Im Auge des Orkans 🌪: (Kapital-)Strategien am Beispiel der Möbelbranche

12. Dezember 2022, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich E-Commerce mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek, Alexander Graf und Jochen Krisch. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und heute habe ich wieder die beiden E-Commerce-Kranken da, den lieben Alex Graf von Kassenzone bzw. Spryker und den guten Jochen Krisch von der K5 bzw. Exciting Commerce. Also ich sehe schon, ich muss mir auch noch ein zweites Baby anlachen. Dann ist man cool, wenn man zwei Unternehmen hier sehr in den eigenen kann. Und wir reden heute darüber, wie es eigentlich am schlauesten ist, sich zu verhalten, wenn man sich gerade im Auge des Orkans befindet. Krise greift ja allerortens um sich und wir möchten heute mal über Kapitalstrategien reden. Und haben uns da mal wieder eine Branche gesucht, über die wir fairerweise schon zweimal geredet haben, wo sich aber gerade so viel dreht, dass wir dachten, da sollten wir mal ein bisschen zu sprechen, nämlich die Möbelbranche. Also heute erwarten uns viele spannende Themen rund um Unternehmen wie Westway, Made.com, Home24, Wayfair, Ikea, XXL Lutz. Also uns gehen die Themen heute wahrlich nicht aus und viel Strategie, was man dort ableiten kann. Und that being said, ihr beiden Granden, moin moin, schön, dass ihr da seid.

Jochen Krisch: Hallo Joel.

Alexander Graf: Hallo, schönen guten Tag.

Joel Kaczmarek: Alex hat auch schon angedroht, dass er uns auch mal von seinen positiven Erfahrungen mit Click & Collect bei Ikea heute erzählt. Also ich glaube, heute wird es eine spannende Folge, oder Alex?

Alexander Graf: Absolut. Ich glaube, wir haben ja in den anderen beiden Möbelfolgen, die wir hier schon aufgenommen haben, in den letzten drei Jahren ein deutliches Ikea-Bashing betrieben. Und da bin ich nicht unbeteiligt, weil wir immer gesagt haben, ein Unternehmen, was seine Kunden bestraft, indem es Gebühren nimmt für Click & Collect, das kann online eigentlich keine Zukunft haben. Ich glaube, die Online-Zahlen zeigen da eine andere Richtung und ich musste tatsächlich vorstellen, vorgestern ein Kalax-Regal besorgen für meine Tochter, die sich in ihrem Zimmer neu einrichten will und habe dann die Wahl gehabt, für ein 69-Euro-Regal entweder 49 Euro Liefergebühr zu zahlen oder zur Ikea zu fahren und da selber zur Ausgabe zu gehen und mir das dann mit ungefähr einer Stunde Aufwand mit Parken zu holen oder 5 Euro zu zahlen für Click & Collect. und das habe ich gemacht, habe am nächsten Tag direkt einen Click & Collect-Termin bekommen, konnte vor den Laden fahren, da gab es direkt vor der Tür eine Abholstation, musste dann anrufen, habe so große Telefonnummer, da hängt irgendwie so ein selbst gedrucktes Banner, bitte hier anrufen, wenn Sie Click-and-Collect-Kunde sind. Dann erreicht man da den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, die gerade da Dienst hat an der Click-and-Collect-Ausgabestelle und dann sagt die, ja, hallo, ja, sagen Ihnen Bestellnummer und dann schiebt die dann zwei Minuten später so einen großen Wagen vor das Auto und legt man ein. und der ganze Vorgang hat drei Minuten gedauert und das war mir die 5 Euro auf jeden Fall wert. Hat extrem gut funktioniert. Trotzdem finde ich es gemein, dass der Kunde hier bestraft wird mit den 5 Euro. Aber ich glaube, das wird in nächster Zeit noch steigen, weil jetzt so viele Möbelhändler kurz vor der Pleite stehen, dass sich alle Dienstleistungen, die auch nur ansatzweise zu monetarisieren sind, wahrscheinlich jetzt noch besser monetarisieren lassen.

Joel Kaczmarek: Legt sich das eigentlich manchmal negativ auf deinen Sales bei Spryker nieder, wenn du die Leute on air immer so disst?

Alexander Graf: Also Ikea ist ja kein Kunde, noch nicht. Sollte es aber eigentlich sein, wenn ich mir so anschaue, wie die Website funktioniert. Aber dadurch, dass die IT-Entscheidungen in Schweden getroffen werden und ohne jetzt digital kompakt so nahe zu treten, die Reichweite wahrscheinlich auf dem deutschsprachigen Markt begrenzt ist, habe ich da keine Sorgen.

Joel Kaczmarek: Ja, aber dein Podcast, Alex, der ist ja international gefeiert. Da hören sie dich ja sonst auch.

Alexander Graf: Aber da lobe ich Ikea nur. Das ist nur das Beste. Best in Class, Omnichannel, Traumbeispiel, Make it like Ikea, so heißen auch einige Folgen.

Joel Kaczmarek: Alles klar, die Gemeinsachen machst du hier nur bei uns unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Absolut. Gut, Jochen, aber komm, fang du mal an. Du bist ja hier derjenige, der den Marktblick par excellence immer hat. Hat sich ja so viel getan. Magst du mal einen kleinen Wrap-up machen? Also wir könnten vielleicht mal über Home24XL uns was von dir verbrauchen. Mate, was ist da so los? Erzähl mal vielleicht ein kleines Big Picture am Anfang.

Jochen Krisch: Ja, wir haben in den letzten Monaten gesehen, was alles passieren kann, würde ich jetzt mal einsteigen. Und von bis eben, also made.com ist das plastische Beispiel, wo das Geld nicht gereicht hat und auch vieles andere nicht und die es einfach nicht geschafft haben. Zum großen Missfall natürlich der Kunden. Home24 so niedrig bewertet, dass sie eben quasi, ich nenne es M&A-Schnäppchen waren. Und das ist ja gerade so. die Chance für jetzt in dem Fall Lutz, sich da zu bedienen. Gleichzeitig aber auch, In einer schwierigen Kapitallage. Dann Wayfair hat man auch mitbekommen. In einer eigenartigen Situation, weil die erstmal schon in so einer Konsolidierungsphase waren. Dann kam Corona, dann haben sie wieder ausgebaut. Das heißt, sie bauen Personal ab und müssen sich da einfach auf eine andere Lage einrichten. Wesping so ein bisschen kommt mir gerade orientierungslos vor, weil sie eigentlich ja Kampagnen getrieben sind, von ihren Verkaufskampagnen. Aber jetzt festgestellt haben oder schon länger wissen, dass einfach die Eigenmarken bessere Margen abwerfen. Deswegen versuchen sie jetzt die Vespin Collections nach vorne zu bringen. Und das kann zur Folge haben, dass es dann auch das Geschäftsmodell dreht. Aber auch da, das ist, alle versuchen gerade gut mit ihrem Kapitalhaus zu halten und da einfach nicht in die Not zu kommen, kurzfristig Geld zu brauchen, weil das bricht gerade dem ein oder anderen das Genick. Es gibt einfach gerade kein günstiges Geld. Aber das haben wir nicht nur im Möbelbereich, das haben wir auch in den anderen Branchen. Und habe ich jetzt jemanden vergessen? BHG, ja, sie sind am deutschen Markt schon präsent, aber jetzt nicht unter dem Label. Nordic Nest ist präsent und andere sind präsent, die auch das Management ausgetauscht haben. Die haben es sehr explizit gesagt. Also wir brauchen jetzt keine M&A-Strategien an der Spitze, sondern operative Könner, die das Geschäft auf Property Edge trimmen können. Aber spannend bei Big Hammer zum Beispiel, dass die jetzt einen Discount-Bereich und einen Premium-Bereich einführen und das Ganze auch noch ein bisschen anders strukturieren, so damit sie den ganzen Unternehmen, die sie da gekauft haben, vernünftig unterbringen. und Und das kann, ich meine, das ist ja nah an Lutz auch dann. Die haben ja auch Mömax mit Billigschiene und Lutz und alles, was da dran so hängt im Normalbereich. Das kann durchaus auch ein Weg sein für die Onliner.

Alexander Graf: Wärst du jetzt lieber Eigentümer oder Geschäftsführer von einem Jysk, profitabel, okay wachsend, sehr hoher Eigenmarktanteil, wenn nicht sogar fast 100 Prozent oder Geschäftsführer von West Wing?

Jochen Krisch: West Wing, ganz klar. Ich würde nie bei einem Unternehmen Geschäftsführer sein wollen, das die ganzen Filialen an der Backe hat. Das ist ja alles ein Bereinigungsthema. Ich möchte ja nach vorn gehen und West Wing ist nach wie vor noch flexibler. und wenn das die Wahl ist, dann ist die Entscheidung einfach.

Joel Kaczmarek: Könnt ihr mich mal ein bisschen mit an die Hand nehmen, was gehört denn eigentlich mittlerweile alles zum XXL Lutz Konzern, dass wir mal so uns juxessiver reinarbeiten. Ich habe immer noch die Ottfried Fischer Werbung in Erinnerung mit den großen roten Stühlen, den haben sie jetzt Home24 gekauft. Zu Home24 gehört ja wiederum Butlers, wenn ich mich nicht täusche, das haben die geschluckt. Was ist da sonst noch so unter der Marke von denen los?

Jochen Krisch: Otto Fischer nicht mehr, sondern Matthias Schweighöfer jetzt. Aber der große Stuhl ist es noch. Und in Deutschland alles Mögliche ausgekauft, gekauft. Also die kennt man dann immer nur regional. Diese zum Teil umbranden, zum Teil XXX davor machen, zum Teil so laufen lassen wie bisher, sodass man es gar nicht weiß. Aber man unterschätzt immer bei Lutz wie ein großer M&A-Player die sind. Haben halt vornehmlich im stationären Bereich zugekauft. Sind ja da, haben ja wirklich die Ambition, Ikea abzuhängen oder zu überholen beim deutschen Segment. Durch Home24 haben Sie jetzt auch Butlers bekommen. Ich habe ja schon mal gespottet, das könnte auch der Grund gewesen sein, aber dann hätten Sie das auch direkt übernehmen können. Vielleicht auch nochmal zu der Konstellation. Sie übernehmen jetzt, oder das steht kurz vorm Abschluss, Home24, wollen das aber erstmal noch separat laufen lassen, drei Jahre. Also Sie wollen die potenziellen Verluste oder was auch immer. da nicht mit reinnehmen, sodass das jetzt eigentlich erstmal noch so eine Art Bewährungsprobe hat. Ich würde mal sagen, Lutz ist so ein bunter Strauß an Möbelhäusern und Möbelläden, das bemerkenswert da ist eigentlich. Sie haben schon zum Jahreswechsel ja Möbel.de übernommen von ProSiebenSat.1, jetzt eben Home24. Alex hat im Vorgespräch schon gesagt, also vielleicht sind die das, die dann auch West Wing und andere noch übernehmen. Ich weiß jetzt nicht, wie groß die Online-Euphorie ist, ob das jetzt eher so ein Schnäppchenkauf ist, weil Home24 halt da ist, die prominenteste Marke ist und gut reinpassen würde. Oder ob das quasi der Beginn von etwas Großem ist im Online-Bereich.

Joel Kaczmarek: Was ist denn deine Hypothese, Alex, wenn du jetzt, wie du gerade gesagt hast, Geschäftsführer wärst bei, in dem Fall XXL Lutz, was vermutest du dahinter für eine Strategie?

Alexander Graf: Ich finde, das geht sauber aus. Das haben wir auch schon besprochen in der Folge. Wer kauft eigentlich die günstigen Unternehmen von der Börse weg? Die zahlen jetzt hier im Schnitt 250 Millionen für ein Business, was zwei Millionen aktive Kunden hatten. Aber reden wir quasi pro aktiven Kunden von einem Preis um die 100 Euro, was ich spottbillig finde, wenn man sich überlegt, was eigentlich ein Neukunde kostet, wenn man eben Online-Kanäle akquiriert. Dahinter auch eine Organisation, die technisch gut aufgestellt ist. Das ist, glaube ich, ein smarter Move, wenn sie es schaffen, das Wachstum, was ja Home24 immer noch hatte und dieses ganze Momentum auch weiter nach vorne zu treiben und jetzt nicht so konsolidieren, dass es morgen als eigenes Profit-Center schon eine Profitabilität ausweisen muss. Ich glaube, dann kann man das auch relativ schnell schrumpfen. Ich bin halt ein bisschen hin und her gerissen, wie weit das zu dieser ganzen Möbelhaus-Philosophie passt. Ich habe die Just-Frage deshalb gestellt, weil Just ist ja so ein Fachgeschäft, also eher so ein kleinerer Markt in B-Lagen, Ausfallstraßen, wo man irgendwie hinfährt, um sich da mal ein Bett auszusuchen, kauft auch eine Matratze mit, hat ein relativ gefälliges nordisches Design. Daran lehnen sich natürlich auch andere Möbelhäuser an, aber es funktioniert als Business-Model ziemlich gut. und von den Lutz-Möbelhäusern kenne ich ja nur die größeren und Ich war zuletzt in dem Möbelhaus in Kaltenkirchen. Das hat ja Lutz da gekauft, das ehemalige Dodenhof. Das ist an der Autobahn. Sehr, sehr große Flächen, sehr wenig Leute unterwegs. Deswegen habe ich großes Verständnis für Jochen, der sagt, schwierig, sieht sehr rückwärtsgewandt aus, das ganze Modell. Wer fährt denn eigentlich noch auf so eine Fläche und schaut sich Möbel an? Aber offensichtlich sind es diese Unternehmen, die halt die Kohle haben gerade und sich das auch kaufen können. Auf dem Papier macht das total viel Sinn. Also es macht auch Sinn für Home24, vielleicht nicht für die initialen Aktionäre. Das war ja deutlich unter Ausgabepreis, glaube ich. Für Aktien, aber für Lutz macht das super viel Sinn. Es gab bisher leider wenig Beispiele, wo traditionelle Unternehmen das Momentum, wo so eine Online-Plattform dann weiter treiben konnten. sich weiterentwickelt hat. Ich glaube, das letzte, in Anführungsstrichen, Negativbeispiel ist Flaschenpost aus dem letzten Jahr von der Oetker-Gruppe, wo es ja auch einen sehr, sehr starken strategischen Fit gab. Und ja, seitdem das eigentlich übernommen wurde, hat es jetzt nicht mehr geglänzt durch strategisch smarte Initiativen, starkes Wachstum, globale Expansion, weil man in so einer Profit-Center-Denke da gefangen war. Es kann auch viele individuelle Gründe haben, die sich von außen nicht erkennen lassen. Vielleicht hatte die Geschäftsführung da keine Lust mehr oder was immer da auch passiert ist. Wenn man einen Muster-Case sucht für dieses Thema Old Economy meets New, 1 plus 1 gleich 3, ist Lutz und Home24 auf jeden Fall einer der Cases, der da ganz weit oben aufpoppt im Buch.

Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir uns ja als Thema heute Kapitalstrategien verschrieben. Man muss dazu sagen, Home24 hat ja schon eine sehr, sehr lange Legacy. Damals eigentlich gestartet als viele kleine Stores, die dann auch vereinheitlicht wurden und, und, und. Also da stecken gefühlte Gründerjahre dahinter. So viel kann man gar nicht mehr zählen. Haben die irgendwas falsch gemacht? Hatten die Pech? Gab es irgendwie so einen Cocktail? Wie würdest du einordnen, wie es kam, dass jetzt so ein Home24 mal eben weggepickt wird und eigentlich die ursprünglichen Investoren eigentlich einen schlechten Deal machen als einen guten?

Alexander Graf: Die Idee von Home24, wenn man sich zurück erinnert an die Launch-Phase, war ja ein Zalando für Möbel zu bauen und dieses Zalando-Momentum nochmal neu zu schaffen für Möbel. Da sind sie auf ein Problem gestoßen, was sich nicht mit unserem Online-Konsumverhalten vertragen hat und das ist Verfügbarkeit. Die Möbelbranche, zumindest die in Europa und mit dem Sortiment, was HUM24 in den Markt getragen hat, ist angewiesen auf einen Make-to-Order-Prozess. Wenn ich dort einen Tisch bestelle, einen Sofa bestelle, wird es in der Regel erst produziert oder zumindest fertiggestellt, wenn ich es bestelle. Das führt dann zu Durchschnittslieferzeiten irgendwas zwischen drei und acht Wochen für Großmöbel. Sogar für kleine lagerfähige Möbel gibt es einen relativ hohen Versandaufwand. Damit fällt halt dieser Vorteil der Convenience und der sofortigen Verfügbarkeit, den ich normalerweise gewohnt bin im Online-Handel, der fällt weg. Da ist das West Wing ein bisschen besser gemacht aus meiner Sicht, aber Home24 hat das quasi nicht geschafft, diesen elementaren Teil in der Customer Journey zu lösen. Das kommt auch jetzt ganz, ganz langsam aus meiner Sicht, also über größere Läger, die dann speziell für den Online-Handel geschaffen wurden, über Direct-to-Consumer-Marken, über die wir auch schon ein, zwei Mal gesprochen haben, die das dann irgendwie besser schaffen, das vorrätig zu halten. Aber dieses initiale Momentum, Und so wurde ja Home24 aufgestellt und auch kapitalisiert. Ist halt nie gekommen. Waren sie permanent so im Catch-up-Play. Haben sie jetzt was falsch gemacht, solange das Kapital verfügbar war und der Kapitalmarkt auch diese Story geglaubt hat? Nicht. Aber jetzt ist halt eine Zeit gekommen, bei der sich der Markt konsolidiert. Und deshalb finde ich es jetzt unfair, dem Team gegenüber oder auch den ersten Investoren gegenüber zu sagen, das war jetzt ein Fehler. Die Wette hätte ja aufgehen können. Aber aus meiner Sicht war Verfügbarkeit das zentrale Element, was es verhindert hat. Wenn man sich ein Wayfair anschaut, was ja viel erfolgreicher, viel globaler skaliert hat, dann sind die über eine deutlich aggressivere Wachstumsstrategie im Bereich Eigenmarken erfolgreich geworden und die mit einer deutlich besseren Verfügbarkeit im Markt. Und das hat Home24 nicht geschafft.

Joel Kaczmarek: Eine kurze Nachfrage noch, bevor Jochen mal seine Einschätzungen gibt. Wie siehst du denn das ganze internationale Play, was Home24 gemacht hat? Weil die waren ja sehr stark auf Latam teilweise auch fokussiert. Also die haben ja sehr viel so in Südamerika gemacht und ich glaube speziell in Brasilien. Hat man sich da vielleicht auch verzettelt, dass man zu früh auf Märkte gegangen ist, wo man Umsatzpotenzial sah, ehe man eigentlich die ganzen Kernstrategien im Griff hatte?

Alexander Graf: Klar, in diesen Märkten gibt es natürlich auch unfassbares Wachstumspotenzial. Das sind doch fairerweise die Märkte, die aus diesem Rocket-Umfeld traditionell zuerst angegangen worden sind. Sozusagen der Vorläufer von MercadoLibre in Südamerika war Lineo, auch eine Rocket-Plattform. Und so ist man dann in die Expansion gegangen. Ist das ein Fehler? Ja, jetzt im Nachgang wahrscheinlich schon, weil dort Kapital allokiert wurde, was jetzt nicht dazu beigetragen hat, das Kundenerlebnis auf der deutschen Plattform zu verbessern. Aber das war halt damals so.

Joel Kaczmarek: Jochen, was ist denn so? dein Fazit zu Homefan20 und der Kapitalstrategie?

Jochen Krisch: Ja, sie sind ja eigentlich gut durchgekommen. Also wir haben ja als Negativbeispiel eben made.com, wo man eben genau sieht, was passiert, wenn das Kapital ausgeht. Ich fand bemerkenswert, ich habe mir ja auch die ganzen Unterlagen von Home24 und von Lutz angeguckt, der Angebot und allem drum und dran. Da gab es jetzt ja ein bisschen auch von der Seite so ein paar Einblicke, wo man einfach gesehen hat, A, Kapitalseitig sieht es eben bei Home24 vergleichsweise gut aus, was auch daran liegt, dass sie ihr Südamerika-Geschäft haben und da nochmal einen separaten Börsengang gemacht haben und da eigentlich so das alles rausgeholt hatten, was man rausholen konnte. Deswegen sieht, im ersten Moment sieht es gut aus, wenn man dann weiterliest, dann sieht man, aber im europäischen Bereich war es schon sehr, sehr eng. Also da hatten sie vielleicht noch 20 Millionen und Lutz hat jetzt eben 20 Millionen bezahlt. mitgebracht und dann geht es wieder. Aber mit 20 Millionen, da musst du schon sehr hart kalkulieren, dass dir da nichts eskaliert. Also deswegen kann ich verstehen, dass es jetzt eine Lösung brauchte, sagen wir es mal so rum. Und mit einer Bewertung von unter 100 Millionen, da kannst du eigentlich kein Kapital aufgeben. Du kannst schon, aber du vergretzt dir alles, was da an Investoren da ist. Sie haben in den letzten Jahren rausgeholt, was rauszuholen war. Sie haben ja auch nochmal eine Kapitalerhöhung gemacht und im Prinzip alles hat schon gepasst. Aber Das Problem bei Home24 ist tatsächlich, dass sie sich halt in so eine Lage rein manövriert haben. Wir kennen sie jetzt alle, aber frag mal einen x-beliebigen Menschen. Also sie haben einfach da auch noch nicht mehr in Branding investieren können und sagen sie auch immer, wir wollen mit der ersten Bestellung profitabel sein. Sie haben jetzt versucht, durch die Butlers-Übernahme sich dann auch noch schneller drehende Sortimente reinzunehmen. Das war ja eigentlich das Argument. dass es immer im Dekobereich eigentlich nicht so geklappt hat. und wenn dann nicht so margenträchtig geklappt hat. Also insofern, wenn man das so sieht und der Argumentation folgt, dann war das ein smarter Move. Ich argumentiere immer, aber gleichzeitig haben sie es dann eben noch 100 Filialen an die Backe, deren Zukunft auch in den Sternen steht. Jetzt funktioniert es wieder gerade ganz gut, aber auch Butlers war ja schon mal insolvent und hat sich jetzt wieder gefangen. Und das ist so das Für und Wider. Also ich sehe Home24 schon als tendenziell einen der schwächeren Player in dem ganzen Online-Möbelmarkt. Aber solange wir eben eine made.com haben, da ist es halt komplett schief gegangen. Sie haben nicht genügend Geld eingesammelt beim Börsengang, beziehungsweise sie haben so viel Geld an die ehemaligen Gesellschafter auszahlen müssen und hatten einfach jetzt nicht genügend Puffer, um da durchzukommen. Das ist für mich zum Beispiel so eine Frage, die ich mir auch bei Home24 stelle. Hätten die es jetzt geschafft, ohne dass jetzt ein Käufer da wäre? Die Quartalszahlen, also die letzten Q3, sahen nicht so schlecht aus. Sie sind halt vergleichsweise früh auf die Bremse getreten und haben das eigentlich jetzt ganz gut durchgemanagt. Liegen jetzt bei Umsätzen dann so bei 600 Millionen. Ursprünglich hatten sie mal mit Butlers zusammen 700 Millionen geplant. Also da habe ich tatsächlich jetzt eine differenzierte Meinung dazu. Da kann ich jetzt nicht sagen, das ist alles gut. schlimm oder alles gut. Also obwohl Wayfair jetzt vielleicht schlechter dasteht, die haben ein größeres Geschäft, da halte ich mehr davon. Ich finde eine Big Hammer Group in der Aufstellung besser. Selbst ein West Wing finde ich besser. Insofern sind sie bei mir halt dann erst auf Rang 4, 5, wo ich sage, dass wir jetzt ein attraktives Online-Möbel-Unternehmen sind.

Alexander Graf: Aber da vielleicht mal eine spieltheoretische Frage. Wenn du als Lutz-Manager davon ausgehst, dass dem Business irgendwo das Geld ausgeht und du siehst jetzt die Mail.com pleite und sagst, na ja, Home24 ist vielleicht gar nicht so weit weg davon. Wäre es dann nicht vielleicht smarter noch zu warten, die Insolvenzmasse aufzukaufen, anstatt jetzt, das ist jetzt ja nicht so, dass die einfach 250 Millionen zahlen, dann gibt es irgendwie die ganzen Anteile, sondern dann muss ich das ja schon so nach und nach, diese ganzen Anteile dann kaufen vom freien Markt. Wäre es dann nicht schlauer gewesen, einfach das aushungern zu lassen und im Zweifel halt die Insolvenzmasse zu kaufen, anstatt da jetzt eine Viertelmilliarde zu allokieren?

Jochen Krisch: Da bin ich ein bisschen hin und her gerissen. Da ist die Frage, wie stark schätzt du das operative Geschäft von Home24 ein? Also wie gut können sie das Online-Geschäft? Weil wenn was pleite geht, dann ja, du versuchst es irgendwie zu übernehmen, aber tendenziell übernimmst du dann eher die Marke und also wie es bei made.com jetzt eben war und die Webseite etc. Und das ist etwas, wo ich bei Lutz versus Home24 nicht so durchblicke, weil Lutz hat sich auch ein substanzielles Online-Geschäft jetzt auch aufgebaut und Das ist alles eher unterm Radar. Sie reden nicht drüber, veröffentlichen auch nicht Zahlen, wie Ikea das macht, wobei du ja gerade bei Ikea schon schön beschrieben hast, wie viel Luft da drin ist, weil tendenziell die Leute es selber abholen, was da als Online-Bestellung ausgewiesen ist. Lutz hat das jetzt schon die letzten fünf, sechs, sieben, würde ich fast sagen zehn Jahre vorangetrieben, haben sich eben auch ein Lager hingestellt, haben auch investiert in die ganzen Operations in dem Segment. Da blicke ich nicht so richtig durch. Also wenn Lutz sagt, wir können das selber so gut, dann hätte ich es so gemacht, wie du es jetzt beschrieben hast. Dann hätte ich eigentlich abgewartet. Also vermute ich jetzt mal, dass Lutz auch Home24 den Bereich wertschätzt und sagt, wir wollen einfach noch ein funktionierendes Unternehmen. Das war ja wirklich günstig. Also als die Bewertung unter 100 Millionen gefallen ist, da ging das ja los, da hat ja Lutz angefangen einen schönen Alltag. Aktien zu kaufen, klar, dann musst du den anderen Aktionären, musst du ein super gutes Angebot machen, damit die dann auch zustimmen. 250 ist eigentlich kein teurer Preis für so ein Unternehmen, wenn du davon ausgehst, dass es funktioniert.

Joel Kaczmarek: Und was ist jetzt die Lehre aus der Geschichte, wenn wir uns nochmal auf unsere Ursprungsfrage mit der Kapitalstrategie zurückziehen, Alex? Hättest du, wenn du jetzt dem Vergangenheits-Ich von Home24, wie immer das dann damals auch gewesen wäre, ob Kreiburm oder einer der späteren kommenden, hättest du den Tipp auf den Weg gegeben, was man aus der Retrospektive vielleicht hätte anders machen können oder sollen?

Alexander Graf: Ich glaube, den Tipp brauchen sie nicht von uns, den haben wir schon selber. Und ich glaube, auch für RUM24 ist Wayfair das Beispiel in den letzten Jahren geworden, dem sie auch versucht haben, sich nachzueifern. Aber es zeigt halt auch, dass ohne entsprechende Investments. und Wayfair, man sieht das ja auch an den Wayfair-Zahlen, ist ja nicht so, dass Wayfair dort kostenlos gekommen ist zu diesem großen Eigenmarkenanteil, der mehr massiv investiert. Da reden wir über 100 Millionen mal hier und 200 Millionen mal da. Und das zeigt ja auch das Plattform-Dilemma. Du musst es quasi zuerst einer gewissen Größe schaffen, um dann diese Absprung in das Thema Eigenmarkt oder Plattform-Ökonomie zu schaffen. Und diese Größeordnung hat Home24 nie erreicht. Es war allerdings auch unbekannt damals, als sie gestartet sind, wie groß man hätte dafür werden müssen. 100 Millionen war zu einer Zeit, als Home24 gestartet ist, ein Möbelhandel eine unfassbar große Summe. Für ein Online-Business. Ja, sozusagen jetzt lächeln wir ein bisschen darüber, dass es nicht so groß ist, nur so ein paar hundert Millionen macht. Das ist gemessen an dem, was die werden wollten oder gemessen an dem, was die damals gesagt haben, ist das schon sehr erfolgreich. Jetzt haben wir aber gelernt, du brauchst eigentlich die Milliarde, anderthalb Milliarden, um diese plattformökonomischen Aspekte zu schaffen, also rauszugehen aus dem Inventory-Risk, dritten Möbeldarsteller eigentlich zu erlauben, deine Plattform zu nutzen. nicht mehr selber für das Inventory zuständig zu sein, was ja so kapitalintensiv ist und auch so lagerintensiv und nur noch an der Vermietung des Lagerplatzes zu verdienen, an der Logistikdienstleistung, an dem Verkauf auf der Plattform nochmal 5, 6 Prozent mitzunehmen. Da hat das Niveau von Home24 nicht ausgereicht. Fairerweise ist natürlich auch die Journey von Wayfair, die ist auch noch nicht zu Ende erzählt. Also es ist nicht so, dass es jetzt ein Homerun ist.

Jochen Krisch: Wobei ich würde eben gerade Home24 tatsächlich, was die Kapitalstrategie angeht, nochmal Respekt zollen. Also ich habe jetzt mehr so über das operative Geschäft gesprochen. Wie die sich wieder rausgearbeitet haben aus der Bredouille, in der sie eigentlich vor drei, vier Jahren waren. Also die standen wieder richtig gut da und sonst gäbe sie es auch in der Form nicht mehr. Also kapitalseitig kann man gar nicht sagen, dass sie da so viel falsch gemacht haben. Die Kombination und was die Strategie angeht, das ist ein anderes Thema. Also was mir halt zum Beispiel bei, gerade was auf die Punkte Bezug nimmt, was du jetzt gesagt hast bei Home24, Home24 fehlt wirklich eine, meinetwegen M&A-Wachstumsstrategie dann auch zu haben. Und dann wäre jetzt für mich Butler nicht der erste Kandidat gewesen, sondern es gibt so viele Spezialisten wie Lampenwelt, wie Emma kam jetzt hoch, Bett 1, alles Themen, die ja auch Home24 angegangen ist und er auch versucht hat, eine eigene Matratzenmarke zu machen. Auch da Hätte es bestimmte Wege gegeben, wobei wir halt aus einer Euphorie-Phase kommen, wo alles super teuer war. und jetzt sind wir in einer Resignationsphase, wo alles super günstig ist und wo alle ihr Geld zusammenhalten. Also das passt irgendwie nie zusammen, aber das wäre für mich eben auch ein Weg gewesen, für einen Home24 dann zu einer führenden Plattform zu werden.

Alexander Graf: Online-Business-Filialen eröffnet. Dann ist es für mich vorbei. Spätestens, wenn du einen Fialisten übernimmst. Ich glaube, Home24 hat ja schon zwei Outlets. Ich bin auf jeden Fall irgendwann an einem vorbeigelaufen.

Jochen Krisch: Vielmehr ein Dutzend.

Alexander Graf: Ein Dutzend Outlets, genau. Das ist immer schon für mich Haarsträuben, diese Strategie. Wenn man dann noch einen Fialisten übernimmt, dann war es für mich strategisch gegessen. Das gibt ja durchaus super Erfolgreiche in diesem Segment. Also Lampenwelt ist ein Beispiel, was extrem erfolgreich ist. Emma ist ein anderes Beispiel. Es ist jetzt nicht so, dass das ein Markt ist, der einfach nochmal irgendwie 10, 20 Jahre länger Zeit gebraucht hätte, sondern es ist Fokus auf die Dinge, die Geld bringen und Kapitaleffizienz.

Joel Kaczmarek: Jochen, kannst du eigentlich nochmal zusammenfassen, was jetzt Wayfair dem gegenüber vielleicht an manchen Stellen besser gemacht hat? Also Alex hat ja schon ein bisschen was gesagt, mehr investieren, mehr auf Eigenmarken gehen. Gab es irgendwie noch andere Patentrezepte, die du siehst?

Jochen Krisch: Ja, schon mal allein, dass sie den US-Markt einfach haben, der einfacher ist und das ist ein Markt und Nicht so ein fragmentierter Markt wie in Europa. Gerade auch wieder etwas kapitalseitig. Ich meine, das kritisiert man dann immer, dass sie sagen, da sind Hunderte von Millionen reingeflossen. Aber die haben immer dann, wenn die Börsenbewertung wieder hoch war, entsprechend wieder eine Kapitalerhöhung gemacht und wieder Kapital reingenommen und das dann wieder investiert. Und das ist halt dann das Modell auch in dem Wachstumsbereich. Aber eben nicht Selbstzweck, sondern um eine gewisse Grundgrößenordnung zu erreichen. Aber man sieht jetzt eben auch, das Niveau ist ja erstmal nicht vorgegeben, sondern sie haben jetzt mit am meisten profitiert von der Corona-Welle. durch den USA-Markt und all die ganzen Effekte, die wir da hatten und sind aber jetzt eben auch mit am gebeutelsten. Also sie müssen sich erstmal jetzt wieder auf ein anderes Niveau festlegen, mit dem sie jetzt auch nicht mehr gerechnet hätten, wie viele andere auch. Sie hatten es in Anführungszeichen auch einfacher, weil sie fokussierter vorgehen konnten. und da hatte Home24 viel mehr Baustellen. und Man sieht es ja zum Beispiel auch bei Wayfair, wo stehen sie jetzt? in USA, Kanada, England, Englischsprachige und Deutschland. Jetzt gibt es leider nur so halbe Zahlen für den deutschen Markt und dann ist halt die Frage, sind sie da schon größer als Home24 oder noch nicht? Und auch da haben sie den Geschäftsführer ja ausgetauscht. Aber ich würde mal sagen, Wayfair hatte wirklich den Vorteil, a sind sie der prägende Player, also alle haben ja das nachgemacht, was Wayfair gemacht hat, durch die Größe, durch die Fokussierung, da sind die Gründer einfach immer noch da und machen da ihr Ding. und jetzt straucheln sie so ein bisschen, aber schauen wir mal, es könnte genauso sein, dass da jetzt ein Amazon kommt und die aufkauft. Von über, also 35 Milliarden bis auf 3,5 Milliarden. Also das sieht jetzt absolut noch nicht so schlimm aus, aber der Umsatz liegt halt bei 10. Also die sind schon alle ähnlich niedrig bewertet. Das ist alles extrem eingebrochen. Oder es könnte natürlich auch ein stationärer kommen bei Wayfair. Nur glaube ich, das wird allen wahrscheinlich zu riskant sein.

Alexander Graf: Ist die Struktur in den USA auch so? Gibt es quasi auch so eine XXL-Lutz-Kriegergruppe in den USA?

Jochen Krisch: Nein, nicht wirklich. Und dann ist Ikea schon auch mit da, führend dabei. Und Ikea kommt ja eigentlich nicht in Frage, um solche Unternehmen zu übernehmen, weil sie halt sehr von ihren eigenen Marken getrieben sind und jetzt auch nicht ein Marktplatzmodell anstreben. Ikea geht eigentlich eher so in die Richtung Services anzubieten. Ich blicke jetzt in dem amerikanischen Markt nicht durch. Es gibt halt ein paar schon schöne Spezialisten und teilweise eben auch in der Autogruppe, Crate und Bell. Die sind aber dann wieder zu klein. Im Grunde wäre da auch, das habe ich ja so ein bisschen vermisst, Wayfair der Marktgestalter, dass die eigentlich auch Zukäufe machen und sich da positionieren. Deswegen glaube ich, ist die Gefahr bei Wayfair auch nicht so groß, dass sie ein Übernahmekandidat sind. Sie wären ein potenzieller.

Joel Kaczmarek: Was hat denn demgegenüber eigentlich Made.com so falsch gemacht, weil du gesagt hast, die haben alles falsch gemacht, wo geht?

Jochen Krisch: Sagen wir mal, das ist alles nicht so gegangen, wie sie es sich vorgestellt hätten. Sie hätten es schon auch gerne anders gemacht. Sie wären mit einer höheren Bewertung gerne an die Börse, sie hätten gerne beim Börsengang mehr Geld eingesammelt und hätten dann auch mehr Puffer. Das ist das eine Kapitalseite. Aber bei Made.com muss man dann wirklich auch noch über das operative Geschäft sprechen. Und das war halt noch nicht so ausgereift, wenn ich es jetzt mal vorsichtig formuliere. Die hat es gebeutelt. Also die konnten nicht liefern während Corona und haben jetzt die Lager voll, wenn nichts geht. Und dann noch nicht genügend Kapital, um das auszugleichen. Dann wirft sich einfach aus der Kurve. Man kann jetzt nicht sagen, dass sie es aktiv falsch gemacht hätten, sondern es hat halt nicht so geklappt, weil dann Geld einzusammeln, wenn es günstig Geld einzusammeln gibt. Da war made.com ein bisschen spät dran, weil auch die Kennzahlen davor nicht so gut aussahen. Das ist aber fast so ein Paradebeispiel jetzt, wie es wirklich komplett schief laufen kann. Ich würde aber jetzt auch sagen, made.com, als ich dann die Börsenunterlagen gesehen habe, habe ich mir gedacht, so schlecht sieht das alles gar nicht aus an sich, wenn es jetzt eine normale Zeit wäre. Sie haben sich eigentlich ganz gut in der Umsatzregion vorgearbeitet und auch ein Modell gefahren, wo ich gesagt habe, okay, das könnte schon Perspektive haben, aber natürlich unter normalen Umständen. Das war jetzt wirklich Sondersituation, das haben sie nicht mehr geschafft.

Joel Kaczmarek: Eine bissige Frage fehlt ja eigentlich noch, die, glaube ich, Alex auch eingeleitet hatte. Was ist denn jetzt mit West Spring eigentlich? Wären die so das nächste Kaufobjekt oder wie verortet ihr die?

Jochen Krisch: Im Grunde ja. Also ich finde es sogar das Attraktivere, aber das mag niemand, weil die halt vom Modell her so anders sind, dass die niemand richtig gut einschätzen kann. Sie sind halt gerade in einer gefühlt orientierungslosen Phase, wo Sie eigentlich dem untreu werden, was Sie bisher gemacht haben, eben kampagnenorientiert an die Stammkunden gerichtet zu arbeiten. Jetzt sehen Sie, okay, wenn ich natürlich so arbeite, dann kann ich nicht erwarten, dass jedes Mal, wenn die Kundin da auf die Seite kommt, dass sie dann auch kauft, sondern sie schaut halt und lässt sich inspirieren. Und jetzt denken Sie, die Kennzahlen sind zu schlecht und versuchen, die zu optimieren, versuchen, ihr stehendes Sortiment größer und auch präsenter zu machen. und Und dann sind sie halt ein 0815-Onlineshop, wie viele andere das auch sind. Also sie haben ähnliche Kundenzahlen wie Home24, aktivere Kunden und attraktiveres Sortiment, was sich schneller drehen kann. Also nicht so viele Sofas und Schränke und die ganzen großen Sachen. Und ist halt eher so, wenn man es mal als Deko-Player sieht, ich finde es schon sehr attraktiv, aber da bin ich eine Ausnahme. Sie wären ein guter Kandidat. Sie würden auch gut zu Home24 passen. Aber ich bin mal wirklich gespannt, ob Lutz das macht oder ob jemand anders die Kunst der Stunde nutzt. Da sind halt super günstig zu haben gerade.

Joel Kaczmarek: Aber wenn man jetzt mal dieses Vorgehen über die Aktionen wieder rückführt auf das Thema Kapital. Also habe ich richtig verstanden, dass eigentlich bei West Wing immer so eine der Stärken war, dass man nicht so sehr in dieses Make-to-Order-Thema reinkam. Also dass man nicht dann erst hergestellt hat, wenn was gekauft wurde, sondern dass man quasi ab Lager schon Sachen hatte, dadurch besser und schneller drehen konnte, mehr Umsatz fahren konnte, mehr Planbarkeit hatte. Richtig?

Jochen Krisch: Genau, und das ist auch sehr tagesgenau oder die Aktionen laufen für mehrere Tage. Dann weißt du eben, ab wann du was verkaufen willst und dann musst du das da haben. Also dreht sich auch alles sehr viel schneller. Ist natürlich nicht so margenattraktiv, weil sie geben Rabatte, sie arbeiten zum Teil eben mit Partnern zusammen. Das ist weniger lukrativ als jetzt ihre West Wing Kollektion, wo sie alles selber in der Hand haben, was sie aber auch dann tendenziell immer aufbauen. auf Lager haben und haben müssen. Das Problem, was die hatten, also da hat sie Corona auch gerettet, dass sie vor Corona einfach wirklich auch operative Fehler gemacht haben. Sie haben Lagerumstellungen nicht hinbekommen, sie haben sie in den Sortimenten vertan, was sie ausgebremst hat, was sie aber eigentlich jetzt durch den Umsatzschub Corona wieder gerettet hat. und deswegen stehen sie jetzt eigentlich, was so die reinen Verkaufskennzahlen angeht, besser da als Home24 und standen immer besser da. Also die haben genau das, was eigentlich Home24 gerne hätte. dass die Leute häufiger bestellen, sich mehr dreht. Sie haben auch ähnliche Probleme natürlich bei den Margen. Also das muss sich alles rechnen und die Transportkosten sind natürlich extrem hoch in dem Möbelbereich, in dem Einrichtungsbereich.

Joel Kaczmarek: Dann lasst uns doch nochmal einen letzten und vielleicht ganz anders gelagerten Winkel aufmachen, nämlich die Herstellerseite, also die Markenhersteller. Wir können aber überlegen, ob wir vielleicht sogar auch ein bisschen in Richtung Design gehen, also sowas wie Vitra. oder wenn wir jetzt auf der Händlerseite sind, können wir nochmal über Conox reden oder Design-Bestseller. Was wären so eure Gedanken dazu?

Alexander Graf: Es gibt natürlich wenig Möbelmarken, die als echte Herstellermarken auch wahrgenommen werden. Du hast gerade schon BITRA gesagt, dann gibt es sicherlich noch Rolf Benz und ein, zwei andere im hochpreisigen Bereich. Es gibt im Spezialmöbelbereich mehr Hersteller, die bekannt sein dürften. Küchen zum Beispiel gibt es auch mal den einen oder anderen Hersteller, der bekannt ist, die auch dann teilweise schon Online-Portale pflegen, aber dann doch angewiesen sind auf das Küchenstudio. Die meisten Möbelhersteller tun sich enorm schwer, Marken zu entwickeln. Die produzieren ja für die großen Möbelhäuser dann ein Wholesale-Modell und bei Möbelhaus 1 heißt das gleiche Sofa dann mit einer etwas anderen Lädenkonfiguration halt das Jouel-Sofa. Bei Möbelhaus 2 ist dann das Sofa, wenn das dann graue Kisten sind, ist das Jochen. Das kann man auch nicht vergleichen. Also die Bilder sehen dann so ein bisschen anders aus. Hohe Abnahmegarantien, du kannst das ganze Jahr deine Produktion auslasten, du musst auch das Holz kaufen, du musst es lagern, du musst die ganzen Spanmaschinen effizient einsetzen, damit die irgendwie 12, 13, 14 Stunden am Tag laufen, je nachdem, wo dein Werk ist, in welchem Schichtsystem du arbeitest. Das funktioniert schon. Die Hersteller sind oft mittelständische Betriebe, gar nicht die Kapitalstärke haben, um sein endkundenfähiges Geschäft aufzubauen. Plus, Sie haben jetzt gesehen, Endkundengeschäft ist gar nicht so einfach, siehe West Wing Home 24, damit mal Geld zu verdienen versus ich liefere einfach die Jochens und Joel Sofas an die Kriegergruppe oder an Lutz. Ich glaube nicht, dass die aktuelle Phase dazu beigetragen hat, dass die sich jetzt da verändern. Ich überlege mir nur, wer profitiert denn von der aktuellen Schwäche der Möbelindustrie? und beim Surfen auf West Wing ist mir eingefallen, wahrscheinlich die Farbindustrie. Ich werde mal den Erik Greinches von Mr. Pompadour nochmal fragen, weil die Leute ja trotzdem Lust auf Veränderungen haben und dann einfach eher anfangen, ihre Möbel zu streichen oder einfach zu verändern, irgendwie mit Deko anzuhübschen. Deswegen ist auch der Kram, der bei West Wing verkauft wird, glaube ich, noch attraktiver. Du tauschst halt nicht mehr deinen ganzen Küchentisch aus, sondern überlegst dir, ob man den vielleicht noch ein bisschen upgraden kann. Ich habe einen Podcast mit dem Froster-Chef gemacht und Froster profitiert zum Beispiel gerade auch von der Inflation, weil Leute natürlich weniger out of home essen. und dann halt zu einem hochwertigen Pfannengericht greifen, was dann halt 5 Euro kostet, statt irgendwie 11 Euro in der Kantine oder einem Restaurantbesuch. Das war mir auch nicht so bewusst. Der Bedarf der Menschen, sich zu unterhalten, zu konsumieren, was anderes zu sehen, der hat sich nicht verändert durch die Inflation. Das wird jetzt halt anders erreicht. Wenn du da jetzt irgendwo Chemnitz sitzt, hast dann vielleicht noch zwei, drei Werke in Polen, hast da 100 Leute, die Jochens und Joels produzieren seit 10, 20 Jahren. Hast du jetzt Appetit bekommen auf dem Endkundengeschäft durch die Made.com-Pleite und die Home24-Übernahme? Wahrscheinlich nicht.

Joel Kaczmarek: Wenn wir vielleicht nochmal den kleinen Ausblick Richtung Design machen. Wenn du jetzt nochmal denkst an sowas wie Conox, an designbestseller.de oder auch, wenn ihr Hersteller seid, die denken eher an Vitra, die machen ja auch ein bisschen Eigenverkauf. Wie siehst du da so die Lage?

Jochen Krisch: Ja, der Vorteil von den Anbietern ist immer, dass sie ein klares Versprechen haben und auch eine klare Zielgruppe. Also das ist immer die Frage, wie preissensibel sind diese Kundschaften in dem Bereich? Also wir haben ja im Möbelbereich jetzt gerade das Problem, alle haben ja ihre Wohnungen jetzt auf Vordermann gebracht in der Corona-Zeit, als man eben zu Hause war und so. Deswegen ist es ja auch so ein bisschen ein Nachfragethema, was jetzt gar nicht unbedingt nur mit, habe ich jetzt gerade Geld dafür zu tun habe, sondern der Bedarf ist halt auch gerade nicht da. Also ich glaube, die dürften sich ein bisschen leichter tun, da durchzukommen, als die, die eben nur über den Preis verkaufen. Und gerade so Conox und Co. zum Beispiel, also das haben wir jetzt beim Möbeleinrichtungsbereich nicht so, aber der selektive Verkauf ist natürlich schon ein großes Thema. Also wer bekommt ein Vitra? oder wo kann Vitra verkaufen? Hersteller picken sich eigentlich jetzt raus, wo sie verkaufen wollen und wie sie das machen. Was die bestehenden Marken nicht machen, machen wollen, weil sie jetzt demotiviert sind oder weil es einfach zu aufwendig ist, das machen eben jetzt Newcomer in dem Bereich. Der Vorteil ist halt, wenn du Hersteller bist oder sehr nah am Hersteller dran bist, dann hast du es halt margenseitig besser im Griff und Ich finde, man hat das sehr gut gesehen. Bei Billiani wäre für mich so ein Beispiel, die eben tatsächlich über Marktplätze am Anfang begonnen haben, das zu verkaufen, da natürlich immer ihre Provisionen abtreten, aber dann eben zunehmend versuchen, das über eine eigene Webseite zu machen. Ich würde jetzt Billiani nicht als Möbelmarke sehen, sondern aber als quasi Hersteller, der in den Direktvertrieb einsteigt. Und zum Beispiel, das hast du ja auch im höherpreisigen Bereich nicht so einfach. Da braucht es auch die Händler noch. Aber einfach auch so eine Web-Web-Situation, da gibt es ein paar wenige Player jetzt noch, die teilen das so für sich auf und natürlich versucht ein Home24 auch in den höherwertigen Bereich reinzukommen, aber ich glaube, wenn so ein Conox oder Nordic Nest oder wie sie alle heißen seinen Ansatz fährt, haben die bessere Karten, würde ich jetzt mal denken.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, was mir so einfällt, wenn wir eigentlich über Vitra reden, ich glaube, vielen Leuten ist es vielleicht gar nicht so bewusst, die optimieren sich auch sehr stark auf B2B-Geschäft. Also die haben ja teilweise eine ganze Reihe von Inarchitekten und Projektgeschäft, wo sie halt hingehen. und wenn dann so ein Spiker sagt, beziehe jetzt mal hier irgendwie 1500 Quadratmeter am Zoologischen Garten oder an den Hauptbahnhof seid ihr, dann kommen die halt hin und reden halt mit dir, ob sie nicht deine Büroplanung machen dürfen und so. die Tische doch machen könnte und dies und das und jenes. Also da ist ja echt Musik drin, wenn man dann irgendwie mit einem Mal irgendwie ein paar hundert Arbeitsplätze einrichtet und nicht nur drei. Aber gut, anyway, schweifen wir ab. Ich würde sagen, war doch mal ein ganz guter Ritt. Also ich habe jetzt für unseren Podcast des Kapitalstrategien, des Kapital in Klammern gesetzt. Also ich glaube, wir haben immer versucht, mal wieder den Rückbau zu nehmen, aber es ist dann doch so verführerisch, etwas Produktstrategie auch zu machen und Geschäftsstrategie. Lieben Dank, ihr beiden, dass ihr euch das noch ein drittes Mal angetan habt und ich freue mich schon aufs nächste Mal. Tschüss. Dankeschön.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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Handelsstrategien

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.