Lame Commerce 🥱: Wo bleiben die Innovationen des Handels?

12. April 2023, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich E-Commerce mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek, Alexander Graf und Jochen Krisch. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und heute habe ich wieder meine geliebten E-Commerce-Franden, den guten Jochen Krösch und den lieben Alex Graf an meiner Seite. Und während Jochen gerade auf der Shop-Talk weilt, sitzt Alex Graf in seinem Auto auch schon bereit, den Flieger zu besteigen und haben gesagt, Jungs, wir müssen mal heute darüber reden, wo bleiben eigentlich die Innovationen des Handels? Oder mit den Worten von Kollege Graf, was dem Karstadt die Rolltreppe ist, ist dem Online-Shop die Recommendation-Engine. Sprich, irgendwie wird alles nur noch mit Technologie totgeschlagen. Und es gibt gar keine tollen Ansätze mehr. Deswegen werden wir mal den Blick weiten. Heute mal über so schöne Themen wie Pinterest, TikTok, Food Delivery reden. Weil irgendwie kommen alle Innovationen gerade von woanders, aber nicht aus dem Handel selbst. Aber vielleicht tun wir auch das ein oder andere noch auf. That being said, moin moin ihr beiden. Schön, dass ihr da seid.

Jochen Krisch: Hallo Joel.

Alexander Graf: Moin moin.

Joel Kaczmarek: Zu Jochen müssen wir eigentlich mal Servus sagen. Außer heute, während er in good old USA wohnt. Dann howdy.

Alexander Graf: Howdy Jochen.

Jochen Krisch: Howdy zusammen.

Joel Kaczmarek: Ja komm, Herr Jochen, dann hast du mal hier den Auftakt heute. Lass mal einen vom Stapel. Was tut sich denn so auf der Shop Talk? Du bist ja an der Quelle des Wissens gerade.

Alexander Graf: Ich hoffe, es gibt kassenlosen Checkout bei den Getränkeständen bei der Shop Talks. Ich meine, wer diese Gelegenheit nicht genutzt hat von diesen kassenlosen Checkout-Anbietern, wenn nicht bei der Shop Talks, wo dann?

Jochen Krisch: Ja, das ist aber eigentlich genau das Phänomen. Also ich mag die Shop Talk sehr gerne, weil sie eigentlich versucht, auch die Innovationen abzubilden, soweit sie möglich sind. Aber das Interessante auf so einer Konferenz ist eigentlich immer im Ausstellerbereich alles super innovativ. Neueste Technologie, alles da von Amazon Today bis In Anfangszeichen Walmart-Marktplace und die ganzen Walmart-Services, die jetzt angeboten werden. Also alle versuchen so dem Handel irgendwie Innovation schmackhaft zu machen. und dann in den Vorträgen sitzt man drinnen und fragt sich, ja wo sind jetzt die Handelsinnovationen? Es ist eine Handelskonferenz, also müssten ja eigentlich… Neue Handelskonzepte, neue Formate in irgendeiner Form da sein, die gibt es auch punktuell, aber tendenziell ist es eigentlich immer eher so, dass die Technologie den Handel treibt statt umgekehrt. und jetzt gerade halt AI und Chat-GBT und was es alles heißt, letztes Jahr dann eben Metaverse. und Das sind dann die Themen, die der Handel versuchen muss, irgendwie zu integrieren in seine Modelle. Anstatt dass man sagt, nee, wir haben eine klare Vorstellung, wie wollen wir die Kunden ansprechen, wie können wir sie begeistern, wie kann man da vorangehen. Und dafür brauchen wir Technologie, Unterstützung, Lösungen in irgendeiner Form. Und das ist so der Spagat, den ich sehe hier. Also es gibt schon Trends und Innovationen, aber es gibt auch sehr viel Klassisches. Back to the Shop, würde ich sagen. Und zwar nicht nur im Handel, sondern auch leider zunehmend bei den Marken und Herstellern, wo eigentlich gar nicht so sehr online das Thema ist, sondern D2C das Thema ist. Und die müssen quasi aus einer Marke zu einem Händler werden. Und das ist deren große Herausforderung. Aber das ist natürlich nicht die Speerspitze, weil der Handel nicht funktioniert und nicht willig ist, einfach selber initiativ werden müssen und dann eben sich an Lösungen überlegen, die aber eigentlich immer nur so ein, ja, möchte gern Handel dann letztendlich ist.

Joel Kaczmarek: Per se ist ja auch nicht verwerflich, dass man aus der Technologie heraus Innovationen entwickelt. Also ich meine, damit verdient ja Alex auch sein Geld, dass er anderen dabei hilft, dass sie das quasi heben können, dieses Potenzial. Aber ist dir das nicht innovativ genug? Also wenn du da irgendwie den fünften Vortrag über ChatGPT hörst, gibt es da nichts Spannendes, was sie damit machen wenigstens?

Jochen Krisch: Der Punkt ist ja immer, die Technologie ist ja viel weiter als der Handel. Technologie muss sich ja erstmal etablieren und man muss nicht händeringend, einfach weil eine neue Technologie da ist, jetzt einen Case suchen, also ein Problem suchen, mit dem man die Technologie einsetzen kann. Sondern eigentlich muss es ja andersrum gehen. Ich habe ein paar Handelsprobleme, die sind ja offensichtlich. Kundenansprache, großes Problem. Wie kann ich, keine Ahnung, meine Margen heben, mehr Umsatz machen, damit auch meine Bottomline stimmt. Das sind ja alles so Aufgaben, die da sind. Dafür braucht es ja auch Lösungen. Und ich finde Technologie spannend, per se, für sich als Teil, aber halt nur als Enabler. dann für das, was wirklich den Handel voranbringt. Und so ist das Pferd oftmals von hinten aufgezogen, dass man hier zig Cases händeringend sucht man jetzt Einsatzmöglichkeiten für AI, für Chat-GBT, für andere Lösungen, für Uralt-Cases, wo ich sage, die haben so in der Form, in der Konstellation eigentlich ohnehin keine Chance. Gut, die Dienstleister und die Tech-Player können gut Geld verdienen damit, Weil einfach, das ist ja ein Profilierungsthema und deswegen macht man das. Aber das ist nichts, was den Handel im Kundensinne voranbringt. Dass man einfach ein anderes Profil hat, mehr Umsatz macht oder einfach mehr, wie soll ich sagen, mehr Attraktivität bekommt, kundenseitig. Und das fehlt mir. Also ich argumentiere nicht gegen Technologie, sondern mir fehlt parallel dazu einfach die Innovationsfreude im Handel selber, damit sich das gegenseitig befruchten kann.

Joel Kaczmarek: Sieht das bei dir ähnlich aus, wenn du mal dein Kundenportfolio dir so anguckst, Alex? Also der Spruch mit der Recommendation Engine wird ja nicht von ungefähr gekommen sein. Ist das bei euch auch so?

Alexander Graf: Also wir haben natürlich viele B2B-Unternehmen mittlerweile als Kunden. Da gibt es jetzt nicht so das Innovationsproblem, sondern da geht es ja vor allem grundsätzlich darum, digitale Kanäle zu dem Kunden aufzubauen. Die Cases, die auf der Shop Talk besprochen werden, sind ja im Wesentlichen B2C-Cases und Dort hat sich die Innovationsleistung verlagert, weg von dem Kundenfokus hin dazu, wie kann ich als Plattform Geld verdienen. Das führt dann halt zu relativ abstrusen Situationen, dass man in der Präsentation von einem Farfetch oder von einem Walmart oder wahrscheinlich von The Hut Group 90 Prozent Technologie-Pitch sieht, also Händler pitchen Technologie. Schaut mal her, liebe Händler oder liebe anderen Hersteller, ihr könnt bei mir auf der Plattform verkaufen, dafür nehme ich Geld, Stichwort Marktplatzgebühr oder so. Ihr könnt dort Werbung schalten, Stichwort Retail Media. Und das bestimmt auch die Präsentation. Also wenn man mal durch Jochens Blog geht und sich mal von den großen Händen dann die letzten Investor Relations Reports anguckt, ist 90 Prozent Technologie-Pitch. Wir wollen Technologieunternehmen werden, weil keiner mehr mit dem eigentlichen Handel Geld verdient. Also mit dem Verschiffen von Ware zum Endkunden oder mit der Lagerung von Ware und mit der Sortimentierung tun sich halt viele Händler schwerer. Und müssen da irgendwie Technologieunternehmen werden. Und das hat natürlich dazu geführt, dass wir als Endkunden kaum noch eine echte Innovation sehen. Es gibt irgendwie vielleicht jetzt, das letzte, was irgendwie kam, war das schon ausgedruckte klebefertige Retourenetikett in der Kiste. Das ist schon irgendwie drin.

Jochen Krisch: Ist ja auch keine Handelsinnovation.

Alexander Graf: Naja, es macht quasi das Zurücksenden irgendwie einfacher, aber ansonsten ist da nicht viel gekommen. Weder diese personalisierte Ansprache hat sich nicht weiterentwickelt in den letzten Jahren, also wie spreche ich den Kunden an? mit irgendwie seinen Vorlieben, seinen Lieblingsmarken, seinen Preisen. Alle haben ihr Sortiment irgendwie ausgeweitet. Die echte Innovation findet bei den Spezialisten statt, du hattest das im Vorfeld kurz gesagt, bei den Thomans und Sportitis dieser Welt, die sich dann in ihrem Sortiment, sozusagen in ihrer Herstellerindustrie wirklich Dinge überlegen können, die halt für einen Otto oder für einen Amazon nicht skalieren, aber Ich bin wirklich erstaunt, wenn ich jetzt die Präsentation öffne von den Großen. Und ich glaube, Farfetch wurde ja, glaube ich, heute Morgen auch bei der Shop Talks groß angekündigt, dass der eine Vice President, irgendjemand war auf jeden Fall da, von Farfetch, aber wirklich 90 Prozent der Farfetch-Kommunikation ist Handelsdienstleistung. Also es ist gewonnen, mit Netrada Hermes könnten wir eigentlich auch stehen und das Gleiche erzählen. Und ich glaube, das beschreibt gerade so ein bisschen den Handel. Das finde ich jetzt auch nicht Weil natürlich auch die großen Hersteller, die eine sehr, sehr überreizte Distributionsstrategie hatten, also einfach Ware überall hin, wo es geht, mehr Warendruck erzeugt mehr Verkaufsdruck, haben die ihre Selektion da nicht im Griff und sorgen dann dafür, dass es so eine permanente Preisspirale gibt. Und die neuen Hersteller, die oft ja auch über Instagram oder einem TikTok und Co. entstehen, die sind quasi auf diese Händler auch gar nicht mehr angewiesen und überdistribuieren halt auch gar nicht mehr. Also schon sozusagen ein von beiden Seiten verursachtes Phänomen. Die erfolgreichen Marken sind so erfolgreich, dass sie halt selber ihren Direct-to-Consumer-Umsatz steigern können. Stichwort Nike. Und die, die irgendwie nicht so erfolgreich sind oder verpennt haben, in Technologie zu investieren, sie Adidas, die ziehen sich wieder zurück und sagen Mein großer Partner ist der Handel, weil ich kriege selber nicht kostendeckend hin und ich glaube, das Ergebnis dessen, dieses Dilemmas von beiden Seiten, das kann man sich gerade in Las Vegas extrem gut anhören.

Jochen Krisch: Aber Stichwort Marken vielleicht, da wird es eigentlich ganz deutlich, die, die starke Marken haben, in Anführungszeichen, die können das und machen das und die anderen hoffen eigentlich auf den Handel, dass der Handel sie voranbringt. Oder müssen sich extrem verbiegen, dass sie eben, keine Ahnung, TikTok, Pinterest, Instagram oder wie sie alle heißen, nutzen, um da voranzukommen. Währenddessen eben die ganzen neuen Influencer-Brands und andere Marken entstehen, die einfach schon ein bisschen mehr Gespür für die Kunden haben, aber im Grunde auch No-Name-Brands sind, aber näher dran sind von den Leuten, die das machen. Und was aber fehlt, und darauf gebe ich vielleicht auch noch ein paar Beispiele, ist in der Kundenansprache. Zum Beispiel ein Vortrag, der mich sehr beeindruckt hat, beeindruckt hat, das sehe ich nämlich zurück, war bei Pinterest. Da hatte ich mehr das Gefühl, die haben jetzt eine Vorstellung davon, wie sie die Kunden ansprechen wollen, was sie da machen wollen. Also die haben jetzt Collagen wieder reaktiviert mit einer Shuffles-App, die sich an die Generation Z wendet und haben da einfach neue Modelle, wie sie Produkte präsentieren wollen, sagen auch, Kurzvideos sind eigentlich der Treiber oder haben eine bessere Conversion. Sowas könnte ja auch im Handel kommen, dass mal ein Händler kommt und sagt, okay, ich stelle da nicht nur das Produktbild hin, sondern ich mache das mit Kurzvideos. Also manche gibt es ja jetzt mit Live-Shopping, aber Live-Shopping, das Thema, wie es jetzt kommt, ja auch Live-Videostreams, kommt eher von den Plattformen und der Handel soll es dann nutzen, als dass generische Konzepte da kommen oder andere Themen, die wir ja auch haben, viel im Prinzip Innovationsbedarf ist, ist das ganze Thema Second Hand, E-Commerce. Und das sind ja auch alles so Nachhaltigkeitsthemen, wo man ja auch anders die Leute ansprechen muss, andere Konzepte finden muss. Und da wäre so viel Innovationsbedarf da, wirklich mit neuartigen Konzepten zu kommen. Das gibt es alles. Aber das ist letztendlich Shopbetreiber, E-Commerce, einen Online-Job in einer anderen Form. Und du hast dann immer wieder das Vermarktungsproblem, dass du die Kunden erst mal gewinnen musst, dass du sie konvertieren musst. Und dass das halt alles vergleichsweise schlecht funktioniert, beziehungsweise damit verdienen halt die Googles und die Facebooks dann ihr Geld. Und das geht natürlich dann von der Marge weg. Und sowas erwarte ich mir eigentlich mehr aus einem Handelskontext oder Verkaufskontext heraus. Und das sieht man nur sehr punktuell, sage ich jetzt mal.

Alexander Graf: Also für mich, sozusagen Jochen muss ja gleich, hat er mir gerade schon verraten im Vorgespräch, muss ja gleich zum SHEIN-Vortrag. Für mich ist echte Handelsinnovation ist das, was ich bei SHEIN gesehen habe. Zieh mir mal diese ganzen unfairen Sachen ab, die SHEIN macht. Nicht richtig Mehrwertsteuer ausweisen und Retouren ist so schäbig und was auch immer. Diese Fähigkeit, sozusagen Trends in sozialen Medien zu entdecken und zu erzeugen, das innerhalb von drei Tagen in Produkte zu übersetzen und das auch so in Produkte zu übersetzen, dass es eben nicht zu enormen Kosten kommt, sondern in Chargengrößen 20, 30, 40, 50 Stück Dinge auf eine Plattform zu stellen. Also das ist eine echte Supply Chain Innovation. Das ist eine wirkliche Handelsinnovation. Das macht einem Zalando auch massive Probleme und die müssen sich dort auf den Kopf stellen, um das irgendwie zu kontern. Werden sie aus meiner Sicht nicht können, können wir vielleicht noch später darauf eingehen. Und ich hatte das letztens mal eingegeben bei ChatGPT. Ich bin in der Paid-Version momentan und konnte ich Model 4 ausprobieren. Hab mal gefragt, okay, ist SHEIN ein relevanter Wettbewerber für Zalando? Und ich glaube, die PR-Abteilung von Zalando hat OpenAI bestochen. Dort kam nämlich die Antwort, Nee, eigentlich nicht. Und ich lese mal vor, warum eigentlich nicht. Dort steht nämlich, der Marktfokus von Zalando ist vor allem der europäische Markt versus SHEIN, eine China-basierte Company ist mit einer eher globalen Präsenz. Schon mal erster Fehler. Natürlich ist Europa der zweitwichtigste Markt für SHEIN. Also schon mal ein riesen Interpretationsfehler hier von der Engine. Hätte ich aber als PR auch so geschrieben. Zweiter Punkt, Price Range. SHEIN is known for low-priced, fast-fashion products that appeal to price consumers. Zalando offers a broader range of price points, bla bla bla. Stimmt schon, ist aber natürlich falsch, wenn die ganzen günstigen Kunden weggehen, sozusagen diese Einstiegsortimente kaufen, kann man natürlich nicht abstellen in so einen Zara hinein oder so einen Hilfiger und diese ganzen Mittelpreissegmente. Das ist sozusagen ein Riesenproblem für Zalando, dass ihnen diese ganzen kleinen Kunden weggehen. Also hat die PR-Abteilung dort auch klug sozusagen eingebaut. Dann das dritte ist Brandportfolio. Stimmt, ist SHEIN doch nicht, aber natürlich kann SHEIN mit dieser Engine viel schneller Brands schaffen. Das macht ja quasi für einen Influencer oder für Brandschaffende, für Kreatoren, macht ja quasi diese Supply Chain, die den SHEIN anbietet, viel mehr Sinn als eine Supply Chain, bei der ich irgendwie ein Jahr lang vorher mit irgendeinem Menschen von Zalando verhandeln muss, um dann meine Marke dort reinzuladen. Dann kommen sie mit dem Thema Sustainability. Das ist weder bei Shein noch bei Zalando sozusagen etwas, mit dem ich mich da vorwagen würde. Das ist auch meiner Ansicht nach kein Differenziator. Und dann sagen sie, Custom Experience bei Zalando ist deutlich besser. Hassle-Free Returns. Kompletter Quatsch. Die Custom Experience bei dem Shein, dadurch, dass es so integriert ist in TikTok und Co., ist so viel besser, so viel intelligenter. Und da zeigt sich mal diese Synthese aus Durchschnittsmeinung, die ja gründliches Ergebnis ist von diesen OpenAI-Plattformen. Das ist genau das, was gerade auf Handelskonferenzen erzählt wird. Das wird so erzählt, das wird geglaubt, das schreiben auch andere Menschen ab. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Innovation findet tatsächlich statt. Shein, Timo macht das auf eine etwas andere Art, weil es nicht ein vertikal integriertes Setup ist. Aber ich bin da total baff. Ich bin jetzt kein Fan und ich bestelle jetzt nicht irgendwie 100 kleine Sommerkleidchen bei Shein für meine Kinder oder für Kindergeburtstage, aber Das ist echte Handelsinnovation. Und das hat überhaupt nichts mit Technologie zu tun. Das ist halt Supply Chain Integration. Handel und Herstellung neu gedacht. Und da kommt auch ein Sarah ins Wackeln. Während Jochen, und Jochen macht das ja ganz nett für uns, deswegen soll ja jeder ihm bei Twitter folgen, leider von den Multichannel-Königen erzählen muss in Las Vegas, die weiterhin stolz darauf sind, dass die Experience im Laden stattfindet. Wo aber diese ganzen Kunden gar nicht mehr sind.

Jochen Krisch: Unser Herz schlägt im Lagen. Das war das, Alter Beauty war das, war das die Aussage. Und Alter Beauty ist noch einer der Vorzeigecases und wirklich im Grunde spannendes Unternehmen, halt ein spannendes Offline-Unternehmen. Aber das ist so bitter zu hören. Oder ich denke mir dann immer, meine Güte, dann, wenn das so ist, dann wird es aber Zeit, dass hier in den USA auch mal ein Beautyplayer, ein Online-Beautyplayer kommt und voranprescht. Hat Group versucht, das Jahr reinzukommen, aber andere auch, die einfach das Herz Online oder wirklich bei den Online-Kunden schlagen lassen. Und das ist so ein bisschen. das Vertragte daran, ja.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wir können das ja auch mal zu Ende denken. Ich habe heute gerade mit einem Händler gesprochen, der so im Designbereich ist. Wir haben über einen großen Hersteller gesprochen, der im Designbereich ist und meinte, naja, er hat so die Hypothese, dass den Herstellerkollegen da die Angst umtreibt, dass die ganzen Händler, auf die er sich gerade verlässt, dass es die alle aus der Kurve tragen wird, weil halt keiner von denen in Innovationen investiert beziehungsweise in irgendeiner Form noch technisch und genau wie wir es gerade gesagt haben, was den Innovationsgrad angeht, mithalten kann. Das heißt, was ist denn eigentlich so? die Implikation dessen, was ihr vermutet, was jetzt demnächst passieren wird, wenn das so weitergeht, dass die ganzen Innovationen gar nicht mehr aus dem Handel getrieben werden?

Jochen Krisch: Ja, man sieht das ja schon. Also A, der Handel, der ist einfach eingezwängt. Also es braucht Händler noch, also Multilabel-Händler, weil nicht jede Marke auch D2C machen kann. Aber diesen ganzen D2C-Trend haben wir ja nur deshalb, weil der Handel ausfällt in dem Bereich. Und Gleichzeitig aber Online-Plattformen ja da sind, die sich wirklich Mühe geben, nur die sind halt alle im Grunde immer falsch positioniert. Also Instagram, ja, schöne Bildchen, könnte man auch kaufen. Pinterest auch, schöne Bildchen und Inspiration schon, vielleicht noch näher, könnte man auch kaufen. TikTok, Action, Dauerbetrieb. Aber eigentlich Entertainment-Format könnte man auch kaufen. Und so denken die Plattformen und versuchen das auch. Aber das Mindset der Kunden, also der Nutzer, ist anders. Und da siehst du aber, dass die alles versuchen, um da irgendwelche Modelle zu testen, um das voranzubringen und einfach den Mehrwert Für die Marken dann in dem Fall, weil fast da schon übersprungen wird. Ich fand es auch so interessant, eigentlich gestern der Vortrag von Google, der auch sehr AI geprägt war, 15 Minuten und die letzten 5 Minuten ging es dann darum, Retail Media ist ja auch so ein großes Thema, eigentlich auch so ein Notthema, wo man einfach genau festgestellt hat, also Google will sich da die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Also was alles jetzt über Google-Suche läuft und einfach da eine Retail-Media-Technologie, sagen wir mal, bieten, eher in einer passiven Rolle, hat aber dann auch klar gesagt, nee, bei den Marken würden wir dann schon gerne eine aktive, eine sichtbarere Rolle übernehmen und da mitmischen. So sieht man es auch so ein bisschen, was die Prioritäten angeht. Also ich glaube, das ist jetzt aus Sicht dann vieler, aber das wird natürlich hier nicht gesagt, sind Handelsmodelle jetzt in dem Klassen-Sinne, wie wir sie haben, Auslaufmodelle. Alles geht Richtung D2C, also produktseitig, dass die Marken, die einfach Produktkompetenz haben und Produkte können, in den Verkauf gehen und für die anderen, dann machen Sie es halt direkt. Also versuchen Sie einen Checkout eben direkt bei Facebook, Instagram, WhatsApp oder wo auch immer hinzubekommen. Oder Shopify versucht natürlich da auch als Enabler mitzumischen und da eher solche Konstellationen anzubieten, als dass man wirklich noch die klassische Handelsrolle, Handelsrolle ist für mich Einkauf, Verkauf, aber vor allen Dingen Kundenansprache, verkaufen können etc., dass man das ersetzt und andere Möglichkeiten findet. Also deswegen muss der Handel extrem aufpassen, dass er da nicht unter die Räder kommt. Und deswegen sprechen wir auch hauptsächlich von den Großen. Also die Großen haben andere Möglichkeiten, ein Zalando, ein About You, ein Shein. Temo versucht eben bewusst sehr schnell sehr groß zu werden, um diese Hebel nutzen zu können. Die Kleinen, die könnten andere Modelle fahren. Die könnten, also Rental Runway ist für mich so ein Beispiel, was ich super spannend finde, wie anders die denken, herangehen, wie anders die auch ihre Marge kalkulieren können, weil sie eben Produkte mehrfach dann verkaufen. Also sie nennen es dann halt nicht, im Grunde ist es ein sehr stark retourengetriebenes Modell, aber sie nennen es natürlich nicht Retouren, sondern du besitzt es dann halt auf Zeit und kassierst aber jedes Mal wieder ab. Und allein sich dieses Modell einfach mal geschäftsmodellseitig zu überlegen, wie viel mehr Umsatz du mit einem Produkt machen kannst. Natürlich kommen Kosten für Hin- und Rückversand dazu. Da zum Beispiel auch durchaus eine Innovation von Rental Runaway. Die Auflösung kommt erst noch, aber angekündigt haben sie es jetzt. dass sie einfach nicht mehr vier Produkte ermöglichen, auf einmal einzukaufen, sondern fünf Produkte. Und du mehr Auswahl hast, du mehr Produkte hast. Und angeblich soll das kostengünstiger sein dann und auch umweltschonender, als wenn du es dann im früheren Modell machst. Und das sind dann so, wenn jemand mal auf dem Trichter ist und sich so ein Modell überlegt hat und konsequent vorantreibt, dann gibt es dann auch Innovationen. Dann findet man auch wieder Partner. Marken etc., die das nutzen wollen und die das zur Produktentwicklung, zum Produkttest, zur Meinungsbildung über Größen etc. nutzen, weil du einfach ganz andere Möglichkeiten hast. Also das wäre jetzt für mich mal zum Beispiel, und da gibt es ein paar wenige, mein Lieblingsbeispiel Rental Runway, Poshmark und DoorDash oder so, die da schon dran sind, aber in der Masse fehlt mir das.

Alexander Graf: Könnte man mit Rent the Runway dann aber nicht ketzerisch argumentieren, dass dann die ShopDocs 2024 genutzt wird, um das sechste Stück im Paket anzukündigen? Weil das ist doch eine sehr lineare Fortschreibung des bestehenden Modells, oder nicht?

Jochen Krisch: Das stimmt schon, aber das habe ich jetzt als Beispiel genannt, weil die hatten wirklich Probleme jetzt, dass sie ihr Geschäftsmodell so hinbekommen haben und das war jetzt nicht das attraktivste Corona-Modell. Weil du einfach nicht so viel brauchtest. Also denen würde ich jetzt erstmal die Chance geben, sich da weiterzuentwickeln und zu sagen, wir machen es attraktiver für die Kundinnen, dass sie das Modell nutzen wollen. Und dann erwarte ich schon, dass dann noch ein paar andere Sprünge kommen in dem Bereich. Also ja, könnte man ketzerisch sagen, wie du es jetzt formuliert hast. Aber den Innovationstreibern würde ich dann auch ein bisschen mehr Chancen geben. Also bei dem klassischen Händler der dann ja nur ein neues Sortiment dazu nimmt oder irgendwas macht, da bin ich ähnlich drauf. Da lege ich dann immer so ein bisschen mehr Gutwill an den Tag.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wie geht es euch denn sonst so, wenn ich was auf Händlerseite in Richtung Innovation wahrnehme, dann hat das oft mit so Spezifika zu tun, also bei Sortimentsthemen oder bei Services oder bei der gesamten Erfahrung, die du mit dem Produkt sozusagen machst, wenn du operativ damit interagierst. Also um mal so ein paar Beispiele zu nennen, ich habe jetzt gestern gerade mit Thomann gepodcastet, da passieren irgendwie ganz viele Dinge, habe ich den Eindruck, dass man immer probiert, immer wieder Neues ausprobiert. Alex hat im Vorgespräch, hat ja gesagt, so KDW ist irgendwie so ein Case, den er interessant findet, können wir auch mal gleich ein, zwei Sätze nochmal drüber sagen. Also ist es ein bisschen so, dass Spezialisierung das ist, wo die meisten sich noch ihre sozusagen Umsatzwachstumsfaktoren herholen. oder seht ihr auch noch andere Dinge, weil es ist ja wirklich sonst, wie ihr sagt, so Technologie und Spezialsortimenter, das sind so die Dinge, die irgendwie am ebeln sind, habe ich den Eindruck.

Jochen Krisch: Ja, aber wenn es nur darum geht, wie rette ich mein Geschäftsmodell, da passiert sehr viel Innovatives und Kreativität, dass man das weitermachen kann, was man bisher schon gemacht hat. Also das ist gar nicht so sehr der Punkt, aber es geht ja nicht darum, am Bestehenden festzuhalten und das in die neue Zeit zu retten, sondern es geht eigentlich darum, etwas für die neue Zeit zu entwickeln. Das nur als kurzer Einwurf, aber Alex kann da mehr wahrscheinlich dazu sagen.

Alexander Graf: Was ich schon spannend finde, ist, natürlich haben wir jetzt relativ viel rumgemäkelt immer an den Händlern mit einer stationären DNA, an den Pieken Kloppenburgs, an Karstadt, an vielen, vielen mehr, denen es ja aus unserer Sicht nicht gelungen ist, diesen Einstieg in die E-Commerce-Welt zu schaffen, in die E-Commerce 1.0-Welt, das, was ein Zalando vorgemacht hat. Was ich jetzt aber spannend finde, gerade in der aktuellen Marktphase ist, dass es auch einem Zalando, auch einem About You nicht gelingt, in diese ganz neue Welt vorzudringen, die halt sehr Social Network basiert ist. Die findet halt in TikTok statt, die findet in Instagram statt, die findet auch in Pinterest statt. Und dort irgendwie einen Einstieg zu finden, dort Innovationsvorreiter zu sein, ist für die Unternehmen, die jetzt auch so eine sehr stark Online-Marketing optimierten, Sicht darauf schauen total schwer, weil man halt sehr, sehr viel probieren muss, sehr agil sein muss. Also den Vorwurf, den wir dem stationären Handel bisher gemacht haben, den muss man wahrscheinlich im E-Commerce 1.0-Unternehmen fairerweise genauso machen. Ich hoffe ganz ehrlich nicht mehr, dass wir aus dem stationären Bereich da viele Innovationen sehen, weil wie Jochen schon sagt, das ist ein Rückzugsgefecht. Da geht es darum, dass man irgendwie die Kostenseite so weit im Griff hat, dass man da sein altes Geschäft noch betreiben kann. Das geht in vielen Fällen. Auch tatsächlich, also KDW ist da so ein Beispiel. KDWs Wettbewerb ist nicht der Gucci-Online-Store. KDWs Wettbewerb ist der Gucci-Store auf dem Kuda. Wenn die es schaffen, auf den Quadratmetern eine bessere Kundenfrequenz hinzubekommen und irgendwie ein besseres Erlebnis für den Kunden, dann können die in einer Stadt wie Berlin, die einen massiven Touristenzuwachs hat, einfach noch 20, 30, 40 Jahre weitermachen. Die haben eine Prime-Location, die haben jetzt irgendwie über 200 Millionen da schon diesen Kunden. Store reingebaut. Klar machen wir immer so ein bisschen Online-Witze über die Rolltreppen, aber da ist halt voll. Da ist fast immer voll und die wachsen auch ganz, ganz stark. Und natürlich wird dort E-Commerce auch eine wichtigere Rolle spielen, aber immer nur so 10, vielleicht mal 20 Prozent in Zukunft. Und die Unternehmen, die ihr Geschäft schon umdrehen mussten, wie den Bräuninger, die sind jetzt schon bei über 50 Prozent. Und bei dem Rest, wenn man ganz, ganz, ganz, ganz ehrlich zu sich selber ist, da können wir nochmal ein bisschen hinschauen, da kann man auch mal ein bisschen hoffen, aber das ist in der Regel nicht angemessen. Das viel Spannendere finde ich jetzt, wie schafft ein Zalando den Schwung in die neue, sozusagen sehr, sehr stark sozial geprägte Welt? Die Menschen verbringen mehr Zeit online, mehr Zeit bei YouTube, YouTube Shorts, TikTok, TikTok Shorts, Pinterest, in den USA natürlich extrem viel Zeit immer noch bei Facebook. Wie kommt man dort rein? Wie kann man dort organisch teilhaben, sozusagen an der Meinungs- und Interessenbildung der Menschen, die dann zu einem Konsum führt. Ist ihnen bisher nicht gelungen. Es gibt ganz, ganz wenig Anbieter, denen das gelingt. Gelingt Rent the Runway sicherlich besser als den Walmart in den USA. Da sehe ich schon eine ganze Menge spannender Entwicklungen, aber ich frage mich, Tatsächlich selbstkritisch. Ich bin ja eingestiegen in den Online-Handel. Da ging gerade dieser Versandelskongress in Wiesbaden zu Ende. Da war ich nie und angeblich war das so ein Kongress unter Kronleuchtern mit Anzügen und Smokings. Und ich bin direkt eingestiegen in die Live-Shopping-Days von Jochen. Und da haben wir immer so gedacht, die da drüben. mit den Anzügen und den Smokings, die mit ihren Katalogen mit hartem Einband. Jetzt frage ich mich so, wer guckt jetzt quasi auf die Leute in Berlin bei der K5, wo ja Jochen natürlich ist und ich ja auch, und guckt so auf uns und lächelt. Wer könnte das sein? Wie gucken die auf die Welt? Nehmen das eigentlich als relevanten Wettbewerb wahr oder nicht? Für mich fühlt es sich quasi so ein bisschen wie eine Zeitenwende an. Also es passiert irgendwie gerade tatsächlich das, was vor 15 Jahren mit dem klassischen Kataloghandel und stationären Handel passiert ist, passiert es glaube ich auch wieder mit der ersten E-Commerce-Generation. Für mich waren es schon ein paar langweiligere Jahre im E-Commerce, aber jetzt geht es irgendwie wieder richtig los, weil es gibt halt keine Grenzen mehr. Das ganze Logistik-Thema ist mittlerweile so global so gut aufgezogen. Man muss keine Container mehr kaufen, man kann Teilcontainer kaufen, sozusagen das ganze Thema Luftfracht, das ist irgendwie viel, viel accessible oder viel stärker zugänglich geworden. Da gibt es ganz viele Startups in dem Bereich. Ich kann tatsächlich mit einer Produktinnovation, die ich vielleicht in Vietnam sehe, innerhalb von Wochen ein globales Business aufziehen. Also es passiert jetzt viel, viel, viel, viel mehr. Vielleicht passiert auch viel im Longtail, Dinge, die wir dann vielleicht gar nicht sehen, die, keine Ahnung, die jetzt vielleicht, ich bin gerade auf dem Weg nach Helsinki, die dort irgendwie passieren, die total cool sind. die aber dann gar nicht im excitingcommerce.de-Blog ankommen. Oder meine Familie berichtet immer ganz begeistert vom City-Markt in Kiel. Das ist sozusagen der grüne Wiesemarkt. Das ist der erfolgreichste Fachhandelsmarkt in Deutschland. Und dort bekommt man das Eis von der Eisdiele auf kleinen Robotern. Wird das gebracht. Da fahren nur sieben Roboter durch die Gegend, die dann das Eis bringen und sagen, hier ist Ihre Bestellung, fehlt noch irgendwas. Und ich glaube, in diesen Bereichen passiert schon eine ganze Menge, ohne euch jetzt quasi wieder nahelegen zu wollen, dass ihr unbedingt mal Kiel besuchen müsst, sozusagen. Die Handelsinnovationsstadt.

Jochen Krisch: Das ist die Innovationsstadt. Ich weiß gar nicht, wie die gegen Berlin verlieren konnte.

Alexander Graf: Hat sie nicht, hat sie nicht, hat sie nicht. Unser Karstadt, unser Karstadt bleibt. Ja, wenn ihr auf der Deutschlandkarte guckt, welche Karstads werden geschlossen? Der Punkt oben in Kiel, der leuchtet immer grün.

Joel Kaczmarek: Aber seine Frage, die er gerade gestellt hat, die war ja eigentlich ganz charmant. Wer belächelt denn gerade diejenigen, die auf der K5 sind, Joch? Was glaubst du?

Jochen Krisch: Ja, ich fast selber, weil das ist ja auch richtig. Und ich nenne es ja immer gerne Lame Commerce, im Gegenteil zu Exciting Commerce. Versuche mich aber zu bändigen und einfach lieber den Fokus auf Exciting Commerce zu setzen. Aber es ist tatsächlich so, es waren ein paar langweilige Jahre und man muss sich selber immer an die Nase fassen. Im Grunde ist es natürlich auch meine Aufgabe oder eine Aufgabe von Exciting Commerce, diese Modelle zu finden, hervorzuheben, herauszuheben. Und das ist gar nicht so einfach, weil die einfach sehr unterm Radar sind. Vieles passiert auch lokal, jetzt gerade mit den Lieferdiensten oder so, dass da einfach andere Arten kommen. Und da versuche ich mich selber immer wieder zu motivieren. Also deswegen das heute auch so ein bisschen, wo bleiben die Handelsinnovationen, ist auch so ein bisschen ein Tritt, einfach dann auch zu gucken. Also es ist ja nicht so, dass sie nicht da sind, aber sie sind halt nicht so öffentlich präsent, dass man darüber spricht und dass die auch eine Relevanz bekommen auf den entsprechenden Konferenzen. Und das ist das Bedauernswerte. Und ich würde aber noch eine Anmerkung zu Alex machen, wo man glaube ich auch noch mal sieht, worum es eigentlich früher mal gegangen ist im Handel vor Ort, im lokalen Handel. Der Händler hatte ja die Aufgabe, für die jeweilige Stadt, für das jeweilige Viertel die Produkte zu sourcen, anzubieten und für den Markt vor Ort quasi etwas zu machen. Diese Händleraufgabe ist ein bisschen verloren gegangen durch die Standardisierung, als dann die Supermärkte kamen und alle gleich aussahen, als dann die Zaras und die H&M kamen, sodass jede Innenstadt im Prinzip ähnlich aussieht. Also einerseits schön Standardisierung, aber andererseits geht die ursprüngliche Aufgabe des Händlers verloren. Und ich glaube, das ist immer noch die Aufgabe des Händlers, auch online, die Zielgruppen zu finden und die Zielgruppen speziell anzusprechen und einfach herzustellen. für die Marken und Hersteller Konzepte zu entwickeln, dass man einfach sagt, da sind es die Jungen, die ich anspreche, da sind es die Älteren, die ich anspreche, da sind es weibliche Zielgruppen, da sind es eher männliche Zielgruppen, aber mit denselben Produkten. Also nicht immer für die Frauen gibt es Mode und für die Hände gibt es Heimwerkerbedarf etc., sondern auch für die Frauen gibt es Heimwerkerbedarf und für die Männer gibt es Mode. Und das braucht eben andere Konzepte, andere Herangehensweisen. Und ich glaube, dann hat man auch wieder eine Chance in den Social Media und überall, weil man dann ein eigenes Profil hat und dann viel mehr Möglichkeiten hat, das auch rauszustreichen, das zu promoten und voranzubringen. Aber allein die Denke fehlt ja schon. Man macht eher E-Commerce für Google Oder für Facebook-Optimierung als für die Zielgruppen mit entsprechenden Konzepten, weil man einfach sagt, das ist einfach der bessere Hebel. Aber das ist so, wie soll ich sagen, das ist so endlich, da hat man jetzt ein gewisses Fenster, wo man das machen kann und dann werden die Player selber Lösungen finden, wie sie den Handel umgehen.

Alexander Graf: Ich glaube auch, dass wir die sozusagen Handelsinnovation wahrscheinlich in Ländern sehen mit einem relativ hohen Gini-Koeffizient, wo es um Ungleichverteilung der Einkommen geht, weil du für viele Themen einfach sehr, sehr viel Arbeitskraft brauchst, immer noch im Logistikbereich, im Servicebereich, auch in der persönlichen Ansprache. Jemand im Callcenter muss quasi den Chatbot noch manuell unterstützen. das werden wir eher in der Türkei sehen, das werden wir eher im Mittleren Osten sehen, das werden wir eher in Pakistan sehen als in Ungarn tatsächlich. Und da komme ich jetzt nicht drauf, weil ich mir das ganz, ganz lange überlegt hatte. Das ist, weil ich da mit meinem Zweit-Podcast da so viele Interviews gerade führe. Und da sitze ich auch manchmal mit offenem Mund im Interview und denke so, krass, das wäre bei uns ja gar nicht möglich. Also das geht ja gar nicht. Und ich möchte jetzt ja gar niemandem wünschen, dass er weniger Geld verdient als der Median. Aber tatsächlich geht in Dubai oder Riyadh viel, viel mehr als in Berlin. Ja, da gibt es quasi mittlerweile einen ausreichend, gebildete Digitalschicht. Die gab es in den letzten zehn Jahren nicht. Die hat sich jetzt gebildet in den letzten Jahren. Es gibt ausreichend Startkapital. Es gibt große Unternehmen, große Marken, die sich dort bilden. Marken, die hier vielleicht gar nicht so relevant sehen. Und da kommen dann auf einmal Service-Konzepte zum Tragen. Die lassen sich hier gar nicht durchfinanzieren. Und dort spielt dann vielleicht teilweise auch Google gar nicht so eine große Rolle. Das ist schon spannend, da mal links und rechts zu schauen. Und ich hoffe natürlich, dass auch die Shoptalks da auch außerhalb des Tellerrands entsprechend speaker-sourced. Zumindest sah das auf der Webseite so aus, dass man da auch jetzt außerhalb der USA, außerhalb von Europa den ein oder anderen Speaker bekommt. Aber da kommen, glaube ich, eher Handelsinnovationen, die sich nicht mit dieser Scheuklappen denke, die wir ja aufgebaut haben in den letzten 15 Jahren. Wie kriege ich den Kunden günstig von Google oder von Facebook oder von Amazon auf meine Plattform? Das ist immer noch die prägende Denke im Onlinehandel. Und wie konvertiere ich ihn dann optimal? Und wie kriege ich das Paket möglichst günstig dahin und das Paket wieder günstig zurück? Und hoffentlich habe ich dann quasi mit dieser Transaktion in Summe Geld verdient. Und im Zweifel muss ich dann auf den Customer Lifetime Value umschwenken in der Kalkulation. So ist ja die Denkung. So denkt man in vielen anderen Märkten eben nicht.

Joel Kaczmarek: Aber ist es denn nachhaltig, was dahinter steht, wenn es im Prinzip nur darauf fußt, dass du Lohnungleichgewichte ausnutzt? Also so richtig zukunftsgewendet ist es doch auch nicht, oder?

Jochen Krisch: Ich würde sagen, das sind halt die Möglichkeiten, die sich bieten, die man nutzt. Und ich würde andersherum argumentieren, in den Entwickler in den Ländern ist jetzt ein unschöner Begriff, aber braucht es eben smartere Ansätze. Also weil man eben nicht auf billig Arbeitskräfte erstmal setzen kann. Aber das heißt ja nicht, dass nicht auch da Potenziale gegeben werden. Der Punkt, den Alex ja machen wollte, ist ja nur die Sichtbarkeit. Man sieht eben, dass es andere Herangehensweise gibt und man mehr Möglichkeiten hätte, als es den Anschein hat, wenn man nur auf die paar wenigen und dann auch nur auf die wenigen führenden Player guckt. Und eigentlich die bunte Handelswelt übersieht. Und ich erwarte mir, also da erwarte ich mir schon ein bisschen smartere Konzepte. Also nicht jetzt nur auf den Schultern irgendwie billiger Arbeitskräfte oder so das zu machen. Also deswegen, ich glaube auch durchaus jetzt dann, was mit Quick-Commerce war ja auch so eine Innovation, die jetzt kam, wo ich jetzt auch sage, das ist mal Handelsinnovation im Sinne von, wir wollen schneller die Kunden beliefern, die auch auf dem Rücken natürlich der Fahrer ausgetragen wurde. Aber das zeigt halt eben auch ein Beispiel. Und es zeigt auch, dass das ja durchaus ankommt bei den Leuten.

Alexander Graf: Und bleiben wir mal kurz bei diesem Beispiel, wenn man jetzt bei dem Thema Quick-Commerce die deutsche Lebensmittelhandelslandschaft sich anschaut. REWE kann das quasi nicht kontern, weil REWE eine Genossenschaft ist. EDK ist auch eine Genossenschaft, die können das aus den Märkten nicht kontern. Die sind extrem stark in ihrer Discount-Denke verhaftet und haben natürlich Angst, dass sie eine Serviceerwartung aufbauen, mit der sie kein Geld verdienen. Wenn man da mal den Blick einmal zum Mikros in die Türkei schwenkt, gehört nichts mit dem Mikros in der Schweiz zu tun. Die haben in allen ihren Ladenkonzepten angefangen, eigene Darkstores aufzubauen. Also der Laden bleibt offen, aber das Lager hinten wird ein bisschen größer und da sind alle Schnelldreher drin. Das heißt, du kriegst immer Mehl, Butter, Milch, Zucker in 15 Minuten oder in 25 Minuten. Wenn du mehr haben willst, wird es dann auf das Sortiment erweitert, dass auch im Laden gepickt werden kann. Da hast du dann entsprechend höhere Fehlpickquoten. Und die Lieferzeit steigt. Diese Art von Innovation, die ist jetzt noch nicht mal abhängig gewesen von der Verfügbarkeit günstiger Lieferfahrer. Da ist aber unser Handelskonzept so fest, das ist schon so ausgereift und so fest gerüttelt. Und bis da mal so ein Darkstore in der Rewe-Fiale in Gettorf und da ist genug Platz dafür. Das ist echt kein super Laden. Wir sind immer noch ein bisschen hinter dem Mond, was das Sortiment angeht. Also da fehlt eigentlich nur noch so ein großer Magieaufsteller über allen Suppen vom Flair. Aber das wäre total sinnvoll, sowas da aufzubauen. Das wirst du in vielen europäischen entwickelten Ländern halt so nicht sehen, weil es so viele Stakeholder gibt auf diese Fläche und diese Konzepte. Und es ist schon so festgerüttelt. Dann tun sich wahrscheinlich dann Märkte in der Türkei oder wahrscheinlich gibt es es auch in Rumänien oder Ungarn oder Polen. Ich meine, nicht umsonst ist die Rolig-Gruppe so schnell so groß geworden. Aber Rolig ist uns erst aufgefallen, als sie dann mit Knuspern nach München gekommen sind. Vorhin haben wir das gar nicht gesehen. Oder auch in Allegro. Riesiger Marktplatz in Polen. auch erst aufgefallen, als sie versucht haben, eigentlich so eine Expansion über die polnische Grenze zu machen. Und da muss man, glaube ich, mehr hinschauen, wenn man so Handelsinnovationen sehen möchte.

Joel Kaczmarek: Klingt ein bisschen nach klassischem Innovators-Dilemma, oder?

Jochen Krisch: Bei den Großen schon, tatsächlich. Also die Geschäftsmodelle sind natürlich auch so optimiert, dass man da ungern rangeht und eher verfeinert und das voranbringt. Aber als Beispiel, was wir jetzt noch gar nicht erwähnt hatten, eines meiner Lieblingsbeispiele aus Südkorea, wo man jetzt auch sagt, da ist der Lebensstandard auch schon vergleichsweise hoch, ist Coupang, die auch jetzt einfach erst durch den Börsengang und dadurch, dass sie sich englischer präsentieren und nicht mehr in Koreanisch, was man eben dann nennt, nur mit Google Translate irgendwie sich vergegenwärtigt, einfach zeigen, die sind aus einem One-Coupon-Klon. irgendwann mal und wie überall hat das Modell nicht mehr funktioniert und sind dann wirklich in die Liefermodelle erstmal eingestiegen und dann in die Handelsmodelle eingestiegen und bieten jetzt so eine einzigartige andere Möglichkeit, online zu bestellen, Produkte schnell zu bekommen. Und natürlich bauen sie das dann auch als Plattform, um andere mit reinzunehmen. Aber das ist wirklich nochmal ein Ich bin ja momentan so, eines meiner Themen ist ein bisschen die Amazons von morgen, weil man ja immer auch denkt, Amazon hat jetzt den Standard gesetzt und das ist das für alle Zeit. Aber Amazon hat ja auch extreme Probleme, jetzt mit der Zeit zu gehen und einfach für die nächsten Generationen attraktiv zu sein. Und da ist so ein Coupang für mich quasi die komplett vertikale, bis zur Lieferung, bis zur Haustür, mit Übernacht-Services, mit Retouren-Abholung, ohne Verpackung. Sie nennen es dann Rocket Delivery und Wow Service, also haben natürlich auch mit viel Buzzwords und allem versuchen sie das zu machen, aber das ist für mich so eine komplett andere Art und Weise, die Kunden zu bedienen und heranzugehen, also wirklich auch wieder ein lokaler Player, sie haben jetzt versucht so ein paar andere Länder zu gehen, das geht natürlich auch nicht von heute auf morgen, sie sind auch in Südkorea natürlich entsprechend gewachsen. Aber wo man wirklich mal, wenn man über den Tellerrand guckt, sieht, was möglich wäre. Und das ist auch kein Konzept, das auf Billigkräfte nur bauen kann. Also das profitiert so ein bisschen davon, dass Südkorea eben mehr von Metropolen lebt. Also in Metropolen kann man andere Konzepte fahren, aber dann würde ich mir das eben auch für London oder für Paris oder vielleicht auch Berlin, ist noch eher eine kleine Metropole im Vergleich dazu, wünschen. Also es können auch lokal verankerte Konzepte durchaus sein, aber da sieht man eben, dass es auch komplett anders gehen kann und dass die Standards einfach nochmal komplett andere sind. Also jetzt auch, wenn man mal Coupang mit Amazon vergleicht, das ist eine komplett andere Welt und Amazon müht sich so schnell zu liefern, das alles hinzubekommen. Aber Coupang hat ein Konzept dafür und hat es integriert und treibt das zunehmend voran und automatisiert das. Und das ist für mich auch ein smarterer Ansatz. Da wird mit Technologie gearbeitet, aber nicht Technologie, die eben da ist, irgendwie integriert, sondern wird versucht, Technologie zu finden, die einfach dieses ganze Verkaufs- und Servicemodell leichter und effizienter machen.

Joel Kaczmarek: Helft mir doch auch nochmal zu verstehen, also es klang jetzt sehr viel so, als wenn so das übergegriffene oder das darüberliegende Motiv ja eigentlich das Thema, also normalerweise hast du ja klassischerweise Kundengewinnung und Kundenreaktivierung, das ist ja der simple Handelsfaktor, den du hast. Ist es nur darauf zurückzuführen, dass quasi die meisten Händler irgendwie verschlafen zu verstehen, wo der Kauf stattfindet und wie ich quasi da in die Ansprache komme, so Stichwort TikTok-Video präsent sein, Social präsent sein, schnell drehen können bei manchen Sachen, schnell reagieren können, schnell verfügbar sein etc. Oder würdest du sagen, es ist doch noch mehr?

Jochen Krisch: Erstmal würde ich sagen, Kundenbindung. Also du hast es hier jetzt ein bisschen so rum. Gebindung und Reaktivierung sind so ein bisschen die negativen Effekte. Eigentlich Kundenbindung und dann Ansprache, Ansprache, Ansprache. Entweder Begeisterung über Serviceberatung, über Verkauf, also Inszenierung und diese Themen. Also das muss schon aus dem Händler herauskommen. Die anderen Plattformen bieten eine Möglichkeit, aber eigentlich sind es mehr Krücken und auch sehr teure Konzepte einfach, um das immer wieder zu machen. Also am besten sind natürlich die, die gar nicht darauf angewiesen sind. Und am allerbesten sind die, die selber dann so attraktiv werden, dass sie eben Zugkraft entwickeln. Und so wie in Amazon. Amazon ist ja ein bisschen aus der Not heraus angewiesen. Aber quasi die alternative Produktsuche geworden ist. Aber wir sind halt da auch noch auf der Suchebene. Wir sind nicht auf einer Inspirationsebene oder auf einer Verkaufsebene. Und dieses ganze Segment fehlt im Grunde noch.

Alexander Graf: Und man muss auch fairerweise sagen, wir sind jetzt hier in dieser Runde auch nicht schlauer als die meisten Händler. Also die meisten sind schon extrem clever, haben aber so viele Baustellen in so vielen Bereichen von Personal finden, laden, mieten, sagen Neubauprojekte, das ist kaum handhabbar. Und dann kann man natürlich den Vorwurf gelten lassen, dass es eine bestimmte Gruppe von Händlern gab, denen ging es halt langer Zeit sehr gut. Und die einzige Handelsinnovation, die die interessiert haben oder wo sie von geprahlt haben auf dem Versandhandelskongress war, Die Kundenkarte. Und was haben sie damit gemacht? Nix. Da konnte man Punkte sammeln und gab es am Ende des Jahres irgendwie noch eine individuell geschriebene Karte. Aber weder gab es individuelle Angebote, noch haben sie die Daten irgendwie in Echtzeit genutzt. Die wurden dann auf Monatsbasis ausgewertet. Da konnte man sagen, 40 Prozent meiner Kunden bestellen mit der Kundenkarte. Und von denen weiß ich auch ganz genau, was sie bestellen. Aber ich mache damit nichts. So, und diese in Anführungsstrichen sozusagen Faulheit, die wird uns natürlich bestraft, weil das übernehmen andere Händler einfach deutlich besser. Aber Händler sein in dieser Zeit und dann auch noch Händler mit physischen Assets, die ja nochmal eine komplette Dimension neue Probleme mit sich bringen im Vergleich zum Online-Handel, ist überhaupt kein dankbares Umfeld. Ich würde auch ungern Händler sein. Also vor allem möchte man jetzt nicht Händler sein aus einer schwachen Position, wo man die ganze Zeit in diesem Rückzugsgefecht ist und sich überlegen muss, okay, die Foodfrequenz sozusagen von meinem Laden sinkt. Online habe ich auch noch nicht richtig gemacht. Der Student, der mir bisher die Webseite gebaut hat, der kann das jetzt auch nicht mehr machen. Das ist so komplex. Nach vorne gerichtet, wenn ich einen richtigen, coolen USP habe und irgendwas, was die Kunden wirklich wollen, fair enough. Immer noch schwer genug, aber fair enough, da kann man eine ganze Menge machen. machen. Nach hinten gerichtet in der Verteidigungshaltung Richtung Amazon oder Otto oder Zalando oder was immer mein Wettbewerber ist, boah, das würden wir auch nicht besser hinbekommen als die meisten anderen Händler, die morgens um sechs aufstehen und irgendwie nachts mit Sorgenfalten um elf, um zwölf ins Bett gehen und dann flottern am nächsten Tag noch irgendeinen Amtsbrief in den Postkasten. Also das ist nicht dankbar.

Jochen Krisch: Das sehe ich genauso. Also ohnehin finde ich die Rettung und die zukunftsfähige Machung bestehender Konzepte immer schwierig. Also ich bin ja, insofern, ich kann es mir immer leicht machen, ich bin ja kein Berater, ich muss ja niemandem raten, was zu tun ist, sondern ich kann immer nur darauf hinweisen, welche Fenster tun sich auf, welche Möglichkeiten sind da. Und wir sind nicht smarter, da stimme ich dir zu, aber wir können die Latte höher legen. Und der Handel neigt immer dazu sehr zufrieden mit dem zu sein und freut sich dann schon, wenn eben ein paar Tech-Innovationen genutzt werden. Dann ist man so wieder auf der Höhe der Zeit und kann sich untereinander auf die Schulter klopfen oder zeigen, guck mal, was wir schon machen, was ihr noch nicht macht. Wenn auch vieles nur gesagt ist und gar nicht so in der Realität funktioniert. Aber ich glaube, was schon unsere Aufgabe auch ist, Potenziale aufzuzeigen und Möglichkeiten zu zeigen, wo eigentlich die Innovationspotenziale da wären. Und wie gesagt, ich will auch nicht als Technikfeind rüberkommen, aber ich würde mir mehr wünschen, dass der Handel die Technologieunternehmen antreibt, als wie es jetzt passiert, umgekehrt, dass die Technologieunternehmen und die Beratungsunternehmen den Handel antreiben und sagen, okay, da sind doch Sachen, das könntet ihr machen und so und so könntet ihr machen. Und das ist wirklich das Pferd von hinten aufgezäumt und das finde ich dann immer so schade, aber momentan gibt es auch kaum andere Möglichkeiten. Also Technologie ist halt weiter und sieht einfach schon mehr Möglichkeiten, aber nicht alles macht Sinn. Technologieunternehmen sind auch keine Handelsunternehmen, die haben ganz andere Kriterien, unter denen sie das verkaufen und jeder möchte halt SaaS-Modelle machen, damit er da einen Umsatz hat. Und wenn jeder das macht, dann kommt der Handler irgendwann nicht mehr auf seine Kosten. Das heißt, was ich auch spannend finde, zum Beispiel hier jetzt durchaus, dass immer wieder mal anklang auch, wie können alternativ Geschäftsmodelle jetzt auch auf Technologie-Seite aussehen? Und wie kann man es dem Handel leichter machen? Und es gab eine sehr spannende Logistik-Session auch gestern, wo ich mir gedacht habe, ja, Ich verstehe euch, ihr kommt nicht weiter, wenn ihr die bestehenden Prozesse im Handel optimieren wollt, sondern ihr müsst im Prinzip das selber zur Verfügung stellen und den Handel dafür begeistern, dass er diese dezentralen Logistikkonzepte, sind es meistens, oder Last-Mile-Services, dann eben auch nutzen will als Service. Also auch auf der Seite ist noch viel zu tun und insofern ist das schon eine spannende Phase, aber ich möchte einfach, mein Plädoyer ist wirklich einfach Ja, ein bisschen immer mal wieder zu sagen, nee, es geht nicht nur um Optimierung und mit dem vermeintlich auf der Höhe der Zeit zu sein. Im Grunde ist man nicht auf der Höhe der Zeit, wenn man T2C macht. und wenn man sich jetzt Gedanken macht, wie kann ich AI-Produktempfehlungen besser machen oder Jet-Services damit machen oder mal tolle Bilder machen. Das ist nur Mittel zum Zweck und der Zweck fehlt halt oftmals.

Joel Kaczmarek: Letzter Take, der mich für euch noch interessieren würde. Was haltet ihr denn für Fähigkeiten, die jetzt dann wichtig sind, wenn man eigentlich in diese innovative Denke kommen will? Ist es ein reines Technology-Play? Geht es da um Marktpositionierung, dass man sowieso verloren hat, wenn man eine gewisse Hypothek schon in der Bank hat? Was seht ihr als den Faktor, der jetzt wichtig ist?

Jochen Krisch: Wirklich Handelsdenke, Profilierung, Zielgruppenansprache. Wen will ich wie ansprechen? Ansprechen ist so neutral wie begeistern eigentlich. Also das muss Aufgabe des Handels sein. Verkaufen und Produkte, auch aller Weltsprodukte, möglichst attraktiv verkaufen. an die Leute zu bringen. Dann hat Handel einen Mehrwert und das braucht es eigentlich. Das andere ergibt sich dann daraus. Wie macht man das? und wie muss ein Interface aussehen? Wie muss generell die ganze Experience aussehen? Deswegen ist das für mich gar nicht per se ein Technologiethema, sondern eigentlich mehr die Vorstellungskraft zu haben, wie es auch sein könnte. Und bei allem anderen können einem dann wieder Leute helfen. Das ist gar nicht der Punkt. Deswegen fehlt mir so ein bisschen dieses Händler-Innovations-Gen. das in der Tat nicht technologiegetrieben ist, aus meiner Sicht.

Joel Kaczmarek: Sieht Alex genauso, nickt schweigend.

Alexander Graf: Grundsätzlich geht es um schlechter Verkauf. Ich habe das ja mal als Folie in meinem Vortrag. Was ist sozusagen die einzige Determinante, die erfolgt? Bestimmt ist die Anpassungsfähigkeit. Wer sich schneller an Kunden- und Marktnachfrage anpassen kann, gewinnt. Das ist oft getrieben durch Technologiefähigkeit, aber es mangelt nicht an Ideen. Ja, es ist ganz klar, wie man als Möbelhändler besser seine Leute bei TikTok anspricht, aber es fehlt die Fähigkeit, das dann in den Betrieb zu übersetzen. Es fehlt irgendwie die Kreativität daran zu glauben, wie kann ich den Leuten auf der Fläche das irgendwie beibringen. Dann wird dann doch lieber erstmal ein Beratungsworkshop gemacht und dann vielleicht doch mit echt einer Technologie eingekauft, aber die Leute kommen nicht so ins Machen. Aber für mich ist Anpassungsfähigkeit der Key. Wer sich besser anpasst, kann besser verkaufen und wer besser verkauft, gewinnt.

Jochen Krisch: Du kommst vom bestehenden Handel her. Ich bin die andere Fraktion. Mir geht es um Marktgestaltung, Zukunftsgestaltung, Gestaltungspotenziale finden und nutzen. Also gerne auch für Newcomer, Quereinsteiger oder wer auch immer. Das ist mein Thema eigentlich. Und dieses Gestaltungspotenzial ist so groß, weil man guckt immer nur auf das, was da ist. Aber Buzzword, Blue Ocean Strategie etc. Wirklich mal zu gucken, was jenseits dieses hart umkämpften, wettbewerbsgetriebenen Marktes noch da ist. Und da sich Konzepte zu überlegen, das ist nicht unbedingt was für den bestehenden Handel, also ich würde sogar sagen, also ohnehin nicht für den stationären etc. und für die Online tun sich auch schon schwer, sondern das ist für die eigentlich die nächste Generation des Handels, des Online-Handels, wenn man es dann auch so nennen will. Also weil ich natürlich auch sagen würde, das ist eine stark, also last mile getriebene Handelswelt wahrscheinlich dann. Für die ist das eigentlich der Impuls. Und da ich bin immer so dankbar, wenn dann wirklich mal so 20, 30-Jährige auf den Bühnen auftauchen, wo du einfach siehst, die kommen aus einer komplett anderen Welt. Und im Grunde würden sie anders denken, müssen natürlich das jetzt noch nutzen, was da ist. Aber da warte ich drauf, was die an Konzepten entwickeln und wie sich die den Handel von morgen vorstellen.

Joel Kaczmarek: Na gut, ihr beiden. Also ich habe gerade Lame Commerce hier als Titel übernommen von dir, Jochen. Und hatte viel Spaß mit euch beiden da mal ein bisschen einzutauchen. Es macht mich manchmal so ein bisschen depressiv, weil es so zukunftsschwarz wirkt, auch für den deutschen Marktbezug.

Jochen Krisch: Ich fand das jetzt sehr motivierend.

Alexander Graf: Ich muss sagen, es ist quasi nicht deprimierend für Deutschland, es ist eigentlich deprimierend für alle bestehenden Händler. Hier muss man mal ein bisschen differenzieren.

Jochen Krisch: Ich hoffe, dass es rübergekommen ist, dass das eine Motivationsausgabe werden sollte.

Alexander Graf: Absolut. Es geht in der ganzen Menge. Ich glaube, es wäre auch ein cooler Lackmustest für jede Aussage, die Handels-CEOs auf der Shop Talks treffen. Würde das ein Mitte-20-Jähriger auch so sagen? Würde der sagen, our heart beats in the stores? Würde das jemand sagen, der 25 ist? Wenn die Antwort ist, wahrscheinlich nein, ist es in der Regel auch keine gute Aussage.

Joel Kaczmarek: Okay, not bad. Also, ihr Lieben, mal schauen, was die Zukunft noch so bringt. Vielen Dank für den Moment und euch dann gute Flüge, wenn es hier nach Helsinki und Ost-USA wieder zurückgeht. Macht es gut, bleibt gesund.

Alexander Graf: Tschüssi.

Jochen Krisch: Danke, tschüss.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.