Die École hôtelière de Lausanne zur Digitalisierung der Gastronomie

14. Oktober 2020, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Gastro Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute, wie immer, ein sehr, sehr spannendes Thema, aber vor allem auch eine ganz tolle Institution, mit der wir heute diskutieren. Also, wir haben natürlich wieder einen spannenden Vertreter von der Metro dabei, beziehungsweise dessen Tochter, die sich mit den ganzen Digitalthemen beschäftigt. Und zwar ist das heute der liebe Frederik Schumacher. Den kenne ich schon sehr lange. Er hat auch ein Buch geschrieben, was ich euch da draußen allen empfehlen möchte. Es heißt Gastro Startup Berlin, wo er mit Berliner Gastronomen und Gründern viele Gespräche geführt hat. Also, wer sich für das Thema interessiert, dem sei dieses Buch sehr ans Herz gelegt. Und mit dabei ist auch der liebe Marc Stierand von der EHL. Die kennen sicherlich viele von euch, also eigentlich kommt man im Gastronomiebereich nicht daran vorbei. Das ist die Ecole Hotelier de Lausanne. IHL ist so das internationale Label, was man sich mittlerweile dort gegeben hat und ich glaube, es ist die Adresse, kann Fred und Marc aber gleich nochmal sagen, wenn es um den Bereich Gastronomie, Know-how, Wissen, Ausbildung und auch Studien geht, Daten, also das ist eigentlich so ein Epizentrum in Europa, was das angeht. So, da wollen wir natürlich heute lernen, was passiert an der IHL, also wie wird dort gearbeitet, was macht die Metro auch zusammen mit der IHL, gar nicht gedacht als Werbeveranstaltung, weil wir produzieren ja mit der Metro zusammen, sondern eher, weil dort wirklich tolle Dinge entstehen, Studien, Daten werden erhoben und und und und natürlich wollen wir dann gucken, was passiert mit der Branche insgesamt gerade. Also, wir werden drüber reden. was für Bewegungen gibt es, was für Trends, wie ist die Ausbildungsproblematik, was sicherlich viele, die selber Gastronomen sind und hier heute zuhören, interessiert, weil da tut sich sehr, sehr vieles. Und natürlich auch die Digitalisierung, weil in den Sphären, in denen Marc und Frederik teilweise unterwegs sind, da ist sogar mittlerweile schon überdigitalisiert, habe ich gehört. Also da bin ich sehr, sehr neugierig drauf. So, in diesem Sinne, erstmal herzlich willkommen, ihr beiden. Schön, dass ihr da seid. Hallo.

Frédéric Schumacher: Ja Joel, hallo auch von meiner Seite. Freue mich, heute mit euch darüber zu sprechen.

Joel Kaczmarek: Lieber Fred, du bist ja gefühlt das Trüffelschwein in Sachen Gastronomie. Also du kennst immer alles, du bist ganz nah dran. Sag mal ein bisschen was zu deiner Vita.

Frédéric Schumacher: Ja, eigentlich hat das ganze Thema Gastronomie bei mir sehr früh begonnen, weil ich bin halb Deutsche, halb Franzose. Aufgewachsen bin ich in Südamerika, bin sehr viel mit meinen Eltern gereist, das ganze Leben. Dadurch sind wir eigentlich permanent auch irgendwie immer mit verschiedenen Kulturen in Berührung gekommen und Kultur ist natürlich auch ganz stark Food. Somit habe ich schon klein auf irgendwo permanent viele Food-Kulturen, viele verschiedene Restaurants in vielen verschiedenen Ländern kennengelernt. Und long story short, so bin ich dann eigentlich auch zehn Jahre später selber in der Gastronomie und Hotellerie gelandet, hatte selber eigene Betriebe, habe dann in der Luxus-Gastronomie, Luxus-Hotellerie, Brenners Park Hotel, Borivage Palace etc., aber auch in ganz einfachen Skihütten. Ich habe zwei Saisons in den Schweizer Bergen in einem Restaurant in der Skihütte gemacht. Ich habe mehr oder weniger alles gesehen, bin dann aus der Hotellerie Gastronomie aktiv ausgestiegen, bin dann in die Para-Hotellerie, Para-Gastronomie Bin ich im Großhandel, bin dann für die Metro in verschiedenen Ländern, in verschiedenen Funktionen auch da um den Globus gezogen und habe dann natürlich schwerpunktmäßig auch wieder verschiedene Gastronomie- und Hotellerie-Konzepte kennengelernt. Also ich würde mal sagen, die letzten 25, 30 Jahre drehte sich so mein Leben um die Gastronomie, Hotellerie verbunden mit der Metro, Großhandel, aber immer im Schwerpunkt Hotellerie, Gastronomie.

Joel Kaczmarek: So, lieber Marc, jetzt zu dir. Du bist ja dann der perfekte Counterpart. Also ich glaube, das, was ich gerade über Fred gesagt habe, darf ich ganz wertschätzend auch über dich sagen. Du bist sozusagen auch in diesen Sphären unterwegs und beschreibe uns doch mal, was du genau machst an der IHL, wie du dazu gekommen bist, was so dein Background ist.

Marc Stierand: Ja, relativ ähnlich wie beim Fred auch. Also ich habe vor vielen Jahren eine Kochausbildung gemacht, damals in der Bilanzhöhe bei Vincent Klink. Ganz tolle Adresse, ganz tolle Lehren. Ich wollte dann wirklich irgendwo in der Branche bleiben. Ich wollte aber ein bisschen einen Schritt weiter gehen, und gehörte zum zweiten Jahrgang damals an der privaten Fachhochschule in Deutschland, damals die Fachhochschule Bad Honnef. Und das hat mir eigentlich einen relativ guten Grundstock gegeben, um einfach zu sehen, okay, was ist da auch an konzeptionellem, theoretischem hinter dieser ganzen Hospitality-Gastrobranche. Bin dann nach Australien gegangen für ein Jahr, um einfach mal an der Uni zu sehen, okay, wie ist so dieses ganze Dozentendasein, was bedeutet Research? Und was natürlich in Australien da sehr interessant war, es ist ein Land, das natürlich eine sehr, sehr kurze kulinarische Tradition hat. Und es war sehr interessant, wie eigentlich diese Melting Pot Kulturen eine ganz faszinierende Restaurantindustrie aufgebaut hat. Mit völlig neuen Geschmäckern, mit einer gewissen Leichtigkeit an die Sache herangeht. Wir wissen natürlich aus der französischen Hochküche, dass da sehr viele Regeln da sind. Da habe ich gesagt, okay, jetzt Die Branche gefällt mir, jetzt mache ich, dann muss ich es aber auch richtig machen und bin nach Schottland gegangen, an eine sehr gute Universität, University of Strathclyde und habe da mein Doktorat gemacht in Wirtschaftswissenschaften mit einem Thema, das es bislang damals nicht gab, das der kulinarischen Kreativität. Und ich habe da eine Reihe von den top europäischen Köchen besucht, befragt und habe da meine Arbeit drüber geschrieben. Und das verfolgt mich eigentlich bis heute, dieses Thema. Ich bin dann über Umwege, bin ich jetzt seit mehr als sieben Jahren an der IHL. Hier ist die richtige Balance zwischen Praxis und wirklich universitärem Niveau. Wir machen sehr viel Forschung. Wir haben dann Projekte. ein Institut gegründet, das Institute of Business Creativity. Und wir haben zwei Studien angelegt für die Metro. Das erste war eine qualitative, wo wir über 50 Tiefeninterviews die deutsche Gastroszene befragt haben über den Ausbildungsstand. Und das wurde dann weitergeführt mit einer quantitativen Forschung, die das einfach dann nochmal numerisch untermauert.

Joel Kaczmarek: Bevor wir jetzt mal rausschälen, was Gastronomen quasi von der EHL alles mitnehmen können, kannst du nochmal sagen, was alles so euer Portfolio ist, euer Spektrum? Also seid ihr quasi eine Ausbildungseinrichtung? Du hast gerade gesagt, ihr macht Research. Was genau passiert alles unter eurem Dach?

Marc Stierand: Also wir sind formell eine, was man in Deutschland eine Fachhochschule nennen würde. Vom Charakter her sind wir wahrscheinlich eher eine, was die Franzosen wahrscheinlich ein Grand Decol nennen. Also eher eine Business School, die eben nur fokussiert ist auf den Service und Hospitality Bereich. Also man bekommt einen Bachelor of Science, also einen wirklichen akademischen Bachelorgrad. Das ist natürlich unser Steckenpferd, da sind die meisten Studenten. Wir haben aber jetzt auch einige sehr, sehr interessante Masterprogramme mit verschiedenen Masterabschlüssen. Und Forschung ist natürlich insofern wichtig, weil wir jetzt seit ungefähr zehn Jahren natürlich auch viele Fakultätsmitglieder gewonnen haben, die ein Doktorat haben und die natürlich interessiert sind, auch die Forschung voranzutreiben, weil das natürlich auch irgendwo ihre Reputation, ihre individuelle Reputation dann unterstützt. Und da ist ein sehr gutes Klima hier. Studenten werden unterstützt, ihre Dissertation und ja, es ist universitäres Niveau, aber eben sehr, sehr fokussiert auf den Hospitality und Service- Und wie sehen so eure Brücken zur Wirtschaft aus?

Joel Kaczmarek: Also du hast eben von der Metro erzählt. Was macht ihr da sonst noch so? Macht ihr irgendwie auch Beratung? Was muss ich mir da so vorstellen?

Marc Stierand: Also wir am Institut, wir machen Beratung im Sinne nicht der herkömmlichen Beratung, aber wir haben im Grunde angefangen mit dem Hintergedanke, dass die Wirtschaft sehr, sehr oft über das Thema Innovation spricht. Das ist auch verständlich, weil Innovation ist im Grunde ein Resultat. Das ist etwas, wo eine Firma damit auf den Markt gehen möchte und erfolgreich sein möchte. Aber was ganz, ganz oft vergessen wird, ist, was brauche ich eigentlich, dass Innovation entsteht? Und das ist die Kreativität. Und wir bieten im Grunde an, für Firmen ist konzeptionelle Entwicklung von neuen Projekten. Wir machen Kreativitätsworkshops in Firmen. Im Grunde alles, das so ein bisschen unmessbar ist und wo sich vor allem große Firmen schwer mittun durch die, sagen wir mal, höhere Strukturierung in so einer großen Firma. Da kommen wir rein und wir können da wirklich behilflich sein, Teams aufzubauen, die einfach vielleicht anders arbeiten, anders denken und auch die Hemmschwelle verlieren, dass Fehler mit dazugehören, wenn man kreativ arbeiten möchte.

Joel Kaczmarek: So, und was mich jetzt noch interessieren würde, ist, wenn ich jetzt als Gastronom hier zuhöre oder Gastronomin, was kann ich bei euch rausziehen? Weil das ist ja jetzt typischerweise nicht die Schlaggröße, die mit der EHL kooperieren würde, wenn ich jetzt ein einzelnes Restaurant habe. Aber habt ihr trotzdem Inhalte, wo ich auch als Gastronom mir zum Beispiel Sachen irgendwie aneignen kann? Oder habt ihr Dinge, wo ich als ganz normaler Restaurantbetreiber von Nutzen ziehe?

Marc Stierand: Ja, wir haben natürlich unsere freizugänglichen Publikationen. Das sind keine akademischen Publikationen im herkömmlichen Sinne. Und dann natürlich alles, was wir zusammen mit der Metro generieren. Das ist wirklich gedacht für den Einzelgastronomen, der jetzt vielleicht nicht das Budget hat, sich eine große Consulting-Forma zu leisten, sondern wo es um relativ einfache Basics geht. Also wie gesagt, da wird der Fred ja auch nochmal was wahrscheinlich dazu sagen. Die Gastrobranche ist ja wirklich ein Paradies. Da gibt es ja eine unheimliche Vielfalt an Gastronomen. Von dem Hochprofessionellen, der vielleicht drei, vier Restaurants begleitet, zu einem, sagen wir mal, Semi-Amateur, der gesagt hat, du, ich habe schon eine Karriere gehabt, jetzt mache ich mal ein kleines Restaurant auf, weil das war immer so mein Traum. Und da sich irgendwie so anfängt, das zu verstehen, aber ohne vielleicht einen professionellen Hintergrund. Und das ist eine riesen Spannbreite und viele dieser Leute sind eben auch Kunden der Metro und für die haben wir eben diese Forschungsprojekte auch mit aufgestellt.

Joel Kaczmarek: Fred, kannst du es mal ein bisschen spezifizieren? Also wie gesagt, ist ja gar nicht so unser Ziel, jetzt hier Werbeshow zu machen, aber ich glaube, ihr macht halt viele Dinge, die für Gastronomen, die diesen Podcast hören und Gastronominnen interessant sein könnten. Also was ist genau da entstanden so in eurer Zusammenarbeit?

Frédéric Schumacher: Vielleicht kann ich mal Was wir hier noch gar nicht erwähnt haben, der Marc hat es indirekt erwähnt, eines muss man hier sagen, die ÖHL oder Ecolotulere Lausanne ist ja mit Abstand die älteste Institution der Welt, seit über 125 Jahren. Und das muss man einfach mal sagen, wir haben natürlich auch einen Erfahrungsschatz, dass halt wirklich alles zu spät ist. Seit über 125 Jahren in der Gastronomie unterwegs. Schwerpunkt Hotellerie unterwegs, die ganzen Entwicklungen von X-Generationen mitgemacht, viele Top-Manager, aber eben auch Unternehmer, die ein, zwei Restaurants haben, die dort selber auch studiert haben oder die ihre Kinder dorthin schicken. Warum? Vielleicht auch da nochmal kurz was dazu. Also ich bin, bevor ich nach Lausanne gegangen bin, habe ich mein Vordiplom in BWL in Bayreuth gemacht. Da hatte ich übrigens auch zwei Läden im Gastbüro. Natürlich nebenbei als Student hatte ich die damals hochgezogen. und als ich dann danach los angegangen bin, das ist halt eine komplett andere Nummer. Das ist, wie der Marc gesagt hat, das ist eine Business School schwerpunktmäßig auf Gastronomie, Hotellerie ausgelegt, sehr präzise. praxisorientiert, Pflichtpraktika, klingt jetzt hart, ist aber überhaupt gar nicht so, weil die Studenten auch deshalb dorthin gehen, weil jemand, der, sage ich mal, sehr praxisorientiert ist, wird sich dort sehr, sehr wohl fühlen, ohne dass der akademische Bereich halt zu kurz kommt. Also ganz im klassischen Sinne ein wirklich top Business School. Und das macht eben Lausanne auch einzigartig, würde ich einfach sagen, in dieser Landschaft. Nochmal ganz kurz zu der Geschichte. Der Marc hatte ja den zweiten Teil der Kooperation, der Partnerschaft mit der Metro ein bisschen erzählt jetzt oder näher erläutert. Wie kam das denn eigentlich überhaupt zustande? Also vor vier, fünf Jahren kam unser Vorstandsvorsitzende von der Metro, der liebe Olaf Koch. auf die grandiose Idee zu sagen, Mensch, wir machen im klassischen Großhandel, in der Gastronomie, Hotellerie, sind wir einer der führenden Großhändler in der ganzen Welt. Und das ist auch alles super. Aber das Thema Innovation und Digitalisierung ging damals los. Und ich würde sagen, der Olaf hatte einfach den Weitblick, dass er gesagt hat, Mensch, auch in der Gastronomie wird das Thema Digitalisierung bestimmt salonreif werden. Und genau das ist ja auch passiert. Und wir haben dann ganz pragmatisch eine kleine Entity aufgebaut, das hieß erst Innovation. Und aus dem Innovation haben wir relativ schnell die Hospitality Digital gemacht, weil wir einfach gemerkt haben, dass das ganze Thema Innovation doch auch sehr stark in Verbindung mit Digitalisierung war. Das heißt, sämtliche Projekte, die wir so auf den Schreibtisch bekommen haben, da drehte es sich eigentlich um 80 Prozent um digitale Projekte. Darf man eines nicht vergessen, ne? Damals ging das alles los hier mit Delivery Hero und die ganzen Buden, die damals angefangen haben mit der Belieferung, die Quandus, die Open Tables, Reservation Systeme etc. etc. Das war ja, eigentlich ist das gar nicht so alt und das war in dieser Phase, als das losging. Und als wir in der Metro gesagt haben, gut, wir stützen uns auch in dieses Abenteuer, haben wir gesagt, jetzt wäre es aber erst mal auch sehr schön zu wissen, was halten denn eigentlich diese ganzen Gastronominnen und Gastronomen davon, beziehungsweise wie denken deren Kunden und wie denken sie selber über das Thema Digitalisierung? Nochmal, man darf nicht vergessen, das ist jetzt schon vier, fünf Jahre her. Im Zeitalter Digitalisierung sprechen wir da von Jahrzehnten. Und tatsächlich war das dann so, dass ich gesagt hatte, ich selber habe in Lausanne studiert, hatte immer zu Lausanne eine sehr gute Beziehung, weil ich auch für andere Firmen mit Lausanne was gemacht hatte. Und dann haben wir relativ pragmatisch, haben wir uns da an den Tisch gesetzt und haben gesagt, Wir würden sehr gerne eine Partnerschaft zusammen aufbauen und in einem ersten Schritt würden wir sehr gerne digitale Verhalten von Restaurantbesitzer, aber auch deren Endkunden in fünf verschiedenen Ländern analysieren. Das waren vier Länder in Europa gewesen und Japan in Asien. Da hat die ÖHL dann eine super Arbeit geleistet und das Endergebnis letztendlich, auch wenn das dann halt über 200 Seiten starkes Dokument ist oder war, wussten wir dann, okay, alles klar, in diesen fünf Ländern ist das Thema der Digitalisierung sehr weit fortgeschritten, überhaupt nicht fortgeschritten, mittelfortgeschritten oder wie auch immer. Und das war für uns sehr, sehr wichtig, das zu verstehen. Weil das hat uns natürlich dann auch in der Ausrichtung für die Hospital Digital geholfen, dass wir gesagt haben, gut, okay, in den und den Bereichen in der Gastronomie herrscht wirklich Handlungsbedarf. Und deshalb haben wir dann auch mit diesen Bereichen angefangen, die Digitalisierung voranzuschreiben. Also ein Beispiel. Das Thema Reservation, also dass du als Endkunde irgendwo in einem Restaurant über eine App einen Tisch reservieren kannst oder dass ein Restaurantbesitzer seine eigene Website kreieren kann, haben wir gemerkt, da ist großes Potenzial vorhanden. Also haben wir dann in der HD selber damit angefangen, auch diese Tools zu entwickeln. Das so mal ganz grob ausgedrückt, was der erste Teil der Partnerschaft war, damals noch unter einem anderen Professor oder unter einer anderen Professorin. Das war der erste Teil der Partnerschaft. Und dann das, was der Marc erzählt hat, was wir jetzt im zweiten Teil machen, nämlich Deutschland zu verstehen, was können wir machen, um den Bereich bzw. die Berufe in der Gastronomie attraktiver zu gestalten. Was muss gemacht werden? Und eines darf man nicht vergessen, Großteil dieser ganzen Studie war ja auch noch vor Corona. Ich glaube, wir werden da auch noch drüber sprechen. Corona hat ja ohnehin alles fundamental verändert.

Joel Kaczmarek: Dann lasst uns mal Butter bei die Fische bringen. Also wir feiern uns jetzt ein bisschen ab. Das ist okay, aber jetzt wollen wir hier Ergebnisse hören. Was waren denn so eure Befunde? Also wenn ihr jetzt heute mal auf Gastronomie guckt. Was ist dann quasi Status Quo im Bereich Digitalisierung? Weil was ich ja von Marc so in unseren Vorgesprächen gelernt habe, ist, dass ja einige Bereiche sogar richtig schon überdigitalisiert sind. Da würde mich immer interessieren, was ich mir darunter vorstellen muss.

Frédéric Schumacher: Es gibt so gewisse Bereiche, das sieht man auch, wo sich alle eigentlich rumtummeln. Also ich habe es gerade auch schon mal ein bisschen angesprochen. Das Thema der Reservierungen, das ist natürlich so eine Sache, wo sich sehr viele Firmen reingewagt haben. Das ganze Thema Belieferung, also die Lieferandos dieser Welt und wie sie alle heißen, die da versuchen, den Gastronomen irgendwo massiv abzuschröpfen mit irgendwelchen Tools, wie man denen irgendwie was verspricht. eigentlich nachher bleiben sie auf ihren Kosten sitzen, hat ihnen nicht allzu viel gebracht. Und das ist da, wo wir versuchen, in der HD auch tatsächlich gegenzusteuern. Also wir haben vor vier Jahren, vor fünf Jahren, als wir diese Interviews gemacht haben, war es sehr interessant, Joel, dass wir gemerkt hatten, nach dem Motto, oh Gott, sind wir hier eigentlich komplett richtig, weil das Thema der Digitalisierung, also ich spreche jetzt von den small independent, von den unabhängigen kleinen Gastronomen, also das Ein-Fünf-Mann-Restaurant, ein Familienbetrieb etc., die haben vor fünf Jahren, hatten die das Thema Digitalisierung tatsächlich noch nicht richtig auf dem Schirm. Und zwar wirklich mehr oder weniger in all diesen fünf Ländern. Da gab es Länder wie Spanien, Frankreich, die waren etwas fortgeschrittener, die Japaner lustigerweise waren komplett hinten dran. hat die alles irgendwo gar nicht interessiert. Schnitt fünf Jahre später, unglaublich, was sich getan hat. Und Corona hat das Ganze beschleunigt. Die Menschen, die heute in der Gastronomie unterwegs sind und die jetzt auch nach Corona weitermachen, die haben natürlich begriffen, dass es ohne Digitalisierung gar nicht mehr funktioniert. Und das hat auch Gründe, weil Die Digitalisierung hilft ja den Gastronominnen und den Gastronomen im Alltag, ihr Geschäft einfach wesentlich effizienter gestalten zu können. Und da muss man einfach vielleicht die Gastronomie etwas besser verstehen und da müsste man jetzt sehr ins Detail reingehen. Ich sage es mal so, was vor 10, 15 Jahren in der Gastronomie möglich war, weil da auch vielleicht das Finanzamt das eine oder andere auch zum Teil zugedrückt hat, Das ist heute nicht mehr möglich. Deshalb hat sich auch in der ganzen Kassenlandschaft zu viel getan. Wenn du heute in der Gastronomie unterwegs bist, musst du ein finanzankonformes Kassensystem haben. Das heißt, das ganze Thema Schwarzgeld ist eigentlich auch gar nicht mehr machbar. Nichtsdestotrotz kann man in der Gastronomie immer noch viel Geld verdienen, aber ich muss es halt anders machen. Es hat sich verändert. Und diese Veränderung kam eben, beziehungsweise die Digitalisierung kann diese Veränderung und wird diese Veränderung unterstützen, weil ich als Gastronom heute halt einfach ein bisschen anders agieren muss, als dass ich das vielleicht vor zehn Jahren gemacht habe. Eigenes Beispiel, tatsächlich eigenes Beispiel. Als ich meine Restaurants hatte, da hast du halt einfach mal vergessen, irgendwo ein Bier zu bonieren oder dann kam ein Freund und dann hast du halt einen Schnitzel ein bisschen größer gemacht. Das Geld kam irgendwie immer wieder rein. Das ist heutzutage gar nicht mehr möglich. Du musst einfach schauen, dass du deinen wahren Einsatz, dass du die ganzen Kosten im Griff hast. Und das heutzutage ohne digitalen Tools, das ist sehr schwer, das zu machen.

Joel Kaczmarek: Marc, wie siehst denn du das? Beschreib mal so deine Sicht darauf. Also du, das ist ja quasi dein täglich Brot, dich auch mit Wissen und irgendwie Daten dazu beschäftigen. Ist das ähnlich? Also nimmst du das auch so wahr, wie Fred das jetzt gesagt hat für die Einzelgastronomen?

Marc Stierand: Technologie im Allgemeinen. Und ich würde jetzt einfach mal mich da ein bisschen aus dem Fenster lehnen und sagen, wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren, fünf Jahren vielleicht noch nicht, aber in den nächsten zehn Jahren, und das wurde natürlich angetrieben durch Covid-19 auch, sehen wir wahrscheinlich weit über 80 Prozent der Restaurants, die ganz anders betrieben werden in zehn Jahren, wie sie heute betrieben werden. Das bedeutet, wir werden viel, viel mehr Roboter zum Beispiel sehen in den Küchen und das hat ganz, ganz verschiedene Gründe. Ein Grund ist sicherlich einer, der jetzt natürlich aus unserer Forschung auch ganz, ganz klar rauskam und ich glaube einfach, ohne dass ich jetzt die Daten habe, weil die noch nicht erhoben sind, dass andere europäische Länder da viel anders aussehen wie Deutschland. Wir haben einfach keinen Nachwuchs mehr. Wir haben keinen Nachwuchs mehr, der das Handwerk des Koches oder auch des Restaurantfachmanns, Fachfrau von der Pike aufgelandet hat. Heute sprechen wir mit Herstellern von Gastroherden zum Beispiel, die ein ganz anderes System aufbauen, weil du Zum Beispiel in Deutschland ein ganz großes Thema, da werden wir jetzt auch noch ein bisschen näher drauf schauen, die ganzen Refugee and Migrants. Das ist natürlich eine auf der einen Seite ganz, ganz tolle Sache für die Gastronomiebranche, weil da Leute da sind, die gewillt sind zu arbeiten, die wirklich wissbegierig sind. aber auf der anderen Seite natürlich auch oft von einer ganz, ganz anderen Kultur kommen. Und wenn ich da natürlich mit diesem klassisch französischen Ausbildungsframework komme, das verstehen die natürlich nicht. Ist ja klar, würden wir ja auch nicht verstehen. Und das hat zum Beispiel ganz simple Auswirkungen, wenn ich heute einen Gastroofen einbaue. Da geht es nicht mehr darum, großartig, was für eine Temperatur stelle ich jetzt da ein oder wie viel Prozent von Dampf mache ich dazu, sondern da sehe ich 1, 2, 3, 4 und 4 ist halt der Rochebraten mit Spätzle, der auf der Platte steht und dann stelle ich das da rein, drücke 4 und dann ist es fertig. Ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber im Grunde sind wir da nicht weit davon entfernt. Und wie gesagt, das sind verschiedene Gründe, weil uns einfach die Leute fehlen und weil auch auf der anderen Seite jetzt wahrscheinlich mit Covid und so weiter und die langen Arbeitszeiten und auch die Preise, die natürlich systematisch kaputt gemacht wurden im deutschen Gastronom über Jahre hinweg. Wir sehen, wenn wir natürlich Maschinen einsetzen, haben wir einige Probleme weniger, weil so eine Maschine wird halt nicht krank und ist wahrscheinlich über längere Sicht auch billiger. Auf der anderen Seite, was ich denke, was wahrscheinlich noch stärker rauskommen wird, da haben wir ja schon gesprochen, gewisse Anzeichen gesehen mit der ganzen Kochshows im Fernsehen und dieser Erhöhung des Kochs Jamie Oliver und so weiter als fast Rockstars, dass es wahrscheinlich eine Crème de la Crème gibt, wo wirklich das Handwerk wieder auf einem totalen Top-Level praktiziert wird und auch erlernt wird. Aber das ist wirklich eine Minorität. Das werden ganz wenige Player sein. Das Gros der Gastronomie muss sich wirklich umstellen, weil diese Dinge, die haben natürlich ein einen sofortigen Einfluss auf Preis, Profitspanne und so weiter. Und ich glaube, uns wird da die Arbeit nicht ausgehen.

Joel Kaczmarek: Aber verstehe ich dich jetzt richtig, dass wirklich so Individualgastronomen, dass deine These ist, in zehn Jahren werden die quasi so Robo-Köche haben, so nach dem Motto, oder Hardware, die in so eine Richtung wie Thermomix gehen, dass quasi dann Gerichte von Maschinen gekocht werden. Also normalerweise hätte ich ja sowas bei Systemgastronomen gedacht, aber gar nicht so sehr bei Einzelgastronomen.

Marc Stierand: Es wird natürlich immer noch einen Markt geben für Individualgastronomen, natürlich, klar. Aber die große Masse, da bin ich davon überzeugt, Technologie wird da wirklich Einzug erhalten in den nächsten Jahren und in zehn Jahren, ich habe jetzt wirklich zehn Jahre in die Zukunft geschaut, sind wir wahrscheinlich nicht weit weg von diesem Bild, das ich gerade versucht habe zu zeichnen. Bin ich davon überzeugt, weil es einfach unheimliche Vorteile hat, wenn ich davon ausgehe, dass ich im Grunde keinen Nachwuchs mehr habe, den ich einstellen kann. Weil wenn ich einen Ungelernten einstelle, der vielleicht in zwei Wochen wieder weg ist und ich viel Geld investieren muss ins Einlernen und dann aber vielleicht das Qualitätsniveau nicht konstant immer auf dem Level ist, wo es sein sollte und es werden Maschinen entwickelt, die mir das bieten, ist glaube ich die Entscheidung relativ einfach.

Frédéric Schumacher: Krass.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, Fred, wie ist das denn so heute? Du hast ja schon mal eingerissen. Also wir hatten jetzt irgendwie Table Booking als ein Thema, wir hatten Lieferungen. Was sind sonst Bereiche, die jetzt schon maschinell oder softwareseitig im Restaurant, also auf technische Art umgesetzt werden? Vielleicht kann man es so zusammenfassen. Hast du so ein Cluster, wo du sagst, folgende Sachen, was ich auch frisch halte, Geschichten, Datenerhebung, Menükalkulation, was gibt es denn da alles? Was ist sozusagen Fokus?

Frédéric Schumacher: Ja, da gibt es eigentlich, kann man rein theoretisch wie in jedem anderen Bereich, könntest du ja jeden Prozess digitalisieren. Jetzt muss man sich, das haben auch viele Startups irgendwann mal gemacht. Viele von diesen Startups gibt es heute gar nicht mehr, weil die gedacht haben, ich digitalisiere jetzt einen Bereich in der Gastronomie, der sich einfach per se nicht digitalisieren lässt, weil der Aufwand viel zu groß ist für einen Gastronomen. was ich dann hinterher damit tatsächlich rausholen kann. Aber du hast es gerade angesprochen, wenn man davon ausgeht, dass in der Gastronomie, ich spreche Gastronomie, nicht Hotellerie, in der Gastronomie gibt es eigentlich drei große Kostentreiber. Das ist das ganze Thema Personal, das, was der Markt jetzt sehr lange gerade angesprochen hat. Und Personal ist halt definitiv mit Abstand das Allerwichtigste. Dann hast du den ganzen Wareneinsatz, also was wir Food and Beverage Costs nennen. Ein Schnitzel kostet auf die Speisekarte 15 Euro, 5 Euro hat der Gastronom für die Kartoffeln, für die Zubereitung und das ist, was man den Waren 1 hat, den Einstandspreis sozusagen. Und dann habe ich als Gastronom, natürlich muss ich ja noch irgendwo meine Küche haben oder mein Lokal, das heißt die Pacht. Und Miete oder whatever, das ganze Thema der Immobilie. Das sind die drei großen Kostentreiber. Normalerweise ist es halt so, dass du ja wie dein Zuhause entweder hast du die Wand oder das Lokal gekauft, dann hoffentlich und hoffentlich auch schon mehr oder weniger abbezahlt, dann ist es nicht ganz so dramatisch. Aber normalerweise hast du eine Miete oder eine Pacht. auf längere Jahre abgeschlossen. Das heißt, auch da großartig, wenn du mal den Vertrag unterzeichnet hast, da nochmal zu verhandeln, ist eher eine Wunschvorstellung. Also, wo kannst du tatsächlich als Gastronom irgendwas bewirken? Das ist beim Einwareneinsatz, wie ich gerade erklärt habe, und natürlich beim Personal, wie das auch der Markt erklärt hat. So, jetzt ist es natürlich ganz einfach, wenn ich als Wirt irgendwo jetzt auch noch mit Covid-19 konfrontiert werde, Dann wird es ja noch dramatischer, das Ganze. Und was man ja sehr häufig jetzt auch gesehen hat, Covid-19 hat es noch verstärkt. Das habt ihr bestimmt auch schon gesehen, wenn ihr jetzt neulich mal wieder in einem Restaurant wart. Vor Covid-19 war die Karte zum Teil, zumindest in all den Restaurants, in denen ich wieder war, war die davor viel größer gewesen, als dass sie jetzt ist. Ist ja auch vollkommen logisch. Wenn ein Wirt davor zehn Gerichte hatte und heute fünf, dann macht er das ja nicht irgendwie so, weil er sagt, ich mache jetzt einfach weniger, sondern das hat ja einen Grund. Grund ist, dass weniger Leute kommen. Er muss weniger einkaufen oder sollte auch weniger einkaufen, weil ansonsten wandert der Rest in die Mülltonne und dann hat er halt schon wieder irgendwo Geld verloren. Das sind die Bereiche, wo dann halt eben auch so Geschichten wie das Menü-Kit, das ist einer der Softwares, die wir gebaut haben in der HD, in der Hospital Digital. Das Menü-Kit ist eine Software, rechnet dir eigentlich deinen Wareneinsatz aus, optimiert deine Speisekarte und sagt dir auch, Junge oder Mädel, du kaufst hier zu teuer ein oder deine Portionen sind viel zu groß im Gegensatz zu was dein Verkaufspreis ist. Du musst hier optimieren. Und da hat eine Gastronomin oder ein Gastronom viel Spielraum und kann da auch tatsächlich seine Kosten optimieren. Das sind so ein paar Tools. Oder ein Cockpit. Das ist ein Management. Ich sage mal, ein Cockpit ist ein Dashboard. Da hast du als Gastronomin oder als Gastronom siehst du deine fünf, sechs, sieben wichtigsten Kennzahlen drauf. Das haben wir auch gebaut. Sieht die Daten aus dem Kassensystem, was du in deinem Restaurant hast. daraus hast, arbeitet diese Kennzahlen auf und du hast zu jeder Tages- und Nachtzeit, je nachdem, wenn dein Betrieb geöffnet ist, hast du immer den Status Quo und siehst immer zur Minute X, wie es um dein Restaurant gerade steht. Warum ist das so dermaßen wichtig? Als Beispiel. Angenommen, du hast einen Kaffee in Berlin und du bist spezialisiert auf Frühstück und Business Lunch. Du schaust um 11 Uhr in dieses Cockpit rein und dann sagt dir das, lieber Joel, um 11 Uhr hast du erst 25 Cappuccinos verkauft. Eigentlich solltest du schon bei 50 Cappuccinos sein. Und dieses System ist praktisch so ein Frühwarnsystem und du als Gastronom hast hinterher noch die Möglichkeit zu reagieren. Ein normales Kassensystem sagt dir abends um 23 Uhr, lieber Joel, du hast 25 Cappuccinos verkauft, nützt dir dann auch nichts mehr, weil du überhaupt gar nicht mehr reagieren kannst. Du kannst gar keine Verkaufsaktionen mehr starten, um dann tatsächlich den Tag noch zu retten. Und das sind solche intelligenten Tools, wo ich frage, wie die Digitalisierung unheimlich unterstützt, unheimlich hilft, werden die Tools sein, die sich auch in der Digitalisierung dieser Branche absolut übersetzen werden.

Joel Kaczmarek: Ich fand interessant, was du gerade gesagt hast, dass es eigentlich drei große Achsen gibt, auf denen man Kosten sparen kann, also Wareneinsatz, Personal, Miete und Infrastruktur. Aber das ist ja alles sozusagen auf Kostenreduktion oder Optimierung angedacht. Was ist denn sozusagen mit der anderen Seite, mit Wachstumsoptimierung? Also nicht sozusagen die Downside optimieren, sondern die Upside. Also ich sage mal Marketing, Angebote, Tischauslastung, solche Geschichten.

Marc Stierand: Ich würde immer ein Unterstützer eines Wachstumsapproaches sein. Da muss man natürlich aber wissen, was ist der Wert, den ich generieren kann. der mir den Wachstum auch bringt. Und wie gesagt, es gibt sehr viele herausragende Beispiele in der Gastronomie. Leute, die wirklich viel für die Branche getan haben, für die Industrie getan haben, die hochprofessionell sind. Es gibt aber natürlich auch viele Betriebe, wo, sagen wir mal, das Restaurant oder das kleine Café oder was auch immer eher auf einem Amateurlevel betrieben wird. Und wo natürlich solche Fragen Wertgenerierung wahrscheinlich vielleicht nicht mal im Raum stehen. So, was passiert mit diesen Gastronomen? Und da müssen wir einfach schauen, was auch die Digitalisierung, die ganze Wandlung jetzt in unserer Welt, was mit solchen Betrieben passiert. Und zum Beispiel das Thema, du hast es gerade angesprochen, Joel, Marketing. Wir wissen, dass der alte Marketingansatz im Grunde in jeder Industrie fast nicht mehr existiert. Also ich bin ein großer Fan von Büchern von Seth Godin und ein relativ altes Buch, Purple Cow, Are You Remarkable? Ich glaube, die einfachsten Fragen, die Grundfragen sind einfach immer die allerwichtigsten für jeden Unternehmer, egal wie groß das Unternehmen ist. Am I remarkable? Oder kopiere ich nur, was jeder andere kopiert? Wenn ich eine Pizzeria aufmache und einfach nur eine durchschnittliche Pizza produziere und sonst nicht viel anderes auf der Karte habe, ja wie soll ich denn da eigentlich konkurrenzfähig bleiben? Also ich würde immer sagen, wenn ich das Risiko eingehe und eine Pizzeria aufmache und einen Pachtvorteil unterschreibe, über manchmal 10, 15 Jahre, dann übe ich aber so lange, bis ich weiß, ich mache die beste Pizza in der Region. Das ist einfach oft was, wo es einfach noch ein bisschen hakt. Und das macht, glaube ich, die Branche so interessant, aber auch so unheimlich schwierig.

Frédéric Schumacher: Wenn ich da noch was ergänzen darf, lieber Marc, lieber Joel. Ich denke, was auch ganz massiv und extrem kommen wird in Zukunft, wenn ich als Mensch entscheide, in die Gastronomie von morgen zu gehen. Covid hat natürlich noch viel mehr verändert, aber nicht nur Covid. Das ging schon davor los, weil wir gerade die Marketingaktivitäten angesprochen haben etc., Ganz pragmatisches Beispiel auch hierzu. In der Vergangenheit, wie lief das denn eigentlich? Manchmal muss man so einen kleinen Schritt in die Vergangenheit machen. Wie lief denn eigentlich die Gastronomie? Also wenn wir irgendwo in einen Laden reingelaufen sind, dann sind wir doch da reingelaufen früher, heute, weil wir mehr oder weniger irgendwo irgendwie mal mitbekommen haben, dass es dieses Restaurant gibt oder die Kneipe. So Mund zu Mund. Ja. So ist es ja gelaufen. Ich denke mal, der Gastronom von heute und von morgen, der muss umdenken. Ich sage das denen auch immer. Ich bin ja auch Mentor und ich coache ja auch junge Unternehmer, die in der Gastro Fuß fassen wollen. Ich sage, Leute, eigentlich seid ihr auch schon die totalen Marketler. Ihr müsst schauen, in eurem Kiez, in dem ihr unterwegs seid oder in dem Stadtteil, wo ihr unterwegs seid, da müsst ihr bekannt werden. Das ist genau das, was der Marc gerade gesagt hat. auf dieses Buch hingewiesen hat, das ist, was ein Gastronom, eine Gastronomin heute einfach auf dem Schirm haben muss. Also wenn wir drei jetzt morgen entscheiden, wir machen im Düsseldorfer Norden ein Restaurant auf, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Bevölkerung, die im Düsseldorfer Norden lebt, auch Bescheid weiß, dass wir den Laden dort aufgemacht haben. Warum ist das auch so wichtig? Nämlich das, was ich vorhin angesprochen hatte, wegen diesen Lieferungsgesellschaften auch hier. die immer irgendwo dir alles versprechen und sagen, du, ich fahre dein Essen in der ganzen Geschichte rum und dank mir wirst du mehr verkaufen etc. Das ist doch die komplette Unwahrheit. Ich muss doch vermeiden, dass ich überhaupt in diese Situation reinkomme. Und wie vermeide ich das, dass ich auf diese Gesellschaften angewiesen bin, in denen ich dort bekannt bin? Weil wenn wir in Düsseldorf im Norden unser Laden aufmachen und in Düsseldorf im Norden bekannt sind, dann kommen die Leute eben auch zu uns und holen das Essen ab. Oder aber wir können selber in unserem Kiez, in unserem kleinen Bereich uns so organisieren, dass wir dort auch hinliefern können. Und da gibt es viele Gastronomen, die machen das total richtig. Aber es gibt leider viele, die haben das noch nicht so richtig auf dem Radar. Und das muss einfach jeder Gastronom auf dem Radar haben, wenn er überleben möchte. Also bekannt zu werden in seinem Bereich, wo bin ich, Was kann ich selber als Unternehmer machen, dass ich bekannt bin in dem Bereich, wo ich halt auch bin? Das ist sehr, sehr wichtig.

Marc Stierand: Absolut. Ja, Fred, da hast du absolut recht. Und ich denke auch, dass das oft oder zumindest kommt es so rüber und ich denke, es entspricht auch oft der Wahrheit, dass da eine gewisse Verzweiflung auch dahinter steckt. Weil man einfach sagt, dann gehe ich halt den Weg, weil dann kommt zumindest ein bisschen Geld rein. Aber wenn ich halt einmal den Weg gegangen bin, dann komme ich da halt ganz schlecht raus. Das Gleiche ist natürlich auch im Accommodation, im Hotelbereich. Also was ich heute immer mache, ist, ich suche mir ein Hotel raus auf den großen, bekannten Plattformen. wenn ich irgendwo hinfliegen muss. Und dann suche ich in Google, das dauert ja zwei Sekunden, dass ich die Telefonnummer von dem Herrteil rausfinde. Und dann rufe ich da persönlich an. Weil dann habe ich eine ganz andere Beziehung. Und jedes Mal bekomme ich einen besseren Preis. Jedes Mal. Die sind glücklich, ich bin glücklich und die wissen meinen Namen und ich weiß deren Namen. Und alles ist gut.

Frédéric Schumacher: Marc, das ist eine super Sache. Vielleicht sollten wir das hier an alle Zuhörerinnen und Zuhörer Bitte macht euch die Mühe und ruft in Zukunft einfach immer direkt beim Gastronomen, bei der Gastronomin, beim Gastronomen im Hotel an und macht das nicht über diese ganzen anderen Gesellschaften, die es da gibt, sondern ihr könnt am allermeisten der Branche helfen, indem ihr dort direkt anruft.

Marc Stierand: Und natürlich auch für den Nicht-Profi-Gastronomen. Vielleicht haben Sie sich das nicht immer alles überlegt. Wenn ich natürlich mein Essen, das vielleicht meine Küche gut verlassen hat, zu dem Qualitätslevel, wie ich mir das vorstelle, in die Hand gebe, zu einer Delivery-Format. Ich weiß ja gar nicht, wie das Ding ankommt. Jeder Sternekoch, den wir uns alle immer reinziehen im Fernsehen, würde nie erlauben, dass ein Teller seinen Pass verlässt, ohne dass er oder sie darüber geguckt haben. Und im Grunde machen die Gastronomen das in dem Punkt, wenn sie sagen, hier, nimm es mit und dann lieferst du es an dir und die Adresse. Ich weiß ja gar nicht, was da passiert.

Joel Kaczmarek: Also lerne ich von euch beiden jetzt aber, dass diese ganzen Lieferplattformen, die an den Börsen dieser Welt eigentlich sehr prominent bewertet sind, für den Gastronomen nicht funktionieren.

Frédéric Schumacher: Funktionieren, Joel, ja. Aber die armen Gastronomen und der arme Gastronom, die bleiben auf brutalen Kosten sitzen. Das ist ja Wahnsinn, was diese Gesellschaften, die du gerade erwähnt hast, an Kommissionen irgendwo den Gastronomen aus der Tasche ziehen können. Ich weiß nicht, wie es euch geht. Ich habe überhaupt gar keine Lust, irgendwann mal in drei, vier, fünf Jahren nur noch von der Systemgastronomie um Single zu sein. Da geht ein riesengroßes Stück Kultur, würde da kaputt gehen. Und wir müssen in Europa zumindest wahnsinnig aufpassen, dass wir das vermeiden. Also geht es da darum die Independent, die unabhängigen Gastronomen und Gastronomen zu stärken.

Marc Stierand: Das hat sich jetzt vielleicht alles ein bisschen negativ angehört, unser Bild, das wir gezeichnet haben über die Gastronomie. So ist es nicht gemeint, sondern unser Herzblut ist da einfach drin. Und wir sehen, wo gerade gewisse Dinge falsch laufen. Und ich möchte auch ganz klar den jungen Leuten draußen sagen, eine professionelle Ausbildung in der Gastronomie, In einem professionellen Ausbildungsbetrieb ist eine super Sache. Ich habe es nie bereut, dass ich Koch gelernt habe in der Wielandshöhe. Ich habe unheimlich viel gelernt und ich bin davon überzeugt, wenn man handwerklich was drauf hat, überlebt man auch die zukünftige Digitalisierung ganz anders und man kann da immer sein Geld verdienen. Es bringt auch privat einen super Mehrwert, weil man natürlich, ich meine, was gibt es denn Schöneres wie tolles Essen, tolles Trinken und Gastfreundschaft. Das kann man natürlich auch das private Leben genauso übertragen. Und ich muss da wirklich eine Lanze schlagen. Es ist eine ganz tolle Sache, aber schaut euch nach einem guten Ausbildungsbetrieb.

Joel Kaczmarek: Aber kannst du mal präzisieren, Marc, wir haben jetzt irgendwie gelernt, man soll sich in seinem Kiez bekannt machen als Restaurant, irgendwie diese Lieferplattformen sind aufgrund der Provisionen und der Qualitätskontrolle sozusagen schwierig. Was macht denn jetzt ein Gastronom, der sich aber mit dieser Situation konfrontiert sieht? Was würdest du dem jetzt raten, wenn du denen irgendwie coachst oder deine Daten anguckst, was sollte der tun?

Marc Stierand: Okay, also ich glaube, wenn ich mir die ganzen Fernsehsendungen anschaue, ob das hier Gordon Ramsay, Kitchen Impossible oder wie es alle heißen, also diese ganzen Starköche, die dann zu Restaurateuren gehen, da ist relativ viel Wahres dran. Ich habe auch, wie der Fred, von der Sterne Gastronomie, von der Fünfsterne in Brenners gesprochen. Hotellerie zum ganz einfachen Gasthaus alles mit ernehmt und bei, sagen wir mal, bei diesen weniger professionellen gastronomischen Betrieben fehlt einfach jegliche Grundkenntnis. Und A, ich würde reingehen, okay, was sind eure Arbeitsprozesse? Und ich glaube, in einem normalen Restaurant, wo es halt deine Standardkarte gibt, kann man in drei Tagen unheimlich viel erreichen, wenn einer sich auskennt, den Leuten Standardprozesse, Arbeitsprozesse aufzuzeichnen und die mit ihnen zu trainieren. Zweitens, die Karte. Die Karte ist dein Aushängeschild. Und was auf der Karte drauf ist, Und die Kunden heute sind sehr, sehr informiert. Leute sind sehr belesen. Wir haben oft super professionelle Hobbyköche zu Hause, die manchmal eine bessere Küchenausstattung haben wie mancher Gastronom. Und Leute reisen viel. Die wissen heute, wie richtig italienisches Essen schmeckt. Die wissen, wie richtig chinesisches, darf man ja gar nicht sagen, es gibt ja verschiedene chinesische Küchen, wie richtig asiatisches Essen schmeckt. Und da denke ich mir einfach, dass da laufen viele Gastronomen oder zukünftige Gastronomen, zu blauäugig rein und machen irgendwas und alles mittelmäßig oder untermittelmäßig. Und da kann ich natürlich keinen Blumentopf gewinnen, das in keiner Branche funktioniert ist. Warum soll ich in ein Restaurant gehen, das den gleichen Preis zahlen für etwas, wo es keinen Spaß macht? Und dann mal vom Service gar nicht zu sprechen. Das heißt nicht, dass es in der Gastronomie nicht Betriebe geben kann, wo Amateure reinkommen, die mit vollem Herzblut diesen Betrieb betreiben. Es gibt viele Beispiele und die machen tolle Sachen. Es gibt sogar in der Sterne-Gastronomie, Raymond Blanc, einer meiner absoluten Idole, Franzose, der bekannt wurde in England, zwei Michelin-Sterne. Das ist ein selbst trainierter Koch, der hat dann aber mit einem Professor an der Oxford University zusammengearbeitet. Das war eigentlich so der Founding-Vater oder der Mitbegründer, was als Molekular-Gastronomie bekannt wurde. Er hat sich da nur nicht als Frontmann hingestellt. Also es geht, aber es kommt auch natürlich darauf an, wenn ich das Fachwissen nicht habe, mit was für einer Passion gehe ich da rein, wie offen bin ich zu lernen und weiß ich, wo ich mir Information, Hilfe holen kann. Und ich glaube, das ist einfach wichtig. Das ist aber, glaube ich, gar nicht so anders wie in jedem anderen Beruf, wie in jeder anderen Branche auch.

Frédéric Schumacher: Das ist doch auch wirklich ein bisschen die Aufgabe der Gesellschaft, der Politik, dass man auch diese wunderschönen Berufe in der Gastronomie auch jetzt mal endlich wieder richtig fördert. Weil das ist ja letztendlich die Grundvoraussetzung auch, sage ich mal, für die nächste Generation. Als Beispiel, am Wochenende habe ich mit einem Bekannten telefoniert, er hat sieben Läden, alle komplett verschieden, sieben verschiedene Konzepte, ist ein paar Jahre älter als ich, seit langer Zeit in dieser Branche. und der rief mich an und sagte, ach weißt du Freddy, ich habe jetzt entschieden mit Corona, es ist alles gut, ich habe lange genug darin gearbeitet, ich übergebe jetzt an meine zwei Söhne. Die zwei Söhne, der eine ist 24 und der andere ist 21, habe ich mit den beiden auch telefoniert und die haben mir gesagt, du Freddy, ich werde so vieles anders machen als der Papa, weil der Papa da mit seinen komischen Zetteln auch wieder einkaufen gegangen ist oder Bestellungen gemacht hat per Telefon. Er sagt, aus welchem Jahrhundert stammt er denn eigentlich? Diese beiden Söhne, die sind mit dem Smartphone auf die Welt gekommen. Wenn du der neuen Generation sagen würdest, ja, nee, Moment mal, das Thema Digitalisierung und Gastronomie, über das debattieren wir gar nicht. Die würden dich anschauen, die würden es ja gar nicht kapieren. Die würden sagen, ja doch, natürlich müssen wir das machen, weil wir sind doch so groß geworden. Also was ich damit sagen möchte, ist, Digitalisierung und Gastronomie, das ist mittlerweile so dermaßen normal geworden, Weil die jungen Leute, spätestens die, machen gar nichts anderes mehr als managen mit ihrem Smartphone oder iPhone oder whatever. Das heißt, für die ist es eine totale Grundvoraussetzung, dass es diese Instrumente eigentlich gibt. Und das ist natürlich eine Sache, an die muss ich jetzt dann bitte die klassische Gastronomie gewöhnen.

Joel Kaczmarek: Aber nochmal ganz kurz abschließende Frage, bevor wir jetzt nach hinten raus nochmal vielleicht auch nach Trends gucken. Bei dem ganzen Lieferthema, würdet ihr dann Gastronomen raten, dass sie das lassen sollen, dass sie nicht auf diese Plattform gehen sollen oder sollen sie selber liefern? Was soll man da tun?

Frédéric Schumacher: Wenn ich heute wieder ein Restaurant aufmachen würde, Dann würde ich auf jeden Fall, und das, was ich allen sage, dann sage ich, Leute, schaut erst mal zu, dass so viel wie möglich abgeholt wird. Oder aber in eurem Bereich ihr irgendwie das organisieren könnt, dass ihr selber irgendwie liefern könnt. Da gibt es ja Partner, ist ja alles machbar. Ich würde auf keinen Fall, würde ich mich auf diese Großen, die man kennt per Namen interessieren. würde ich mich darauf verlassen, weil der Marc hat vorhin was angesprochen, was extrem wichtig ist. Das ist quasi eine Abhängigkeit. Ich mache mich ja abhängig von denen. Wenn ich einmal damit angefangen habe, dann wird es echt wieder schwer, irgendwo davon loszukommen. Und das ist halt ein Zustand, den ich von Anfang an vermeiden muss. Ich finde, man kann nicht pauschal die Belieferung verteufeln, auf keinen Fall. Gerade Covid, viele Gastronomen haben überlebt, weil sie auch ihr Restaurant, den Speisesaal zugemacht haben, den Gastraum zugemacht haben und sich auf Belieferung spezialisiert haben. Ist doch alles fein, ist doch super. Übrigens meine Frau, Spanierin, selber betrieb Catering in der Covid-19-Zeit. Da waren halt keine Caterings mehr, hat keine Partys organisiert, aber die Leute haben wie blöd bei ihr angerufen, haben gesagt, kannst du mir das Zeug nach Hause liefern. Hat komplett überlebt. Also man darf das nicht verteufeln. Ich glaube, das kommt so oft im Leben. Man muss sich diese Sachen gut anschauen und vor allem muss ich ein Konzept dahinter haben. Das ist, was der Marl gesagt hat. Ich muss ein Konzept haben und dieses Konzept passt sich dann an. Kann ich sagen, ich mache ein Restaurant auf und ich setze nur auf Belieferung, auf die Großen, dann brauche ich erst gar nicht anzufangen. Also das muss man sehr genau anschauen. Da gibt es auch Alternativen dazu. Ich muss nicht alles, die ganze Karte auf diese Firmen setzen. Das definitiv nicht. Und das sollte man auch auf keinen Fall tun.

Joel Kaczmarek: Gut, wenn ich jetzt natürlich schon mal die EHL hier im Podcast habe und die sich die ganze Welt anschaut ein Stück weit oder auch vielleicht sogar ausgebildet hat, interessiert mich natürlich, was es noch so für Trends gibt, für Bewegung in der Branche, vielleicht auch für Hotspots. Hast du da, lieber Marc, irgendwie so ein paar Schmankerl, die du uns nach hinten raus noch über den Zaun werfen kannst?

Marc Stierand: Ich bin immer ein bisschen vorsichtig, wenn Leute fragen, was sind denn Trends, aber ich versuche es einfach mal. Also wir machen hier Executive Education an meinem Institut und ich habe hier einen sehr guten Kollegen, der in der Wirtschaft gearbeitet hat und der ist sogenannter Trendsucher und der hat uns gezeigt in einer ganz tollen Art und Weise durch Bebilderung, er hat glaube ich mehr als 300.000 Bilder weltweit gemacht, dass er herausgefunden hat, dass Trends entstehen in Orten, wo viel Graffiti ist und Hip-Hop-Musik. Also das Erste, wenn er an einen neuen Platz geht, ist so, dass er sich ein Taxi nimmt, Taxifahrer fragt, okay, wo ist Graffiti? Wo sind junge Leute draußen, die Hip-Hop hören? Und er fährt erstmal dahin und fühlt so ein bisschen den Vibe. Und da können natürlich auch Trends entstehen aus der Gastronomie. Ein Beispiel natürlich, es ist kein Taxi, getrennt in dem Sinne mehr, aber ist zeitlich so, dass man es noch gut nachvollziehen kann. Kopenhagen als Platz in der Welt, als gastronomischer Platz, natürlich bekannt geworden durch Noma und dann jetzt durch Geranium Restaurant. Kopenhagen war jetzt vor 20 Jahren nicht unbedingt die kulinarische Hochburg. Aber da ist einfach was entstanden, wo unheimlich interessant war. Nicht alles war gut an der Nordic Cuisine. Natürlich, klar, muss ja auch nicht sein. Aber es war was völlig Neues und ich war erst vor kurzem da. Ich habe ein Forschungsprojekt begonnen mit einer Kollegin im Alchemist. Und Alchemist ist, ich würde es nicht als Restaurant bezeichnen. Es ist eine Städte. Und da zitiere ich jetzt den bekannten Koch Ferran Adria, der auch vor kurzem den Koch Rasmus Munk, der Koch und Eigentümer Alchemist, besucht hat. Wenn er so weitermacht, wird er die Gastronomie weltweit in den nächsten 20 Jahren unterstützen. stark, stark beeinflussen. Was ist dort passiert? Also ich wurde eingeladen zu einem 50-Gänge-Menü. Man ist dieses 50-Gänge-Menü in fünf verschiedenen Räumen. Der Hauptraum nennt sich Dom. Das ist im Grunde wie ein Planetarium, wo Projektionen sind, Hintergrundmusik. Und es ist eine wirkliche multisensorische Erfahrung, die man dort mitbekommt. Wenn mein Großvater noch leben würde und er sagt, gehen wir am Wochenende essen, würde ich sagen, gehen wir da nicht hin, weil für ihn bedeutet Essen, dass man wohin geht und dann ist man danach satt und dann geht man vielleicht spazieren. Das ist nicht die Städte. Das ist ein Happening. Das ist ein Modern Art Museum. Das ist was völlig anderes. Aber warum erzähle ich das? Weil ich ganz einfach glaube, dass Malcolm Gladwell, ein bekannter Autor, der hat mal das Buch geschrieben, Outliers. Und ich glaube, von den positiven Outliers kann jeder ausgehen. egal wo sein Betrieb ist, auf welchem Level der Betrieb ist, etwas lernen. Dieses Am I Remarkable, was ich vorher gesagt habe, bin ich besonders? Was mache ich besonders? Warum kommen Leute zu mir und gehen nicht zu dem Restaurant nebenan? Und diese Brutstätten des Neuen haben so viel Energie. Und ich denke, als guter Gastronom muss ich auch Essen lieben und ich muss auch essen gehen. Ich muss sehen, was die anderen machen. Also auch ein bekannter Koch, den ich interviewt habe, Antoni Adoris, der gibt, glaube ich, ich möchte jetzt nicht ganz genau mich auf die Zahl beziehen, aber ich habe irgendwo mal gelesen, 1,5 Millionen Euro im Jahr aus nur an Eigenforschung, wo er mit seinem engsten Team losgeht und sagt, okay, jetzt fliegen wir mal nach Japan, gucken wir mal, was die machen. Und klar, das kann natürlich ein kleiner Gastronom nicht machen, aber ich kann ja zumindest mal in meinem Urlaub zu ein paar Hotspots gehen und ein paar hundert Euro ausgeben und sagen, Mensch, was kann ich denn da eigentlich noch lernen? Und ich glaube Ja, dass man die Brutstätten und da hingehen, das wäre echt, das ist was, wo ich jedem empfehlen würde.

Frédéric Schumacher: Vielleicht klingt das sehr philosophisch, aber ich habe auf meinen vielen, vielen, vielen Reisen und in den sieben Ländern, in denen ich gelebt habe, von wie wir vorhin gesagt haben, von klein auf bis ins hohe Alter. um es mal so auszudrücken, auch immer eines gemerkt. Trends werden auch tatsächlich von einer Bevölkerung getrieben und gemacht. Was möchte ich damit sagen? Wenn ich mir zum Beispiel als halb Deutscher, halb Franzose mir anschaue, wie meine französische Familie die Gastronomie und das Essen zelebriert versus meine deutsche Familie, dann sprechen wir ungefähr so, wie wenn ich sagen würde, fliegen wir jetzt auf den Mars oder fahren wir mit dem Bus irgendwo ins nächste Dorf. Das sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Das ist im ganz Wesentlichen ein riesengroßer Unterschied. Warum? Weil die kulturell eben auch ganz anders drauf sind. Das heißt, in den Kulturen, wo das Essen seit eh und je mehr ist als halt eben Nahrungsaufnahme, wie das der Marc gerade so schön über seinen Opa erzählt hat, desto mehr werden dort natürlich auch Trends geschaffen beziehungsweise, sage ich mal, Trends kreiert. Weil ein Trend kann ja eigentlich auch nur dann überleben, wenn ich Menschen habe, die tatsächlich dann, sage ich mal, auf diesen Trend aufspringen oder sagen, diesen Trend finden wir gut oder den finden wir weniger gut oder wie auch immer. Ich brauche ja Menschen, die aus diesem Trend dann tatsächlich in Anführungsstrichen ein Business draus machen. Und deshalb ist für mich immer ganz wichtig, ganz, ganz, ganz, ganz wichtig, dass man eine Bevölkerung, eine Kultur, einen Menschen eigentlich damit einbezieht, weil diese Menschen sind diejenigen, die den Trend machen oder hinterher tatsächlich aus einem Trend was machen.

Marc Stierand: Ich möchte da noch ganz kurz anschließen und das sage ich jetzt wirklich als Koch und nicht als Wissenschaftler. Ich glaube, wenn man was kann, dann kann man auch mutig sein. Und ich gebe jetzt einfach ein Beispiel aus meiner Heimat, aus dem Schwäbischen, die Maultasche. Das kann einer der schlimmsten Gerichte sein, die man isst. Wenn ich so industriegestanzte Ware habe mit 5 cm hohem Industriebrät, da kann ich natürlich auch kein Geld verdienen und auch kein Geld verlangen. Aber eine richtig gut hausgemachte Mauntasche. Ich glaube, es gibt heute wieder Leute, die da auch richtig gerne Geld dafür hinlegen, weil das unheimlich viel Arbeit ist. Es gab eine Zeit lang, wo Fittesteg natürlich bevorzugt wurde und da wurde eher Geld gezahlt. Aber ich glaube, viele Leute, die heute gerne essen gehen und auch das Geld haben, gut essen zu gehen, wissen die Unterschiede. Die Sterne-Gastronomie ist heute auch nicht nur mehr basiert auf Kaviar, Hummer und Foie Gras. sondern da gibt es auch Gerichte mit simplen Zutaten, aber einfach hervorragend gekocht. Also wie gesagt, wenn man was kann, kann man mutig sein und da kriegt man auch sein Geld dafür. Da bin ich davon überzeugt.

Joel Kaczmarek: Das ist doch ein hervorragendes Schlusswort. Ihr beiden, es hat viel Spaß gemacht. Danke für diese Reise. Ich werde jetzt, glaube ich, den restlichen Tag noch darüber nachdenken, wie Roboter Köche aussehen könnten. Ja, aber es ist interessant. Ich glaube, das waren schöne, praktische Einsichten und vielleicht wiederholen wir das mal demnächst. Von daher, vielen Dank euch beiden.

Marc Stierand: Super, danke.

Frédéric Schumacher: Hey! Hey! Hey!