Johannes Oerding – Kunst kennt keine Demokratie
3. Februar 2021, mit Joel Kaczmarek, Sebastian Krumbiegel
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Joel Kaczmarek: Kunst trifft digital. Der Podcast. Hier erfahrt ihr jede Menge über Kunst in Zeiten der Digitalisierung und das hautnah von ganz fantastischen Künstlerinnen und Künstlern. So, wollen wir hier nicht mal gleich ein bisschen Musik auflegen?
Sebastian Krumbiegel: Was möchten Sie hören?
Joel Kaczmarek: Was wild Verliebtes. Meine Damen und Herren, heute haben wir einen der tollsten deutschen Popsänger und Songwriter da. Er ist im schönen Münster geboren, hat mehr goldene Schallplatten als ich schuhe. Platinplatten nennt er auch sein Eigen. Er war bei Sing mein Song mit dabei, schrieb bereits Lieder für Peter Maffay und war auch Vorband von ganz, im Vorprogramm muss man sagen, von ganz tollen Künstlern wie Simply Red, Ich und Ich, Joe Cocker. Also er ist quasi aus der deutschen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Und man wird überraschend oft darauf angesprochen, ach ist das nicht der Freund von Ina Müller? Ja, ist er, der liebe Johannes Oerding. Hallo Johannes.
Johannes Oerding: Hallo, danke für die Einladung. Das geht ja runter wie Öl.
Sebastian Krumbiegel: Moin.
Joel Kaczmarek: Ja, erstmal nett warm machen und dann kommen die Brecher, ne? So läuft's.
Sebastian Krumbiegel: So sieht's aus. Immer.
Joel Kaczmarek: Ja, aber ist lustig. Ich hab echt ganz oft zu hören gekriegt, ach, der ist doch mit der Ina Müller zusammen, ne? Die haben doch zwei Wohnungen in Hamburg. Da sag ich so, ja, glaub ich ja. Ich misch mich in sein Privatleben nicht ein, aber ich glaub schon.
Johannes Oerding: Ja, aber das ist, es scheint auf jeden Fall eine Bauchbinde mal gewesen zu sein bei mir im Fernsehen. Ich erinnere das noch, da war ich mal irgendwo in einem Frühstücksfernsehen, da stand Johannes Oerding, Freund von Ina Müller, unten drunter. Das war ja auch stark.
Sebastian Krumbiegel: Das ist aber auch nervig, oder? Am Ende kannst du sagen, Ina Müller, Freundin von Johannes Oerding.
Joel Kaczmarek: Egal wie rum mans dreht, Frau von, Mann von, ist immer ein Arschnummer, irgendwie so ein Arschetikett. Also, gern geschehen, lieber Johannes.
Johannes Oerding: Dankeschön, aber es ist ein guter Einstieg, finde ich super.
Sebastian Krumbiegel: Ich habe mich echt auf dich gefreut, weil wir sind uns ab und zu mal begegnet, aber haben noch nie richtig Zeit gehabt, länger miteinander zu reden. Und das Schöne an diesem Format ist ja, wir haben die Zeit jetzt. Wir ticken ähnlich und ich freue mich, dass du hier bist.
Johannes Oerding: Ich bin auch immer großer Fan, nicht nur von der Musik, sondern auch von dem, was du in den letzten Jahren immer so gesagt hast. Das wollte ich dir auch nochmal persönlich mit aufmerksam machen. Was du, wofür du dich hinstellst, einstehst und so. Das ist ja nicht ohne. Ich weiß ja, wie das ist.
Sebastian Krumbiegel: Man wird ja eher dafür beschimpft als gelobt. Also das ist ja leider irgendwie dann immer das Ding. Und wir haben vorhin, wir sind ja hier gerade in unseren Atlantic Sessions in Hamburg gestartet. haben vor dir als erste Session Anja Reschke gehabt und haben mit ihr sehr viel genau darüber gesprochen. Wie gehen wir mit diesem ganzen Wahnsinn um? Wie gehen wir mit diesen Zeiten um? Positionieren ist, glaube ich, schon wichtig. Man muss das jedem selbst überlassen, ob man es wirklich macht. Aber ich bin der Meinung, man sollte es echt tun. Das nervt einige Leute, aber man muss irgendwie schon da, glaube ich, wach sein.
Johannes Oerding: Bin ich bei dir.
Joel Kaczmarek: Für mich war Augenöffnung, die hat irgendwie von 90, 9, 1 erzählt, das kannte ich gar nicht. Ich glaube, wenn man so Shitstorms sammelt, wie andere Briefmarken, dann kennt man das vielleicht, aber so nach dem Motto, 90 Prozent hören nur zu der Nutzer, 9 Prozent teilen Liken, also das ist sozusagen Verbreitungsmaß und 1 Prozent produziert nur, wenn sozusagen das, was du gerade beschrieben hast, einsetzt. Und lustigerweise habe ich dann genau zugehört und irgendwann hat Anja auch gesagt, ja, bei Twitter diskutiere ich auch nicht so viel, weil ich kriege dann so viel ab, also man gehört ganz schnell zu den 90 Prozent, glaube ich. Wie ist das bei dir? Machst du oft politische Statements? Kriegst du da oft Gegenwind für deine Arbeit auch?
Johannes Oerding: Ich positioniere mich schon sehr, sehr klar in den letzten Jahren. Das hat auch damit zu tun, dass ich einfach selber als Privatmensch viel, viel mehr in den letzten Jahren politisch interessierter geworden bin und auch mir meiner Rolle bewusst bin, Reichweite, Verantwortung etc. als Künstler der Öffentlichkeit. Und ja, du findest bei mir sehr, sehr viele Statements oder auch Anregungen, Nadelstiche zum Debattieren, aber ich gebe auch Kunde, Wenn ich auf einer Demo bin oder wenn ich mich für etwas einsetze. Auf der Bühne ist es tatsächlich auch mehr geworden, aber auch da versuche ich es nicht zu inflationär zu machen. Denn ich habe das Gefühl, dass wenn man dann ein politisches Statement auf der Bühne macht, dann wirkt eins oder zwei wirken mehr, als wenn man das YouTube-mäßig so 15 Mal am Abend macht. Weil dann läuft dann, ach da kommt schon wieder ein Filmchen, ah ja gut, dann gehe ich mal auf Klo so.
Sebastian Krumbiegel: Das ist ja das, was oft vorgeworfen wird, wo ich auch Angst vor habe sozusagen, so dann eben vor dem Bono-Effekt sozusagen.
Johannes Oerding: Ja, ich glaube, wenn man es richtig dosiert, dann ist die Wirkung einfach auch größer, als wenn es zu oft passiert. Und ich bin genau wie du da der Meinung, dass das einfach auch eine wichtige Verantwortung ist von Menschen, die ein Mikro in der Hand haben und Leute erreichen, mit der hoffentlich richtigen Haltung.
Joel Kaczmarek: Was sind denn die Themen, die dich bewegen? Also beim Kollegen Krumbiegel habe ich immer so ein bisschen den Eindruck, dass irgendwie Rechtsradikalität ihn bewegt. Ich habe es noch nicht ganz verifiziert, aber ich glaube schon. Was ist bei dir? Geht es da um Toleranz? Geht es irgendwie um Gendergleichberechtigung? Also was sind so die Themen, die dich triggern?
Johannes Oerding: Es sind schon auch mehr die Themen, die uns gerade alle um die Ohren fliegen. Also dann doch Rassismus, Faschismus, im Großen und Ganzen Fremdenfeindlichkeit oder Minderheitenbashing.
Sebastian Krumbiegel: Seenotrettung.
Johannes Oerding: Ja, auch die Flüchtlingsdebatte und die dazugehörigen Entscheidungen und die vernünftig zu diskutieren und nicht leicht zu sagen, danke Merkel. Das sind schon Sachen, das sind glaube ich die Themen unserer Zeit und unserer Generation. Und klar bin ich auch jemand, der sich für den Klimawandel interessiert und auch hoffentlich hier und da die richtigen Entscheidungen trifft. Aber es ist glaube ich eher das Zwischenmenschliche im Moment noch bei mir.
Sebastian Krumbiegel: Es gibt ja so viele. Also man muss ja auch aufpassen, sich nicht beliebig zu machen. Und irgendwie, es geht um irgendwas, da sage ich jetzt auch mal was Schlaues dazu. Das ist wirklich schwierig. Und natürlich versuche ich mich auch zu fokussieren auf verschiedene Themen. Andererseits, wenn ich irgendwas höre, ich habe gestern gelesen, dass irgendwie, wo war das? Irgendwie sind 300 Elefanten verendet. Was daran liegt, dass sie irgendwelches Wasser getrunken haben, das vergiftet war. und das Wasser war deswegen vergiftet, weil der Klimawandel die Temperaturen so in die Höhe treibt, dass irgendwelche Bakterien entstehen und da krepieren eben dann auf einmal 300 Elefanten. Und da denkst du doch auch, dass du jedem Klimawandel-Leugner das einfach mal um die Ohren klatschen solltest, so eine Meldung, dass das wirklich, was hier gerade abgeht…. Und am Ende ist das ja das Essenziellste, was wir haben. Wir haben diesen, um es mal ganz leidungsvoll zu sagen, wir haben diesen einen Planeten nur. Und wir sollten uns darum kümmern, dass dieser Planet lebendig bleibt und dass wir den nicht kaputt machen. Wir machen ihn die ganze Zeit schon kaputt. Und ich bin jetzt nicht an allererster Front der Klimawandel-Fighter, aber ich bin natürlich irgendwie Promoter von Fridays for Future oder von Bewegungen, die eben gerade von der jungen Generation kommen. Und wenn dann irgendwelche Politiker sagen, die sollen das mal lieber Profis überlassen, dann sage ich, hey, nee. Komm, wenn ihr es nicht hinkriegt, dann müssen sich eben andere Leute drum kümmern.
Johannes Oerding: Na ja, und ich glaube, Voraussetzungen für diese ganzen großen globalen Probleme sind halt eben, dass wir uns alle an den Tisch setzen. Und du kriegst die Leute ja auch nur an den Tisch, wenn sie sich einigermaßen verstehen und vernünftig diskutieren. Deshalb ist mein Ansatz oft der, wir müssen erstmal jetzt wirklich untereinander wieder miteinander vernünftig reden und nicht einfach immer nur Anti und da ist links, da ist rechts, da ist laut, da ist leise, da ist schwarz, da ist weiß. Weil alles basiert darauf, dass wir uns überhaupt erstmal hinsetzen und sagen, jeder hat das Recht, jetzt irgendwas zu sagen. Ja.
Joel Kaczmarek: Ich finde aber auch, die Welt ist so komplex geworden. Das macht es ja manchmal auch so schwierig. Also selbst wenn du jetzt sagst, ich fliege nicht mehr, du musst so viele Sachen durchdenken oder wenn du sagst, ich will irgendwie weniger Verpackungsmüll. Also an irgendeiner Stelle hat man gefühlt immer die Rechnung.
Johannes Oerding: Aber du denkst drüber nach. Das ist ja schon mal gut und.
Sebastian Krumbiegel: Und wir reden drüber.
Johannes Oerding: Und ich habe auch das Gefühl, dass jede Entscheidung irgendwie immer auch was nach sich zieht, was für andere Menschen wieder doof ist.
Sebastian Krumbiegel: Außerdem wachsen wir auch selbst mit dem, was wir erleben. Und natürlich haben wir, was Rassismus betrifft oder was von mir aus auch was Vegetarier betrifft, wir haben da vor zehn Jahren noch anders drüber geredet, als wir heute drüber reden. Und wenn wir heute Was weiß ich, wenn ich irgendwo höre, dass irgendjemand, den ich geil finde, dass der sagt, hey, ich habe jetzt übrigens auch angefangen, irgendwie kein Fleisch mehr zu essen oder weniger Fleisch zu essen, dann fange ich auch an, darüber nachzudenken. Und jetzt natürlich auch wegen der globalen Situation, aber auch wegen meiner eigenen Gesundheit. Wenn mir jemand sagt, ich habe gerade einen Burger gegessen, der war so geil und habe danach erfahren, es war ein Veggie-Burger, boah, dann sage ich doch, hey, dann probiere ich doch mal einen Veggie-Burger aus jetzt.
Johannes Oerding: Ist mir übrigens auch passiert. Vor zwei Tagen haben wir gegrillt und da hat jemand, also hat unser Koch da auch die so Veggie-Würstchen gemacht und ich habe da eine Wurst nach der anderen gegessen und habe gesagt, schmeckt mir heute besonders gut. Und das waren halt alles Veggie-Würstchen. Das ist schon geil. Und seitdem sehe ich so, warum soll ich jetzt, also ja, schmeckt mir sogar wirklich besser. Ja, naja.
Joel Kaczmarek: Mich nervt ja daran immer nur so ein bisschen, dass ich denke, es muss doch gar nicht Wurst dann heißen. Also ich habe immer so das Gefühl, man will es eigentlich nicht und versucht dann so ein Substitut zu finden, was wieder so heißt. Ich sehe im Bioladen immer Lachs.
Johannes Oerding: Da müssen wir mal ruhig anfangen, da müssen wir mal ganz langsam anfangen. Kannst die Leute auch nicht überfordern. Stimmt, genau.
Sebastian Krumbiegel: Ist doch deine Wurst.
Joel Kaczmarek: Ich muss nur schmunzeln, wenn ich mal in den Bioladen gehe, wo ich gefühlt jeden Tag einkaufen gehe, dann sehe ich immer Räucherlachs aus Möhrenschnitzeln oder so. Möhrenlachs. Aber jetzt bin ich aber neugierig, was habt ihr denn, wollt ihr es mal sagen, kann natürlich eine Anschleißerfrage sein, was sind so drei Sachen, die ihr in eurem Leben geändert habt, um irgendwie besser für Gesellschaft und Umwelt zu sein, verträglicher, gibt es da Dinge?
Sebastian Krumbiegel: Also ich wüsste sofort was zu sagen, aber ich lasse unserem Gast den Vortritt.
Johannes Oerding: Also was wir schon, wir versuchen tatsächlich unsere Klimabilanz so ein bisschen auszugleichen, wenn wir auf Tour gehen, also das war jetzt auch für die Tour, die wir hätten spielen sollen, die ja leider abgesagt wurde, da haben wir uns vorher Gedanken gemacht, wie können wir denn, relativ klimaneutral reisen oder aber zumindest durch sich, wenn du so willst, in Anführungsstrichen freikaufen, indem man halt wirklich den CO2-Ausstoß, den man verursacht, ausrechnen lässt und dann eben dafür bezahlt an klimaschützende Maßnahmen. Das ist also jetzt ein neues Tool, was man ja überall machen kann. Das machen auch viele Firmen mittlerweile, dass sie gucken, was macht meine Belegschaft, wie oft muss die fliegen. Es geht leider nicht anders, sie müssen fliegen und so weiter und so fort. Aber kann ich was dafür tun, dass zumindest mehr oder weniger Plus Minus Null rauskommt?
Sebastian Krumbiegel: Dass du nicht nur laberst, sondern dass du es machst.
Johannes Oerding: Genau, sowas natürlich im privaten Zuhause. Ich war früher derjenige, der konnte den ganzen Tag den Wasserhahn laufen lassen und das Licht anlassen. Das sind so Kleinigkeiten. Du hast gesagt, Verpackungsmüll, da achte ich extremst drauf. Nicht mehr, dass jedes Teil eingepackt ist. Am besten noch zwei Tüten vom Rewe mitnehmen und wieder zu Hause im Müllschweiß. Das sind so die Kleinigkeiten.
Sebastian Krumbiegel: Es sind vor allem alles Sachen, die uns mittlerweile schon normal vorkommen. Ja, die uns eben vor fünf oder vor zehn Jahren noch nicht normal vorgekommen wären. Also ich denke ja immer, dass alles auch in irgendeiner Weise natürlich mit Sprache losgeht. Wie redest du über irgendwas? Also wir haben vor zehn, 20 Jahren andere Worte gebraucht, die wir heute nicht mehr gebrauchen. Ich habe damals zum Schaumkuss noch was anderes gesagt. Und das sage ich heute nicht mehr. Das geht mir einfach nicht mehr über die Lippen, weil ich weiß, dass es ein rassistisches Scheißwort ist und dass sich da Leute beleidigt fühlen, wenn man dieses Wort sagt. Es ist alles immer sehr schwierig, natürlich auch, auch was Gendern betrifft. Es ist total schwierig. Man muss da auch aufpassen, dass man nicht päpstlicher als der Papst ist. Aber wie gesagt, wir reden drüber, wir machen uns darüber Gedanken, wir tauschen uns aus und ich versuche es auch zu tun. Ich denke manchmal auch, ist das anstrengend, es ist auch manchmal echt nervig und es ist nicht auch too much und was weiß ich was. Aber ich denke drüber nach.
Joel Kaczmarek: Ich hatte mit meiner Frau noch die Debatte, da habe ich aus Versehen Mohrenkopf gesagt, statt Niko Gustav und er auch nicht, nein, das darf man jetzt nicht mehr sein, das musst du Dickmann sagen. Da bin ich so, nee, darf ich ja auch nicht, das muss ja eigentlich nur noch die Dickfrau sein und Dick ist auch doof und so, naja.
Johannes Oerding: Ja, also, aber auch um das gleich nochmal vorwegzunehmen, du hast auch gesagt, man kann auch nicht alles richtig machen, also ich bin dann auch, ich habe auch Doppelmoral in mir, ich war auch…. Dann doch gerne auch ein großes, schnelles Auto so irgendwie und denk mir auch so, ach, auch mega unnötig und auf der anderen Seite läufst du bei Fridays for Aber das sind so Sachen, die lernen wir ja gerade, wie du schon sagst, die lernen wir gerade so alle irgendwie einigermaßen ins Gleichgewicht zu bringen, sodass jeder irgendwie seinen Teil dazu beiträgt oder aber eben
Joel Kaczmarek: Auch nicht. Also vielleicht langweilt es die Hörerinnen und Hörer, aber ich glaube nicht. Ich glaube, es ist wichtig. Ich kann mir noch mal ein, zwei Sätze sagen. Also ich zum Beispiel, um auch was beizusteuern, ich bin mal ins Blockhaus gegangen, hab für mein Steak, hab so lauter Tupperdosen mitgebracht, wo man sich echt assig vorkommt. Das ist echt so. Die fanden das total geil. Der ganze Land, die sind der Erste, der so ein Steak hier mit so, das war noch mal Piano-Tupperdosen. irgendwie mit Tupperdosen mitnehmen. Wie geil ist das denn? Und Müll und so. Weil wenn man da hingeht, das ist unfassbar. Oder so Duschgel habe ich abgeschafft, nur Seife. Deswegen, was machen wir bei dir? Weil du meintest, du wüsstest sofort, was du sagst, lässt aber dem Gast den Vortritt. Was ist so? das Erste, was bei dir war?
Sebastian Krumbiegel: Alles, was er gesagt hat. Also natürlich irgendwie Müll trennen, irgendwie alle möglichen Sachen, die wie gesagt normal sind. Und ich kann genauso, Johannes, was du eben gesagt hast, Auto fahren. Also ich muss Auto fahren. Ich kann, also wenn ich auf Lesungen fahre, ich habe irgendwie einen Haufen Bücher dabei, ich habe einen Haufen Zeug dabei. Ich kann mich nicht in Zug setzen, außerdem bin ich teilweise in irgendwelchen Nestern, wo du irgendwie, und will mich da auch gar nicht für entschuldigen müssen. Ich muss nur eben dann wissen, dass ich mir eben nicht irgendwie den Oberspritfresser kaufe, sondern dass ich versuche eben einigermaßen cool damit umzugehen. Klar, ey, alles immer auch sehr schwierig und alles, was weiß ich, Fleisch essen ja oder nein. Ich versuche es zu beschränken, ich versuche es irgendwie weniger zu machen. Ich glaube, anfangen ist immer besser als nicht anfangen.
Joel Kaczmarek: Liebes BMW, liebes Tesla, wenn ihr zuhört, wir nehmen i3s gerne als Werbegelder für den Kollegen Chrombiege, wir nehmen auch tolle Elektroautos sonstiger Natur, also herzlich willkommen.
Johannes Oerding: Bin ich auch dabei.
Joel Kaczmarek: Dreimal bitte zum Mitnehmen. Es sei an dieser Stelle auch übrigens mal herzlich Franziska Weiß erwähnt, die mich immer zu Hause im Büro auch animiert, ich solle doch bitte schön Taschen mitnehmen, keine Tüten. Immerhin nehme ich die Tüten jetzt schon 5, 6, 7 Mal, anstatt sie gleich wieder wegzuschmeißen. Aber gut, wir reden jetzt ganz viel über ganz andere Dinge. Lieber Johann, es geht ja eigentlich um deine Kunst auch. Wie bist du denn zu deinem, also vor allem, was begreifst du als deine Kunst? Das erste, weil du schreibst ja selber für dich, aber auch für andere. Hast du, ist vielleicht so ein Kontinuum, geht wahrscheinlich ineinander über, aber was ist so deine Kunst, die dich beschäftigt?
Johannes Oerding: Ich glaube, es ist schon das Erschaffen von, ich sag mal, Gedichten und die dann wirklich in so ein musikalisches Korsett zu bringen.
Sebastian Krumbiegel: Immer so rum. Als Frage?
Johannes Oerding: Mittlerweile. Zuerst immer der Text da? Nee, nicht immer. Also früher war es sogar komplett andersrum. Da habe ich erst Musik gemacht und gesagt, ach, ich brauche noch einen Text. Aber das ist jetzt so 20 Jahre her, sage ich mal. Und das hat sich wirklich mit der Zeit gewandelt. Ich hatte auch das Gefühl, dass es daran liegt, dass gerade im deutschen Pop die Texte immer wichtiger wurden. Und das, was du sagst, da hast du gar keine Chance mehr, bla bla zu machen oder hier noch einen Relativsatz und da noch habe ich schon mal gesagt. Und deshalb ist es mittlerweile so, dass ich erst das Thema habe oder auch womöglich die ersten Zeilen oder eine Refrain gar und von da aus breche ich das so runter. und mit dem Schreiben kommt dann eigentlich schon, ist das Abtempo, ist das eine langsame Nummer, ist die traurig, ist die Moll, ist die Dur. und das gibt mir das Thema so mittlerweile eher vor tatsächlich. Und ich glaube, dass wir das können und dann irgendwie so zusammenbringen und dann noch das so zu singen und zu spielen auf der Bühne, das Ganze ist meine Kunstform. Deshalb ja auch dieses Singer, Songwriter oder Sänger und Songschreiber. So als, sag ich mal, komplettes Bild eines Musikers.
Sebastian Krumbiegel: Ich weiß nicht, ob du das schon oft gefragt worden bist, aber du schreibst ja auch für andere Leute. Also bewusst, was ich übrigens so gut wie gar nicht mache, weil ich bin da totaler Egomane und sage, ich will meinen Scheiß selbst singen. Machst du da einen Unterschied im Schreiben? Also weißt du vorher, wenn ein Lied entsteht, ob das für dich ist oder ob das für jemand anderen ist? Oder schreibst du sogar Leuten, die dich fragen, schreib mir mal ein Lied, schreibst du denen das auf den Leib?
Johannes Oerding: Nee, gut, dass du es aber sagst. Es hält sich, kannst du wirklich an einer Hand abzählen für die Menschen, für die ich geschrieben habe. Und in der Regel sind das Menschen, die entweder in einer ganz anderen Lebensphase sind als ich oder viel älter oder was komplett anderes. Beispiel Peter Maffay. Weil ich bin eigentlich so wie du, dass ich eigentlich jedes Mal denke, Geil. Nee, das möchte ich selber machen. Das mache ich selber, wenn ich sowas schreibe. Und das kam jetzt auch erst mit den letzten zwei, drei Jahren, sage ich mal, dass man sich darauf eingelassen hat, ich höre mir mal zu, was Peter zum Beispiel erzählt. Und dann sind wir spazieren gegangen und haben zusammen Zeit verbracht. Und bei Peter ist es ja so, da ist ja fast jeder Satz, den er erzählt, ist ja schon ein Songtitel. Das fiel mir dann total einfach, weil das auch andere Themen waren, die sich gar nicht mit meiner Lebenssituation beschäftigt haben. Und ansonsten Mache ich es nämlich auch nicht. Habe ich gar nicht so richtig die Muße dazu, weil ich denke, nee, ich bin ja mit meinem Kram selber manchmal so gestresst, will ich fast sagen, weil manchmal will man ja was schreiben und dann fällt einem nicht das Richtige und dann sitzt du lange da, manchmal sogar Jahre an so einem Text. Guck mal, ich habe hier richtig Freude, Versprecher, Pluswort, Findungsstörung.
Sebastian Krumbiegel: Du sitzt jahrelang an dem Sex rum, das nervt.
Johannes Oerding: Genau, und irgendwann ist dann die Nummer fertig. Ja. Nicht schlecht.
Joel Kaczmarek: Wird nicht besser bei dir hier. Ja, aber ich meine, es ist ja auch schwer, die Leute stehen ja auch für was. Also wenn ich mir jetzt so überlege, nimm dir irgendeinen bekannten Künstler, weiß ich, Andreas Burani, Herbert Grönemeyer, Maffay, da hast du ja so eine Art, wie die sprechen, was sie sagen, Wortwahl, Haltung, Tonalität. Ich stelle mir das unfassbar schwer vor, für jemand Fremdes, weil es ja auch so etwas Persönliches, Intimes ist, seine Gedanken in ein Gedicht zu.
Sebastian Krumbiegel: Ja, Johannes, schreib mal einen Song für mich.
Johannes Oerding: Fällt mir aber wirklich leichter, ehrlich gesagt, weil gerade bei jemandem, bei Udo wüsste ich ganz genau, in welcher Wortwelt der sich aufhält, weil dafür habe ich den zu viele Jahre studiert und auch gehört und die Musik verinnerlicht, dass ich genau weiß, wenn ich schreiben würde, ich gehe heute zum Bahnhof und treffe da ein paar meiner Freunde, dann musst du Freunde bei Udo ersetzen durch Komplizen oder als Beispiel, das war jetzt sehr plakativ, oder als Geheimrat, oder? Ja. Und das ist halt auch schön, bei Maffa ist es ähnlich. Maffa hat auch eine Wortwelt und auch eine Art und Weise, wie er eine Melodie singt. Das hat mir eher geholfen, ehrlich gesagt.
Joel Kaczmarek: Hilf mir mal übrigens, du bist ja auch als Geheimrat. Was hat es mit diesem Begriff auf sich? Das steht doch in deinem Buch drin, aber ich bin noch nicht dahin vorgedrungen.
Sebastian Krumbiegel: Udo hat mir vor ganz, ganz, ganz vielen Jahren mal ein Schild geschenkt, Club Geheimrat. Und er hatte mal ein Haus, wo alle Zimmer benannt waren. Da gab es irgendwie den, was weiß ich, Club Amore war das Schlafzimmer und Club Geheimrat war eben dann das Herren-Zigarrenzimmer irgendwie, ja. Und der hat mir das Schild geschenkt damals. Das freie Eintritt jetzt. Naja, Udo hat ja wirklich überall, nicht nur in Deutschland, der hat ja weltweit überall seine Geheimräte, die ihm sozusagen helfen, die ihn unterstützen, die Sympathisanten sind, die im Udoversum sich bewegen. Und das ist ja schon geil. Und wenn man einer von denen ist, ist das schon irgendwie cool. Wir haben uns vorhin kurz getroffen und hatten uns lange nicht gesehen. Ja, wir konnten uns nicht um den Hals fallen wegen Corona, aber wir haben uns zack, zack, zack in die Augen geguckt und es war klar, hey, wir mögen uns.
Joel Kaczmarek: Udoversum, Geheimrat, lustig.
Sebastian Krumbiegel: Udonote.
Johannes Oerding: Da gibt es so, müsste man eigentlich mal so eine eigene Vokabel.
Sebastian Krumbiegel: Er hat ja eine eigene Sprache erfunden. Und er ist ja eigentlich, wenn wir jetzt darüber reden, er ist ja schon der Wegbereiter deutschsprachiger Popmusik, also deutschsprachiger cooler Popmusik. Es gab ja vorher auch
Johannes Oerding: Prosa, auch viel Prosa dabei und Straßen und auch Umgangssprache, das hat er schon vorgelegt.
Joel Kaczmarek: Was hat dich sonst da hingebracht, sowas zu tun? Also du kommst aus Münster und ich kenne das so ein bisschen, ich habe viele Unternehmerfreunde aus Münster lustigerweise, das ist eine ganz verschworene Clique eigentlich. Also gefühlt ist es so eine Region in Deutschland, wo man eigentlich bleibt und so enge Netze baut und so.
Sebastian Krumbiegel: Die H-Blocks kamen auch aus Münster, oder?
Johannes Oerding: Ja, genau. Es gibt einige Leute, die aus dem Großraum kommen. Udo kommt ja auch aus Gronau, ist auch nicht weit weg. Ich muss dazu sagen, ich bin nur in Münster geboren. Wenn man so will, wurde ich für die Geburt da hingefahren. Und dann bin ich gleich wieder an die Niederrhein, an die holländische Grenze, weil ich da aufgewachsen bin. Und nichtsdestotrotz, meine Familie kommt aus Münster. Ich habe viele Geschwister, die dort studiert haben und so. Und ich liebe diese Stadt nicht zuletzt, weil Münster und Hamburg, eigentlich meine beiden Lieblingsstädte, wirklich den geringsten Anteil an AfD haben. Und da bin ich stolz drauf.
Sebastian Krumbiegel: Kann ich, der aus dem Osten kommt, nicht mitreden.
Joel Kaczmarek: Leider traurig, aber wahr.
Sebastian Krumbiegel: Obwohl Leipzig da übrigens auch eine kleine Insel ist.
Joel Kaczmarek: Ich wollte gerade sagen, es ist ein bisschen enklavisch.
Johannes Oerding: Ich finde es einfach gut, man merkt einfach, das sind junge Städte, weltoffene Städte. Da herrscht eine große Fluktuation an Menschen, die rein und raus kommen. Hier in Hamburg sowieso mit durch den Hafen bedingt, schon historisch bedingt alleine und auch durch die Touristen. Aber Münster eben auch, war immer eine sehr junge Stadt, sehr innovativ, auch weil da eine große Universitätsgelände sind. Das spürst du dann in so einer Stadt, dass die liberal sind.
Sebastian Krumbiegel: In Leipzig war es die Messe. Also auch zu Ostzeiten, dass zweimal im Jahr die Stadt auf einmal bunt war.
Johannes Oerding: Leipzig auch großartig.
Sebastian Krumbiegel: Leipzig ist für mich wirklich, also ich wohne in Leipzig, aber ich wüsste nicht, also Hamburg ist natürlich auch eine Option, Hamburg ist immer eine Option, aber ich wüsste nicht, wo es mich sonst hinziehen würde.
Joel Kaczmarek: Es gibt eine supergeile Songzeile, ich habe das Lied sehr spät entdeckt, manchmal gehen Sachen so völlig an mir vorbei. Ich glaube, der Musiker, die Band heißt Endlich August, kann das sein, über Berlin. Und da gibt es eine Songzeile, die geht so sinngemäß, auch wenn du nicht aus Deutschland stammst, kannst du trotzdem echt Berliner sein. Und bei uns ist es halt echt so. Also das ist ja, man sagt immer so, ja, nach zehn Jahren, dann bist du nicht mehr zugezogen, sondern bist du Berliner. Aber für uns ist das irgendwie gefühlt, also ich nehme es gar nicht wahr, ob jemand welche Hautfarbe jemand hat oder, das ist ja Stadtbild, so von deinem.
Johannes Oerding: Das ist das Schöne an Großstädten natürlich schon auch, weil das einfach zum Stadtbild dazugehört und gehören muss auch, wie ich finde. Da ist es wahrscheinlich auf dem Dorf irgendwo weit draußen ein bisschen schwieriger, wenn ich da an meine Heimat, an mein Dorf zurückkehre. Das war dann immer ein Thema, wenn da neue Leute reingekommen haben, egal wer das war. Das war gleich Dorfgespräch und dann mussten die sich, die hatten glaube ich es nicht einfach, sich in diese Dorfgemeinschaft reinzukommen.
Sebastian Krumbiegel: Das Zentrum des Bösen ist der Dorfplatz, singt die Antilopengang, kennst du das?
Johannes Oerding: Ja, ja, ja.
Sebastian Krumbiegel: Großes Lied, echt, finde ich ganz großartig.
Johannes Oerding: Ja, die sprechen auch viel Wahres aus. Ja, ja.
Joel Kaczmarek: Aber wenn du dann nicht im Münsteraner Unternehmerklüngel gelandet bist und auch nicht irgendwie an der Grenze zu Holland in den Cannabis-Handel eingestiegen bist Das weißt du doch gar nicht.
Johannes Oerding: Das weißt du doch gar nicht. Das weißt du doch gar nicht. Also das ist auf jeden Fall schon verjährt, aber tatsächlich, ich habe ja in Holland studiert auch und Holland war bei uns, ich meine, wir hatten zehn Kilometer weiter, war ein anderes Land und da hatten wir auch Freunde und das war so ein geiler Austausch. Wir sind da oft mit dem Fahrrad drüber gefahren, grüne Grenze oder irgendjemand hatte eine Mofa und dann abgeht er. Über dieses Land Holland kann ich nur Gutes sagen.
Joel Kaczmarek: Das ist auch ein total geiles Land. Also ich weiß nicht, warst du mal in Amsterdam?
Sebastian Krumbiegel: Ja klar, auch extrem liberal, also sehr offen und sehr multikulturell.
Joel Kaczmarek: Ja doch, ich finde, du gehst da, der letzte Pennerladen da hat ein Design, das sieht so geil aus, da stinkt das Schickste in Berlin teilweise ab, ja. Also die haben halt irgendwie Geschmack und Offenheit.
Johannes Oerding: Ja, aber außer beim Kochen, finde ich, außer beim Essen ist der Geschmack so ein bisschen fragwürdig, da wird einfach alles frittiert. Ich erinnere mich da an meine Uni Mensa, da gab es, was weiß ich, da gab es Frikandel im Mantelmantel, da gab es Hühnchen im Mantel, da gab es alles immer im frittierten Mantel.
Joel Kaczmarek: Mich nervt immer, dass sie halt auch Gemüse und Obst so fleißig spritzen, in der Tat, aber gut verstanden. Also weltoffen groß geworden. Und wie dann der Weg zur Musik?
Johannes Oerding: Ich glaube, das war meine Art und Weise, mir überhaupt Gehör zu verschaffen. Ich habe vier Geschwister und jeder konnte irgendwas gut. Der eine war schlau, der andere war toller Sportler, die andere war künstlerisch, konnte malen und was weiß ich, basteln und dies und jenes.
Sebastian Krumbiegel: Und Ältere Geschwister, jüngere Geschwister.
Johannes Oerding: Ich bin der Vorjüngste, ich habe noch eine kleine Schwester. Ansonsten sind wir alle zwei ja auseinander. Das heißt auch relativ viel miteinander alle zu tun gehabt. Und da ist es schon so, dass ich das Gefühl habe, ich konnte immer so durch dieses, guck mal, was ich kann. Ich kann singen oder ich kann tanzen oder irgendwie auf der Bühne irgendwas. Das war so mein Ding. Und dementsprechend früh bin ich auch auf jeder Familienfeier aufgetreten. Hab ein Musical nachgespielt, Cats oder Was weiß ich. Und dann fing ich halt auch einmal an, derjenige, der dann immer die Songs schrieb für Oma wird 65. Und dann habe ich ein bekanntes Lied genommen, habe das umgedichtet und in Reimform gebracht und allen verteilt und so. Ich singe mal mit. Und dann konnte ich schon Gitarre spielen, weil ich natürlich bei den Pfadfindern war und am Lagerfeuer da Gitarre spielen gelernt habe. Das war immer einfach meine Rolle und ich merkte sehr schnell, dass das die einzige Rolle ist, die mich eigentlich von morgens bis abends richtig glücklich macht. Das habe ich dann auch in der Schule gemerkt. Da war ich dann auch sehr schnell in diversen Schülerbands und das hat mir die Schule so erleichtert. Bis hin zu über die Universität, das hat mich überhaupt nicht interessiert, aber ich wusste ja, ich mache ja danach Musik oder währenddessen schon. Und es ist bis heute noch so, dass das Erste, was ich morgens mache, meistens eine Gitarre nehmen und ein bisschen rumdaddeln und einen Kaffee trinken. Und das Letzte, was ich mache, ist irgendwie dann doch nochmal Musik hören auf dem Weg nach Hause oder so.
Joel Kaczmarek: Und wie war für dich so das Musikerleben? Also ich lerne ja sukzessive dazu, dass das auch manchmal nicht so einfach ist, dass man dauernd auf diesen Hochs ist, dass man irgendwie sehr geputscht ist. Also was ich ganz interessant fand, ich glaube, wir haben mit Jan Müller darüber geredet. oder irgendjemand, der meinte, ey, ich kann nach einem Auftritt nicht ins Bett gehen, ich schwinge dann unter der Decke, der hört mittlerweile Hörbücher, hat er mir gesagt, aber ich meine, ganz oft ist ja irgendwie wegen Alkoholismus irgendwie ein Thema, da hatten wir mit Dirk Zöllner darüber geredet. Das mal als eine Facette, dann hast du immer dieses sehr schnelllebig, sehr viel irgendwie auch gefallen müssen, sich unter Druck fühlen. Also da kommen ja so viele Komponenten rein in diesen Lifestyle. Was war bei dir da so los?
Johannes Oerding: Ich weiß auch gerade gar nicht, wo ich anfangen soll, weil das ist wirklich so ein komplexer Beruf natürlich auch. oder dieses ganze Drumherum, diese ganze Szene und dieser Feenstaub auch, ne? Ich muss sagen, ich hatte das Glück, dass meine Karriere zwar sehr langsam, aber doch relativ stetig immer bergauf ging. Also ich hatte zwar auch zwischendurch Phasen, wo ich dachte, oh, jetzt muss ich schon wieder warten. Nee, doch nicht geklappt und so weiter. Aber eigentlich konnte man sehen, gerade live auch, ich habe gespielt, es kamen Leute, beim nächsten Mal kam mehr. Es ging immer so weiter bis heute, dass sich das immer erweitert hat. Und das war für mich immer das einzig Relevante, dass ich sage, guck mal, die Leute, die kommen und die erzählen das weiter und kommen mehr. Das heißt, so schlimm kann das nicht sein, was du hier machst. Ja. Ob dann mal eine Platte funktioniert oder dein Song im Radio läuft oder auch du einen Fernsehauftritt zugesagt bekommst oder nicht, das war erstmal zweitrangig. Das habe ich dann auch gemerkt, das kommt mit der Zeit. Wenn dein Marktwert irgendwann so groß ist, dass du so viele Leute ziehst, dann wirst du auch zwangsläufig irgendwann mit dem Album auf der Nummer 1 landen und dann wirst du auch zwangsläufig eingeladen in Talkshows etc. bla bla bla.
Sebastian Krumbiegel: Es gibt ja auch da übrigens unterschiedliche Modelle. Ich weiß noch genau, dass ich mich mit Stefan Stoppock, den ich sehr schätze, als auch als Singer-Songwriter, als ich den damals mal getroffen hatte, als wir gerade ganz groß waren mit den Prinzen. Und wir haben es sofort gut verstanden. Ich hab dann irgendwann, als wir nachts zusammen waren, gesagt, hey Stefan, eigentlich willst du doch auch gern so richtig Popstar sein. Und da hat er gesagt, nö, will ich eigentlich nicht. Und das ist so ein Typ, der so stetig sein Ding macht. Natürlich lebt er davon, natürlich lebt er auch bestimmt auch gut davon und hat einen Fanstamm, aber er war nie irgendwie Nummer 1 und nie irgendwie Popstar und sowas und lehnt das eigentlich auch ab. Und deswegen glaube ich, am Ende geht es darum, brennst du für irgendwas oder nicht. Also machst du irgendwas wirklich gern und kannst du, wie du sagst, also bei mir ist es genauso, ich bin jetzt kein Gitarrist, ich bin Klavierspieler und bei mir, ich habe ganz viele Tassen zum Ende zu Hause, ich spiele jeden Tag. Und ich kann das gar nicht anders. Und wenn mir das fehlen würde, oder wenn ich das nicht machen könnte, das will ich gar nicht so pathetisch sagen, wie die Luft zum Atmen oder so, aber ich brauche es. Ich brauche es und ich will es machen. Und ich würde es auch machen, wenn ich keinen Erfolg hätte.
Johannes Oerding: Ja, das stimmt.
Joel Kaczmarek: Wie ist es bei dir? Ich erinnere mich, ein Freund von mir, den hatten wir auch schon mal im Podcast, den Henner Marmane, der berät Marken dabei, Promis auszuwählen. Der macht so Celebrity-Marketing. Und dann habe ich mich mit ihm irgendwie unterhalten, als wir in seinem Studio waren. Er hat so eine Location, die heißt Studio of Wonders, da kann man fleißig Fotos machen, so eine Art Social-Media-Museum. Also es hat so Kunst-Internationen, in denen man sich fotografieren kann. Und dann hat er zu mir gesagt, meinst du, ja, guck mal hier mit dem Sebastian Krumbiegel, das ist ja auch super. Da bin ich so, wenn ich eine Marke habe, kann ich hingehen, kann sagen, hey, großer Elektronik-Fachmarkt, den kannst du dir mal einladen für irgendwie eine Autogrammstunde, der hat Bock mit den Leuten, Berührung, der liebt das, Publikum, Nähe. Und wenn ich dann aber manchmal so eine Influencerin habe, dann hat er mir so ein paar Beispiele auch genannt. Die finden das teilweise sogar eklig. Die leben eher so für, ich mache gerne Content, ich mache gerne was für meine Community, aber ich will die um Gottes Willen nicht sehen. Wie ist es bei dir? Bist du ein Musiker, der das sozusagen für die Musik macht, für den Gesang, für die Freude an Tönen, Stimme und Erfahrung? Oder für das menschliche Miteinander, auf der Bühne sein, mit Menschen in Kontakt sein, Applaus bekommen?
Johannes Oerding: Auf jeden Fall eher Letzteres, aber das eine kann unter das andere nicht funktionieren, habe ich das Gefühl. Also du musst ja schon auch dein Handwerk beherrschen und auch irgendwie eine besondere Art und Weise haben, um Dinge auch zu besingen. Ich gehe mal davon aus, dass ich ein Talent zum Singen habe, sonst würden die Leute auch nicht kommen und zuhören wollen. Das heißt, dass du brauchst schon auch das Transportmittel. Daran habe ich natürlich mein Leben lang gearbeitet. Ich habe angefangen Klavier und Gitarre und auch alles zu lernen und besser zu werden, um das zu beherrschen. Aber ehrlich gesagt ist es schon auch ein bisschen das Drumherum. dass ich kann mit meinen Jungs im Proberaum, mir macht ja sogar Proben Spaß, weil es einfach geil ist, weil du mit vier, fünf Leuten im Raum bist und dann wird Quatsch gemacht und dann schmeißt du dir die Bälle hin und her und dann kommt am Ende noch Applaus dazu, wenn du rausgehst auf die Bretter und das Ganze drumherum, du hast es gerade gesagt, Diese Party, Rock'n'Roll-Leben und diese ganze Romantik, unterwegs sein, Nightliner im Tourbus, das ist natürlich auch etwas, was uns, glaube ich, auch immer angezogen hat, ist aber auch gleichermaßen wirklich dann auch das Gefährliche, muss ich ganz klar sagen. Also das, wo wir mit zu strugglen haben, sage ich mal, selbst die starken Charakter, ist natürlich die Häufigkeit des Angebots von Party, Alkohol, Drogen etc., Also das hat, glaube ich, würde ich behaupten, ein Normalsterblicher nicht in seinem Leben, in Anführungsstrichen, dass er dann jeden Abend theoretisch irgendwo sitzen kann mit irgendwie super interessanten Menschen und sich da einen auf die Binde geben kann.
Sebastian Krumbiegel: Die dir auch alle einen ausgeben wollen.
Johannes Oerding: Genau, du musst ja auch nirgendwo was bezahlen, du bist ja immer irgendwo, kommst rein, ah hier Gästeliste da, ah hier kannst du an der Schlange vorbei, da haben wir schon Tisch, hier so eine goldene Kordel davor, ist auch ein bisschen unangenehm manchmal, aber Irgendwann geht es dann ja auch gar nicht mehr anders, wenn wir nochmal rausgehen.
Sebastian Krumbiegel: Trotzdem ist mein Lieblingsspruch immer, wenn sowas kommt, also auch diese, ihr habt ja echt einen ganz schön harten Job, also hey, wir machen das total gern und wir, also dieses, oh ey, it's hard to be a popstar, ey echt, wir haben es so schwer. Nee, komm, ey, wirklich nicht. Wir mögen das, was wir tun. Wir müssen vorsichtig sein, natürlich. Und je älter du wirst, desto vorsichtiger musst du sein, dass du mit diesem ganzen Peripherie, mit diesem ganzen Umfeld klarkommst und dass du eben auch weißt, wo deine Grenzen sind. Gestern erzählte mir mein Freund Ole Plogstedt, von dem ich dich grüßen soll übrigens, RGF, Rote Gourmet Fraktion, der sagte irgendwie, ja, früher war es so, du konntest drei Tage feiern und hast einen Tag zur Rekonvaleszenz gebraucht, heute ist es umgekehrt. Und das ist wirklich wahr. Und da muss man einfach wissen, man muss damit umgehen.
Johannes Oerding: Ich glaube, das Schwierige an dem Job ist, oder wenn du dann irgendwann wirklich als Künstler so erfolgreich warst oder in der Öffentlichkeit bist, dass die Leute dich auch beobachten, ist dann eher dieser Psychostress, mit dem du umgehen musst. Das ist das, was mich am meisten beschäftigt eigentlich. Also, dass du beobachtet wirst, dass die Entscheidungen schon auch Tragweiten haben, die du machst, die du tust, dass viele Leute was von dir wollen. dass du dem aber nie so richtig gerecht wirst. Die Leute denken ja auch, du gehörst ihnen an vielen Stellen und das zieht einen auch manchmal runter und das sind so eher die Sachen, mit denen man so strugglen muss. Dennis Rodman hat das mal ganz schön gesagt, ein Basketballspieler, als er gefragt wurde, wie er das denn rechtfertigt, dass er so viel Geld verdient für sein Basketballspielen. und da hat er gesagt, ganz ehrlich, fürs Basketballspielen, da kriege ich kein Geld, das mache ich umsonst, da gehe ich raus, spiele ich umsonst Basketball, da verdiene ich gar nichts mit. Ich werde bezahlt für den ganzen Drumherum, für den ganzen Druck und die ganze Öffentlichkeit, dass ich kein normales Leben habe. Dafür werde ich bezahlt. Und das fand ich irgendwie total einleuchtend. Also auch wenn das natürlich eine ganz andere Welt nochmal ist, eine ganz andere Hausnummer, aber da konnte ich was mit anfangen.
Joel Kaczmarek: Bei uns und bei Unternehmern, wenn die so auf Top-Level sind, dann sagt man immer, ein Drittel ist Gehalt, ein Drittel ist Schweigegeld und ein Drittel ist Schmerzensgeld.
Johannes Oerding: Oh, das finde ich gut.
Sebastian Krumbiegel: Ich finde ja eigentlich viel geiler, also um jetzt wieder nochmal zu Udo Lindenberg zu kommen, der die Vokabel Tourlaub erfunden hat. Also für den sozusagen eine Tour, es ist eben Urlaub. Ich mache das gern, so wie du das vorhin sagtest. Es ist natürlich wirklich so, wir machen das, was wir tun, gern. Und ich muss ganz ehrlich sagen, wenn mich Leute ansprechen und irgendwie Selfie haben wollen oder was weiß ich was, ich versuche immer freundlich zu sein. Ja. Ich schaffe es nicht immer, muss ich auch ehrlich sagen, aber es ist ehrlich selten. Und wenn Leute übergriffig werden, dann sage ich auch, hey, übrigens bitte sagen, ist auch eine ganz coole Vokabeln und so. Also ich glaube, du bist Popstar sozusagen nicht nur auf der Bühne, sondern du bist es auch hinter der Bühne, du bist es neben der Bühne, du bist es vor der Bühne, du bist es immer. Und wenn ich irgendwo hingehe, wenn ich in irgendein Konzert gehe, mein letztes Konzert vor Corona war Deichkind, ich habe das total gefeiert, da war ich Fan. Und das ist geil, wenn du das immer noch kannst.
Johannes Oerding: Und das Gute ist, ich nehme dich jetzt auch mal, wir beide als Beispiel, wenn dann dein Bühnen-Ich, sag ich mal, oder deine Bühnenfigur die gleiche ist wie im Privatleben, dann ist es eigentlich auch einfacher zu handeln. Das heißt, die Leute wissen, so wie ich auf Bühne bin, können mich auch draußen hier in der Kneipe ansprechen, werden wahrscheinlich den gleichen Typen erleben. Ich stelle mir das immer schwierig vor, wenn du eine Kunstfigur hast, die auf der Bühne sehr extrovertiert ist, aber im wahren Leben da gar nichts mit zu tun haben will. Und dann wirklich auch eher zurückhaltend. Das ist, glaube ich, schwieriger, das dann zu handeln.
Joel Kaczmarek: Wie gehst du denn mit der Enttäuschung deiner Anhänger um, die vielleicht aufkommen? Also bei mir ist es zum Beispiel so, ich glaube, ich kriege fast jeden Tag irgendwelche Nachrichten mit, kann ich bei dir in den Podcast sein? Oder noch schlimmer, da werde ich gefragt, was muss man tun, um für deinen Podcast relevant zu sein und als Gast in Frage zu kommen? Und mein normaler Reflex ist, aus Höflichkeit den Leuten zu antworten. Aber wenn du das siebenmal kriegst und dann jedes Mal zu schreiben, was unsere Maßstäbe sind und so weiter und so fort Also lange Rede, kurzer Sinn, mit jeder Anfrage, die ich kriege und die sind bei mir wahrscheinlich im Vergleich zu dir homöopathisch, habe ich das Gefühl, Leute zu enttäuschen.
Johannes Oerding: Gibt es wirklich Menschen, die fragen, wie kommen sie in deinen Podcast rein? Sowas würde mir nicht einfallen. Irgendwie habe ich das Gefühl, also nicht dir gegenüber, weil du
Joel Kaczmarek: Sich so anbiedern meinst du?
Johannes Oerding: Ja, das ist so, das könnte ich nicht. Das kann ich irgendwie nicht. Aber okay, wenn es das gibt, ja, ich habe auch viele, man kriegt viel Post, viel Resonanz, Leute schicken auch Songs, hier kannst du mal reinhören, kann ich mit dir mal einen Song machen und so.
Sebastian Krumbiegel: Das ist immer schwierig. Das ist total schwierig. Ich kann den Leuten immer entschuldigen, dass ich so ne Breche, aber ich krieg das auch, ganz viele CDs oder Links und sag mal, ich kann dir immer nur meine ganz persönliche Meinung dazu sagen und ich sag dir auch ganz ehrlich, also ich versuch da natürlich nicht vernichtend irgendwie was Böses zu sagen, aber ich sag dann eben, du, das ist nicht mein Ding und das ist nicht meine, aber das gefällt bestimmt anderen Leuten und Hauptsache dir gefällt's. Also ich kann, ich bin kein
Joel Kaczmarek: Beantwortest du jedes dieser Schreiben?
Sebastian Krumbiegel: Ich versuche das schon, ja, ich versuche das schon.
Johannes Oerding: Ich kriege das nicht mehr richtig gehandelt. Ich lese alles, ich lese zumindest auch alles quer.
Sebastian Krumbiegel: Also freundliche Sachen beantworte ich, unfreundliche Sachen beantworte ich prinzipiell nicht.
Johannes Oerding: Ist ja auch so durch Social Media einfach so viel geworden. Das ist einfach so, ich habe jeden Tag, würde ich fast sagen, zwischen 400 und 700 Anliegen oder Nachrichten oder Sachen und die kann man halt nicht mehr, dann würde man nur noch das machen. Deshalb versuche ich immer manchmal so, gibt es von mir eine Reaktion, dass ich sage, Leute, ich lese hier alle Nachrichten, alles gut, ich freue mich, lieben Dank und so weiter. Wenn mal ganz gezielt oder Detailfragen sind, dann werden die auch beantwortet, wenn Leute Fragen zu Tickets haben oder wo kann ich mit meinem Rollstuhl hin und all diese Sachen werden immer beantwortet oder aber zumindest an die entsprechenden Stellen weitergeleitet, die sich darum kümmern können, weil du musst das auch wissen, man muss ein bisschen das mitkriegen, wie ticken, wie tickt die Zuhörerschaft da draußen auch, ich will die ja auch kennenlernen, ich will wissen, vor wem ich da was singe.
Joel Kaczmarek: Aber wie verarbeitest du das emotional, wenn du 400 am Tag kriegst und kannst davon irgendwie nur einen Bruchteil, da hast du auch nur Bock, ehrlich gesagt, man hat ja auch seine eigene Lebenszeit, die ist endlich. Da habe ich auch keinen Bock drauf.
Johannes Oerding: Wie ich das emotional verarbeite? Ja, also ich muss dazu sagen, 99 Prozent sind positive Dinge. Da habe ich also wirklich das Gefühl, dass meine Anhängerschaft schon wirklich auch mich über die letzten 15 Jahre kennengelernt hat und die genau wissen, wie ich ticke. Das heißt, da verirren sich sehr selten Menschen, die eine ganz andere Weltanschauung haben als ich.
Joel Kaczmarek: Aber diese ganze Enttäuschung, die du bei Leuten vielleicht aufmachst, also da bin ich auch ein bisschen egoistisch interessiert gerade, weil ich immer das Gefühl, wie gesagt, man enttäuscht dauernd Leute, indem man nicht darauf antwortet. Vielleicht hängt man es auch viel zu hoch.
Johannes Oerding: Ja, ist auch so, das Gefühl habe ich auch. Also man antwortet nicht, aber ich habe auch das Gefühl, dass die Leute mittlerweile auch verstehen, dass Instagram nicht zwangsläufig das Tool ist, wo man sich zurückmelden muss und meldet. Mir tut es dann immer leid.
Sebastian Krumbiegel: Das meinte ich übrigens auch nicht, dass ich das beantworte. Ich beantworte Briefe, ich beantworte Mails, aber ich beantworte keinen Social Media Text. Also selten. Manchmal ja, wenn ich mich freue. Wenn gerade mal irgendein Shitstorm tobt und dann kommt mal doch irgendwie zwischendurch jemand und sagt, schreibe ich regelmäßig zurück und sage, hey, danke, dass du das so geschrieben hast, weil ich kriege ja die ganze Zeit nur irgendwie Rotz um die Ohren geschmissen. Schön, dass du mir das schreibst und sei weiterhin, versuche das Gute zu spreaden.
Joel Kaczmarek: Einer der neun positiven Prozent.
Sebastian Krumbiegel: Ja, ja, ja.
Johannes Oerding: Das Schöne an Social Media ist ja, es ist ja ein sehr schnelllebiges Tool. und so sehr ich dann manchmal auch da sitze und denke, ah, jetzt habe ich jemanden enttäuscht, das dauert dann ungefähr fünf Minuten und dann habe ich es schon wieder vergessen, weil es schon wieder den nächsten hat. Da bin ich wie so eine Mücke, ich habe ein sehr kleines Gehirn.
Joel Kaczmarek: Naja, ich meine, manchmal ist es wirklich auch verrückt. Ich erinnere mich, früher war ich irgendwie Chefredakteur von einem Magazin, was sowas wie die Autobild für die Digitalwirtschaft war. Also wenn du bei uns in der Digitalwirtschaft warst, dann kannst du den kacken. Und dann war ich auf so einem Event von uns, so Netzwerk-Event, 300, 500 geladene Leute, du läufst da lang, dann kommt einer auf mich zu, begrüßt mich ganz herzlich und sagt, hallo, hallo, hallo. Und nach fünf Minuten habe ich es nicht mehr ausgehalten. Meistens verbietet es mir die Höflichkeit. Ich habe gesagt, entschuldige mal bitte, woher kennen wir beide uns eigentlich? Dann sagt er, ja, ich habe dir doch mal eine E-Mail geschrieben. Du sitzt ja da und denkst so, Jesus.
Johannes Oerding: Ja, das ist auch immer. Manchmal laufe ich so irgendwie durch Hamburg und dann kommen mir Leute entgegen und dann sage ich so, hey. Und ich so, ach, hi. Und umarmen die dann so. Und dann frage ich erst einfach, kennen wir uns eigentlich? Achso, nee, du kennst mich gar nicht. Ich kenne dich so.
Sebastian Krumbiegel: Das hab ich mir abgewöhnt. übrigens, ich bin da ehrlich mittlerweile so drauf, also ich hab's früher auch gemacht, dass ich irgendwie, dass mir das peinlich war und mittlerweile sag ich dann, zumal ich wirklich auch ein schlechtes Gesichtergedächtnis habe, dann sag ich dann, hey, sorry, hilf mir, kennen wir uns irgendwo hier, sind wir irgendwie, kennen wir uns dann auch wirklich irgendwie und haben uns schon mal irgendwo getroffen? und da kommt am meisten die Frage, ach, war ich betrunken? Naja, es ging so und so, also alles klar, ja.
Johannes Oerding: Ey, das kommt mir auch bekannt vor.
Joel Kaczmarek: Also ich glaube, das Komische, was ich in dem Zuge mal hatte, ich bin aus der S-Bahn ausgestiegen, an meinem Heimatbahnhof sozusagen, und dann kam einer, hey Joel, grüß dich, wie läuft's bei Blitzblatt? Hey, hallo, hallo. Dann liefen wir zusammen, hatten den gleichen Weg auf so 50 Meter, 100 Meter, 150. Willst du nochmal hochkommen, Orangensaft treffen? Ist ja geil, dass wir genau nebeneinander wohnen. Ich sag so, ja, okay. Hab dann so aufs Schild geguckt, Türschild draußen, Namen gescannt, ganz schnell, tak, tak, tak, tak, tak, tak, tak, fuck, wer ist der Typ? Ich kannte den Namen nicht, gehe hoch, seine Haustür, hat er auch nichts dran. Und ich saß wirklich, das ist so bizarr, wenn du bei jemandem in der Wohnung sitzt, weißt gar nicht, wer das ist, der kennt aber jedes Detail von dir und redet und redet und redet und erzählt von seiner Freundin.
Sebastian Krumbiegel: Das ist ja fast spooky, das ist ja fast irgendwie Serial Killer.
Joel Kaczmarek: Ja, dann versuchst du dich so zu hangeln und sagst so, okay, wie geht es deiner Freundin? Ich weiß ja nicht, ob deine Freundin hat, ich weiß nicht, ob der Kinder hat, ich weiß nichts. Ja, dir geht es gut, ich mache dir das und das cool. Und als wir unten auf der Straße waren, dann fiel es mir ein, ironischerweise, wie so eine Blockade.
Johannes Oerding: Mein Bruder, es war mein Bruder.
Joel Kaczmarek: Ja.
Johannes Oerding: Wer warst du denn dann?
Joel Kaczmarek: Es war der Gründer von Plista. Plista ist irgendwie eine Firma, die so Marketing-Zeugs im Internet machte und ich kannte ihn in der Tat. Wir waren sogar mal essen zusammen, eine Stunde, glaube ich. Aber der hatte sich die Haare lang wachsen lassen und so und dann, ja. Okay. Aber was ich nochmal dich fragen wollte, war, was du vorhin meintest mit irgendwie Drogen und mhm. Ich glaube ja eher, was so eine Parallele zwischen uns ist, könnte ich mir vorstellen, ich merke das ja auch beim Podcasten, es ist so, Stimulanz ist immer so da. Also meine Frau sagt manchmal, ey Joel, oh Mann, immer nur KTED hier, Kunsthof Digital und dann den wieder und den wieder, du lädst dir da drei Leute auf einen Tag, das ist doch viel zu viel. und ich habe für mich festgestellt, man lernt das, also man kann das nur verstehen, wenn man selbst manchmal in diesem Tunnel drin ist, wenn dauernd diese Stimulanz kommt. Also was du auch gerade meintest, man trifft dann Leute, die sind halt einfach saugeil. Du sitzt da, hängst denen an den Lippen und denkst so, Wahnsinn. Ich meine, gerade was Sebastian und ich machen, jedes Mal sitzen Leute, die charismatisch sind.
Johannes Oerding: Also geht mir genauso, aber ich suche mir auch genau diese Reize und manchmal suche ich mir sogar auch eine Reizüberflutung und vor allen Dingen manchmal auch Kontrollverlust. Das heißt, ich trinke auch deshalb ganz gerne mal einen über den Durst und zwar richtig, damit ich mal aus meiner Kontrolletti-Welt rauskomme, weil ich bin sonst im wahren Leben jemand, der einfach eigentlich alles sehr genau mitschneidet und auch in der Hand behält und doppelt kontrolliert und, und, und. Also ein sehr verbissener auch Arbeiter, was das anbelangt. Und ich brauche das dann wirklich, um auch neue Geschichten einfach zu erleben, die es mir erlauben, auch mal freier durchs Leben zu gehen.
Sebastian Krumbiegel: und als Songschreiber Kommt mir total bekannt vor, was du da gerade sagst. Also gerade das Wort Kontrollverlust, ich glaube, wir haben da auch schon mal drüber gesprochen. Also ja, ich kann das total verstehen, weil es mir wirklich genauso geht. Wie gesagt, man muss aufpassen, je älter man wird, aber Kontrollverlust ist schon auch eine gute Inspiration.
Joel Kaczmarek: Voll. Ich bewundere, dass ihr das könnt. Ich kann das immer nicht. Ich glaube, A, mental, aber B ist bei mir so, es mündet dann relativ schnell über der Schüssel hängen und das ist dann irgendwie ungeil.
Johannes Oerding: Ja gut, dann braucht man natürlich viel Erfahrung.
Joel Kaczmarek: Frage des Trainings.
Sebastian Krumbiegel: Genau, man muss wissen, was man wie zu sich nimmt. Gut.
Johannes Oerding: Die Grundausbildung aus dem Dorf war natürlich auch ganz wichtig bei mir.
Joel Kaczmarek: Aber er hat da ein bisschen recht. Hier sind ja jetzt mindestens mal zwei bekannte Leute, die gerade sagen, man soll irgendwie seine Kontrolle verlieren.
Sebastian Krumbiegel: Nein, das stimmt nicht. Das haben wir nicht gesagt. Wir haben gesagt, dass wir das mögen für uns. Und das ist etwas ganz anderes. Und wir haben vorhin über Vorbildwandel gesprochen. Deswegen ist das auch wirklich schwierig, darüber zu sprechen. Ich kann am Ende bei sowas immer nur sagen, ich bin Künstler. Und ich bin am Ende ein kreativer Geist und möchte das auch bleiben. Und ich habe meine Wege, das für mich zu pflegen. Muss ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben, dass ich das gesagt habe? Also wir könnten jetzt sagen, was weiß ich, Sgt. Peppers wäre nie entstanden, wenn die Beatles irgendwie
Joel Kaczmarek: Keine LSD genommen hätten.
Sebastian Krumbiegel: Naja, wenn sie nicht experimentiert hätten mit irgendwelchen Dingen. Es soll überhaupt keine Entschuldigung sein. Ich glaube, ich bin ein freier Mensch und du auch. Wir können am Ende machen, was wir wollen. Wir haben eine Verantwortung, das stimmt schon. Und wir gehen nicht raus und sagen, hey Leute, knallt euch alles rein, was ihr haben könnt. Nö, das muss jeder selbst für sich entscheiden.
Joel Kaczmarek: Soviel zum kleinen Compliance-Einschub hier in unserem Künstler-Podcast. Aber hast du mal Kontrolle sozusagen verloren? Also ist dir mal entglitten, dass du gesagt hattest, oh, es war dir too much? Oder bist du mit dem Erfolg nicht mehr klargekommen? Da reißt dir die Augen auf.
Johannes Oerding: Ja, weil das ist für mich eine rhetorische Frage. Ich habe sehr oft die Kontrolle verloren. Ich bin auch jemand, der gerne unterwegs ist, draußen ist, eben mit inspirierenden Menschen unterwegs ist. Und ich mag das auch, wenn man dann irgendwie einen Tag später denkt, was haben wir da wieder erlebt und so. Was war da nochmal? Ach ja, ich erinnere mich noch.
Sebastian Krumbiegel: Dann hast du ja nicht die Kontrolle verloren, wenn du dich daran erinnerst.
Johannes Oerding: Sondern stetig wurde es immer besser und ich habe halt auch ein relativ solides Umfeld. dann doch im Freundeskreis, im familiären, die einem schon immer an der richtigen Stelle auch einen Nackenschlag gegeben haben, wenn man mal irgendwas Dummes gesagt oder getan hat.
Joel Kaczmarek: Entschuldigung, ich muss dich mal eine Gossip-Frage stellen, du darfst sie ablehnen, wenn du sie kacke findest. Ich lese immer wieder, dass du mit Ina irgendwie, dass ihr zwei verschiedene Wohnungen habt. Ist das bei euch so, dass ihr euch vielleicht auch nur, dass man so ein bisschen Rückzugsraum braucht und dass man sich nur eine Dauer aushält und dann wieder seinen Freiraum braucht? Oder warum ist das bei euch eine Entscheidung?
Johannes Oerding: Ja, das ist, glaube ich, schon mit der Grund auf jeden Fall. Wir arbeiten auch beide viel zu Hause und jeder Kreative und gerade auch Musiker wird sagen, das ist schon auch manchmal ein Prozess, wenn man zu Hause arbeitet und schreibt und macht und tut. Dann will man auch manchmal für sich sein. Dann will man auch mal, wenn ich am Flügel sitze und irgendwas komponiere, dann haue ich auch 7000 Mal Die falschen Tasten an und dann möchte ich nicht den Menschen erleben, der dann auf der Couch daneben gerade Fernseh gucken will. Das heißt, also Freiraum auf jeden Fall hinzukommt und da spreche ich auch nur für mich und unsere Art und Weise, dass wir beide gelernt haben, dass das super funktioniert, wenn jeder so viel Zeit alleine für sich hat. Und dass, wenn wir uns sehen, dann wieder auch doch noch ein Reiz da ist, auch fast wie so eine Never-Ending-Affäre, kann man fast sagen. Wir sind ja auch schon seit elf Jahren zusammen. Und der letzte Punkt ist natürlich, ich mag das auch, wenn ich mal irgendwie eine Nacht oder zwei durchgefeiert habe, dann möchte ich auch einfach nur nach Hause und dann will ich nicht noch irgendeine Verpflichtung haben. Geht aber auch alles nur, weil wir keine Kinder haben. Ich glaube, das wäre ein anderer Aspekt. Wenn eine Familie mit dabei wäre, dann würde man das nicht so handeln.
Joel Kaczmarek: Ist es zu intim, wenn ich dich jetzt frage, ob du welche haben willst oder warum du keine hast?
Johannes Oerding: Ich habe im Moment das Gefühl, dass ich keine Kinder haben will. Wir haben keine Kinder, das hat die Natur so zumindest auf normalem Wege eingerichtet. Ina ist ja auch schon ein Weilchen älter als ich. Aber es war auch bei uns eigentlich in dieser Beziehung nie ein Thema, ehrlich gesagt. Und im Moment habe ich für mich festgestellt, ich vermisse nichts, mir fehlt nichts, vielleicht liegt es auch daran, weil ich nicht weiß, wie es ist, aber ich habe acht Neffen und Nichten, da kümmere ich mich sehr, sehr gerne drum und mache und tue.
Joel Kaczmarek: Also ich kann sagen, aus der Erfahrung heraus, es ist sozusagen eine Umstellung, wenn man nicht mehr völlig Herr über sein Leben ist, was die Entscheidung angeht. Also man kann natürlich sagen, ich gebe meine Kinder zur Adoption frei, ich finde das alles kacke, ich will wieder frei sein, finde ich bearschig, aber kann man machen. Aber an und für sich ist es jetzt nicht so wie bei Freunden oder bei einer Firma, wo man sagen kann, der Job gefällt mir, den kündige ich. Das geht bei Kindern halt nicht.
Johannes Oerding: Vielleicht bin ich dann zu egoistisch im Moment, weil ich auch das Gefühl habe, wenn ich Kinder hätte, würde ich mich nicht mehr 100 Prozent auf meine Kunst konzentrieren können, weil ich so erzogen wurde, dass Kinder sehr, sehr wichtig sind. Und wenn man dann auch so eine Rolle hat, dann muss man die auch einnehmen. Und das heißt, ich würde wahrscheinlich mich viel, viel mehr um das Familienleben kümmern und nicht mehr um meine Kunst. Und da habe ich ein bisschen Angst vor, muss ich sagen. Weil ich weiß ja, dass die Musik zu 100 Prozent mein Leben ist, dass ich dafür auch so ein bisschen unterwegs bin.
Joel Kaczmarek: Also meine Hypothese wäre ja, dass du einen derartigen Stimulus erfährst durch Kinder, dass deine Kunst sich nochmal radikal verändern und erweitern würde.
Sebastian Krumbiegel: Ja, vielleicht würde sie sich aber auch verschlechtern. Vielleicht würde es viel langweiliger werden.
Joel Kaczmarek: Ja, das macht meine Schlechtchen.
Sebastian Krumbiegel: Ich finde es ja gerade fast ein bisschen übergriffig. Also wie gesagt, ich finde, das ist totale Privatsache. Jeder muss wissen, wie er damit umgeht. Ich sehe.
Johannes Oerding: Man sieht es ja auch. Man hat ja dann auch sowohl positive als auch negative Beispiele. Ja. Fakt ist aber, dass die Zeit knapper würde fürs Rumgammeln und Musik machen.
Joel Kaczmarek: Das stimmt wohl. Nee, übergriffig nicht. Bewerten wollte ich es nicht. Unverschämt indiskret würde ich meine Fragen nennen, aber du bist ja ein erwachsener Mann.
Johannes Oerding: Du wolltest es mir ein bisschen schmackhaft auch machen, das habe ich schon gemerkt. Wie viele Kinder hast du?
Joel Kaczmarek: Zwei.
Johannes Oerding: Zwei. Hast du eigentlich Kinder?
Sebastian Krumbiegel: Ich rede prinzipiell nicht über meine Kinder.
Joel Kaczmarek: Konkurrierst du manchmal mit deiner Frau? Wenn ihr beide ähnliche Kunst nachgeht, fühlt ihr euch manchmal im Wettbewerb oder guckt man links und rechts?
Johannes Oerding: Nee, das eigentlich nicht. Wir sind beide Fans voneinander.
Sebastian Krumbiegel: Ich wollte gerade sagen, ihr könnt euch doch eher protegieren gegenseitig.
Johannes Oerding: Genau, unterstützt uns da auch. Ich schreibe ja gerade mit an ihrem Album und bin mit dabei. Sie hilft mir bei meinen ganzen Projekten. Es wird immer einmal doof, alle zwei, drei Jahre habe ich das Gefühl, wenn wir beide im gleichen Jahr irgendwas im Herbst rausbringen wollen. Und wir müssen dann schon gucken, dass wir nicht zu nah beieinander sind. Weil wir wollen beide nicht in den gleichen Sendungen dann jeweils in einer Woche sitzen und so weiter. Oder am einen Tag ist der da, am nächsten Tag Das wollen wir so ein bisschen entzerren, weil wir eigentlich ja nicht gemeinsam in der Öffentlichkeit so sind.
Joel Kaczmarek: Aber es würde euch auch pushen, könnt ihr deine Verkäufe wahrscheinlich hochtreiben. Ist das eigentlich noch ein Thema, Verkäufe, Platten? Nicht so mehr, ne?
Johannes Oerding: Doch, immer noch.
Sebastian Krumbiegel: Menü wird es immer bleiben und CD ist immer auch noch ein bisschen.
Johannes Oerding: Ja, wir pushen uns ja auch gegenseitig. Guck mal, ich schreibe mit ihr die Songs für ihr Album und sie versucht, meine Songs besser zu machen.
Joel Kaczmarek: Korrigier mich, falls die Recherche falsch ist, aber du hast irgendwie zwei goldene Schallplatten 2015 mit über 100.000 verkauften Exemplaren und 2016 sogar Platin mit über 200.000 gekriegt. Das ist doch schon relativ krass heutzutage, oder? Also 200.000 Platten mittlerweile verkaufen, wo alle Leute nur noch streamen. Wäre da so mein Verdacht, da muss eine Hausfrau viel für stricken, wie man immer sagt, oder?
Johannes Oerding: tatsächlich schön zu sehen, dass ich noch wirklich Platten verkaufe. Ich kann es ja manchmal selber gar nicht glauben, aber ich habe da scheinbar auch eine Hörerschaft, die wirklich über drei Generationen, weil gestreamt wird auch und Leute, die noch die CD haben wollen, die auch Vinyl haben wollen, das ist schön zu sehen. Ich bin mir total bewusst, dass das ungewöhnlich ist und hoffe, dass das noch lange so bleibt, aber auch wir arbeiten natürlich daran, ein bisschen mit der Zukunft auch zu gehen und wir wissen schon auch, dass früher oder später der Stream schon das größte Ding sein wird leider.
Joel Kaczmarek: Aber da sagst du was Richtiges, um nochmal zurückzukommen auf die ganzen Nutzerfragen, die wir mal einsammeln. Du scheinst eine sehr treue, intensive und auch emotionale Fan-Anhängerschaft zu haben, weil es kamen so ganz viele Fragen bei dir irgendwie. Also wir hatten glaube ich alle, die wir in Hamburg hatten, mal so zur Disposition gestellt und es reichten mal Fragen. Bei dir kamen mit Abstand die meisten Fragen. Und dann sehr viel so ganz intensiv irgendwie. Sarah864 schreibt, was ging dir durch den Kopf, als du am 20.09.2020 im Stadtpark die Wunderkerzen beim Song Heimat gesehen hast? Also diese Dichte an Informationen und Erinnerungen, die die da haben, ja? Ja, krass.
Johannes Oerding: Der Moment, als die die Wunderkerzen rausgeholt haben, das war das letzte Konzert im Stadtpark. Sie spielt wahrscheinlich deshalb auf an, weil ich konnte nicht mehr weiter singen, weil ich hatte ein Kloß im Hals und fing wirklich an Das ist mir, glaube ich, in den letzten 15 Jahren auf der Bühne einmal erst passiert. Und da kam irgendwie alles zusammen, weil wir da viel drüber diskutieren, auch bei mir im Umfeld, in der Band. Und das war wirklich ein krasser Moment. Ich konnte einfach nicht mehr weiter singen, weil ich geheult habe auf der Bühne.
Sebastian Krumbiegel: Auch eine Art Kontrollverlust übrigens. Da streite ich mich ja manchmal mit Leuten drüber, ob Kontrollverlust auf der Bühne sozusagen cool ist oder nicht. Ich mag ja auch auf der Bühne Kontrollverlust, dass du dich einfach fallen lässt und gehen lässt. Es ist eigentlich unprofessionell, aber es ist trotzdem Ein Schauspieler, der sein Hamlet spielt, darf keinen Kontrollverlust haben. Wenn du eine Riesen-Show hast, wo jeder Step und jede Pyro, die hochgeht Wenn du da einen Kontrollverlust hast und stellst dich aus Versehen auf die Rakete, hast du einen Scheiß-Tag erlebt. Ich mag schon auch auf der Bühne diese Art von Kontrollverlust und hab's auch ab und zu mal.
Johannes Oerding: Vor allen Dingen war auch dieser Moment, wir haben da gemeinsam am Lagerfeuer gesessen mit den Leuten. Wir waren eh schon sehr privat, sehr intim. Ich erzähle da auch viele schöne Geschichten, wie Dinge entstanden sind und gebe da auch schon einen guten Einblick in meine Musik und die Entstehungsgeschichte. Aber dass wir dann, dass sie dann sich alle abgesprochen haben. Da waren auf einmal dann 900 Leute und die hatten alle eine Wunderkerze in der Hand und haben auch alle mitgemacht. Und das hat mich einfach so berührt, dass die sich so eine Mühe und so einen Aufwand machen, dass ich da wirklich nicht anders konnte. Ja, Kontrollverlust.
Sebastian Krumbiegel: Das ist ja auch eine Interaktion logischerweise mit den Leuten. Und ich habe auch gerade jetzt die Fragen vorliegen, also einige von den vielen Fragen von Biene RTR Muddern. Ein dickes Dankeschön für deine Offenheit, deine Geduld und dein großes Herz gegenüber deinen Fans. Gibt es noch etwas, zum Beispiel eine Eigenschaft, eine Vorliebe, eine Angewohnheit, was uns an dir überraschen würde? Also sie will irgendwas wissen. Kannst du irgendwas rauslassen, von dem du denkst, dass deine Fans, dass deine Leute, die zu dir in die Konzerte kommen, die deine Musik mögen, nicht von dir wissen, was sie vielleicht sogar verstören oder erstaunen würde?
Johannes Oerding: Ich glaube ja, gibt es tatsächlich. Vielleicht ist das aber auch schon mal hier und da aufgeblitzt. Das wird sie jetzt verstören, weil ich lese ja immer nur lieb und nett und hasse nicht gesehen und so. Ich glaube, dass ich auch hier und da ein sehr jähzorniger Mensch sein kann, also seit Kindheit eigentlich. Also es gibt so gewisse Triggergeschichten, die lösen bei mir was aus, wo ich dann wirklich auch zumache und sehr jähzornig sein kann und auch so ein bisschen böse werde.
Sebastian Krumbiegel: Auch nachtragend? Oder kannst du dann schnell wieder runterkommen?
Johannes Oerding: Genau, ich bin überhaupt nicht nachtragend. Das ist krass. Ich halte es nicht aus. Ich halte einen Streit oder eine Stille. Ich halte es nicht aus. Ich bin dann derjenige, der, obwohl er vielleicht weiß, ich habe Recht, der sagt, komm Leute. Lass mal weitermachen, hier ist meine Hand. Das hat aber vielleicht auch mit Großfamilie zu tun. Bei uns war zu Hause immer so, da hat sich alle fünf Minuten irgendeiner mit dem anderen gekloppt. Und da kam mein Vater wirklich, musste alle zehn Minuten rein, so gebt euch jetzt die Hand und dann ist gut. So, und dann war das auch so. Und das habe ich so in mir, dass ich wirklich das heute nicht ertrage, wenn ich mich streite mit einem besten Freund oder einer Freundin. Dann halte ich nicht ein oder zwei Tage aus, obwohl ich mir vielleicht sogar manchmal vornehme, nö, ich werde mich jetzt nicht zurückmelden, mache ich nicht, weil ich bin im Recht. Soll sie mal selber Und dann kommt aber nichts. und dann denke ich so, verdammt, ich knicke wieder ein.
Sebastian Krumbiegel: Und vorher die Schwelle, was triggert deinen Jähzorn, was triggert dein Aufbrausen?
Johannes Oerding: Es ist ganz viel, wenn ich das Gefühl habe, Menschen sind undankbar. Also man gibt so sein Bestes und man denkt tagtäglich in ganz vielen Momenten dran, dass man alle glücklich machen will und man will doch, denkt auch daran, daran. Und Menschen bemerken das nicht oder sehen nicht, was für sie gemacht wurde. Und dann kommt noch ein verletzender Spruch, so nach dem Motto, ja, hätte sie aber auch nochmal das und das, hätte sie eigentlich auch nochmal machen können. Oder eigentlich müsste das ja auch nochmal bezahlt werden und so. Das bin ich ganz empfindlich und da komme ich auch nicht raus.
Joel Kaczmarek: Gerechtigkeit auch so ein bisschen als Thema?
Johannes Oerding: Auch das, ja. Und vor allen Dingen auch Menschen, die rücksichtslos sind. Es fängt schon an auf dem Bürgersteig. Menschen, die nicht mal auch, wenn sie dir entgegenkommen, genauso wie ich das mache, einen Schritt zur Seite gehen, damit man aneinander cool vorbeikommt. Ich sehe ganz oft, dass ich ausweiche, weil ich schon sehe, ach komm, der guckt gar nicht.
Sebastian Krumbiegel: Wenn der nicht ausweicht, gleich Fresserhund.
Johannes Oerding: So was gab es mit Sicherheit auch mal, aber das versucht man natürlich zu vermeiden. Aber diese Rücksichtslosigkeit oder keine Ahnung.
Joel Kaczmarek: Komm mal nach Berlin, dann reden wir weiter.
Johannes Oerding: Ja, ich wollte gerade sagen, okay, Berlin, deshalb kann ich auch nicht lange in Berlin bleiben. Das ist einfach so. Ich bin ein Rheinländer. Ich brauche auch ein bisschen Harmonie und ein bisschen dieses meinetwegen auch oberflächliche, wir haben uns alle lieb, das ist so in mir drin. Und wenn ich in Berlin, ich weiß, das ist ein Klischee, das hat man auch schon oft gehört, aber es ist ja auch ein bisschen so, steigst ins erste Taxi und sagst, ja, ich möchte ganz gerne hier zum Paul-Linde-Ufer, ne, das kennt ja jeder. Nimmst du irgendeine Straße, zur Beethovenstraße. Ja, was weiß ich denn, wo die Beethovenstraße ist? Was ist denn da? Sag ich, ja, bin ich hier der Taxifahrer oder was? Gib das doch mal ein ins Navi. Aber ich weiß ja auch, obwohl ich weiß, dass das so ein bisschen zu dem Style dazugehört. Beste Geschichte, ich war einkaufen und dann hab ich noch geraucht in Berlin. Wollte ich mir Kippen kaufen, drückte die ganze Zeit auf diesen Spender da, dann macht sie mal biep und ich drück nochmal drauf. Hier, Lucky Strike ohne Zusätze. Ich so, hey, kommt nicht raus. Ich so, piep, kommt nicht raus. Dann schreit die Verkäuferin mich an, ja, wenn ein kurzer Piep ist, dann ist das Ding leer. Bei einem langen Piep ist voll, beim kurzen ist leer. Ich so, ja, wo soll ich denn wissen, dass das der kurze Piep war? Ja, das hört man doch. Lang ist piep und kurz ist piep. So. Und dann sag ich, ja, aber dann ist das Ding leer und das andere Ding da vorne an deiner Kasse ist auch leer. Ja, dann wird heute mal nicht geraucht.
Sebastian Krumbiegel: Ja, hast du aber auch recht.
Johannes Oerding: Da fand ich schon wieder so gut, da hab ich gesagt, das ist eigentlich, hab ich echt nie vergessen, aber das ist dann in Berlin so, ne?
Sebastian Krumbiegel: Und deswegen hast du aufgehört zu rauchen.
Johannes Oerding: Nee, da noch nicht. Da hab ich auch trotz nochmal richtig weitergegeben.
Sebastian Krumbiegel: Richtig Kante gegeben.
Joel Kaczmarek: Ja, aber es ist ja ein bisschen so, ich weiß noch, ich war im Urlaub in Österreich oder auf einer Hochzeit von Freunden, die haben auf einer Alm geheiratet und da denkst du so, what the fuck, was ist denn das hier für ein Traumpanorama, warum genau wohne ich eigentlich in so einem Drecksloch,
Johannes Oerding: ja,
Joel Kaczmarek: und du kommst aber auch irgendwie nicht von weg, das ist halt irgendwie Heimat, von daher hat ja jeder seins, interesting, Rheinländer, ja.
Sebastian Krumbiegel: Ich habe jetzt mal hier noch eine Frage, die ich auch noch ein paar Fragen, also eine Frage, mit der ich gar nichts anfangen kann. Ist das Doppelglas heil in deiner Wohnung angekommen und hast du das Rezept schon ausprobiert?
Johannes Oerding: Das Glas ist angekommen, das Rezept habe ich nicht ausprobiert.
Sebastian Krumbiegel: Klär uns mal auf.
Johannes Oerding: Ja, ich kriegte so ein Glas geschenkt. Ich habe vergessen, was genau drauf stand. Da stand auch irgendein spanisches Wort noch drauf und Johnny, mein Spitzname, mit drauf. Das habe ich nach dem Konzert in die Hand gedrückt bekommen. Die Sachen werden natürlich gesammelt. Das Rezept werde ich wahrscheinlich niemals ausprobieren, weil ich zu Hause einfach nicht dahingehend tätig werde.
Sebastian Krumbiegel: Okay.
Johannes Oerding: Ich koche nicht, ich kann keine Cocktails, ich kann sowas alles nicht.
Sebastian Krumbiegel: Du spielst Gitarre zu Hause. und da noch eine Frage von, ach das war eben übrigens die Frage von Joe Forever 15809. Jetzt hat Kulturleben, wie viele Gitarren besitzt du? Würde ich gleich mal noch weitermachen. Oder hast du deine erste Gitarre noch? Oder hast du so eine lieblingsalte Gitarre, die nur einen ideellen Wert hat und gar nicht irgendwie so eine geile Gold, Blitz, Fender, Stratocaster, Gibson, Les Paul ist?
Johannes Oerding: Eigentlich hast du mit allem recht gehabt. Ich habe wirklich meine erste Gitarre noch, Takamine. Dann habe ich noch eine Konzertgitarre. Das war die, die ich als erstes zu Weihnachten geschenkt bekommen habe, irgendwie mit acht Jahren. Auch die besitze ich noch, spiel die aber tatsächlich nicht mehr. Die haben nur für mich eben diesen nostalgischen Wert. Insgesamt hab ich, glaub ich, im Moment 12, 13 Gitarren. Darunter sind E-Gitarren, darunter sind auch Schrottgitarren, darunter ist auch eine kleine Ukulele, die ich mit im Urlaub hatte. Eine, die ich von Peter Maffay geschenkt bekommen habe. Ich bin also kein großer Gitarren-Nerd, was das anbelangt. Ich habe meine zwei, drei, vier festen Gitarren, die ich auf Tour spiele. Das sind dann auch schon die, ich sag mal, die besseren Modelle, auch die guten Modelle. Und die anderen haben für mich eher einen nostalgischen Wert, weil ich sie schon lange habe. Oder aber ich habe sie geschenkt bekommen von Menschen, die mir wichtig waren.
Joel Kaczmarek: Spielst du richtig nach Noten oder bist du so Autodidakt, der spielen kann, aber nicht Noten lesen?
Johannes Oerding: Autodidakt.
Joel Kaczmarek: Also keine Noten?
Johannes Oerding: Keine Noten.
Sebastian Krumbiegel: Ich auch. Ich habe als Kind Notenlesen eigentlich gelernt, Tomana Chor und so, klassische Ausbildung. Aber also immer nur geguckt irgendwie, ja, geht hoch, geht runter und schneller und langsamer. Aber Klavier spielen zum Beispiel nach Noten gar nicht, überhaupt nicht. Nur nach Harmonie, also nach Liedjeans, nach Harmonie, Schemata.
Joel Kaczmarek: Und wie schreibt ihr jetzt Musik, wenn ihr gar nicht in der Lage seid, das sozusagen in Noten
Sebastian Krumbiegel: Indem wir einfach machen C-Dur, F-Dur, G-Dur, C-Dur. Und daraus macht man ein Lied. Und da muss man keine einzige Note durchkönnen.
Johannes Oerding: Du musst es nur merken. Du musst es nur spielen.
Sebastian Krumbiegel: Manchmal geht auch F-Dur, G-Dur, C-Dur umgekehrt. Und manchmal ist sogar noch ein kleines Ramel dabei.
Johannes Oerding: Zu einem Gunder brauchst du vier Akkorde und dann hast du einen Hit geschrieben.
Joel Kaczmarek: Ich habe ja die Krankheit, mein Vater kam zu mir, als ich so zehn war oder acht, meinte, Sohn, lerne ein Instrument. Ich habe es nicht getan, ich habe mich mein Leben geärgert, du wirst es auch tun. Aber ich hasse es, wie die Pest ihm recht geben zu müssen. Und frage mich manchmal, also deswegen, wenn ich mal ankomme, das ist eine Terz oder eine, oder Moll oder Dur oder, das sind für mich so böhmische Dörfer. Und dann frage ich mich immer, kann man das im Nachhinein noch lernen? oder ist das so?
Johannes Oerding: Es ist nicht zu spät. Man kann es immer, ich kenne auch Leute, die auch mit 50 noch angefangen haben, Klavierunterricht zu nehmen. Es wird natürlich nicht einfacher. Als Kind lernst du schneller.
Sebastian Krumbiegel: Ich kenne jemanden, der hat mit 70 noch angefangen, Russisch zu lernen, weil er Tolstoi im Original lesen wollte und hat es gemacht. Und das ist schon großartig. Ich glaube, wenn du offen und wach bleibst und neue Sachen lernst, dann schreib dir mal ein paar Songs.
Joel Kaczmarek: Ja, ich habe ja schon Sachen im Kopf. Ich weiß auch schon, wen ich fragen werde. Jen Bender. Mit der werde ich mal, die werde ich mal im Studio besuchen. Jen, schon mal eine kleine Vorwarnung hier.
Sebastian Krumbiegel: Großstadtgeflüster. Magst du die Musik eigentlich? Magst du so Elektropunk, so ein Zeug? Magst du die Sachen oder bist du?
Joel Kaczmarek: Doch, auch.
Johannes Oerding: Ich bin total inkonsequent, was so Musikgenres anbelangt. Ich höre wirklich sehr, sehr viel. Ich glaube, außer Metal. Das ist das Einzige, was nicht meine Welt ist. Aber gerade in den elektronischen Bereich rein. Sehr viel Hip-Hop und seine, ich sage mal, Auswüchse. Soul-Classics, von dem ja auch vieles ausgeht. Popmusik.
Joel Kaczmarek: Gut, dann werde ich mir auch mal einen Schlafsack einpacken und vor deiner Tür kampieren, wenn ich was schreibe. Dann sage ich, Johannes, schreibe auch mal was für mich. Nicht nur Fina und Peter Maffay.
Johannes Oerding: Kein Problem, das kostet richtig.
Joel Kaczmarek: Wie läuft das, wenn du für andere schreibst? Zahlen die dir dann Stundenlohn oder participierst du in den Einnahmen oder machst du es aus Nächstenliebe? Oder generell auch, wie kommst du auf deine Songs?
Johannes Oerding: Also es ist ja meistens so, wenn du was schreibst und komponierst oder textest, dann bist du automatisch der Urheber des Ganzen. Und dementsprechend bist du auch Rechteinhaber. Und diese Rechte werden dann letztlich von der GEMA mehr oder weniger inkassomäßig Und diese Rechte sind in Deutschland auch nicht übertragbar.
Sebastian Krumbiegel: In Amerika kannst du das machen. In Amerika kannst du sagen, hier, ich verkaufe dir einen Song, gebe dir irgendwie 1000 Euro oder was weiß ich was und das geht hier nicht.
Johannes Oerding: Genau.
Sebastian Krumbiegel: Und das finde ich auch gut so übrigens.
Joel Kaczmarek: Man muss aber bei der GEMA angemeldet sein, damit man Cash kriegt, ne?
Sebastian Krumbiegel: Ja. Ja.
Johannes Oerding: Es gibt aber auch natürlich aus dem Hip-Hop oder im Hip-Hop-Genre ist es tatsächlich so, dass Leute auch flat bezahlt werden, also mit einer Flat-Fee, einer sogenannten, dass sie einfach sagen, mach mir mal den Beat, ich brauch einen Beat hier für meinen Text und dann bauen die einen Beat, die Produzenten und kriegen dafür 1000 Euro. Und das war's.
Joel Kaczmarek: Und machst du das auch so?
Johannes Oerding: Nee, ich mach das
Joel Kaczmarek: Ich glaub, du bist zu sehr überzeugungstätig.
Sebastian Krumbiegel: Du schreibst Songs auch wirklich nur Du schreibst den Song an der Gitarre oder am Klavier, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich mach das ja auch so und glaube, dass das auch das Beste ist. Ich weiß nicht, das ist natürlich voll oldschool, aber ich glaube, ein gutes Lied ist ein Lied, das du an einem Instrument spielen kannst.
Johannes Oerding: Natürlich, manchmal produziere ich die ein bisschen an, dass ich sage, ich stelle mir vor, dass so Live-Drums hier oder das und das passiert und dann stelle ich das Ganze als Demo so vor. Aber manchmal ist es wirklich nur eine Gitarre. Bei Peter war es so, nur Gitarre, zwei Gitarren und Gesang. Und dann habe ich das eingesungen, auch schon in der Tonart von Peter, das war natürlich ein bisschen tiefer alles, sodass er sich das vorstellen konnte und gleich hört, okay, da passiert was oder eben nicht. Bei meinen Songs ist es oft schon so, dass ich eigentlich, wenn ich schreibe, schon eine totale Vision habe, wie das Ding am Ende fertig klingt. Zum Leidwesen meiner Produzenten und aller Leute, weil ich eigentlich genau weiß, ich will diese Snare haben, Snare ist so eine
Joel Kaczmarek: Trommel,
Johannes Oerding: ich will diese Kickdrum, ich will diese Gitarren-Sound haben und ich will unbedingt noch so irgendwie oben so ein Indianer-Sample, was weiß ich, das habe ich schon genau im Kopf immer und baue mir das schon so zurecht.
Sebastian Krumbiegel: Kennst du die Story von George Martin, der Beatles-Produzent, der, hab ich glaub ich hier schon mal erzählt, der John Lennon Paul McCartney so charakterisierte, dass er gesagt hat, Paul McCartney war immer der Mann, der gesagt hat, ja, hier an der Stelle Streicher und da muss dann die Gitarre, also was du grad sagst, genau diese kleine Trommel und das muss so klingen und dann müssen die Bläser dazukommen. Und John hat eben einfach nur gesagt, George, ich möchte, dass es klingt wie eine Blumenwiese. Charakteristisch finde ich das schon geil.
Johannes Oerding: Du bist auch eher Blumenwiese, ne?
Sebastian Krumbiegel: Ja, ehrlich gesagt ja, aber ich bin eigentlich auch total reduziert. Also ich bin wirklich, für mich wie gesagt, ist erstmal das Lied so fertig wie es ist, wenn ich es am Klavier spielen kann. Und ich spiele das auch so lange und so oft, bis ich das Lied wirklich spielen kann, also wirklich live. Und ich nehme meine Demos in letzter Zeit alle immer nur mit meinem Handy auf. Also mit Handy, Sprachnachricht, zack. Mach ich an, aber nicht irgendwie mit mehreren Spuren und so. Das ist mein Ding. Und dann natürlich im Studio hab ich schon irgendwie Vorstellungen, wie das klingen soll, in welche Richtung das gehen kann. Lass mich dann aber auch wirklich von Leuten noch führen. Und wenn die dann sagen, hey Ja, mach mal hier nicht so ganz einen auf breitbeiniger alter Mannrock, sondern mach mal, guck mal lieber irgendwie, naja, komm.
Johannes Oerding: Manchmal verrennt man sich auch. Ich hab das auch gehabt, dass ich dann wirklich, da hatte ich eine meiner Visionen, dachte so, ah, dieser Song heißt Blinde Passagiere, das muss ein großes Ding werden, das ist ein Radio-Hit, das muss ich auch so produzieren in dieses Format und von dieser Soundwelt groß und pathetisch und mit Drums. Pff, pff, pff. Und dann habe ich gesagt, wieso zockt der uns nicht alle? Wieso zockt der Song uns so nicht an? Und dann habe ich mit einem 600 Mann starken Chor hier in Hamburg gearbeitet für die Platte. Und um warm zu werden mit denen, habe ich den Song Blinde Passagiere einfach am Klavier gespielt und dazu gesungen. Nur am Klavier und gesungen. Als ich fertig war, guckte ich in 600 Gesichter und die waren alle so ergriffen, die Menschen, dass ich dann gedacht habe, in dem Moment, so muss der Song aufgenommen werden. Und so ist er dann auf die Platte gekommen. Nur Klaviergesang dazu und ist bis heute einer meiner absoluten Lieblingssongs und ich glaube, den werde ich auf jedem Konzert in meinem Leben immer spielen. In dieser Version.
Joel Kaczmarek: Wie kommst du auf deine Themen, was du in deinen Songs verarbeitest?
Johannes Oerding: Wir hatten ja vorhin schon den Kontrollverlust, aber im Grunde genommen ist es auch dieses Reizesetzen, Stimulus. Man muss raus, ich muss unter Leute sein, ich muss zuhören, ich muss beobachten.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Kunst: Denn mal ehrlich, ein bisschen Fame will doch jeder, oder? Unser Podcast-Papst Joel hat sich deshalb Pop-Prinz Sebastian Krumbiegel ins Boot geholt. Gemeinsam löchern sie Musiker, Schauspieler, Models, Comedians und Sportler zu den Veränderungen ihrer Berufe in der digitalisierten Medienlandschaft.