Was wird Amazons Rolle in den nächsten 10 Jahren?

22. November 2021, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich E-Commerce mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek, Alexander Graf und Jochen Krisch. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und wie so oft an meiner Seite die beiden E-Commerce-Granden, der liebe Alexander Graf von Kassenzone bzw. Spryker und der gute Jochen Krisch von der K5 bzw. Exciting Commerce. So, und ihr kennt uns, wir wollen immer visionär sein, versuchen nochmal nach vorne zu blicken, auch mal schmerzhafte Fragen zu stellen. Und heute dreht sich diese Frage um Amazons Rolle in den nächsten zehn Jahren. Oder wie der Kollege Graf es vielleicht etwas bissiger formulieren würde, ist das Monster Amazon tot, wer wird das Nächste? Der König ist tot, lang lebe der König. Das heißt, in den nächsten Minuten erwartet dich einerseits ein Recap der vergangenen zehn Jahre, dass wir mal zurückgucken, was hat Amazon eigentlich in den letzten zehn Jahren groß und besonders gemacht. Und dann schauen wir nach vorne weg und fragen uns genau diese Themen auch nochmal. Welche Faktoren wie Logistik, Auswahl, Rezensionsmechanismen, Mobile-Faktoren, Marktplatz versus Direct-Handel und so weiter und so fort. Da wollen wir mal ein bisschen in die Kristallkugel schauen. So, that being said, ihr beiden, schön, dass ihr da seid.

Alexander Graf: Hallo, schön. Moin, moin.

Joel Kaczmarek: So, Supergraf hat schon vorher gesagt, er ist heute wieder böse Bulle, Jochen ist der gute Bulle und ich bin die Schweizer in der Mitte. Fangen wir mal an, kleiner Recap. Amazon in den vergangenen zehn Jahren, also ist ja eigentlich fast eine undankbare Aufgabe, da könnten wir den ganzen Podcast dazu aufnehmen, das jetzt quasi einmal runterzubrechen, aber wir nehmen mal die Leuchttürme. Was sind so für dich, Alex, die Leuchttürme von Amazon, wenn du dir die vergangenen zehn Jahre anguckst, was war da Amazons Führungsrolle?

Alexander Graf: Ich habe lange bei Kassenzone drüber rumorakelt, was sind die Erfolgsfaktoren? und dann kam ja diese Serviettenmalerei von Jeff Bezos und am Ende kam es immer wieder zu dem gleichen Dreiklang, Preis, Auswahl, Verfügbarkeit. Das ist scheinbar für dieses Multi-Sortiments-Geschäftsmodell online, das sind die wesentlichen Faktoren gewesen, die Amazon jahrelang bestimmt hat, wo sie oft besser oder wahrgenommen besser waren als der Wettbewerb. Sie hatten mit Abstand das größte Sortiment, sie hatten aufgrund ihres Marktplatzmodells eine erstaunlich hohe Verfügbarkeit, auch für Nischenprodukte und durch diesen Buybox-Wettbewerb hatten sie auch fast immer den besten Preis, das hat sich in den letzten Jahren geändert, deswegen reden wir auch hier. und das waren die Faktoren, die eigentlich jedes Geschäftsmodell, was mit Amazon in irgendeiner Form im Wettbewerb stand, beeinflusst hat. und Drumherum, diese ganzen Convenience-Faktoren, 24-Stunden-Lieferungen, vor ein paar Jahren waren es ja noch 48-Stunden-Lieferungen, kostenlos und viele, viele andere Sachen, Bewertungsmanagement, Rezensionsmanagement, Verfügbarkeiten in der App, das haben sie irgendwie besser gemacht als viele andere Online-Händler. Und mir ist am ehesten hängen geblieben ein Vortrag, ich glaube, ich habe das hier auch schon mal zitiert, von einem Logistikleiter bei Otto 2009, also vor 12, 13 Jahren, da war so ein Townhall-Meeting, da konnten die Mitarbeiter Fragen stellen und eine Frage war, wie gehen wir denn damit um, dass es jetzt einen Wettbewerber gibt wie Amazon, der seine Produkte innerhalb von zwei Tagen kostenlos liefert, während wir Standard-Lieferzeiten von drei bis fünf Tagen haben und dafür auch 4,90 Euro Liefergebühr haben wollen. Und dann war die Antwort, da müssen wir uns gar keine Sorgen machen. Wir haben unsere Kunden befragt, die sind eigentlich damit total einverstanden, dass das Geld kostet. Für die ist es wichtiger, dass unsere Lieferprognose genau ist, also dass es wirklich dann am Donnerstag kommt, wenn wir sagen, es ist am Donnerstag. Und das fand ich jetzt damals auch jetzt nicht hundertprozentig einleuchten, aber ich fand, es war ein interessanter Erklärungsansatz und hat dann aber relativ schnell sich in Luft aufgelöst, als wir Kunden gelernt haben, dass wir Pakete auch am nächsten Tag erwarten können von einem Onliner. Das heißt, dieses Erwartungsniveau, dieses Service-Niveau ist so stark gestiegen und das wurde in den letzten zehn Jahren vor allem von Amazon getrieben. Tarek hatte das mal im anderen Podcast erzählt. Preiswettbewerb ist easy. Preiswettbewerb ist ein kleiner Klick in der Datenbank. Aber Service-Wettbewerb, Wenn ein Wettbewerber auf einmal in der Lage ist, irgendwas Krasses zu machen im Bereich Retouren, irgendwie viel schneller zu liefern, irgendwas Abgefahrenes zu tun, was irgendeinen physischen Effekt hat, das ist kaum zu schlagen. und da war Amazon für viele Jahre das Vorbild, ist es aber in fast allen Dimensionen aus meiner Sicht nicht mehr und darüber müssen wir heute reden.

Joel Kaczmarek: Also, ich hätt's auch in diese Richtung gebürstet. Also, dieses grafische Dreieck, hab ich das immer so scherzhaft genannt, aus Preis, Verfügbarkeit, Auswahl, ist natürlich das, was es attraktiv macht. Aber im Kern ist es doch eigentlich das Nutzerversprechen. Dass du als Nutzer immer das Gefühl hast, wenn du bei Amazon kaufst, du bist immer auf der sicheren Seite. Du hast eine gewisse Prozessqualität, du hast eine gewisse Logistikgeschwindigkeit, du kannst es zurückgeben, wenn es dir nicht gefällt. Also diese Convenience eigentlich, die hat es ja für viele so attraktiv gemacht. Und wenn man das dann raufschmeißt auf so eine Suchschlitzdenke, Amazon ist jetzt mein Suchfenster für Produkte in der Welt, dann passierte da ziemlich viel Mächtiges und die Wachstumsquoten, die zweistelligen, waren jedes Jahr gesichert. Aber ich würde mal Jochens Blick interessieren.

Jochen Krisch: Ich bin da sehr bei dir, Joel. Also ich würde auch sagen, Einfachheit und Bequemlichkeit. Also das ist nicht für alle natürlich interessant, aber das ist letztendlich das Maßgebliche. Und solange ein Amazon das noch behalten kann und für genügend Leute behalten kann, und das ist ja im Prinzip auch so die Ambition, das eine Ich bin im Grunde sehr bei Alex und sage, das ist auch natürlich wichtig, dass du genügend Produkte hast und die dann preiswürdig auch liefern kannst. Aber einfach und bequem es zu machen, ich glaube, das wird auch zunehmend wichtiger. Das wird auch, also wenn ich die ganze Mobile-Generation und alle anderen sehe, ich glaube, das ist das Ausschlaggebende, aber auch die große Chance. Also da kann man sich auch andere Möglichkeiten überlegen, wie man ein anderes Versprechen hat. Also wir haben ja über Picnic und über andere Player auch gesprochen, speziell im Food-Bereich. Passiert ja sehr viel auf der letzten Meile, passiert sehr viel, finde ich, auch in den Mobile-Playern. Tut sich vergleichsweise viel, wo einfach andere Player hochkommen. Da kann Amazon zum Teil mithalten, zum Teil auch nicht. Manchmal muss es das auch nicht, eben solange diese Einfachheit und Bequemlichkeit dann da bleibt. Aber wenn wir ja mal wirklich so die, was wir heute ja machen wollen, mal weit in die Zukunft gucken, wirklich so fünf oder zehn Jahre, dann ist ja so ein bisschen auch die Frage, ereilt Amazon ein ähnliches Schicksal wie Ebay, dass es einfach wirklich an Relevanz sinkt und sinkt und sinkt und sinkt. oder hat Amazon andere, bessere Möglichkeiten? Also das sind auch so Themen, die ich zum Beispiel spannend finde.

Joel Kaczmarek: Ich hätte noch zwei Themen, die wir im Rückblick uns noch anschauen sollten, bevor wir dann nach vorne blicken können, weil sie, glaube ich, schon wichtig sind. Das eine wäre Prime, weil Amazon Prime ist ja, wenn ich mich nicht täusche, so das größte Kundenbindungsprogramm in Deutschland, wahrscheinlich mit Payback oder vielleicht ist Payback ein Stück vorne, ich bin gar nicht ganz genau sicher. Aber ist ja für die ein de facto sehr wichtiges Element, weil wenn Alex Graf sein Dreieck hat aus Preis, Verfügbarkeit und Auswahl, dann hat Florian Heinemann ja immer sein Dreieck aus Customer Acquisition Cost, Customer Lifetime Value und Retention. Sprich, das ist ja jemand, der eigentlich immer wieder die relativ simple Formel prognostiziert, zu sagen, okay, guck, wie du Kunden günstig eingekauft kriegst und sie dann selbst upsellst, ohne jedes Mal wieder quasi mit teurer Marketingquote Kunden neu kaufen zu müssen. Und da ist ja Prime für Amazon so ein wichtiger Baustein gewesen. Wie ordnet ihr das denn so in der Rückschau ein?

Jochen Krisch: Also ich sehe es ähnlich, also da geht es ja auch wieder darum, einfach und bequem das Ganze zu machen und im Grunde Prime-Kunden haben alle Vorteile, die man in der Amazon-Welt haben kann, an normalen Tagen, an Prime-Days besonders. Und insofern ist das schon sehr, finde ich, geschickt gemacht und auch gerade die Kombination jetzt von Handelsvorteilen und Entertainment-Vorteilen, nenne ich es jetzt mal so. Also allgemein, also Prime Video, Musik und alles, was damit zusammenhängt, zu kombinieren. Und man sieht ja auch, worum es Amazon eigentlich geht. Also das ist wirklich diese, also ich zum Beispiel, ich bin ja nicht intensiv Online-Besteller, was man jetzt auch nicht erwarten würde und deswegen auch nicht in der Prime-Welt gefangen. Aber allein, wenn man nur mal versucht, das zu testen, da wieder rauszukommen, dass sie ihn da wieder loslassen. Also ich weiß gar nicht, wie viele Klicks man da machen muss. Und auch generell, wenn du eine reguläre Bestellung aufgibst, wie du das umschiffen musst, dass du eben nicht in eine Test-Prime-Mitgliedschaft reinkommst. Also genau aus den Gründen, finde ich, aus denen du das beschrieben hast, sind sie sehr daran interessiert, das zu machen. Aber auch da sind ja inzwischen alle daran interessiert. Also Zalando hat sein Zalando Plus und jeder hat so sein Kundenbindungsprogramm, wenn man international guckt, was Alibaba, was andere entsprechend machen. Also viele haben sich ja da auch viel von Amazon abgeguckt. Die Frage ist halt immer, was ist dann das attraktivste Programm?

Joel Kaczmarek: Und zweiter Themenkomplex wäre für mich AWS und die ganzen Seitengeschäfte. Also Amazon ist ja irgendwann in den Markt gegangen, hat gesagt, wir entwickeln Infrastruktur für uns und machen dann Geschäfte daraus, dass wir diese für uns gebaute Infrastruktur nach unseren Maßstäben am Markt verkaufen und sagen, das ist so eine Art Best-in-Class, weil es ist so gut, dass wir es auch selber benutzen. Und ich weiß, wenn ich so mit Amazon-Leutchen immer irgendwie Gespräche führe, kommt dann auch gern mal der Case, du, es ist uns eigentlich total egal, ob der E-Commerce auch an anderer Stelle wächst, weil wir verdienen so oder so mit, entweder weil es über uns läuft oder weil wir im Hintergrund das Hosting dafür stellen. Das heißt, man könnte ja so ein bisschen, da habe ich auch an eBay gedacht, ob manchmal nicht AWS fast so was ist wie das PayPal von eBay, also dass das Amazon-Geschäft vielleicht in den Hintergrund tritt und AWS eigentlich so der große Magnet ist, zumal man ja auch den neuen CEO von dort hergeholt hat. Also das wäre noch so eine zweite Achse, die wir uns mal angucken könnten. Da kann ja Kollege Graf mal sagen, du bist ja Spezialist für sowas.

Alexander Graf: Ja, wenn man sich die Wachstumsraten der letzten Quartale anguckt und woher kommt der Cashflow, ist es ja AWS. Es ist ja schon seit ein paar Jahren, kann durchaus sein, dass das abgespalten werden kann in den nächsten Jahren, aber begann ist auch eine große Rolle. Super, dass das funktioniert hat. Es wird fälschlicherweise aus meiner Sicht von vielen anderen Unternehmen, Unternehmen überinterpretiert, die versuchen quasi jede Art von Service, die sie haben, auch weiter zu verkaufen. Man sieht das an diesen diversen Retail-Media-Ankündigungen. Also jeder versucht jetzt quasi Retail-Media zu machen, obwohl sie selber noch nicht mal richtig Media machen können. Und da hat quasi Amazon, glaube ich, immer schon sehr, sehr progressiv gehandelt und hat auch neue Geschäftsfelder entdeckt, wie AWS zum Beispiel oder seine Financial Services oder auch seine Logistikflotte, die es ja zunehmend auch sozusagen untervermieten könnte. Und viele Sachen haben sie ja auch gemacht, weil der Markt ihnen diese Infrastruktur nicht zur Verfügung gestellt hat. Also ich bin mir sicher, dass Amazon gerne auf den Aufbau von eigenen Paketboxen und Logistikinfrastruktur verzichtet hätte. Hat bestimmt schlauere Möglichkeiten, das Geld zu investieren, aber DRL hat das eben nicht gemacht. Und deswegen mussten sie es machen. Und damit ist jetzt eine Infrastruktur entstanden, die kaum schlagbar ist. Und dazu kommt jetzt noch zu Prime obendrauf, kommt jetzt noch die ganze Privacy-Politik der großen Netzwerke, das heißt Unternehmen, die heute schon einen großen Bestandskundenstamm haben, sind übervorteilt, weil sie eben nicht mehr so stark in der Neukundenakquise akquirieren müssen. Da geht es vor allem um Kundenaktivierung und dafür ist Prime natürlich ein super Programm. Und auch fairerweise ist auch nicht Amazon der Erste gewesen, der daran gedacht hat, aber sie haben es halt sehr, sehr radikal umgesetzt. Das Thema Loyalität und Kundenaktivierung war ja neben personalisierten Kundenerlebnissen, wahrscheinlich in den letzten 15 Jahren auf jeder Trendbühnenecke, auf E-Commerce-Messen, glaube ich, das zentrale Thema, es hat aber keiner gemacht. und auch die Kopien davon, ja, irgendwie Ebay Plus, Zalando Plus, keine Ahnung, ATU Blue oder keine Ahnung, es gibt ja Dutzende, davon sind halt nie so gut, sind halt wirklich nie so richtig konsequent durchdacht und kommen auch nicht mit diesem risikoaffinen Investment, da auch nochmal Videos reinzukippen oder ein paar andere Sachen reinzukippen, weil ich bin mir ziemlich sicher, dass Großteil der Prime-Nutzer Videos gar nicht nutzt und die trotzdem noch einen Netflix-Account haben. Das ist schon sehr, sehr progressiv, aber ich würde mich quasi lieber konzentrieren auf die Grundlagen des Handels. Und wenn ich mir so die Dimension, diese Pillars so anschaue, dann muss ich sagen, Logistik haben viele Unternehmen aufgeholt, sind dann teilweise auch besser, insbesondere die, die vertikalisiert sind. Nehmen wir mal ein AO.com, die eine vertikalisierte Logistik haben oder ein Picnic, können quasi ihre Services noch besser, noch spezieller an den Kunden bringen. Und auch bei fast jedem großen Online-Händler kann ich mittlerweile ein Next-Day-Delivery-for-Free haben. Die Auswahl fällt ihm mittlerweile auf die Füße aufgrund der ganzen Plagiatsgeschichte. Also diese 500 Millionen Produkte oder keine Ahnung, mittlerweile vielleicht eine Milliarde Produkte sind natürlich nicht wirklich nutzbar. Wenn viele in den hintersten Bereichen verschwinden bei Amazon, oft keine Bewertungen haben, nicht auffindbar sind für den Kunden. Sie sind auch nicht mehr so sortierbar, wie sie bei Spezialhändlern sortierbar sind, wie bei einem Zalando für Fashion, wie bei einem Thomann für Audio und auch wie ein Otto für Elektronikgeräte ist teilweise viel besser in der Auffindbarkeit von Produkten als Als Amazon, die nutzen dieses Thema Auswahl gar nicht mehr gut genug, außer SEO-seitig. Preis ist es ähnlich, dadurch, dass sie ihre eigenen Produkte nach vorne schieben und fast der komplette sichtbare organische Bereich von Amazon eigentlich eine Werbeplattform geworden ist. Du musst dich ja quasi fast immer einkaufen in die Reichweite, haben auch die Preise darunter gelitten. Mittlerweile gehe ich tatsächlich dazu über, hin und wieder mal bei Idealo zu schauen. Bei teureren Vorhaben und ist erstaunlich, also man kann wirklich viel Geld sparen. Dann das Thema Bewertungen, wo sie führend waren, haben sie versäumt, entsprechende Fraudmechanismen einzubauen. Klar, die werden auch attackiert wie keine andere Plattform und jeder versucht es zu missbrauchen, aber die haben so viel schlechte Presse zur Bewertung bekommen in den letzten zwei Jahren, dass sie damit natürlich so ein bisschen das auch kaputt gemacht haben für sich selbst. Und da muss man schon sagen, Amazon dient jetzt, abgesehen davon, dass sie extrem groß sind und sehr, sehr diversifiziert sind, für mich jetzt nicht mehr als Vorbild, weder für einen neu zu bauenden Marktplatz, noch für einen neuen Händler. Da würde ich mir dann lieber die Spezialisten rauspicken und die Peergroup kleiner machen.

Joel Kaczmarek: Gut, da sind wir also schon mitten in unserer Betrachtung für die nächsten zehn Jahre. Jochen, wie siehst du das? Ist es so ein too big to fail Beispiel oder hat Alex recht, dass das gerade so erodiert, was früher noch ein Vorteil und eine Stärke war?

Jochen Krisch: Im Grunde ersteres. Andererseits bin ich aber schon bei Alex, wobei er hat jetzt den Punkt natürlich am Schluss gemacht, dient es als Vorbild. Wenn man fragt, wer ist das Vorbild die kommenden Jahre, dann würde ich jetzt auch nicht unbedingt sagen, dass Amazon das ist. Aber wenn man sich die Frage stellt, hat Amazon eine Relevanz die kommenden Jahre, zehn Jahre. Oder geht es einem Amazon ähnlich wie Ebay? Also Ebay hat jetzt auch noch eine Relevanz, aber ist halt am absteigenden Ast. Und die Frage ist ja wirklich, kann Amazon Ähnliches passieren? Da würde ich sagen, Amazon kann sowas nicht passieren. Genau aus den Gründen, deswegen gut, dass wir es aufgeführt haben, diese alternativen Erlösströme, Möglichkeiten, die Amazon sich aufgebaut hat, weil es im Grunde Amazon wirklich wurscht sein kann, was im Handelsgeschäft Das ist es jetzt noch nicht und das hat eine Dimension, dass es das schon gleich gar nicht wirklich sein kann. Aber von der Grundidee, das Geld wird andersweitig verdient, die Relevanz kommt anderweitig zustande. Und deswegen würde ich aber trotzdem sagen, dass Amazon weiter ein extrem starker Player sein wird. Und ein Thema haben wir jetzt gar nicht so wirklich intensiv angesprochen, aber das ist für mich einer der Haupttreiber, wenn man sieht, beziehungsweise Alex hat es kurz anklingen lassen, Retail Media. Wenn man sieht, was Amazon da einnimmt und was Amazon gleichzeitig für eine Werbepower hat. Also die bespielen ja nicht nur online extrem, sondern du kannst im Grunde Fernsehen nicht mehr einschalten und hast teilweise ganze Werbeblöcke, wo nur Amazon, mal Logistik kommt, mal kommt Alexa, mal kommt Lieferung, alles Mögliche. Also wo sie eine unheimliche Werbemacht haben und wo sich das allein rechnet. Also mit den Werbeeinnahmen, die die Händler quasi Amazon generieren, kann Amazon seine Marktmacht den Kunden gegenüber demonstrieren und dann eben tatsächlich eine Relevanz. Das ist zum Beispiel ein Hebel, den eBay nicht hat in der Form und den auch kein anderer hat. Also deswegen bin ich da so hin und her gerissen. Und selbst wenn ich die ähnlichen Kritikpunkte hätte und habe, die Alex auch aufgeführt hat und wo ich auch sehe, dass Marktplatz wird super relevant sein, weil das ist auch ein Erlösstrom für Amazon. Deswegen, das werden sie auch pushen. Aber das eigene Handelsgeschäft, da bin ich ja immer so dieser Peak-Amazon-Verfechter, dass ich sage, vom Handelsgeschäft von Amazon muss sich keiner bedroht fühlen. Das ist nicht das Relevanteste von Amazon und das ist auch nicht, was den Unterschied ausmacht. Vom Marktplatz ist ein anderes Thema und eben das größte Thema ist für mich die Kundendatenbank. Und die Relevanz bei den Kunden. Ich glaube, man kann es sich nicht so einfach machen und sagen, okay, weil Amazon jetzt qualitativ nicht mehr so gut ist, wird das keine Relevanz haben und deswegen habe ich mit meinem schönen neuen Modell jetzt die Chance, das nächste Amazon zu werden. Ich glaube, so einfach wird das nicht. Diese Chance, wie gesagt, die hätte ich bei oder sehe ich bei eBay. Da bin ich eher so ein bisschen enttäuscht, dass da niemand kommt, der sagt, ich bin jetzt die eBay-Alternative, weil das ist angreifbar. Bei Amazon sehe ich das so in der Form nicht.

Joel Kaczmarek: Alex nickt bedächtig, siehst du ähnlich.

Alexander Graf: Ja, also ich hatte ja 2019, das habe ich ja quasi als These von der K5 geklaut, damals habe ich das als Beitrag dann verfasst, Peak Amazon. Da hat ja die Diskussion im Grunde gestartet, insbesondere so Peak Amazon aus einer Handelsinnovationssicht, aus einer Börsenkurssicht, Umsatzsicht. Ich glaube, da haben wir noch lange keinen Peak erreicht, es wird noch mehrere Jahre hochlaufen, auch wenn Amazon morgen aufhören würde, irgendwas zu investieren. Ja, sozusagen jegliche CapEx-Investment weggedacht, kein weiteres Lager. Da wird Amazon immer noch extrem stark wachsen. Alleine, weil natürlich jetzt so ein paar kritische Spasseffekte im stationären Einzelhandel eingetroffen sind durch Corona. Dieser Umsatz fällt ihnen automatisch zu. Also davon müssen wir uns, glaube ich, mal verabschieden von dieser Fragestellung. Was heißt das jetzt für den Umsatz und für den Aktienkurs? Das ist für mich separat. Und dieser Peak Amazon Artikel oder diesen Amazon Beitrag oder Diskussion ging schon ein bisschen darum, warum schafft es denn Amazon nicht irgendwie seine Desktop Umgebung mal so aufzuräumen, dass wirklich diese einzelnen Produktgruppen gut sortierbar sind. Natürlich arbeiten auch mit einem uralten System, wenn ich mit Händlern rede, die auf verschiedenen Plattformen verkaufen. Da war es auch vor kurzem im Podcast mit Bokebo und auch bei anderen sagen mir das dauernd. Das Händler System war super Super innovativ. vor 15, vor 15 haben sie noch gar nicht gestartet mit dem Marktplatz, aber so vor 12, 13 Jahren, wo man dann selber Produkte hochladen konnte, über so standardisierte Excel-Listen und Verfügbarkeiten updaten konnte. Heute sind diese Toolings überhaupt nicht mehr innovativ, sind überhaupt nicht mehr angebunden an irgendwie so ein automatisches ERP von den Händlern. Die Händler haben wenig Möglichkeiten, Dinge zu eskalieren, wenn irgendwas gesperrt ist oder wenn ein Bestand kaputt ist. Also da kommen sie nicht mehr so richtig hinterher und aus dem Blick und dadurch hat sich ja diese These dann gebildet. Trotzdem, und ich lese mal quasi hier ganz kurz eine News vor, die ich hier in meinem neuen tollen Tool gesehen habe, und zwar eine Amazon-related News. Heute hat zum Beispiel Carrefour gesagt, das ist quasi einer der größten Retailer der Welt, dass sie in den nächsten drei Jahren und in den nächsten vier Jahren drei Milliarden Euro investieren werden für Digital Commerce. Expansion, acceleration of e-commerce, bla bla bla bla bla, will be among the main drivers of its online push as Europe's largest food retailer looks to retain an edge over Amazon on the groceries front and accelerate its turnaround. Drei Milliarden ist natürlich auch für einen Carrefour nicht wenig. Vorher haben sie 600 Millionen pro Jahr investiert, also ungefähr die Hälfte wird trotzdem nicht genug sein. Immer ist quasi Amazon das Bild, dabei müsste Carrefour mittlerweile ganz andere Bilder und Vorbilder da auch nehmen. Ich bin ja ganz neidisch da auf Jochen, dass er da mit Knusper in seiner Ecke sozusagen, ich weiß gar nicht, ob die liefern zu dir nach Hause, aber das wird Ja, doch, oder Picknick, ja, oder auch ganz andere Tools sind da viel, viel relevanter, trotzdem ist in den Strategie- und PR-Abteilungen immer noch Amazon dieses große, böse Spiel, aber gar keine Rolle, also einmal, das ist ja auch ein Thema Amazon hat in Europa für das Thema Lebensmittellieferung ja komplett, ja, also hat nicht funktioniert, hat sich wieder zurückgezogen, hat fast alle strategischen Kooperationen mit den Lebensmittelherstellern wieder aufgegeben, zentralisiert, dann unter anderem weg aus München genommen, hat eben nicht funktioniert. Und dass es dann trotzdem noch dieses Bild gibt, in dem man sich da um Amazon kümmern muss, das ist, glaube ich, Quatsch. Und da muss man sich aus meiner Sicht auch neue Vorbilder suchen. Und das ist ja für mich auch das Spannende. Diese neuen Vorbilder kommen ja jetzt und die sind in allen Bereichen oft besser, als es in Amazon jemals war oder auch jemals sein kann. Das ist halt wichtig zu verstehen.

Joel Kaczmarek: Naja, aber jetzt musst du der Fairness aber ja sagen, diesen Vergleich, den du da gerade zitiert hast, der ist ja auf Börsenanleger ausgelegt. Das heißt auf Menschen, die jetzt sich wahrscheinlich nicht immer in der Tiefe mit dem ganzen Markt beschäftigen. Und da ist natürlich Amazon die bessere Investment-Story, als zu sagen, Carrefour konkurriert jetzt mit irgendwie Ocado oder mit Picnic. Das wäre ja schon ein merkwürdiger Benchmark. Also heißt ja nicht, dass die sich, wenn bloß weil sie sich PR-seitig auf die konzentrieren, nicht trotzdem in ihrer Innovations-Pipeline eher auf andere Leute oder andere Firmen ausrichten.

Alexander Graf: Was? Also weiß ich nicht.

Jochen Krisch: Also das erzählt man sich dann schon auch untereinander in Managementkreisen jetzt in den jeweiligen Unternehmen. Das ist leider das Bittere und ich sehe das natürlich ähnlich wie Alex, dass Amazon kennt jeder und Amazon hat jeder im Auge und auch jeder eine Meinung dazu. und viele andere kennt man noch nicht, weil sie zum Teil nicht in den deutschen Markt wohnen. präsent sind oder zu klein sind, zu irrelevant, weil zum Teil auch die Dynamiken unterschätzt werden, wie schnell so etwas hochkommen kann. Ich hatte ja schon angedeutet, im Mobile erwarte ich mir eigentlich extreme Entwicklungen, Dynamiken. Innerhalb von fünf Jahren kann da wirklich ein neuer, relevanter Player da sein. oder auch, was die Last-Mile-Services und Themen angeht, die man halt dann nicht mehr so leicht kopieren oder mit etwas anderes dagegen setzen kann. Also das ist schon das große Manko und das ist auch das, was mich so nervt, an vielen Branchendiskussionen, dass alles an Amazon gemessen wird. Also inzwischen zum Glück auch an Zalando und an dem einen oder anderen noch. Aber auch das ist viel zu wenig, weil die Vielfalt der Online-Branche viel größer ist. Und gerade jetzt, wir haben jetzt diese ganzen Börsengänge gehabt. Wir haben gesehen, was für spannende Unternehmen es gibt, die auch an der Öffentlichkeit sind, sodass man auch sich ein Bild machen kann. Also für mich das ultimative Vorbild ist quasi Bursa. Coupang aus Südkorea, die wirklich komplett integriert mit letzter Meile eine Lösung gefunden haben, die finde ich um Längen dem raus ist, was ein Amazon macht. Auch deshalb voraus ist, weil es natürlich erst zehn Jahre alt ist, das Unternehmen. Und ich finde, das sind die Unternehmen, an denen man sich orientieren müsste und wo man sich auch so ein bisschen ein Bild machen kann, was heute möglich ist und was möglich wäre, um nicht nur auf Amazon-Level zu kommen. was eh verloren ist, weil man in fünf Jahren dann auf dem heutigen Level ist, sondern wo man so ein bisschen schon in die Zukunft gucken kann. und ich glaube, das ist so die, diese Thematik hat Amazon selber, haben auch alle anderen, dass wir sehen müssen, was passiert bis 25, was passiert bis 30 und wie sieht da die Online-Welt aus und da können wir nicht mit den letzten zehn Jahren oder so kommen.

Alexander Graf: Wobei man hier nochmal sagen muss, diese ganzen neuen Börsengänge sind ja für Analysten wie Jochen und für mich so als Hobbyblogger sind ja ein Traum, weil man endlich mal an Daten kommt und man nicht immer so ein bisschen blau hinein fantasieren muss. Wenn ich jetzt mir anschaue, wie so ein Rent the Runway oder so ein Allbirds, was ja glaube ich gestern an die Börse gegangen ist, bewertet werden. Also jetzt haben wir Allbirds, wenn das die Leute mal gehört haben, spreche ich auch mit Florian in meinem nächsten Podcast drüber. Die haben 200 Millionen Dollar Umsatz 2020 prokonstruziert, liegen jetzt, glaube ich, bei einem Market Cap von 3,5 Milliarden, waren gestern mal auf 5 Milliarden. Auf einmal wirkt Amazon wie ein super konservativer Wert. Das war ja quasi immer mit den Multiples, die dahinter standen, also Earnings Multiples, Umsatz Multiples, war das ja immer so, ach, das ist einfach so Jetzt sehen wir quasi neue Unternehmen, die in ihren Geschäftsmodellen zum Teil sehr leicht angreifbar sind. Da sieht man ein bisschen die Fantasie am Markt und da wirkt auf einmal Amazon wie ein Korrektiv. Du legst dir manchmal auch ein bisschen die Hände über den Kopf zusammen, wenn du solche Bewertungen siehst, Jochen.

Jochen Krisch: Aber wenn ich da kurz reingritschen darf Ja, natürlich ist absolut alles extrem bewertet, aber ich würde eben genau das unterscheiden. Bewertungen haben nichts damit zu tun, was das Unternehmen ausmacht und wie man das Unternehmen einschätzen würde. Und ich würde es auch so betrachten. Ich betrachte immer das Unternehmen, was die Strategie angeht, was die Umsatzdynamik angeht, ob es ein Potenzial hat, in die schwarzen Zahlen zu kommen. Und mich nervt das tatsächlich auch immer, wenn ich dann gleichzeitig mich immer an der Bewertung messen muss. Weil selbst wenn das absurd ist, heißt es ja noch nicht, dass das Geschäftsmodell nicht etwas haben kann und vernünftig sein kann, dass es vielleicht auch jetzt aus den Umständen zum Teil geschuldet oder auch anderen Gründen gerade nicht so gut läuft. Aber du hast jetzt ein paar Beispiele eben genannt. Ich finde jetzt gerade die viele, die auch so gehypt waren im VC-Kreis, wie in Allbirds, wie in Wabi Parker und andere, das war ernüchternd, was da in den Unterlagen drin stand. Ja. Das sind für mich tatsächlich jetzt nicht die Beispiele. Deswegen meine ich, also nicht jedes Unternehmen, das in die Börse geht, ist jetzt ein relevantes Vorzeigebeispiel. Aber es gibt unter denen, die in die Börse gegangen sind, gibt es eben schon eine Handvoll, würde ich fast sagen, ein Dutzend von Unternehmen, die wirklich super spannend sind, weil man eben auch sieht, wie sie ihr Geschäftsmodell gefunden haben, wie sie ihren Markt, ihre Zielgruppe erschlossen haben und was da tatsächlich an Potenzial drin ist. Also da würde ich extremst unterscheiden.

Alexander Graf: Vor sechs Jahren war ja noch der Consulting-Workshop What would Amazon do? Ganz populär. Würdest du das heute ersetzen mit What would Coupang do? Oder What would Shein do?

Jochen Krisch: Das Problem an diesen Workshops ist genau eben, dann orientiert man sich an gestern. Im Grunde geht es darum, wie werde ich das Nächste von diesen Unternehmen? Weil bei allen kann man nicht sagen, dass die auch die nächsten 10 oder 20 Jahre so gut meistern werden, wie sie die letzten gemeistert haben. Also deswegen, ich bin eher ein Freund von, wo sind die Marktpotenziale und was könnte man jetzt tun? generell, wo sind die Optionen, wo sind einfach Marktlücken, Positionierungsmöglichkeiten? jetzt, was das Kundenversprechen etc. angeht, da bin ich eben kein so großer Freund davon. Ich weiß, das ist leider so im Management Unternehmenskontext, dass man es so macht, aber das würde ja immer heißen, dass es schon die Genialen gibt, die jetzt wissen, wie E-Commerce in den nächsten 10 oder 20 Jahren aussieht. Ich finde, jetzt die man die Vorzeigebeispiele oder die guten Beispiele, die vor zehn Jahren oder vor fünf Jahren gestartet sind. Und da zählen genau die dazu, die du jetzt genannt hast. Insofern sind die für mich die marktsgeblich. Aber ich würde mich, um zu wissen, wo ich in fünf Jahren oder in zehn Jahren stehe, nicht an denen orientieren.

Alexander Graf: Okay, dann stelle ich mir eine spezifischere Frage. Vor drei Jahren war ja dann in diesen gleichen Managementrunden immer das Thema Kundenbildungsprogramm. Wie können wir so cool sein wie Amazon Prime, der Titel? Welches Vorbild würdest du denn heute nehmen als Kundenbindungsprogramm alternativ zu Prime? Wer macht das aus deiner Sicht dann besonders gut?

Jochen Krisch: Wie gesagt, ich würde gar keine Vorbilder nehmen, sondern ich würde mir überlegen, wie müsste mein Kundenbindungsprogramm aussehen und wie kann das aussehen? Was habe ich für Möglichkeiten? Wie kann ich Vorteile bieten? Kann ich überhaupt eine Kundenbindung generieren? Vor allem kann ich Partnern? Ja, genau. Wie schaffe ich da, schaffe ich die bei mir entsprechend zu binden? Also insofern, wir haben diese Themen und die werden auch bleiben. Also das ist jetzt, da ist auch, finde ich, Handel jetzt nicht so spektakulär. Es wird immer dasselbe sein.

Alexander Graf: Okay, ich nagel dich mal ganz kurz drauf fest hier bei dem Thema sozusagen Vorbild-Workshop. Du berichtest ja auch Exciting Commerce auch über den Ausbau der Paketstationen von DHL. Wenn du jetzt der DRL-Chef wärst und Amazon ist ja immer noch ein treibender Faktor in der Management-Runde, was würdest du denn da machen?

Jochen Krisch: Das ist gemein, vor allem wenn du Unternehmen, die ja wirklich so weit hinterher hinken, reformieren lassen. Ja, ich würde es andersrum sagen. Also solche Unternehmen sind nicht zu retten, finde ich. Da kann man rückbauen, da kann man gucken, wie man das bestehende Geschäft noch ein bisschen weiter treibt und gleichzeitig muss man ein neues Geschäft aufbauen. Das heißt, da könnte man überlegen als DHL, möchte man nicht einen Fuß in der Tür haben in einem Picknick, möchte man nicht einen Fuß in der Tür haben in einem Restaurant. Gorillas, in einem DoorDash, in anderen, in einem Enjoy, die wirklich supermoderne Last-Mile-Services machen. Also da müsste man ja wirklich komplett anders denken. Man muss auch weggehen von so einem Unternehmen als Paketdienst und sagen, ich muss Last-Mile-Kompetenz aufbauen. Ich muss im Prinzip den Fuß in die Tür des Kunden bekommen oder auch diese Kompetenz dann dem Händler anbieten können. Da braucht hat man ein anderes Verständnis von Service. Das hat alles gereicht. Und das reicht zum Teil immer noch, was ein DHL bietet. Und ich möchte es auch nicht kleiner machen oder schlimmer machen, als es ist. Aber wenn ich jetzt mir überlege, was brauche ich in fünf Jahren oder in zehn Jahren? Und vor allem, wie sieht die Wettbewerbssituation aus? Ich als DHL-Konkurrierer oder als jeder Händler mit großen Food-Diensten, die diese Last-Mile-Services haben, also Picknick etc., Und die haben auch die Möglichkeit aus dem Food in andere Bereiche rüber zu gehen. Das heißt, das sind meine künftigen Wettbewerber und so würde ich mich ausrichten. Aber damit habe ich deine Frage nicht beantwortet natürlich, aber so versuche ich mich aus der Schlinge zu ziehen.

Alexander Graf: Okay, ich hätte gedacht, du sagst jetzt einfach nochmal 5 Milliarden mehr pro Jahr in den Ausbau von Paketstatt. Irgendwas, was man exekutieren kann. Das muss man ja auch in der Vorstandsunterlage schreiben.

Jochen Krisch: Ja, wenn es so einfach wäre, würden sie es ja selber machen.

Joel Kaczmarek: Aber können Sie mal zuspitzen, was seht ihr denn umgekehrt als die attraktivsten Flanken, um Amazon in den nächsten zehn Jahren anzugreifen, Umsatz wegzunehmen?

Jochen Krisch: Da haben wir eine ganze komplette Exchanges-Ausgabe mit Rupert gemacht. Rupert Bodmeier, der hat ja auch jetzt so das Thema Beyond Amazon gehabt und er kommt sehr stark und da folge ich ihm auch vom Kundenversprechen. Also wo Amazon ja gut ist, ist im Grunde in austauschbaren Produkten, die gut verschickt werden können. Wo Amazon schlecht ist, ist Food, hat Alex schon schön beschrieben, aber auch in höherpreisigen, höherwertigen Produkten, wo es eine Beratung braucht, wo Andere Kriterien eine Rolle spielen. Und das sind Segmente, wo ich reingehen würde. Es geht auch nicht darum, finde ich, Amazon was wegzunehmen, sondern da ein Profil, ich möchte nicht Nische sagen, aber ein Profil oder eine Spezialisierung zu finden, wo ich eine Chance habe. Und da haben wir ja auch schon eine Thomann-Ausgabe gemacht und andere Ausgaben, die ja sehr schön gezeigt haben, auch im Modebereich. Amazon verkauft viel Bekleidung, aber Modeplayer ist es wirklich nicht. Und da hat von Zalando angefangen, da war Asus, Boohoo, also Dutzende von Modeplayer, die wir da haben, die alle im Grunde einen besseren Job machen, weil sie sowohl das Modethema als auch die Kundenansprache viel besser drauf haben. Und das ist für mich das Riesenuniversum, das da ist. Also wird ja auch zum Teil genutzt, aber ich glaube, da ist noch mehr drin.

Alexander Graf: Ich glaube, in jedem Bereich, der ausreichend viel Nachfrage online schon hat, Und Kundenfrequenz auch generiert, das ist halt immer schwierig bei Themen wie Matratzen oder irgendwie Badewannen, weil mit niedriger Kundenfrequenz kann man Amazon extrem gut angreifen. Dort, wo Service gebraucht wird, man sieht zum Beispiel bei AO.com, also lassen wir uns mal zurückerinnern an AO.com vor vier, fünf Jahren, Otto war damals schon stark, ist ja heute noch stark in diesem Bereich. weiße Ware, da ein Spezialist, der das irgendwie anschließt, den du anrufen kannst. Da ist Amazon super angreifbar. Sie kriegen diesen Zweimal-Service nicht hin. Du kannst da keine Nummer anrufen. Die können es nicht end-to-end denken. Und wir haben so viele Nischen mittlerweile im Vergleich vor 15 Jahren, die alle über eine Milliarde groß sind. Das wäre immer so quasi die Größenordnung, die ich anstreben würde als sozusagen Minimum für eine Nische. Da kann man Amazon fast überall angreifen. Und ein Großteil des Umsatzes findet ja eben noch nicht online statt. Und ich glaube dass Amazon, und das war ja lange Jahre lang so, hat ja einen Großteil dieses Umsatzwachstums ausgemacht. Wenn man sagt, der Markt wächst irgendwie 20 Prozent im Jahr, waren 10 Prozentpunkte oft Amazon. Und dieser Anteil wird deutlich kleiner. Und wir reden jetzt hier über Größenordnungen, wo es wirklich um viele Milliarden geht. Und ich glaube, das muss man halt auch so auch neu denken. Und ich habe in den letzten Jahren so richtig Rückenwind bekommen, auch in so vielen Managementrunden. Und ich dachte, krass, also es ist so einfach, hier Amazon anzugreifen. Und das war vor zehn Jahren gar nicht vorstellbar. Da wirkte es unglaublich schwer, uneinholbar. Viel mehr Geld, viel mehr Skala und hätten sie so behäbig geworden, so festgefahren in vielen Bereichen noch, dass sie aus meiner Sicht extrem angreifbar sind. Nicht nur in diesen Kernkomponenten, Auswahl, Preis, Verfügbarkeit, sondern vor allem in diesen vertikalisierten Bereichen. Wir nehmen immer wieder Thomann als Beispiel, aber es gibt viele, viele andere große Nischen, wo ich sagen würde, da hat oder Zalando natürlich im Fashion. Da ist Amazon chancenlos. Da hat Amazon keine Chance, da was zu reißen. Deswegen bin ich auch gespannt auf die Auslandsexpansionsthemen, also der europäischen Modehändler Richtung USA, wenn es mal richtig losgehen sollte. Also ich bin da super, also Amazon wird für mich, und das ist so ein bisschen auch die Summary für mich hier, wird immer weniger Vorbild. So das Geschäftsmittel, die Skalierung und ja, der Aktienkurs und das wird alles, das ist noch lange kein Peak erreicht, auch wenn das hier keine Anlageempfehlung ist, aber in diesen ganzen Disziplinen, die sie groß gemacht haben, haben oder die sie groß gemacht hat, sind sie mittlerweile nicht mehr Marktführer.

Jochen Krisch: Wobei, wenn ich das vielleicht noch kurz ergänzen darf, geht auch gar nicht darum, Amazon anzugreifen, sondern es geht darum, Themen zu finden, wo man groß genug werden kann, sodass ich das Geschäft tragen kann und wo man neben Amazon Platz hat. Das spielen eben genauso Faktoren rein, was du jetzt gerade gesagt hast. Die Kundenbereitschaft ist viel mehr da und online ist viel etablierter, sodass man auch eine Chance hat und nicht wahnsinnig viel Aufwand jetzt im Marketing stecken muss, sondern dass man da versucht, einen entsprechenden Service unterzubringen. ein Angebot auf die Beine zu stellen, wo man halt aber auch, und das ist, glaube ich, da bin ich bei dir oder da bist du bei mir, schon in eine gewisse Größenordnung kommt. Also man braucht schon 100 plus Millionen Umsatz, so damit man das vernünftig profitabel betreiben kann, aber nicht als Gegenpol zu Amazon, sondern als eigenständiges Geschäft.

Joel Kaczmarek: Also ich hätte neben der Vertikalisierung oder Spezialisierung noch das Thema Mobiles ans Sitzfeld geführt. Da hat mir aber eine eigene Folge zu, dass Amazon da eigentlich auch an vielen Stellen die Hände gebunden sind, weil ihre eigene App ja irgendwie schon vollgestopft ist, bis der Arzt kommt. Du kannst jetzt also auch nicht einfach jemand Innovatives kaufen und mit reinstecken. Die Multi-Plattform-Strategie, wie man sie bei Facebook gesehen hat mit irgendwie WhatsApp und Instagram, ist ja jetzt auch nicht ganz unkompliziert und irgendwo, also diese Trägheit, die einsetzt, wenn man größer wird, die sieht man ja auch an anderen Stellen. und Was mich noch beschäftigen würde, ist, wenn wir jetzt mal zehn Jahre in die Zukunft gucken, sind so zwei Faktoren. Also das eine, worüber wir noch gar nicht geredet haben, war eigentlich Internationalisierung. Also ich glaube, wenn ich Alex immer reden höre, dann sagt er ja immer, in Schweden interessiert sich keine Sau für Amazon, da gibt es ganz andere Benchmarks oder Niederlande guckt ganz anders auf so einen Markt und so weiter. Also was wäre da noch am Kommen? Und die zweite Achse wäre für mich Medienunternehmen, weil wenn ich mir sowas angucke, wie die ganzen Vermarktungsaspekte oder auch sowas wie Twitch Und eigentlich auch das Prime-Videogeschäft, da tut sich ja auch noch einiges. Also ich meine, Netflix macht da ein riesiges Geschäft draus. Wäre vielleicht noch ein ganz interessanter Punkt, noch mal zu gucken, wie sehr kann Amazon auch eine Medienmarke werden und sein. Aber fangen wir mit Internationalisierung an. Was ist denn da so euer Take drauf?

Alexander Graf: Also ich finde schon, dass man im Umland, so bol.com in Holland, Allegro Polen, Man findet schon sehr, sehr starke Player, die natürlich schon nachdenken, was passiert, wenn Amazon kommt, MercadoLibre in Lateinamerika. Da gibt es übrigens einen sehr interessanten Case. Da ist ja Amazon 2015 erst nach Mexiko gekommen, wo MercadoLibre stark war. Da kann man sich mal angucken, wie schnell passieren solche Verschiebungen. Die sind dann aber auch teilweise schon besser in vielen Details. Die sind dann schon irgendwie lokal vernetzt. Da fällt es auch Amazon dann ganz, ganz schwierig, noch in den Markt einzudringen. Das empfehle ich und diese Perspektive haben wir jetzt ja erst in den letzten Jahren auch entwickelt. Kupang, Südkorea ist auch so ein Beispiel. Da bin ich mir ziemlich sicher, dass man in jedes Land, in das man schaut, insbesondere in Asien, was eben nicht diese übergroße Angst vor dem Amazon-Effekt hatte, sieht man halt innovative Geschäftsmodelle. Auch in Russland, da ist das Thema Fast. Delivery in Russland bis in Kleinstädte, Kleindörfer hinein ist viel ausgeprägter. Liegt auch an dem Genie-Koeffizienten, der deutlich höher ist. Also mehr günstige Arbeitskräfte sind verfügbar für solche Themen. Da gibt es noch genug LKW-Fahrer. Aber das ist alles. Also ich hole mir mittlerweile eher dort Inspiration als von den Top-20-Playern der EAI-Liste in Deutschland, sage ich mal.

Joel Kaczmarek: Also ich übersetze jetzt mal, was du gesagt hast. Du glaubst, Wachstum im Sinne von Internationalisierung ist für Amazon keine Option, weil die Märkte reifer sind und es sie da mehr Geld kostet, da zu expandieren.

Alexander Graf: Also es ist schon eine Option, aber ist jetzt bei Weitem kein Selbstgänger mehr.

Jochen Krisch: Was hilft denn Amazon? Was helfen diese ganzen Märkte? Sie gehen zwar jetzt nach Polen, sie gehen nach Schweden, sie gehen in die Türkei und diese ganzen Märkte. Aber das macht ja keinen großen Unterschied. Also ihr Hauptthema ist Indien. Da greifen sie groß an und das wollen sie unbedingt gewinnen, weil sie eben China nicht gewonnen haben. Und weil da ist einfach entsprechende Bevölkerung da und entsprechendes Umsatzpotenzial. Und das andere, ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum sie es machen. Also das kann nicht den großen Unterschied machen. Und zum Teil die lokalen Player sind eben stärker, besser, je nachdem, wie man es sieht. Also das ist ja auch so ein bisschen ein Punkt, was man in der Amazon-Bewertung sehen muss. Bestimmte Dinge lohnen sich für Amazon nicht. Und ich habe ja während der Corona-Zeit immer gesagt, wäre doch toll, wenn es jetzt einen vernünftigen Buchversender gäbe, weil für Amazon die Bücher gerade gar keine Rolle spielen und Essentials das Relevante sind. Also ich hätte mich da, wenn ich ein Buchversender gewesen wäre, extrem dagegen positioniert und diese Chance genutzt. Das ist für mich zum Beispiel eine Kategorie. Buch kann man jetzt auch sagen, okay, das geht ja Richtung E-Book oder auch nicht, je nachdem. Aber es gibt einfach bestimmte Kategorien, für die Amazon einfach mal stand, die nicht mehr so relevant sind und wo man einfach jetzt Chancen hätte, da wieder Fuß zu fassen.

Joel Kaczmarek: Kurzer Satz noch, was sagt ihr in Richtung Medienunternehmen? Also da tut sich ja einiges. Ist das was, was ihr irgendwie auf der Uhr habt?

Jochen Krisch: Ja, für Amazon definitiv schon. Also ich glaube, für die ist das auch ein dankbares, leichtes Geschäft und da kann man alle möglichen schönen Geschäftsmodelle machen. Da muss man nicht extra Waren verschicken und das machen. Und ich glaube gerade jetzt, was sie mit Alexa noch vorantreiben, mit den ganzen Geräten, die sie bringen, das sehe ich als ein Zukunftsfeld für Amazon. Das muss den Handel aber nicht entschädigen.

Alexander Graf: Ich finde es spannend bei diesem Zukunftsfeld, dass sie da keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen haben. Also es sind Disney+, Netflix und viele andere, die da mitspielen, die sich da auch teilweise viel einfacher tun, weil sie bessere Algorithmen haben, um irgendwie Content an die User zu bekommen. Squid Game ist ja das beste Beispiel gerade in der Netflix-Welt. Da tut sich Amazon schon sehr schwer und das erinnert mich so ein bisschen an sozusagen frühe Diskussionen, die es wahrscheinlich bei Quelle gab, um Amazon zu schlagen. ja, wie können wir das irgendwie machen? Denken, sitzen jetzt quasi bei Amazon irgendwelche Manager und sagen, wie können wir jetzt in dieses Media-Ding rein? Der Hintergrund ist ja klar, mehr Airtime zum Kunden, ja, sozusagen mehrzeitig verkaufen kann, bessere Kontrolle über die Devices, bla bla bla bla bla. Aber es ist teilweise doch sehr ungeschickt. Ich meine, hast du mal probiert, Bundesliga und Champions League in der Amazon-App zu gucken? Das ist erbärmlich, wie das dort integriert ist. Da muss man sich so durch fünf Sachen durchklicken, dann reißt der Stream manchmal ab und wenn du da quasi einen Pure-Player siehst, da ist ja der Wettbewerber The Zone, ja, das ist Deutlich, deutlich, deutlich besser. Das finde ich ganz interessant gerade spieltheoretisch.

Jochen Krisch: Aber wir müssen auch nicht, wie gesagt, nicht um die Zukunft von Amazon Sorgen machen. Also würde ich überhaupt nicht totschreiben und Amazon sehe ich in fünf Jahren stark, in zehn Jahren stark. Aber die Frage ist, ist es stark für den Handel und gibt es Alternativen dazu? Und so würde ich das sehen, aber das geht nicht darum, jetzt Amazon in irgendeiner Form abzuschreiben.

Alexander Graf: Aber auch kein Mitleid?

Jochen Krisch: Nein, eben auch kein Mitleid, also realistische Betrachtung, so knallharte Analyse halt, so wie es unsere Aufgabe ist.

Joel Kaczmarek: Damit sind wir ja mitten in unserem Fazit. Also, ich nehme heute mit, wird ein starker Player bleiben, hat aber an Strahlkraft, was quasi die Innovationsstärke, den Bewunderungsfaktor angeht, so viel hat Alex schon gesagt, sie sind kein Vorbild mehr, haben sie eingebüßt, gibt quasi Angriffsflächen im Bereich Vertikalisierung, Spezialisierung, Mobile. und es ist spannend mal zu gucken, was tut sich so aus den Alternativgeschäften, sei es jetzt AWS, Prime oder eben auch die Medien- und Werbegeschichten. Hab ich noch was vergessen?

Jochen Krisch: Perfekt zusammengefasst.

Joel Kaczmarek: Hier schütteln sich zwei Köpfe. Dann bin ich mal gespannt. Das Thema wird uns ja weiter begleiten. Von daher, das Thema Amazon wird uns sicherlich nicht ausgehen. Aber für den Moment soll es das gewesen sein. Und ich danke euch beiden.

Alexander Graf: Schönen Tag. Vielen Dank.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.