Tim Raue und Olaf Koch über Gastronomie in der Corona-Krise

29. Mai 2020, mit Joel Kaczmarek

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu unserem Deep Dive Gastro Podcast bei Digitalkompakt. Mein Name ist der Joel Kaczmarek und wir werden ab sofort immer fleißig in die Tiefen der Gastronomiebranche und natürlich auch der Food-Industrie abtauchen. Und für den Anfang haben wir uns ein super spannendes, weil auch brisantes Thema gesucht, nämlich das Thema Gastro vor dem Hintergrund von Covid-19 bzw. der Corona-Krise. Und da habe ich heute einmal einen Koch da und einmal den Koch. Ich fange mal mit einem Koch an, das ist der liebe Tim Raue, den kennen bestimmt ganz viele von euch, liebe Hörer, zu ihm gleich mehr. Und wenn ich sage der Koch, dann ist das Olaf Koch, nämlich der CEO der Metro AG. Ich glaube, super spannende Konstellation, einerseits mal von einem Sternekoch, der die Gastrobranche in- und auswendig kennt, quasi Fronterfahrung mitzunehmen und andererseits von jemandem, der im Großhandel aktiv ist, der in der Foodbranche aktiv ist, im Technologiebereich und auch ganz viel mit Gastros zu tun hat, quasi so die wirtschaftliche Metaperspektive zu kriegen. Wir werden heute darüber reden, dass wir einerseits natürlich den Herausforderungen der Gastroöffnung in Covid-Zeiten mal etwas Aufmerksamkeit zu widmen, dann aber natürlich auch, was eigentlich so Chancen sind und was ist das New Normal in der Krise? und natürlich auch, wie gehen unsere beiden Protagonisten denn damit konkret um. Soviel mal als kleine Vorrede. Ich habe ja gelernt, man muss immer am Anfang hier den Hörer heiß machen, aber fangen wir doch mal an mit euch beiden. Stellt euch mal ganz kurz vor, lieber Tim, wir beginnen mit dir. Wie wird man eigentlich Zwei-Sterne-Koch und wie sieht dein Leben so aus? Erzähl mal.

Tim Raue: Naja, das ist relativ weit gefasst. Also ich muss dazu sagen, ich habe mit meiner Geschäftspartnerin Marie Rau das Restaurant Tim Rau. Das hat zwei Sterne, gehört zu den 50 besten der Welt. Ich habe aber auch noch neun andere Restaurants, unter anderem auf vier Kreuzfahrtschiffen. Ich habe drei Brasserien, ich kümmere mich um drei Seniorenresidenzen. Ich habe ein Restaurant noch in der Schweiz und die Villa Kellermann, wo wir die Gerichte meiner Großmutter kochen, in Potsdam. Deswegen spreche ich nicht nur für die Spitzengastronomie, sondern ich weiß auch durchaus für 500 oder 5000 zu kochen. Und das hat eine Relevanz, weil es natürlich in der Gastronomie eine Branche ist, die eine unglaubliche Spannbreite hat. Und es sind alle Teile davon betroffen, die Kreuzfahrtschiffe umso mehr als jetzt zum Beispiel das Zwei-Sterne-Restaurant. Und grundsätzlich geht es mir immer gut. Ich bin jemand, der sehr positiv durchs Leben geht und der das große Glück hat, in Situationen, wo die Wellen besonders hoch schlagen oder der Wind besonders miserabel ist, dann sich wirklich gerade zu machen, Haltung zu zeigen und vorwärts zu gehen. Und genauso bin ich auch durch diese Krise bis jetzt gegangen.

Joel Kaczmarek: Wie hast du eigentlich noch Zeit, wenn du so viele Restaurants managst? Also da wüsste ich ja gar nicht, was ich zuerst machen sollte. Vor allem Kreuzfahrtschiffe, da musst du ja wahrscheinlich sogar noch auf Zeitzonen achten und so. Also es klingt gar nicht so trivial, was du tust.

Tim Raue: Ich mache nichts anderes. Also ehrlicherweise ist Kochen mein Leben. Ich komme aus relativ einfachen Verhältnissen und definiere mich und habe mich immer durch meine Arbeit definiert. Dass ich da mit der Zeit als Mensch gewachsen bin, das hat sich glücklicherweise auch noch ergeben. Aber es ist halt schon so, dass mein Tagespensum nicht mit 8, 10 oder 12 Stunden abgedeckt ist. ist. Aber ich habe unglaublich viel Spaß daran. Mir macht das Freude, mit Menschen zu arbeiten und für andere Menschen zu kochen. Denn das ist das, was Gastronomie ist. Es ist etwas sehr Soziales. Du schaffst einen Raum, wo Menschen zueinander finden, interagieren können. Und ich glaube, das ist auch etwas, was wir jetzt in der Krise gemerkt haben, das kann hauptsächlich natürlich nur von Berlin sprechen, aber dass nach 20 Uhr die Stadt nicht mehr existent war, dass das Leben tatsächlich in Quarantäne war, in die häusliche Quarantäne verbannt war und wir jetzt wieder merken, wie die Stadt aufatmet, die Lichter der Stadt, die Atmosphäre, der Geruch, das Miteinander, all das ist vor allen Dingen Gastronomie.

Joel Kaczmarek: Gut, jetzt habe ich noch eine letzte Frage, bevor wir auch mal Olaf tiefer vorstellen. Also reine Neugierde mal befriedigen. Wie muss ich mir das mit diesem Michelin-Stern vorstellen? Ist das so, wie man das in den Filmen immer kennt, dass da so ein Restaurantkritiker kommt, der irgendwie anonym da ist und dann musst du da wirklich immer auf spitzem Niveau sein? Also befriedige unsere Neugierde.

Tim Raue: Also tatsächlich, der Michelin ist ein Restaurantführer, der ursprünglich aus Frankreich stammt. und die haben damit angefangen, dass sie Reifen vertickert haben und um ihren Kunden, die mit den Autos durch die Gegend gefahren sind, Plätze zu zeigen, wo sie tanken können, Reifen wechseln können. Dann aber auch natürlich, früher hat ja eine Autofahrt ein bisschen länger gedauert, auch rasten können, also sprich essen, übernachten. Dafür haben sie dann Auszeichnungen vergeben für die Hotels. Das gibt es bis heute. und für die Restaurants. Und ein Restaurant mit einem Stern, sagen sie, das ist ein sehr, sehr gutes Restaurant. Da sollte man, wenn man vor Ort ist, essen gehen. Bei zwei Sternen empfehlen sie einen Umweg. Also das heißt, du kannst dann von deiner Reise schon mal abbiegen. Und drei Sterne sind alleine eine Reise wert. Und diese Sterne definieren einfach im Endeffekt nichts anderes als eine Kanalisierung der Gäste. Das bedeutet, wenn du ein, zwei oder drei Sterne hast, kommen die Gäste aus aller Welt im Endeffekt zu dir, um bei dir zu essen. Und das hat bis dato vor Corona dafür gesorgt, dass wir jahrelang keinen freien Platz in unserem Zwei-Sterne-Restaurant hatten. Im Moment ist es halt so, dass wir jetzt tatsächlich eher das lokale Umfeld bespielen dürfen.

Joel Kaczmarek: Spannend. Gut, aber wir müssen auch ein bisschen über Business reden. Lieber Olaf, wir kennen uns ja auch schon eine Weile. Ich hatte das Vergnügen, im Accelerator der Metro auch mal reinzuschnuppern. Daher weiß ich, dass ihr euch sehr, sehr viele Gedanken macht über das Thema Technologie in der Gastronomiebranche, aber auch irgendwie Abläufe, Prozesse. Ihr taucht sehr, sehr viel ein. Fast ein bisschen Design Thinking mäßig. Erzähl doch mal ein bisschen was zu dir. Ein, zwei Sätze und wo ihr sozusagen steht in dem ganzen Gastro-Technologisierungsspiel.

Speaker 1: Ja, also ich bin jetzt dann elf Jahre bei der Metro. Mein Background ist eigentlich auch Technologie. Ich habe Betriebswirtschaft mit Wirtschaftsinformatik mal studiert, aber habe dann eine relativ ungewöhnliche Karriere vollzogen und bin dann 2009 bei der Metro gelandet. Damals war das Unternehmen noch ein großer Handelskonzern, sehr diversifiziert mit Warenhäusern, Unterhaltungselektronik und enorm vielen Schulden auf der Bilanz. Und wir haben relativ klar dann vollzogen, wir müssen uns konzentrieren und wir müssen zurück zu den Wurzeln. Und unsere Wurzeln sind groß. Der Großhandel. Das haben wir aber nicht so einfach gemacht, dass wir gesagt haben, lass uns einfach nur auf das eine Geschäft konzentrieren, sondern lass es uns neu erfinden. Und unsere Version von Großhandel ist, der Partner der Wahl sein zu wollen für Unternehmer wie Tim. Und das ist eine unglaubliche Bereicherung für unsere Leute, mit Unternehmern wie Tim zu arbeiten. Und wir sind glücklich, dass wir 16 Millionen unabhängige Unternehmer weltweit unterstützen dürfen. Und das wollen wir natürlich mit exzellenter Ware, mit Top-Läden, mit einer exzellenten Belieferung. Aber eben auch, wie du schon gerade richtig gesagt hast, auch mit Technologie. Denn es ist vollkommen klar, dass das tagtägliche Wirtschaften in der heutigen Zeit und jetzt nach Corona sogar noch viel mehr immer herausforderungsvoller ist und immer schwieriger. Und du brauchst einfach die Modernisierung, um noch da durchzukommen und dann auch erfolgreich Geld zu verdienen und auch noch eine Lebensqualität zu haben, die angemessen ist.

Joel Kaczmarek: Und kannst du uns mal so ein kleines Stimmungsbild geben? Also wo steht ihr gerade? Weil was man so gelesen hat von euch war ja irgendwie, wenn ich mich richtig entsinne, 500 Millionen Euro Umsatz, glaube ich, pro Monat kostet euch Corona. oder war es damals so beim Lockdown. Wo seid ihr momentan? Also was tut sich bei euch? Wie habt ihr darauf reagiert? Wie habt ihr euch angepasst?

Speaker 1: Ja, vorneweg vielleicht mal die Tatsache, dass wir das Unternehmen um 6,5 Milliarden entschuldet haben, hat uns dazu gebracht, dass wir durch die Krise jetzt mit ruhiger Hand gehen konnten. Und ähnlich wie Tim das gesagt hat, ich glaube auch bei uns ist die Körperspannung gestiegen und aber auch das Zusammenwachsen der Organisation war hervorragend. Wir hatten, glaube ich, keinen Moment in der Krise, wo hier Hektik oder Panik ausgebrochen ist, eben weil wir die notwendige auch wirtschaftliche Kraft haben. Auf der anderen Seite haben wir natürlich gemerkt, in dem Maß, wie in Italien, Spanien, Frankreich und dann auch in Deutschland die Lockdowns vollzogen wurden, sind die Gastronomieumsätze um 70, 80 Prozent gefallen. Und die Gastronomie ist für uns die größte Zielgruppe. Wir konnten das aber abfedern, indem wir tatsächlich auch ganz viele neue Kunden gewinnen konnten, also andere Gewerbetreibende, die gerne zu Metro gekommen sind oder wiedergekommen sind, wegen der exzellenten Ware und dem sicheren Einkaufen. Und deswegen haben wir aufs Jahr gesehen eben diese 2% Umsatz verloren in einem Monat. In dem Maße, wie jetzt der Lockdown praktisch sich wieder entspannt, sehen wir aber auch schon, wie die Trendwende einsetzt. Und wir wollen natürlich in dieser Situation eben auch unserem Anspruch gerecht werden. Wenn wir sagen, your success is our business, dein Erfolg, das ist unser Geschäft, dann müssen wir das genau auch in der Krise beweisen. Denn da gilt es den Leuten dann auch unter die Arme zu greifen und zu unterstützen. Und das ist unser tägliches Motto hier.

Joel Kaczmarek: Gut, tauchen wir mal mitten rein. Also ich habe ja schon gesagt, erster großer Themenblock, so Herausforderungen, was Gastro in Covid-Zeiten angeht. Tim, nimm uns mal mit rein. Also Grundproblem ist, glaube ich, klar, wenn ich entweder geschlossen bin oder stark Publikums reduziert, dann habe ich ein wirtschaftliches Problem. Also ich glaube, das Take-away, Click-and-Collect oder das Liefern, was gerade passiert, das wird ja niemals abfangen, was da bisher passierte. Aber ich könnte mir vorstellen, dass diese Problemwelt noch viel, viel größer ist. Vielleicht kannst du ja mal so aus deiner Warte schildern, wie fühlt sich Corona als Gastronom an?

Tim Raue: Das ist, wie gesagt, ein relativ breites Bild an Emotionen, was ich da zeigen kann. Zum einen ist es halt bei uns so gewesen, dass wir uns sehr, sehr schnell für das Zwei-Sterne-Restaurant Gedanken gemacht haben, wie wir das tatsächlich umsetzen wollen. Wir haben in den drei Brasserien, die in diesen drei Seniorenresidenzen liegen, sehr schnell gewusst, dass wir die nicht nur schließen werden, sondern auch relativ lange geschlossen halten werden, weil wir in einer Küche im Endeffekt für beide Bereiche kochen und gerade ja die alten Menschen die absolute Risikogruppe sind und da das Gesundheitsamt tatsächlich dann einfach auch bei der Begehung einen Einspruch herum hat, der völlig relevant war und deswegen ist das Thema raus. Aber natürlich ist es immer auch so, dass Krisen zeigen, wie flexibel du bist. Als allererstes im Kopf, um zu versuchen, dann Möglichkeiten zu finden. Aber auch, und das finde ich ganz wichtig, halt keine Schnellschüsse hinzuwichsen, sondern wirklich nachzudenken, was passt denn jetzt wirklich zu dir, wen nimmst du mit, wen kannst du auch als Gast erreichen? und ich habe dann doch schon gemerkt, ich habe vorher Instagram so zum Spaß gemacht. und Facebook nicht mehr richtig ernst genommen, weil unsere Kanäle, durch die wir unsere Gäste generiert haben, tatsächlich Restaurantführer waren. Wir hatten ganz bestimmt zu Hochzeiten 80, 85 Prozent internationale Gäste, die kamen. Und jetzt mussten wir uns mit dem rein lokalen Markt auseinandersetzen und haben dann tatsächlich die letzte Woche, also wo es diesen anfänglichen Lockdown gab und man nur mittags aufmachen durfte, mussten wir unseren Gast informieren, unseren lokalen Gast, wir haben jetzt nur noch mittags auf. Wir haben das über Instagram gemacht und haben eine Woche, wo wir eine 99-prozentige Stornierungsrate von Gästen hatten, binnen eines Tages wieder gefüllt mit nur lokalen Gästen. Und da ist mir klar geworden, dass das tatsächlich auch nicht nur ein Spaß-Tool ist, sondern dass das Sinn machen kann. Und wir haben dann eine ordentliche Website gebaut in einer Woche, um darum dann unsere Lieferplattform zu bebasteln, weil wir halt schnell gemerkt haben, und das ist was, was mich wirklich auch echt ankotzt, dass wenn du dir die großen Lieferplattformen anguckst, die viele von uns, also ich auch inkludiert, immer wieder nehmen, dass die im Endeffekt eine Form von Monopol definieren, das unseriös ist. Wenn dir jemand 30 Prozent deines Umsatzes abknöpft, ist das mindestens Wucher, mindestens. Und da haben wir sofort für uns entschieden, das werden wir nicht mitmachen, das haben dann das Glück gehabt, dass wir ein Autohaus gefunden haben hier in Berlin, was uns unterstützt hat. Unsere Kellner sind ausgefahren und wir haben gekocht, aber wir haben auch nicht auf Zwei-Sterne-Niveau gekocht, weil uns klar war, ich kann ja den Gast da nicht verarschen und sagen, na klar, kein Thema. Was wir mit 14 Leuten in der Küche ansonsten jeden Tag realisieren, Das schaffen wir auch, das schicken wir euch nach Hause und dann könnt ihr selber machen. Das hat mir nicht gepasst und deswegen haben wir gesagt, wir brechen das runter. Wir haben noch fünf andere Food-Konzepte, die werfen wir alle im Endeffekt in ein großes Konzept. Wir haben das so ein bisschen verballhornt, weil wir auch immer viel Humor haben und haben das fucking great genannt und dann aber ins asiatische fucking great definiert. weil wir halt auch uns selber so ein bisschen auf die Schippe nehmen wollten, damit der Gast nicht in der Seriosität bestellt, oh, ich kriege jetzt was im Zwei-Sterne-Restaurant, sondern es gibt was von Tim Rauer und zwar die Bestseller aus allen Buden, die Wasabi-Garnele aus dem Hanami, den Tomatensalat aus der Brasserie. Und das hat dann halt funktioniert. Wir haben aber auch, muss man ganz klar sagen, den Umsatz gesteigert. natürlich pro Kopf absolut runtergebrochen. Wir sprechen davon, dass wir im Restaurant 250 Euro netto haben und im Lieferservice lagen wir bei 40 Euro netto. Also das ist ein gewaltiger Einbruch, den man dann nur durch Quantität wieder durch die Masse kompensieren konnte. Und ich habe natürlich Gastronomen, die ich wirklich unglaublich schätze, in dieser Krise erlebt, die paralysiert waren, die vor Angst, auch vor dem, was sie alles gelesen, gehört, gesehen haben, wirklich in der Ecke hingen und gar nicht mehr wussten, was sie machen sollen. Also es war das klassische Maus vor der Schlange. Und da fand ich es dann total wichtig, auch, dass helfende Hände angeboten wurden. Und dass dann genug wirklich auf den Zug auch aufgesprungen sind, jetzt auch in dem Fall, wir sind ja in der Runde mit der Metro, dass sie verstanden haben, was die Metro ihnen für Möglichkeiten bietet und die Gastronomen mitgenommen werden. Und das ist nicht nur seit Covid so, das ist auch schon in den letzten Jahren extrem gewachsen. Und dass du halt deine Plattform, deine Online-Präsenz, die du mit der Metro definieren kannst, dann halt schnell umbauen konntest zu einer Lieferplattform und das war elementar und ich bin da nicht ganz so pessimistisch wie andere. und natürlich gibt es viele Zahlen, die sagen, dass Liefern jetzt nicht den gleichen Umsatz gemacht hat, aber man muss natürlich auch sehen, man hat ja auch Unterstützung, es gab Kurzarbeitsgeld, der ein oder andere hat mit seinem Vermieter gesprochen, das sind natürlich alles Maßnahmen, die du dann auch treffen musst. und du musst dich natürlich auch sehr, sehr kritisch hinterfragen, wo du in dem Moment Geld ausgibst und wo du es dir dann auch sparen kannst.

Joel Kaczmarek: Ja, ich finde das ganz interessant, weil ich habe mich schon länger gefragt, warum eigentlich zum Beispiel nie das Kartellamt mal hingeguckt hat, dass man Lieferando, Lieferheld und Pizza.de alle unter einem Firmendach quasi bunkert. Wen gibt es denn daneben eigentlich noch? Deliveroo ist ja weg. Das heißt, also du bist auf einen Markt getroffen, so habe ich das jetzt verstanden, der dir sozusagen zu monopolisiert war, zu teuer war und hast es dann selber gemacht. Ist das was, was du bei anderen Gastronomen auch beobachtest? Weil du hast natürlich einen tollen Namen, ja? Also dich kennt man, deine Restaurants kennt man. Da musst du dir um Nachfrage nicht so viel Gedanken machen wie andere. Aber was ist denn so in deinem Umfeld sonst passiert? War das da ähnlich?

Tim Raue: Also erstmal habe ich überhaupt gar nicht diesen Ansatz, weil ich stehe nicht morgens auf und finde mich ziemlich geil, sondern ich stehe jeden Morgen auf und scheiße mir in die Hose, dass wir nicht genug Gäste haben. Und das treibt mich jeden Tag. Und ich denke an jedes Detail und ich bin extrem kleinkarriert, deswegen auch ein pedantischer Chef. Jetzt kommen wir zu den anderen. Ich bin der Meinung gewesen, dass die lokalen Restaurants absoluten Standortvorteil hatten, denn die waren schon in ihrem Kiez tatsächlich implementiert, während wir unseren Kiez nahezu in den letzten Jahren verloren haben. Und viele haben das toll gemacht. Es gab auch völlig unterschiedliche Angebote. Also ich kann jetzt natürlich wie gesagt auch nur von Berlin sprechen. Ich habe gesehen oder mitbekommen, was dann auch in Hamburg und München passiert ist, aber es gab dann Kochboxen. Was extrem gut funktioniert hat. Es gibt ja einen großen Gewinner dieser Krise in der Gastronomie, sagt man das HelloFresh, die also irgendwie ihre Kochboxen zig-, zehntausendfach verschickt haben. Aber das war nie meine Idee von liefern. Also ich bin einfach auch eine faule Sau, wenn ich zu Hause bin und ich möchte etwas zu essen haben und nicht auch noch anfangen, selber kochen zu müssen. Und so gab es unterschiedliche Ansätze. Ich fand zum Beispiel auch ganz spannend, dass viele Gastronomen, die rumgeschrien haben über Nachhaltigkeit, dass sie ihre Blumen hier um die Ecke pflücken gehen und auch ihr Gemüse, die dann alles in die billigsten und schmierigsten Plastik-Takeaway-Verpackungen gefeuert haben und das weggegeben haben. Ich habe mir alles angeguckt, habe dann die für mich perfekte Verpackung gefunden, die aus 99% recycelt Material bestanden hat, 100% kompostierbar, die natürlich deutlich teurer war als das Plastikzeug, aber das war für mich halt auch was. Also wenn du was änderst, dann denke es von A bis Z durch, mach es richtig oder halt gar nicht. Und das ist aber natürlich auch eine Philosophie. Ich habe aber wie gesagt auch gesehen, dass diese Diversität, die wir haben an Menschen, an Individualität, dass die tatsächlich auch jetzt in dieser Krise wieder aufgetaucht ist und man sehen konnte, dass vielleicht ein Viertel ziemlich gut performt hat, 50 Prozent mehr oder minder in Schockstarre verhalten waren und das letzte Viertel halt einfach hingenommen hat, dass jetzt bald Feierabend sein wird. Und ich glaube, dass das tatsächlich eine Spiegelung unserer Gesellschaft ist.

Joel Kaczmarek: Ja, gutes Stichwort. Olaf, ihr habt ja einen sehr internationalen Blick. Also ich weiß, wenn ich mich mit deinen Jungs und Mädels immer austausche, ihr könnt irgendwie Input aus Frankreich liefern, aus Osteuropa. Ihr kennt die ganzen Trends. Wie siehst du das? Was für Entwicklungen hast du im Restaurantbereich wahrgenommen zu Corona-Zeiten und vielleicht auch gerade so ein bisschen im Vergleich? Also ist es wirklich so, wie Tim sagt, dass wir ein bisschen deutsch hier unterwegs sind und andere Märkte kriegen das besser hin?

Speaker 1: Ich glaube, dass das Phänomen der Schockstarre, glaube ich, international gleich war. Und in Italien war ich auch geprägt durch die Eskalation der Krise, die ja dann wirklich dramatische Formen angenommen hat. Wahrscheinlich sogar noch am intensivsten. Auch der Lockdown hat dann unterschiedliche Formen eingenommen. In manchen Ländern waren praktisch die Küchen tatsächlich komplett geschlossen. Also da durfte man auch gar nicht zustellen oder abholen lassen. So war das zum Beispiel in Spanien. Wir haben auch gemerkt, dass sich die Konsumenten anders verhalten haben. In Frankreich haben die Kunden Kunden Anfang April nicht mehr beim Bäcker eingekauft, weil sie gehört haben, dass alles, was mit Händen berührt wird, potenziell gefährlich ist. Also haben die Bäcker auch ihre Betriebe eingestellt. und die Bäcker gehören auch zu unserer Zielgruppe, weil die sind auch Prozesseur der Alimentation, also die verarbeiten Lebensmittel. Also insofern gehören die auch für uns zur Gastronomie. Und erstaunlicherweise hat es aber dann relativ schnell sich gedreht und zwar um die Osterzeit. Da haben die Leute dann irgendwie, warum auch immer, dann doch die Vernunft wieder zurückgewonnen. Die Konsumenten kamen zurück und in dem Maße fingen dann auch wieder die Küchen an zu öffnen und auch die Bäckereien. Für uns war es eigentlich international überall das gleiche Phänomen. Wir haben versucht, die Kunden zu ermutigen, die Dinge zu tun, die Tim von sich aus getan hat. Tim ist einfach ein nicht nur leidenschaftlicher Koch und einer sondern ist ja auch ein sehr kreativer Unternehmer. Wir haben versucht, so viel wie möglich auf ähnliche Dinge hinzuweisen, nämlich dass man ein Take-away machen kann, dass man eben zustellen lassen kann, dass man das auch ohne Kommission bestellen lassen kann. wenn man mit einer ganz einfachen Online-Bestellfunktion arbeitet, einem ganz einfachen Online-Request. Das ist noch nicht vergleichbar mit dem Plattform, die du vorher angesprochen hast. Wird es aber in Kürze sein, weil wir auch merken, dass das zum Beispiel Teil der neuen Normalität sein wird. Du musst jetzt einfach weiterdenken. Du musst dein Ecosystem ausbauen, musst komplementäre Geschäfte entdecken und erfinden, um letztendlich die Umsätze, die auf gar keinen Fall von einem Tag auf den anderen gleich wieder bei 100% sein werden, ein Stück weit zu kompensieren. Und so gesehen, glaube ich, haben wir Eine ähnliche Entwicklung über ganz Europa gesehen, von der ersten Schockstarre hin zu einer Besinnung, Rückbesinnung und dann doch einer steigenden Zuversicht, was wir jetzt in Deutschland gerade sehen. In dem Maße, wie jetzt die Betriebe wieder abhören, geht so ein Ruck durch die Branche. Das gilt nicht für alle, aber für immer mehr Unternehmer, die wir ja auch beobachten.

Joel Kaczmarek: Vielleicht kannst du ja mal dem geneigten Hörer auch mal so eine kleine Standortverortung geben, was Gastro eigentlich für unser Land bedeutet, weil ich glaube, viele Leute machen sich gar nicht so einen Gedanken, was da an Umsatz drin steckt, an Mitarbeiteranzahlen, an, ich sage mal, auch gesellschaftlicher Relevanz. Und ich meine, Gastro ist ja auch relativ weit, also man kann sagen, das sind irgendwie Restaurants, man kann aber auch Hotelbetriebe mit reinnehmen, je nachdem, wie weit man es denkt. Hast du da so ein paar Kennzahlen zur Hand oder wenn nicht zumindest mal so ein bisschen Satellitenwerte?

Speaker 1: Ich würde es fast sogar schon mal auf europäischer Ebene mal ansprechen, weil ich glaube, dass das eine der Facetten der Branche ist, die am meisten unterschätzt wird, auch von der Politik im Übrigen. Wir reden in Europa von 1,8 Millionen Unternehmern. Die generieren 420 Milliarden Außenumsatz. Was das für den Wirtschaftsstandort Europa bedeutet, brauche ich, glaube ich, jetzt nicht mehr erklären. Das ist unglaublich. Diese 1,8 Millionen stehen aber nicht nur für Wirtschaftskraft, die stehen eben halt auch für einen Arbeitgeber, für einen Arbeitszweig. In Deutschland haben wir 220.000 Betriebe, 2,4 Millionen Menschen arbeiten in der Gastronomie. Auch das ist ein Faktor, der aus meiner Sicht häufig unterschätzt wird. Das ist einer der wichtigsten Arbeitgeber Deutschlands. Und das, was für mich eigentlich das Entscheidendste ist, was auch hier unsere Leute so begeistert ist, die Gastronomie ist mehr als nur ein Geschäft. In Europa haben wir das Phänomen zum Glück noch, dass die Menschen gerne bei dem unabhängigen Gastronomen speisen, verzehren, sich mit Freunden treffen, Familien, Ex-Kollegen, Ex-Koalitionen, wem auch immer, Leuten aus dem Fußballverein. Es ist Teil unseres sozialen Lebens, es ist Teil unserer Kultur. Diese Vielfalt von Betrieben zu schützen und weiter auszubauen, das ist eine Sache, die ist unglaublich motivierend. Und ich würde mir wünschen, dass das auch ein Stück weit mehr gesehen wird von der breiten Politik. Ich erkenne jetzt aber in der Krise auch, dass viel mehr Politiker als vorher dies so entdecken und auch fördern. Und ich hoffe, dass das nicht nur eine Momentaufnahme ist, sondern dass das ein lange anhaltender Trend wird.

Tim Raue: Also ich muss dazu gleich sagen, ich finde halt, dass die Gastronomie sich in dieser Krise in der Öffentlichkeit, in der öffentlichen Wahrnehmung und auch in der Interaktion mit der Politik so gut präsentieren konnte, wie nie zuvor gehört wurde, dass es ein Miteinander gab, was vorher überhaupt gar nicht relevant war. Und wenn wir uns das natürlich angucken, dann ist ein Schritt getan. Wir sind die einzige Branche, die eine Steuererleichterung bekommen hat. Man kann dann immer darüber diskutieren, das hätte noch weitergehen können. Ich bin jemand, der grundsätzlich gerne Hilfe annimmt, nicht unbedingt von unseren Institutionen und dem Staat, weil ich der Meinung bin, dass wir unabhängig bleiben sollten. Da habe ich einen sehr liberalen Gedankenansatz. Aber da ist wirklich einiges passiert und ich kann nur sagen, dass ich in den letzten sieben Wochen so viel Kontakt mit Politikern hatte und so positiven Kontakten. die auch zugehört haben und dann natürlich trotzdem auch ihren Standpunkt vertreten haben. Wir haben natürlich im Moment jetzt mit dem Wiederhochfahren auch ein paar Einschränkungen, die einfach für mich auch schwer nachvollziehbar sind. Das Relevanteste ist, in Berlin dürfen wir nur bis 22 Uhr öffnen. Da frage ich mich halt auch, was passiert? Haben die Angst, dass 23 oder 24 Uhr, dass dann die Vampire rauskommen? Das Problem ist halt für ein Restaurant unserer Klasse, dass der Gast einfach dreieinhalb Minuten bis vier Stunden braucht. Und wir jetzt versucht haben, dem Gast zu erklären, er muss schon um 17.30 Uhr kommen. Das sind natürlich jetzt einfach Geschichten, die schwierig sind. Eher einfache Gastronomien wie meine Villa Kellermann, also mit einfach meine ich nicht Sterne-Gastronomien, sondern sehr gute Mittelklasse-Gastronomien, die brauchen jetzt ein Double-Seating. Also was, was in den USA schon zum Triple-Seating ausgeartet ist. Aber dass du aufgrund der Platzreduktion, damit du auf die Anzahl deiner Gäste kommst, du den Tisch zweimal belegst. Das war früher in Deutschland Wenn du nicht Gäste zwischen 20 und 35 hattest, ein riesen Diskussionsthema, was im Moment gar keine Rolle spielt. Das wird einfach angenommen. Und da sind natürlich auch Punkte, wo du siehst, da musst du versuchen vorwärts zu gehen. Da hast du auch Konflikte mit dem Gast und du hast Konflikte mit der Politik, aber auf einem ganz anderen Niveau als früher. Also das heißt, da wird nicht gestritten, sondern da setzt man sich auseinander. Und das finde ich ist was, was diese Krise uns gebracht hat als Gastronomen, dass wir gehört werden. dass wir Relevanz haben und dass allen jetzt auch einfach klar ist, dass die gesamte Revitalisierung des Lebens tatsächlich über die Restaurants funktioniert. Und das Wort Restaurant kommt von Restaurieren. Früher ist man ins Restaurant gegangen, weil man wusste, dass dort die Hygienestandards höher sind. weil man dort gegessen und getrunken hat in einem Niveau, was man im Normalfall zu Hause gar nicht hatte. Und genau das können wir jetzt wieder bieten. Und das finde ich ist halt auch was, was ganz elementar ist und was man auch kommunizieren muss. In einem Restaurant wird im Normalfall extrem sauber und hygienisch gearbeitet. Und die zusätzlichen Maßnahmen, die wir jetzt alle schaffen mussten und auch noch zum Teil on top geschafft haben, die helfen tatsächlich wirklich. Eins muss uns halt aber klar sein, wenn wir von einer Infektionskrankheit sprechen, Dann werden wir nie einen hundertprozentigen Schutz haben in dem Moment, wo wir unser Zuhause verlassen. Und das ist einfach auch Teil unseres natürlichen Lebens. Aber ich finde nicht, dass wir das wirklich in Angst und in psychologischer Gefangenschaft verbringen sollten, sondern einfach mit dem richtigen Augenmaß in unser Leben zurückfinden sollten, weil das ist elementar.

Joel Kaczmarek: Hast du denn gemerkt, dass es einen Unterschied gibt, je nach Art des Restaurants? Also ich sag mal so, du hast jetzt gesagt, Sterneküche versus Mittelklasse. Macht die Lage einen Unterschied, die Größe, das Konzept oder trifft es eigentlich die Gastronomie relativ gleich, was gerade passiert?

Tim Raue: Naja, das gibt schon Unterschiede, weil du hast, wie gesagt, ich bin jetzt am Standort Berlin, aber du hast in Berlin-Mitte Friedrichshain und Prenzlauer Berg so Butzen gehabt, die hatten nur noch Community-Tables. Da hast du einen Platzabstand gehabt, der war minus 5 Zentimeter zum Nachbarn. Also hast gefühlt immer den Ellbogen irgendwie rangekuschelt gehabt. Und die haben natürlich ein gewaltiges Problem. Auch die ganze Idee der Sharing Plates, die der letzten Jahre aufgekommen ist. Hey, wir teilen immer alles. Das ist natürlich was, was im Moment hygienisch echt eine Herausforderung ist, weil natürlich klar ist, wenn du aus zwei Haushalten kommst und du teilst dir dann auch noch Teller. Die Gefahr, damit tatsächlich Bakterien, Infektionen, ein Virus aufzunehmen, das ist relevant. Also die werden komplett überlegen müssen, wie sie das machen. Die müssen sich ein paar Teller mehr kaufen, damit wieder jeder Gast einen hat und dann ist das eine gute Idee. Und dann gibt es natürlich auch Läden wie zum Beispiel meinen Lieblingsdönerladen. der in der Krise tatsächlich ganz gut funktioniert hat, weil die Leute halt einfach vorbeifahren konnten, sich was abholen konnten. Die aber auch funktioniert hat, weil halt Donnerstag, Freitag, Samstag nach 22 Uhr die Leute, die auf Partytour waren, da vorbeigegangen sind. Und das hat für ihn 70 Prozent seines Umsatzes gemacht. Und die gibt es nicht. Die sind nicht existent und ich bin mir relativ sicher, dass sie das auch bis zum Jahresende nicht sind. Das ist halt auch ein pragmatischer Ansatz, den man einfach jetzt für sich verstehen muss. Das ist wie meine vier Kreuzfahrtschiff-Restaurants. Also die Hoffnung, dass ich die in den nächsten Wochen wieder sehe, das wird eigentlich Und da muss man sich halt fragen, welches Geld habe ich da drin, welche Investitionen habe ich da drin, welche Menschen habe ich da drin und was kann ich rausziehen, wie kann ich das für mich handeln? Denn als Unternehmer ist eins klar, natürlich leben wir Solidarität mit unseren Angestellten. Im Restaurant Tim Raul zahlen wir allen Angestellten 100 Prozent, egal wie viel sie arbeiten. Dafür haben wir auch den Lieferservice gemacht. Aber man muss dann auch ganz realistisch sein, wenn man ein Restaurantkonzept hat, was man nicht aufmachen kann, was einen schwer belastet, dass man auch da dann tatsächlich die Hilfsmöglichkeiten des Staates nimmt oder einfach auch einen Cut machen muss. Denn das bringt nichts, wenn ich in die Insolvenz bastle oder halt mir überlegen muss, ob ich ein Drittel des Personals entlassen muss. Auch das ist ein Teil der Krise, dem man entgegentreten muss.

Joel Kaczmarek: Apropos Hilfsmaßnahmen, wie kamen die denn an? Also ich hatte immer den Eindruck, es war toll, wie schnell das umgesetzt wurde und wie unbürokratisch. In Berlin war es ja wirklich rein technologisch möglich. Trotzdem frage ich mich, wenn ich ein Restaurant habe, vielleicht mit einer attraktiven Lage, große Fläche, da rauche ich ja so eine 14.000 Euro, die es da teilweise gab, gefühlt in einem halben Monat auf. Hat das trotzdem was gebracht? Ist es was, was euch vorangebracht hat oder braucht es noch viel mehr?

Tim Raue: Also wir haben in Berlin eine Verbindung aus Gastronomen geschaffen, die alle den gleichen Ansatz haben. Sie sind selbstständige Unternehmer. Sie haben definitiv Achtung vor dem Lebensmittel und vor den Menschen. Wir haben uns dann Berlin Food Kollektiv genannt und haben uns jede Woche getroffen. Und da war es natürlich so, dass wir völlig unterschiedliche Gastronomen und Hotels hatten, die auch unterschiedliche Hilfsmaßnahmen angenommen haben. Und man muss sagen, ja, es gab die Möglichkeiten. Wenn man realistisch ist, dann ist die Höhe nicht so gewesen, dass sie das wirklich abfedert. Wir haben zum Beispiel auch bei unserer Hausbank einen Kredit beantragt, der von der KfW zum Großteil natürlich verbürgt wird. Und das hat schon eine ganze Weile gedauert. Also da gingen vier, fünf Wochen ins Land. Und da muss man dann wirklich schon liquide sein oder persönliche Einlagen, reingeben, damit der Laden erstmal weiterlaufen kann. Aber auch das gehört halt dazu. Also ich finde halt, wir können nicht in solchen Situationen dann immer nur nach Mami Staat schreien und sagen, hilf mir, hilf mir, hilf mir, halt mich. Sondern da geht es auch darum, eigene Lösungen zu finden, eigene Lösungsansätze. Und wie gesagt, ohne Kurzarbeitsgeld hätte das alles noch viel fataler ausgesehen. Und da sind Maßnahmen getroffen worden. Jetzt merken natürlich alle, dass die Kasse nicht nur im Moment leer ist, sondern auch auf die Zukunft leer ist und dass das, was wir im Moment an Wirtschaftsleistung und Kraft vernichtet haben, uns nicht nur bis zum Jahresende beschäftigen wird, sondern auch in den kommenden Jahren. Und das halte ich für eine gewaltige Herausforderung, der wir uns erst noch stellen müssen.

Joel Kaczmarek: Olaf, was glaubst du denn? Was sind denn jetzt im Prinzip Anforderungen, die man vielleicht auch an die Politik stellt? Weil ihr habt euch ja, so wie Tim auch, auch an solchen Initiativen beteiligt. Da können wir ja mal so ein bisschen drüber robben, was sozusagen Chancen jetzt sind von Corona und wie es jetzt weitergehen kann. Was wird jetzt eigentlich konkret gebraucht und was für Forderungen hat diese Branche auch an Politik und an Gesellschaft?

Speaker 1: Zunächst würde ich, glaube ich, dem Tim da absolut recht geben, dass das, was hier auf den Weg gebracht wurde, schon mal außerordentlich positiv ist. Und im Kontext der Diskussion, die wir in den Vorjahren hatten, ist das ein Riesenfortschritt. Und auch die Offenheit, die wir sehen in der Politik, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern europaweit, diese Branche jetzt ernster zu nehmen und zu fördern, ist aus meiner Sicht komplett eine neue Zeitrechnung, kann man so sagen, zwischen der Zeit vor Corona und nach Corona. Wenn du mich jetzt fragst, was brauchst du denn noch? Ich glaube, es ist ohne jede Frage so, dass diese Diskussion rund um die Umsatzsteuer von manch einem dann auch gleich zynisch begleitet wurde, im Sinne von, ja, das gilt ja erst ab 1. Juli und dann auch nur für ein Jahr. Aber lass uns doch das Positive sehen. Es ist mal eine Zusage und es ist eine Umsatzsteuerabsenkung und daran zu arbeiten, diese dann langfristig durchzusetzen, ist sicherlich ein Leitmotiv, an dem man arbeiten sollte, weil aus meiner Sicht gibt es da gar keine Problematik in der Frage, ob man dies dann auch verlängern kann. Grundsätzlich würde ich sagen, alles, was dazu dienen kann, dem unabhängigen Unternehmer zu helfen, sich zu modernisieren und seinen Betrieb auf einen modernen Standard zu bringen, sowohl im Prozess der Warenverarbeitung, also auch in der Küche und auch mit Köpfen, bis hin zur Steuerung aller Prozesse ist. Verwaltung ist aus meiner Sicht das oberste Primat der Stunde, denn wir haben aus der Erfahrung der letzten Jahre einfach gelernt, dass die Leistungsreserven in dieser Branche, um mehr Erträge zu erzielen, enorm sind. Es gibt sehr, sehr fortschrittliche Unternehmen wie das von Tim Hauer, es gibt aber auch ganz viele sehr konventionelle, sehr traditionelle Betriebe, bei denen allein schon durch die Optimierung einer Speisekarte, also einer Menüanalytik, enorme wirtschaftliche Reserven gehoben werden können. Es gibt enormen Overheads, was Buchhaltung angeht, was die Steuerberatung All diese Dinge, wo aus meiner Sicht noch eine Menge passieren kann, passieren muss, um letztendlich den Gastronomen zu entlasten von Tätigkeiten, die für ihn nicht das sind, warum er den Job gewählt hat. Er hat den Job gewählt, weil er gerne mit Lebensmitteln arbeitet, weil er gerne Dinge auf den Teller zaubert, die sonst keiner leisten kann. Oder weil er gerne ein guter Gastgeber ist, aber nicht, weil er all diesen Auflagen gerecht werden will. Stunden und Tage im Büro verbringen muss. Und da, glaube ich, kann man auch mit der Politik noch reden. Wie kann man diese Dinge, die jetzt natürlich erst mal mehr geworden sind in Bezug auf Auflage, auch um die Hygiene sicherzustellen, wie kann man diese Dinge so stark wie möglich entschlacken und idealerweise sogar digitalisieren? Ich gebe dir nur ein Beispiel. Diese HACCP-Dokumentation, die jetzt ja sogar noch intensiver wird im Sinne von, wie oft wurde gereinigt, wie oft wurden die Dinge bearbeitet, wie sie vorgeschrieben sind. Wenn du das mit Papier machst, ich meine, das ist verrückt. Wenn du das aber mit einem digitalen Tool nutzt, wie zum Beispiel Floatify, und das ist so ein Unternehmen, das aus diesem ersten Accelerator entstanden ist, dann kannst du das super easy und mit marginalen Grenzkosten ableisten. Aber darauf müssen die Leute hingewiesen werden, dass es solche Lösungen gibt. Und ich denke, daran zu arbeiten, ich sage mal in Dreiklang, mit den Unternehmern, mit der Politik und mit Unternehmen wie der Metro, also mit den Großhandlern, ich glaube, das wird eine lange anhaltende Kooperation sein. einmüssen. Wie Tim vorher schon sagte, die Notwendigkeit zusammenzuarbeiten, ich glaube, die ist in der Krise deutlich geworden wie noch nie und aus der nämlich im Übrigen sehr viel Positives.

Joel Kaczmarek: Aber das ist ja ein super Stichwort, weil das ist ja auch einer der Gründe, warum wir gemeinsam mit euch, mit der Metro unseren Deep Dive Gastro gestartet haben, weil ich weiß, ihr taucht in ganz viele Themenbereiche ein. Durch den Accelerator habt ihr irgendwie Hunderte und Tausende von Berührungspunkten mit Technologien, mit Kunden, mit irgendwie Restaurants. Da kannst du uns ja vielleicht nochmal tiefer mit reinnehmen. Wir sind ja schon mittendrin in dem Bereich, okay, was ist so das New Normal nach Corona? Was für Chancen bietet das eigentlich? Und Digitalisierung ist da, glaube ich, ganz klar so ein Faktor. Also man sieht ja, ganz viele werden gerade zwangsdigitalisiert. Das fing jetzt bei Lieferung an, aber was siehst du denn noch für Elemente? Du hast ja eben schon ein paar aufgemacht, ja, und ich weiß, es gibt noch Dutzende andere Frische-Ketten, Table-Booking-Geschichten und, und, und. Was ist denn also der Status Quo und was für Gelegenheiten bieten sich eigentlich gerade?

Speaker 1: Ja, ich will das jetzt nicht zu umfassend machen, weil sonst würde das nur in einem langen Monolog enden. Lass mich vor ein paar Dinge konzentrieren. Ich glaube, es fängt damit an, dass erstmal Die Unternehmen, die heute gar nicht digital präsent sind, dringend dahin müssen. Und als wir angefangen haben vor zwei Jahren, da waren ungefähr noch 50 Prozent der Betriebe nicht mehr online. Die hatten keine Website, die waren nicht auf Facebook, die waren nicht auf Google Maps, gar nichts. Wir haben heute, stand heute ungefähr 175.000 Unternehmer mit einer solchen Lösung ausgestattet. Also das ist im Grunde genommen die Internetseite, voll integriert mit Google My Business. Damit bist du auf Google Maps und wenn du willst, kannst du auch gleich in Facebook dich aktivieren. Und das kommt kostenfrei. Damit bist du überhaupt erstmal visibel, weil vorher bist du der unsichtbare Gastronom. Und für die Generation Millennials oder Generation Z existierst du einfach nicht. Die werden dich nicht finden. Also das ist ein Punkt. Der zweite Punkt ist, du hast es gerade angesprochen, in vielen Regionen wird die Tischreservierung jetzt verpflichtend sein. Du kommst gar nicht mehr in den Laden rein, wenn du nicht vorher reserviert hast. Eine Reservierung ist eine Commodity. Hallo, ich meine, früher habe ich angerufen und dafür hat der Restaurateur auch nichts bezahlt. Im Jahr 2020 eine digitale Reservierung zu machen, Kann kein Geld kosten, darf kein Geld kosten und deswegen bieten wir auch das kostenfrei an. Ist eine relativ einfache Lösung, kannst du einfach aktivieren. über die Internetseite und zack, hast du die Auflagen der Behörden erfüllt und hast eben nicht extra Kosten. Wir haben über das Thema Zustellung vorhin gesprochen. Auf das Thema Zustellung, also Ordering und Delivery, werden wir massiv investieren in den nächsten drei Monaten. Weil wir wissen, dass unsere heutige Lösung sehr rudimentär ist, aber wir haben die Lösung praktisch schon in der Mache, die da mehr oder weniger deckungsgleich ist mit der Funktionalität der Plattform. Und dann kommst du doch auf dich an als Gastronom, wenn du ausgiehst, zu sagen, hey, bestell über die Plattform, weißt du warum? Weil du mir was Gutes tust. Ich zahle dann eben nicht 20, 30 Prozent Kommission. Das andere, was mehr in die fortgeschrittene Digitalisierung geht, ist diese ganze Frage rund um, wie optimiere ich meine Speisekarte? Und das hört sich so trivial an und jeder kann natürlich seine Speisekarte kalkuliert, mit jedem, mit dem ich spreche, sagt mir, natürlich habe ich die Kalkulation, allein die Frage schon eine Unverschämtheit, wie kommst du darauf, mich zu fragen? und dann sage ich, dann zeig es mir doch mal, würde mich einfach interessieren, einfach so, weil ich gerne lerne, zeig mir das doch mal. und am dritten Mal fragen und immer noch nicht vorzeigen, kommt dann die ehrliche Antwort, nö, habe ich nicht. Und wenn du das dann mal machst und dann fragst, wo sind denn deine Top-Gerichte, mit denen du Geld verdienst, wo sind deine Top-Gerichte, mit denen du den höchsten Umschlag hast, wo sind Sachen, von denen du eigentlich dachtest, die wären super wichtig, die machen aber deine gesamte Wirtschaftlichkeit kaputt, dann kannst du ehrlicherweise gar nicht mehr aufhören zu optimieren, weil dann hast du so viele Stellhebel, um deine wirtschaftliche Tragfähigkeit zu fördern. und auf der anderen Seite sogar noch kundenorientierter zu werden, weil du datenbasiert das optimierst, was dem Kunden am meisten gefällt. Und wenn du erkennst, dass die Daten die beste Zutat sind in deinem Betrieb, also unstrittig, dass natürlich die Ware und die Verarbeitung das Inspirierendste ist, aber die Daten an sich werden der wichtigste Punkt sein, um deine Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. Wenn du da angekommen bist, dann hörst du nicht mehr auf und dann kannst du dir ehrlicherweise durch jeden Prozessschritt etwas Neues integrieren. und lass es jetzt dann auch dabei bewenden, aber die gesamte Personalplanung für die meisten Leute ist eine absolute Katastrophe, ist ein absoluter Albtraum. Viele machen das doch mit einem Block von Papier, manche machen es mit Excel, aber auch dafür gibt es heute ganz einfache Tools. Auch das ist etwas, was wir kostenfrei zur Verfügung stellen über DISH, unseren Shift-Planner und Wir wollen diese Dinge beisteuern, weil wir davon überzeugt sind, schon vor Covid, wenn du dich jetzt nicht modernisierst und wenn du jetzt nicht deine wirtschaftlichen Reserven hebst, kommst du unter Druck. Und der Druck kann so groß werden, dass du es geschafft fortführen kannst. Nach Covid, muss man sagen, ist das jetzt der Katalysator. Tu es oder lass es. Das ist eine einfache Entscheidung. Aber du musst dich jetzt modernisieren. Sonst wird es ganz schwierig.

Joel Kaczmarek: Tim, wie ist denn dein Insider-Blick auf das Thema? Also jetzt hat Olaf natürlich viele Lösungen auch gesagt, die sie bei sich im Hause entwickeln. Aber was ist so dein Blick? Wir haben ja im Vorgespräch, darf man dem geneigten Hörer auch mal sagen, ein bisschen gewitzelt, ob mein Kochniveau sozusagen auf deinem digitalen Niveau ist. Also waren wir beide selbstkritisch. Ich war mir schnell einig, dass du deutlich besser kochst als ich. Und du hast gesagt, du bist nicht so technologieaffin. Wie ist das beim durchschnittlichen Gastronomen? Wir haben jetzt so viel Zeugs gekauft. Ja, Menüanalytics, Buchhaltungssachen, Frischhalteketten, Lieferungen und so weiter, Tablebooking. Ist das normal? Also ist das sozusagen schon Standard, dass ein Gastronom Technologie einsetzt, um sein Restaurant zu führen? Oder, was ein bisschen mein Verdacht ehrlich gesagt ist, sind wir da manchmal noch ein bisschen steinzeitlich unterwegs?

Tim Raue: Ich glaube, das ist einfach natürlich auch ein Unterschied der Generation. Also wenn du mit Gastronomen genauso wie mit Gästen sprichst von 40 Personen, bis 15 Jahre, dann sind die alle sehr digital und digitalisiert. Und wenn du mit Menschen über 40 sprichst oder so wie mit mir mit Mitte 40, für mich gilt nicht nur das Digitale, wobei ich zum Beispiel auch all meine Reservierungen, wenn ich kann, in Restaurants online mache, weil das einfacher geht, als tatsächlich noch ein Telefongespräch reinzuziehen. Das, was mir ganz wichtig ist, ist einfach, dass die Gastronomen da draußen und die Restaurateure halt verstehen, dass sie unterschiedliche Möglichkeiten haben. Sie können sich das alles einzeln schön zusammen kaufen, können bei 600 Lieferanten jeweils irgendwie ein Produkt kaufen. oder du musst halt jetzt im Moment auch verstehen, dass es sinnvoll ist, wenn du die Reihen ein bisschen schließt, alles straffst und da gibt es wie gesagt Hilfestellung und Olaf hat das vorhin ganz klar benannt und das sind ja auch Vorgaben, die jetzt gemacht werden. dass du in Zukunft in den meisten Restaurants reservieren musst, damit einfach eine Datenerfassung stattfindet. Und da wird es, und das sieht man jetzt zum Beispiel auch bei den Imbissen, wenn die diese Zettelchen haben mit dem Stiften. Die Stifte gehen dann irgendwie durch 50 Leute am Tag. Du hast sofort wieder Infektionsketten, die kein Mensch braucht. Und das kannst du halt relativieren, indem du auch da in die Digitalisierung gehst. Dann sagen natürlich auch, was für ein Scheiß, Alter, ich gehe zum Imbiss. Aber Da muss man sagen, hat sich in den letzten Jahren auch viel getan. Der Burger ist heute ein Lifestyle-Produkt, wie er es halt vor 30 Jahren nicht war. Und ich finde halt auch, wir müssen aufpassen, dass wir mit dieser Krise, ich habe heute Morgen was gelesen von einem, der meint, er ist in der Gastronomie berufen, Zukunftstrends zu definieren. In einem Punkt muss ich ihm widersprechen. Und auch das hat Olaf vorhin wunderbar gesagt. Gerade in Europa schätzen wir die individuelle Gastronomie. Wir dürfen uns jetzt nicht von der finanziell deutlich besser gestellten Systemgastronomie, Kettenlandschaft platt machen lassen. Das ist natürlich auch was, wo die Immobilien-Heinis überlegen müssen, möchte ich jetzt den nächsten Salat-Trendladen drin haben oder irgendeine Tex-Mex-Bude, wo du keinen Koch mehr drinstehen hast, sondern einfach Menschen, die was aus dem Frostern nehmen, in die Mikrowelle feuern und dir dann rausgeben. wir sollten uns einfach unsere eigenständigkeit unsere individualität behalten und das bedeutet halt manchmal das geld verdienen nicht an erster stelle steht und in berlin sehen wir das aber berlin ist halt auch in deutschland ausnahmestellung. glaube dass zum beispiel auf dem land diese krise und das was damit passiert sehr positive effekte haben wird weil dort zum einen werden wir jetzt wieder arbeitssuchende menschen haben zum anderen werden Wird mehr Sicherheit für den Gastronomen entstehen durch eine Reservierung? Also nicht, ich fahre einfach mal hin oder nicht, sondern du weißt dann wirklich um 18 Uhr, was dich an dem Abend erwartet. Und du kannst halt mit deinen Gästen, die 45 oder 55 aufwärts sind, in neue Kommunikation treten. Du kannst sie tatsächlich dann online auf dem Laufenden halten und kannst ihnen sagen, jetzt ist Spargelsaison, als nächstes kommt der Maibock. Also du hast natürlich auch eine Möglichkeit des Interagierens, weil das ist ja in den letzten Jahren durch die Reduzierung von Printmedien auch weggefallen. Also da gibt es unglaublich viel, was glaube ich natürlich entsteht und ich finde das zum Beispiel spannend, ich lebe in Berlin im Stadtteil Wilmersdorf, wo jetzt nicht so viele junge Leute sind, also jung im Sinne von ist sicher nicht das Hipsterviertel. und wenn ich normal die Menschen habe spazieren gehen sehen, dann haben die sich Händchen gehalten und so. Mittlerweile sehe ich halt Menschen mit 60 plus am Handy oder mit dem Tablet draußen sitzen. Und da sieht man, die digitalisieren jetzt nach. Ich gehöre auch zu denen. Langsam, aber es kommt halt. Und das muss uns halt klar sein, dass wir da einfach auch ein bisschen die Menschen hinschubsen, sie begleiten, an die Hand nehmen, um diese Möglichkeiten zu generieren. Denn sie sind elementar für uns. Und da muss ich auch ganz klar sagen, wer bis jetzt noch nicht verstanden hat, dass diese Krise nicht singulär ist, sondern dass wir auch in Zukunft immer wieder mit solchen Infektionsgeschichten, mit Epidemien und Pandemien rechnen müssen, dass unser Miteinander ein anderes sein wird, dass Hände schütteln und umarmen nicht mehr zum Standard gehören und dass wir einfach den besagten Kugelschreiber am Dönerladen dann ungern in die Hand nehmen. Also ich zum Beispiel habe gesagt, hast du Desinfektionsmittel? Ja, dann desinfiziere ich jetzt den Stift, ansonsten esse ich den Döner bei dir nicht, weil da habe ich einfach keinen Bock drauf. Wenn der schon seit sieben Stunden da rumliegt, den brauche ich nicht anpacken. Und das sind halt einfach Faktoren, die wir jetzt kommunizieren müssen und wo wir dann auch mit unserem Döneranbesitzer auch sprechen müssen. Also ohne ihn anzuscheißen, das hasse ich immer oder dieses Oberlehrerhafte, also diesen Stift nehme ich nicht, sondern ihn halt zu fragen, hast du dir mal überlegt, ob es eine digitale Lösung für dich gibt.

Joel Kaczmarek: Kannst du eigentlich mal mich mit in die Welt der Gastronomen nehmen? Wie findet ihr denn eigentlich Technologie? Wie gehst du da ran? Also wenn du sagst, ich bin da nicht so affin und es geht glaube ich vielen so. Ich meine, man muss ja auch mal fairerweise sagen, Gastronomen sind auch anfällig für so Burnout-Geschichten, weil du bist teilweise ein Koch. Wenn du krank bist, fällt dir das Geschäft weg und so weiter und so fort. Sehr viel Stress, sehr viele Anforderungen an dich. Also ich wüsste manchmal gar nicht, wie ich, wenn ich digital mich nicht auskenne, wo ich das finde. Wie ist das bei euch?

Tim Raue: Bei uns ist es so, dass Marie Rau, meine Geschäftspartnerin, zum Beispiel extrem tief in Digitalisierung drin ist. Die kümmert sich um Tools, Tablets, um Kassensysteme, Reservierungssysteme. Meine Küchenchefs haben HACCP von Papier auf Laptop, also Digitalisierung umgestellt. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Da geht es nicht um ein oder zwei Blätter am Tag, da geht es um sieben oder acht. Also das heißt, du kannst dich einfach viel schmaler machen. Du wirst dadurch natürlich schneller beweglicher. Und das sind Dinge, die man angehen sollte. Menükalkulation. Also ein Restaurant fällt natürlich immer damit, wie du dein Essen kalkulierst und wie dein Personaleinsatz ist. Und wenn du das ordentlich machst, da zählt einfach jedes Prozent. Denn bei der Gastronomie ist es so, die aller, aller geilsten Gastronomen haben vielleicht Gewinnmargen zwischen sieben und zehn Prozent. Der Durchschnitt liegt eher zwischen 2 und 5 Prozent. Und deswegen habe ich halt auch vorhin die Lieferplattformen angeprangert, weil wenn die 30 Prozent von dir haben wollen, das ist völliger Bullshit. Die müssen ihr Geld halt irgendwie anders verdienen in Zukunft oder sie machen es halt auf den Schultern zur Lasten des Gastronomen. Und das wird hoffentlich nicht mehr lange so gehen, weil halt dieses Monopol-Dasein einfach so nicht mehr funktioniert. Das Problem ist nämlich, wenn du dann versuchst, als Lieferservice mit deinem Gastronomiebetrieb zu funktionieren, fängst du an, billigere Ware zu kaufen, ein billigeres Produkt hinzuklatschen, damit du irgendwie noch dabei sein kannst. Und das darf nicht sein. Da muss es Alternativen geben.

Joel Kaczmarek: So, jetzt bedeuten ja Krisen auch immer Chancen. Wie siehst du das für die Gastrobranche? Was könnten jetzt eure Chancen sein? Welche Ansätze siehst du, dass man hinterher sogar gestärkt aus der Krise geht in einigen Ecken? Sicherlich nicht überall. Also du hast recht, das wird uns lange verfolgen. Oder auch euch, muss man ja eher sagen. Aber was können Chancen sein?

Tim Raue: Für mich ist die größte Chance erstmal, dass wir jetzt eine Kommunikationsebene mit der Politik haben. Wir werden als erstes Mal als Branche wirklich seriös wahrgenommen, ohne dass wir Gewerkschaften haben, ohne dass wir streiken oder so. Sondern unsere Bedeutung für das soziale Miteinander, für das Leben in den Städten, Das ist einfach mal wahrgenommen worden. Ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich im Moment noch keine Chancen sehe. Ich bin aber auch niemand, der weit in die Zukunft schaut, sondern ich lebe immer im Hier und Jetzt und gucke mir so die nächsten Monate an. Für mich ist es erstmal ganz wichtig, tatsächlich zu hoffen. Ehrlicherweise nur zu hoffen, weil ich es nicht beeinflussen kann. kann, dass die lokalen Gäste kommen, die tatsächlich durch Instagram und Facebook jetzt auf dem Laufenden zu halten. Dann, dass der nationale Tourismus wieder einsetzt. Das heißt, dass im Sommer die Menschen nach Berlin hoffentlich kommen, weil es eine tolle, vibrierende Stadt ist, die einzigartig ist. Und dass dann im Herbst auch wieder internationale Gäste nach Berlin kommen. Und klar ist, dass in den nächsten drei Monaten nicht jeder mit seinem Gastronomiebetrieb dann noch am Markt sein wird. Aber die Chance In dem Sinne ist für mich halt immer nur weiterzumachen, zu kämpfen, jeden Tag bei null zu starten und um jeden Gast zu werben, um jeden Mitarbeiter. Die Chance, die ich sehe, ist tatsächlich eher auf Mitarbeiterseite. Die, die jetzt, so wie wir, sehr solidarisch waren mit ihren Mitarbeitern, dass wir hoffen können, dass die bei uns bleiben, dass wir tolle neue gewinnen können, weil das war in den letzten Jahren mit die allergrößte Herausforderung, die wir in der Gastronomie hatten. Wir hatten mehr Gäste als Mitarbeiter.

Joel Kaczmarek: Siehst du denn sonst so neue Geschäftsmodelle, die sich vielleicht auftun? Also du hast dich ja auch stark verändert. Du bist mehr in Regional reingegangen, mehr in Lieferungen. Gibt es da irgendeine Option? oder ist das so, wie du sagst, jetzt heißt es erstmal wirklich Kopf runter durchhalten und dann tauchen wir wieder auf und machen uns Gedanken?

Tim Raue: Also ich bin ganz ehrlich, wenn Liefer nicht sein muss, mache ich es nicht. Wir haben zwar jetzt alle Voraussetzungen dafür, wir können es auch machen, wir behalten es im Moment. Fucking great ist immer noch möglich. Ich glaube aber, dass das Restaurant niemals das Lieferbusiness ersetzen wird. Dieses in einem Laden zu sitzen, Menschen um sich herum zu haben, Atmosphäre aufzusaugen, sich bedienen zu lassen, interagieren zu können, das ist nichts, was du zu Hause hast. Aber wir hatten viele Gäste mit Kindern, die gesagt haben Wir hätten vorher nie zu euch oder euer Essen genießen können, weil wir halt zwei oder drei Kinder zu Hause haben. und wir können jetzt tatsächlich abholen, Kinder im Nebenzimmer mit einem Fernsehfilmchen oder was auch immer streamen lassen und wir können eine halbe Stunde für uns essen und können das Essen genießen. Also es ist eine Option und es gibt ganz bestimmt für viele Gastronomen neue Felder, die sie erschließen können, dass sie online ihre Produkte verkaufen können und so. Aber wenn ich jetzt nur von mir rede, dann muss ich ganz klar sagen, also neue Geschäftsfelder ist im Moment nicht mein Thema, sondern es ist tatsächlich im Moment präsent zu sein, die Wiedereröffnung zu managen, den Gast wieder zu begeistern. und dann mache ich auch mal wieder das Kinn hoch und gucke in die Zukunft.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, wenn man mal ganz ehrlich ist, also du hast vorhin gesagt, dein Durchschnittsbon hat sich von 250 Euro netto auf 40 reduziert. Das heißt, du machst 20 Prozent des Umsatzes, den du sonst machst. Also ich kann mir ehrlich gesagt, wenn ich als Laie mir so Restaurants angucke, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit der derzeitigen Aufstellung dauerhaft funktionieren. Weil wenn ich so meinen gefragten Vietnamesen um die Ecke mir angucke, um die Mittagszeit, da raucht die Bude. Da sind 60 Leute drin, da nehmen ganz viele Leute mit. Ich war irgendwie gestern da, da waren es sechs. Also ich habe gezählt, drei saßen drin, drei haben es mitgenommen. Das kann ja nicht funktionieren, oder?

Tim Raue: Nein, aber das Lunchgeschäft funktioniert auch noch gar nicht. Wir sind am Herzen in Berlin, am Checkpoint Charlie. Die machen alle noch Homeoffice. Wir haben vorher im Rausch gelebt. Wir haben in fünf Jahren nahezu keinen freien Platz gehabt. Nicht Tisch, sondern keinen Platz gehabt. Und jetzt haben wir zum Beispiel heute 16 Gäste reserviert, anstatt 44 oder 48. Und da muss man aber natürlich auch durchgehen im Moment. Das bleibt auch nicht aus. Und ehrlicherweise sprechen wir jetzt davon, wir hatten sieben beschissene Wochen. Das ist natürlich etwas, was jede Industriebranche sagen würde, ja, da muss man mal durchgehen. Das ist halt die Problematik in der Gastronomie, dass du schon für sieben Wochen kein finanzielles Backup so wirklich hast. Und es werden noch viele Wochen folgen. Und ich gebe dir völlig recht, es geht halt darum, dass das normale Leben normalisiert wird. Das heißt, dass die Menschen wieder arbeiten gehen, wieder ins Office gehen. Dann wirst du da auch mehr mitkriegen. Und das tut mir für den kleinen Vietnamesen genauso leid wie für jedes Gasthaus. Aber das ist die aktuelle Situation zum Teil.

Joel Kaczmarek: Olaf, wie ist das denn bei dir? Wie ist dein Blick darauf? Also Tim ist jetzt eher pessimistisch, sagt Chancen sehe ich nicht, Geschäftsmodelle schwierig, jetzt heißt es erstmal durchhalten. Habt ihr mit eurem internationalen Blick da noch weitere Perspektiven?

Speaker 1: Ja, ich habe da nicht nur Pessimismus rausgehört, ehrlicherweise. Ich glaube, dass der Tim schon auch die Kreativität und Leidenschaft hat, auch aus der Krise wieder neue Dinge zu entwickeln. Und das hat er ja auch schon bewiesen über die letzten Wochen. Ich glaube, es gibt zwei Phänomene, die uns momentan sehr stark beeindrucken und die auf der anderen Seite aber auch aus meiner Sicht fehl eingeschätzt werden, wenn ich das so sagen darf. In allen Studien, die uns vorliegen hinsichtlich der Frage, was vermisst du am meisten in dieser Corona-Krise, kommt das Thema Ausgehen, Essen, Gemeinsamessen, Gemeinsamgenießen auf Platz 1, 2 oder 3. Und zwar durch ganz offene Handwerker. Das ist das, was die Leute mit am meisten vermisst haben in der Lockdown-Phase. Das spricht auch aus meiner Sicht eine ganz klare Sprache, nämlich, dass die Leute zurückkommen werden. Aber es ist momentan einfach ungewiss. Es ist unkomfortabel. Die Leute haben Sorge. ob das alles funktioniert. Aber wir werden uns an die Dinge gewöhnen, an das neue Normale. Und wie Tim auch gesagt hat, die Leute werden sich auch da anpassen, auch in den Betrieben. Das ist der zweite Punkt, der aus meiner Sicht unterschätzt wird. Diese 1,8 Millionen Unternehmer, von denen ich vorher sprach, sind unglaublich kreativ. Die haben einen unternehmerischen Tatendrang, den du so in anderen Branchen vielleicht gar nicht finden kannst, wie in dieser Gastronomie. Deswegen bin ich auch viel optimistischer, dass ganz, ganz viele von denen ihre Wege finden werden. Ich bin der Meinung, dass dabei die Mordinduktion eine große Rolle spielt, aber das ist nicht alleine. Du wirst dir andere Dinge anlassen müssen, wie deinen Außenbereich auszubauen, wie die Tischfrequenz zu erhöhen, auf eine höfliche Art und Weise, nicht wie in Amerika, wo beim Espresso schon gleich die Rechnung kommt. Aber all diese Dinge werden passieren. Deswegen, ich bin in keinster Weise pessimistisch. Ich glaube, dass der Neustart, dieser Restart Gastro, der war überfällig. Und jetzt werden wir mit jedem Tag mehr verstehen, wenn wir mehr lernen, wie es geht. Und wir werden diese Erkenntnis, wie gut es geht, mit allen teilen. Und für uns als Metro ist das jetzt die Stunde der Wahrheit. Wenn wir sagen, dein Erfolg ist unser Geschäft, Ja, lasst uns mal ein bisschen daran teilhaben.

Joel Kaczmarek: Was fällt euch denn so ein? Also was macht ihr denn gerade für Aktivitäten, von denen ihr glaubt, dass die im Prinzip eure Partner dann die Restaurants stützen und dass ihr quasi, was du gerade gesagt hast, dann auch wirklich lebt und auf die Straße bringt?

Speaker 1: Ja, also wie gesagt, der Rollout dieser ganzen digitalen Lösungen ist zweifelsohne eine der höchsten Prioritäten, die wir haben. Von der kostenfreien Tischreservierung bis hin dann zur Bestellplattform. Wir werden unser gesamtes Engagement rund um die Gastberatung ausbauen, wenn du das magst, wenn du das willst. können wir dir helfen, deine Ertragskraft deutlich zu erhöhen. Dazu brauchen wir aber deine Offenheit dafür und deine Zeit dafür. Bis wir weitermachen werden, ist das, was Tim angesprochen hat, nämlich unser Engagement auf der politischen Ebene. Das haben wir in jedem Land, in dem wir tätig sind, getan. Das haben wir auch der EU-Ebene getan. Und das wird für uns weiterhin eine ganz große Priorität sein, der Branche eine Stimme zu verleihen. Wir sind die Stimme nicht alleine, sondern wir können die Stimme nur gemeinsam vertreten, mit anderen Verbänden und mit den Unternehmern. Und der letzte Punkt vielleicht ist, wir haben auch gesehen, dass dieses Thema Lernen und Adaptieren Teil der neuen Normalität. Und wir haben gerade auch eine neue Plattform live schalten gemeinsam mit unseren Partnern. Die heißt Wir sind gekommen, um zu bleiben. Das ist nichts anderes als eine Online-Akademie, in der Unternehmer für Unternehmer eintreten und ihre Erfahrungen teilen. Und dabei dann sicherlich nicht nur in cozy words sagen, alles wunderbar, alles dufte, jetzt ist alles wieder prima, sondern offen, authentisch und ehrlich auch über die Schmerzpunkte reden und die Fehler, die gemacht wurden und was man daraus gelernt hat. Daraus werden wir sicherlich eine Menge an neuen Erkenntnissen gewinnen, die wir dann auf allen anderen Ebenen auch wieder einsetzen können. Du merkst dann, wir wollen das nicht nur auf Aare und den Store und auf die Belieferung konzentrieren, sondern wir wollen da ganzheitlich drüber nachdenken.

Joel Kaczmarek: Gut, vielleicht abschließende Frage an euch beide. Wie stellt ihr euch denn so das New Normal vor? Also wenn ich jetzt 2020, 2021 mir mal ausmale, was glaubt ihr, wie wird Gastronomie und Kundenkontakt da aussehen?

Tim Raue: Ich finde, das ist eine Aussicht, die ich dir nicht geben kann, weil da würde ich als Hellseherin arbeiten und das bin ich nicht. Also ich kann nur sagen, dass ich in den jetzt drei Tagen, die wir operativ wieder geöffnet hatten, gemerkt habe, dass die Gäste mit unheimlicher Freude zum Essen gekommen sind. Sie Sie haben es richtig krachen lassen, sie haben das größtmögliche Menü gegessen, tolle Weine getrunken, haben sich bis 21.59 Uhr amüsiert und im Moment sieht es tatsächlich so aus, als wäre der Business Lunch etwas, was erstmal wegfällt oder sich langsam wieder erholen muss. Das Liefergeschäft gerade am Wochenende für Eltern eine Alternative ist, ins Restaurant zu gehen. dass Reservierungen tatsächlich auch in einfacheren Restaurants ganz klar definiert werden, weil sie auch über die Online-Tätigkeit die Möglichkeit geben, die Platz- und Tischfrequenz für den Gastronomen zu erhöhen. Ich glaube aber, dass es vor allen Dingen um das Miteinander geht. Wir sind Menschen, wir sind keine Maschinen, wir sind nicht planbar, sondern ich habe aus den Krisen, die ich in meinem Leben erlebt habe, also den globalen Krisen, immer mitgekriegt, dass der Mensch glücklicherweise relativ schnell wieder vergisst und verdrängt. Und deswegen hoffe ich auch, dass das in dem Fall eintritt. Was ich mir wünsche, das ist was anderes. Wenn ich mir wünschen dürfte, wie die neue normale Gastronomie aussieht, dann wäre es eine, die tatsächlich verantwortungsvoller mit den Lebensmitteln umgeht, die ihr zur Verfügung steht. dass wir uns sehr genau klar machen, bewusst machen, wie wir Nutztiere handhaben, wie wir mit ihnen umgehen und dass wir da auch ganz klar mal sagen, auch als Metro zum Beispiel, welche Produkte brauchen wir denn im Angebotsregal? Müssen wir beschissenen Analogkäse haben? Müssen wir Lieferanten unterstützen, die Leona-Wurst weitergeben, wo wir einfach wissen, dass der Fleischanteil gering ist? Müssen wir sowas noch anbieten? Brauchen wir das? Braucht unser Körper das? Müssen wir einen Softdrink zu uns nehmen, der so viel Zucker hat, dass wir wissen, der kann dem Körper nur schaden? Und ich spreche da als schwer zuckerabhängiger. Und auch das sind einfach Faktoren, wo wir die Möglichkeit haben, uns zu verbessern. Denn was ich aus den Umfragen, die von Unternehmensberatungen in Asien gemacht wurden, gesehen habe, ist, dass dort, und das habe ich hier in Berlin übrigens auch erlebt, die Kunden haben mehr frische Lebensmittel gekauft. Gute Lebensmittel bis sehr gute Lebensmittel und haben sie selber zubereitet. Und da sind wir in Deutschland im Gegensatz zu Spanien, Italien, Frankreich echt immer hinten dran gewesen. Und da konnten wir jetzt aufholen. Und das würde ich mir wünschen, dass der Mensch das Zuhause mehr lebt und dann im Restaurant auch mehr schätzt. Weil. der Deutsche hat das Restaurant auf jeden Fall in einem gewissen Altersklientel als eine Dienstleistung gesehen, aber nichts, was Teil seines Lifestyles im Endeffekt war. Und da ist die junge Generation viel weiter. Das würde ich mir für die Zukunft wünschen. Wertschätzung im Miteinander, Respekt und einen besseren Umgang mit Lebensmitteln.

Joel Kaczmarek: Wie ist das bei dir, Olaf? Was sind so deine Prognosen und Wünsche?

Speaker 1: Ich glaube, ich bin da ähnlich gestreckt wie Tim. Auch ich habe die Glaskugel hier leider nicht im Büro. Aber ich denke, wenn man sich allein auf Fakten orientiert, dann ist es auch so, dass bis zu dem Zeitpunkt, wo diese Krise oder dieses Virus nicht komplett verstanden ist, wird es zu restriktiven Maßnahmen kommen. Dass es dazu dann auch kommt, dass wir dann irgendwo Impfstoff oder auch Medizin haben, Handlungsmittel. wird es so sein, dass dieses Social Distancing zu der neuen Normalität gehört. Ich bin allerdings schon der Überzeugung, dass das, was Tim gerade auch gesagt hat, absolut korrekt ist. Der Mensch verdrängt dann diese Dinge, wenn die Krise mal rum ist. Nach jeder Krise hat man sich wieder gewundert und die Augen gerieben, wie schnell es dann wieder zur alten Normalität zurückgekehrt ist. Das, glaube ich, wird diesmal nicht ganz so schnell sein, weil einfach die Krise länger anhält. Wir können nicht davon ausgehen, einer Bewältigung dieser Covid-19-Situation innerhalb von drei Monaten kommen wird, sondern es wird deutlich länger dauern. Und deswegen wird auch diese Aggression wieder an die Normalität, an die gefühlte alte Normalität zu brauchen. Aber ich bin trotzdem optimistisch, weil ich davon überzeugt bin, dass man sich an diese neuen Rahmenbedingungen gewöhnen kann. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Menschen weiterhin gutes Essen konsumieren wollen, sie weiterhin den Zugang haben wollen der Kreativität und der Inspiration der Gastronomie durch ganz Europa. Und deswegen wird sich das einfach neu justieren. Dafür brauchen wir aber noch ein paar Wochen, um genau zu verstehen, wie das dann funktionieren wird. Und das ist aus meiner Sicht aber auch wiederum, wie gesagt, eine Chance.

Joel Kaczmarek: Hervorragend, ihr Lieben. Das war sehr inspirierend, hat viel Spaß gemacht. Und ich hoffe natürlich, dass ganz viele Gastronomen, die jetzt zugehört haben, auch was draus ziehen können. Dass man viel, viel öfter wieder guten Appetit mal hört, als Wunsch auf diesen Straßen in diesem Lande. Und ich glaube, wir alle freuen uns, wenn wir wieder mehr soziales Miteinander haben. Und dass ihr eure Sicht darauf geteilt habt, hat, wie gesagt, viel, viel Spaß gemacht. Von daher, lieben, lieben Dank euch und natürlich viel Erfolg und alles Gute für euer Geschäft und bleibt gesund.

Speaker 1: Danke auch.

Tim Raue: Vielen Dank. Tschüss. Tschüss. Hey! Hey!