessern. Dass du jetzt deine Vendoren dazu erziehst, nicht nur bei dir zu verkaufen, sondern per Mausklick noch bei fünf anderen Webseiten, die so einen Marktplatz zur Verfügung stellen, das macht überhaupt gar keinen Sinn. Und in ganz vielen Marktplatzkonzepten, die ich so gesehen habe, ist das halt Teil der Diskussion und das ist radikal falsch. Also weder Ebay noch Amazon sind so groß geworden, sondern Amazon hat gar kein Interesse, dass diese Produkte irgendwo anders verkauft werden, sondern Amazon soll der Marktplatz sein, wo die Marktplatzpartner ihr Geld lassen. Das passiert ja am Ende des Tages auch so. Und als Kundenperspektive, das ist die dritte Perspektive, musst du dir mal überlegen, Was erwartest du denn von deinem Marktplatz, wenn du dort irgendwas bestellst? Du erwartest ja mindestens den gleichen Service, den du vorher bekommen hast. Und oft ist es so, dass diese Marktplätze eben, weil man ja sparen will, weil man ja eben nicht möchte, dass die Produkte in ein eigenes Lager kommen sollen, diese Servicequalität nicht hält. Ja, da kommt irgendein Paket von vielleicht einem Vendoren, von irgendeinem Merchant, der gar nicht in der Lage ist, B2C-Pakete zu verpacken. In relativ schlechten Qualität, mit einer sehr, sehr schlechten Tracking-E-Mail. Vielleicht gibt es gar keine Tracking-Daten zum Endkunden. Retouren sind unklar, sodass nur in ganz, ganz wenigen Fällen eine Win-Win-Win-Situation entsteht. Eine Win-Situation für den Retailer, eine Win-Situation für den Merchant, eine Win-Situation für den Endkunden. Wir haben ja schon gelernt im Fall von Rewe, die ja mit ihrem Pick-from-Store einfach nur in neun von zehn Fällen ein gutes Liefererlebnis hatten, dass das nicht ausreicht. Neun von zehn Fälle ist schon viel zu schlecht. Aber 99 von 100 Fällen, das ist irgendwie noch akzeptabel, wenn du dort gut liefern kannst. Und bei den meisten Marktplatzkonzepten, die mir so unterkommen, auch in der Diskussion, was ist das Endziel, wo soll das hingehen, wie entstehen denn die Margen, wird das irgendwie ausgeblendet. Das ist für mich eine große PR-Blase, die ja gerade sozusagen den Markt antreibt.

Joel Kaczmarek: Ich meine, es gab ja damals, als so der E-Commerce sukzessive an Fahrt aufnahm, gab es ja auch mal diese Sprüche, was sich offline scheiße verkauft, verkauft sich online auch scheiße. Und es ist ja ein bisschen so, wenn ich online schon scheiße verkaufe, verkauft es sich auch weiterhin scheiße, wenn ich sozusagen mehr Angebot drauf packe. Aber was mich so beschäftigt, könnt ihr mal eure Meinung spiegeln. Es gibt ja diesen schönen Satz, get big, get specialized or get out. Es kann ja nicht jeder big werden. Also es ist ja quasi qua Markt gar nicht möglich, dass jeder so zum General Merchandising Store wird wie ein Amazon. Oder auch in seiner Nische muss man schon hart dafür kämpfen. Und ich überlege immer so, wie mischt man die Spezialisierung und die Größe ab? Das heißt, braucht es mehr Spezialisierung in Kombination mit Größe? Braucht es mehr Größe mit etwas Spezialisierung? Habt ihr für euch eine Formel im Kopf?

Jochen Krisch: Ich finde, das ist relativ. Also das hängt von der Marktgröße und von der Dominanz in dem Markt aus. Aber der Führende und vielleicht noch der Zweite oder Dritte können sich Gedanken machen in die Richtung und ein kleiner Player erstmal nicht. Ich bin schon immer der, der von der Größe kommt, der sagt, du brauchst einen gewissen Mindestumsatz oder eine gewisse Kundenbasis. Aber deswegen, du hast es richtig zusammengefasst oder zusammengestellt. Parallel dazu gibt es eben wirklich auch diese Nischen und zum Teil auch extreme Nischen, wo dann Marktplatz wieder Sinn macht. weil man eben aus dieser Position der Stärke sich dann öffnen kann und dann halt eine ganz spezielle Klientel anspricht, dann ist es nicht so sehr eine Frage der Größe, sondern der Spezialisierung auch tatsächlich des Services drumherum. Also das wird eben tatsächlich auch unterschätzt, dass das nicht nur so ein schnelles Ding ist, was sich vielleicht technisch jetzt einfacher umsetzen lässt als früher noch, sondern dass es wirklich auch eine Frage ist, wie schaffe ich die Qualitätsstandards und wie integriere ich das so, dass das passt. Weil wir sprechen eigentlich immer nur von Onlinehandel im Sinne von Versand. Aber jetzt kommt ja zum Beispiel auch schnelle Lieferung dazu oder andere Services und Komponenten. Selbst Amazon hat ja lange gebraucht, bis es sein Prime-Thema auch den Marktplatz eröffnet hat, weil es eben misstrauisch war, ob die das alles so hinbekommen. Und inzwischen auch aus anderen Gründen macht es das mehr und mehr. Aber das ist so als Beispiel, dass man auch so ein schnelles Lieferversprechen und solche Punkte umsetzen muss und dann einbringen muss. Also ich glaube, man kann in beide Richtungen denken.

Alexander Graf: Ich glaube, wir müssen mal mit Beispielen argumentieren. Also gucken wir mal so ein Thema an wie Conrad. Also sozusagen jetzt ja einen eigenen Online-Shop, also ein Online-Portal mit stärkerer B2B-Ausrichtung. Nicht rein B2B, aber zu einer etwas stärkeren B2B-Ausrichtung und einer gewissen Größe, die dann sagen können, okay, es gibt ein B2B-Umfeld für viele Produkte, gibt es noch nicht so einen Marktplatz, machen wir mal einen Marktplatz. Wenn man da mit so einem durchschnittlichen Händler redet und sozusagen der anbietet, dann sagen die ja, das funktioniert wirklich sehr überschaubar gut, weil Conrad sich natürlich bisher nicht entschieden hat zwischen Wollen wir eigentlich selber da Verkäufer sein oder wollen wir Marktplatz werden? Wenn man Marktplatz werden will, dann ist das ein Transformationsprojekt, was größer ist als alle anderen Projekte zuvor. Das ist so ein Fünf-Jahres-Pfad, bei dem man 100% umschalten muss von, ich starte mein eigenes Lager mit eigener Ware aus, hin zu, ich werde irgendwie das System für B2B-Unternehmen, damit die ihre Ware einfach listen können, damit wir das irgendwie hier zentral organisieren können, wo auch Kunden das Ganze finden. Da gibt es eigentlich ein riesiges Potenzial. Auch Mercateo und sowas sind alles so schlecht organisiert, Und die Nische ist so riesig, da kann man einige Marktplätze bauen und die scheitern dann an diesem Mittelweg, den gibt es einfach nicht, genauso wie es diesen Mittelweg aus meiner Sicht für viele Retailer nicht gibt und nicht gab vom Brick and Mortar und noch ein bisschen online. Wenn dann richtig, du musst dich entscheiden, das tun viele nicht. Beispiel, was wir hier auch schon mal diskutiert haben, ist Thomann. Thomann ist ja in seiner Nische extrem dominant, sehr groß. Von vier Milliarden Euro Audio-B2B-Umsatz in Europa machen die knapp eine Milliarde. Eigentlich perfekt dafür ausgelegt, eine Plattform zu werden, Marktplatz zu werden. Eben nicht mehr das Inventarrisiko selber zu tragen, sondern ihre Marke nach außen zu geben. Und das haben wir auch mal im Kassenzone-Podcast besprochen mit dem Sven von Thomas in der Mainz in der Nähe. Sieht er jetzt sozusagen, vielleicht hat sich das mittlerweile geändert, Sieht ja eben nicht so, weil dieses Qualitätsversprechen, was Thomann heute abgibt, einfach so hochwertig ist, dass man jetzt das nicht mit einem Marktplatz verwässern möchte. Ja, sozusagen, oder einem Gebrauchtwarengeschäft verwässern möchte. Und das macht auch für Thomann heute, und das zeigen ja auch die Zahlen, Macht total viel Sinn. Für Thomann müsste sich wahrscheinlich überlegen, unter einer anderen Marke einen Audio-Marktplatz zu starten, bei dem Thomann ein Händler ist. Und den gleichen Konflikt sehen wir heute bei Amazon. Also da ist die Marktplatzabteilung und die klassische Retail-Abteilung stehen in einem sehr, sehr krassen, sehr intensiven Wettbewerb zueinander. Für das Thema Features, Preise, wie werden die Seiten auch aufgebaut, also was zeigen wir eigentlich dem Kunden, während die eigene Abteilung natürlich möchte, dass die Amazon-Basic-Produkte, stark vereinfacht gesagt, Oben gelistet sind, möchte natürlich die Sellerabteilung, dass diese Fläche genutzt wird, um weitere Ads von den Marktplatzhändlern zu schalten. Und ich glaube, an diesem Spagat scheitern momentan viele Marktplatzprojekte. Ich glaube, Konrad wäre hervorragend aufgestellt, um ein starker B2B-Marktplatz zu werden. Aber diese kleinen Tippelschritte, diese Sicht auf das Thema Marktplatz als Feature, ja, wir hätten einfach nur ein Marktplatzfeature machen, aber sonst alles weiter wie bisher, die tötet, glaube ich, diese relativ gute Idee.

Joel Kaczmarek: Ich versuche ja noch so ein Stück weit, mir eine Anleitung rauszuarbeiten, wann das sinnvoll ist. Also wir hatten jetzt das Thema Größe bzw. Stärkeposition. Wir hatten Spezialisierung. Also Spezialisierung geht ja oft Hand in Hand mit Größe, weil je spezifischer, je spezialisierter, desto kleiner am Ende des Tages. Du hast eben eigentlich ganz schön den Punkt gesagt, wenn man nicht Fisch, nicht Fleisch ist, also keine klare Entscheidung getroffen hat, hast du ein Problem. Und du musst irgendwie diese Conflict of Interest, die du intern versus extern hast, bei dir mitigiert kriegen. Und dann natürlich die Erfahrungsqualität für den Nutzer. Also wenn die Produkterfahrung schlecht ist, wenn sie vom Marktplatz kommt, ist es eher schädlich für deine Marke. Das finde ich ganz plausibel. Ein Punkt, der mir noch im Kopf ist, ist das Thema Sortiment. Ich habe die Tage mit Rupert Bodmeier einen Podcast aufgenommen. Der hat geschimpft, ja, alle wollen jetzt Marktplätze werden. Das ist immer vom Sortiment her gedacht, aber man muss eigentlich vom Tagesnutzen her denken. Also du musst irgendwie User-Relevanz schaffen und nicht irgendwie möglichst großes Sortiment haben, weil Sortiment ist kein USP mehr. Es ist auch irgendwie vergleichbar, es ist transparent, es ist eigentlich keine Stärke. Also es ging fast eher in so eine Services-Richtung. Wie seht ihr denn den Faktor Sortiment als sinnvolles Kriterium? Ja, nein, in Sachen Marktplatz.

Alexander Graf: Diese Frage hatte ich ja auch dem Philipp de Chanville von Mano Mano gestellt, der ja durchaus angetreten ist, um diesem DIY-Segment ein großer Marktplatz zu werden in Europa. Und ich glaube, jetzt haben sie schon zwei Milliarden GMV erreicht, also schon eine ganze Menge. Und er meinte, naja, es gibt irgendwann so einen abnehmenden Grenznutzen von, habe ich jetzt noch den hundertsten Akkubohrer im Sortiment und den Trade-Off hin zur Qualität und die hunderttausend Akkubohrer, die es vielleicht bei Amazon gibt, die sorgen eher dafür, dass es irgendwie schwieriger zu finden ist, dass da viel Fraud dabei ist. Deswegen glaube ich durchaus, dass es so einen Sortimentsdeckel gibt. Irgendwann braucht man nicht mehr das hundertste Item aus einem bestimmten Bereich, weil das einfach zu stark in Konkurrenz zu anderen vielleicht besseren Items steht. Das Sortiment ist aus meiner Sicht ein Hygienefaktor. Also die Breite des Angebots, die Verfügbarkeit des Angebots, der Preis des Angebots, das ist auch für einen Marktplatz immer noch ein zentraler Faktor. Haben aber das Problem, dass sie in der internen Diskussion oft mit der Einkaufsabteilung in Konflikt kommen, weil ein guter Einkäufer, der 20 Jahre lang einen Retailer in einem bestimmten Sortiment groß gemacht hat, wird ja sagen, naja, lieber Joel, du willst jetzt Marktplatz werden, fair enough, dann zeig mir doch mal die 10 Produkte oder die 10 Vendoren, die ich noch nicht habe und wenn die wirklich so gut sind Dann kaufe ich die doch. Dann lege ich die mir noch selber aufs Lager. Warum sollte ich denn diese Marge nicht verdienen? Und dieses Argument ist aus Einkäufer-Sicht erstmal richtig. Auch dein Argument ist richtig. Und dieser Konflikt wird versucht, auf Projektebene zu lösen. Gibt es aber nicht. Da gibt es keine Win-Win-Situation. Die Company muss sich entscheiden. Will sie Marktplatz werden oder will sie nicht Marktplatz werden? Sonst lassen dich solche Einkäufer am langen Abend verhungern. Das passiert ja in den Unternehmen auch gerade tatsächlich. Deswegen würde ich da Roberts Argument ist aus meiner Sicht richtig. Aber du brauchst Dieses Grundsortiment, auch ein großes Grundsortiment, was dem Kunden den Eindruck gibt, ich bekomme hier alles, was ich brauche, zu einem guten Preis und mit einer hohen Verfügbarkeit. Und erst dann kommen diese Added Values. Services, schneller Versand, einfacher Kauf. Und ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz weit am Horizont kommt dann das Thema Nachhaltigkeit. Das ist ganz bestimmt kein USP am Anfang, nur in der PR-Diskussion. Deswegen, es macht für ganz viele Unternehmen auch in kleinerer Größe Sinn, über so ein Marktplatzkonzept nachzudenken. Also klar, wenn es unter 10 Millionen Euro Umsatz macht, dann wird es irgendwie schon schwer, alleine Infrastruktur sich leisten zu können. Aber ich habe jetzt nicht riesige Umsatzhürden, die ich jetzt da vorstellen würde.

Jochen Krisch: Ich würde vielleicht das Sortimentsthema kurz aus einer anderen Richtung beleuchten, weil das, was einen zu Stutzen gebracht hat, waren ja so Unternehmen wie Bräuninger, wie MyTheresa. Also man kann diese Öffnung auch als Sortimentserweiterung sehen. Alex hat es jetzt sehr kritisch betrachtet, aber es ist wieder so ein Größenthema. Deswegen im Modebereich, finde ich, ist das nochmal gefühlt jetzt gelernt. Sobald man eine gewisse Größe hat, Zalando hat es vorgemacht, About You hat von Beginn an so gestartet, öffnet man sich da. Und jetzt haben wir eigentlich so meine Lieblinge, die Bräuninger My Teresa Outfit. selbst Best Secret, die Marktplatzansätze fahren. Also nicht offene Marktplätze, sondern wirklich das für die Sortimentserweiterung nutzen. Und besonders irritiert hat mich dabei MyTeresa, weil die extrem in die andere Richtung argumentiert haben. Die haben gesagt, wir sind kuratiert, der Leute erwarten von uns, dass wir eine Vorauswahl haben. Und das ist eigentlich genau das, was wir den Kunden bieten und den Lieferanten gegenüber eine Verlässlichkeit, dass wir einfach da auch keinen Schindluder treiben in irgendeiner Form und das in irgendeiner Form verwässern. Also ich bin pro eingestellt. Bei Maya Theresa bin ich ein bisschen schwierig, aber dass ein Bräuninger das macht, jetzt ab einer gewissen Größenordnung, finde ich durchaus sinnvoll, weil eine andere Geschichte muss man auch noch bedenken, das hat man, finde ich, in der Corona-Zeit sehr schön gesehen, dass Marktplätze oder Plattformen einfach besser gefahren sind. weil sie ausweichen konnten. Die anderen hatten ihren Einkauf so strukturiert, dass sie genau wussten, die Ware kommt dann und dann, es ist vorbestellt, aber im Grunde war es die falsche Saisonware. Und dann haben die Marktplatz- oder die Plattformbetreiber eben gut ausweichen können. Deswegen sehe ich das auch so ein bisschen als Schutz jetzt, was so die Unwägbarkeiten angeht, eine Grundflexibilität reinzubekommen. Also aber der Kern ist ja da nicht, ich werde zum Marktplatz, sondern der Kern ist da, ich erweitere mein Sortiment und versuche da etwas anderes zu bauen. Wobei tatsächlich, also ich würde jedem Alex Frage stellen, tatsächlich dann auch, wenn du es für sinnvoll erachtest, warum nimmst du es dann nicht wirklich rein? Meistens ist es aber eigentlich als Service dann für die Partner, also für die Hersteller, Marken gedacht. dass man deren Läger auch noch in irgendeiner Form anbindet. Also verwässert es alles wieder so. Es gibt eigenartige Gründe dann um Kommunikation, aber ich finde, das muss schon sehr schlüssig sein, dass man das auch als erfolgsversprechend sehen kann.

Joel Kaczmarek: Gut, dann lasst uns doch mal unser Versprechen einlösen, dass wir hier über die Verzweiflungstäter reden. Habt ihr da Beispiele oder Merkmale von Unternehmen, wo ihr sagt, klassischer Fall, irgendwie aus Verzweiflung einen Marktplatz gebaut, macht aber eigentlich da gar keinen Sinn?

Alexander Graf: Einfache Faustregel, wer klassisch schon beim Onlineshop versagt hat und jetzt sagt, er wird einen Marktplatz, den würde ich auf die Loser-Liste setzen. Best Buy, Macy's, Carrefour, also diese Liste kann man glaube ich unendlich.

Jochen Krisch: Du kannst auch Galleria mal nehmen, damit du ein Deutsch lest.

Alexander Graf: Fürth Galleria ist auch ein Marktplatz, das habe ich gar nicht gelesen, ist das so?

Jochen Krisch: Ja, natürlich.

Alexander Graf: Oh, Galeria wird Marktplatz.

Jochen Krisch: Das ist schon lange.

Alexander Graf: Galeria, Marktplatz

Jochen Krisch: Media Saturn ist jetzt eingestiegen, forcieren das sehr stark, da kann man sicherlich diskutieren.

Alexander Graf: zu finden. Plus, alle Hersteller Amazon hassen, dass so ein Vakuum entstanden, in das ein Mediasaturn, also welcher Mark auch immer die das machen, vorstoßen könnte. Aber vielleicht bleiben wir bei dem schlecht. Ich recherchiere noch mal schnell zu Galleria hier, das weiß ich nicht. Aber Macy's zum Beispiel, die ja ein riesiges Brick-and-Mortar-Problem haben, also Macy's ist ja so ein bisschen das Galleria der USA, darf man das sagen, so ein Department-Store. Ja, die Department Stores haben gar nicht funktioniert, der Online-Shop hat nur so lala funktioniert, sie wollten eigentlich ein paar Shops schließen, sind aber aufgrund ihrer Shareholder-Struktur immer daran interessiert, eine neue Geschichte zu erzählen. und die haben jetzt gesagt, die werden irgendwann auch 2022 Marktplatz und das hat auch sehr, sehr große Resonanz in der Presse gefunden. und da kann ich dir jetzt, ohne die handelnden Personen zu kennen, schon sagen, das wird auf jeden Fall nichts werden.

Joel Kaczmarek: Jochen, was sind so Beispiele, die dir in den Kopf kommen?

Jochen Krisch: Ich hätte jetzt viele, die auch Alex genannt hat. Das sind jetzt ja noch die bekannten Namen. Also kritisch wird es wirklich immer, wenn man alteingesessene Unternehmen, sage ich jetzt mal, also Brick & Mortar sieht und die dann meinen, sie wären ein coolerer, besserer Online-Händler, wenn sie dann online auch noch Marktplatz wären. Das sind schon im Grunde die schlimmsten Fälle. Aber ich muss gerade für mich gucken, ob ich auch ein paar Onliner finde, wo es noch nicht Zeit ist, das zu machen. Die sind dann meistens zu klein. Ich bin noch am Suchen. Ich finde die anderen Beispiele auch besser. Da kann man den Punkt besser machen, weil man einfach auch sieht, das Versprechen ist ein anderes und Marktplatz kommt quer rein. Also ich kann es am besten auch bei Mediasaturn festmachen, auch wenn das jetzt Ich bin bei Alex, aber das Mediasaturn-Versprechen ist ein klares Omnichannel-Versprechen mit viel Klick und Collect. Und jetzt bläht man das Sortiment auf und hat quasi mehr Sortiment, was nicht collected werden kann. Also das geht mir nicht ein. Also warum man dann Marktplatz macht, wenn man eigentlich überzeugt ist, dass die Verzahnung mit den Filialen und dass der Traffic, der in die Filialen gebracht werden, eigentlich die Zukunft sind. Und da sind wir aber wieder beim Thema, eine klare Entscheidung müsste da sein. Also man kann das machen und ich folge der Argumentation, die Alex gesagt hat, im Kontext mit Amazon, dass es da eine Alternative braucht. Deswegen finde ich ja zum Beispiel spannend, wenn da ein Galaxus kommt aus der Schweiz, die eben als Online-Pure-Player dann einen Marktplatz gemacht haben, in ein anderes Sortiment reingegangen sind und in Deutschland eben rein mit einem Marktplatz gestartet sind. Naja, so kann man es auch nicht sagen. Also von klein auf einen Marktplatz hatten, hatten ihr eigenes Sortiment, aber da ist es ein stimmiges Konzept. Die sind jetzt zwar bei 100 Millionen Euro Umsatz, also das ist nichts in dem Bereich, aber die haben einfach die Erfahrung und können das jetzt entsprechend ausbauen. Das finde ich eine stimmige Strategie.

Alexander Graf: Wir können ja mal ein gutes Beispiel nehmen, sozusagen Douglas ist ja in den letzten zwei Jahren eigentlich ein relativ gut gelittenes Beispiel. Die haben zum Beispiel den Marktplatz-Pionier-Effekt für sich vereinnehmen können. Die haben sehr, sehr radikal, auch durch den Managementwechsel dann mit Vanessa Stützle und Tina Müller, haben sie relativ radikal draufgesetzt, mussten nicht viel Rücksicht auf die Fialen nehmen und haben dort, glaube ich, sehr, sehr viele Bonuspunkte gesammelt. Es ist immer noch als Feature gedacht, auch bei Douglas, das würde ich Ihnen präsentieren. Also perspektivisch und strategisch ankreiden. Also sie gucken da immer noch so ein bisschen drauf wie ein Feature. Wir stellen unsere Plattform zur Verfügung und haben da jetzt quasi aus meiner Sicht jetzt gar nicht genug gemacht, um jetzt den Marktplatzpartnern auch langfristig Vorteile zu bieten. Also die werden da noch anfangen. Wenn Flaconin zum Beispiel morgen den Marktplatz kopieren würde von Douglas, wäre das glaube ich sehr, sehr einfach für Flaconin.

Jochen Krisch: Ich finde, das ist genau ein gutes Beispiel, weil Flaconi ist noch zu klein, um das zu machen. Deswegen fand ich es einen smarten Move, dass Douglas das gemacht hat. Und das zweite Smarte, was Douglas gemacht hat, ist Richtung Sortimentergänzung. Nicht da, wo wir Schwächen haben, sondern wirklich andere Sortimente mit reinzunehmen, wo wir gar keine Lust haben und wo wir auch nie das in den Filialen haben werden. Also angrenzende Sortimente in den Bereichen. Eine Zeit lang war ja die Diskussion sogar, ob sie bis in den Modebereich reingingen. Das macht natürlich überhaupt gar keinen Sinn. Aber alles, was so, was weiß ich, Accessoires und meinetwegen auch Schmuck und was auch immer, also das kann man gut machen, weil da ist es dann wirklich ein Kundenzugangsthema. Und deswegen, wir wollten ja eigentlich über die schlechten Beispiele sprechen, aber deswegen finde ich das ein gutes Beispiel.

Alexander Graf: Ist es auch, aber hier würde ich zumindest quasi einmal die Zeitleiste drauflegen. Ich glaube sozusagen die ersten zwei, drei Jahre sozusagen für diesen Marktplatz, sozusagen über diesen Pionier Premium, den sie vereinnahmt haben, das ist richtig. Die Frage ist, schafft es Douglas jetzt, ein echter Marktplatz zu werden? Also langfristig sich so aufzustellen, auch intern, dass sie sagen, okay, unser Fokus liegt darauf, dass wir so eine starke Plattform schaffen, dass es für den Vendoren gar keinen Sinn macht, woanders zu verkaufen, dass wir den auch priorisieren, dass wir alles dafür investieren, um das Kundenerlebnis dort besser zu machen.

Jochen Krisch: Aber das müssen sie gar nicht. Das würden sie wahrscheinlich auch nie machen. Sondern das ist insofern eine Ausnahmesituation. Ich finde genau das richtig. Also sie müssen kein vollwertiger Marktplatz sein, wenn sie nicht die ganzen Beauty-Kosmetik-Produkte abbilden wollen, sondern wenn sie wirklich komplementäre Sortimente haben. Also sie dürfen nur nicht dann auf die Idee kommen, dass sie da das auch im eigenen Handelsgeschäft abbilden. haben wollen. Insofern ist das so ein bisschen abgegrenzt, aber doch verzahnt. Also es ist natürlich jetzt ein sehr besonderer Sonderfall, wo ich mir widerspreche in dem, was wir vorher argumentiert haben. Aber der Hauptpunkt bei Douglas ist, bei mir sind wir 500 Millionen Euro Umsatzgrenze, ist der Punkt, wo ich sage, da kann man sich wirklich ernsthaft Gedanken machen, ob man das öffnet und wie man das fährt. Und dann kam eben Corona noch dazu, wo sie ja ohne quasi fast online Pureplay fahren mussten und die haben das noch geschickt so Ende 2019 gestartet, sodass sie das alles eigentlich sehr gut fahren konnten und ohne Ablenkung und ohne eigentlich die Querschüsse, die dann ja tendenziell aus den Filialen kommen. Also deswegen, das ist für mich so ein, ja, da waren eigentlich mehrere smarte Moves dabei und ich bin da auch nicht so skeptisch. Also von wegen First-Move- oder Pioniereffekt. Das ist mal wirklich eine Geschichte, wo sich bei mir die Skepsis in Grenzen hält, was irgendwie strategisch Sinn macht. An Douglas gibt es schon auch noch einiges anderes zu kritisieren. Aber selbst deswegen, Douglas ist für mich so ein Fall, wo es Sinn machen würde, das Online-Geschäft komplett abzuspalten. Und ich hätte Hoffnung, dass das gut funktioniert, genau mit so einem Komplementäransatz.

Joel Kaczmarek: Wir können uns einfach auch mal ein paar Beispiele durchdeklinieren. Ihr müsst mir manchmal helfen, ob sie schon Ansätze haben im Bereich Marktplätze oder nicht. Ich weiß es fairerweise nicht. Decathlon zum Beispiel wurde mir ja berichtet, hatte Alex irgendwie jetzt gerade zu Besuch. Haben die was? Machen die was? Wenn ja, sinnvoll oder nicht?

Alexander Graf: Ja, tatsächlich, der Decathlon-Podcast, der müsste schon draußen sein, wenn dieser Podcast erscheint. Da war der Deutschlandchef zu Gast und die haben ja letztes Jahr angefangen, ganz stark als Marktplatz aufzutreten. Decathlon ist ja in den 70er Jahren als Händler gestartet und hat sich dann so in den 90er Jahren zu einer eigenen Marke entwickelt. Bei Decathlon gab es eigentlich zu 95% nur Eigenmarken. Die haben sehr, sehr starke Marken. Quetschuer und viele, viele andere Sachen im Niedrigpreissegment. Aber die wollen eigentlich für über 100 Sportarten vom Anfänger bis zum Profi alles liefern und hatten dann eigentlich nur nochmal Spezialprodukte von anderen Marken, wie zum Beispiel Laufschuhe von Adidas. Und jetzt sagen sie seit letztem Jahr, okay, sie möchten noch breiter werden, sie möchten ihr Sortiment noch viel, viel größer machen und auf ihrer Webseite andere Händler einbinden. Das haben sie, glaube ich, schon gemacht, sind jetzt mit über 200 anderen Marken aktiv. Bis vor dieser Marktplatz-Initiative hatte ich gedacht, Decathlon hat gar kein Problem. Die können online extrem stark wachsen, die sind offline stark, weil diese Läden natürlich sehr, sehr spannend sind für Leute, die sich jetzt im Sportbereich irgendwie eindecken wollen. Da können sie Sachen ausprobieren, man kann da einen Kajak kaufen. Also Sie haben ganz viele Sachen, die man online einfach nicht so gut und gerne kauft. Also ich würde vielleicht das Zelt auch gerne mal sehen, was ich dann irgendwie vorher kaufe. Und das weichen Sie jetzt auf, weil Sie sagen, Sie wollen sich noch breiter aufstellen. Sie wollen noch mehr online anbieten. Das kann man richtig finden, kann man falsch finden. Ich hätte es smarter gefunden, aus einer Decathlon-Perspektive diese eigenen Produkte noch viel, viel härter zu pushen. Weil jetzt haben Sie ja das Problem, dass Sie neben Ihrem Laufshirt für 4 Euro von Decathlon Ja, und viel mehr kostet ein Laufshirt tatsächlich gar nicht. Irgendwie auch noch das 40-Euro-Shirt von, I don't know, welche Anleiter sind, Adidas meinetwegen, anbinden müssen. Und es ist natürlich noch in der Anfangsphase, aber wenn ich jetzt Berater gewesen wäre bei Decathlon vor zwei Jahren und die mich gefragt hätten, sollten wir jetzt irgendwie Marktplatz werden, wäre das, glaube ich, nicht mein Nummer-eins-Investment gewesen.

Joel Kaczmarek: Vor allem, was mir so auffällt, ich war gestern gerade mit meinem Sohn da, weil ich ihm Fußball-Sachen gekauft habe. Und das ist dann ganz nett, wenn du in dem Alter Sachen kaufst, die wachsen ja noch schnell raus, dann war es nicht so teuer. Aber wenn wir jetzt mal über Brand reden, also, weißt du, so ein Nike-stylisches Fashion-Item für irgendwie 40 Euro, 60 Euro, 80 Euro, 90 Euro und dann daneben irgendwie diese Ketschua und wie die da alle noch heißen, für 4 Euro, da würde ich doch als Nike einen großen Bogen drum machen, in so einem Eigenmarken-Tempel, der irgendwie oft billig und günstig ist, sozusagen zu erscheinen.

Alexander Graf: Wobei Nike versucht sowieso selber Direct-to-Consumer zu machen. Die wollen ja selber Plattform werden. Nike will ja selber Marktplatz für Dritte werden. Aber es gibt natürlich noch hunderte andere Marken, auch Spezialmarken oder Produkte, die zum Beispiel ein Decathlon gar nicht liefern kann, die man dort verkaufen möchte. Aber aus meiner Sicht verwässert das sehr stark. Ich finde, das wäre jetzt nicht der Move Nummer 1 gewesen.

Jochen Krisch: Also für mich ist das sehr ungeschickt. Also weil Marktplatz bietet sich für einen Händler an, der schon Multilabel fährt und unterschiedlichste Markenhersteller da drin hat. Je spezialisierter das ist oder je eigenmarkenaffiner, das ist umso schwieriger. Also für mich ist das, jetzt ohne Insights zu haben, also ich würde es nicht Verzweiflung nennen im Fall von Decathlon, aber wirklich so möchte gern.

Joel Kaczmarek: Mitläufertum.

Jochen Krisch: Ja, genau. Also, weil man offenbar keine besseren Ideen hat. Mir würden für Decathlon bessere Ideen einfallen. Meinetwegen auch Services und Richtung Plattform gehen kann. Aber Marktplatz, finde ich, ist sehr ungeschickt, weil das bringt mehr Probleme, als dass es einem weiterhilft langfristig, denke ich.

Alexander Graf: Aber vielleicht nochmals Ergänzung, also dieser Pitch, den ja Decathlon macht, ist ja, bei uns gibt es alles für den Sport und alles für den Sportler. Hier findest du alles, hier wirst du fündig. Fairerweise wird das aber in Adidas oder Nike, die ja zunehmend so eine Eigenmarken-Direct-to-Consumer-Strategie fahren, die werden das auch sagen, ja, hier findest du bei uns alles. Aber das Beste. Und ich finde, wenn man das mal so vergleicht, was so die Value Proposition ist für den Käufer, ergibt sich jetzt für mich da kein cooles Endszenario. Ich habe Decathlon immer bewundert für die supergeilen Eigenmarken, für diese Preispunkte, für diese Unangreifbarkeit online und im Laden sozusagen. Das war für uns immer ein Erlebnis, wenn wir irgendwo waren in der Region, keine Ahnung, auf Malle irgendwie. In Palma gab es so ein Decathlon, bis dahin gab es in Kiel noch nichts. Das war immer so eine Idee, wo ich sage, cool, die haben diese ganzen Probleme, die ich jetzt bei den anderen Händlern, mit denen man irgendwie so spricht, die haben die gar nicht. Geiles Business. Und die holen sie sich jetzt über den Marktplatz ins Haus. Und das finde ich nicht so schlau.

Joel Kaczmarek: Komm, wir deklinieren mal ein bisschen schnell noch ein paar Marken durch, auf das wir hier Praxisbeispiele haben. Jochen, ich gebe dir mal eins, MyToys. MyToys, weiß ich, hat einen Marktplatz, haben sie bei uns nämlich mal beworben, dass man sich dort anbinden kann. Family Commerce als Thema, sinnvoll oder nicht?

Jochen Krisch: MyToys ist groß genug. MyToys kann das machen. MyToys ist eigentlich aus meiner Sicht noch ein Online-Pure-Player, auch wenn sie ein paar Filialen haben. Also und ich sehe sie immer noch im Spielwarenbereich ohnehin. In dem anderen Bereich, warum nicht? Also da spricht für mich alles dafür.

Joel Kaczmarek: Okay, Alex, dein Lieblingsbeispiel. Pick und Kloppenburg.

Alexander Graf: Ja, also ich wiederhole nochmal das Argument von Jochen vom Anfang. Marktplätze können aber dann eine spannende Option sein aus einer Position der Stärke. Das gilt erstmal unabhängig davon, ob es Decathlon ist oder nicht oder anderes. Bei Peak und Kloppenburg ist diese Position der Stärke zumindest nicht wiedergefunden worden in den letzten Jahren. Deswegen wäre wahrscheinlich der Marktplatz nicht das allererste, worüber ich nachdenken möchte. Wir sprechen ja hier direkt Markus Diekmann an. Schöne Grüße.

Joel Kaczmarek: Der ist aber nicht bei Pik und Kloppenbock.

Alexander Graf: Ja, ich weiß. Aber er ist ja quasi in der Familie sozusagen, in der Pik und Kloppenbock-Familie irgendwie aufgenommen.

Joel Kaczmarek: Gut. Ich hätte, glaube ich, die gleiche These gehabt und es würde mich auch wundern, wenn Markus das dort proklamiert. Dann hast du jetzt noch eine Vorlage, Alex, wenn du gerade schon die Kollegen da hattest von Dekathlon. Was würdest du jetzt machen, wenn du an der Stelle von Intersport wärst?

Alexander Graf: Da macht ein Marktplatz super viel Sinn, weil Multimarkengeschäft, gerade massiv durch die Mangel genommen von Nike, Nike ist ja, das darf man nicht unterschätzen, sind in bestimmten Segmenten, Sneaker, Lauf, die sind so super, super stark. Nike zieht den jetzt so ein bisschen den Boden unter den Füßen weg und die kommen ja aus der Welt, wo man eigentlich mit diesen Marken langfristige strategische Verträge macht. Komm, wir erstellen euch jetzt irgendwie einen Laden, wir erstellen das irgendwie da und nun zeigt sich sozusagen, dass dieses Vertrauen gebrochen wurde. Bietet sich total an, ein Marktplatz zu werden und haben aus meiner Sicht jetzt auch aus einer Endkundenpositionierung auch die Glaubwürdigkeit, ein Marktplatz zu sein.

Joel Kaczmarek: Okay, Jochen, für dich einer. Globetrotter.

Jochen Krisch: Also bei beiden, Intersport und Globetrotter, das ist für mich so ein ähnlicher Fall. Ja, da ist man hin- und hergerissen, weil das ist natürlich Online-Pionier einerseits, aber andererseits sehr stationär verhaftet und auch mit dem Erlebnismoment dort verhaftet. Also da, glaube ich, muss ich fast passen. Da kann ich mich jetzt nicht für eine Seite entscheiden. Sie sind in einer gewissen Größenordnung, aber tun sich schon wirklich schwer, auch die letzten Jahre. Und nicht aus Verzweiflung. Ich verrede mich mal so raus. Ich würde, wenn es Sinn macht Ja, aber nicht aus Verzweiflung. Nicht, weil es uns stationär schlecht geht oder nicht, weil das Wachstum nicht mehr da ist. Das darf nicht das Argument sein, sondern es muss andere gute Gründe geben. Spezialisierung, Ausbau bestimmter Segmente etc. Solche Argumente. Dann ja. Alex, Cyberport.

Alexander Graf: Cyberport. Die hätten ein cooler Marktplatz werden können, wenn sie damit früh gestartet hätten. Ich weiß jetzt, glaube ich, zu viel wäre und hätte in einem Satz. Die haben sich ja so ein bisschen in dieser Omnichannel-Strategie verrannt. Ja, wir machen irgendwie mittelgroße Läden auf. Das war ja auch eine glaubwürdige These, als man es mal getestet hat, hat aber nicht so richtig funktioniert. Bin jetzt gerade überlegen, wenn ich jetzt eine Marke wäre, irgendeine coole Kopfhörermarke und Cyberport sagt zu mir, hey Alex, wir kaufen jetzt deine Produkte nicht, aber du kannst sie bei uns im Marktplatz einstellen, wir nehmen nur 20 Prozent. Scheiße finde. Wenn Cyberport in der Lage ist, das gut abzuwickeln und so einen exklusiven Marktplatz auch anbietet, also wirklich auch smart kuratiert, kann das schon noch ein Fit sein.

Joel Kaczmarek: Jochen, was würdest du machen, wenn du an der Stelle von DM wärst?

Jochen Krisch: Meine Güte, ich bekomme immer die schönen Beispiele. Boah, das ist, also DM ist ja auch so ein Fall für sich. Ja, es ist halt zu wenig online. Also das ist bei allen, die auf Omnichannel gemünzt sind, tut mich unheimlich schwer. Mir fällt mir halt gleich das Gegenargument ein, dass wir eben auch Rewe hatten, dass wir Real hatten und andere, die das gemacht haben. Ich bin überfragt, Alex, mach mal, du hast ja gute Connections.

Alexander Graf: Was glaubst du, wie viel Online-Umsatz die M im 2021 gemacht hat?

Jochen Krisch: Ja, die könnten schon ein paar hundert Millionen jetzt machen, so in dem Dreh rum, aber natürlich nichts im Vergleich zu ihrem Gesamtumsatz.

Alexander Graf: Das stimmt, aber sind ja, wenn man jetzt mal dieses Argument nimmt, 500 Millionen ist jetzt so das Einstiegsniveau, dürften sie jetzt prozessual in der Lage sein, einen Marktplatz aufzunehmen. Man müsste sich überlegen, was das für ein Sortiment am Ende ist. und sie haben natürlich dieses ganze Thema. Click und Collect ist natürlich noch stark im Fokus.

Jochen Krisch: Ja, aber so ist ja der Deal nicht. Also bei Uglas haben wir ein bisschen die Richtung argumentiert, aber das hilft ja nichts, wenn dein Kundenversprechen komplett anderes ist. Kundenversprechen ist ja, komm ja in die Filiale und hol es dir lieber ab, bevor wir es dir schicken. Können wir uns das sparen und du hast auch noch die Chance, im Sortiment zu wühlen.

Alexander Graf: Also die Vendoren-Seite gibt das her. Das Argument, was ja ein Raoul Rossmann sozusagen, auch wenn wir ihn ja ungern zitieren, ja immer bringt, ja, das Produktversprechen bei Amazon, das ist total doof. Und da wird irgendwie Creme verkauft mit irgendwelchen gefälschten Siegeln. Das ist total unübersichtlich. Das stimmt auch. Ich glaube, wenn ich mir die Vendoren mal anschaue auf der DM-Seite, also wer verkauft eigentlich bei DM, wenn es jetzt nicht die Eigenmarken sind, und mir überlege, würde da so ein Bayersdorf, Henkel und Co., wie würden die das Marktplatzkonzept erstellen? Ich glaube, die fänden das ziemlich cool, weil die meisten von denen nicht in der Lage sind, Marktplatz zu werden. Und wenn es sozusagen auch wieder dort eine hohe Qualitätsstufe gibt und eben nicht die Anforderung ist, dass man ein, zwei Regalmeter bekommt, gibt es da auf jeden Fall einen Fit. Dann hättest du noch diese ganzen Influencer-Marken. Bei Bibi weißt du, dass das Shampoo funktioniert, aber bei den 20 anderen weißt du es vielleicht noch nicht, wirst du vielleicht nicht selber das Warnrisiko eingehen, behältst aber trotzdem die Kundendaten. Du kannst quasi dort die Online-Kunden in deine Datenbank reinholen. Da gibt es auch nochmal so eine relativ gute Win-Win-Situation. Ich finde es jetzt nicht abwegig. Also klar, es ist ein großer Spagat zum Produkt- und Marktversprechen.

Jochen Krisch: Ich würde total dagegen argumentieren, weil ich finde, DM ist online zu schwach aufgestellt und online ist auch für ihre Stationärkunden gemacht. Und der ganze Denkansatz ist für mich einer, da ist schon das Profil falsch, in Anführungszeichen, also aus Online-Sicht falsch. Und ein Marktplatz macht für mich wirklich nur aus Online-Sicht Sinn. Und Marktplatz ist bei uns so wie Galeria, dass wir dann auch unsere Flächen untervermieten. Und dann fangen sie mit Marktplatz im Shop an und bestimmte Regale sind dann quasi Marktplatzregale. Also das ist ja dann so diese eigenartige Denke, die dann einsetzt, wo man versucht, aus einer Schwäche wieder eine Stärke zu machen und alles zu nutzen, was man so hat. Und nee, also da bin ich komplett anti.

Joel Kaczmarek: Aber ist ja charmant, wenn man mal so am Leben des Objekts einfach spontan diskutiert, wie man so diese Denkprozesse bei euch nachzeichnet. Also da merkt man mal, wie die Player damit auch beschäftigt sind. Drei habe ich noch. Alex, der ist für dich, weil du bist ja hier Baufreund, du musst ja Werkzeug haben, du musst ja hier deinen Bauernhof immer ein Obi.

Alexander Graf: Ja, macht Sinn. Aber da quasi mit Integration von Service. Also ich glaube, wenn du dort quasi als Kunde irgendwie kaufst, dann möchtest du dann auch irgendwie vielleicht Handwerker-Services, Verbund-Services irgendwie mitkaufen. Und da gibt es so viele Produkte, die lassen sich auch nicht nur stationär vertreiben. Irgendwie Spezialkleber für Fliesen und sowas. Macht schon Sinn.

Joel Kaczmarek: Jochen, du kriegst eine Trias. Ich komme mich nicht für einen Player entscheiden. H&M, Zara, Primark. Also so fast fashion.

Jochen Krisch: Ui, ja. Die machen das zum Teil jetzt auch. Und ich verstehe es nicht wirklich. Weil bei allen, die von einer starken Eigenmarke her kommen, die haben eigentlich ganz andere Möglichkeiten, wenn sie sich auf das Online-Thema stürzen. Und da ist das für mich so ein Nachahmeffekt eher Also ich würde es nie machen. Also H&M hat so ein paar Marken, die marktplatzmäßig konzipiert sind, wo sie dann auch alternative Anbieter mit reinnehmen. Wenn ich es mal ein bisschen erweitere, wenn ich gucke jetzt, die du genannt hast und die Bestseller-Group, die noch ein bisschen anders aufgestellt ist und die das zum Teil versucht, sie haben es jetzt in The Founded umgenannt. Also man kann da jonglieren. Da geht es aber leichter. Ich finde, die haben so viele Chancen in der Art und Weise, wie sie online alternativ spielen könnten. zur Filiale. Also Services ist ja ein sehr allgemeiner Begriff, indem sie da einfach Alternativen anbieten oder etwas anbieten, was in der Filiale nicht so geht. Das kann, also jetzt mal ganz extrem, aber weil ich nur mitbekommen habe, dass sich H&M an Printify beteiligt hat. Das kann Personalisierung sein und solche Themen, die sie normalerweise nie hinbekämen. Also das wären Denkrichtungen, die ich da sehe. Deswegen Eigentlich Anti.

Joel Kaczmarek: Alex, das ist für dich.

Alexander Graf: Deichmann. Hatte Deichmann nicht so einen enorm hohen Eigenmarkenanteil? Ich kaufe keine Schuhe.

Joel Kaczmarek: Schon, ja.

Jochen Krisch: Du kaufst keine Schuhe ein. Deswegen gehst du immer barfuß.

Alexander Graf: Nee, aber ich habe überlegt, weil ich das letzte Mal Schuhe gekauft habe. Ich glaube, im Österreichurlaub habe ich solche On-Schuhe gekauft. Das waren die einzigen, die es gab in dem Laden. Ich wusste auch gar nicht, was On ist, aber da sieht man halt nicht so eine Schuhe-Kompetenz.

Joel Kaczmarek: Du hast On-Schuhe also oft gekauft.

Alexander Graf: Ja, aber in Berlin, als ich die angezogen habe, da haben zwei Jugendliche mich angesprochen und die meinten, die Schuhe sehen cool aus. Da habe ich mich extrem jung gefühlt in dem Moment. Die, ähm, nee, würde ich eh nicht argumentieren wie Dekaton. Ich glaube, es gibt smartere Moves für Deichmann.

Joel Kaczmarek: Mir ist mir noch eingefallen, Jochen, was würdest du an der Stelle von Lidl machen?

Jochen Krisch: Ja, Lidl ist ja schon auf dem Weg. Die haben ja Food, Non-Food aufgeteilt. Also mir ist die Markenstrategie und die Markenführung zwar etwas unschlüssig, aber der Online-Fokus ist ja Non-Food. Und da haben sie tatsächlich eine Größe erreicht und eine Positionierung, wo das Sinn macht und können es auch in den Filialen immer schön anteasern, dass man sagt, bei uns gibt es auch Non-Food und viel, viel mehr dann eben auch online. Aldi macht das jetzt so ein bisschen, versucht so in eine ähnliche Richtung zu gehen. Ja, ab einer gewissen Größenordnung Ja, aber nicht im Food-Bereich oder so. Also dann passt das wieder gar nicht. Und das ist halt so. das Irritierende auch, dass dann die Food-Player online zu Non-Food-Hardgoods-Player werden. Dann ist es im Grunde ein anderes Geschäft, was eine andere Marke bräuchte und wo man dann eigentlich super gut fahren könnte und auch wirklich eine Alternative zu Amazon zum Beispiel aufbauen könnte. Und beim Food hängt aber sehr an seiner alteingesessenen Marke. Deswegen, ja, auf jeden Fall dafür. Also schon wegen der Größe auch.

Joel Kaczmarek: Schön. Gut, ihr beiden. Hey, so viel zu unserer Spontanberatung hier. Und die Metaebene haben wir ja vorher schon durchdekliniert. Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Und ich freue mich schon, beim nächsten Mal das mit euch fortzusetzen, ihr Lieben. Lasst es euch gut gehen. Bleibt gesund. Tschüss.

Alexander Graf: Danke. Das wird ein tolles E-Commerce-Jahr.

Jochen Krisch: Definitiv.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

Mehr zum Thema

Handelsstrategien

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.