Die 5 E-Commerce-Gewinner und Verlierer der letzten 5 Jahre

30. Januar 2024, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute dürfen wieder die beiden E-Commerce-Experten schlechthin zum Spielen rauskommen, nämlich der liebe Alex Graf von Kassenzone und Spryker und der gute Jochen Krisch von der K5 bzw. natürlich Exciting Commerce. Und wir haben uns überlegt, hey, irgendwie hat gerade ein neues Jahr begonnen, nämlich während wir das hier aufnehmen, ist ja der Start von 2024 mitten im Gange. Dann haben wir überlegt, lasst uns doch mal vorausschauen und aber auch zurückschauen.

Und deswegen haben wir uns ein kleines Listicle für heute vorgenommen. Wir sprechen nämlich über die fünf größten E-Commerce-Gewinner und Verlierer der letzten fünf Jahre an der Börse. Also heute gibt es wirklich mal wieder Listen und daraus abgeleitet natürlich viele Insights zu Branchen, zu verschiedenen Patterns, zu Vorgehensmodellen, zu Strategien. Also ich glaube, heute kommt jeder so ein Stück weit auf seine Kosten. Oder auch auf ihre. Und von daher freut es mich sehr, dass ihr beide da seid. Moin Moin.

Jochen Krisch: Hallo Joel, hallo Alex.

Alexander Graf: Du hast mir mein „Moin, Moin“ geklaut, das wollte ich nochmal sagen. Hier an dieser Stelle.

Joel Kaczmarek: Du könntest jetzt antizyklisch ein Servus...

Alexander Graf: Das ist ein Markenzeichen sozusagen, aber ist okay, kannst du nicht schützen.

Jochen Krisch: „Servus“ kommt aus München, wenn dann bitte.

Joel Kaczmarek: Ja, das darf ich dir nicht wegnehmen, meinst du? Dann überlege ich mir noch was eigenes. Wie sagt man denn in China Hallo? Weiß ich gar nicht, wisst ihr das?

Alexander Graf: Ni hao?

Joel Kaczmarek: Ja, könnte sein, ne? Dann machen wir das mal, weil so viel kann ja schon gesneak-previewed werden, das wird ja heute sicherlich Thema werden. Und Jochen, heute du mal den Anfang, weil das, worüber wir heute sprechen, hat ja auch eine spannende Analyse von dir zur Grundlage. Du hast nämlich einen Artikel geschrieben, genau zu diesem Thema, die fünf größten Gewinner und Verlierer der letzten fünf Jahre. Sag doch mal ganz kurz was zu dem Pool an Unternehmen, den du da betrachtet hast. Wer ist das, was war sozusagen dein Fokus und was war die Fragestellung?

Jochen Krisch: Wir haben ja immer Einblicke hauptsächlich in börsennotierte Unternehmen, deswegen habe ich mir alle börsennotierten Unternehmen mal angeguckt, die schon mindestens fünf Jahre an der Börse sind und geguckt, wie sich die in den letzten fünf Jahren entwickelt hatten, weil wir ja so ein Auf und Ab hatten. Corona-Boom einerseits, den Einbruch aktuell, unter dem alle immer noch leiden, jetzt. Und das ist eigentlich ganz spannend dann zu sehen, wie da die Performance ist und wie doch die Gewinner herausstechen, aber natürlich auch die Verlierer tatsächlich da sind. Und der Pool ist quasi alle die, die damals schon an der Börse waren und Wachstum verzeichnet haben in der Zeit. Das sind dann gar nicht so viele Unternehmen, insgesamt 19, die jetzt auch in unserem Fonds zum Beispiel sind. Drinnen sind Global Online Retail Fonds. Und ich muss dazu sagen, es gibt inzwischen viel, viel mehr, weil wir ja diese zweite große Börsenwelle hatten jetzt 2021 im Rahmen der Corona-Zeit. Und es gibt natürlich noch viele Börsenkandidaten wie SHEIN, wie Flipkart in Indien und andere. Also spannende Unternehmen, die da noch kommen können. Aber das sind quasi so die Veteranen, je nachdem, oder Pioniere, wobei der Gewinner ist gar nicht so alt, die tatsächlich schon fünf Jahre an der Börse notieren.

Joel Kaczmarek: Okay, also man sollte der Transparenz halber dazu sagen, alles was wir so an Zahlmaterial heute durchkauen, da ist zum Beispiel sowas wie ein Ebay jetzt nicht dabei, weil ein Ticken Selektion ist schon drin, sondern du hast halt wirklich geguckt, vor allem auf die Wachstumsgeschichten und wie gesagt nur Börse. Also wir können natürlich leider nicht über andere börsennotierte Unternehmen reden.

Jochen Krisch: Leider nicht.

Joel Kaczmarek: Und dann bietet es sich ja an, dass wir wahrscheinlich mal von oben starten, not very surprisingly. Ganz oben, erzähl doch mal ganz kurz, wer ist da und was ist so dein Take drauf? Vielleicht hast du mal die ersten wichtigsten Zahlen dazu.

Jochen Krisch: Ganz oben Pinduoduo, wenig überraschend fast, weil das so durch Temu, also Temu gehört zu Pinduoduo. Ja, das gehypte Unternehmen gerade ist, nicht nur bei uns oder im Westen durch Temu eben, sondern auch in China, weil es eben Alibaba abgehangen hat, weil es an JD schon vor ein paar Jahren vorbeigezogen ist. Und im Grunde interessant, das Unternehmen ist noch keine zehn Jahre alt und geht einen komplett anderen Ansatz, eben Social Media getrieben, über WeChat groß geworden, erstmal den chinesischen Markt aufgerollt. Und man sieht das ja, wie sie jetzt mit Temu versuchen, das international zu machen. Was mich sehr überrascht hat ist, als die an die Börse gegangen sind, war das für mich durchaus ein Wackelkandidat.

Also die hatten wirklich super wenig Marge und auch super wenig Take Rate, heißt das ja dann immer so schön im Marktplatzbereich. Also die Provisionen, die sie bekommen für die Umsätze, die sie vertreiben. Also GMV sah das immer super aus, Nutzerbasis auch super aus. Ähnlich hoch wie oder höher inzwischen sogar wie Alibaba. Aber es blieb nicht viel unterm Strich übrig, weil sie eben sehr günstig verkaufen. Aber andererseits haben die Mechaniken einfach entwickelt durch Werbeeinnahmen, durch andere Einnahmen, sodass sie trotzdem jetzt inzwischen sich gesteigert haben. Jetzt sehen die Zahlen eigentlich schon viel, viel besser aus. Und Cash ist da und sie können halt wirklich expandieren. Und vielleicht noch zu den Zahlen. Plus 550, 559, um genau so sein Prozent, innerhalb der letzten fünf Jahre gestiegen an der Börse. Also das sieht man schon, das zählt zu den Lieblingen.

Joel Kaczmarek: Also ich habe mich auch belehren dürfen, Pinduoduo ist das Unternehmen hinter Temu. Also Temu war mir ein Begriff, weil mir war gar nicht bewusst, dass sie in China anders heißen, was ja eigentlich naheliegend ist. Und Alex, es müsste ja gefühlt Wasser auf deine Mühlen sein. Bist du hier nicht Temu-Promoter Nummer eins?

Alexander Graf: Ich möchte gar nicht sagen, dass ich Temu-Promoter bin. Wir haben ja diese Diskussion angestoßen auf der K5 von Jochen vor einem halben Jahr mit der Frage, sind wir nicht alle schon ein bisschen zu alt und sind die Kernwertschöpfungsversprechen der E-Commerce-Branche, schnelle Lieferzeit, Guter Preis und gute Auswahl sind jetzt nicht überholt von den chinesischen Anbietern. Und Temu ist ja nur einer, der jetzt gerade aus Asien kommt. Und ich fühle mich zumindest mehr und mehr bestätigt. Ich habe das auch vor kurzem in einem längeren LinkedIn-Beitrag geschrieben, dass auf einmal diese Strategie von Amazon, überall so ein Warenlager zu bauen, um am nächsten Tag lieferfähig zu sein, ganz veraltet klingt gegenüber einem Konzept, was ganz klar sagt, hey, wir versuchen alle Kosten aus der Handels-Supply-Chain rauszunehmen und maximal Verbindung zu schaffen zwischen dem Endkunden und der Fabrik. Also irgendwie Factory-to-Consumer heißt es ja im Temu-Sprech oder im Marketing-Sprech auch der neuen Plattform.

Und ich beobachte mich selber dabei, wie ich jetzt zunehmend Preise vergleiche von Amazon auf Temu. So eine klassische Akku-Tischlampe, die du dir auf deinen Schreib bestellen kannst oder auf den Esstisch. die im Design-Lag in Hamburg 200 kostet, in einem sortierten Online-Shop 100, bei Amazon 50, kostet bei Temu 25 und ist genau das gleiche Produkt. Am Ende, da fühle ich mich auch oft ertappt, wo ich sage, warum soll ich denn jetzt diese extra Zwischenhandelsstufen überhaupt zahlen, diese vielen Lagerumschläge und der Erfolg von Pinduoduo in China in den letzten fünf Jahren gibt natürlich auch Recht, weil die dort Marktanteile übernommen haben von den zunehmend langsamer wachsenden anderen chinesischen Anbietern, wie JD oder Alibaba. Und du hast ja vorhin gesagt, wir reden über Gewinner und Verlierer. Und Alibaba gehört zu den Verlierern in dieser Liste von Jochen. Die sind, glaube ich, Platz 16 mit minus, ich gucke mal, minus 44 Prozent. Und insofern ist das schon Wasser auf meine Mühlen. Kein genussvolles Wasser, sozusagen kein Wasser mit organischem Ursprung, was ganz sauber klingt. Aber der Trend und die Geschwindigkeit, mit der die das da machen, voll sich hertreiben, ist erschreckend und ich glaube, das ist auch ein Unternehmen, was uns hier die nächsten 20, 30 Folgen verfolgen wird. Und es ist nur der Anfang, den wir gerade sehen. Also wir sind jetzt bei Weipen noch nicht im großen Rollout. Jetzt erstmal ein bisschen Kundengewinnungsphase und diese vielen Features, die es in China auch gibt, schon von Pinduoduo, die werden erst nachgezogen auf Temu in den USA oder in Europa.

Joel Kaczmarek: Kannst du eigentlich mal die Hörerschaft vielleicht auch nochmal ein Stück weit dazu abholen, weil ich fühle mich auch so ein Stück weit erinnert, wir hatten ähnliche Debatten vor ein paar Jahren über Wish. Also ist das so ähnlich wie Wish, dass du sagst, okay, ich muss dann immer einkalkulieren, dass ich es zwar nicht wie bei Amazon mit irgendwie Next Day Delivery kriege, sondern das kommt aus China und dann in manchmal ein bisschen komisch riechender Verpackung. Oder ist das ganz anders? Also was sind so die Eigenheiten, die wesentlichen von Temu?

Alexander Graf: Nee, es ist nicht Wish. Zum einen muss man sagen, fast alle Produkte, die wir kaufen oder die wir jetzt vor uns sehen, zum Beispiel diese drei Mikrofone, die wir in dieser Kamera gerade sehen, kommen aus China. Da sind zu einem großen Teil ähnliche Produkte wie bei Amazon, aber ich glaube, Pinduoduo berichtet gerade von drei Millionen Händlern auf der Plattform. Kann ich mir gar nicht vorstellen, aber diese Zahl habe ich jetzt mehrfach gelesen. die dort Produkte einstellen und anstatt sie, wie bisher bei Amazon, nach Europa zu schicken im Container, dort vielleicht von einem Zwischenhändler nochmal auspacken, umverpacken zu lassen, damit diese Produkte dann am nächsten Tag beim Endkunden sind, wird bei Temu die Ware in China aggregiert. Da kommt dann schon oft das DAL oder Hermes-Label drauf. Dann geht es in ein Flugzeug, ist dann zehn Tage später beim Endkunden in Europa oder in den USA. Und da gibt es so ein paar Vorteile in diesem Prozess für den Endkunden und für den Händler, der das dann auf Temu verkauft.

Das sind zum einen geringere Gebühren für den Händler, das sind geringere Zwischenhandelsstationen, also ein Umschlaglager, ein Distributionslager, ein Versandlager wird dann nicht mehr angefasst in diesem Prozess. Die Zollgrenzen werden unterschritten in diesem Prozess, sodass es da durchaus nochmal Vorteile gibt in der Verzollung, was de facto zu einem echten Preisvorteil von irgendwo 20, 30 Prozent führen kann. Der wird nochmal aufgepumpt von Temu über diverse Marketingaktionen, über Rabatte, die Temu finanziert und erreicht dann teilweise 50, 60, 70 Prozent. Und das führt gerade zu diesem Wachstum. Das ist nicht vergleichbar mit Wish. Wish war ja eine Plattform, die sich ja tatsächlich über die AliExpress-Infrastruktur gelegt hat. Aber die hatten weder echte Logistikkompetenz, noch sind sie auch in China gestartet, sondern sind ja aus dem Westen gekommen und haben sich quasi auf die chinesische Supply Chain gelegt. Was Temu macht, und das macht ja auch SHEIN, ist tatsächlich eine echte Veränderung der Supply Chain mit einigen echten Innovationen, aber auch ein paar unfairen Wettbewerbsvorteilen, nicht illegal, aber unfairen Wettbewerbsvorteilen, die ihnen dazu helfen, dass es tatsächlich am Ende billiger ist.

Joel Kaczmarek: Welche sind das im Wesentlichen?

Alexander Graf: Welche unfairen oder welche fairen das sind?

Joel Kaczmarek: Sagen wir mal die unfairen. Also lass uns das da auch nochmal ganz kurz vertiefen. Welche unfairen Vorteile?

Alexander Graf: Na, sie nutzen natürlich eine Logistikinfrastruktur aus, die sehr, sehr stark auf chinesische Unternehmen optimiert ist. Also die viele Pakete landen ja zum Beispiel in Lüttich, in Belgien. Dort hat ja Alibaba angefangen vor einigen Jahren ein Umschlagzentrum aufzubauen und dort gibt es entsprechende Kompetenzen. Auch für die anderen Händler, wie zum Beispiel Temu und SHEIN, Ware nach Europa zu verbringen. Und diese Stückzahlen, die nach Europa bringen, schafft ja gar kein anderer europäischer Händler. So viele Container, ja Container sind ja keine 20-Fuß-Container in den Flugzeugen, aber so viel Menge in den Flugzeugen zu verbringen. Und diese Preisvorteile, die sie dann haben in der Verhandlung mit den Fluggesellschaften und in der Verhandlung mit den Endkunden-Logistikern, also DHL, Hermes, Französische Post. Die Verzollungsvorteile, die sie mit noch vereinnahmen können, zumindest solange diese Zollfreigrenzen nicht verändert werden. Das sind so unfaire Wettbewerbsvorteile.

Und echte faire Innovationen sind die Art und Weise, wie sie die Kunden in der App immer wieder aktivieren und dazu verführen, mehr zu kaufen. Also die Zeit, die ein durchschnittlicher Temu-Kunde oder Schienenkunde auch in der App verbringt, ist deutlich höher als vergleichbare Apps, zum Beispiel Amazon. Du öffnest ja deine Amazon-App nicht, um dich inspirieren zu lassen, außer vielleicht bei Black Friday, was sind die größten Rabatte, die du dort machen oder realisieren kannst. Und die Vorteile in der Supply Chain sind halt immens. Also dieses Ausschalten dieser ganzen Zwischenhandelsstufen führt tatsächlich dazu, dass ein Händler, der vielleicht bisher eine Thermostasse für 30 Dollar bei Amazon verkauft hat, mehr Geld damit verdient, wenn er das gleiche Produkt für 15 Dollar bei Temu verkauft. Also der verdient einfach mehr daran, weil die Gebühren einfach so für niedrige sind. Zumindest sagen sie das und das hört man fairerweise auch und liest man in den verschiedenen Fachforen, die ich aber mir auch übersetzen lasse über andere Artikel, der chinesischen Händler. Also es gibt da schon so einen, es gibt einen Wandel dort sozusagen im E-Commerce, den es in den letzten zehn Jahren so nicht gab.

Joel Kaczmarek: Bevor Jochen gleich noch einen Punkt macht, damit ich das einmal sauber verstanden habe, also sie schicken im Prinzip alles einzeln los, dadurch bist du unter diesen Zollgrenzen, also statt Container hast du wirklich die einzelnen Pakete, aber die Supply Chain, die ownen sie im Gegensatz zu Wish trotzdem selber, also insgesamt. Durch die Aggregation der vielen kleinen Sendungen hast du trotzdem so viel Verhandlungsmasse, dass du dann quasi auftrumpfen kannst bei den ganzen Logistikern.

Alexander Graf: Sie schicken nicht jedes einzelne Produkt los, sondern dein Paket wird schon aggregiert? In China. Da sind dann vielleicht fünf Produkte drin. Aber dieses Paket landet dann im Flugzeug. In einer großen Temu-Box. Die buchen dann das ganze Flugzeug aus. Und deswegen landen sie ja auch in Lüttich. Das ist ein Flughafen, der sehr geringe Gebühren hat. Deswegen braucht man halt diese kleinen Regionalflughafen. Deswegen landen sie nicht in Leipzig oder in Frankfurt oder in Paris, sondern in Lüttich. Und dort gibt es halt extrem viele Frachtflieger, die dorthin fliegen. Und die bucht Temu natürlich.

Joel Kaczmarek: Crazy. Jochen, was ist denn so dein Blick strategisch auf Temu? Also wir haben ja schon öfters mal hinter den Kulissen diskutiert.

Jochen Krisch: Ich habe noch ein Thema, auch weil du es im Vergleich zu Wish gesagt hast. Ich glaube, Wish war das erste Unternehmen, was eben Facebook oder Social Media genutzt hat, um wirklich Gas zu geben und eine App unter die Leute zu bringen. Und Pinduoduo oder Temu zeigt das jetzt sozusagen, wie es geht und wahrscheinlich mit einem nachhaltigeren Geschäftsmodell, SHEIN auch. Und das ist für mich so ein Punkt, den ich sehr beachten würde. Habe ich jetzt auch über die Feiertage nochmal alles nachgelesen, auch in China sozusagen, wie das läuft und so. Ich habe ja schon gesagt, Pinduoduo ist über WeChat groß geworden und versucht jetzt eben Temu in den westlichen Märkten dann eben über Facebook, Instagram oder was weiß ich. Keine Social-Media-Plattform, wo du ja keine Temu-Werbung findest.

Vor allem, wenn du mal irgendwo geklickt hast. Muss man auch dazu sagen. Und das ist interessant einfach zu verfolgen. Man sieht ja jetzt kommt TikTok-Shop. Und ich war ja sehr skeptisch, was diese Unternehmen angeht, weil es geht nicht nur um Marketing und dass du das groß machst und dass alle das quasi als App downgeloadet haben, sondern du musst wirklich auch ein Geschäftsmodell haben. Deswegen war ich gerade, was Temu angeht, sehr, sehr skeptisch, aber Alex hat es beschrieben sozusagen, deren Modell und wie sie das schon sehr smart machen und es quasi jedem kleinen, kleinsten Händler ermöglichen, weltweit zu verkaufen, weil sie es eben, sobald das im Temu- oder Pinduoduo-Lager ist, komplett von Pinduoduoa bgewickelt ist.

Und TikTok-Shop zieht jetzt nach. und was ich so interessant fand auch ist, selbst WeChat gehört zu Tencent, selbst WeChat zieht jetzt nach. Und erst haben sie ja einen Pinduoduo groß werden lassen, jetzt versuchen sie selber in den E-Commerce einzusteigen und in China einfach die Händler selber zu binden. Also deswegen ist das für mich auch nochmal so. ein weiteres Phänomen, um nicht trennt zu sagen, die ganzen Social-Media-Plattformen haben ja durchaus ein Monetarisierungsproblem. Also Werbung funktioniert noch vergleichsweise gut, da pushen sie auch. In China haben sie sehr viel über Spiele, Gaming gemacht. Das dürfen sie zum Teil nicht, deswegen brauchen sie da Alternativen. Es gab auch schon Versuche, die gefloppt sind. Also ein Shopee, auch aus dem Gaming-Konzern heraus entstanden, Südostasien, hat ja auch schon versucht, innerhalb der Corona-Welle seine Apps in Europa und im Westen zu vertreiben, haben aber auch kein Geschäftsmodell dahinter gehabt. Und angenommen, lass das funktionieren, dann kann man sich vorstellen, dass nicht nur TikTok das machen wird, dass das auch Meta als Komplettkonzern machen wird und andere machen werden. Und das ist natürlich eine andere Art, wie soll ich sagen, diesen Kundenzugang zu sichern und da eine starke Position einzunehmen. Also deswegen sehe ich das immer auch nicht nur als, wir gucken jetzt auf Temu und das ist das nächste große Ding und starte doch ein weiteres Temu, sondern das verändert natürlich auch den Markt und den Marktzugang. Und deswegen ist für mich das auch ein großes Thema im Verhältnis zum Beispiel zu Amazon, wie Amazon darauf reagiert. Und wir haben ja bei Amazon jetzt im letzten Jahr gesehen, wie sie sehr auf Zack sind, sich auch in die ganzen Social-Media-Plattformen einzuklinken. Das klappt mehr oder weniger gut, weil Amazon halt Amazon ist. Und die Hürden hat und auch das Modell hat, das es hat.

Also es kann teilweise gar nicht so günstige Angebote machen oder auch so lukrativ für die Händler sein. Also sie sind da wirklich unter Zugzwang und versuchen das auch. Aber wenn ich jetzt mal auf die nächsten fünf Jahre, wir haben ja einen Fünf-Jahres-Rückblick-Vorausblick, gucke, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir da sehr mächtige Unternehmen sehen. Ich weiß gar nicht, ob ich sie dann noch E-Commerce-Unternehmen nennen möchte, aber Alles, was Alex beschrieben hat, wirklich die ganzen Zwischenhändler rauszunehmen und den Herstellern ja quasi einen direkten Kundenzugang zu bieten, das ist schon eine extrem machtvolle Position. Vor allem, weil bisher lief das ja zum Teil auch schon, aber die Marge ist, also am Preis hat man es nicht so festgesehen und das ist jetzt ja der Unterschied. dass im Prinzip Temu keine Skrupel kennt und sagt, okay, das ist halt das, was wir, wir müssen nicht mehr aufschlagen, in Anführungszeichen, oder wir können das direkt durchschieben. Dadurch wird halt offenbar, wie letztendlich der Markt funktioniert und warum sollen die Kunden, weshalb sollen die mehr bezahlen, wenn das auch anders geht.

Joel Kaczmarek: Wenn wir jetzt nochmal an Wish zurückdenken und die Nachteile, über die wir damals viel geredet haben. Also ich weiß noch, damals ging es ja darum, dass China zum Beispiel subventioniert hat, das ganze Postgeschäft, dass man da irgendwie unfaire Wettbewerbsvorteile hatte. Zoll nicht richtig zahlen war ein Thema, dann natürlich irgendwie Graumarktware bzw. Produktqualität und diese ganze Retourenfrage, die bei Amazon ja sehr sauber geklärt ist. Wie löst man das bei Temu?

Alexander Graf: Ich würde gerne anders appellieren und zwar, es gibt ganz viele Verschwörungstheorien rund um Temu und die gab es auch um Wisch. Weltpostvertrag ist das eine, aber dann gibt es da noch eine illegale Subventionierung von Kerosin auf die Lieferfahrzeuge. Diese Diskussion lenkt total ab. Und sicherlich gibt es auch eine große Diskussion rund um das Thema Produktsicherheit, wie werden diese Sachen produziert. Und wann immer ich an diesen Diskussionen eingeladen und teilnehme und auch dann damit zu kommentieren soll, sind wir 80 Prozent damit beschäftigt, uns mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen, die aber überhaupt nicht dazu dienlich sind, uns selber zu hinterfragen.

Also sind wir in unserem E-Commerce-Ambitionen, unserem E-Commerce-Geschäft eigentlich noch gut genug? Was tun wir denn, wenn tatsächlich der Kunde diesen Factory-to-Consumer-Ansatz final akzeptiert und dann bei dem Schneider in Jordanien oder in China oder im Vietnam seine Kleider sozusagen just in time bestellt zu dem jeweiligen Trend? Das ist viel wichtiger, auf dieser Geschäftsmodellebene zu bleiben und zu diskutieren, als darüber zu sinnieren, ob die jetzt wirklich ihre Mehrwertsteuer zahlen. Und ich gehe davon aus, dass sie das tun. Wenn sie es nicht tun, ist das Teil der Regulierungsbehörden, da reinzuschauen. Das ist der Job von Otto und von Zalando, dagegen zu klagen, permanent, wenn sie dort Verfehlungen sehen. Aber ich glaube, wir tun uns hier null Gutes, wenn wir diese Argumente auch noch vorziehen und uns darauf fokussieren.

Joel Kaczmarek: Aber trotzdem mal aus Convenience-Sicht des Kunden und der Kundin gefragt. Also Vorteil verstanden, vor allem auf den Preis optimiert, aber das, was ja Amazon so groß gemacht hat, war ja eigentlich das Qualitätsversprechen, dass wenn irgendwas ist, kannst du es zurückschicken und man hat immer so das Gefühl, es gibt so einen Filter dazwischen, also wenn mir irgendwas nicht passt, kann ich immer die Uhr wieder zurückdrehen. Das ist ja da dann wahrscheinlich schwer möglich, oder?

Alexander Graf: Kannst du auch. Würde dir das Geld angeboten. Ich habe jetzt Versandboxen gehabt, da gibt es quasi Versandadressen, diese Adressen gibt es gar nicht. Das ist dann irgendwie in München die hohe Straße, 599, gibt es gar nicht. Diese Hausnummer. Ist aber billiger, ist billiger für die dann zu sagen, behalte das Produkt, du kriegst das Geld zurück, schmeiß es weg, verschenke es. führt zu mehr Kundenzufriedenheit und ist deutlich günstiger, als die Retouren-Infrastruktur aufzubauen bei diesen Preisen. Und I don't know, ob das zu gewollt ist vom Staat und ob man Fake-Adressen irgendwie aufdrucken kann, aber so machen sie es heute. Aber du kriegst dein Geld zurück, wenn du sagst, du bist nicht zufrieden, kriegst du es zurück.

Jochen Krisch: Das ist halt gerade, wir müssen auch immer noch berücksichtigen, dass das natürlich alles noch sehr jung ist. Also ich würde das auch nicht als Endlösung sehen, sondern als einfache Lösung, um da nicht in Probleme reinzurennen. Also ich finde, bei Ski-Innen kann man sich schon eher vorstellen, wie das dann mal laufen wird. Die bauen jetzt ihre lokalen Geschichten auf in Europa, in Südamerika oder wo auch immer. Und dann haben sie ja Lager vor Ort und dann können sie auch einen Retourenprozess im Prinzip etablieren und die klassischen Mechaniken fahren. Temu ist halt ein bisschen ein anderes Modell, weil es ja trotzdem der Händler ist, also der Hersteller, der verkauft. Und ich finde es ganz interessant, alles was ich jetzt so gelesen habe, auch die Sanktionsmaßnahmen da natürlich. Also wenn das zu häufig vorkommt, wenn es qualitative Probleme gibt. Das ist natürlich immer alles PR-Geschichte.

Also ich habe jetzt keine Erfahrung aus erster Hand, aber die Sanktionen sind schon drastisch. Also die müssen dann schon Strafe zahlen, jetzt innerhalb des Pinduoduo-Temu-Kosmoses. Also es ist nicht so, dass die das jetzt darauf anlegen, dass sie da maximal Ärger bekommen, sage ich jetzt mal. Aber ansonsten würde ich mich Alex anschließen. Man kann da wirklich ewig darüber diskutieren, aber das Phänomen ist ein anderes und das Tempo ist einfach auch ein anderes. Also man sollte erst mal davon ausgehen, dass die Probleme, die da sind oder hochgespielt werden, je nachdem, dass sich da Lösungen finden und dass sich da jemand kümmert. Aber das wird nicht so dramatisch sein, dass es dadurch wieder weggeht. Also Ich finde auch bei Wish zum Beispiel war ja nicht der Grund, dass Wish jetzt kollabiert ist oder implodiert ist, die qualitativen Mängel, sondern dass sie einfach kein Geschäftsmodell hinbekommen haben, dass sie die Kundenbindung nicht hatten und dass das dann alles nicht mehr funktioniert. Also kann auch ein Weg sein, wenn es qualitative Mängel gibt, aber ich gehe jetzt mal nicht davon aus, sagen wir mal, es ist jetzt die zweite oder dritte Generation, dass es bei der ähnlich sein wird.

Joel Kaczmarek: Bevor wir zu Nummer zwei kommen auf deiner Liste, lasst uns doch vielleicht auch noch einen Satz sagen, wie würdet ihr denn jetzt als Anbieter darauf reagieren? Also die Amazons, die Ottos, die Zalandos dieser Welt, was würdet ihr sagen, ist eine vielversprechende Strategie? oder gibt es die überhaupt gegen so eine Übermacht?

Jochen Krisch: Das ist immer schwierig zu sagen. Also die sind immer in einer schwierigen Rolle und ich sehe mich ja immer nicht als jemand, der da Lösungen anbietet, sondern eher Phänomene beschreibt und das eben analysiert, wie wird der Markt dann aussehen. Ich glaube, was das Interessante ist, an den ganzen Plattformen, die jetzt hochkommen, dass natürlich das Spielfeld größer wird und dass andere Händler, und wir wissen gar nicht nur Händler, sondern eigentlich mehr Markenhersteller, D2C-Brands, einfach da eine Möglichkeit haben, perspektivisch auf fünf, sechs Jahre, andere Kundenzugänge, andere Möglichkeiten zu haben. Und das sind ja die, denen dann auch die Margen haben, wenn die Brands entsprechend stark genug sind. Also das ist für mich das Phänomen, aus der Richtung kommt es und die Frage ist, wer hat da aus dem klassischen Handeln überhaupt schon Antworten, das zu ermöglichen?

Die sind doch alle sehr klassisch händlermäßig aufgestellt und wenn, dann gehen sie von Händler Richtung Marktplatz, Plattform. Aber nicht so, dass sie es verstehen oder einfach auch in der DNA haben, D2C-Brands einfach eine Plattform, eine Spielwiese zu ermöglichen. Und deswegen sehe ich das eher so aus der Sicht heraus, auch ein bisschen, was sind neue Möglichkeiten, um einfach da im Online-Handel, Handel ist ja nicht definiert, sondern das sind ja neue Segmente, die da entstehen. Alles, was im Bereich Influencer, Creators oder wie auch immer man sie nennt, entsteht auf der einen Seite, also die verkaufen können, andererseits an den D2C-Brands, wo ja wirklich auch jetzt online getriebene D2C-Brands entstanden sind. Und die haben noch keine richtige Verankerung jetzt, was das Handelsmodell angeht. Und da sehe ich Möglichkeiten für speziell kleine Händler und Brands. Ich bin der Frage ausgewichen, aber vielleicht hat Alex eine bessere Antwort.

Alexander Graf: Ja, ist dann irgendwie ein anderes Versandmodell. Oder sie gibt es halt für 40 Dollar, dafür ist sie morgen dann zu Hause. Also diese Variabilität könnte die Plattform haben. Bei einem Zalando würde ich fast so weit gehen, das ist jetzt Themen, wo vielleicht nicht der direkte Vergleich, aber SHEIN, die in einem ähnlich innovativen Ansatz kommen, ist auch Factory-to-Consumer. Da würde ich fast sagen, das ist der About-You-Moment für Zalando. Die müssten sich darüber Gedanken machen, ob sie nicht einen Spin-Off bauen, weil die Art und Weise, wie diese Plattformen gebaut sind, wie sie ja Geld verdienen, wie sie mit den Händlern interagieren, das ist so radikal anders von Handelsplattformen, dass man es wahrscheinlich nicht schafft, in angemessener Zeit dort die Strukturen zu verändern oder so eine Transformation hinzubekommen oder geschweige denn das irgendwie auszutesten.

Also die müssten quasi Zalando machen, also in irgendeiner Form sozusagen eine schienenartige Plattform, wo sie ihre Reichweite nutzen, um dann Produzenten in Asien in der Regel oder im Middle East, Jordanien ist zum Beispiel auch so ein relativ großes Fashion-Produktionsland oder Pakistan, Diesen Zugang zu dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Unter anderem Value Proposition. Ich glaube, das kann man gar nicht so gut mischen und sogar diese Plattform, also diese sehr modernen Plattformen, Amazon und Zalando, werden schon ausreichend Schwierigkeiten haben, dem Tempo da zu folgen.

Jochen Krisch: Interessanterweise muss es gar nicht Zalando heißen, es hieß mal Movement. Zalando hatte ja mal eine Phase, wo sie im Mobile-Bereich wirklich vier, fünf sehr interessante Konzepte gestartet haben. Eins eben auch in der Richtung, Factory to Consumer, aber leider halt nicht durchgehalten haben oder es als zu unattraktiv empfanden haben. oder zu teuer, muss man auch sagen, noch eine zweite, dritte Marke aufzubauen. Aber das rächt sich jetzt so ein bisschen, weil im Grunde, die hatten die Möglichkeit, die hatten auch die Ideen und sind auch genau in die Richtung gegangen, die spannend sind. Aber das ist alles nach zwei, drei Jahren eingestampft worden, als es dann wirklich darum ging, Geld in die Hand zu nehmen und das in die Vermarktung zu bringen. Da haben sie gesagt, nee, dann machen wir lieber Zalando als Hauptmarke. Ein bisschen ähnlich auch, wie es Amazon jetzt gemacht hat.

Die haben alles, was nicht Amazon heißt, Prime Now und was auch immer, eingestampft, um wirklich die Hauptmarke Amazon, Amazon, Amazon zu promoten. Und ich glaube aber, ich bin da bei Alex, es braucht eine separate Marke und die bestehenden Angebote werden es nicht, die wird man nicht so profilieren können. oder dann geht man halt so, macht man so quasi so Weichen, Gabelungen, so wie du es jetzt beschrieben hast, was absurd ist. Warum soll ich doppelt so viel zahlen, wenn ich es auch für die Hälfte bekomme? Also da muss man erstmal dem Kunden, der Kundin den ganzen Prozess erklären und was dahinter steckt. um das zu rechtfertigen. Und ich glaube, es ist so, wie soll ich sagen, wohlwollend.

Alexander Graf: Aber vielleicht ist es auch sozusagen im Grunde genommen, du kannst es ja machen wie in der Flugbuchung. Das siehst du ja auch, das ist der Preis für Eco, Preis für Business, Preis für First Class. Und du hast halt an verschiedenen Preisen verschiedene Rechte und Pflichten. Das finde ich gar nicht so abwegig.

Joel Kaczmarek: Na gut, jetzt haben wir sehr viel Zeit darauf allokiert, aber ich glaube auch wohlverdient. Lasst uns mal zur Nummer zwei kommen. Mercado Libre. Jochen, dein Einsatz.

Jochen Krisch: Da sind wir schneller, weil das ist so unbekannt und es sind wahrscheinlich auch wenige. Aber es ist interessant, wir haben jetzt auf Platz 1 und 2 jeweils Unternehmen, die sich da tummeln, wo Amazon nicht ist. Also MercadoLibre ist Südamerika, Lateinamerika. Sehr stark, gibt es auch schon ewig. Hat mich auch so ein bisschen verwundert, weil das war so ein Ja, eigentlich langweiliges Angebot. Lange war auch eBay beteiligt. Irgendwann hat eBay dann seine Anteile abgegeben und witzigerweise seitdem boomt das, was nicht zusammenhängt. Aber was interessant ist bei MercadoLibre, das ist ein ganz klassisches Angebot, Marktplatz. ganz klassisch, die es geschafft haben und das war ja auch so eine Entwicklung in den letzten fünf bis zehn Jahren, das Geschäftsmodell zu drehen, also stark Richtung Payment Services, Logistics Services, andere Services reinzugehen, Werbung natürlich und damit Geld zu verdienen. Und das ist für mich so prototypisch gelungen da.

Also sie hatten den Vorteil natürlich, keinen wirklichen Konkurrenten, Amazon ist nicht in dem Sinne da, Und gleichzeitig einen boomenden Markt natürlich, also das wurde ja immer eigentlich als Emerging Market gesehen und viele haben es versucht, viele haben sich auch die Finger verbrannt, weil dann eine Zeit lang es eben nicht mehr ging und da hat quasi der etablierte Player mehr oder weniger gewonnen und wirklich auch umsatzseitig extrem zugelegt, also GMV-seitig muss man in dem Fall sagen. Und wirklich, es gibt ein paar Beispiele jetzt, also nicht alle oder wenige sind da drin, Mercari kommt noch weiter unten in der Liste, werden wir heute nicht darauf eingehen, aus Japan, mehrere Marktplatzanbieter, die dieses Playbook letztendlich gefahren sind. Also was Amazon vorgegeben hat, was im Prinzip auch Zalando und andere gemacht haben, aber Marktplatz-Pure-Player, die quasi die ganzen Services für sich erschlossen haben und deswegen ist das MercadoLibre da zu Recht sehr weit oben.

Joel Kaczmarek: Mal blöde Frage, die sind doch gestartet als so ein Auktions- und Kleinanzeigenportal, also genau nach dem eBay-Vorbild. Machen sie das noch oder machen sie mittlerweile, wenn du Marktplatz sagst, eher das klassische Amazon-Marktplatzgeschäft?

Jochen Krisch: Frag mich da jetzt nicht. Also so tief bin ich nicht in die Historie reingegangen. Das wäre dann 1999, 2000 ungefähr gegangen. Also seit ich das verfolge und tracke, sind sie Marktplatz und machen, also haben Händler, angebundene Händler und machen mit denen eigentlich das Geschäft. Aber nagel mich da jetzt nicht fest. Also da bin ich jetzt nicht der Südamerika-Expert.

Alexander Graf: Hier eine Prognose nach vorne. Wir gucken ja auch nach Prognosen nach vorne. Also während ich bei Pinduoduo weiterhin sehr, sehr progressiv oder sehr, sehr optimistisch wäre, was die Entwicklung angeht, wäre ich bei MercadoLibre überhaupt nicht optimistisch. Weil in den Ländern, in denen MercadoLibre in einem echten Marktplatzwettbewerb ausgesetzt ist, zum Beispiel Mexiko, die betteln sich ja seit vier Jahren in Mexiko um die Marktführerschaft, da merken sie schon, dass es gar nicht so einfach ist, sozusagen gegen diese Infrastruktur gegenzuhalten. Und in vielen Märkten, in denen Mercado Libre heute stark ist, sind Yashin und Temu noch nicht wirklich aktiv, weil das eher kleinere Märkte sind, Randmärkte sind, aber dem hat MercadoLibre eigentlich nichts entgegenzusetzen bisher.

Das heißt, diese 441 Prozent, die hier jetzt stehen, sozusagen über fünf Jahre, die würde ich jetzt, wenn ich jetzt das langziehen würde auf zehn Jahre, würde ich nicht mehr sehen, sondern das könnte, wenn wir diesen Podcast aufnehmen, in drei Jahren vielleicht einer derjenigen sein, die in der Liste nach ganz unten rutschen. Die profitieren quasi von dem Nachzügler-Effekt, aber ich sehe jetzt nichts in dem Business-Modell und ich habe das jetzt auch nur in einigen Commerce-Talks, Podcasts nur am Rande so ein bisschen besprochen, wo ich sagen würde, okay, hier gibt es so einen radikalen USP, sowas viel Besseres, das ist noch nicht der Fall. Also eher Daumen nach vorne jetzt.

Jochen Krisch: Nach vorne, wenn wir nach vorne reden, ich würde mir jetzt aber auch nicht bei Pinduoduo zutrauen, dass sie sich nochmal verfünffachen oder so. Also das ist jetzt eine Nachbetrachtung, die wir haben. Ich bin bei dir, also ich sehe das jetzt auch nicht als ausgeklügeltes Modell. Das Phänomen ist eigentlich eher, wie sich die gerettet haben. Saniert möchte ich nicht sagen, sondern wie die einfach die letzten fünf Jahre gemeistert haben, wo ja durchaus andere auch untergegangen sind. Und es ist so und der große Punkt ist tatsächlich auch, gibt es auch weitere Träger dazu, wie jetzt Temu versucht, die Händler oder wo ein Vergleich da ist zwischen Händlern, die sowohl bei Temu als auch bei Mercado Libre sind.

Dass das natürlich schon andere Welten sind und die versuchen jetzt natürlich da zu wildern und die rüberzunehmen und Sehe ich ähnlich. Also deswegen, das ist schon, Marktplatz an sich ist ein schwieriges Feld, möchte jetzt nicht zu tief einsteigen, also da gäbe es jetzt auch Hebel, irgendwie smartere Marktplätze zu machen, aber so die Marktplätze der ersten Generation, schwierig. Also sie haben jetzt sehr schöne, dankbare Geschäftsmodelle, von denen sie sich auch ungern wieder trennen wollen. natürlich, weil das alles sehr lukrativ ist, wenn du da im Payment drin hängst, wenn du in bestimmten anderen Services drin hängst, aber perspektivisch sehe ich das ähnlich.

Joel Kaczmarek: Na gut, dann ist ja jetzt ein passender Zeitpunkt, um über Platz 3 zu sprechen, nämlich Red Care Pharmacy bzw. Shop-Apotheke mit 248% Umsatzwachstum. Hast du ja, Jochen, auch als den großen Gewinner 2023 so auserkoren. Sag doch mal zwei, drei Sätze dazu.

Alexander Graf: Obwohl das mit dem E-Rezept immer noch ziemlich schwierig ist.

Jochen Krisch: Genau, da ist die Fantasie, aber die Fantasie lebt. Und das ist, also Shop-Apotheke oder jetzt Redcare ist wirklich ein Phänomen, die machen das so geschickt und sind halt immer unter dem Radar, weil sie nicht so cool sind wie ein Zalando, wie ein HelloFresh oder wie andere jetzt deutsche börsennotierte Unternehmen. Aber von der Performance, ich finde auch strategisch, wie sie es machen, also es ist jetzt auch nicht das ausgeklügelste Geschäftsmodell im Klassischen, es ist halt ein Online-Shop für Medikamente. Die Fantasie, die treibt, ist das E-Rezept und trotzdem haben sie sich jetzt versucht, wie alle anderen auch, also alle heißt in dem Fall Doc Morris, hin von einem Händler hin zu einem Service-Provider. Für chronisch Kranke ist eigentlich immer das Thema, also die dauerhaft Medikamentenbedarf haben, um es händlerbezogen herzustellen. auszudrücken, zu positionieren und wieder zu erfinden. Aber wie Alex schon sagt, das E-Rezept ist noch nicht so da, dass das schon greift. Also umsatzseitig ist das noch nicht das Gelbe vom Ei.

Aber trotzdem, durch Zukäufe, durch strategische Wandlung, auch sehr geschickt, einfach wie sie eine Mischung aus Kapitalerhöhung und Unternehmensanleihen immer wieder machen, um Geld zu haben, um eben zu investieren und voranzukommen. Also das ist eines der wenigen Unternehmen, die jetzt da durchgekommen ist, aber natürlich mit einem Sondereffekt. Das ist einfach nicht vergleichbar mit den anderen Branchen und das ist eine ganz eigene Thematik, wobei mich da schon beeindruckt, wenn man sieht, wie Apotheken, Online-Apotheken vor zehn Jahren dastanden. Da gab es eine Fülle, die waren nicht attraktiv und die haben halt so ihr Bestes gemacht und haben so die Medikamente, die sie kriegen konnten und dann noch viel anderes, was man eben unter dem Apotheken-Kontext verkaufen konnte, drin gehabt. Wie sich die gemausert haben, ist schon erstaunlich und da, ich mache mir immer den Spaß oder manchmal im Nachhinein überlege ich, hätte ich auf die gewettet. Genau auf Shop-Apotheke, dass die jetzt der große Gewinner sind und dann so dastehen würden nach fünf oder zehn Jahren. Und das unterschätzt man total. Also das war jetzt sicherlich nicht das coolste Unternehmen, das da gewonnen hat.

Joel Kaczmarek: Ich habe gerade so überlegt, war das nicht so vor ungefähr vier Jahren, als Amazon auch irgendwie in dem Bereich was zugekauft hat und alle gemutmaßt haben, ob Amazon jetzt groß ins Medikamentengeschäft einsteigt? Da war doch was, oder?

Jochen Krisch: Das haben sie gemacht und Amazon Pharmacy, also heißt das inzwischen, gibt es auch. Und die haben ein paar Unternehmen zugekauft und treiben das auch stark voran. Also jetzt nicht in Deutschland, aber in den USA, da ist die Situation nochmal anders. Aber das ist ein großes Standbein auch für Amazon. Nicht alles ist da geglückt, aber das ist etwas, was Für Amazon-Verhältnisse ist es klein, aber was groß genug ist, also Milliardenunternehmen, was da vorangetrieben ist und was ein Standbein ist, aber wie vorhin schon gesagt, wieder unter der Amazon-Marke. Da muss alles drunter, Fresh, Pharmacy und was auch immer da kommen muss.

Joel Kaczmarek: Alex, dann lass uns doch auch mal wieder den Doppelblick zurückwagen. Also was ist sozusagen bei Shop-Apotheke so das Asset eigentlich gewesen? Also was hat man besonders gut gemacht? Und wenn du dann sagst, hier nach vorne raus wieder geschaut, wie ist das Geschäftsmodell vielversprechend in der Zukunft?

Alexander Graf: Nein, ich frage mich halt, wir haben natürlich jetzt nicht überall die Apothekeninfrastruktur, die wir in Deutschland haben, aber es ist natürlich schon noch gelerntes Verhalten, dass wenn jemand krank ist und ein Rezept irgendwo vom Arzt bekommt, Medikamente holt, sich das im stationären Handel holt. Und insbesondere das Thema Medikamentenausgabe, Medikamenten-Anmischung ist sozusagen im stationären Umfeld hoch lokalisiert, ist extrem teuer. Also ein sehr teurer Schritt dieser kompletten Handelsinfrastruktur. Und wenn wir jetzt mal diesen Temu-Ansatz geht, ja im Grunde genommen vom Wirkstoffhersteller zum Indien, sozusagen in die Tablette auf deinem Schreibtisch, gibt es halt relativ starke sozusagen Einsparmöglichkeiten. Also ich möchte da jetzt gar nicht dem Apotheker abreden, dass er sozusagen einen wichtigen Teil dieser Wertschöpfung darstellt und das tut er auch für einige Patienten, aber viele wollen einfach nur zu ihrem Medikament. Und der Apotheker ist dann sozusagen eine willkommene Infrastruktur, um dieses Medikament rechtskonform zu übergeben. Aber es ist einfach nicht das günstigste und wir laufen natürlich in den Markt hinein, bei der sich ja auch in allen Ländern, und Shop-Apotheker ist ja vor allem in Europa unterwegs, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, in allen Ländern gibt es ja sozusagen Einsparbemühungen.

Und da wollen wir mal gucken, wo kann man irgendwie sparen. Und das wird natürlich Apotheker treffen. Wir sehen ja jetzt ja schon das große Apothekersterben, auch europaweit. Und das sind alles so Effekte, die Shop-Apotheker nach vorne in die Karten spielen. Ich bin auch überrascht, dass sie so lange durchgehalten haben. Ich bin total überrascht, dass sich diese Fantasie offensichtlich, Sehrezepte sind ja jetzt schon im Börsenkurs, Aber das kommt. Niemand kann sagen, wann es wirklich funktioniert und wann es auch so eine Art Automatismus gibt. Aber wenn ich mir anschaue, wie viel teure Infrastruktur wir von diesem, hier ist der Wirkstoff, da ist die sozusagen Pillendose des Patienten noch dazwischen haben, ist das auf jeden Fall ein Markt, in dem es unfassbar viel Innovationspotenzial gibt.

Und Shop-Apotheke konzentriert sich ja bisher nur auf die Distribution. Also wir reden ja noch gar nicht über Eigenmarken von Medikamenten oder Produkten. Viel, viel radikalere Ansätze in diesem ganzen Umfeld. Das wird wahrscheinlich in Europa auch schwer. Das wird man eher in anderen Ländern sehen, vielleicht auch erst zuerst in den USA. Aber ich glaube, in dem Bereich ist noch super, super viel möglich.

Jochen Krisch: Vielleicht sollte man noch ergänzen, um sich zu vergegenwärtigen, wie groß das Shop-Apotheke ist. 2023er Estimated Umsatz 1,8 Milliarden Euro. Also es ist wirklich ein Mehr-Milliarden-Unternehmen inzwischen. Auch die Umsatzdynamik ist da enorm. Die haben schon sehr viel jetzt gemeistert, ohne überhaupt noch diesen E-Rezept-Boozt zu haben. Und Ihre Aussage ist ja, das war wir schon, als wir über 500 Millionen waren. dass sie dann Richtung 5 Milliarden gehen könnten. Und das ist im Prinzip auch die Fantasie, die da drin ist, dass sie wirklich da am längeren Hebel eigentlich sitzen.

Joel Kaczmarek: Was glaubt ihr denn eigentlich, wie wichtig ist hier die zeitnahe Lieferung? Weil ich denke gerade an so Konzepte wie MADE, also was ja so das Gorillas-Prinzip auf Medikamente anwendet. Weil in der Regel ist ja so, wenn ich Bedarf an Wirkstoffen habe, dann brauche ich sie ja für Typen schnell. Also dann bin ich krank und will hier irgendwie mein Schnupfenmittel irgendwie jetzt ASAP haben. Ist das so ein wichtiger Faktor bei diesem ganzen Apothekengeschäft oder ist das eigentlich zu vernachlässigen?

Jochen Krisch: Ja, die Initiative ist da. Also gerade, glaube ich, sobald das Rezept, ihr Rezept da ist, noch wichtiger als bisher. Sie haben First A, glaube ich, hießen sie, übernommen, als es denen nicht mehr so gut ging. Und sie haben auch die, ich weiß gar nicht, wie das jetzt heißt, als es noch ShopUp.de hieß, Now als wenigstens Same-Day-Ansatz in den größten Städten in Deutschland da. Also das ist gerade in dem Bereich schon ein Moment, weil ich glaube, die Leute dann ja auch, Ja, schon möchten, dass sie zumindest, selbst wenn sie das Medikament nicht direkt brauchen, aber das Gefühl haben, sie können es genauso schnell bekommen, wie wenn sie beim Apotheker vor Ort holen.

Alexander Graf: Ich wüsste jetzt aber gar nicht, also klar, aus unserem eigenen Medikamentennutzungsverhalten könnte man das so ableiten, aber ich wüsste gar nicht, wie viel Prozent der Medikamente, die heute bei den Tresen gehen, OTC oder X, in der Apotheke tatsächlich zeitnah benötigt die Medikamente sind und wie viel eigentlich für chronisch Kranke oder für diejenigen sind, die auch mal warten könnten. Also klar, wenn du jetzt irgendwie Schnupfen hast, möchtest du jetzt nicht den Temu-Effekt, in zehn Tagen ist das dann da, aber auf 50 Prozent günstiger. Aber ich könnte mir vorstellen, dass das gar nicht den Großteil der Medikamente betrifft, aber da bewege ich mich auf sehr dünnem Eis.

Jochen Krisch: Ja, aber es ist ein psychologischer Moment, weil das ist das Argument, das natürlich die Apotheken vor Ort bringen. Wir sind immer für euch da und immer erreichbar direkt. Deswegen müssen die Online-Apotheken das in irgendeiner Form abgedeckt haben. Ich glaube auch nicht, dass es das große Geschäft ist und dass es wirklich eher in den seltensten Fällen so ist, dass man es spontan braucht. Aber sie müssen es in irgendeiner Form zumindest vermitteln können, dass sie die Möglichkeit haben.

Joel Kaczmarek: Aber stimmt schon, vielleicht füllt man zu Hause auch die Apotheke immer mit Ibuprofen auf oder macht hier einen auf Prepper und holt sich hier die Kinder Fiebersäfte. Also da gibt es wahrscheinlich durchaus noch Szenarien. Nun gut, kommen wir zum Nummer 4. Da müssen wir mal helfen, Joch, wie man das ausspricht. Boozt, B-O-O-Z-T schreibt sich das? Boozt?

Jochen Krisch: Genau, wie ganz regulär Boozt als der bekannte Modehändler, der in Skandinavien bekannte Modehändler, also wieder ein Unternehmen, was nicht….

Joel Kaczmarek: Ach, scharf mein Haupt.

Jochen Krisch: Nee, das musst du auch nicht kennen. Was in einem Markt ist, wo Amazon nicht präsent ist, das zum einen, mit Zalando haben sie zu kämpfen, aber auch die, also es ist irgendwie erstaunlich, weil alle Modehändler unter die Räder gekommen sind ja in den letzten fünf Jahren aus unterschiedlichen gründen und der Katalog ist lang, warum das jeweils beim Einzelnen so passiert ist. Nur Boozt hat sich sehr gut geschlagen, obwohl sie jetzt auch in einem skandinavischen Markt aktiv sind, der jetzt, sagen wir mal, nicht so boomt.

Also da ist Inflationsvergleich sehr hoch und ist kein einfacher Markt, aber trotzdem. Ihre Strategie war lange, wir wollen profitabel wirtschaften Und haben deswegen eher höherpreisige Produkte und versuchen quasi mit der ersten Bestellung oder bei jeder Bestellung quasi profitabel arbeiten zu können. Die haben also eher einen konservativen Ansatz gefahren. Also eine Art Bräuninger online? Ja, aber schon ein bisschen drunter. Also ich würde jetzt die nicht mit Bräuninger vergleichen, aber…. Über Zalando, jetzt vom Preispunkt, aber schon. Das hatte ich noch nie gedacht, da Boozt mal mit Bräuninger zu vergleichen. Da würde sich Bräuninger nicht freuen.

Alexander Graf: Aber woher kommt denn diese, also ich meine, wenn es jetzt irgendwo zwischen Zalando und Bräuninger ist, woher kommt denn diese Wachstumsfantasie? Ich meine, das ist ja hier auf Plus 200 Prozent. Woher kommt denn das?

Jochen Krisch: Sie haben sich in jeglicher Richtung, also A, haben Sie immer gute Kennzahlen gehabt. Also jetzt gerade, wenn es dann wieder Richtung Profitabilität geht, waren die halt schon immer eher profitabler als wachstumsstark. Insofern ist das sicherlich ein Vorteil, den Sie jetzt ausspielen können. Und dann haben Sie Sortiment erweitert. Und Sie bezeichnen sich inzwischen jetzt als Warenhaus, also Department Store für die Nordics, für Skandinavien. Also gehen Sie ein bisschen aus dem Modebereich heraus.

Und damit haben Sie die Fantasie geweckt, ich sehe die durchaus kritisch, weil ich sehe die noch nicht über den Berg. Also es sind auch noch keine Milliardenunternehmen zum Beispiel, schlagen sich da ganz gut und kommen auch ganz gut voran. Bzw. sind sie durch die ganzen Krisen relativ gut durchgekommen. Aber das ist jetzt nur, sagen wir mal, so Pseudos da. Also an der Börse gut entwickelt, in so einem abgelegenen Markt. Aber ich würde jetzt auch nicht so hochhängen, dass ich sage, das ist jetzt das Vorbild für alles und das könnten machen. Aber für mich durchaus ein Beispiel, wie du als quasi Nischenplayer in einer speziellen Region eigentlich ganz gut vorankommen kannst.

Alexander Graf: In der Region ist natürlich auch SHEIN schon stark, aber das sind natürlich noch andere Preispunkte, mit denen sie angreifen.

Jochen Krisch: Ja, das ist wirklich interessant. Zalando ist halt sehr stark auch nach Skandinavien gegangen und sie konnten sich aber da, glaube ich, noch ganz gut behaupten. About You weiß ich gar nicht, wie stark da die Wettbewerbssituation ist, aber sie sind schon auch unter Druck gewesen. Sie mussten sich schon auch was einfallen lassen. Aber sind sich da ziemlich treu geblieben. Also es gab jetzt auch keine großen Warnungen in jeglicher Hinsicht. Also sehr, sehr gelassen da durchgesteuert. Und selbst das ist ja schon ein Positives. Also was die Normalität quasi.

Alexander Graf: In meinem Mühe sitzen die. Das ist ja von mir nur vier Stunden. Da könnte ich ja versuchen, mal das C-Level in den Commerce Talks Podcast einzuladen. Ich werde mir das direkt mal aufschreiben.

Jochen Krisch: Solltest du mal machen, weil die sind eigentlich, wie die Reaktion von Joel schon zeigt, einfach nicht wirklich präsent. Also jenseits der skandinavischen Märkte.

Joel Kaczmarek: Dann, was sind wir so frech und machen jetzt einfach auch mal mit Platz 5 weiter, bevor wir uns noch im Express-Format den Flop5 widmen. Auf Platz 5 kommt HelloFresh mit 134% Wachstum. Relativ deutlich auch vor Ocado. Also wir haben ja schon öfters über HelloFresh geredet. Von daher brauchen wir es ja gar nicht so lang halten. Aber wenn du mal die Fünf-Jahres-Rückschau machst, Jochen, was ist dann da so dein Big Picture?

Jochen Krisch: Trotz allem und trotzdem sie schwierige Jahre hatten und durchaus gebeutelt waren jetzt in der jüngsten Zeit. Also ihr Hauptboom kam natürlich gleich nach dem Börsengang und dann in der Corona-Zeit, wo sie extrem zugelegt haben. Deswegen konnte man das jetzt ein bisschen verschmerzen, was da an Rückfällen gab. Jetzt zwei negative Jahre im Prinzip von der Bewertung her. Ja, aber machen im Grunde immer noch trotz allem einen guten Job. natürlich, die Churnrate ist größer geworden, es ist alles nicht mehr vom Boom her nicht mehr so dramatisch, aber trotz allem hatten sie jetzt, und das dürfte auch 2023 so ausgegangen sein, noch kein rückläufiges Umsatzjahr. Also sie werden so ziemlich ein bisschen über Vorjahr liegen, 2023, also ist immer noch eins der Unternehmen, die eigentlich da Gas geben und im Grunde den Food-Markt schon aufmischen mit ihrem Modell und sich da auch verbreitert haben und jetzt ja nicht nur Abos, Meal-Kits, sondern auch Ready-to-Eat-Ware, hätte ich jetzt fast gesagt, Produkte anbieten.

Also wir haben ausführliche Ausgaben dazu gemacht. Ich bin Fan von dem Geschäftsmodell. Das ist nicht für die Masse, das ist für eine spezielle Nische, aber Mit denen kann man eben sehr gut arbeiten. und vor allen Dingen ist für mich bei HelloFresh, die können noch in alle Richtungen gehen. Also was auch immer das wird, ob das nächstes Nestle wird quasi, so aus der Richtung oder ob sie noch stärker in den Handel reingehen, die haben im Prinzip noch alle Möglichkeiten. Deswegen bin ich bei denen sogar auch nach vorne positiv. Also der Fünf-Jahres-Blick sieht sehr schmeichelnd aus. Sie hatten zwei schwierige Jahre, muss man auch dazu sagen.

Joel Kaczmarek: Was sind denn so deine drei Lieblingseigenschaften an deren Geschäftsmodell, wenn du es mal so ganz schnell expressseitig zusammenfasst?

Jochen Krisch: Das erste wahrscheinlich, dass sie alles in einer Hand haben. Also von der Produktion, also von den Lieferanten bis dann eben zum fertigen Produkt, konfigurierten Produkt, je nachdem. Das zum einen, ich bin großer Freund durchaus von Abo-Modellen, wenn man es schafft, die hinzubekommen. Also wenn man wirklich da einen Mehrwert liefert und das entsprechend hinbekommt. Und das andere hatte ich schon gesagt, der Hebel letztendlich. Die müssen nicht da bleiben, wo sie sind, sondern das kann einfach eine Möglichkeit gewesen sein, um eine Marke zu etablieren, die für bestimmte Dinge steht.

Und sie haben inzwischen zwei, drei Marken, noch mehr, aber zwei große Marken, mit denen sie agieren können. Und was man auch nicht unterschätzen sollte, es ist halt eins der wenigen deutschen Unternehmen, die es in den USA geschafft haben. Sie sind größer in den USA als in Deutschland. Da ist vielleicht auch die Preissensibilität geringer, beziehungsweise die Offenheit für solche Angebote und haben daher wirklich das Feld abgeräumt. Also Blue Apron gibt es ja quasi nicht mehr in der Form und andere sind auch erheblich kleiner. Also deswegen, ich bin da komischerweise, finde ich viel mehr Positives als Negatives, andere sind da sehr viel skeptischer.

Joel Kaczmarek: Wie geht es dir damit so, Alex?

Alexander Graf: Ja, also dieser US-Erfolg, der ist natürlich schon sensationell, muss man ganz klar sagen. Meine Grundbedenken in diesem Geschäftsmodell konnte ich dann irgendwann damit ausrollen, dass ich gesagt habe, okay, offensichtlich gibt es ein paar hunderttausend oder wenige Millionen Kunden, für die das genau das Richtige ist. Vielleicht nicht für 80 Millionen in Deutschland, sondern vielleicht für 1, 2, 3 Millionen und kann nur wenige Anbieter geben, die diese Infrastruktur sozusagen bereithalten können, um damit irgendwie Geld zu verdienen. Das ist offensichtlich HelloFresh besser gelungen als allen anderen. Ich habe immer damit ein bisschen zu kämpfen, obwohl ich mich zur Zielgruppe zählen würde, finde ich mich da einfach nicht wieder, weil mir irgendwie die Auswahl fehlt oder die speziellen Gerichte fehlen oder die Größen nicht gut genug sind. Wenn es doch in der Familie nicht klappt und ich sehr wenig Erfolgsbeispiele in meinem Umfeld habe, wo ich sage, okay, das hat jemand ausprobiert, der ist dabei geblieben. Also ich bin da immer noch hin und her gerissen. Also ich kann mir das jetzt erklären, warum das erfolgreich ist, aber ich kann es noch nicht so erspüren. Ich bin da nicht so dran, aber ich gönne natürlich dem Team total den Erfolg und bin begeistert, dass es ein Unternehmen in den USA geschafft hat, was ja wirklich extrem selten ist, wenn man aus Deutschland heraus expandiert.

Jochen Krisch: Für mich ist das aber auch immer ein Beispiel einfach zu sehen, wie groß Nischen sein können, wenn man das entsprechende Produkt und das entsprechende Geschäftsmodell hat. und das ist ja immer sowas, worauf ich noch so ein bisschen warte. Es muss nicht immer alles für alle gehen und bei allen ankommen, sondern es können wirklich auch sehr spezielle Themen sein und online bietet da einfach Hebel und da ist für mich immer HelloFresh so eins der herausragenden Beispiele und es gibt super wenige, die einfach den Weg gehen, was ich so ein bisschen schade finde.

Joel Kaczmarek: So und ehe wir jetzt gleich auf die Flop 5 gucken, können wir ja nochmal die 5 durchgehen. Also wir hatten jetzt auf Platz 1 Pinduoduo bzw. Temu, dann hatten wir Mercado Libre auf 2, Shop Apotheke auf 3, Boozt auf 4 und HelloFresh auf 5. Wenn Jochen in 5 Jahren wieder so eine Rückschau machen würde, was glaubt ihr, wie viele von den 5 Unternehmen sind dann auch wieder auf der Liste oder sagen wir mal oben positioniert in den Top 10 vielleicht?

Jochen Krisch: wir haben so viele jetzt, die nachgekommen sind, da wären also kaum, ich würde sogar sagen, kein einziges davon. Das waren die, die jetzt die letzten fünf Jahre gemeistert haben. Wir haben jetzt, also wir warten auf den Börsengang von SHEIN, wir haben einen Flipkart, hatte ich am Anfang auch schon gesagt, auch aus Indien sozusagen, ein Unternehmen aus dem Börsengang. Dann haben wir bei uns im Fonds eben auch einen Coupon drin, einen DoorDash drin, Instacart ist an der Börse inzwischen. Und das sind für mich so die nächsten Gewinner. Also worauf ich inzwischen sehr viel achte ist, haben sie eine Last-Mile-Kompetenz in irgendeiner Form drinnen, weil das einfach nochmal eine stärkere Kundenbindung hinbekommt. Deswegen, das ist jetzt wirklich ein sehr kleiner Ausschnitt von dem Gesamtmarkt, selbst börsennotierten Markt, den wir haben. Also da würde ich dann eher auf, wahrscheinlich auf jüngere und innovativere schauen. setzen tatsächlich.

Joel Kaczmarek: Alex, ähnliche Meinung?

Alexander Graf: Ja, ich konnte ja ein bisschen nachdenken, als Jochen geantwortet hat. Also wahrscheinlich ist es so, in zwei Jahren werden dort fünf andere Unternehmen stehen. So den stärksten Eindruck macht Pinduoduo immer noch für mich. Aber ansonsten muss man ganz klar sagen, was mich beeindruckt an dieser Liste ist, es gibt halt schon sehr viele große Unternehmen, die im E-Commerce gestartet sind, dort groß geworden sind. Teilweise jetzt wieder auf dem abfallenden Ast sind. Also wir reden jetzt hier schon über eine etablierte Industrie und da wird es auch in Zukunft wahrscheinlich immer schwerer werden, in dieser Größenordnung schnell nach oben zu stoßen. Also dass wir solche Temu-SHEIN-artigen Effekte nochmal sehen. In Zukunft, das wäre genauso ungewöhnlich, wie einen Automobilhersteller zu sehen, der innerhalb von zwei Jahren von null auf irgendwie 20 Millionen Autos kommt. Also es scheint sich jetzt so ein bisschen einzurütteln zu dem, weil es so viele sehr große schon gibt. Und aus dieser Liste, also von den Losern würde ich keinen oben sehen in den nächsten fünf Jahren, aber da kommen wir gleich nochmal dazu, war es schon sehr stark.

Jochen Krisch: Da würde ich was dagegen argumentieren, Alex. Wenn ich sehe, wie schnell jetzt Temu Pinduoduo hochgekommen sind, Coupang, was ich jetzt als Beispiel genannt habe, auch noch keine zehn Jahre alt. Und die ganzen Food-and-Delivery-Anbieter, die aus dem Restaurantbereich kommen, die jetzt ja erst in den E-Commerce einsteigen. Und dann eben diese Social-Media-Phänomene, die wir haben, dass das quasi als Trittbett genutzt wird, um groß zu werden. Also ich glaube, dass gerade wer Geld in die Hand nehmen will, da sprechen wir halt jetzt nicht mehr von ein paar hundert Millionen, sondern von ein paar Milliarden, kann da tatsächlich vergleichsweise schnell, also schnell heißt für mich im E-Commerce immer fünf bis zehn Jahre, wirklich substanzielle Unternehmen, das würde für mich dann heißen, mindestens zehn Milliarden Umsatz, aufbauen jetzt auf globaler Ebene.

Also da würde ich tatsächlich eher sagen, da sehen wir eigentlich erst den Anfang. Das sind für mich so die Phänomene, wo man jetzt gesehen hat, was innerhalb der letzten fünf oder zehn Jahre tatsächlich passiert ist. Aber das ist ja noch nicht professionell passiert. Das ist ja so eine Mischung aus Können und Glück, Aber man sieht nicht die, die gescheitert sind, beziehungsweise wir haben Wisch und andere haben wir ja genannt, die es auch nicht geschafft haben. Also da erwarte ich mir gerade jetzt so zwischen 2025 und 2030 zum Beispiel nochmal eine enorme Dynamik in dem Segment.

Joel Kaczmarek: Na gut. So, Flop5, wie wir schon angedroht haben. Wir können ja mal rückwärts vorlesen. Vielleicht ist es überzogen, wenn wir jetzt auf jeden Player einzeln eingehen. Aber vielleicht finden wir ja so Patterns, die wir bei mehreren haben. Also Jochen hatte ja 19 Unternehmen in seiner Liste. Das Schlusslicht bildet ASOS, davor Boohoo, davor, da darfst du mir gleich wieder helfen, Bygghemma, sagte mir auch nix, Alibaba und Wayfair auf Platz 15. Und wenn wir wirklich die letzten 5 machen, doch, dann sind es 5 gewesen, genau. Also ASOS, Boohoo, Bygghemma, Alibaba, Wayfair. So. Hast du so ein kleines Fazit oder eine Gemeinsamkeit gezogen, als du den Artikel aufbereitet hast, Joch?

Jochen Krisch: Nee, aber man muss wirklich Töpfe bilden. Also die alteingesessenen Modeplayer, wobei ASOS, das ist halt ein Unternehmen aus den 90er Jahren, sag ich jetzt mal. Das hatte schon gegen Zalando und About You keine oder Boohoo keine Antwort gefunden. und jetzt gegen SHEIN tun sie sich noch schwerer. Sie sind wirklich am strugglen und da muss man mal schauen, was da wird. Ein bisschen überrascht hat mich Boohoo, weil die wirklich am Anfang so einer der Überflieger waren und eigentlich ja in dem Segment sind, wo auch SHEIN und andere aktiv sind, also wirklich super günstig und trotzdem hochmargig und sah eigentlich von den Kennzahlen immer ganz gut aus. Da muss man aber auch dazu sagen, nicht ohne Grund sind die Britischen da am Ende, weil Großbritannien nach dem Brexit halt schon wirklich auch nochmal andere Herausforderungen hat. zu den schon bekannten Problemen, aber die wollten ja alle weg. Große Internationalisierungsstrategien fahren auch Richtung USA oder global. Das hat alles nicht so wirklich geklappt.

Also das ist ein bisschen, sagen wir mal, die Generation, die sie vielleicht überlebt hat. Beide sind Übernahmekandidaten, wie viele jetzt am unteren Ende. Wahrscheinlich Asus ist der sicherste Übernahmekandidat. Vielleicht werden sie auch zerlegt. Die haben ja Topshop übernommen und so ein paar andere, die es günstig gab jetzt in der Corona-Zeit. Boohoo ist für mich das, was sich wieder fangen könnte, wenn die ein bisschen geschickt sind und anders agieren. Ja, das ist die Mode. und Möbel hatten auch, weil Wayfair auch da drin sind, hatten nochmal einen anderen Moment, dass die Möbelbranche natürlich so ein bisschen jetzt zuletzt auch schwierige Zeiten hatte. Dann haben wir Alibaba eben drin, wo China auch eine Sondersituation hat. Also wir hatten zwar Pinduoduo jetzt ganz oben, aber das ist die Ausnahme. Der chinesische Markt war wirklich in großen Turbulenzen, also Handelsmarkt in den letzten Jahren durch Corona zum Teil, durch Regularien zum Teil und den Größten trifft es natürlich dann immer am härtesten.

Deswegen war Alibaba eigentlich mit am stärksten unter Druck. Also deswegen muss man das so ein bisschen, glaube ich, differenziert betrachten. Und Bygghemma, Bygghemma Group ist auch wieder Möbel. Aus Skandinavien gilt im Prinzip so ein bisschen Ähnliches wie bei Wayfair. Also es gibt keinen wirklichen Möbelhändler, der jetzt über die gesamten fünf Jahre gut gelaufen ist. Die hatten wirklich einen großen Boom dann in der Homeoffice-Zeit und haben dann eben übervolle Lager gehabt und sich alles sehr, sehr schwer getan haben. Home24 ist übernommen worden, Made.com hat es nicht geschafft. Also Möbel und Mode waren die Branchen, die eigentlich sehr stark unter die Räder gekommen sind.

Joel Kaczmarek: Alex, vielleicht wollen wir noch ein paar Worte über Alibaba verlieren. Ist es wirklich so eine Trendgeschichte, die sich jetzt an Alibaba ablesen lässt? oder hat Alibaba im Vergleich zu den anderen, die wir jetzt ganz oben auf der Liste gesehen haben, irgendwie was signifikant falsch gemacht?

Alexander Graf: Ja, Alibaba hat kein Outlet entwickelt, was es irgendwie zu internationalem Erfolg geführt hat. Also Alibaba.com ist natürlich weiterhin eine relevante Plattform für B2B-Kunden, auch international sozusagen für Sourcing, aber sie haben kein Endkundengeschäft entwickelt, haben es mit AliExpress nicht geschafft, mit Temu nicht geschafft, haben dann angefangen neu zu justieren mit dem Investment in Trendyol in der Türkei, das ist der größte Marktplatz dort. Zum Beispiel, und das ist natürlich jetzt im Vergleich zu SHEIN oder Temu halt nicht gelungen, was anderen offensichtlich gelingt, weil ihr Fokus zu stark auf dem chinesischen Markt lag, die überhaupt zu entwickeln und die Infrastruktur zu bauen und mit den einzelnen Marken diese zu betreiben, zu hantieren. Die Frage ist, schaffen sie diese Kurve? Also schaffen sie es jetzt, irgendeinen Vehikel zu entwickeln, mit dem sie auch internationales Endkundengeschäft machen können?

Also nach allem, was man auch in chinesischen Leitmedien da zu lesen kann, sind auch die total überrascht von Pinduoduo. Das ist für die so der intensivste Wettbewerber, weil sie noch mit den gleichen Händlern arbeiten, die noch AliExpress oder auf Alibaba aktiv sind. Das finde ich schon bemerkenswert, zeigt aber auch, dass sie natürlich auch Konzernstrukturen ausgebildet haben und es irgendwann verpasst haben, noch ein Stückchen weiter zu innovieren. Und ich glaube, der Höhepunkt von Alibaba war so 2019, der Double Eleven Day, also der 11.11., in dem sie 40 Milliarden gemacht haben an einem Tag, 40 Milliarden Umsatz. Danach gab es eigentlich sehr, sehr wenige Effekte oder so Events, bei denen man sagen muss, da Hut ab. Also seit dem Rückzug von Jack Ma und seit dem fehlgeschlagenen Börsengang des Zahlungsdienstleister konnten wir jetzt nichts beobachten. Das ist natürlich auch ein bisschen Corona geschuldet, weil China sich abgeschüttet hat, was mir da jetzt irgendwie Mut zur Hoffnung macht. Aber da ist natürlich die Schlagkraft und Infrastruktur ist natürlich da, dass da alles passieren kann, anders als jetzt bei Boohoo und ASOS.

Also denen fehlt natürlich jegliche Schlagkraft nach vorne und Wayfair kann ich mir in einer geupdateten Liste in den nächsten ein, zwei Jahren noch deutlich weiter oben vorstellen. Ich glaube, Wayfair nähert sich eher einem Fair-Market-Value an. Also das hat ja grundsätzlich kein Issue im Geschäftsmodell. Das ist ja weiterhin ein Markt, in dem es eine starke Online-Offline-Verschiebung gibt, in dem bestehende Möbelhändler auch noch nicht so viel online machen können. Die Ikea-Zahlen zeigen auch, dass da online immer noch viel, viel geht. Da wäre ich extrem optimistisch. Bei Alibaba hätte ich zumindest ein Fragezeichen, wie sie das jetzt schaffen oder was sie da jetzt genau machen wollen. Bei Boohoo und ASOS ist für mich der Zug abgefahren. Also sozusagen, wenn es ganz unten in der Liste geht, da ist für mich schon irgendwie klar, dass ich die auch nicht in Zukunft oben finden würde oder werde. Bei Alibaba, Wayfair kann ich mir so super vorstellen, dass die deutlich weiter oben angesiedelt sind in den nächsten Jahren.

Jochen Krisch: Alles Fälle für Fraser jetzt in dem Fall, die sich ja schon Anteile an fast allen britischen Online-Händlern reserviert haben und in der Fraser's Group wahrscheinlich aufgehen werden, wenn die Bestseller-Group nicht dagegen grätscht. Für mich ist das ein spannendes M&A-Spiel einfach da hinten, weil die Bestseller-Group fast an allen Online-Modehändlern beteiligt ist und ob sie sich da die Butter vom Brot nehmen lassen oder ob ein ASOS und ein Zalando und ein About You, das sind jetzt die Bestseller-Beteiligungen, irgendwie zusammengehen. Also das sind für mich noch so Geschichten, die passieren können.

Das sind jetzt für mich nicht unbedingt Pleite-Kandidaten, aber halt Übernahmekandidaten. Und dann muss man sehen, was daraus wird, speziell die Modebranche ist ohnehin sehr im Umbruch. Man hat es mit Farfetch gesehen, die es alleine nicht geschafft haben, die jetzt bei Coupang gelandet sind und bei anderen, die sich einfach auch unheimlich schwer tun. Also darauf spekuliere ich auch so ein bisschen, dass sich da einfach nochmal die Branche anders aufstellt, anders erfindet, um einfach diese gewisse Grundgröße zu haben und eine Ausrichtung, sodass es dann auch wieder leichter wird zu wachsen und dann in den Markt und auch in den Wettbewerb mit Ski innen und mit anderen zu gehen. Ich denke mal, da ist halt die Das muss passieren. Das ist nicht schön und für die Unternehmen nicht. Und generell ist das Bild auch immer sehr schief, dass das die Branche dann abgibt. Aber andererseits liegt das auch in der Natur der Sache. Also ich sage ja immer, wir haben jetzt das erste Mal eine große Wirtschaftskrise, die der Onlinehandel durchmachen muss. Das ist nicht gelernt. Das wird jetzt einmal gelernt und dann wird es die nächsten Male nicht mehr so dramatisch ausfallen wie jetzt dieses Mal.

Joel Kaczmarek: Na gut, ihr Lieben, also das war doch ein cooler Ritt. Ich finde ganz viel abgeleitetes Wissen aus den sowohl Erfolgsbeispielen als auch den irgendwie nicht so gelungenen oder die in Turbulenzen sind. Habt ihr noch so ein Fazit, was ihr jeder aus der Liste irgendwie mitnehmt? Was ihr sagt, vielleicht auch so eine spannende Erkenntnis, mit der ihr vorher nicht gerechnet hättet, was euch überrascht hat. Gibt es da was?

Jochen Krisch: Also für mich auf jeden Fall, ich hätte überhaupt nicht damit gerechnet, dass es so große Gewinner gab. Also wirklich so große im Sinne von, die sich so viel multipliziert haben, weil der Gesamteindruck ja wirklich war, das waren turbulente Jahre, aber das ist halt dann doch immer einzelfallabhängig. Und es gibt einfach welche, die angreifen und Dinge vorantreiben, ich nenne die immer gerne Marktgestalter. Als Marktgestalter unterwegs sind, wirklich so eine Vision haben, wo sie hinwollen und das dann auch konsequent gestalten. Und andere halt, die eher so sich treiben lassen oder Opfer der Umstände zum Teil auch sind. Also den kann man jetzt auch nicht unbedingt vorwerfen, dass es ihnen gerade nicht so gut geht. Also insofern haben mich fast die Gewinner mehr überrascht als die anderen, muss ich sagen.

Alexander Graf: Was mir in der Liste auffällt, und wir reden, wie gesagt, jetzt erstmal nur über 19 Unternehmen hier, ist, dass wir von diesen 19 Unternehmen schon acht lupenreine Marktplätze haben oder die einen wesentlichen Teil ihres Geschäfts über Marktplatzgebühren verdienen. Und ich glaube, wenn wir in zwei Jahren nochmal über die Liste diskutieren, werden es wahrscheinlich dann von 20 dann 13, 14, 15 sein. Und viele dieser Unternehmen, die hier noch nicht Marktplatz sind… werden sicherlich Investitionen tätigen, um dann Marktplatzinfrastruktur aufzubauen. Also der Trend für mich ist glasklar erkennbar, dass das Plattformgeschäft, diese Regeln der Plattformökonomie, dass die hier voll einschlagen.

Jochen Krisch: Das gilt darüber hinaus und ich sehe es auch durchaus positiv, weil das ja auch alternative Erlösquellen bedeutet und nicht mehr diese nur Margenabhängigkeit. Also natürlich ist es im ersten Moment, klingt das so als Bankrotterklärung, dass Händler alleine nicht mehr überlebensfähig werden. Aber für mich ist es eigentlich was Positives, weil damit einfach Umsatzpotenziale erschlossen werden können, die jetzt zum Beispiel noch bei Facebook, bei Google oder wo auch immer sind. Aber ich bin da sehr bei dir.

Joel Kaczmarek: Ja gut ihr Lieben, dann ganz, ganz herzlichen Dank für diesen schönen Ritt und dir ganz besonders lieber Jochen für natürlich die ganze Arbeit, die in der Analyse schon drin steckt, auf die wir hier aufbauen durften. Also es war mir ein großes Vergnügen und ich freue mich auf viele weitere Runden in 2024 mit euch beiden. Danke, tschüss.

Jochen Krisch: Tschüss.

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Handelsstrategien

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.