Corona: Gewinner und -Verlierer
26. August 2020, mit Joel Kaczmarek, Alexander Graf, Jochen Krisch
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen E-Commerce-Crossover-Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek. An meiner Seite, wie immer, unsere E-Commerce-Granten Alexander Graf und Jochen Krisch. Hallo ihr beiden.
Alexander Graf: Hallo Joel. Moin Moin.
Joel Kaczmarek: Seid ihr fit aus dem Urlaub wieder zurück? Oder hattet ihr überhaupt Urlaub? Ur-was? Sagt ja eigentlich der geneigte Unternehmer.
Alexander Graf: Fit auf jeden Fall und es ist weiterhin warm hier. Insofern bleibt das Urlaubsgefühl wahrscheinlich noch ein paar Wochen erhalten hier an der Ostsee.
Joel Kaczmarek: Wir wollen heute über ein spannendes Thema reden, wie eigentlich immer hier, denn wir werden Corona-Gewinner und Verlierer mal besprechen. Also wir schauen natürlich viel auch wie üblich oder weil es sich glaube ich anbietet im Benchmark zu Amazon, aber da wir einen der bestaussehendsten und erfolgreichsten Fondsmanager Deutschlands hier bei uns im Gespräch haben, dachten wir uns, dass es ja auch ganz spannend sein könnte, den Glore-Fonds, den Jochen mit seinem Team managt, mal als Benchmark zu nehmen, all dieweil dort sehr viele E-Commerce Unternehmen oder eigentlich ausschließlich E-Commerce Unternehmen versammelt sind, die, glaube ich, einen ganz guten Eindruck vermitteln, welche Branche funktioniert, wie und warum. Gibt es irgendwie bestimmte Marktsegmente, auch Asien versus Westen, die in Corona-Zeiten bestimmte Trends aufzeigen. Also ich glaube, da haben wir ganz viele Aufhänger. Und damit wir den geneigten Zuhörer und die geneigte Zuhörerin auch mitnehmen, lieber Jochen, wollen wir mal einen Einstieg machen, dass du mal den Glor ein bisschen vorstellst, so grob, was das ist, wie das funktioniert und was der Anspruch ist, mit dem ihr angetreten seid?
Jochen Krisch: Also den Fonds gibt es seit fünf Jahren, Global Online Retail Fonds. Da sind 42 Unternehmen drin. Wir haben gestartet eigentlich, als die ersten großen Börsengänge waren, 2014, 15. Da war wenig Auswahl. In der Zwischenzeit sind natürlich sehr viele Unternehmen an die Börse gegangen. Insofern haben wir jetzt große Auswahl und haben das auf 42 Unternehmen aufgestockt. Das Ziel ist, mal auf 50 zu kommen. Daran arbeiten wir noch. Wir versuchen, das so breit gestreut abzubilden wie möglich. Das heißt, alle Branchen, möglichst alle Regionen, unterschiedlichste Geschäftsmodelle, damit wirklich die komplette Branche abgebildet ist. Gerade in dem Corona-Quartal hat sich eben gezeigt, dass E-Commerce, der lange an der Börse unterbewertet war und wirklich abgestraft wurde, extrem geboomt hat und selbst die Tech-Unternehmen übertroffen hat. Doppelter Effekt, Nachholbedarf und einfach jetzt auch eine Gewisse Übereuphorie muss man auch sagen. Also alle haben jetzt natürlich den Onlinehandel entdeckt, weil man gesehen hat, das ist einfach das, was noch einigermaßen krisenfest war. Nicht, dass die nicht sich alle umstellen mussten, mussten natürlich auch in der Logistik und in ihren Bereichen umdisponieren, waren zumindest noch die sichere Bank, wenn man jetzt auf den Handel allgemein guckt.
Joel Kaczmarek: So und für den gelagerten Börsenlein, also muss man sich das wie so einen ETF-Fonds stellen. Man kann quasi, wenn man an der Börse spekuliert, in euren Glore-Fonds investieren und dann quasi an E-Commerce-Umsätzen partizipieren. Ist das richtig wiedergegeben?
Jochen Krisch: Absolut. Also der Fonds enthält die einzelnen Aktien wie ein regulärer Investment-Aktienfonds. Mein Job ist auszuwählen, welche Unternehmen kommen da rein und welche Gewichtung kommen die da rein. Und wir gucken einfach, dass wir eine Mischung hinbekommen. Die höchsten prozentualen Anteile, die wir reinnehmen können, sind 10 Prozent. Das heißt, selbst ein Amazon oder ein Zalando, die großen Unternehmen, werden nie stärker drin sein. Aber der Aktienfonds enthält dann diese 42 Aktien und das Geld wird entsprechend verteilt darauf.
Joel Kaczmarek: Und nach welchem Modus kuratiert ihr? Also ist das alles, was E-Commerce ist, eine gewisse Größe hat, börsennotiert ist, kommt da rein? Oder sagst du, du bist ein Kurator, der auf Strategien guckt? Wonach wählt ihr aus, wer da reinkommt?
Jochen Krisch: Alle die jetzt genannten Aspekte. Es muss eine gewisse Größenordnung haben, es muss die Strategie stimmen, es muss im Mix passen. Also zum Beispiel im Modebereich haben wir eine riesige Auswahl an Unternehmen, die man reinnehmen kann. Die sind natürlich dann tendenziell geringer gewichtet. oder da wählt man stärker aus im Food. Produktbereich, das ist gerade erst zu entstehen, da ist von Ocado bis Naked Vines, HelloFresh etc. alles drin und das wird nochmal entsprechend gewichtet.
Joel Kaczmarek: Gut, also um dem geneigten Hörer mal ein Gefühl zu geben, ich kann ja mal irgendwie so 10, 12 vorlesen, also in eurem Fonds was drin wie Wayfair, wie Etsy, auch Sachen, die ich ehrlich gesagt noch gar nicht so kannte, wie ein Boots, also B-O-O-Z-T, Shop-Apotheke, Zalando, Ocado, HelloFresh, JD, Schinewick, Amazon, also wirklich sehr, sehr vielfältig. Amazon und Ebay sind ja auch so Zahlen gewesen, die du in deiner Berichterstattung immer als Maßstab so nebenangestellt hast. Wie sind denn die beiden Player so gewachsen in Corona-Zeiten?
Jochen Krisch: Die Zahlen gab es jetzt gerade. Insofern ist das eine spannende Phase, weil man natürlich schon eine Vermutung hatte, dass es für die gut laufen würde. Und für beide ist es gut gelaufen. Also Ebay 29 Prozent Wachstum. Das ist das stärkste Wachstum, was sie seit Jahren, muss man sagen, hat. sehr profitiert davon und auch von der Strategie, dass sie eben den lokalen Handel eine Plattform bieten. Aber weit entfernt von Amazon, das mit 49 Prozent im Handelsgeschäft gewachsen ist, im Marktplatzgeschäft noch stärker. Insofern ist Amazon ein bisschen die Benchmark dann auch. Also wer über 49 Prozent war, kann sich freuen, kann sagen, er hat gewonnen. Marktanteile gewonnen. und wer drunter war und 49 Prozent ist schon wirklich extrem starkes Wachstum. Ich sage eigentlich immer, alles was Richtung 30, 50 Prozent geht, da muss man sich schon extrem reinknien, um dieses Wachstum zu managen. Und wenn man sich aber ansieht, ein Wayfair oder ein Etsy oder andere sind noch weitaus mehr gewachsen in dieser Phase. Man kann sich es vielleicht mal bei Amazon gut vorstellen, dass er schon hunderte von Milliarden an Umsatz macht. Was das bedeutet, wenn die da in diesem Quartal so zulegen, auf allen Ebenen.
Joel Kaczmarek: Alex, wie ist denn so deine Einschätzung? Also Amazon ist glaube ich nicht so verwunderlich, dass die wachsen, wenn man irgendwie von zu Hause bestellen in Corona-Zeiten gezwungen ist an einigen Stellen sogar, weil das ist ja so die Go-To-Adresse. Aber eBay sagst du ja immer eher so ein bisschen liebevoll ist das Karstadt-Galerier-Kaufhof sozusagen der Online-Welt. Wenn selbst die mitsteigen, ist das so ein bisschen so ein Phänomen von die Flut hebt alle Boote oder wie interpretierst du das?
Alexander Graf: Ja, also erstmal Ehre wie im Ehre gebührt. Also herzlichen Glückwunsch, Jochen, zu dieser Performance. Der ein oder andere kritische Stimme, die unter den Chloro 50 Beiträgen im Zeit-in-Commerce-Blog immer aufgetaucht ist, ist ja verstummt in den letzten Monaten. Das wundert mich so ein bisschen, aber so eine Vor-Performance muss auch gefeiert werden. Deswegen haben wir das heute als Thema. Ich bin immer hin und her gerissen. Natürlich ist diese ganze Börsenentwicklung total schwierig immer zu bewerten. Das kann man dann in zwei, drei Jahren mal machen. Rückblickend ist man dann immer viel, viel schlauer und kann das viel besser einschätzen. Ich finde aber jetzt diese Online-Entwicklung, das bestätigt sich eigentlich fast jedem Podcast, den ich auch aufnehme mit verschiedenen Unternehmern, zeigt ja für viele Geschäftsmodelle jetzt gerade so einen zwei, drei, vier, fünf Jahres Sprung. Alles entwickelt sich viel, viel schneller. Es wird zu deutlich geringeren Marketingkosten. Können Unternehmen jetzt Kunden gewinnen, weil die an ihrer Auslastungsgrenze sind? Sogar Amazon wird kolportiert, muss seinen Tag verschieben, bei dem sie ganz große Rabatte ausloben, weil sie gar nicht mehr die Kapazitäten haben. um diese Extra-Pakete rauszuschippen und das ist ja so ein bisschen Schlaraffenland des Online-Handels. Und jetzt einmal zu verstehen und auch mal so ein bisschen einzuwerten, welches dieser rasanten Wachstumsunternehmen hat da eigentlich eine nachhaltige Entwicklung hingelegt, welche wackeln eigentlich, warum sind einige Unternehmen nicht so weit vorne wie Alibaba, finde ich halt super spannend. Die Amazon-Zahlen wurden auch besprochen, gerade im Doppelgänger-IO-Podcast von Philipp Glöckner und Philipp Klöckner. Da fand ich es ganz interessant, dass Amazon ja vor ein paar Monaten erzählt hat, ja, sie müssen eigentlich alle Gewinne in Logistik investieren und Sicherheitsmaßnahmen, um da Corona-sensitiv da die Mitarbeiter zu isolieren. Wenn es noch nicht mal Amazon schafft, obwohl sie wirklich viel Geld ausgeben wollten und über 100.000 Leute eingestellt haben in einem für sie sehr, sehr guten. Arbeitsmarktumfeld, muss man dazu sagen, die ganze Kohle rauszudrücken, dann schaffen es die anderen ja auch nicht. Und es gibt halt viele Fragen, die ich auch heute im Podcast gerne mal besprechen möchte, unter anderem die Performance von Alibaba und natürlich auch so Top-Performer wie Wayfair, über die wir, glaube ich, ja auch schon mal in der Möbelfolge hier im Detail besprochen haben. Also es gibt schon einige Fragezeichen. In Summe freue ich mich natürlich für den Online-Handel, dass die meisten da gar nicht hinterherkommen. und ich freue mich tatsächlich, dass wir tatsächlich jetzt Jahre überspringen, da jetzt viele grundsätzliche Diskussionen über die Lieferfahrzeuge verstopfen, die Innenstädte und irgendwann wird da mal der Staat einen Riegel vorschieben, eigentlich sofort aufgehört.
Joel Kaczmarek: Damit wir es einmal sauber definiert haben, also wenn ihr jetzt gerade gesagt habt, Amazon um 49% gewachsen, Marktplatz noch mehr und eBay um 29%, das bezieht sich wirklich auf Verkaufsperformance. Es ist nicht Börsenwachstum, sondern es ist was dann Umsatz, Bestellung, Umsatz.
Jochen Krisch: Bei eBay Marktplatzvolumen, also GMV, Handelsvolumen, Amazon Umsatz.
Joel Kaczmarek: Gut, so und jetzt nehme ich mit, also Zeitraffer hatten wir, glaube ich, in unserer letzten Folge auch mal schon ein bisschen, dass die Zwangsdigitalisierung jetzt irgendwie einsetzt, weil halt der Markt sich in diese Richtung dreht. Was habt ihr denn sozusagen insgesamt mitgenommen? Also wenn wir mal top-notch anfangen, also wir haben jetzt gelernt, okay, Amazon, 940 Prozent, gibt den Takt vor. Wir haben schon unterschiedliche Branchen, glaube ich, alle im Kopf. Also wir können über Möbel reden, über Mode, über Food, Elektro, vielleicht auch den einen oder anderen Marktplatz oder mal so Universalläden wie halt eben in Amazon. Was sind so eure generellen Markttrends, die ihr beobachtet habt, was den Glor angeht in Sachen Wachstum?
Jochen Krisch: Also das eine ist immer die Börsenperformance. Ich glaube, da müssen wir jetzt gar nicht so drauf eingehen. Das andere, wir sind jetzt ja im Anfang August. Das heißt, die Quartalszahlen sind so gut wie komplett da. Zalando kommt erst noch, hat aber schon eine Aussicht gegeben. Food-Lieferdienste, das sind eigentlich die, die am meisten profitiert haben oder am meisten profitieren hätten können, wenn sie die entsprechenden Kapazitäten hätten. Da erwarte ich eigentlich auch, dass das sich extrem jetzt dreht in den nächsten, also ich würde vergessen, Nicht sagen fünf Jahre, sondern ein, zwei Jahre, dass einfach die Leute jetzt auf den Geschmack gekommen sind und die Investments entsprechend da sein werden und auch Lieferdienste so sich reorientieren, dass sie einfach diese schnellen Food-Lieferungen hinbekommen. Also da greift auch Amazon wieder ein, die Amazon Fresh umstellen. Aber wenn man sich ein HelloFresh anguckt, das jetzt zweimal seine Jahresprognose quasi in der Phase übernimmt. Das ist einer der extremen Profiteure. Die können es auch stemmen, weil sie natürlich über Paketversand in Anführungszeichen liefern. Ein Okado und andere, die über eigene Logistik liefern müssen, sind landunter und die sind immer noch landunter. Also die haben ja ihre Webseite dicht gemacht, glaube ich, das hatten wir in der letzten Ausgabe erwähnt. auch schon angedeutet, konnten einfach keine Bestellung mehr annehmen, konnten nicht mal die Webseite offen spielen, sondern konnten im Prinzip nur denen, die schon angemeldet waren, den Service im Rahmen ihrer Möglichkeiten anbieten. Das ist auch das, was Alex eben auch meinte, dieser mentale Sprung. Man weiß ja immer so, es ist mehr Potenzial da, als das, was jetzt schon abgedeckt wurde. Die Investments sind dann doch immer sehr vorsichtig. Also die erfolgreich durchgekommen sind. Man darf auch nicht verschweigen, finde ich, dass der eine oder andere auch pleite gegangen ist oder extreme Schwierigkeiten hat. Also Nawabi zum Beispiel im Modebereich nicht so gut durchgekommen, interessanterweise wie viele andere. Einen spannenden Aspekt finde ich zum Beispiel, wenn man sich anguckt, wie die Kapitalbeschaffung war jetzt in der Phase. So gut wie alle, die in dem Fonds vertreten sind, haben in irgendeiner Form Kapital sich beschafft. entweder über neue Aktien oder über Unternehmensanleihen oder über was auch immer. Und das ist ja auch etwas, was jetzt zu empfehlen war. Es gab jetzt günstig Geld, es war Euphorie da. Das heißt, jeder, der das gemacht hat, konnte sich jetzt Kapital besorgen, um sich für entweder Wachstum oder schlechte Zeiten zu rüsten. Das darf man ja auch nicht übersehen. Corona war jetzt eine Phase. Es kann jetzt ein wirtschaftlicher Einbruch kommen, ist der Onlinehandel auch nicht gefeit davor. Ich glaube, dass da der Food-Bereich am weitesten vorne ist und da werden wir sicherlich jetzt am meisten dann auch sehen, was da an Investments kommt und wie die Services dann aussehen, die wir dann in zwei, drei, vier, fünf Jahren nutzen können.
Alexander Graf: Dazu vielleicht noch eine kleine Anekdote, weil ich habe mit Udo Kießlich letzte Woche einen Podcast zum Food-Gewinner-Verlierer aufgenommen. Es ist ja nicht nur so, dass die Bestellungen limitiert waren, also die Anzahl der Auslieferungen, sondern weil es so schwer war, an Lieferplätze zu bekommen, hat dann auch Ocado ein Bestelllimit eingeführt. Also man konnte dann nicht mehr als 600 Euro oder 50 Items ordern, weil die Leute dann zu ihren Nachbarn gegangen sind und meinten, hey, ich habe ein Lieferfenster bekommen für Freitag, soll ich was für dich mitbestellen? Und ich finde, das ist auch eine super Indikation, was für ein Wachstum noch in den nächsten zwei Jahren eigentlich auf uns zukommt, wenn diese Lieferzeitfenster eben nicht mehr der Engpass sind und die Infrastruktur nachgezogen hat, die Lagerhallen, die Auslieferungen, die Elektrofahrzeuge. Die Nachfrage war ja schon da, da können wir nochmal zwei Jahre überspringen, locker.
Jochen Krisch: Ein zweites großes Thema würde ich vielleicht noch anbringen, wo man auch sieht, dass die ganzen Plattformstrategien jetzt aufgehen, dass man einfach gesehen hat, wie die Marktplätze boomen. Also ein Etsy plus 143 Prozent, ein eBay im Grunde Underperformer mit 29 Prozent, aber eine Boomphase und eBay war wirklich schon abgeschrieben für viele. Da sieht man halt auch eine Marktplatzstrategie, dass sich die nicht nur kundenseitig bezahlt macht, sondern eben auch sortimentsseitig. Das heißt, die, die nicht die Produkte selber sourcen konnten, hatten die Möglichkeit, dann eben von Partnern oder gerade jetzt von lokalen Händlern die Sortimente reinzunehmen und die Kunden noch zu bedienen, wo sie selber einfach unter Volllast waren. Am besten sieht man es eigentlich fast auch noch bei Zalando, die natürlich auch dann von boomenden neuen Marktplatzpartnern berichten, von boomenden Umsätzen auch in dem Bereich. Die stehen ja im Vergleich noch sehr am Anfang, was das Thema angeht. Ich glaube, das ganze Plattformthema in Kombination mit Services in dem Bereich wird nochmal extrem nachhaltig.
Joel Kaczmarek: Ich habe mir überlegt, auch mal den einen oder anderen, der vielleicht gerade erst eintaucht, in diese E-Commerce-Themen mehr abholen zu wollen. Kannst du vielleicht einmal ganz kurz zwei, drei Sätze sagen, was du jetzt als Plattform begreifst, was als Marktplatz und wie das gut verfangen hat in der Corona-Zeit? Ich glaube, das wird vielen, die gerade auch einstiegsmäßig vielleicht zuhören, sehr helfen.
Jochen Krisch: Ein klassisches Beispiel für Plattform ist Amazon, das nicht nur eigenen Handel betreibt, plus 49 Prozent, sondern eben auch noch Marktplatz anbietet. 52 Prozent, 53 Prozent waren das da, was die Serviceumsätze gestiegen sind. Fremde Händler können ihre Produkte auf den Marktplätzen anbieten und pushen. Für mich sind es immer zwei Themen. Einerseits Öffnung für fremde Partner und Sortimente und das zweite ist, Services anzubieten. Und in der Regel ist das immer Logistik-Service, aber auch andere Services, Vermarktungsservices und was auch immer. immer es da gibt. Zalando macht das jetzt auch seit fünf Jahren, aber hat letztes Jahr nochmal beschlossen, jetzt komplett darauf zu gehen. Machen das im Modebereich. Neben den Mischplattformen, sage ich jetzt mal, also die mit eigenen Sortimenten arbeiten und mit fremden Sortimenten, gibt es eben noch die Marktplätze wie Ebay, wie Etsy, die eben keinen eigenen Handel haben, sondern die nur als Vermittler anbieten. Ist dann noch ein kleiner Unterschied, aber für mich Plattform ist eigentlich schon sehr, sehr allgemein, fremden Partnern die Möglichkeit zu bieten, auf der Plattform zu verkaufen.
Joel Kaczmarek: Gut, also wir haben jetzt schon mal ein paar Einsichten ableiten können. Erstens, es gab viel günstiges Geld im Markt und es empfahl, sich die eigene Infrastruktur zu festigen. Zweitens, es ist extrem wichtig, seine Prozesse und eben besagte Infrastruktur gut im Griff zu haben, weil wenn die Nachfrage kommt, willst du sie ja auch bedienen können. Drittens, was du gerade gesagt hast, Plattformen und Marktplatzansätze haben da einfach sehr gut verfangen, weil man natürlich sein Angebot auch deutlich breiter aufbaut. aufstellen kann. Wir können ja jetzt mal ein bisschen konkret in deine Zahlen gehen. Also es gibt einen Artikel auf Exciting Commerce, der nennt sich die Glor 50 beenden das zweite Quartal bei plus 202,43 Punkten. Und da gibt es eine Infografik, da gibt es eine Übersicht, da sieht man alle eure Unternehmen, die ihr in eurem Fonds drin habt. Und wir können ja mal mit den Top 10 so ein Stück weit anfangen und die durchdeklinieren. Auf Platz 1 Wayfair, dann Redbubble, 3 ist Asos, 4 ist Etsy, 5 ist Pinduoduo, 6 Boost, Farfetch ist auf 7, Boohoo auf 8, AO World auf 9 und Zur Rose auf der 10. Und zum Vergleich, Amazon liegt bei euch auf Platz 27. Ja, also wenn Amazon der Benchmark ist, haben wir 26 von 42, die sogar noch besser performt haben. Das mal so als die Top 10. Was ist denn bei dir so rausgefallen als Beobachtung, wenn wir es vielleicht mal anfangen, auch sukzessive auf Branchen drüber zu legen? Was für Dienste haben sozusagen sehr gut performt. und warum?
Jochen Krisch: Der Grund ist nicht immer nur Corona, sondern Wayfair hat eine Entlassungswelle witzigerweise hinter sich, hat dann aber trotzdem extreme Umsatzrekorde gebracht und ist damit natürlich an der Börse in der Wahrnehmung wieder extrem gestiegen. Was wir gar noch nicht angesprochen haben, was er aber auch interessant findet, die Apotheken. Du hast Zerose auf 10 und Shop-Apotheke auf 11. Also die haben natürlich auch extrem profitiert. Geht immer so ein bisschen unter, weil alle nur auf Toilettenpapier geachtet haben, aber auch Medikamente wurden auf Vorrat gekauft. Da haben sich die Leute extrem eingedeckt, deswegen auch da extreme Umsatzsprünge. Die bereiten sich alle auf das E-Rezept vor, also es kommen ja auch noch so ein paar andere Themen dazu, deswegen stehen die relativ hoch im Kurs. Ich glaube, das andere sieht man auch. Mode ist halt dann nachträglich gekommen. Die waren am Anfang Leidtragende, weil die Leute natürlich andere Sorgen hatten, als sich einzukleiden, aber sind extrem dann auch nachgezogen. Aber es ist nicht ohne Grund, dass ein Wayfair da ganz vorne ist. Wir haben jetzt ein Home24 und Westwing nicht mehr drin im Fonds, aber auch die sind extrem gestiegen natürlich in den Umsätzen und auch in der Marktbewertung. Also klar, Home-Themen, Home-and-Living ist eins der großen Geschichten. Was auffallend ist, die Chinesen fehlen. Pindoro hast du genannt, das ist ein Gruppenkaufangebot, was extrem profitiert natürlich, wenn es um Schnäppchenjäger geht. Und da vorankommen ist ohnehin eins der Gründer. Überfliegerunternehmen in China, was besser bewertet wird inzwischen als JD und manche sehr etablierte Unternehmen. Also ist noch ein vergleichsweise junges Unternehmen dann auch, das eben durch das Geschäftsmodell performt. Aber wo ist JD, wo ist Alibaba, wo sind die anderen? Das ist eigentlich auch eine auffallende Geschichte.
Joel Kaczmarek: JD habt ihr auf 25 gerankt, Amazon ist auf der 27, Alibaba sogar auf 35, also deutlich schlechter. Hast du eine Erklärung dafür, warum die Asiaten hier gar nicht so weit oben auftauchen?
Jochen Krisch: Nein, also die haben im internationalen Bereich natürlich Schwierigkeiten gehabt. Also die haben ja alle das, in Anführungszeichen, schöne Modell, kleinen Händlern die Chance zu bieten, über den direkten Postversand in die Welt zu liefern. Und dieser direkte Postversand, der war halt stark gehandicapt. Deswegen haben die da in dem Bereich nicht so performt, wie erwartet. Chinesen sind ja immer so blumig in den Events, die sie dann kreieren. Und dann gab es Frühlingsgeschenke. bei Alibaba in der Phase, einfach wo sie wieder animiert haben und versucht haben, dann doch noch Zusatznachfrage zu generieren. Chinesen waren ja am weitesten vorne dran, was die Corona-Krise und alles angeht. Das heißt, da am Anfang gab es schon wirklich Einbrüche, kann man es gar nicht nennen, weil die Zahlen nicht so schlecht aussehen. Die Dynamik war nicht ganz so wie bei den anderen auch. Wird jetzt interessant sein zu sehen, weil so ein paar Themen es einfach den Chinesen, die international Fuß fassen wollen, schwierig machen. Postversand in den USA wurde zum 1. Juli eingestellt. Das heißt, Wish, AliExpress und andere müssen einfach jetzt andere Wege finden. Die Warenströme sind nicht mehr so einfach und das muss sich alles erst wieder einspielen. Und dann haben die Chinesen natürlich auch noch das Problem mit den USA, dass da alles gerade nicht politisch so willkommen ist. Also das sind so ein paar Gründe, warum die nicht so performt haben. Aber man kann jetzt nicht sagen, dass sie schlecht waren. Also ein Alibaba hat trotzdem Umsatzschub da gehabt und ist einer der Wachstumstreiber. Hat ja jetzt die Billionen an GMV-Umsatz auch erreicht. Das sind schon extreme Profiteure, aber die Börse mag sie halt nicht so.
Alexander Graf: Könnten wir vielleicht ganz kurz mal bei Alibaba bleiben, weil das frage ich mich schon so lange Zeit. Die wachsen ja mindestens so stark wie Amazon, wenn nicht sogar stärker, aber nur im Umsatz und nicht in der Börsenbewertung. Das ist ja fast eine Seitwärtsbewegung in den letzten drei Jahren. Eine Erklärung, die mir dazu getragen wurde, war, dass natürlich diese Holdingstruktur in China, wo man ja gar nicht direkt Anteil im Unternehmen, sondern nur in den Holdings hält, was natürlich anders reguliert ist als jetzt im Nasdaq oder im DAX. Liegt das wirklich daran, weil nach allem, was ich bisher gesehen habe, müsste ja Alibaba sogar überperformen, weil die haben jetzt mit verschiedenen Optionen auch die Möglichkeit, noch günstiger auf die Endkunden in Europa zuzugreifen. Die haben sich mittlerweile große Lagerlogistik aufgestellt. Also da korreliert die Umsatzentwicklung überhaupt nicht mit der Börsenkursentwicklung. Also das ist die Aktie, die da am weitesten auseinander driftet. Du als Top-Performer, Fondsmanager Nummer 1 hier in Deutschland, das ist ja eine einmalige Gelegenheit hier im Podcast. Was ist denn deine konkrete Erklärung vor allem zu Alibaba?
Jochen Krisch: Wenn ich Börsenpsychologe wäre, täte ich mich da sehr viel einfacher. Also vor fünf Jahren, als wir diesen Fonds gestartet haben, da lag Alibaba in der Bewertung vor Amazon. Das war ein fulminanter Börsengang. und muss man auch dazu sagen, Amazon hatte durch den Firefone-Flop und andere Geschichten auch gerade eine schlechte Phase. Inzwischen ist Amazon fünfmal, sechsmal mehr wert als Alibaba. Das hat nicht so viel, glaube ich, mit Performance und den E-Commerce-Themen zu tun, sondern hat mehr einfach auch mit der politischen Lage und mit solchen Geschichten zu tun. Also die Ich bekomme immer wieder Steine in den Weg gelegt. China ist ein Dauerthema, dass Leute an der Börse einfach nicht so sehr das Vertrauen haben in chinesische Unternehmen, wenn sie auch die Möglichkeit haben, in ein Amazon oder viele der anderen Unternehmen zu investieren. Man kann es ja auch andersherum formulieren. Alibaba ist sicherlich der Kandidat und so manche andere Chinesischen, die den größten Nachholbedarf haben, ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum da so ein großer Unterschied ist in der Bewertung. Man muss sich aber auch nochmal verdeutlichen, dass die Geschäftsmodelle andere sind, wenn man sich Amazon und Alibaba anguckt. Alibaba profitiert im Wesentlichen von seinen Provisionseinnahmen und den Serviceeinnahmen und ist natürlich im Umsatz in keiner Weise in so einer Region wie Amazon. Nur das GMV, das Handelsvolumen nach außen, das ist immens, weil sie einfach den größten Markt haben, den extrem gut abdecken. JD ist noch ein Konkurrent, Pindoro kommt jetzt als Konkurrent noch dazu. Muss ich auch mal die Dimensionen auch vorstellen, denn Pindoro zum Beispiel hat jetzt gemeldet auch 500 Millionen Nettoausgaben. Nutzer, Alibaba und JD ähnlich in den Hunderten von Millionen von Nutzern, also da können die wenigsten anderen eigentlich mithalten. Ich habe zwar vorhin gesagt, sie tun sich jetzt gerade schwer, international voranzugehen, aber ich glaube, wenn die international Fuß fassen, sind die einer der drei bei der nächsten Jahre. Ich glaube, auf diese Konkurrenz muss man sich einstellen. Das sieht man, dass die chinesischen Heldinnen, Händler, die bei Alibaba groß werden, auch auf den europäischen und amerikanischen Marktplätzen Fuß fassen und einfach da mit den Billigprodukten präsent sind. Noch ein Argument wäre, Alibaba ist AliExpress jetzt international gesehen und Alipay. Und wenn man sich guckt, was jetzt bei Alipay passiert oder Ant Financial nennen die das inzwischen, soll jetzt auch als nächstes an die Börse gebracht werden. Über den Payment-Bereich wird nochmal eine neue E-Commerce-Shopping-Plattform, also mobile Shopping-Plattform etabliert. Das ist für mich so eins der Themen, was jetzt als nächstes kommt. und wie viele Mobile-Player kennen wir jetzt hier bei uns, die da mithalten können. International sind es vielleicht PayPal in den USA natürlich gesetzt, die mit Venmo einen schönen Dienst haben, der auch mobilisiert. Super funktioniert. Das wären Claner, die das extrem vorantreiben, was noch nicht an der Börse ist. Und das wären Alipay aus chinesischer Sicht. Und wir müssen auch immer ein bisschen so denken, wir dürfen nicht so traditioneller E-Commerce und der geht jetzt dann international, geht global und wird dann mobile, sondern wir müssen schon auch sehen, welche neuen mobilen Services kommen da. Und da ist Payment weit vorne und ich schätze da Alibaba mit Alipay viel, viel stärker ein, als es eigentlich an der Börse jetzt gerade ist.
Alexander Graf: Aber wird dann Alipay ausgesplittet aus Alibaba? Profitiert quasi die Aktie von Alibaba, wenn Alipay an die Börse geht?
Jochen Krisch: Ja, weil es ist eine Beteiligung. Es ist keine Mehrheitsbeteiligung mehr, wenn ich das richtig habe. Aber so 40 bis 50 Prozent hält Alibaba an Alipay. Die haben das vor vier Jahren, 2014, 2015 ungefähr ausgelagert. Arbeitet so ein bisschen unabhängig, aber du hast es ja schon angedeutet. Also diese Strukturen da, Alibaba hat einen Ali Health an der Börse. Hat eine Logistiktochter, die zum Teil, ich glaube, die sind noch nicht ganz an der Börse, aber die auch Potenzial haben. Also Alibaba strukturiert sich da so ein bisschen anders zum Beispiel als Amazon, die das nicht aufschlüsseln. Alibaba versucht das als Beteiligung weiterzufahren und haben natürlich auch die Möglichkeit, dann zusätzliches Kapital reinzuholen. Alibaba verhehlt es ja auch nicht. Also die haben extreme Ambitionen. Also sie gehen immer von der Bevölkerung aus, die sie irgendwann mal erreichen wollen. Die sehen sich auch weiterhin ganz am Anfang. Wie gesagt, die haben Billionen an Handelsvolumen, das sie jetzt schon abgedeckt haben im April abgeschlossenen Geschäftsjahr. Das erste Unternehmen, das das jetzt erreicht hat, also nicht nur im E-Commerce, sondern generell, sehen sich aber einfach wirklich noch am Anfang.
Joel Kaczmarek: Alex, was ist denn sonst dein Blick auf die ganzen Unternehmen, die da in Jochens Liste stehen? Also hast du für dich so hauptführende Hypothesen abgeleitet, wer für dich Gewinner im Bereich Corona sind und wer eher Verlierer?
Alexander Graf: Diese ganze Diskussion rund um die Plattformökonomie hat ja so vor zwei, drei Jahren begonnen. Und ich glaube, jetzt schlägt es halt ein. Also da gebe ich Jochen total recht. Also die großen Plattformen, die in so einem Oligopol agieren, die sind Gewinner und bleiben auch Gewinner. Dazu gehört aus meiner Sicht auch ein Zalando, was da einen großen Teil des Fashionmarktes schon abräumt. Und immer noch niedrig bewertet ist im Verhältnis zum Umsatz und damit sicherlich ein Übernahmekandidat für die ein oder andere aufstrebende Firma aus den USA oder aus Asien. Ein paar Firmen sind für mich natürlich auch Nischen, von denen man jetzt nicht jeden Tag hört, wie so ein Boost. Das ist wahrscheinlich irgendwie für andere Märkte total bekannt, aber es ist wahrscheinlich so bekannt bei uns, wie About You in den USA bekannt ist. Also gar nicht. Und es gibt ein paar Unternehmen
Jochen Krisch: Skandinavier Kennens. Also vielleicht kurz, weil wir es jetzt mehrmals erwähnt haben. Boost ist ein skandinavisches Modeunternehmen, die da wirklich Marktführer sind und auch Zalando und Co. den Rang streitig machen.
Alexander Graf: Und es gibt halt so ein paar Unternehmen, bei denen ich ja auch mal selbst eine Analyse geschrieben habe, bei Kassenzone, zum Beispiel Farfetch, die ja auch als Plattform agieren, wo ich aber auch fünfmal drauf schaue, auf die Unit Economics nicht so richtig dahinter komme, wie das mal funktionieren soll. Die werden so von der Flut irgendwie alle gerade nach oben getrieben. Dazu gehört ja auch Ebay. Also klar hat Ebay ein gutes Jahr gehabt, aber keines der strategischen Probleme, was Ebay hat, wurde gelöst in den letzten fünf Jahren. Das Management-Desaster in der Führung ist immer noch da. Und da sehe ich natürlich, dass die Börse so ein bisschen entkoppelt von dem, was da in der realen Wirtentwicklung tatsächlich passiert. Aber ich habe keine neuen Hypothesen entwickeln während Corona. Ich finde halt, diese Hypothesen, die wir mal entwickelt haben, ja auch hier teilweise in der Runde, in den letzten zwei, drei Jahren, die werden jetzt eher bestärkt und befeuert. Und das natürlich in einem Tempo, was wir uns selber hier in der Runde nicht hätten ausmalen können. Diese Art von Wettentwicklung, diese Art von Nachfragesteigerung, dass das jetzt so schnell passiert, das haben wir größten Optimisten nicht gesehen. Es gibt ganz klar Bereiche und dazu 10 Lebensmittelhändler, Okado, Picknick und Co. Das hat jetzt für die zum Durchbruch verholfen. Da haben wir immer noch Online-Marktanteile von unter 2% in der Kategorie und die werden jetzt, glaube ich, die Infrastrukturen hochziehen können und Richtung 5-10% wachsen können in den nächsten Jahren. Aber ansonsten bin ich der Meinung, dass man halt sich jeden Wert anschauen muss. Warum gewinnen die Kunden? Warum bleiben die Kunden? Wie verdienen die eigentlich ihr Geld? Sitzen die noch auf einem Geschäft, bei dem sie selber stark ins Warenrisiko gehen? Also da ist zum Beispiel ein Okado-Beispiel, was natürlich das Wachstum hemmt. Rewe Online fairerweise auch. Die müssen halt Lager bauen. Die dauern alleine drei, vier Jahre, die zu bauen. Bis dahin haben wahrscheinlich Asset-Light-Anbieter deutlich schneller geholt, den Endkunden. Zugang, aber spannend finde ich halt, dass es auch ein paar Unternehmen gibt, die eben nicht so schnell wachsen, die nicht mitperformen können, die auch auf der Börse abgestraft wurden und der wäre natürlich jetzt E-Commerce-Geschäftsmodell wirklich so durchgeschüttelt. Aber ansonsten, um zurückzukommen auf deine Frage, also ich fühle mich in vielen Dingen bestätigt, bin aber auch ganz ehrlich überrascht über die Umsatz und über die Wertentwicklung sowieso.
Jochen Krisch: Vielleicht noch ergänzend ein Thema, was wir jetzt noch nicht hatten, aber was natürlich auch interessant ist, weil eben E-Commerce ja immer vorgewerfen wird, er könnte nicht profitabel arbeiten. Wie man sieht, dass das jetzt kippt und bei vielen, die haben nicht nur ein profitables Quartal, sondern streben auch einfach jetzt ein profitables Jahr an. Das heißt, jetzt sind einfach die Skaleneffekte dann so, obwohl die Kosten im Logistikbereich natürlich nochmal extrem zugenommen haben. Aber ein HelloFresh wird extrem profitabel landen. Ein Zooplus geht natürlich wieder an Profitabilität. Zalando hatte sich am Anfang extreme Sorgen gemacht. Die hatten ja schon ein Sparprogramm aufgelegt, haben aber einfach jetzt gesehen, die neuen Kunden kommen quasi von alleine, können sich dann eben auch profitabel arbeiten und das Geld wieder investieren. Du hast es am Beispiel von Amazon angedeutet. Fünf Milliarden Gewinn allein in dem Corona-Quartal bei vier Milliarden noch Zusatzinvestments in die Logistik. Da ist E-Commerce auch immer noch unterschätzt. Viele haben sich jetzt ja zurückgehalten und die Gewinne immer lieber investiert. Aber wenn die das Geld quasi dann auch ausschütten können. Auch das bestätigt ja nur, dass ich predige es schon ewig. E-Commerce, der eine gewisse Größenordnung hat, hat sämtliche Möglichkeiten. Deswegen auch, wenn wir am Jahresende sprechen werden oder Anfang nächsten Jahres, werden wir einfach sehen, dass das auch unterm Strich ein extrem erfolgreiches Jahr für die führenden E-Commerce-Player werden wird.
Joel Kaczmarek: Gut, so und jetzt haben wir ja gesagt, wir wollen über Corona-Gewinner, aber auch Verlierer sprechen. Also wir nehmen schon mal mit, Gewinner waren vor allem viele Fashion-Firmen, vielleicht auch ein bisschen nachgelagert. Dann hast du gesagt, das Thema Gesundheit, sprich Apotheke, also Doc Morris zum Beispiel ja auch mit Zorroze, hat sich ja gerade eingedeckt mit Teleklinik. Also da sieht man ja, dass diese ganzen Trends jetzt, E-Rezept und so weiter auch zunimmt. Fashion, Gesundheit, Food, ein Stück weit Möbel. Also Möbel hattest du ja irgendwie mit Wayfair ganz oben mit den Besonderheiten. Darum sollten wir jetzt auch mal ein, zwei Bereiche sagen, wo wir vielleicht Verlierer haben. Also wo die Frage ist, sind das Branchenzweige oder sind das sozusagen individuelle Fehler? Weil wenn ich jetzt zum Beispiel mal schaue, Amazon habt ihr in eurem Ranking auf Platz 27. Darunter finde ich Bückhammer, Suplass, Prosius, VIP-Shop, Chewy, Sinova, Rakuten, Alibaba, Seku und Ruhn. Habt ihr irgendwie für euch eine Theorie entwickelt oder so Ableitungen getroffen? Sind es immer Individualgründe, dass die jetzt unter dem zugegebenermaßen hohen Benchmark Amazon performen? oder was ist da der Anlass?
Jochen Krisch: Das hat immer so eine Mischung aus Börsenbewertung ist halt Börsenbewertung und Umsatz- und Performance-Strategie ist das andere Thema. Deswegen sind ein paar Unternehmen drinnen, die jetzt unten sind, die aber vorher schon gut gelaufen sind. Also so ein Prosos ist durchaus hoch bewertet. Prosos ist, die wenigsten werden es kennen, eine Nespas-Tochter, quasi eine Holding, die viel an Food-Unternehmen beteiligt ist, die auch Beteiligungen hat in Afrika und in Ländern, die einfach sonst nicht so dominierend sind. Im Grunde ist schon die Modebranche eine Verliererbranche jetzt in dem Bereich, wenn man guckt, wie Möbel geboomt ist, wie Food geboomt ist, wie andere Bereiche geboomt sind. Oder Amazon hat sich ja bewusst dann auch umgestellt auf Essentials. Die haben ja bewusst gesagt, wir nehmen die Produkte, die einfach jetzt nicht so relevant sind, zurück und setzen auf die, die die Leute einfach für den täglichen Bedarf brauchen. Jemand, der die Möglichkeiten hatte, wie ein Amazon oder wie ein Universalversender, hat sich da extrem drehen können. Natürlich auch andere enttäuscht, weil die Partner, die die restlichen Produkte verkauft haben, also die Marktplatzpartner, sind natürlich dann unter die Räder gekommen. Andersrum ist es nochmal interessanter, dass selbst zum Beispiel Personalisierungsdienste gewonnen haben. Also Redbubble haben wir ganz vorne gehabt. Zum Teil auch, weil Geschenke eben nicht im Laden gekauft werden konnten. Ich habe es im ersten Moment nicht verstanden, weil ich mir gedacht habe, wer hat jetzt Lust auf personalisierte Produkte in so einer Phase, wo es eigentlich ganz andere Themen gibt. Aber das ist eigentlich durch die Bank zu hören, dass die extrem performt haben. Wir würden da jetzt, wenn wir in die negative Liste gehen, das ist auf hohem Niveau, wo man da in Anführungszeichen jammert und im Grunde ist, ist eBay auch ein großer Verlierer in dieser Phase. Also die hätten auch Richtung Verdoppelung gehen müssen, wenn sie ihre Probleme gelöst hätten und so aufgestellt werden, dass sie einfach auf dem Markt für etwas stehen. Denn eBay zum Beispiel hat natürlich dadurch profitiert, wenn andere Engpässe hatten, dann nimmt man auch die, die man vielleicht sonst nicht nutzen würde. Was ich so höre aus der Branche zum Teil, aber auch aus dem Familienbekanntenkreis, dass die Leute ja zum Teil ein Unverständnis haben, die können sich gar nicht vorstellen, unter welcher Last jetzt die Online-Händler waren, um die Lieferungen zeitnah rauszubekommen, um. Wir waren dann zum Teil extrem enttäuscht, wenn es halt mal drei, vier, fünf oder ein, zwei Tage oder ein, zwei Wochen länger gedauert hat. Das sind natürlich auch so Dinge, wo die Leute dann sehr schnell dabei sind, okay, dann, wenn Amazon eben nicht kann, wenn der Land unter ist, dann gehe ich zu eBay. Außer Boohoo gibt es keinen großen Verlierer. Und Buhu hat deshalb verloren, weil Berichte einfach erschienen sind, dass die Arbeitsbedingungen unterirdisch sind. Buhu ist ein Billigmode-Versender mit extrem guten Kennzahlen, jetzt wenn man es aus reiner Börsen- und Finanzsicht betrachtet. Der Ruf hat extrem gelitten, wenn dann bekannt wird, dass die Leute einfach unter unwürdigen Arbeitsbedingungen produzieren. Das war zum Beispiel der Grund, warum Buhu jetzt auch relativ weit unten steht.
Alexander Graf: Kann ich Jochen hier gleich mal das Konterargument, was ja von den Freunden des gemauerten Handels oft dann genannt wird, nennen? Und zwar, es gibt viele Kunden, die jetzt zwar kurzfristig in den Online-Handel gewechselt sind, weil ihr Lieblingshändler vor Ort, Esprit oder wer auch immer, gerade geschlossen hat, aber die werden dann wieder zurückkommen. Das heißt, viele der neu gewonnenen Kunden werden in Zukunft Leichen sein in diesen Datenbanken. Was sagst du denn diesen spannenden Argumenten?
Jochen Krisch: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich würde wahrscheinlich auch so argumentieren. Aber das Thema haben wir jetzt ein bisschen ausgespart, weil wir uns sehr auf den Fonds konzentriert haben. Aber wenn wir uns mal angucken, was passiert denn jetzt bei Zara zum Beispiel, bei Douglas, bei den großen Stationären. Und Zara hat ja online extrem profitiert, was mich ein bisschen überrascht hat. Die haben aber gleichzeitig auch beschlossen, wir müssen jetzt tatsächlich endlich Filialen abbauen. Bei Douglas gibt es ein ähnliches Restrukturierungsprogramm. Die haben sich lieber jemanden von außen reingeholt, der hat die unangenehmen Aufgaben erledigt und sich überlegt, wie viele Filialen müssen wir denn einfach jetzt reduzieren. Und selbst die sagen, das ist nicht mehr aufzuhalten. Also die Leute, die jetzt online auf den Geschmack gekommen sind, die werden das weiter machen. Und die andere, die dem stationären Handel ja immer noch das Leben viel schwerer macht, ist, dass die Leute keine Lust auf Innenstädte haben. Dass es einfach zu unbequem ist, mit Maske da einzukaufen. Dass man nicht mehr dieses Shopping-Bummel-Moment da hat, weil es gar keine richtigen Spezialitäten Spaß macht. Und deswegen sind die alle extrem enttäuscht jetzt gewesen. Die hatten ja die Hoffnung, alles wird, sobald geöffnet wird, wieder so wie vorher. Und jetzt sind die Umsätze halt doch 20, 30, 40 Prozent zum Teil unter den vorherigen Umsätzen. Da sich das Corona-Problem nicht so schnell löst, wie viele gehofft haben und wie man das vielleicht erwartet hatte. Die einen, die sehr große Hoffnung haben, schleichen der Prozess. Für andere, Douglas, Zaras, zum Teil auch Media Saturn, haben es erkannt, müssen schließen und andere sind gezwungen worden. Karstadt Kaufhof zum Beispiel, die Die mussten ja in die Insolvenz gehen und haben jetzt extrem nochmal an Standorten reduziert, die aber auch Doppelstandorte haben. Also das war vorher schon da und war jetzt nicht unbedingt ein Corona-Thema. Aber das lichtet sich alles sehr und je mehr sich das lichtet, umso unattraktiver wird das natürlich auch alles, kann da nicht sehr viel Trost spenden.
Joel Kaczmarek: Was ich gerne mit euch nochmal besprechen würde, also Buhu, was du eben angesprochen hast, ist bei dir auf Platz 8 und Amazon, wie gesagt, Platz 27. Aber valider Punkt, wir müssen natürlich immer beachten, Börsenbewertung ist quasi immer subjektiv, muss nicht den Fakten entsprechen. Also interessant, dass ich jetzt von dir mitnehme. Fashion ist Licht und Schatten, weil deine Top 10 sind ja sehr stark auch Fashion durchzogen, also Asos ist irgendwie dabei, Boost, Farfetch oder auch Etsy hat ja einige Fashion-Anteile. Was mich aber noch beschäftigt, sind Tiernahrungsanbieter. Über die wollten wir ja eigentlich geredet haben, dann kam Corona, dann haben wir unser letztes Corona-Special gemacht und jetzt ist Postsommer zweite. Wenn ich mir in eurer Liste mal angucke, so einen Suplus hat man auf 29, einen Chewy auf 32, Fressnapf ist natürlich nicht mehr drin. Wie beurteilt ihr die denn? Gibt es da irgendwie einen Grund, dass man da langsamer wächst als auf Amazon? Ist ja eigentlich ein ähnlicher Case, oder? Müsst ihr eigentlich so Supermarkt-ähnliche Zyklen haben, hätte ich gedacht.
Jochen Krisch: Umsatz hat sich auch, ist aber nicht das Coolste. Zooplus ist immer hinterher und verkauft sich an der Börse einfach super schlecht. Die haben ihre Umsatzzuwächse gehabt, sie haben ihre Prognosen fürs Jahr erhöht, sie mussten zum Teil auch Backlogs abarbeiten, haben zum Teil auch keine neuen Kunden annehmen können. Im Prinzip Zooplus ähnlich. Ähnlich wie Ocado, wie Shop-Apotheke, wie die ganzen, die einfach Produkte des täglichen Bedarfs abdecken. In der Börse halt nicht so wahrgenommen. Also wirklich ein extremer Nachzügler. Chewy ist der Fall ein bisschen anders. Super hoch schon bewertet, extrem gestiegen, auf ähnlichem Niveau bewertet wie ein Wayfair, obwohl es nicht annähernd den Umsatz hat. Deswegen ist es jetzt in dem Corona-Quartal auch nicht so stark gestiegen. Deswegen ist es da ein bisschen hinter. Aber das ist noch ein Unternehmen, was eben auch 60, 70, 80 Prozent Umsatz plus macht. Muss man noch als junges Startup bewerten, was noch in der Aufbaufase ist. die ja in der Ostküste gestartet sind und jetzt langsam eigentlich erst in Marktentwicklung Richtung Mittlerer Westen, Westküste. Also an der Börse sind es nicht die Überflieger, aber umsatzseitig bemerkenswerte Zahlen.
Joel Kaczmarek: Was ist denn sonst mit Elektronik eigentlich? Also wir haben natürlich sowas wie Seconomy auch nicht mit drin, Notebooks billiger, Cyberport, Galaxus. Wir haben ja auch über Thomann zum Beispiel intensiv schon in der Vergangenheit geredet, was jetzt natürlich sehr spezieller Player ist. Beobachtest du die so ein bisschen und hast da auch irgendwie einen Trend, den du zu Corona-Zeiten jetzt ablesen kannst?
Jochen Krisch: Ja, also die sind jetzt nicht die Überperformer, aber dadurch, dass wir alle ihre Homeausstattung brauchten, also in diesen Kategorien, hat das extrem gut funktioniert. Muss man aber auch sagen, Mediasaturn ist natürlich da auch online extrem nach oben gegangen, weil eben die Filialen nicht geöffnet hatten. Man kann nichts nicht sagen, dass die zu den Notleidenden in irgendeiner Form kommen. Und wenn dann immer nur aus Kostengründen, dass einfach Logistik größer wird. Social Distancing ist natürlich, wenn du weiße Ware lieferst, nochmal ein anderes Thema, wenn du den Kühlschrank nur vor die Tür stellen kannst und nicht reinliefern, auf AO bezogen jetzt zum Beispiel. Und AO ist ein Kandidat, die sind zwar jetzt relativ weit oben, weil sie wirklich abgestraft waren. an der Börse. Bei denen klappt es halt in Deutschland nicht so, wie sie sich das vorgestellt haben. Dafür läuft es aber in England vergleichsweise gut. Und wenn man jetzt sich da zum Beispiel anguckt, Carver und Dixons, die als Mediasaturn in England, muss extrem entlassen und Filialen einstampfen. Davon profitieren natürlich auch solche Unternehmen.
Joel Kaczmarek: Ich meine, wobei ich auch nachgedacht habe, mal ein paar Firmen zu betrachten, die nicht in eurem Fonds drin sind, weil sie manchmal nicht an der Börse sind oder weil ihr sie halt dort nicht mit aufgenommen habt. Ich meine, viele davon sind auch stationär, weil als du vorhin so die Innenstädte erwähnt hast, habe ich auch darüber nachgedacht. Zum Beispiel so ein Vielmann ist mir irgendwie eingefallen oder auch so diese Thematik, die Audibene bespielt mit Hörgeräten. Also das ist natürlich auch sowas, wo ich mir vorstellen könnte, pusht das irgendwie einen Mr. Spex jetzt oder eben einen Audibene, dass gerade ältere Menschen nicht mehr so gerne in die Innenstädte gehen wollen. Douglas kam bei mir auf, H&M, Ikea. Hast du so einen groben Trend, den du siehst bei stark stationär geprägten Unternehmen, die gerade in diesen Innenstädten sind, die jetzt ihre Probleme haben? Also Zara war dein Beispiel, dass die nachgezogen haben. Aber was ist so mit den anderen Anbietern, die man da sonst noch in so einer Fußgängerzone sieht? Oder vielleicht, was würdest du auch tun, wenn du jetzt so diese Gewinner-Verlierer-Denke vor Augen hast?
Jochen Krisch: Wollte ich gerade sagen, da kann Alex noch ein bisschen was dazu sagen. Aber im Grunde, wie wir es auch in der letzten Ausgabe gesagt haben, die, die online gut aufgestellt waren, für die lief es gut, die kamen durch. Das Bittere ist nur immer, online fängt nicht auf, was stationär verloren geht, wenn du deine Filialen schließt. Aber sie konnten Geschäfte machen, sie konnten ihre Kunden bedienen, sie konnten auch signalisieren, auf uns ist Verlass, in Anführungszeichen. Und andere, die da eben das versäumt haben, für die ist es ein Debakel. Die müssen dann halt auf Ebay oder auf Amazon gehen. Für mich immer so eine halbe Bankrotterklärung. Klar, du bekommst da die Nachfrage und du kannst deine Produkte entsprechend absetzen. Aber wer es einfach nicht schafft, seinen eigenen Kundenzugang online zu haben und das hinzubekommen. Wenn du einen Vielmann ansprichst, jahrelang, nein, online entspricht nicht unseren Qualitätsmaßstäben. Das machen wir nicht oder machen wir erst dann, wenn es auch möglich ist. Ist natürlich fatal in so einer Phase, wenn du nur online hast. Und dann ist natürlich ein Mr. Specs vorhanden. fein raus, die zwar jetzt auch in Filialen bestimmte Services anbieten, also mit Partnern meistens, aber die natürlich das Geschäft im Prinzip auch online abwickeln können. Der Rat ist derselbe wie das letzte Mal. Das ist so kurzfristig nicht zu lösen. Man muss da wirklich sehr schnell den Fokus auch darauf legen, dass man zumindest die Chance hat, aus diesem Tal wieder rauszukommen.
Alexander Graf: Ich habe hier quasi unser Gespräch hier direkt nochmal gepostet. Auf LinkedIn hat der Stefan Waldeis gefragt, gab es aus eurer Sicht Händler und Marken, die wirklich Innovationen in den letzten Monaten gezeigt haben? Mir ist jetzt gar keine richtig eingefallen, aber eine Innovation gab es aus dem Servicebereich und das ist Gorillas aus Berlin, also Lieferung innerhalb von 15 Minuten. Und ich glaube, das ist ein Aspekt, den viele Nachzügler im stationären Verfangen sind, viele unterschätzen. Also es reicht ja eben nicht mehr aus, einen Online-Shop zu launchen, sondern dieses Service-Niveau, was dazugehört. Also sei es Callcenter, Lieferung, Retouren, vieles mehr. Das ist ganz schwer, infrastrukturell da nachzuziehen. Also die Entwicklung hört ja nicht auf bei Amazon und About You und Co. Die investieren ja sehr, sehr viel in diesen Service-Bereich rein. und das Thema taggleiche, stundengleiche Lieferungen, das wird sicherlich in den nächsten Jahren eines der spannendsten Investitionsthemen werden. Ich Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch ein About You vielleicht in Hamburg mal anbietet. Das fällt natürlich jetzt einem Vielmann oder anderen Unternehmen so ein bisschen auf die Füße. Wenn man nicht die Lagerinfrastruktur hat, wenn man nicht die Lieferinfrastruktur hat, dann kann man mit den großen Plattformen irgendwann nicht mehr mithalten. Dann hat man zwar vielleicht einen schönen Online-Shop, aber das ist für den Kunden dann einfach nicht mehr ausreichend. Und das macht halt diesen späten Eintritt ins E-Commerce, das macht es halt immer schwerer.
Jochen Krisch: Innovation war gar nicht das Thema, sondern was spannend war zu sehen, die Improvisationsfreude. Mein Lieblingsbeispiel ist da eigentlich Coop at Home in der Schweiz, die einfach auch unter Volllast waren, was ihren Lieferservice angeht, die einfach dann gesagt haben, okay, unsere Top 100 Produkte, da mieten wir ein separates Lager an, klassisch über Paket. Solche Maßnahmen sind ergriffen worden und trennen sich bei mir auch immer die Sprache. Spreu vom Weizen, was jetzt die Online angeht, ob die solche Chancen nutzen können, ob die da kreativ sind, Ideen finden, wie sie einfach diese Zusatznachfrage, das Zusatzinteresse abdecken können oder ob sie auch so sehr in ihren Prozessen drin sind, dass sie erstmal Land unter sind und gar keine Möglichkeit haben, da irgendwas Neues auszuprobieren. Ich nenne es deshalb als Beispiel, weil es ja auch ein etablierter Anbieter ist. Also es ist jetzt nicht irgendwie ein hippes neues Startup oder so, sondern Coop at Home ist einer der zwei großen Lebensmittelanbieter in der Schweiz. Das fand ich bemerkenswert, also solche Initiativen.
Joel Kaczmarek: Ich musste gerade an Rosebikes denken, die wir auch kürzlich im Podcast hatten. Den Markus, der auch erzählt hat, sie haben irgendwie teilweise Beratungen über WhatsApp gemacht oder haben so eine Art Shopping-TV über Instagram, haben sich irgendwie einen Bulli gekauft, haben ihren Kunden die Fahrräder nach Hause gefahren zum Testen. Also er sagte, sie haben damit extrem positive Erfahrungen gemacht. Aber ich habe für mich auch so ein bisschen mit der Frage gekämpft, das kann ja nicht, ich glaube, Bocholt ist ihr Geschäft, in dem Maße rausreißen. Ich habe ihm auch viel gefragt zur Skalierbarkeit. Deswegen wäre so meine abschließende Frage an euch beide. Wenn ihr jetzt Gewinner, Verlierer anschaut, Was wären so eure Handlungsempfehlungen für die Zukunft an Unternehmen da draußen? Ist das quasi eins zu eins dasselbe, was wir beim letzten Mal gesagt haben? Oder habt ihr noch Einsichten hinzugewonnen noch?
Jochen Krisch: Na, jetzt sind die Zahlen raus. Da bin ich natürlich noch viel optimistischer und euphorischer. Mein Thema ist ja ohnehin Großdenken und sich überlegen, wo stehen wir in fünf Jahren? Corona ist jetzt nur ein Anlass oder vielleicht ein Katalysator. Das Marktpotenzial muss man sich vor Augen führen. Was ist 2025? Was ist 2030? Wie werden die Strukturen aussehen? Mit welchen Strukturen kann ich erfolgreich haben? Wo sind die, die Nachholbedarf haben? Wie kann ich das für mich ausnutzen? Und Marken haben Nachholbedarf zum Teil auch, weil sie den direkten Kundenzugang nicht haben. Also auf diese Themen kann man setzen. Die Lieferinfrastruktur, letzte Meile. Wir haben Mobile als Thema. Also man darf sich da durch Corona auch nicht zu sehr beschränken, jetzt auf eine reine Wie-kommen-wir-durch-Corona-Sicht, sondern wir haben schon diese übergreifenden Potenziale da, dadurch, dass alle jetzt also Online zumindest, so gut durch die Krise gekommen sind, ist das eher mein Plädoyer, da sich nochmal zu vergegenwärtigen, was denn für Potenziale da sind und wie man die nutzen kann. Dezentrale Logistik ist gerade mein großes Lieblingsthema. Ich glaube, wir gehen vom Zentrallager weg hin zu einer Dezentralerin, die auf der letzten Meile dann eben schnelle Lieferservices erfordert. Das sind alles so Themen, die man jetzt angehen könnte, sollte.
Joel Kaczmarek: Graf, du bist so still sowieso diese Folge. Du bist doch immer der Verfechter von Innenstädte. schließen und begrünen.
Alexander Graf: Das machen sie ja auch. Die Empfehlungen sind natürlich je nach Zielgruppe immer ein paar andere. Reden wir quasi über Händler, die noch stationär sind, reden wir über Online-Händler, reden wir über Unternehmer. Ich glaube, es ist immer noch eine perfekte Zeit für Unternehmer, weil der Markt noch ein bisschen schizophren agiert. Es gibt natürlich eine große Legacy, die an dem stationären Handel festhält, der noch 90% oder 85% Prozent der Handelslandschaft aufmacht. Da wird irrational viel investiert und das erzeugt halt so Arbitrage-Möglichkeiten für Unternehmer. Das ist extrem cool. Also ich glaube, es macht für jeden Sinn, der sich gerade fragt, was soll ich irgendwie tun, wenn jetzt meine Litfaßsäulen, die ich bisher gebaut habe, nicht mehr funktionieren. Da gibt es digital jetzt viele Potenziale. Für Händler bleibt die Empfehlung, am Ende des Tages geht es darum, besser und schneller sich anpassen und adaptieren zu können, als der Wettbewerb das kann. Und das bedeutet am Ende des Tages darin, einfach ins Tun zu kommen. Dann hat auch ein Händler, der vielleicht noch nicht so stark online war bisher oder der vielleicht noch in der Nische unterwegs war, riesige Chancen. Es gibt so große, riesige, gigantische Märkte. und diese Übernachfrage, die nicht erfüllt werden konnte, die zeigt ja, dass das Potenzial ja noch viel größer ist. Das wird in den nächsten Jahren noch so weitergehen. Deswegen gucke ich da extrem positiv in die Zukunft für Unternehmen, die sich das leisten können, da mitzuspielen und auch handeln können. Und sehr pessimistisch eigentlich in die Zukunft für Unternehmen, die jetzt aufgrund ihrer Stationär-Legacy in so einen künstlichen Kostenmodus kreieren. Und das ist natürlich auch doof für eigentlich starke Online-Geschäfte wie bei Douglas, weil dann kann so ein Unternehmen ja nicht in sich trennen. Eigentlich müsste ja Douglas das Online-Geschäft ablösen vom stationären Geschäft. Dann kann das, glaube ich, schon ein globaler Champion werden für diese Kategorie. Aber wenn du halt parallel noch immer die Filialen mitmanagen musst oder runtermanagen musst, dann bremst das, glaube ich, das Unternehmen total aus. Und da habe ich dann nicht so viel Hoffnung.
Joel Kaczmarek: Gut, so viel für heute. Also ich glaube echt mal ein ganz interessanter Blick mit Zahlen unterlegt, der glaube ich schon Besonderheiten enthält. Also haben wir auch gesagt, Börsenbewertung ist was anderes als Umsatz und es ist nicht alles drin, was möglich wäre in dem Fonds. Aber ich glaube als Trends schon mal ganz viele spannende Ableitungen und wir bleiben dabei. Also Zeitrafferblick und viele Hypothesen wahrscheinlich in entsprechender Form auch bestätigt. Gut ihr Lieben, hat viel Spaß gemacht.
Alexander Graf: Eine Anekdote, wir haben glaube ich vor ein paar Folgen mal erzählt zum Thema Outlook Richtung E-Commerce, vielleicht auch in den ersten ECC-Folgen haben wir gesagt, naja, wir hatten jetzt 15 Jahre E-Commerce-Wachstum hinter uns. In den nächsten drei Jahren wird das Wachstum aber noch viel stärker sein in den letzten 15 Jahren. Ja, jetzt ist das schon nach zwei Jahren passiert. Also ich wollte da nur nochmal die Prognosegüte dieses Podcasts bewerben.
Joel Kaczmarek: Sehr gut, sehr gut. Dann ihr Lieben, bis zum nächsten Mal. Ich freue mich.
Alexander Graf: Danke dir. Tschüss.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.