Wie asiatische Händler Deutschland erobern

17. Februar 2020, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen E-Commerce-Crossover-Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es um das schöne Thema Asien.

Wir werden einerseits darüber reden, was gibt es eigentlich für asiatische Händler, die hierher kommen, nach Europa, nach Deutschland ihr Geschäft betreiben. Da wird natürlich auch ganz viel über Marktplätze geredet werden. Und dann reden wir aber auch über asiatische Händler vor Ort. Was passiert eigentlich in China? Was macht man dort anders? Und welche Trends und Entwicklungen gibt es eigentlich sonst? Natürlich, wie wir immer angetrieben sind, wollen wir auch herausfinden, woran das liegt. Das heißt, wir werden versuchen, diese Trends und Entwicklungen herzuleiten. Historisch, aber auch rein faktisch, konzeptuell. Und nach hinten raus natürlich auch mal sagen, was für eine Zukunft bietet sich eigentlich lokalen Händlern aus Deutschland, wenn man gegen die Superasiaten antritt. Und nach den Superasiaten oder über die Superasiaten kann ich mit dem Supergrafen reden und mit dem guten Jochen Krisch. In diesem Sinne, hallo und herzlich willkommen, Alex und Jochen. Moin.

Alexander Graf: Hallo, schön. Moin, moin. Frohes Neues.

Joel Kaczmarek: Ja, frohes neues Jahr. Was tut sich bei euch? Ganz kurz in einem Satz. Wir wollen den Leuten nicht langweilen hier mit unserem Privatleben, aber ein bisschen ist ja doch interessant. Was gibt es bei euch gerade? Was beschäftigt euch?

Jochen Krisch: Ich habe kein Privatleben. Ich bereite die K5 vor und habe damit genügend zu tun. jetzt zum Start ins neue Jahr.

Alexander Graf: Ja, jetzt wo wir gerade über China reden, mein Privatleben hatte gestern den 40-jährigen Geburtstag meiner Frau und die hat 40 Winkelkatzen bekommen, die wahrscheinlich auch in Asien produziert worden sind, die dann zusammen eine 40 geformt haben.

Joel Kaczmarek: Nicht schlecht. Gut, also liebe Hörer, ihr seid aufgerufen, ihr geht mal auf die Webseite der K5 und klickt euch ein paar Early-Bird-Tickets und schickt dem Kollegen Graf vielleicht mal ein paar Blumen, dass er seine Frau wieder beruhigt, was der da für komische Geschenke macht, kann nicht schaden, naja. Aber mitten rein, vielleicht fangen wir an mit den Asiaten, die kommen. Klingt ein bisschen invasorisch, ja, aber es ist ja durchaus berechtigt. Also ich weiß, ich habe einmal, ich glaube auf der Demexco waren wir, haben unseren ersten Amazon Report vorgestellt. Den führen wir ja auch nach wie vor fort, also wer sich den angucken will, digitalkompakt.de slash reports und saß am Flughafen und dann kam irgendwie ein alter Bekannter von mir. Ich sage jetzt mal nicht seinen Namen, weil ich gar nicht weiß, ob der Publikum will, dass er in diesem Business so drin ist. Und hat mal angefangen, mir so die ganzen Horrorgeschichten zu erzählen, was eigentlich auf Amazon alles passiert, wenn man gegen Asiaten antritt. Also es klang wirklich wie Wilder Westen und wie eine echte Bedrohungskulisse. Von daher finde ich das eigentlich ganz spannend, da mal reinzustarten. Lieber Alex, du hast das Thema ja heute forciert. Was ist so deine Beobachtung? Wie kommen Asiaten in unseren Markt?

Alexander Graf: Ja. Also relativ einfach offensichtlich. Du hast es ja gerade schon genannt. Mit Amazon haben wir da ja ein zentrales Einfallstore, mit eBay ein anderes. Ich habe jetzt mal die letzten drei Bestellungen bei Amazon geöffnet, die ich getätigt habe. Da haben wir zum einen LED-Lampen, die habe ich mir bestellt, glaube ich, vor ein paar Tagen. Da sieht man auch die Geschäftsadressen, wenn man da drauf guckt. Diese LED-Lampe, die ich mir bestellt habe, kommt von Shenzi Silangkei Suakyangongzi. Steht hier zumindest im Namen. Das ist zum einen ein Asiate. Die zweite Bestellung kommt von Lukas Bamberger. Hat zumindest eine deutsche Adresse. Könnte natürlich auch fake sein. Und die dritte kommt auch direkt von Shang-Chi Silk Road Technology Co. Ltd. Das sind, glaube ich, Ranigungsgeräte für die Toilette. Wenn ich mir das so weit weitergehe durch mein Bestellportfolio, fairerweise geht das auch für Ebay, sehe ich halt, dass ein Großteil des Angebots, was ich heute online schon erwerbe, über die Marktplätze kommt halt direkt aus Asien und da findet gar kein deutscher Zwischenhandel mehr statt. Deswegen sind diese Zahlen, die ja immer rumgeworfen werden auf deutschen Handelsforen mit 50 Prozent des Angebotes von Amazon.de oder auch mehr, kommen schon direkt aus Asien. Die nutzen möglicherweise Technologien und Taktiken, die nicht ganz fair sind. Schauen wir uns gleich nochmal an. Das scheint gerechtfertigt zu sein.

Joel Kaczmarek: Also ich habe ähnliche Beobachtungen gemacht. Wenn wir für unser Studio oder unser Büro hier Sachen bestellen, dann sind es ja gerne mal so Kabel, Klinke-Kabel oder irgendwie Saugnäpfe für unser Whiteboard drüben. Und wenn ich dann immer eine Rechnung anfordere, was dann irgendwie immer ein bisschen dauert, aber geht, kriege ich auch sehr oft Rechnungen mit Shenzhen im Namen. Also man merkt, in der Tat kann ich das spiegeln. Vielleicht gehen wir mal ein bisschen rein. Nein schon, also wenn du sagst, es gibt da irgendwie Techniken und Taktiken, ähnliches habe ich nämlich auch gehört, es ging damals so um Fake-Bewertungen, also dass Asiaten irgendwie ihre Produktbewertungen hochgetrieben kriegen oder umgekehrt die von Konkurrenten runter, dann kam natürlich so die Debatte auf, okay, aber die Konten werden ja eigentlich gesperrt von Amazon, dann schaffen sie es wohl aber auch sehr, sehr schnell wieder im Store drin zu sein, also quasi nächsten Tag ist das Angebot wieder online. Hast du da ein bisschen Einblick, was so Mittel und Wege sind, wie man da vorgeht?

Alexander Graf: Ja, also es gibt ja diverse Sachen, die auch so halboffiziell sind. Ihr seht jetzt, glaube ich, meinen Bildschirm, oder? Ich weiß nicht, ob das funktioniert per Audio, aber man kann es sehen. So, jetzt suche ich mal nach Kopfhörer bei Amazon. Das ist ein Produkt, was mit der generischen Suche relativ gut funktioniert. Die meisten suchen ja gar nicht mehr nach einer bestimmten Marke. Und da würde man jetzt ja erwarten, in der klassischen Mediamarktwelt, Otto.de-Welt oder anderen, dass dann sowas da drinsteht wie Panasonic-Kopfhörer, Sony-Kopfhörer, Bose-Kopfhörer. Jetzt klicken wir hier mal durch die Ergebnisse. So, die kompletten gesponserten Ads, die kommen von Ludos, Ultra-Kopfhörer. Sehr kannten Kopfhörermarke. Kleiner Spaß, natürlich eine chinesische Marke. Das nächste ist Klimfusion, auch gesponsert. Enacfire, auch gesponsert. Auch eine Marke direkt aus Asien. Dann kommen Bluetooth-Kopfhörer. iCala. Dann kommen die In-Ear Blue Car. Und ihr seht ja auch schon an der Anzahl der Bewertungen, da werden relativ viele Bewertungen zusammengeführt. Und das macht das natürlich extrem schwer für eine Marke wie zum Beispiel Panasonic oder Sony, die bisher das ganze Thema Rezessionsmanagement noch nie wirklich getrieben hatte, überhaupt oben dabei zu sein. Ihr könnt die ganze Liste weiter runter gehen. Ihr findet maximal zwei bis drei Angebote von Marken, die euch klassisch aus dem Handel noch bekannt sein müssten. In diesem Fall ist es dieser Bose QuietComfort, den jeder zweite Businessreisende im Flugzeug auf hat. Dazu gehöre übrigens auch ich. Der Rest sind halt Fremdmarken. Und egal, welchen generischen Suchbegriff wir jetzt eingeben sollten bei Amazon, die Listen sehen immer exakt. gleich aus und die Art und Weise, wie aggressiv dort auch die Werkzeuge genutzt werden, um Produkte zu paaren. Wenn ihr mal draufklickt, seht ihr halt ganz, ganz viele verwandte Produkte. Um möglichst viele Bewertungen zu haben, möglichst viele positive Bewertungen zu haben, sieht man, dass Amazon gar nicht hinterherkommt, das zu bereinigen. Ich möchte da gar nicht Richtung Black Hat und Grey Hat gehen, um das auch nicht zu bewerben, aber die Unternehmen, die einfach eine höhere Aussteuerung von Ressourcen haben, um dort oben reinzukommen, gewinnen am Ende. Und die Unternehmen, die vielleicht sogar das bessere Produkt haben und versuchen, über klassische Wege da nach oben zu kommen, die haben keine Chance.

Joel Kaczmarek: Also dem geneigten Hörer mal beschrieben, wir gucken uns hier eine Ergebnisseite von Kopfhörern an, wo wahrscheinlich so roundabout 25 unterschiedliche Produkte gelistet sind. Davon kennt man drei, würde ich mal behaupten. Also ich habe jetzt zweimal Bose gesehen, einmal JBL. Das sind so Marken, die man irgendwie in Westeuropa kennt, die hier aktiv beworben sind, die man halt wirklich als Marke wahrnimmt. Alles andere sind irgendwie oftmals auch Apple-Kopfhörern nachempfundene Geschichten, die wirklich asiatisch daherkommen. Jedes Produkt von denen hat eigentlich so ein Minimum 2000 Bewertungen gefühlt und in der Tat, wie Alex gerade beschreibt, vermutlich auch entsprechende Querverlinkungen. Also das ist der Status Quo. Der eigentlich größte deutsche Handelsanbieter, der in Deutschland aktiv ist, ist zu großen Teilen, lerne ich jetzt von dir, asiatisch dominiert.

Alexander Graf: Das würde ich jetzt erstmal gar nicht als gut oder schlecht werten. Also möglicherweise sind die Produkte ja einfach besser oder die Angebote. Aber die Asiaten wissen natürlich ganz genau, dass ein Großteil der transaktionalen Produktsuchen schon bei Amazon stattfinden oder auch bei Ebay stattfinden. tun halt alles, um diesen Ergebnislisten für generische Begriffe nach vorne zu kommen. Nach so meiner Beobachtung sind sie da seit ein bis zwei Jahren auf dem Siegertreppchen. Da kommen vielleicht super professionelle Anbieter wie KW Commerce nochmal mit vorne rein, aber der ganz, ganz klassische Anbieter für solche Produkte hat da nichts mehr zu suchen.

Joel Kaczmarek: Wie machen die das denn? Was ist denn eigentlich der Hebel, um heutzutage, ohne dass wir es jetzt zu sehr vertiefen wollen, Amazon auf so eine Weise dominieren zu können?

Alexander Graf: Daten zum einen, dann natürlich nutzen sie die Marktplatzwerkzeuge, die auch Amazon bietet, also viele Produkte parallel einstellen, viele Bewertungen erzeugen. Ich möchte jetzt gar nicht mich darüber auslassen, wie die erzeugt werden. Möglicherweise ist es ja auch von Kunden erzeugt. Produkte paaren. Also ganz klassisch muss ich das ein bisschen vorstellen wie die SEO-Industrie der mittleren 2000er Jahre. 2005, 2006 ist ja auch die Phase gewesen, in der Zalando durch klare Arbitrage-Mechanismen nach vorne gekommen ist im SEA- und SEO-Bereich, weil sie die Leute dafür hatten, die das verstanden haben, weil sie die Daten in Tools zusammengeführt haben, mit denen sie was anfangen konnten, weil sie die Produkte entsprechend hatten. Da hat da natürlich dann ein orto.de zu der Zeit ziemlich schlecht ausgesehen oder auch eine direkte Wettbewerb von Pink. Kloppenburg hat das auch nicht gemacht. Und das Gleiche machen jetzt die Asiaten. nur, dass du jetzt halt ein bisschen noch mehr Bums, mehr Daten brauchst, ganz andere Tools, um das ganze Thema Rezessionsmanagement zu machen, diese Lageraussteuerung intelligenter machen musst. Du brauchst immer Backup-Produkte, wenn dein Produkt dann doch mal gesperrt wird, weil du entweder erwischt wirst oder weil du vielleicht die Tools nicht 100% korrekt verwendet hast. Also ganz andere Taktiken sind auf einmal möglich. Eins zu eins das Gleiche, wie die SEO-SEA-Industrie 2005, 2006 gemacht haben.

Joel Kaczmarek: Ich staune ja so ein bisschen. Also alles, was ich bisher vom asiatischen Markt so gespiegelt bekommen habe von Leuten, die da waren, die sagten mir eigentlich immer, man müsse Asiaten oft sehr, sehr genaue Anweisungen geben, die sozusagen stecken nicht so viel Gehirnschmalz rein in irgendwie die Umsetzung von kreativen Dingen, sage ich mal. Ich würde behaupten, dass es hiermit widerlegt, weil was da an Bildmaterial gebaut ist, an Texten, das sieht jetzt nicht unbedingt aus wie einmal bei Google Translate reingeschmissen und irgendwie chinesische Bilder. Also wenn man sich mal Wish anguckt, da sieht es ja deutlich eher so aus. Ich würde echt behaupten, das ist sehr solide in sehr hoher Frequenz da umgesetzt.

Alexander Graf: Auch die entwickeln sich natürlich weiter und sicherlich gibt es noch ganz viele Angebote, die übel aussehen und schlecht aussehen, wo die Texte auch nicht gut sind. Auch hier sieht man, ob das jetzt Kopfhörer sind oder irgendwelche Küchenmesser, ganz, ganz schlechte Übersetzungen. Aber spielt ja gar keine Rolle, ob das irgendwie eine Million sind, die das da schlecht machen. Wenn es halt tausend gibt in der Kategorie, die es gut machen, vielleicht besser machen als die meisten Anbieter aus Europa, dann sind die Listen halt dicht. Dann ist es trotzdem nur ein Prozent oder ein Promille in diesem Fall. Aber das reicht ja aus.

Joel Kaczmarek: Wie ist denn dein Blick auf das Thema, Jochen? Was beobachtest du dabei, wenn Asiaten europäisch orientierte Handelsplattformen nutzen für sich?

Jochen Krisch: Ich glaube, das ist schon der Punkt, den du ansprichst, dass die Professionalisierung voranschreitet. Und wir sprechen ja jetzt von tausenden kleinen Händlern und von Händlern, die sich zunehmend vergrößern und zusammenschließen oder zumindest Gruppen bilden. Ich habe mir mal zwei genauer angeguckt. Das ist Shine als Modehändler und das ist Global E-Grow, die eine ganze Fülle von auch eigenen Seiten betreiben und Apps betreiben, aber im Grunde aus diesem Pool entstanden sind. Und wenn man sich deren Webseiten mal anguckt, dann sieht man schon, die sind sehr professionell aufgestellt in allem. Ich glaube, die richten sich dann auch irgendwann nach den Märkten, haben vielleicht nicht lokale Leute vor Ort, aber internationale Leute dann bei sich, die das entsprechend machen und betreiben. Also ich war da sehr erstaunt, bin auch draufgestoßen, weil letztes Jahr hat ja Schein für Furore gesorgt, weil sie unter die Top 100 deutschen Online-Shops gekommen sind. Und das ist ein reiner chinesischer Händler im Modebereich auf Platz 38 gelandet. mit Umsatzschätzung, muss man auch sagen. Es gibt jetzt nicht so die offiziellen Zahlen für den deutschen Markt, aber insgesamt machen sie 1,5 Milliarden Umsatz. Das war ein Bericht, der in Asien erschienen ist. Und Global E-Grow ist der andere. Die betreiben Gearbest und andere Seiten in unterschiedlichen Kategorien. Die haben schon den Sprung geschafft voraus. Vom Marktplatz hin zu eigenen Angeboten. Ich glaube, so ist die Welle auch. Und wenn sie dann den Schritt machen, jenseits der Marktplatzwelt, glaube ich, haben sie sich so weit professionalisiert, dass zumindest die Basisdaten stimmen. Auch da muss ich Alex zustimmen, also nicht bei jedem Produkt. Nicht jede Webseite ist ausgefeilt im Deutschen, aber zum Beispiel richten sie sich an deutsche Trends, haben zum Oktoberfest im Modebereich Geschichten gemacht und das dreht sich halt gerade. Also ich finde, früher haben die Händler in China gesorst und die Produzenten machen jetzt quasi den Direktvertrieb auf. Vielleicht können wir da auch noch kurz drauf eingehen, aber was ich eben das Spannende finde, momentan wird ja so Plattform als das Allheilmittel verkündet, was im Wesentlichen positiv ist. Aber eben auch Einfallstor ist für chinesische Anbieter. Und was auch bemerkenswert ist und ein anderer Aspekt, den wir vielleicht auch noch ansprechen können, wie läuft denn der Vertrieb dann? Also das, was Alex jetzt auf Amazon und Ebay angesprochen hat, das passiert natürlich im Prinzip auch im ganzen Social-Media-Bereich. Also es sind natürlich dann auch die, die bei Instagram gut arbeiten können und die da wirklich ihre eigenen Influencer aktivieren. Also das ist alles etwas, wo die Chinesen schon der Zeit voraus sind, sehr geprägt sind und sehr sich dem Umfeld anpassen. Und das macht sie einfach sehr viel gefährlicher jetzt für den hiesigen Handel, weil das mit der Zeit geht. Und das ist so meine Beobachtung in dem Marktsegment.

Joel Kaczmarek: Gibt es denn irgendeine Kategorie, wo man sagen kann, da ist das nicht so? Diese Vormacht, diese Kompetenz, ist die sozusagen kategorieübergreifend? Oder sagt man jetzt, okay, bei Elektronik und bei Fashion sind sie irgendwie super stark, bei allem was, keine Ahnung, Möbel oder Beauty oder XYZ ist nicht?

Jochen Krisch: Man kann es ganz einfach sagen, alle Händler, die in China oder in Asien produzieren lassen, all die Kategorien sind im Prinzip die, die auch andersrum funktionieren und wo dann eben die Lieferanten, Hersteller selber aktiv werden können. Also es gibt ganz wenige. und wenn, dann ist es immer, das hat Alex ja auch angesprochen, Unternehmen, die starke Marken aufgebaut haben und die über die Marke funktionieren. Also nicht nur über das Produkt und die Features, sondern wirklich, dass die Marke wie Bose relevant sind. Ansonsten, ich sehe es übergreifender.

Joel Kaczmarek: Okay, also erstes Learning, wenn wir uns Asien angucken, stellen wir fest, es gibt quasi den direkten Bezug von Hersteller zu Käufer über irgendwie solche Plattformen. Der ganze Zwischenhandel, egal ob Großhandel oder kleiner Händler dazwischen, ist quasi an großen Stellen mittlerweile schon einfach auszuschalten.

Jochen Krisch: Genau, wir müssen vielleicht noch eine Stufe auch tiefer gehen, warum funktioniert denn das? Das sind ja nicht nur die Marktplätze, die da sind, sondern es sind ja auch die Strukturen, wie der Versand und die Warenlieferung letztendlich erfolgt. Und auch da ist ja so, lange war es, waren es die günstigen Produkte, die direkt aus China verschickt werden konnten, weil sie einfach bevorzugt. wurden im Postversand. Inzwischen sind es die Fulfillment-Strukturen, die Lager, die da sind, die auch die chinesischen Anbieter nutzen. Das heißt, die können genauso in Anführungszeichen Echtzeit liefern wie andere Hersteller auch. Dem Kunden fällt das nicht auf. Und deswegen, wenn Alex da die Produkte bestellt, er hat sicherlich nicht zwei Wochen warten müssen, bis die kamen, sondern die sind am Amazon Fulfillment Center oder Alibaba, JD Bauen, ähnliches vorhanden und werden dann eben von dort aus verschickt. Deswegen auch ein bis zwei Tage im maximal, wenn das Zentrallager sind und die sind da. Also das ist jetzt nicht so, dass man sich das vorstellen muss, das sind noch die Chinesen, die in China sind und direkt aus der Fabrik liefern, sondern das ist schon durch die Infrastruktur, die einfach jetzt entstanden ist in den letzten fünf Jahren, im System vorhanden.

Joel Kaczmarek: Ja, krass, guter Hinweis. Ich meine, habt ihr euch mal politisch auch umgehört? Also warum gibt es denn da keinerlei Bestrebungen, da in irgendeiner Form mal ein Stück weit zu regulieren?

Alexander Graf: Die gibt es ja zum Teil, durch diese Marktplatzgesetzgebung, die ja diskutiert wird und das ganze Thema Steuerfairness, dass die Umsatzsteuer idealerweise vom Marktplatz direkt eingezogen wird und der Staat dann auf Amazon zugreift und nicht irgendwie auf den chinesischen Händler durchgreifen muss. Aber das ist natürlich sehr, sehr langsam, diese Diskussion und auch die Umsetzung. In der Regel beschweren sich alle und ich würde ganz kurz nochmal den Punkt von Jochen ein Stück weiter erzählen. Da stellt sich nämlich jetzt gerade die Frage, wenn ich als Kunde es gewöhnt bin, diese Produkte relativ zügig zu bekommen und die auch von den asiatischen Anbietern über diese Zwischenlagerfunktion auf Amazon direkt beziehen kann, wird es für mich natürlich zunehmend unattraktiver, bei Wish und Co. zu bestellen, wo teilweise dann noch ein anderes Versandsystem dahinter steckt. Die werden ja schon noch direkt versendet. Da gibt es schon noch relativ viel, was über den Zoll direkt an den Endkunden läuft und nicht erstmal in einem großen Lager diese ganze Zoll-Clearance erhält, können wir uns vorstellen. gleich nochmal angucken. Aber klar, der Staat könnte ohne weiteres regulieren. Ich habe das gefühlt in der Schweiz, die glaube ich einen sehr, sehr großen Anteil Direktpakete bekommen aus Asien aufgrund des Weltpostvertrages und des großen Preisspreads, den es in der Schweiz gibt. Also sind die Produkte per se schon ein bisschen teurer. Da ist dann der Produktvorteil, den man direkt aus Asien spüren kann, nochmal deutlich größer. Das könnte der Staat ja ohne weiteres machen. Morgen diesen ganzen Import verbieten, aber er tut es halt nicht.

Joel Kaczmarek: Gut, aber interessantes Learning, dass es teilweise vor allem wirklich die Logistikstrukturen auch sind, die quasi die Experience für den Kunden so machen, als wenn er es quasi hier bestellt hätte. Also was er de facto quasi hat, nur dass er es gar nicht merkt. Es liegt sozusagen schon vor Ort. War mir gar nicht so bewusst, aber ist mir auch aufgefallen und stimmt wirklich. Muss man mal machen, den Selbstversuch bei Amazon was bestellen. Das sind teilweise chinesische Produkte, die genauso schnell ankommen wie andere. Man hat es gar nicht gemerkt. Man hat sich den Händlernamen auch angeguckt vielleicht, hat sich die Produkte gut angeschaut. Also das ist ja schon irgendwie relativ faszinierend.

Jochen Krisch: Einen Punkt möchte ich noch einwenden, damit die Chinesen nicht zu gut wegkommen in dem Bereich. Also ich muss schon sagen, die Qualitätsthematik ist natürlich schon noch eine andere. Das kann schon sein, dass die Produkte nicht den Qualitätskriterien entsprechen, die man selber hat, weil das ist natürlich was, was der Handel macht, der mit chinesischen oder asiatischen Lieferanten zusammenarbeitet, dass er eben auf die europäischen Erwartungen oder die deutschen Standards achtet und das ist ein bisschen Das ist ein bisschen auch das, wo ja auch Amazon und Ebay zum Teil ein bisschen in Verruf geraten, wenn sie eben dann qualitativ nicht mehr die Produkte liefern können, weil sie das nicht so in der Kontrolle haben durch das Marktplatzkonzept als ein Händler, der das wirklich selber so einlagert und das Qualitätsmanagement hat. Also das muss man schon auch immer im Hinterkopf behalten. Ich glaube, das wird alles besser und das wird sich nach dem deutschen Markt oder den Bedürfnissen richten. Aber das ist ein Problem und das kann man sich ja auch vorstellen. Also für die chinesischen Anbieter ist es ja so, die nehmen alles, was es gibt. Und wir sprechen jetzt über die deutschen Marktplätze. Es gibt ja alle Marktplätze, die in irgendeiner Form populär sind, werden bedient. Und bis man sich dann auf die Marktplätze in die einzelnen Länder einstellt, das dauert einfach seine Zeit. Und deswegen ist das jetzt so ein bisschen Wildwestphase, würde ich mal sagen. wo das alles ausprobiert und gemacht wird. Aber ich habe es ja vorhin beschrieben, es gibt eben schon die größeren Unternehmen, die sich dann darauf einstellen und dann eben zunehmend professioneller werden. Den Aspekt sollte man auf jeden Fall nochmal berücksichtigen auch, dass jetzt nicht alles gut und toll ist, was da kommt, sondern auch durch die Strukturen wird die Qualität erstmal nicht verbessert, also durch die Logistikstrukturen.

Joel Kaczmarek: Ja, nee, absolut. Also bei der Produktqualität ist es nochmal ein anderer Schnack. Aber ich finde alleine so die Produkterfahrung beim Kauf und bis es beim Ankommen ist ja schon faszinierend, wie die das hinkriegen. Aber in der Tat habe ich auch so drüber nachgedacht, dass so ein Händler oder eine Marke bisher ja quasi so eine Art Gatekeeper ist auf Qualitätsebene oder bestimmte Dinge verspricht. Die fallen natürlich erst mal weg. Aber unterm Strich könnte ich mir schon auch vorstellen, dass irgendwann auch der Chinese ist in der Lage zu sagen, okay, das ist jetzt irgendwie BPA-frei, was du dir da an Kunststoff bestellt hast oder das hat eine Haltbarkeit von X und es ist getestet und so weiter und so fort. Ich meine, was ist denn sonst so euer Blick? Es war ja ganz oft auch in der Kritik, so rund um das Geschäftsmodell von Lesara, dass die Asiaten den Markt gar nicht mal nur auf dem Wege kaputt machen, dass man den Zwischenhandel ausschaltet, sondern dass man halt auch ganz viele Faktoren hat, wie Zölle werden nicht ordentlich bezahlt, niedrige Lohnniveau, Versicherungsthemen. Also da gibt es ja so ganz viele Faktoren, die einem da immer wieder an den Kopf geworfen wurden. Wenn man irgendwie bei Lesara damals auf jeden Fall gearbeitet hat, tippe ich mal. Mittlerweile, das hat sich ja als nicht funktionierend herausgestellt, aus unterschiedlichen Gründen. Ist das noch so? Muss das jetzt denen geneigt werden? Vielleicht ein Hörer, der jetzt zuhört und merkt, okay, wow, ich bin hier asiatisch infiltriert auf meinen Marktplätzen. Muss den das irgendwie sorgen, dass er damit eigentlich was nicht Gutes tut?

Jochen Krisch: Das ist eine schöne Frage. Ich glaube, das ist nicht der Punkt dabei, sondern was passiert. Also die Ebays und die Amazon haben jetzt bestimmte Quoten erreicht von Umsätzen, die darüber laufen. Das läuft auch gut. Die aktivieren auch die chinesischen Anbieter vor Ort dann entsprechend. Und man sieht ja jetzt, wie andere nachziehen. Also man hat ja jetzt gesehen, dass Real eine europäische Vereinigung gründet, sodass einfach mehrere Marktplätze sich zusammenschließen und dann eben auch attraktiv werden für chinesische Anbieter. Das ist dann so ein Zugzwang. Also wenn Amazon getrieben wird von chinesischen Umsätzen, dann müssen andere Plattformplayer Marktplätze. Plätze da nachziehen, um am Umsatz zu partizipieren, aber um auch die Produktvielfalt, die ganzen Preisthemen entsprechend abzudecken. Ich finde mich da ein bisschen raus und gebe keine Antwort dazu. Ich finde die Entwicklung, die man aber sieht, ist ja dadurch, dass alle Händler oder sehr stark auch auf Eigenmarken gesetzt haben. ist es für den Kunden gar nicht mehr so gut ersichtlich, ob er jetzt eine Eigenmarke bei einem bestehenden Händler bestellt oder noch eine Marke bei einem chinesischen Anbieter. Also je stärker die klassischen Marken zurückgedrängt werden, umso beliebiger wird das letztendlich für den Kunden. Und wir kommen am Ende ja noch dazu, wie wir da rauskommen im Prinzip. Ein Punkt wäre tatsächlich, dass Hersteller, die es schaffen, starke Marken aufzubauen in dem Umfeld, damit natürlich einen Pluspunkt haben, weil sie das entsprechend auch kommunizieren können und durch die Brand dann letztendlich relevant bleiben können. Aber der Masse der Leute wird es wahrscheinlich egal sein. Und ja, ich weiß nicht, ob Alex da eine Antwort hat. Jenseits der Umsatzgetriebenheit. Also ich weiß, von Otto wird der Pferdemarktplatz, also klammert das ein bisschen aus. Aber Händler oder Marktplätze, die mit chinesischen Anbietern arbeiten, das ist schwierig.

Alexander Graf: Ja, ich überlege gerade die ganze Zeit, aus wessen Perspektive muss ich mich eigentlich verteidigen? Als Marktplatz, als Kunde, als Zwischenhändler, als chinesischer Hersteller, ja, also hat ja jeder quasi sein ganz eigenes Interesse, sozusagen der Kunde kann es per se schon am Ende entscheiden, das Internet bietet ihm ja Transparenz, also wenn jemand irgendwie nachhaltig und gut konsumieren will, dann muss er a, weniger konsumieren und b, bekommt er schon Produkte, die unter guten Bedingungen hergestellt worden sind, an allen Ecken und Enden, aber die meisten Kunden, da gebe ich halt auch ein Recht, sozusagen ticken da möglicherweise etwas kurzzyklischer. und ich finde gerade das bolot.com Beispiel, was wir ja auch intensiv bei der K5 besprechen werden mit dem Bol.com-CEO, möchte ich hier nochmal einwerfen. Das ist ja prägend, weil Bol.com, quasi das niederländische Amazon, das hat eigentlich nur geprüfte Anbieter. Also in der Regel holländische Anbieter, belgische Anbieter, ein paar sozusagen kerneuropäische Anbieter. Es gibt quasi keine Asiaten auf der Plattform. Die Produkte haben eine bestimmte Historie, da wurden die Mitarbeiter gut bezahlt, da ist auch keine Giftstoffe drin, du kannst es zurückgeben und der Umweg geht es gut. Jetzt mal stark vereinfacht gesagt. Jetzt kommt aber, letzte Woche angekündigt, Amazon NL mit Vollgas in den Markt und statt der 2 Millionen Produkte, die Bull.com heute listet, kommt ein Anbieter, der 100, 200, 300 Millionen Produkte in den Markt schmeißt. Alle niederländischen Hersteller, die angerufen werden von Amazon, die genau wissen, dass das ein spieltheoretisches Dilemma ist, also die dürfen eigentlich nicht dafür sorgen, dass ein Amazon stark wirkt, sagen im ersten Anruf, wenn sie von Amazon angerufen werden, hey, klar, ich bin dabei, du versprichst mir mehr Umsatz, ich kriege hier nochmal 20% on top kostenlos und du bist mein bester Freund. Jetzt versetze ich mal in die Lage von bull.com. Jetzt weißt du, eigentlich kannst du nur am Markt bestehen, wenn du bereit bist, deine Kriterien zum Listen der Produkte aufzuweichen. Den Kern deines Produktversprechens als Plattform ein Stückchen aufgibst. Einfach nur, damit die Kunden bei dir bleiben. Wer ist jetzt schuld? Ich gebe die Frage mal zurück an den Moderator hier in die Runde.

Joel Kaczmarek: Ich habe ja gedacht, Jochens Antwort, um mal jetzt auch von meiner Seite auszuweichen, ist ja eigentlich gar nicht verkehrt, dass es nicht der missionskritische Faktor ist, wie es produziert wird, was die Umstände sind, sondern eigentlich, wie es nachgefragt wird und ob quasi der ganze wirtschaftliche Prozess so attraktiv ist, dass es besteht. Von daher, ich überlege auch gerade, was ich machen würde als Bohl. Also du hast wahrscheinlich recht, es ist frustrierend, dass man so handeln muss, dass man seine Werte da aufweichen muss, aber wahrscheinlich geht es nicht anders. Oder man sagt, ich bleibe dabei und es ist mein USP und dann muss ich immer wahrscheinlich in Kauf nehmen, dass ich auf lange Sicht eher in der Nische lande.

Alexander Graf: Hier muss man vielleicht nochmal den Unterschied zwischen Otto und Bohl darstellen. Bohl hat ja zumindest aktiv diese Entscheidung und kann sagen, sie drehen quasi das Angebot auf. Otto schafft es quasi bisher technisch nicht, die Plattform überhaupt zu öffnen. Zumindest hat sich Bohl schon mal dorthin gearbeitet, vor allem im Bereich Technologie, dass sie das machen können, also morgen einfach mal 100 Millionen mehr Produkte da reinnehmen. Aber das ist tatsächlich ein moralisches Dilemma und wenn man sich das Kaufverhalten der Kunden anschaut, dann stimmt das quasi nicht überein mit dem Abstimmungsverhalten bei Umweltpetitionen. Und da musst du als Plattform überlegen, bleibst du irgendwie relevant, bleibst du weiterhin ein Marktplatz oder gibst du dich quasi einer Mission hin, wie das versucht Patagonia zum Beispiel zu machen, die dich aber dann ein bisschen einschränkt. Und da darf man sich auch nichts vormachen, die Produktionsbedingungen in Asien werden ja auch dramatisch besser. Dort wächst ja auch eine Mittelschicht, die das Gefühl hat, dass sie gerne mal in die Berge fahren will und aus dem Flusswasser trinken möchte, was auch in den chinesischen Bergen entspringt. Ich glaube, das ist eine Diskussion, die werden wir sicherlich noch fünf bis zehn Jahre haben. Aber danach wird der chinesische Kunde sich überlegen, ob er die deutsche Fissler-Pfanne kauft, weil die Produktionsbedingungen vielleicht nicht dem chinesischen Standard entsprechen. Da dürfen wir vielleicht nicht so ganz von oben vom Ross herunterschauen.

Jochen Krisch: Ich würde auch sagen, das ist ein großes Globalisierungsthema. Die Frage ist ja, darf China in der Form am Welthandel teilhaben oder eben nicht? Also bis jetzt ist es ja genau andersrum gelaufen. Man hat in Asien gesourcet und die Produkte liefen eben ganz regulär über die Anbieter. Und jetzt kommt der Direkteinstieg. Das ist gar nicht so sehr so ein moralisch-ethisches Thema, sondern es ist eher eine Frage, wie funktioniert globaler Handel zukünftig? Und wir müssen uns halt von dem verabschieden, was wir bisher gekannt haben, nationale Strukturen. Im Grunde ja sehr lokal-regional, wenn man es jetzt auf den stationären Markt bezieht. Alle Strukturen sind jetzt da und entstehen so, dass es im Grunde egal ist, von wo aus du Handel treibst und wie du die Märkte ansprechen willst. Also entweder man schiebt da wirklich auf der Ebene einen Riegel vor. Auch das sehe ich nicht so wirklich, weil einzelne Länder können das zwar machen, aber dann wird es schwierig. Und ansonsten bin ich voll bei Alex. Wenn man die einzelnen Anbieter anspricht, dann sind die im Zugzwang. Also im Prinzip, wo der Fehler passiert ist, in Anführungszeichen, sobald man chinesische Händler direkt auf die Plattform liest und da muss man Richtung Ebay und Amazon gucken, ist das Tor geöffnet worden und jetzt kommt eins nach dem anderen und ich wüsste auch nicht, wie man das wieder zurückdrehen kann. Inzwischen geht es ja schon jenseits der Marktplätze weiter. Inzwischen sind diese Anbieter so stark, dass sie eben auch eigene Apps und Angebote in den Märkten platzieren und da eben auch sehr gut vorankommen. Und für mich sind das die zukünftigen starken Online-Player. Wir haben ja ein neues Jahrzehnt begonnen, also wenn wir jetzt mal Richtung 2025 oder 2030 gucken, gehe ich davon aus, dass wir jenseits der Marktplätze, das wären jetzt AliExpress und Wish, die über die chinesischen Händler letztendlich groß werden, wir auch eben Shine und Global E-Grow und andere starke Player haben, die eben dadurch, dass sie weltweit Handel treiben, sehr schnell in die 10 Milliarden Umsatz kommen können. und damit einfach auch sehr viele andere Möglichkeiten haben, Kunden anzusprechen, coole Apps zu entwickeln, sich auf den ganzen Social Media Plattformen zu tummeln. Also so ist die Wettbewerbssituation da und ich versuche das ja immer schon zu kommunizieren, dass wir diese globale Welle haben und nicht nur national gucken können, wer sind da die größten Player, sondern sobald du diese Umsatzschwellen überschritten hast, stellst du dich einfach sowohl technologisch, datenseitig, in allem darauf ein und hast sehr viel andere Hebel. Und die prägenden Beispiele jetzt im letzten Jahrzehnt waren eben Alibaba, das es gezeigt hat, JD auch, aber auch noch ein ganzes paar andere. Also weltweit sind solche Anbieter jetzt entstanden. Das sind die, glaube ich, die in den nächsten fünf bis zehn Jahren auch den Online-Handel zumindest stark prägen werden, jenseits von Amazon und eBay.

Joel Kaczmarek: Also eine sehr gute Überleitung vom Kollegen Krisch, in der Tat. Also wir haben jetzt viel geredet über asiatische Anbieter, die hierher kommen und jetzt mal vor Ort sozusagen denke. Vielleicht machen wir mal ein bisschen Geografie als erstes auf. Wir reden über die ganze Zeit von Asien, aber eigentlich reden wir bisher viel über China. Wie seht ihr denn die Verteilung insgesamt? Gibt es neben China noch andere Länder, die auf diesem Niveau weltweit Handel beeinflussen durch eigene Plattformen?

Jochen Krisch: Momentan ist es aus meiner Sicht schon hauptsächlich China, weil einfach da der große Heimatmarkt da ist. Die Dynamik, die man jetzt in China gesehen hat die letzten zehn Jahre und mit Alibaba konnte man es an der Börse gut verfolgen, wenn man da die Umsatzdynamik sieht und Alibaba wird dieses Jahr eine Billion GMV Handelsvolumen erreichen, hauptsächlich in China, muss man doch sagen, beruhigenderweise. Daran sieht man eigentlich schon, was da für ein unheimlicher Markt gewachsen ist und der eben die ganzen Lieferantenanbieter auch hervorgebracht hat. Momentan ist es sogar noch Alibaba, die jetzt Richtung Afrika gehen und sagen, wir wollen die afrikanischen Anbieter aktivieren und in den globalen Markt einbringen. Ich glaube, es ist noch kein Markt so weit. Also der indische wäre dann einer, an den man denken könnte oder andere, wo eben stark produziert wird, also Indonesien oder Vietnam irgendwann. Aber die würden dann auch die chinesischen Plattformen eher nutzen. und Und dann kommt es eher darauf an, wie die Dynamik ist, ab wann die bestimmte Umsatzschwellen erreichen können, damit sie auch eigene Angebote auf den globalen Markt bringen. Also eigene Apps und Webseiten meine ich. Wir machen es da nicht so einfach. Das ist schon China, das das treibt und das zumindest jetzt diese fünf bis zehn Jahre Vorsprung hat. Ich möchte nicht ausschließen, dass aus anderen Märkten das dann auch noch kommt. Für mich ist das der Haupttreiber.

Alexander Graf: Ich glaube, man kann das gut vergleichen mit dem Aufkommen der großen Plattformen aus den USA, also Google für das ganze Thema Suche, Facebook für das ganze Thema Social Networking, die es ja geschafft haben, aus einem sehr großen Heimatmarkt eine globale Bedeutung abzuleiten, weil es gegen diese vor Ort Skaleneffekte gab. Das Gleiche blüht uns jetzt so ein bisschen mit den chinesischen Anbietern, die es jetzt schaffen, eine globale Infrastruktur aufzubauen, sei es jetzt Lager, das hat Jochen schon gesagt, oder Payment. Da musst du dir mal vorstellen, wenn du es quasi schaffst, ob es jetzt ein Alibaba ist oder ein JD oder andere, so eine Infrastruktur vorzuhalten, Dann hast du auf einmal ganz, ganz andere Spielmöglichkeiten, die dann ein lokaler Händler, sei es Otto, sei es Boel, eben nicht mehr haben, weil du dann deinen Lieferanten eine Infrastruktur bieten kannst, bei denen. ich kann das heute quasi nach Portugal bringen, morgen kann ich dir das gleiche Paket aber auch weiterschicken, je nach Bedarf nach Südamerika. Payment wickeln wir quasi hier über unsere Payment-Infrastruktur ab, da kann ich nochmal einen Prozent geben, das ist auch AdSense. Resetiert mittlerweile von den lokalen Payment-Partnern, das machen die chinesischen Touristen, bringen das jetzt in die Märkte. Man sieht das, wenn man in Touristen-Hoburken fährt, dass man dort auch überall mit Alipay und WeChat Pay zahlen kann. Und das, was quasi die Online-Suche 2003 war, wo wir sagen, okay, die können immer größer werden, das ist wahrscheinlich heute in Otto.de oder auch andere Plattformen, die es eben nicht schaffen, diesen globalen Footprint zu erzeugen. Und die gleichen Skaleneffekte treten jetzt quasi über diese ganzen asiatischen Investitionen ein.

Joel Kaczmarek: Ja, ich habe lustigerweise in eine ähnliche Richtung gedacht, was du gerade meintest mit den Amerikanern, dass das ein bisschen ähnlich ist. Gibt es nicht auch so ein asiatisches Pendant von GAFA, AFTA oder so? Gab es da nicht auch was?

Jochen Krisch: BAT, glaube ich. Baidu, Alibaba und Tencent.

Joel Kaczmarek: Stimmt, interessanter Faktor. Also habe ich auch darüber nachgedacht. Ich habe auch gerade überlegt, was für andere Länder mir noch einfallen würden im asiatischen Raum, die hier irgendwie prägend sind. Da gibt es echt wenig. Also ich weiß, im Beauty-Bereich ist Korea, glaube ich, ganz groß, weil man da irgendwie viel so auch in diese Richtung K-Pop ganz viel Sachen hat. Aber da gibt es ja jetzt keine Plattform oder so, würde ich sagen, wo der Koreaner, der uns hier irgendwie vor Ort beherrscht. Vielleicht noch Japan, ein Ticken hier in einzelnen Segmenten, so mit Sony, die ja viel so in Richtung virtueller Handel machen, aber an und für sich. Man darf

Alexander Graf: sich quasi von diesem Plattform-Gedanken à la Webseite oder App auch nicht Kirre machen lassen, weil wie wir ja gerade schon gesehen haben, sind ja die Warehouses ja schon mit chinesischen Produkten direkt gefüllt, auch von Amazon, ohne dass wir jetzt das Gefühl haben, wir kaufen von einem chinesischen Anbieter. Also ich habe sicherlich das Problem, wenn ich meine LED-Lampe zurückgeben will. ist das irgendwie ganz, ganz schwierig. Da kümmert sich dann Amazon quasi mit seinem Treuhandsystem dann schon. Muss wahrscheinlich die Ware noch nicht mal zurückschicken, aber wenn man sich da mal so ein bisschen einversetzt in den Gedanken, okay, es gibt jetzt einen Anbieter, sei es jetzt in diesen Seidenstraßen, Beispiel, ein Beispiel der vielen Häfen, die auch die Asiaten da jetzt bauen, das ist quasi eine globale Handelsinfrastruktur. Gehen wir mal davon aus, die wächst jetzt auch in die westliche Welt komplett hinein. Da können wir noch Südamerika so ein bisschen ausklammern. Dann muss man sich natürlich überlegen als Plattform, lokale Plattformen wie bol.com, otto.de, Piken, Kloppenburg, aber auch als Händler, welche Rolle spielt in dieser globalen Infrastruktur? Jemand zu sein, der dann Ware in Asien auf einer Messe source, die vielleicht nochmal mit einem Label beklebt und hier vor Ort in einer lokalen Plattform verkauft. Das gibt es da ja gar nicht mehr in dieser skalierten Welt, weil entweder kann ich damit kein Geld verdienen oder es gibt diese lokale Plattform gar nicht mehr. Das erzeugt dann einen ganz anderen Druck auf die Handlungsoptionen, die da entstehen.

Joel Kaczmarek: Du hast ja vorhin, als wir geredet haben, so parallel, das kann ja der Hörer, der uns nur hört, nicht mitkriegen, aber du hast so deinen Rechner mal kurz aufgemacht und hast so deine App-Vorschläge auf Google Play irgendwie gezeigt. Man sah da schon so die ein oder andere chinesischen Schriftzeichen geprägten Cover. Lass uns mal ein bisschen Praxisblick machen. Was sind denn so Asiaten, wirklich vor Ort in Asien ansässige Apps, Entwicklerplattformen, die sich bis auf deine Screen zum Beispiel schaffen?

Alexander Graf: Kann ich ja gar nicht sagen. Ich würde quasi hier die Frage mal weiterleiten an den China-Experten Jochen, der hier vor kurzem erst das Thema Schein in einem lokalen Event besprochen hat. Vielleicht kannst du ein bisschen erklären, was Schein eigentlich macht und ich gucke hier mal in meiner App-Tabelle, was da aus Asien kommt.

Jochen Krisch: Schein macht Mode zu günstigen Preisen im Wettbewerb mit Asus, mit About You, mit Zalando, in einem anderen Preissegment. Wie gesagt, relevant auf Platz 38, der Top-Online-Shop. Und Shine ist eine App, die jetzt eben ein spezialisierter Händler ist. Aber wenn man sich mal die Apps anguckt, die oft genutzten, dann ist da eben Wish dabei, da ist ein Yom dabei, da ist eine ganze Palette an diesen Anbietern. Global eGrow ist ein Konglomerat, die betreiben unterschiedliche Webseiten. Da, wenn man mal durchgeht, die Liste der Top 1000 Shops in dem Fall, da findet man, sage ich jetzt mal, einen Dutzend oder zwei Dutzend dieser chinesischen Anbieter. Und ein guter Teil gehört zu dieser Gruppe. Da ist eben Gearbest dabei, da ist ein Samul heißt, der ein Modeangebot dabei. Sagt einem jetzt nichts als Brancheninsider oder Experte, den Kunden würde es schon mehr sagen, weil die bestellen ja da letztendlich und die treiben ja auch die Umsätze in dem Bereich. Deswegen gerade in dem App-Umfeld, das ist sehr schon geprägt von globalen Anbietern, die eben zum Teil auch die Wege wissen, wie man so eine App populär macht. Und weil es Alex angesprochen hat, wir haben uns jetzt ja dieses Jahr das ganze Thema Mobile verstärkt auf die Fahnen geschrieben und machen Events dazu. Und da eben auch App-Kritiks, haben wir es genannt, Besprechungen von Apps, die spannend sind auf unterschiedliche Weise. Da hatten wir in Zürich jetzt eben Schein. Und das ist jetzt nicht so, dass das alles das Gelbe vom Ei ist. Das ist schon sehr chinesisch getrieben mit vielen Gutscheinen, mit vielen Incentive-Punktesystemen, Sammelgeschichten, mit sehr vielen bunten Sachen auf der Webseite, also sehr überladen. Das ist jetzt nicht unbedingt so, wie es vielleicht die deutsche oder die Schweizer Modekundin möchte, aber das sind Apps, die populär sind und die vorankommen, die auch noch Schwächen haben in den Übersetzungen, zum Teil auch bei den Kategoriebenamungen, im Payment und in allen Bereichen. Aber trotzdem sind sie schon in dem Niveau und in dem Bereich. Also deswegen, wenn wir da mal weiterdenken und weitersehen und gerade das mobile Spielfeld ist ja ein im Grunde kleineres, weil die Hürde höher ist und weil man sehr viel anderen Ansprüchen genügt. Also deswegen haben die Anbieter da sehr gute Karten und das sind jetzt unter den Top 1000 schon ein, zwei, drei Dutzend Anbieter, alle auf den hinteren Plätzen und dann sind das nur Umsätze im zweistelligen Millionenbereich. Also es ist jetzt noch nicht so, dass man Bammel haben muss davor. 1000 klingt immer schon so toll, aber im Grunde sind es kleinere Anbieter, aber eben einzelne kommen unter die 100 und die 200 Anbieter und das sind eigentlich auf die, auf die man acht. So ticke ich zumindest, dass ich mir angucke, wer sind die am schnellsten Wachsenden und die Newcomer und die nicht abtue und sage, das sind jetzt Einzelfälle und Ausreißer, sondern das sind eigentlich die, die es verstanden haben und mit neuen Ansätzen und neuen Themen da hochkommen. Also es ist schon ein relevantes Thema aus meiner Sicht.

Joel Kaczmarek: Und was ist deine Erklärung dafür, dass chinesische Player unsere lokal verwendeten Marktplätze stark dominieren, aber bei den Apps sozusagen bei den Direktnutzungen eigentlich eher im hinteren 10%-Rangieren? Ist das das Thema Marke oder woran liegt das, dass wir irgendwie, was du auch von meintest, ein Alibaba, dass das seine Billionen Außenumsatz vor allem in China macht? Ist das Marke oder woran liegt das? Warum dominieren chinesische Apps uns noch nicht, aber die Chinesen, die quasi mit ihrem U-Boot in unsere Marktplätze eintauchen, schonen?

Jochen Krisch: Alibaba ist ja gerade die große Diskussion. Ist Aliexpress schon relevant und wo ist es relevant? Und ich glaube schon, dass die den deutschen Markt noch umschiffen. Es ist nicht ihr erster Markt, den sie angehen. Zum Beispiel bei Alibaba sieht man es, die gehen eben eher Richtung Spanien, Türkei sind sie gestartet, also eher so im südeuropäischen Raum. Interessanterweise in der Schweiz sind sie relativ stark. Vielleicht auch, weil da kein Amazon als Konkurrenz da ist. Deren Bestreben ist natürlich auch nicht unbedingt, in die Märkte reinzugehen. Also Wish ist jetzt ein bisschen eine Ausnahme, die schon vergleichsweise auch den deutschen Markt im Fokus haben. Die rein chinesischen Anbieter noch nicht. Und ich finde, das ist eine gute Strategie. Also warum da reingehen, wo es am härtesten ist, wenn man drumherum genügend andere Möglichkeiten findet. Aber dass alle inzwischen eine Europastrategie haben und auch eine US-Strategie haben, das sieht man, das erkennt man genau an diesen App-Abrufen und Statistiken. Im Grunde ist es ein bisschen ein Zeitgewinn, den der deutsche Markt noch hat. Den kann man nutzen oder auch nicht nutzen. Ich sehe nur gerade nicht so wirklich, was der Ausweg wäre, wenn man fünf Jahre weiterdenkt. Wer hat Karten, um da dagegen anzukommen? Das wird nicht national entschieden. Das wird global entschieden und vor allem wird das über die Social-Media-Plattformen entschieden, über die Apps groß gemacht werden. Ist kein Indikator, dass da irgendwas verschlafen wurde oder sonst was. Das ist eher, glaube ich, der Pragmatismus, der da ist. Und wenn man sich Alibaba anguckt, zum Teil versuchen sie ja über AliExpress voranzukommen, zum Teil haben sie jetzt aber auch einige Übernahmen gemacht. In Asien, in der Türkei. Ich erwarte im Grunde auch, dass sie sich auf anderen Märkten, wo sie vielleicht mit ihrer eigenen Marke nicht so eine Chance haben, Übernahmen entsprechend machen. In Russland sind sie in Joint Venture eingegangen. Also sie gehen da sehr pragmatisch vor und ich glaube, trotz allem müssen sie auch aufs Geld achten und wollen jetzt nicht unbedingt wahnsinnig viel Geld verpulvern, um da partout jetzt sofort das nächste Amazon zu sein. Und vielleicht noch ein Punkt zu dem vorigen Punkt, der gut dazu passt. Man hat ja an Rakuten gesehen, der japanische Anbieter, der es auch versucht hat, in den westlichen Märkten, speziell auch in Deutschland, Fuß zu fassen, hat nicht so geklappt und ist einfach sehr aufwendig, wenn man auch bei den Endkunden entsprechend Anklang finden muss und da eben entsprechend ins Marketing auch einsteigen

Joel Kaczmarek: muss. Ja, da muss man dann schon mal so den FC Barcelona auf dem Trikot sponsern, wenn man das hier schaffen will. Ja, interessant. Klingt ein bisschen düster irgendwie. Ich bin mal auf unseren Schluss heute gespannt, wo wir über die Zukunft lokaler Händler reden. Aber vielleicht machen wir vorher nochmal einen Schritt zurück und wagen auch mal einen Blick in die Historie. Also wir haben ja jetzt aufgearbeitet, was so Trends und Entwicklungen sind, wo China voraus ist, wie sie strategisch arbeiten und was sie eigentlich ausmacht. Wo kommt das eigentlich alles her? Also was ist so Chinas Herkunft in dieser Sache?

Jochen Krisch: Im Prinzip sind es zwei Entwicklungen. Das eine ist China als Industriestandortproduzent für die Welt. Das ist die quasi nicht internetgetriebene Entwicklung, die wir ohnehin jetzt schon gesehen haben. Ich glaube, seit China der Welthandelsorganisation beigetreten ist, ist diese Dynamik da. Und einerseits freuen wir uns darüber, weil wir die ganzen billigen Produkte haben. Andererseits leiden wir darunter, weil das natürlich nochmal Marktanteile gekostet hat. Und das zweite große Thema sehe ich tatsächlich den Online-Boom in China, der einfach auch im Prinzip das Internet übersprungen hat. wie es die chinesischen Anbieter geschafft haben, wirklich große Teile der Bevölkerung inzwischen. Inzwischen versuchen sie ja neben den Supermetropolen in die kleinere Metropolen reinzugehen und sozusagen auch im Land selber noch das voranzutreiben. Wenn man sich auch mal anguckt, was da an Infrastruktur entstanden ist, das ja im Unterschied zu Alibaba von Beginn an auf eigene Warehouses gesetzt hat, wie stark und prominent die da vertreten sind, was die da an Automatisierungstechnologie und Lösungen entsprechend etabliert haben. Und wenn man sich dann vor Augen führt, in welch kurzer Zeit das passiert ist. Und ich habe auch mal Umsatzstatistiken gemacht, wenn man sich die Umsatzdynamik von JD anguckt, das vor zehn Jahren also wirklich nicht der Rede wert war. Diese Dynamik wird extrem unterschätzt im Markt. Und jetzt sprechen wir nur von E-Commerce. Parallel ist ja noch, die WeChat sind hochgekommen, andere Themen sind hochgekommen. Also man hat ja selbst Silicon Valley Angst davor. Also die sind ja die, die Facebooks und die anderen, die gucken ja auch nach China, was man da lernen kann und adaptieren kann, weil wenn WeChat einfach alle möglichen Services integriert sind, das heißt andere Dynamiken, die man sich da abgucken versucht und zu adaptieren versucht, gelingt noch nicht so. Das ist auch das für mich Spannende, was ist tatsächlich übertragbar und was ist einfach kulturell und Intermentalität dem chinesischen Markt geschuldet. Und wenn man sich zum Beispiel im E-Commerce anguckt, das ist ja sehr viel interaktiver, was da passiert. Da kommuniziert man miteinander und da wird wie am Marktplatz geschachert, hätte ich jetzt fast gesagt. Und das bilden diese Plattformen ab und alle, die das versuchen zu übertragen, haben natürlich schlechte Karten. Wir sind da schon klassischen Handel gewohnt, der mit Zwischenstufen arbeitet und nicht so sehr die Eins-zu-eins-Kommunikation schätzt. Ist zumindest eine Hypothese, dass das bei uns nicht so läuft, wenn man andererseits jetzt sieht, was mit Influencern hochkommt und wie dann doch wieder der direkte Kontakt zwischen den Nutzern eine Lolle spielt, beobachte ich das schon auch, weil dafür eignen sich diese Tools. Also das sind so für mich so die treibenden Faktoren. und wenn man jetzt sagt historisch, dann ist das eine sehr kurze Historie. Also das ist wirklich fünf bis zehn Jahre mit einer unheimlichen Dynamik, kann es auch nicht positiv formulieren, also die uns das Leben schwer macht oder auf uns zukommt, wo wir halt alle sehr gemächlich unterwegs. und Das Interessante ist, wir geraten immer dann erst ins Rotieren, wenn es dann da ist und wenn es passiert ist. Viele der Entwicklungen sieht man aber. Seit fünf Jahren konnte man die globalen Entwicklungen sehen. Jetzt sieht man den Einfall, Einmarsch der Chinesen, wenn ich es mal so brutal formuliere. Man sieht das und man könnte auch reagieren und an Alternativen arbeiten. Aber das wird halt dann als nicht relevant abgetan oder als so ein nachrangiges Thema kann man sich dann später kümmern. Aber die Dynamiken sind nicht so. Man hat dann keine Zeit mehr jetzt zu reagieren, sondern man muss im Prinzip nur, entweder man ruft nach Regulierung, Oder man ist dem ausgeliefert. Also es ist nicht so einfach. Die Mentalität haben wir noch nicht, was ich erstaunlich finde. Wir sprechen alle über Digitalisierung und digitale Transformation, aber über die Dynamik und den Druck, der da ist, sprechen wir leider zu wenig.

Alexander Graf: Das ist doch auch eine relativ gute Botschaft eigentlich für die heutige Zeit, weil, wenn man das so weiterdenkt, kann man doch sagen, in fünf bis zehn Jahren werden wir uns freuen, zu sagen, ach, was waren das für schöne Zeiten mit Amazon als Händler oder als Wettbewerber. Da konnte man auch den Deutschland-CEO irgendwie ansprechen und ausschimpfen in der Zeitung, das wird in fünf bis zehn Jahren anders sein. Ich teile nochmal einmal meinen Bildschirm und ich habe mich hier mal eingeloggt bei Wish.com, weil ich glaube, wir sind nämlich die falschen Leute zu beurteilen, wie dieser Markt momentan erobert wird, weil die meisten Nutzer, sei es Wish, sei es Shine, sind ja viel jünger als wir. Ich weiß nicht, wann du dir, Joel, das letzte Mal darüber Gedanken gemacht hast, eine Kopflampe mit mindestens 20 LEDs zu kaufen, die auch ein USB-Radio hatte. Ich Ich bin jetzt mal eingeloggt auf Wish.com. So, sozusagen der erste dicke Banner ist Flash Sale 50% auf alles. Quasi so ein Pseudo-Gutschein-Code. Aber diese Produkte, die da sind, sprechen ja uns als Zielgruppe gar nicht an. Uns ist vielleicht sozusagen dieser 2-Euro-Reisunterschied egal. Wir haben vielleicht auch eine Fähigkeit, irgendwie zu erkennen, dass dieses Angebot hier ist. Ich lese es mal vor. Ein ferngesteuertes Auto. Es ist der Electric Remote Control Car. 35 Meter Distanz. Playtime 25 Minutes. 90 Euro Normalpreis. 1 Euro. jetzt der Wish-Preis. 193 positive Bewertungen. Wir sind halt die falsche Zielgruppe, das zu beurteilen. Ich bin mir sicher, wenn mein Sohn das liest, der wird bald 10, wird sagen, mega, kauf ich. Vielleicht gibt es ja sogar den Versand kostenlos. Oder hier diesen Akkubohrer, Streichpreis 200 Euro, ist natürlich total fake, jetzt 38 Euro. Damit verdienen die wahrscheinlich sogar richtig Geld, wenn sie ihn verschicken. Insofern zählt halt die Frage gar nicht, Alex, was hast du für Apps auf dem Handy, sondern sozusagen, was hat eigentlich ein 14-Jähriger oder 15-Jähriger, 16-Jähriger auf dem Handy, darüber kommen die halt in den Markt und bauen sich halt auch ihre Reichweite auf. und es sind ja auch nicht die chinesischen Händler, die heute bei Amazon sind, die Apps entwickeln müssen, sondern es sind Plattformangebote, die chinesischen Händlern dann wieder den Zugang erlauben. Und heute ist es halt noch so billig, so einfach auch für den Wettbewerb über die bestehenden Plattformen eBay und Amazon in den Markt zu kommen, dass es gar nicht notwendig ist, das über eine eigene App zu machen. Hier sind wirklich ganz tolle Angebote. Guck mal, statt 569 Euro dieses Akkuset hier für 56, auch wieder 4-Sterne-Bewertung. Da läuft es. Aber da siehst du, wir sind eigentlich die Falschen, um das zu bewerten. Ähnlich wird es halt bei Mode sein. Die 3 Euro oder 4 Euro Preisunterschied zu einem Kleid hier entsprechen uns gar nicht so an. Und deswegen haben wir so einen schweren Bezug, auch das zu beurteilen. So, ich muss das ja mal kurz kaufen. Das ist wirklich ein Top-Angebot.

Jochen Krisch: Man darf sich auch nicht so irritieren lassen. Wir gucken auf die Webseiten, wir gucken auf die Apps, wir wissen aber gar nicht, wie die Prozesse laufen. Also das kann getrieben sein über Social Media, die Aktivierung entweder über einzelne Produkte oder Themen. Wenn man sich zum Beispiel die einzelnen Apps anguckt, ich bin immer noch enttäuscht, wie die Apps aussehen heutzutage und was den Kunden geboten wird. Also ich kenne jetzt nicht wirklich eine tolle Shopping-App im Modebereich. Das sind alles, und Alex hat es ja beschrieben, produktgetriebene, angebotgetriebene Seiten, die jetzt nicht von der User Experience leben, die eher beeinträchtigt werden, weil sie eben sehr stark von Push-Impuls-Kaufmechaniken getrieben werden. Also man kann jetzt nicht sagen, dass das jetzt die tollsten App wären, die da kommen. Und es ist auch nicht so, dass man jetzt sagen könnte, das ist jetzt die supertolle Personalisierung und alles wunderbar. Also das ist schon alles noch mehr mit der Holzhammer-Methode. Günstige Preise, große Rabatte, das sind letztendlich die Punkte. Wir sprechen vom jetzigen Stadium und das ist immer so. das Blöde, wenn man da jetzt drauf guckt, wenn man aber genau weiß, in zwei, drei, vier, fünf Jahren wird sich das so professionalisiert haben, die werden ihre Daten nutzen, die werden ihre Bewertungen nutzen und ihre Händler aussortiert haben, die werden im Prinzip andere Marken und Hersteller integriert haben, sodass das ein bisschen seriöser wirkt. Man hat die Diskussion jetzt zum Teil auch mitbekommen bei AliExpress, dass AliExpress Schwierigkeiten hat, wirklich seriöse Marken da drauf zu bekommen, weil sie eben durch das Image auftreten. Aber sobald das gelingt, ist das Image auch schon gleich wieder ein besseres, dann können sie in andere Zielgruppen vordringen. Deswegen schön, dass wir die Ausgabe jetzt machen. Wenn wir jetzt nur den Status beurteilen, dann ist das vielleicht alles gar nicht so dramatisch. Da sieht man bestimmte Geschichten und wenn man davon ausgeht, dass das auch sich alles linear weiterentwickelt, auch halb so wild. Wenn man aber davon ausgeht, dass das durchaus mit Dynamik da ist, dann ist das eine schon bemerkenswerte Entwicklung.

Joel Kaczmarek: Fair Point in jeder Hinsicht. Also momentan geht das Thema sozusagen noch sehr über den Preis und über den Komfort gesteuert. Ich finde diese Phasendenke, finde ich sehr valide, zu sagen, das ist jetzt, weiß ich nicht, Ausrollplan Phase A und irgendwann sind wir vielleicht bei C und dann sieht die Welt ganz anders aus. Und auch Alex hat irgendwie eigentlich einen Punkt, in dem er sagt, drei alte Männer, die in München, Berlin und Kiel sitzen, reden über chinesische Händler. Da muss man ja auch mal sagen, wir sind teilweise oft nicht Zielgruppe und wir sind quasi vielleicht auch gar nicht so tief in den Geschäften drin, wie man es sein könnte. Also ihr beide noch dreimal tiefer als ich, sich darüber Gedanken zu machen, finde ich valide. So, und damit würde ich gerne schließen, wenn ich lokaler Händler bin, das alles verstanden habe, also auch mal über den Tellerrand hinaus blicke, was habe ich eigentlich noch für Optionen? Was bedeuten diese ganzen Entwicklungen für mich?

Jochen Krisch: Also wenn du lokaler Händler bist, der chinesische Produkte suchst oder asiatische oder wo auch immer her, würde ich mir schon große Gedanken machen. Also ich glaube, das dreht sich in fünf Jahren, spätestens in zehn Jahren. Das war halt eine schöne Möglichkeit jetzt für Händler, Produkte zu attraktiven Preisen eine Zeit lang zu bieten. Einzige Chance, die du hast, ist, wenn die User Experience passt. Wenn du es schaffst, über dein Geschäftsmodell, in der Kundenansprache, in der Abwicklung, in allem, was da noch kommt, Vorteile zu bieten. Und das ist ja mein Plädoyer auch immer, darüber muss sich der Handel differenzieren. Bei Herstellern sieht es ein bisschen anders aus, würde ich mich jetzt gerade ein bisschen zurückhalten, aber für Händler, lokale Händler, regionale Händler, die darauf setzen und keinen Zusatz-Service oder sonstige Aspekte haben, ganz, ganz schwierig, weil dann konkurriert man wirklich direkt und entweder man hat dieselben Kompetenzen und kann das alles entsprechend gut, aber wie gesagt, das sind Global Player und so ein lokaler wird sehr, sehr schwierig.

Joel Kaczmarek: Alex, du bist auch immer hier der dystopische Prophet.

Alexander Graf: Ja, aber ich finde, das hat Jochen eigentlich schon ganz gut zusammengefasst. Entweder bist du Erlebnis- oder Service-Plattform, kannst halt die ferngesteuerten Autos quasi reparieren, die du da verkaufst. Aber das hat mit Handel nichts zu tun, wie wir ihn heute kennen. Ich glaube sozusagen, Leute, die mit diesen Produkten konkurrieren und ihr Geschäftsmodell noch darauf abstellen müssen, mit der Handelsmarge Geld zu verdienen, für die sieht es wirklich düster aus. Aber es heißt ja nicht, dass die nichts können, was nicht auch relevant ist. Und das ist Service, das kann eine Beratung, das kann ein Event sein. Aber die reine Handelsmarge wird es nicht sein, die da nach vorne reicht. Ist ja heute schon nicht der Fall.

Jochen Krisch: Da bei dem Grundthema ist, der Handel, der sich immer noch sehr einkaufs- und zwar demenzgetrieben präsentiert, die Zeiten sind halt vorbei. Also Handel, der eine wirkliche Kundenorientierung und auf das Shopping-Erlebnis und kann von Beratung bis Entertainment gehen, der darauf abzielt, der kommt nämlich auch ganz gut bei den Herstellern und bei den Partnern an. Und der kann unter Umständen auch eine so starke Plattform aufbauen, dass die technischen Hersteller dann wieder sehr interessiert sind, da auch präsent zu sein. Das wäre für mich der Fokus und der ist aber noch in der Branche ganz minimal besetzt. Vielleicht ein Zalando, vielleicht ein About You, die das begriffen haben und die Richtung arbeiten. Aber im Grunde müsste dann eine Welle an Innovation und Experimenten da sein, weil das ist der Punkt, der es dann letztendlich ausmacht. Und auch da im Erlebnis und den ganzen Geschichten ist Amazon nicht so stark. Amazon ist unter Komfort- und Bequemlichkeitsgesichtspunkten stark und durch die Größe natürlich. Also da sehe ich enormes Potenzial, was die Experience angeht in jeglicher Beziehung, was Sortiment angeht, sich dadurch differenzieren will. Das sehe ich auch vergleichsweise schnell schwarz. Also man sieht ja jetzt schon die ganzen Klagen und Dramen, auch gar nicht so böse gemeint, wie es jetzt klingt, im Kontext mit den Marktplatzhändlern. Also da gehen ja manche unter und sind natürlich schockiert und rufen natürlich danach, die Plattform muss es regeln, der Gesetzgeber muss es regeln oder wer auch immer muss es regeln. Also das versteht man natürlich aus der Not heraus, aber das ist leichter gesagt als getan.

Joel Kaczmarek: Wollte ich gerade als nächstes fragen, bestehende Hoffnung, also man kann ja auch mal in Abhängigkeiten denken, wenn ich jetzt irgendwie chinesischer Hersteller bin, mache ich mich von einem Amazon, einem Ebay ja sehr abhängig, was den Marktzugang zu Deutschland angeht, Amazon hat natürlich aber ein gleichgeleitetes Interesse, wenn man hohen Umsatz macht mit solchen Partnern, glaubt ihr trotzdem, dass eine Plattform, also Regierung, Gesetzgeber ist vielleicht nochmal was anderes, aber dass eine Plattform da nachregeln wird an einigen Stellen, dass auch irgendwie die Luft für Chinesen ein bisschen dünner wird oder glaubt ihr, dass die gemeinsam wachsen werden? und da eigentlich die Messe schon gelesen ist?

Jochen Krisch: Aber Alex hat das super beschrieben, finde ich. Es gibt immer eine andere Plattform. Aus globaler Sicht gibt es immer eine andere Plattform, auf die du gehen kannst. Und wenn halt ein Markt gerade mal nicht so funktioniert, dann gehe ich halt in einen anderen Markt, wo ich mich leichter tue. Also das ist auch wieder leichter gesagt als getan. Ich glaube, die Phase haben wir überschritten. Ich weiß nicht, Alex, was du dazu noch ergänzen hast.

Alexander Graf: Bleiben wir bei dem Otto-Amazon-Beispiel. Sagen wir mal, Otto hätte sich aktiv dafür entschieden, das Sortiment zu stark zu begrenzen, die Mitarbeiter zu bezahlen, das ganze Thema Sourcing optimal zu gestalten. Das ist ja quasi eine Plattform, die das schon so regelt, wie du das sagst. Vielleicht fehlt hier und da noch ein bisschen Sortiment, aber es ist eigentlich alles da und es wird alles morgen geliefert, während die sehr offene Plattformen, eBay und Amazon, da eigentlich ganz, ganz wenig regulieren und sagen, das muss der Kunde schon selber regeln, wir wollen hier einfach nur die Ware reinstellen. Und wenn wir jetzt mal vergleichen, wie haben sich die beiden historisch zueinander entwickelt die letzten zehn Jahre, dann kannst du die Antwort schon selber geben. Also du hast als Plattform gar keine Chance, als 100 Prozent diesen Kundenfokus einzunehmen, du hast es als Plattform nach vorne irrelevant. Das wäre ein reiner Luxus, wenn Alibaba oder Amazon sich erlauben würden, das Angebot zu beschränken, wenn der Kunde beim nächsten Klick dann bei Wish dann das gleiche Produkt für 20 Prozent günstiger dann doch bekommt. Dann wandert er ab.

Joel Kaczmarek: Wie gesagt, man hat hier, glaube ich, wenn man sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt, das eine oder andere Auge vielleicht geöffnet bekommen. Wir können ja mal ganz kurz so ein Stück weit zusammenfassen, was wir jetzt eigentlich alles thematisch durchgeritten sind. Also wir haben viel darüber gesprochen, wie Asiaten quasi zu uns kommen, über Plattformen, über Marktplätze, dann aber auch darüber, wie sie vor Ort selbst aktiv sind und ihre Apps lancieren, die dann auch bei uns jetzt schon zunehmend an Bedeutung gewinnen und wirklich eigentlich spannende Gedanken zu haben, dass es einerseits sehr, sehr datengetrieben ist, dass man andererseits auf der Logistikebene sehr, sehr gut ist und es halt wirklich versteht, sich diesen Plattformen vor Ort auch den Gegebenheiten anzupassen. Und so die Historie ist. also vieles, was Jochen gesagt hat, fand ich sehr einleuchtend. und wie gesagt, ich finde das hat stellenweise was Dystopisches oder vielleicht bin ich da auch ein bisschen zu pessimistisch. Wie geht es euch denn, wenn ihr solche Sachen hört? Also wir haben ja schon gesagt, man muss uns auch mal speziell sehen, wir sind jetzt vielleicht auch nicht Top-Notch-Kenner von Asien, aber wenn ihr euch mit diesen Sachen auseinandersetzt, was macht das mit euch emotional?

Jochen Krisch: Es ist immer die Frage, wie nostalgisch man veranlagt ist. Also unter nostalgischem Gesichtspunkt ist das natürlich alles ganz bitter und ganz schlimm. Ich bin da eher neutral analytisch veranlagt und stelle mir vor, wie wird die Shopping-Zukunft aussehen? Was werden wir haben? Wie werden die Märkte sein? Wie werden die Dynamiken sein? Und ich finde das natürlich hochspannend. Also die Dynamiken sind zum Teil erschütternd, wie die Umbrüche dann letztendlich laufen. Aber wenn man sich mal überlegt, wie werden fünf Jahre oder in zehn Jahren shoppen? Gerade über mobile Angebote und mobil heißt dann eben auch über Sprache und was auch immer da kommt. Also das sind ja auch noch Thematiken, die jetzt in dem Kontext gar keine Rolle noch gespielt haben, die aber auch die Umwälzung bringen werden. Ich freue mich da auf eine spannende neue Shopping-Zukunft, die auch aus Kundensicht super bequem sein wird, weil wir haben universelles Angebot, schöne Produkte. gute Liefermöglichkeiten. Also es geht voran und wird besser. Nur die alten Strukturen haben es halt extrem schwer. Und wenn man an denen hängt, dann könnte man wirklich weinen, was die ganzen Themen angeht. Ich bin weniger hin- und hergerissen, weil, wie gesagt, ich bin nicht so nostalgisch getrieben. Aber man muss sich einfach auf eine komplett andere Welt einstellen. Aber ich glaube, das ist ja auch das, was Internet und Digitalisierung etc. bringt, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, uns vorzustellen, wir wollen wir in fünf, in zehn Jahren shoppen. Und wenn wir uns das nämlich vorstellen würden, dann könnten wir auch noch entsprechend die Weichen stellen. Das entsprechend auch steuern. Viele hängen mehr an dem Vergangenen und deswegen ist diese Debatte auch gar nicht da. Und das bedauere ich so ein bisschen, aber im Grunde, ich freue mich ja drauf. Darf ich gar nicht so sagen, dann werde ich wieder das Ketzer.

Joel Kaczmarek: Naja, ich frage mich manchmal eher, ob wir überhaupt noch das Geld verdienen werden, um uns diese ganzen schönen Produkte leisten zu können. Wenn man sich überlegt, wenn GAFA von links und BAT von rechts kommt, was dann eigentlich noch so der deutsch-europäische USP oder Marktvorteil ist, ne?

Alexander Graf: Da darf man sich, glaube ich, nicht Kerre machen lassen. Also sozusagen historisch gesehen wird es uns nicht schlechter gehen in 20 Jahren als heute. Gesundheitsversorgung ist besser, sozusagen Schule ist besser. Wenn man sich so ein bisschen frei macht von, wie geht es jetzt dem Tante-Emma-Laden in Freiburg auf der Einkaufsstraße übermorgen? und wie können die ihr Geld verdienen? Wenn man sich überlegt, was zeichnen die erfolgreichen Händler aus, sieht man halt eher Millionen von Chancen. Also ich breche es ja mal runter und sage, die Leute, die halt handlungsfähig sind, also schnell agieren können, neue Dinge ausprobieren, die gewinnen immer. Neue Dinge ausprobieren, das bedeutet heute eigentlich immer hoher Technologiefokus, sei es Software, das finden wir hier selber im Software-Business. oder sei es das ganze Thema Asset-Waren, Lagerautomatisierung, da sind weder die chinesischen noch die europäischen noch die amerikanischen Unternehmen im Vorteil, da sind einfach die im Vorteil, schnell handeln, also schnell Dinge umsetzen, schnell zum Kunden hin agieren. und es ist jetzt nicht so, dass die Chinesen jeden Tag Sektflaschen knallen lassen und sagen 2030. Das ist alles unser Markt, sondern die müssen sich auch ganz schön strecken. Aber jede Diskussion rund um, wie können wir unsere Innenstadt schützen, wie können wir für mehr Fairness sorgen, die davon ablenkt, sich zu überlegen, okay, wie kann ich einfach einen besseren, geileren Service und Kunden hinbieten, die ist halt schuld. Nicht der Asiate, der ja quasi auch nur seinem Beruf nachgeht.

Jochen Krisch: Was man auch sagen muss, um einen positiven Abschluss auch hinzubekommen, niemand kennt die Kunden und die Bedürfnisse der Leute besser als die, die vor Ort sind. Und wenn man sich darauf einstellen würde und nicht so sehr an der Vergangenheit hängen würde, hat man die Möglichkeit, einfach da spannende Angebote zu entwickeln und auch relativ schnell groß zu werden und hochzukommen. Und das finde ich jetzt ja in dem Jahrzehnt das Spannende. Wir haben jetzt die ganze Infrastruktur. Digital haben wir sie ohnehin schon. Jetzt bekommen wir sie dann auch noch in der Logistik und in anderen Bereichen. Das heißt, es werden auch sehr schnell Angebote entstehen können. Das nächste Zalando wird nicht mehr zehn Jahre brauchen, sondern in drei, vier, fünf Jahren über den mobilen Kontext eine spannende App, spannende User Experience. Das wird sehr schnell gehen können, weil das sind ja dann eher Plattform-Player. Die müssen nicht mehr komplett den Handel im Griff haben. Und ich glaube, das ist dann die neue Handelskompetenz und das neue Handelsverständnis. Und wenn man in die Richtung denkt, die Chancen sind riesig, da bin ich bei Alex.

Joel Kaczmarek: Hervorragend. Dann danke ich euch ganz herzlich für diesen spannenden, asiatisch geprägten Ritt heute und bin mal gespannt, was für einen Zukunftstrend ihr beide noch beim nächsten Mal so rauszaubert. Vielen Dank euch und bis zum nächsten Mal.

Alexander Graf: Tschüss. Ciao.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.