Survival of the fittest - Krisenmanagement für Corona

25. März 2020, mit Joel KaczmarekBoris Lokschin

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

Joel Kaczmarek : Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Innovate-or-Die-Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und wie immer an meiner Seite heute der liebe Boris Lokschin. Hallo Boris.

Boris Lokschin: Hallo, guten Morgen.

Joel Kaczmarek : Es sind ja wirklich verrückte Zeiten und wir haben uns überlegt, dass wir das, was wir bisher erzählt haben im Innovate or Die Podcast, was ja sehr viel Wertvolles war, mal anwenden auf die aktuelle Zeit. Also wir wollen gar keine Panik schüren, wir wollen aber auch nicht Leute in Sicherheit wiegen. Ich glaube, es passiert gerade sehr, sehr viel. Es sind viele Dinge im Umbruch. Man muss jetzt sehr genau überlegen, was man tut. Wir glauben, es ist so ein Stück weit ein Moment von Survival of the Fittest. Das heißt, wir haben heute eine Corona-Special-Folge, wo wir sagen, was sollte ich jetzt eigentlich tun von dem, was wir bisher schon gesagt haben in den bisherigen neun Folgen? Ist das überhaupt noch anwendbar? Was davon ist noch aktuell? Was heißt eigentlich, der Fitteste zu sein? Also, wer sich am besten anpasst, gewinnt. Wo sollte ich mich denn anpassen? So, Boris, in diesem Sinne, wenn wir mal ganz grob schon mal so auf unsere Themenliste bisher gucken, was glaubst du hat noch Bestand von dem, was wir sagen? Oder fühlst du dich noch bestätigt in dem, was wir hier mal teilen?

Boris Lokschin: Erstmal das Allerwichtigste vorab. Ich glaube, wichtig, dass jetzt alle gesund bleiben, dass man sich um sein Team, seine Families kümmert. Da sollten wir auf gar keinen Fall Kompromisse machen. Digitalisierung ist alles schön und wichtig, aber Gesundheit first und Safety first der Leute. Das mal so ein bisschen vorweggestellt. Ich glaube, erstmal ganz, ganz grundsätzlich ist es schon so, dass die meisten Dinge, die wir besprochen haben, eigentlich umso mehr Auch wenn das jetzt natürlich momentan ist, wahrscheinlich jedes Unternehmen, egal ob mittelständisch, klein oder groß, wahrscheinlich mit Krisenbewältigung beschäftigt. Das auch zu Recht. Das ist eine Situation, die bisher nicht eingetreten ist. Ich glaube, keiner hat dafür ein Rezept. Keiner hat dafür einen Notfallplan. Keiner kann zu einem gegenwärtigen Zeitpunkt die Folgen abschätzen, die Dauer abschätzen, die Implikationen kostenmäßig abschätzen. Aber was man, glaube ich, relativ gut sieht, ist, dass wahrscheinlich in den allermeisten Unternehmen, Geschäftsmodellen nach vorne raus. Digitalisierung umso stärker oder sozusagen die digitalen Projekte umso stärker hervorgehen werden. Warum? Für B2B-Projekte, glaube ich, ging es ja schon immer in der ersten Digitalisierungs- und Commerce-Welle sehr stark um das Thema Prozesskostensenkung. Gar nicht so sehr im Umsatz. sondern primär darum, wie senke ich meine Kosten, wie baue ich meinen Vertrieb effizienter, günstiger, schlanker auf. Jenseits von Vertriebler fährt raus, Fax wird geschickt. Und zu Zeiten der Kontaktlosigkeit, der physischen Kontaktlosigkeit, wird das, glaube ich, allen relativ klar. Egal, ob das eine Maschine ist, die selber Dinge beordert oder ob das eben auch ein digitaler Vertrieb ist. Diejenigen, die aus der Krise kommen werden, werden ganz sicherlich Möglichkeiten brauchen, den Vertrieb entsprechend zu organisieren. Und auch im Endkundenbereich, auch wenn jetzt momentan der Konsum wahrscheinlich stark einbricht, die Modelle, die einfach schlank unterwegs sind, die eine geringere Kostenbasis haben, die sich schnell anpassen können, die nicht über zu viele unnötige Assets oder vielleicht sogar Layabilities verfügen in Form von großen Offline-Filialen, die Unternehmen, die ihr digitalen Marketing schnell wandeln können. Die Unternehmen, die auch produktseitig jetzt schnell reagieren können, ja, an die neuen Kundenbedürfnisse, ja, sei es einfach mehr Delivery zu Hause, sei es noch eine stärkere Personalisierung. Ich glaube, die werden am Ende des Tages auch als die Gewinner hervorgehen. Von daher erstmal sozusagen ganz, ganz global galaktisch gesehen. Ich glaube, es ist viel Staub in der Luft. Wahrscheinlich haben die wenigsten Zeit, gerade irgendwie ein neues Digitalprojekt anzuschieben. Auch zu Recht. Aber das wird sich legen. Und dann ist die Frage, ja, was haben wir eigentlich gelernt aus der Krise? Und meine These und das, was wir so ein bisschen sehen im Markt, ist, glaube ich, dass das ein Accelerator ist für die Dinge, die sowieso schon geplant waren. Die Branchen, die sowieso schon unter Druck waren, ja, denen wird es halt noch schneller und noch schlechter gehen. Die werden noch schneller handeln müssen. Und die, die sowieso schon auf einem guten Weg waren, die kriegen jetzt noch mehr Rückenwind. Mich würde wundern, wenn das Thema Digitalisierung, digitaler Vertrieb nicht wahrscheinlich für fast jeden, ja, sozusagen Post-Crisis, für fast jeden CDO, CEO absolute Top-Priorität haben würde.

Joel Kaczmarek : Gut, also wir können eigentlich festhalten, es gilt, Prozesskosten zu senken. Wir müssen Liabilities irgendwie möglichst vermeiden. Ich würde sagen, man wird wahrscheinlich auch so ein bisschen zwangsdigitalisiert. Also alle, die es bisher nicht gemacht haben, werden jetzt noch stärker den Druck spüren. Plus vielleicht positiver Nebeneffekt, viele, die jetzt ihre Leute zu Hause sitzen haben, merken, das geht irgendwie auch. Also so wie wir beide jetzt hier über Zoom irgendwie reden gerade, das heißt wirklich auch mal remote, geht das ja auch ganz vielen Firmen, die sich bisher da vielleicht gar nicht herangetraut haben und es jetzt mussten, also per Zwang. Aber dann lass uns trotzdem mal detailliert einsteigen. Also fangen wir vielleicht mal mit der Methodik an, die wir hier immer besprechen. Wir haben ja viel schon gesagt über klassische versus moderne IT-Organisationen und was es eigentlich bedeutet, eine agile IT-Organisation zu sein. Was davon hat jetzt nochmal umso mehr Bestand? Vielleicht machen wir mal so einen kleinen Mini-Wrap-Up, dass wir nochmal ganz kurz die wichtigsten Säulen zusammenfassen und warum die jetzt oder welche davon jetzt besonders bedeutsam sind. Ich

Boris Lokschin: glaube, im Bereich Methodik haben wir ja in den letzten paar Folgen uns ja mehrfach darüber unterhalten, was es bedeutet, sozusagen Projekte agil aufzusetzen, warum MVPs, also Minimal Viable Projects, wichtig sind, warum das schnelle Iterieren wichtig ist, nah am Kunden sein, schnelles Feedback verarbeiten, Projekte mit schlanken Budgets, Projekte mit kurzen Laufzeiten, Projekte, die schnell sozusagen Erfolge bringen oder Oder auch nicht, ja. Also Projekte, die nicht funktionieren, um sie dann eben auch schnell wieder einzustellen und sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Das waren, glaube ich, so alles wichtige Merkmale. Und das wird natürlich zu Zeiten wie jetzt ja umso wichtiger. Ich glaube, was schon passiert und passieren wird, ist, dass das alle versuchen werden, sozusagen das Cash zusammenzuhalten. Das heißt so, Noch weniger Incentives werden da sein, in diese 12-Monats-Projekte zu gehen mit unklarem Ausgang. Noch weniger Incentives wird es gehen, in Dinge zu investieren mit einem zu langen ROI-Horizont. Also irgendwas, was einfach zu lange braucht, um Ergebnisse zu generieren. Noch weniger weniger Incentivates geben für Dinge, die nicht schnell genug Feedback verarbeiten können, marktseitig, kundenseitig. Also sich einfach mal vorstellen, ein Projektteam, was jetzt agil in ein, zwei Wochen sprints, unterwegs ist, kann jetzt jederzeit sein Projekt stoppen zur aktuellen Krise, sich neu justieren und neu formieren und neu sammeln. Man müsste sich einfach mal vorstellen, dass parallel ein Projektteam unterwegs ist, was in einem 12- oder 18-Monats-Rhythmus agiert, sein Projekt implementiert und entsprechend Null Möglichkeiten hat, den wahrscheinlich vorher sechs bis neun Monate geplanten Scope jetzt einfach mal zu unterbrechen, ja, neu zu konfigurieren, neu auszuschreiben, neue Dienstleister zu suchen. Ich glaube also, dieses sehr kurzweilige, diese schlanken Projekte, die vielleicht sogar noch schlanker werden müssen, wir hatten ja auch in einer der Folgen mal über Nano-Vibe-Projects gesprochen, also wirklich runter auf einzelne Use-Cases, im Tagestakt oder in wenigen Tagestakt Dinge zur Verfügung stellen, releasen. Ich glaube, sehr, sehr stark daran, dass das umso wichtiger wird, weil einfach allen jetzt klar wird, hey, es muss ja gar nicht so eine globale pandemische Krise sein, das kann ja auch irgendwie ein anderer Effekt irgendwie eintreten, aber 12, 18 Monate Projekte geht nicht. Agilität, schnelles Reagieren auf Marktsituationen kann überlebenswichtig sein, ist kein Luxus, sondern kann überlebenswichtig sein. MVPs im Sinne von, hey, Dinge schnell mit entsprechendem Effekt in den Markt bringen und prüfen, ob das eben funktioniert oder nicht funktioniert und die Möglichkeit natürlich zu gucken, dass man sich ein bisschen wegbewegt von dem langen Entscheidungen von der Pool wegen, werden ganz, ganz viele Digitalprojekte, die aktuell in Deutschland unterwegs sind, sterben in der Inception, weil sie einfach nicht rechtzeitig freigegeben wurden, mit Budget ausgestattet worden sind. Also da ist ganz, ganz viel auch vorbereitende und konzeptionelle Arbeit, die jetzt einfach in die Tonne fällt, genau aus dem Grund, weil einfach nicht schnell genug Entscheidungen getroffen wurden, nicht schnell genug Dinge angeschoben wurden. Und ich glaube, diejenigen, die sich schnell anpassen können, deswegen auch so weit auf der Fit ist, ich glaube, das werden diejenigen sein, die als Sieger hervorgehen, die nicht lange jetzt heulen, nicht lange bedauern, was sie denn da alles in neun Monaten geplant haben und wie viel Beratergeld sie bezahlt haben, wie viele PowerPoint-Slides sie produziert haben und dann einfach sagen, komm, es ist, wie es ist, aktueller Sprint zu Ende oder abbrechen. Was ist die neue Situation? Welche neuen Features? Welche neuen Kundenwünsche haben wir? Wie richte ich mich darauf ein? Und ich glaube, der Trend hin zu MVPs, MVPs, agiler Vorgehensweise, schlanken Team-Setup, sehr schnellen, datengetriebenen, verwertbaren Resultaten wird eher akzeleriert und nicht zurückgeworfen werden.

Joel Kaczmarek : Ist ja eigentlich auch einleuchtend, dass man sich jetzt nicht erlauben kann, Dinge zu testen, die auf der langen Bank liegen, wo ich sozusagen lange entwickle und dann nach sechs, acht, zehn, zwölf Monaten weiß, was passiert damit. Verständlich. Glaubst du denn, dass viele Firmen überhaupt in der Lage sein werden, weil, sagen wir mal, so kurzfristig zu handeln, weil viele haben ja irgendwie riesige Aufbauten, riesige Umschwünge vor sich. Das sind ja eigentlich immer langfristige Projekte, dass sie die so klein portionieren können und so schnell handeln können.

Boris Lokschin: Also grundsätzlich in der Lage zu reagieren ist jeder. Ich glaube nicht, dass die Frage ist, ob man in der Lage ist. Die Frage ist, man muss sich in diese Lage versetzen. Das ist für ganz, ganz viele Unternehmen eine existenzbedrohende Situation. Und ich glaube, das ist jetzt, wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn sozusagen nicht die jetzige Situation, diejenigen, die immer noch am Zweifeln waren, diejenigen, die immer noch nicht in der Lage waren, diese Art von Organisation zu implementieren, wenn sie jetzt nicht existieren, sehen, dass das die einzige Option ist, die sie haben, dann glaube ich, wird man in große Schwierigkeiten geraten. Das ist also keine willig oder kann ich Frage, sondern das ist eine existenzielle Frage. Und da muss ich jetzt im Guten jeder fragen, ob er viele vielleicht verschlafene oder vertrödelte Prozesse eben mit deutlich mehr Nachdruck, deutlich mehr auch Management buy-in durchdrücken möchte oder nicht. Und dann bleibt wahrscheinlich aber nur das relativ sich rausschalten aus dem digitalen Markt.

Joel Kaczmarek : Wenn ich jetzt zum Beispiel an unsere vierte Folge zurückdenke, wo wir über Greenfield-Ansätze gesprochen haben, also die Frage, soll ich eine digitale Innovation in meiner Kernorganisation umsetzen mit den Reibungsgefahren, die sich da bürgen oder die sich da stellen, oder soll ich sowas komplett separiert aufmachen? Ist das jetzt ein Thema, wo ich mir sozusagen vor so einer Krise auch nochmal ganz anders Gedanken machen muss, weil es vielleicht viel, viel schneller gehen könnte, das Greenfield aufzusetzen als in meiner Organisation?

Boris Lokschin: Grundsätzlich ja. Ich weiß nicht, ob organisatorische Diskussionen und Diskussionen um Organisationsmodelle, Ob das jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist, ich glaube, man muss da deutlich pragmatischer sein, man muss einfach handeln, was auch immer sozusagen die schnellste und die einfachste Möglichkeit ist. Wenn trotz Krise, ja, Politik und interne Streitereien solche Projekte verhindern, dann ist das ein ganz klares Signal für leichtgewichtigere Setups, ja, wie zum Beispiel im Greenfield oder andere. Ich würde zumindest so viel Erwartung haben bei dem Markt, dass dem Unternehmen relativ klar ist, dass es momentan nicht die Zeit ist, da interne Politikschlachten zu schlagen. Aber am Ende des Tages, wenn man schnell sein möchte, dann wird wahrscheinlich Greenfield auch in den aktuellen Situationen oder sozusagen Post-Crisis, sobald alle wieder einen Kuss im Kopf haben, der gangbarste Weg sein.

Joel Kaczmarek : Was bedeutet das, was du gesagt hast, zum Beispiel für meine Arbeit mit Dienstleistern oder auch für meine Budgetierungsprozesse? Fangen wir gleich mal mit den Dienstleistern an. Sollte ich jetzt hingehen und alle meine Dienstleister erstmal runtercutten und versuchen, alles intern und klein umzusetzen oder könnte es im Gegenteil sogar logisch sein zu sagen, ich versuche möglichst schnell, möglichst viel zu realisieren? Was wäre da die schlauste Strategie?

Boris Lokschin: Also da kann man jetzt natürlich aus unterschiedlicher Richtung draufschauen. Auch hier erstmal volkswirtschaftlich oder makroökonomisch gesehen, werden sehr, sehr viele Dienstleister unter massiven Druck geraten, was natürlich erstmal keine gute Situation ist. Die meisten Unternehmen werden momentan alle Beraterverträge, alle nicht sozusagen existenziellen Assignments, die sie haben, stoppen, pausieren oder korrigieren. kündigen, einfach um Cash irgendwie zu schonen und sich auf das Kernbusiness zu konzentrieren. Das wird natürlich dazu führen, dass eben eine ganz, ganz große Anzahl an Firmen eben wirklich in Schwierigkeiten gerät, weil die meisten Agenturen und die meisten Beratungsfirmen leben ja von den Tageshonoraren, von den Tagessätzen, kommen schon in große wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenn es eine Bench, also sozusagen eine Pool von Leuten gibt irgendwie 10% der Belegschaft quasi beschreibt, ja, wenn ich irgendwie 100 Leute habe in meiner Agentur und 10% sind dauerhaft auf der Bench, vielleicht für vier, acht Wochen, schneidet das schon ein Riesenloch ins Budget. In aktuellen Situationen, die Zahlen, die wir jetzt sehen oder hören, da geht es in eine ganz andere Dimension als 10%. Das kann also wirklich für viele, viele Dienstleister sehr bedrohend werden, ja. Das heißt, Da ist erstmal, es wird ja auch eine Zeit nach der Krise geben, wann auch immer sie ist. Das, glaube ich, kann man heute nicht abschätzen. Ist das sozusagen sinnvoll, da den ganzen Dienstleistermarkt jetzt wegzufegen oder sozusagen aussterben zu lassen? Vermutlich nein. Vor allem nicht mit sozusagen Partnern, mit denen man gut zusammengearbeitet hat, mit denen man Vertrauensfelder hat und auf die man auch im Zweifel auch relativ schnell wird wieder zurückgreifen wollen. Das heißt, mein Appell oder ich glaube, Eine gute Lösung wäre eben genau mit diesen Kerndienstleistern. Also ich würde auf jeden Fall konsolidieren. Ich glaube, diejenigen, das ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, so ein bisschen die verstreute Landschaft an Partnern und Beratern mal ein bisschen zusammenzufassen, auch vielleicht wenige Kerndienstleister, mit denen man wirklich lange partnerschaftlich zusammenarbeitet und mit denen auch einfach in den aktiven Dialog gehen. Weil alle haben ja das gleiche Problem. Das ist ja ein bisschen das Positive jetzt, dass das Problembewusstsein ist, glaube ich, relativ konkurrent bei allen Marktteilnehmern. Es wird nicht so sein, dass man selber eine andere Sicht auf die Welt hat, wahrscheinlich als andere, sondern man kann sich da, glaube ich, relativ gut zusammen telefonieren und sagen, guck mal, jeder versucht jetzt Liquidität zu schonen, jeder versucht jetzt Cash zu schonen, trotzdem sollen die Projekte vorangehen, trotzdem möchte ich auch nach der Krise vielleicht umso stärker hervorgehen. Was können wir denn tun? Ich kann natürlich jetzt dich hier komplett rausnehmen und deine zehn Leute in ein Haus schicken mit dem Risiko, dass es dich gar nicht mehr gibt, weil dich dann noch größere Probleme reinreiten. diskutiert einfach oft mit euren Partnern. Das kann alles Mögliche sein. Das können Kost-Plus-Modelle sein. Es ist vielleicht immer noch besser für einen eurer Partner, auf Marge zu verzichten, aber irgendwie eine Kost-Coverage zu haben oder irgendwie für einen halben Tagessatz Dinge zu machen. Vielleicht gibt es Optionen bei denen, mit größeren Partnern, gibt es zum Beispiel viele Agenturnetzwerke, die auch gut gebackt sind, Investor und Private Equity gebackt sind, die auch in so einer Krise auch investieren können. Vielleicht gibt es Optionen zu sagen, guck mal, lass uns mal andere Formen des Engagements gemeinsam mal ausprobieren. Ihr stellt mir das Projekt jetzt erstmal hin, umsonst oder für, weiß ich nicht, einen ganz geringen Betrag, kriegt dafür aber untypischerweise vielleicht irgendeinen Umsatzkicker hinten raus und nicht wie normalerweise einfach in den Möglichkeiten Tageszeit abzurechnen. Also ich nehme euch mit, lasst euch hinter einem Erfolg partizipieren, vielleicht auch mit einer größeren Upside, sodass dann der Partner über zwei, drei Jahre gesehen mit mehr rausgeht als vorher. Oder lasst uns vielleicht Modelle finden, bei denen wir über flexiblere Payment Terms sprechen. Ich glaube grundsätzlich, was man tun sollte, ist flexibler zu sein in der Verhandlung, was auch Commercials angeht und Scope angeht. Also versucht natürlich Payment Terms zu optimieren, versucht den euer Commitment schlank zu halten. Also das Gleiche wie intern für die großen Projekte gilt natürlich auch für Dienstleisterprojekte. Versucht jetzt vielleicht nicht unbedingt irgendwie 2.000-Mann-Tage zu beauftragen, sondern vielleicht in kleineren Inkrementen, also kleinere Chunks, vielleicht auch 100 Tage am Monat, A2, also kürzere Assignments zu vergeben, sodass ihr da einfach Flexibilität habt und schauen könnt, wie sich die Situation entwickelt. Und am Ende des Tages gibt es vielleicht, wie bei jeder Krise, auch so eine leicht marktbereinigende Möglichkeit, sozusagen nach vorne raus. Denn es wird sicherlich auch viel Luft aus dem Markt gelassen. Das heißt also, wir haben in den letzten drei, vier, fünf Jahren sehr hohe Anstiege gesehen. In Tagesraten, in Mitarbeitergehältern, sozusagen Digital Talent und Co. Also die Partner, mit denen ihr jetzt durch die Krise segelt, dass die auch committeter sind hinten raus. Das heißt, vielleicht auch eine Chance jetzt für auch Post-Crisis, auch zum Beispiel eine neue Rate Card zu verhandeln. Zu sagen, guck mal, Ich lasse dich jetzt nicht hängen. Wir machen jetzt hier weiter, auch wenn es natürlich nicht so hochmargig ist wie vorher. Dafür einigen wir uns aber auch auf eine Ratecard, die vielleicht nur noch minus 30% ist von dem, was ich sonst bezahlt habe für die zwei Jahre danach. Also findet faire Lösungen. Wie gesagt, alle haben das gleiche Problem. Viele Branchen versuchen zu überleben und gerade so ein Dienstleister, die nicht Core-Infrastruktur sozusagen für viele sind, sind ja die Ersten, die nach Hause geschickt werden. Die Berater, die Slides gemalt haben oder irgendwelche Prozesse optimiert haben, sind, glaube ich, jetzt alles Dinge, für die einfach momentan kein Manager Zeit hat. Und ich glaube, so mit diesen drei, vier Tipps, schlauere Dienstleisterverträge, sozusagen auf Zukunft ausgerichtete Themen, vielleicht Reduktion von Sätzen, Umsatzbeteiligung, Ich glaube, da kann man mit seinen Core-Dienstleistern auch sozusagen mit dem Argument, dass man eben auch Leistung zusammenfasst. Da guckt man, das, was ich vorher vielleicht mit zwei, drei Partnern gemacht habe, bündel ich jetzt bei dir. Du hast jetzt vielleicht ein bisschen mehr Abdeckung, auch ein bisschen mehr Auslastung. Dafür möchte ich aber auch irgendwas in Return haben. Das kann, glaube ich, ein guter Zeitpunkt sein, wenn man da offen und transparent drüber spricht und jetzt nicht sozusagen das hart ausnutzt und jetzt so Kapital schlägt sozusagen aus dem Leid sozusagen anderer, sondern da einfach ein faires Modell findet, dann, glaube ich, wird das für die Core-Partnerschaften eher stärkend sein, ist mein Gefühl, für sozusagen nach der Krise.

Joel Kaczmarek : Gilt das in der gleichen Weise auch für das Thema, was wir in unserer achten Folge mal besprochen haben, nämlich Einkauf? Also würdest du sagen, dass das, was du jetzt über Agenturdienstleistung, Entwicklung gesagt hast, auch irgendwie diesen ganzen Einkaufsprozess insgesamt in genau der Art und Weise beeinflusst, wie du es gerade skizziert hast?

Boris Lokschin: Ich denke, ja. Am Ende des Tages, auch für den Einkauf von Software und anderen Parametern, werden die gleichen Regeln gelten. Ich glaube, auch da wird jetzt ein bisschen sozusagen der Markt neu kalibriert und man hat vielleicht auch auf der Einkäuferseite ein bisschen mehr Flexibilität, ein bisschen mehr Verhandlungsspielraum, weil natürlich auch nicht nur die Dienstleister, sondern auch die Vendoren, die Software-Vendoren und andere Anbieter einfach flexibler sein werden, ja, in dem, was sie anbieten. Ja, man muss so ein bisschen aufpassen und das jetzt auch nicht falsch bewerten, ja. Ich glaube, wir haben ja eine Krisensituation, das ist ja erstmal keine Situation, in der die Value Proposition des Produkts oder der Dienstleistung sich geändert hat. Das darf man da auch auf der Kunden- oder Einkäuferseite jetzt auch nicht überaus nutzen, denn der Value des Produkts, wenn er denn vorher da war, der ist ja genauso existent, vielleicht sogar Mehr, wenn ich jetzt mir überlege, die Diskussionen, die wir tagtäglich bei Spiker zum Beispiel haben, die sind ja eher akzelerierend. Eine Software, die schnell in die Lage setzt, Dinge zu bauen, die schlanke Projekte ermöglicht, schnelle Time-to-Markets und Co. Da ist ja die Value Proposition ja eher gestiegen. Die Leute, denen ist ja umso klarer, dass das ja genau das ist, was sie brauchen. Das heißt also, das Produkt an sich, klar, man mag da jetzt ein bisschen am längeren Hebel sein, vielleicht etwas mehr Flexibilität haben, auch in der Verhandlung und vielleicht auch ein paar Dinge durchbekommen, die man sonst nicht bekommen hat. Aber passt auf, managt jetzt nicht nur zu kurzsichtig auf die nächsten vier, fünf, sechs Monate. Ihr trefft jetzt Investitions- und Einkaufs- und Einstellungsentscheidungen bei Partner, Technologie, Mitarbeiter für die nächsten fünf Jahre. Und es wird auch eine Zeit geben nach den sechs Monaten und nach den neun Monaten. Auch da werdet ihr Commitment und Support brauchen. Das wird sich auch wieder ändern. Es wird auch Zeiten geben, wo ihr sozusagen was benötigt. Und das hat man ja gut gesehen in der Krise 2008, 2009 und auch sozusagen nach der Dotcom-Blase. Diejenigen, die sich da vernünftig aufgestellt haben, vernünftig verhalten haben, waren auch diejenigen, die hinterher sozusagen profitiert haben und die, die jetzt sozusagen Raubrittermäßig gedacht haben, ich profitiere mal und nehme jetzt mal alle aus wie eine Weihnachtsgans. Das waren auch die, die dann hinterher auch das geringste Commitment zurückbekommen haben.

Joel Kaczmarek : Kannst du mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern? Ich wollte mich genau auf den Punkt jetzt mal ansprechen, was so bei Spryker Timelines sind, in denen ihr denkt. Das heißt, wenn ihr jetzt irgendwie Projekte anstoßt, auch mit Außenstehenden, mit Dienstleistern vielleicht oder generell intern auf welche aufsetzt, was für einen Scope willst du? Was für eine Zeit? Also wie weit denkst du jetzt eigentlich schon?

Boris Lokschin: Also ich meine, man sagt ja immer, man muss immer das eigene Hundefutter essen. Das haben wir natürlich auch schon vor der Krise gemacht. Von daher, ich glaube, schlanke Projekte mit kurzen Laufzeiten. Also wir versuchen normalerweise, wenn wir eben ein MVP schneiden für uns oder ein erstes Teilprojekt schneiden, das eben auch nicht über diese magischen 100 Tage hinaus laufen zu lassen und dann auch einen Milestone zu erzeugen, der dann verwertbar ist. Das haben wir gemacht bei einem internen Data Warehouse-Projekt, als wir sozusagen den ersten Wurf des DBHs für uns gebaut haben. Das haben wir jetzt gemacht bei der sehr großen Einführung von Salesforce für uns. Das haben wir auch in mehrere Teilprojektstücke geschnitten. Das ist ja auch eine riesen Software mit unendlich vielen Modulen. Das haben wir gemacht bei der Einführung von unseren Finanzsystemen. Also Das ist sowieso schon so, aber auch für uns gilt das, was ich am Anfang gesagt habe. Das heißt, momentan akzeleriert eher die aktuelle Situation viele Prozesse oder auch unsere Teilprojekte werden eher kürzer. Wir haben jetzt ein größeres Technologieprojekt bei unserer Produktentwicklung, wo wir auch externe Partner mit einbinden. Da ist der Scope, der vorher initial mal für den ersten Wurf auf vier, viereinhalb Monate geschnitten war, jetzt auch nochmal halbiert oder fast sogar gedrittelt worden. Also mit noch kürzeren, verwertbaren Resultaten, noch mehr Milestones, noch mehr, lass uns schauen, wo wir stehen, schritten, lass uns das neu bewerten, lass uns gucken, wo wir noch Bedarf haben, lass uns gucken, ob das nicht sogar schon ausreicht, ob man damit nicht schon live gehen kann und Co. Auch hier bei uns quasi eher so akzelerierend und nicht verlangsamt, wobei wir schon wahrscheinlich sehr, sehr schlank und schnell unterwegs waren.

Joel Kaczmarek : Ein Thema, über das wir auch sehr ausführlich gesprochen haben, war das Thema Budgetierung. Also wie kriege ich es hin, IT-Budgets für mich zu akquirieren? Vielleicht auch bei Stakeholdern, die jetzt nicht so technikaffin sind. Wie hat sich dieser ganze Prozess verändert, wenn jetzt quasi so eine Sondersituation eingetreten ist?

Boris Lokschin: Der entscheidende Punkt ist definitiv momentan der, dass, wie eingangs gesagt, alle Budgetfreigabe-Prozesse einfach wahrscheinlich personell momentan größtenteils on hold sein werden. Die allermeisten Branchen, die allermeisten Verticals haben ja gerade, nennen wir das mal die größtmögliche Unsicherheit, ja, mit Shutdowns und einfach teilweise komplett Ausfällen von Umsätzen, ja, in der Hotellerie, Gastronomie, Touristik, Retail in vielen Fällen, wirklich horrende Umsatzausfälle. Das heißt, und in den Branchen, in denen es läuft, ja, Food und Co., ja, das sind einfach alle damit beschäftigt, Lebensmittel an Menschen auszuliefern, Medikamente bereitzustellen und Co., Also in beiden Kategorien, egal ob das Business gar nicht läuft oder momentan super läuft, ist, glaube ich, momentan eben die Attention auf andere Themen. Das heißt, unabhängig jetzt davon, ob jemand Budget hat oder investieren möchte, ist, glaube ich, relativ klar, dass einfach die Menschen, die am Ende zusammenkommen müssen und irgendwie eine Unterschrift leisten müssen oder final sich committen müssen, mit maximal auf Sicht steuern. Also weder physisch zusammenkommen können in den meisten Fällen, weil einfach alle im Homeoffice sitzen, noch sozusagen den Kopf frei haben für große Investitionsentscheidungen. Auf der anderen Seite wird ja allen, wie eingangs auch gesagt, umso deutlicher, dass wenn man in irgendwas zu investieren hat, dann ist das in Digital und in Digital Commerce, sei es um seine Vertriebskosten in den Griff zu bekommen, die sonst anders, der Vertrieb wird sonst gar nicht funktionieren oder eben überhaupt einen Vertriebskanal zu haben nach vorne raus, wenn andere eben sterben. Das heißt, ich glaube, das ist so ein bisschen so eine So eine ganz dünne Linie. Auf der einen Seite ist allen klar, ich muss was tun und ich glaube, das wird das Erste sein, was alle anfassen, sobald sich der Staub ein bisschen legt. Gleichzeitig ist es wahrscheinlich momentan einfach prozessual, dadurch, dass Leute im Homeoffice sitzen, dadurch, dass Leute Krisen managen, dadurch, dass Leute Krankheitsfälle versorgen, Angehörige haben, Kinder zu Hause. wird es halt schwer. Das heißt also, auch hier gilt, die Budgets grundsätzlich, die werden da sein bei den Firmen, die da eben rauskommen. Aber ich glaube, man tut sich auch als derjenige, der Budget requestet, tut sich wahrscheinlich gerade sehr, sehr gut oder ist gut daran, wenn man einfach schlank reingeht, wenn man keine großen Projekte aufmacht, wenn man sehr, sehr schnell Resultate zeigen kann und vor allem, das ist wahrscheinlich das, was sich geändert hat in den letzten vier Wochen, also noch eher taktischer agiert als strategischer. Also Dinge, die jetzt wirklich so diese großen strategischen Digitalvisionen, die man die ersten zehn Slides immer vorgestellt hat und danach ging man so ins Operative. Ich glaube, da verschiebt sich die Balance ein bisschen. Ich glaube, die Dinge, die jetzt in den nächsten sechs Monaten Result erzeugen können, werden wahrscheinlich eher abgezeichnet und freigegeben. Guck mal, ich kann in den nächsten sechs Monaten folgende Kostensenkungen erzeugen mit meinem Digitalprojekt. Ich kann in den nächsten sechs Monaten folgenden Umsatzanstieg erzeugen oder folgende Kundenzufriedenheit erhöhen. Ich glaube, die Dinge, die darauf kurzfristig einzahlen, werden momentan eher budgetiert als eben die großen langfristigen strategischen Visionen, was auch nicht überraschend ist.

Joel Kaczmarek : Da weiß ich, wie man mich so ein Stück weit frage. Es gibt ja durchaus Menschen, die sagen, hey, in jeder Krise steckt auch immer eine Chance. Man könnte auch irgendwie überlegen, antizyklisch zu handeln, wenn es irgendwie Sinn macht. Ist es generell so, dass man jetzt besser fährt, alles einzufrieren, ein bisschen Staub sich legen zu lassen und dann zu sagen, jetzt sich überlegen, was gibt es an digitalen Assets, die für mich schnell erschließbar sind, nach den Mottos, die du gerade gesagt hast, also MVPs schnell iterieren und so weiter. Ist das so der Weg, den man auf der Budgetseite gehen kann?

Boris Lokschin: Ja, das kann ein guter Weg sein. Ich würde sehr, sehr stark auf maximal taktische Themen fokussieren. Ich würde wirklich Sehr, sehr stark, ich glaube, sozusagen der Business Case weg von Technik hin zu was spare ich oder was gewinne ich oder was erhalte ich. Das ist vielleicht nochmal ein wichtiger Punkt. Ganz, ganz viel Fokus ist momentan auf Kundenerhaltungsstrategien. Also wie schütze ich meine bestehende Kundenbasis? Wie schütze ich meinen bestehenden Umsatz? Wie halte ich meine Kunden, die ich habe, happy? Das heißt also dieses Thema Customer Success, Customer Retention, Customer Satisfaction. Der Block, der so ein bisschen immer bei allen Wachstumsambitionen, die man sonst mal hat im digitalen Umfeld, immer so ein bisschen entweder als Gegenwart geben bezeichnet wird oder irgendwie unter Final Leaf und dann irgendwo aufgelistet wird. Ich glaube, was wir ganz stark sehen, ist, dass das jetzt bei weitem auf Platz 1 zurücktritt. Ich glaube, Neukundengewinnung oder Neukundenakquise, egal welche Branche, ob das jetzt Software ist oder Bikinis online verkaufen, ich glaube, das ist momentan für die nächsten sechs bis neun Monate ein super schwerer Task. Das wird teuer sein, auch finanziell. Privatkonsum ist momentan eher rückläufig. Menschen halten ihr Geld zusammen. Keiner weiß, was mit dem Arbeitsplatz passiert und so weiter und so weiter. Das sind viele Effekte, die, glaube ich, es eher schwer machen oder unverhältnismäßig teuer. Es kann sein, dass es für einige Branchen so einen Rebound gibt, dass man dann irgendwann, wenn wieder alles gut ist, das gesparte Geld für Urlaube und Co., was man nicht ausgegeben hat, dann ausgibt. Aber das weiß man nicht. Es wird auch ganz viele geben, die nicht konsumfreudiger werden. Aber ich glaube erstmal grundsätzlich ist einfach alles, was so Customer Satisfaction, Customer Retention betrifft, ist momentan die bessere Strategie. Also ich kann jedem empfehlen, schneidet kleine Projekte, die Prio 1, sich um eure Bestandskunden kümmern. Was kann man für die Gutes tun? Wie kann man die happier machen? Was kann man irgendwie an Problemen, Issues, egal ob das jetzt technische oder prozessuale Themen sind, Dinge, die vielleicht ihr schon lange im Support bei euch liegen habt oder in einem Customer Service, die bei euch irgendwie ein Backlog von zwölf Monaten waren, Was könnt ihr vorziehen? Wie könnt ihr eure Bestandskunden bei Laune halten? Was könnt ihr vielleicht denen auch an Goodies nochmal rausgeben? Weil mit denen zu arbeiten, sie zu reaktivieren, zu weiteren Käufen, Transaktionen, Bestellungen zu bewegen, ist wahrscheinlich immer noch viel, viel einfacher. Und ich glaube, Neukundengeschäft ist momentan wahrscheinlich eher schwieriger. Also ich würde das eher so umbalancieren und dann eben die methodischen und budgetären Aspekte auf dieses Thema zuerst schieben.

Joel Kaczmarek : In der Tat ist ja Customer Centricity so eins der Mantras auch gewesen, das wir in unserer Reihe immer wieder hervorgehoben haben. Also verstehe ich dich richtig, dass Customer Centricity nach wie vor wichtig ist und auch umso wichtiger wird, dass ich sozusagen nur versuchen soll, vor allem in Betracht auf die Kunden anzuwenden, die schon bei mir sind und nicht die, die ich vielleicht übermorgen, wenn diese Krise überstanden ist und langsam mal das Geld unter der Matratze wieder vorhole, die dann anfangen zu investieren.

Boris Lokschin: Der Tipp ist wirklich ganz klar, schützt euer Portfolio, egal ob ihr jetzt ein Händler seid oder ein Hersteller oder eine Software-Company oder eine Services-Company. Arbeitet mit eurer bestehenden Kundenbasis maximal, schaut, dass ihr da smarte Lösungen entwickelt. Das ist auch ein bisschen die Opportunity, ich glaube deswegen auch nochmal zu Wild of the Fittest, wie sie sich jetzt schnell anpassen, wie sie jetzt auch kreative Business-Ideen generieren, insbesondere mit ihren Partnern, denn jetzt so ein neuer Partner zu überzeugen wird schwieriger. Partner, die ihr schon habt, mit denen ihr arbeitet, wo schon Vertrauensbezieher, wo auch die Transaktionskosten sozusagen gering sind, weil das ist alles ja schon abgewickelt und vertraglich vereinbart und die auch unter Druck sind, sind wahrscheinlich alle momentan, also alle Marktteilnehmer sind momentan maximal inzentiviert, auch kreative Lösungen zu finden. scheute ich da auch nicht, diese Ideen in den Raum zu werfen. Und die Wahrscheinlichkeit ist eben groß, dass diejenigen, die einfach jetzt kreativ sind, eben gestärkt rausgehen, weil sie vielleicht auch Ansätze finden für Marketing, für Sales, für Customer Success, die eben out of the box sind, die man sonst eben nicht gedacht hätte. Und meine persönliche Vermutung ist eben wirklich, dass das Thema Kunden Satisfaction, Retention, Kundenmanagement, Bestandskundenmanagement als Disziplin über alle Branchen hinweg deutlich an Bedeutung gewinnen wird. Dass sozusagen Post-Crisis ein klarer wird, hey, da muss ich eigentlich mindestens genauso viel Attention und Ressourcen und Projekte und Scope drauf schieben und nicht immer nur sozusagen wachsen, wachsen, wachsen und unten im Eimer irgendwie Löcher haben und das Wasser läuft raus.

Joel Kaczmarek : Wir haben ja unsere siebte Folge zum Beispiel auch dem Thema Teamaufbau gewidmet. Das wäre so der letzte Punkt, der mir noch einfällt, den wir nochmal skizzieren können, wie der in Corona-Zeiten aussehen sollte, sprich Personalaufbau, Personalabbau. Wie würdest du dich gerade auf der Personalseite in der Krise jetzt verhalten und dann perspektivisch, wenn das überstanden ist?

Boris Lokschin: Ja, also ich glaube, auf der Personalseite, was Die Effekte, die man vermutlich jetzt sehen würde, ist, dass man größtenteils das Thema Hiring, ja, freesen wird oder zumindest alle Non-Critical-Hires werden die meisten Firmen vermutlich zurückstellen. Ich glaube, das ist auch relativ einleuchtend, dass keiner momentan da bestrebt sein wird, die Kostenbasis in so einer unsicheren Zeit unnötig nach oben zu treiben. Das heißt, Critical-Hires oder Replacements, ja, werden wahrscheinlich Dinge sein, die funktionieren werden und Dinge, die nicht funktionieren werden, werden wahrscheinlich sein, nochmal hier 100% Personal dazu zu addieren, es sei denn, man ist vielleicht irgendwie Amazon und braucht ganz viele Leute im Lager gerade. Sprich, da solltet ihr auch frühzeitig mit euren internen HR- und Personalabteilungen auch ins Gespräch gehen. Es wird wahrscheinlich viele Recruiting, insbesondere bei den wachsenden Unternehmen, stark wachsenden Unternehmen, Startups, wird es wahrscheinlich viele Recruiting-Kapazitäten, Überkapazitäten geben, die momentan nicht so viel zu tun haben. Denn der Markt funktioniert ja in beide Richtungen. Nicht nur wollt ihr gerade euer Cash schützen und wahrscheinlich ein bisschen vorsichtiger sein bei neuen Stellungen. Es ist wahrscheinlich auch nicht die beste Zeit für jemanden, seinen Job zu wechseln. Das heißt, auch Kandidaten werden vermutlich eher die Handbremse ziehen und sagen, komm, lass uns in vier oder in acht Wochen nochmal sprechen. Wenn es dann jetzt aus dem Job raus zu gehen, irgendeine Probezeit reinzulaufen, kann ich mir vorstellen, dass das wahrscheinlich keine Strategie ist, die viele Bewerber mitgehen werden. Und das ist auch gut so, in Anführungszeichen, für euch. Ihr müsst da auch eure bestehenden Recruiting-Pipelines oder solltet sie jetzt nicht zerstören. Ihr müsst jetzt nicht einen Kandidaten anrufen und sagen, so komm, Ich sage dir erstmal ab und sorry ist nicht mehr, sondern auch da offenen Dialog, spreche mit den Leuten, betreffe ich das genauso wie euch auch, sage denen, Joel, ich glaube momentan, lass uns in vier Wochen nochmal sprechen, du bist ein Top-Kandidat, wir haben super Interesse, lass uns in vier Wochen nochmal zusammen telefonieren, wahrscheinlich gerade für dich auch nicht die beste Zeit, hier über einen Jobwechsel nachzudenken, aber wir haben bisher einen super Eindruck von dir gewonnen, freuen uns da in vier Wochen nochmal einen Touchpoint zu haben. So, super Möglichkeit, man kommt vernünftig gesichtsfahrend raus für beide Partner, für beide Parteien sozusagen eine gute Geschichte. Denn Recruiting ist ja so ein bisschen auch wie Sales. Recruiting, Pipelines aufbauen, gute Kandidaten bekommen, vielleicht Headhunter beauftragen, Pipelines, Leute screenen, ist ja auch ein Prozess. Das heißt, das, was da die letzten vier bis sechs Monate vielleicht aufgebaut wurde an Pipelines, ist insbesondere für digitales, für rares digitales Talent, Und wir hatten ja im letzten Fall auch besprochen, wenn ich an nicht digital privilegierten Standorten mich befinde, ist das wahrscheinlich sogar noch ein viel schwererer Task. Also diese ganzen Pipelines jetzt komplett über Bord zu werfen, ist keine gute Strategie. Das wird euch hinterher, also schützt eure, in Anführungszeichen, Unit Economics. Fahrt die Dinge runter, die ihr schnell runterfahren könnt. Aber man sagt so ein bisschen den Muskel, tragt das Fett ab, nicht die Muskeln. So ein bisschen wie bei den Dienstleistern auch. Ich vermute auch, dass es vielleicht auch ein Stück weit einen marktbereinigenden Effekt gibt. Es kann also auch gut sein, dass man für die Unternehmen, die eben jetzt stark durch die Krise kommen, wird wahrscheinlich das Angebot an Digitaltalent eher größer sein. Es wird wahrscheinlich Leute geben, die vielleicht leichter zur Verfügung stehen als vorher. Wahrscheinlich wird es auch eine Korrektur geben im Bereich Gehälter und im Bereich sozusagen Kosten. Das heißt, da wo man gerade so als Nicht-Digitalunternehmen vielleicht eher große Fragezeichen hatte, warum denn die Gehälter von irgendwelchen PRP und Java und JavaScript-Developern so weit über meiner IT-EDV-Abteilung Bandbreite, Kostenbandbreite sind, da wird man wahrscheinlich eher positiv überrascht sein und hat dann vielleicht als derjenige, der eben auch sein Employer-Branding, und das glaube ich, den entscheidenden Punkt hier nicht zerstört hat komplett, auch überrascht. Eher leichteren Zugang zu besseren Leuten mit mehr Auswahl. Das heißt also, achtet auf euer Employer Branding, achtet vor allem auf eure Messages und auf eure Kommunikation. Wenn ihr jetzt panisch reagiert, den Markt Signale sendet, jetzt alle 20 Bewerber anrufen und sagt, wir wissen nicht, was morgen passiert. und hier erstmal alles abbrechen, abbrechen, alle Brücken abbrennen. Das spricht sich rum. Das trägt nicht dazu bei, dass ihr sozusagen da euer Employer-Branding als First-to-go-Company aufrechterhaltet. Passt damit auf. Habt eine souveräne Kommunikation. Nicht leichtsinnig, aber souverän. Sprecht oft mit den Leuten. Gebt ihnen Feedback. Sagt, wir würden gerne in vier Wochen sprechen, acht Wochen sprechen. Und dann wird es wahrscheinlich sogar eher leichter sein, in die Digitaltour zu kommen als vorher.

Joel Kaczmarek : Gut, also wir lernen, in Krisen stecken in der Tat auch Chancen. Wir werden wahrscheinlich eine höhere Digitalisierung hinterher sehen. Es gibt immer noch marktbereinigende Effekte, die sich vielleicht auch positiv auswirken können. Und wer sich mit Darwin ein bisschen auseinandersetzt, Survival of the fittest heißt ja nicht der Stärkste überlebt, sondern derjenige, der sich am besten anpasst. Ich drücke allen Hörern hier da draußen, die unternehmerisch tätig sind, natürlich fest die Daumen. Und ich bin sicher, Boris auch, dass ihr euch alle gut angepasst bekommt und diese Krise hinter euch lasst, sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich. Lieber Boris, dir vielen Dank, dass du trotzdem, obwohl bei euch ganz viele Krisenmeetings sicherlich auch angesetzt sind, dir die Zeit genommen hast und dein Wissen geteilt hast. Dafür wirklich ganz herzlichen Dank und bleibt eigentlich gar nicht viel zu sagen, außer dass wir alle gespannt sind, wie es sich entwickelt und unser Bestes geben.

Boris Lokschin: Absolut, ja, vielen Dank da auch für die Einladung und bleibt alle gesund.

Mehr zum Thema

IT-Projektmanagement

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Digitalisierung: Sag hallo zu unserem Co-Moderator, dem Spryker-Gründer Boris Lokschin. Boris spricht mit Joel regelmäßig über IT-Projektmanagement und strategische Steuerung im IT-Bereich. Ob Startup oder Mittelständler in der Digitalisierung – in diesen Episoden erhältst du praxisnahe Lernanregungen und pushst deine eingestaubte IT-Beziehung zu einer wahren Tech-Romanze.