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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute wird es schmutzig, denn ich habe dem Ganzen so ein bisschen meinen persönlichen Titel verpasst. Ich spreche heute mit der größten Dreckssau im PR-Geschäft. So habe ich das gesagt. Ja, das ist eigentlich ein bisschen komisch, weil PR denkt man jetzt immer Schönfärberei. Heute machen wir mal das Gegenteil und wir machen mal die ganz harten Themen. Sag doch mal ganz kurz, wer bist du? Stell dich vor.
Marcus Johst: Ja, ein schönes Kompliment. Vielen Dank. Mein Name ist Marcus Johst. Meine Firma heißt „Sozietät für strategische Medienberatung“ mit Sitz im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin.
Joel Kaczmarek: Also man merkt, ich meine das durchaus anerkennend mit der Drecksau. Und du nimmst das auch noch als Kompliment. Also so ist das auch durchaus gemeint. Denn deine Aufgabe ist so ein bisschen, wenn Leute irgendwie in die PR kommen, wo man nicht hin will, also wirkliche Krisen-PR.
Marcus Johst: Es sah eigentlich aus, wo ich aufgewachsen bin, nach Hamburg geschickt haben, in eine befreundete Redersfamilie, die mir eine Woche lang auf diversen Schiffen im Hamburger Hafen verpasst haben. Und danach war ich endgültig kuriert. Danach musste es Journalismus sein.
Joel Kaczmarek: Und was hast du da für Stationen dann gehabt?
Marcus Johst: Ich habe schon mit 17 in Österreich das Anzeigengeschäft ganz gut dort, mit einem sehr rücksichtsvollen und freundlichen Journalismus.
Joel Kaczmarek: Okay, also ist so ein bisschen deine Denke bei dem Produkt. jetzt, was Celebrity-Magazine angeht, dass dieses Investigative gar nicht so förderlich ist?
Marcus Johst: Nein, glaube ich inzwischen ist völlig deplatziert. Das Publikum, wenn es zu solchen Titeln greift oder solche Inhalte konsumiert, die wollen in eine Traumwelt entführt werden und da sind solche Aufdeckergeschichten, glaube ich, eher störend.
Joel Kaczmarek: Was war dann so deine Genese? Also man merkt ja so ein bisschen, ich versuche unseren Hörern, die dich noch nicht so kennen, man hat ja immer nur manchmal so eine Stimme, den versuche ich ja so ein bisschen zu vermitteln, wie du als Typ so tickst. Das heißt, du hast viele journalistische Erfahrungen gemacht, Regionalblätter, Überregional, Celebrity-Journalismus. Was war dann für dich so ein bisschen der Wendepunkt, zu sagen, du gehst auf die andere Seite, du machst jetzt irgendwie PR?
Marcus Johst: Das war um das Jahr 2000 herum, nach schon etlichen Jahren in Journalismus und diversen Redaktionen, immer mit dem großen Karrierewunsch bedeutender Chefredakteur zu werden. Und ich habe festgestellt, okay, die Aussichten, einer von den zehn zu werden in Deutschland, die dann solche Blätter führen, die wurde immer weniger attraktiv. Weil ich ja sehr nah an einem Chefredakteur gearbeitet habe und sowohl Glanz als auch Elend des gehobenen Angestelltenseins direkt miterleben durfte und festgestellt habe, na, du bist auch nur Befehlsempfänger in so einer Position. Ist das überhaupt attraktiv? Die Antwort war nein. Und die Konsequenz dann, also diese Karriere völlig zu beenden.
Joel Kaczmarek: Ich meine, ich habe ja auch so ein bisschen den Effekt gespürt, dass man manchmal so ein Bild vom Journalismus hat, hat dann so einen Aufwachmoment und ist eigentlich so ein bisschen desillusioniert. Also ich fand das auch mal lange Zeit einen richtigen Arschjob. Deswegen sage ich auch mal alle, die mich Journalisten nennen, ich bin kein Journalist, ich bin irgendwie Medienmacher und Medienunternehmer. Gleichzeitig hat man immer so ein bisschen dieses Thema, Leute denken mal, wenn man Journalist ist, kann man ganz leicht auch PRler sein. Dass man sozusagen diese Seite so 180 Grad ein bisschen dreht. War das so einfach oder ist das eigentlich schwieriger, als man denkt?
Marcus Johst: Ich glaube, es ist schwierig bis unmöglich. Und ich habe es mir ein bisschen bequem gemacht, weil ich mich ja schon in einer Nische positioniert habe, der Public Relations, die viel näher am investigativen Journalismus dran ist. als die klassische PR, wo es ja um das Prinzip der selektiven Wahrnehmung bis zum Verrecken geht. Und das muss man auch charakterlich als Persönlichkeit durchhalten. Wer den Journalismus in der DNA hat, der kann so einen Job glaube ich nicht machen.
Joel Kaczmarek: Wie geht es denn dir damit? Weil du kannst ja immer so ein paar deiner Fälle, von denen du erzählen kannst, mal vorstellen. Ich habe mir deine Webseite sehr genau angeguckt. Ich finde, das liest sich manchmal wie so ein Krimi. Also du kannst es ja gerne auch mal anonymisieren. Ich glaube, ein sehr bekannter Fall, mit dem du aber immer arbeitest in der Kommunikation, ist Uschi Glas. Sag doch mal so ein bisschen, was du so gemacht hast eigentlich.
Marcus Johst: Das ist schon tatsächlich sehr lange her passiert. Im Grunde genommen ging es darum, einen wirklich sehr zerstörerischen Angriff der Institution Stiftung Warentest abzuwehren und den Schaden, der eigentlich schon entstanden war, durch die Veröffentlichung eines negativen Produkttests abzuwehren. Gering zu halten und innerhalb der Branche, der Cremehersteller, das muss man sich vorstellen, eine sehr kleine Branche, da kennt jeder jeden, die Reputation des Unternehmens zu retten und den Leuten ganz klar zu kommunizieren, hier wurde nichts falsch gemacht, hier wurde nichts falsch angerührt, hier sind keine ungesunden Sachen in der Creme drin. Und dass man natürlich mit so einem Gegner, der damals eine noch viel höhere Reputation hatte als heute. Man denke nur jetzt an die Schlappe gegen Rittersport. Das war schon eine Aufgabe, an der man eigentlich nur wachsen konnte.
Joel Kaczmarek: Ich glaube, du hast auf deiner Webseite irgendwas geschrieben mit die Stiftung Warentestgenoss mehr Vertrauen als der Papst oder irgendeine Geschichte.
Marcus Johst: Das war damals tatsächlich so, zumindest hieß es das.
Joel Kaczmarek: Hast du noch so ein paar andere Räubergeschichten, die du aus deinem Portfolio mal mit uns teilen kannst, bevor wir mal eintauchen und deine Techniken dazu sozusagen aufarbeiten?
Marcus Johst: Jetzt muss ich tatsächlich mal nachdenken, was man nehmen könnte. Also ich habe den einen Fall, der auch auf der Webseite erwähnt wird, mit der sehr effektiven Gewerkschaftskommunikation in Verbund mit öffentlich-rechtlichen Medien. Das ist ja sozusagen eine echte Ehe, die überall funktioniert in Deutschland.
Joel Kaczmarek: Das musst du mal ein bisschen besser verpacken noch. Also was war sozusagen der Case? Was war passiert? Was war deine Aufgabe? War das nicht diese Babynahrungsherstellungsgeschichte zum Beispiel?
Marcus Johst: Ach so, das ist auch schon ewig her. Das war hip.
Joel Kaczmarek: Darfst du es sagen?
Marcus Johst: Ich versuche es mal verklausuliert zu machen. Also wie war die Frage?
Joel Kaczmarek: Hast du noch andere Reißer-Geschichten für uns?
Marcus Johst: Eine ganz spannende Situation war, einen sehr bekannten Babynahrungsmittelhersteller zu verteidigen gegen Vorwürfe. Er würde mit Pestiziden verseuchten Babybananenbrei verkaufen. Wobei hier der Kunde auch schon mit mit einer Ermittlungsagentur zusammengearbeitet hat und ich zum Start der Zusammenarbeit schon eine ganz gute Datenlage hatte bzw. nicht mehr viel Arbeit aufwenden musste, um nachzuweisen, dass die Konkurrenz diese Schlagzeile sozusagen am Medienmarkt platziert hat. Das hatte damals schon begonnen. Es galt auch hier eigentlich nur noch Schadensbegrenzung. Und das ist tatsächlich auch ganz gut gelungen, nachdem ich gegenüber den großen Redaktionen auch eine Beweisführung antreten konnte, woher das kommt, beziehungsweise den Gegner von der Glaubwürdigkeit her also richtig einzuordnen.
Joel Kaczmarek: Hat es denn gestimmt, was Sie gesagt hatten?
Marcus Johst: Das hat gestimmt. Es handelt sich um einen tatsächlichen Fehler, der noch immer nicht ganz klar aufgeklärt ist. Vermutlich hat ein Lieferant aus Mittelamerika dem Hersteller eine Ladung Bio-Bananen verkauft, die keine Bio-Bananen waren. Das heißt, die wurden ganz normal gespritzt. Insofern war die Schlagzeile natürlich korrekt. Es war ein Babybananenbrei, in dem Rückstände von Pestiziden zu finden waren. Nur, und jetzt kommen wir eigentlich schon zum Kern der ganzen Angelegenheit, dem Kuratieren von Fakten. Ich selbst bin aufgewachsen, ich bin jetzt knapp über 50 Jahre, Ich bin mit jeder Menge Bananen aufgewachsen. Damals gab es, glaube ich, noch gar keine Bio-Bananen. Und es geht mir immer noch sehr gut. Ich habe wahrscheinlich während der ganzen Kindheit nur mit Pestiziden behandelte Bananen gegessen. Und insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass das jemandem geschadet hätte. Natürlich stand auf diesen auf diesen Gläsern Bio drauf. Und da ging das natürlich nicht, dass da solche Spritzrückstände drin waren.
Joel Kaczmarek: Aber ich meine, der schöne Faktor, den wir ja mal festhalten können, ist, deine Arbeit passiert vollkommen unabhängig davon, ob es stimmt oder nicht, ob es gerecht ist oder nicht. Also du bist ja da eigentlich relativ wertungsfrei.
Marcus Johst: Natürlich, muss ich auch.
Joel Kaczmarek: Und weil du gerade so ein bisschen das eingeleitet hast mit dem Wort, man braucht eine gewisse Persönlichkeit dazu. Tut einem das manchmal weh? oder was macht das mit einem, wenn man sozusagen mit Gerüchten zu tun hat, Leuten hilft, mit schlechter Presse aus der Presse zu kommen, die vielleicht aber sogar stimmt?
Marcus Johst: Ja. Es ist sogar sehr einfach und motivierend und macht Spaß, wenn man sich selber auf der Seite des Gerechten wähnt.
Joel Kaczmarek: Und wenn du das aber wissentlich nicht bist?
Marcus Johst: Also PR, die lügt, ist sowieso zum Scheitern verurteilt. Es ist eine Qualitätsfrage, ob ich mich einer Lügentechnik bediene oder ob ich das Prinzip der selektiven Wahrnehmung so meisterhaft beherrsche, dass ich Botschaften formuliere, die ohne Lüge auskommen und ihr Ziel erreichen.
Joel Kaczmarek: Okay, spannend. Also es ist sozusagen so, du lügst nicht aktiv, sondern du lenkst nur Aufmerksamkeit auf einen anderen Faktor.
Marcus Johst: Genau.
Joel Kaczmarek: Ja, spannend. Dann lass uns doch mal so in den ersten von drei Blöcken, die ich mir überlegt habe, eins zu tauchen. PR erzeugen. Wie gehe ich hin? Also viele Unternehmen hören ja jetzt zu, die haben ja eher den Fall, da sind vielleicht noch junge Unternehmen oder starten gerade einen neuen Dienst. Die wollen eigentlich sozusagen Aufmerksamkeit in der Presse erzeugen. Was ist dafür das richtige Vorgehen? Wie muss ich eine Botschaft finden und was sind eigentlich sozusagen die Wege, mit denen ich das tue?
Marcus Johst: Im Grunde genommen funktioniert gute PR auch für Startups, das heißt für Marken, die noch keiner kennt, über dasselbe Prinzip, wie guter Journalismus funktioniert. Ich muss überraschen. Ich muss Regeln brechen und ich muss gleichzeitig auch Klischees bedienen. Neulich hatte ich einen interessanten Auftrag, nämlich ein relativ kleines Startup, die über ein sehr überschaubares Budget verfügen, zu helfen, eine größere Aufmerksamkeit zu generieren mit ihrer sehr speziellen Dienstleistung. Und da haben wir eine angemessene Zeit lang überlegt, was man denn da machen könnte, wo auch der Aufwand noch überschaubar bleibt. Und dann kamen wir zum Ergebnis, naja, wir suchen uns einen sehr mächtigen, sehr lauten und PR-starken Feind, den wir provozieren. Gut, dieser Feind war auch der perfekte Feind, denn es war die größte Fluglinie Europas mit einem Chef, den man also mit gutem Gewissen auch das größte PR-Großmal Europas nennen darf. Wir haben den ein bisschen provoziert. mit einer kurzen Serie von Pressemitteilungen. Und der ist abgegangen wie ein wilder Hund und hat unsere Firma immer wieder erwähnt. Vielen Dank.
Joel Kaczmarek: Man kriegt, glaube ich, das sukzessive Gefühl, warum ich deine Arbeit so interessant finde. Ich habe nämlich gerade, witzigerweise gestern, glaube ich, auch genau so einen Artikel gelesen. Da ging es auch um Shitstops. Da ging es um diesen Faktor Earned Media. Es gab diesen schönen Satz, es gibt keine schlechte PR, außer die eigene Todesanzeige. Da war auch so ein bisschen der Gedanke, dass eigentlich keine schlechte PR existiert, sondern dass man eigentlich dieses Earned Media, also man kommt in die Presse, sei es mit Biegen und Brechen, dass das irgendwie immer hilft. Ist das so ein bisschen dieser Logik geschuldet?
Marcus Johst: Also das ist definitiv schon eine gehobene Stufe der Weisheit, wenn ein Kunde das mal begriffen hat. Leider ist es immer noch so, dass Angst das Leitmotiv der Unternehmer ist, wenn sie sich der PR bedienen wollen. Und das verhindert sehr viel gute PR für wenig Geld. Weil die Herausforderung ist ja nicht mit einem Riesenstab, mit wahnsinnig großer Penetranz, mit gewaltigen Aufwand, Pressekonferenzen, ganze Presseroadshows zu machen. Nein, man muss hin zur Wurzel der Nachricht. Ich muss einfach eine interessante Botschaft finden. Und wenn diese Botschaft auch wirklich ein großes Publikum findet, dann ist diese kleine Energie, die ich in das Entwickeln dieser Botschaft gesteckt habe, in keinem Verhältnis zu dem, was dabei rausschauen kann.
Joel Kaczmarek: Wie finde ich so eine Botschaft, die irgendwie interessant ist? Was muss die haben?
Marcus Johst: Man muss eigentlich das Regieprinzip von Klaus Peimann anwenden. Man muss immer genau das Gegenteil von dem tun, was erwartet wird.
Joel Kaczmarek: Kannst du mal ein Beispiel verpacken, wie sowas aussehen kann?
Marcus Johst: Ich habe Ich überlege mir oft im Stillen, wenn ich mit einem bestimmten Fall betraut werde, was ist der grotesk möglichste Vorschlag, den ich diesem Kunden machen könnte. Erstaunlicherweise, wenn der Kunde das dann nach einiger Überredungsanstrengung dann auch erlaubt, ist es genau das, was dann auch funktioniert.
Joel Kaczmarek: Hast du immer so ein paar historische Beispiele, was du da irgendwie, was du gebaut hast als Message, wo man als normaler Gründer vielleicht nicht daran gedacht hätte?
Marcus Johst: Da muss ich jetzt mal mit dir reden oder überlegen, ob ich das machen darf. Ein sehr interessanter Auftrag, der noch nicht so lang her ist, war es, einen großen Bauträger, der in einer deutschen Großstadt ein Riesenbauprojekt verwirklichen wollte und sehr große Sorge hatte, dass aus politischen und auch gesellschaftlichen Erwägungen möglicherweise sein Riesenprojekt nicht genehmigt wird. Also die Bitte war da, auch für eine gewisse gute Stimmung zu sorgen. Was natürlich nicht leicht ist, weil die öffentliche Sympathie für große Bauträger ist überschaubar. Es gab auch eine sehr starke Bürgerinitiative aus der Nachbarschaft dieses großen Projekts, die von teilweise sehr gut organisierten Leuten angeleitet wurde, die auch sachlich ganz gute Argumente hatten. Und auch nicht unglaubwürdig waren, also im Rahmen, im sozialen Auftreten auch durchaus Punkte machen konnten. So, eigentlich ein unlösbarer Fall. Da habe ich mich dann tatsächlich zusammen mit dem Auftraggeber mal zurückgezogen, der auch die notwendige Verspieltheit mitgebracht hat, neue Wege zu gehen. Wir haben uns gemeinsam sehr detailliert die Argumentationskette der Bürgerinitiative und ihrer Vertreter angesehen, das Ganze mal seziert. und gewisse Teile davon mal rausgenommen, die uns interessant schienen und haben sie und sind dann draufgekommen, dass da gar nicht so wenig politischer Sprengstoff drinsteckt, wenn man die mal befreit von gewissen Elementen. Was dabei rauskam, ist eine ziemlich hundertprozentige Deckungsgleichheit mit politischen Parolen der AfD. Über einen Mittelsmann haben wir dann der AfD den freundlichen Tipp zukommen lassen, dass hier möglicherweise ein Feld wäre, in dem man Punkte machen könnte. den man für gewisse Sympathien werben könnte. Und glücklicherweise sind die Parteistrategen darauf angesprungen und haben das aufgenommen. Sind damit auch an die Presse gegangen. Mit dem Resultat, dass die Bürgerinitiative in diesem Augenblick moralisch tot war.
Joel Kaczmarek: Also du bist im Prinzip hingegangen, hast es geschafft, dass ein Bauträger ein Bauvorhaben durchbringen kann, weil du es geschafft hast, seine Gegner in dem Licht erscheinen zu lassen, dass sie AfD-nah sozusagen sein oder zumindest ihre Inhalte. Korrekt. Aber ist das nicht so ein Moment, wo du sagst, hier Lüge versus selektive Wahrnehmung? Also hast du die Wahrnehmung auf etwas gelenkt, aber ist das ein Moment, wo du dich schlecht fühlst auch?
Marcus Johst: Nein.
Joel Kaczmarek: Warum nicht? Also wir lachen jetzt darüber, was ja ein ernstes Thema ist.
Marcus Johst: Da brauche ich jetzt ein gutes Argument.
Joel Kaczmarek: Ich kann dich auch vom Haken lassen.
Marcus Johst: Ich habe auch eins. Ich will das auch. Joel, wir reden hier über Medien. Wir reden über öffentliche Aufmerksamkeit. Über Wahrnehmung. Wir reden über das, was Medien als ihre Wirklichkeit produzieren und verkaufen. Und diese Wirklichkeit ist wie jede andere Wirklichkeit immer ein subjektives Produkt. Insofern habe ich kein schlechtes Gefühl dabei, die Medien bei der Herstellung dieser Produkte auf eine Weise zu unterstützen, die ihrem Geschäftsmodell entgegenkommt. Versuche spannende Inhalte zu kreieren, die aufgenommen werden. Und solange die Lüge nicht Bestandteil dieser Produkte ist, kann ich sehr gut damit schlafen.
Joel Kaczmarek: Gut, also haben wir so ein bisschen gelernt, man darf nicht lügen, sondern man muss die Wahrnehmung ein bisschen lenken oder muss sie eigentlich sehr aktiv lenken. Bisschen wie bei so einem Zaubertrick eigentlich, dass man eigentlich versucht.
Marcus Johst: Genau, Trick.
Joel Kaczmarek: Ganz spannend. Und dann war eigentlich so der Faktor überraschen, Regeln brechen. Das hast du ja irgendwie auch ganz spannend an dem anderen Beispiel klargemacht. Was ist denn so der Umgang mit Journalisten? Wie sollte man Journalisten anfassen? Wie kommt man an die ran? Du musst ja da besonders gut sein. Wenn du eigentlich ein Zauberkünstler bist, läufst du ja besonders Gefahr, dass Journalisten dir nicht trauen oder bei dir besonders kritisch sind. Fangen wir mal ganz basic an. Wie spreche ich einen Journalisten an? Wie komme ich in Kontakt und wie mache ich das am besten?
Marcus Johst: Ich empfehle grundsätzlich Offenheit. Genug Mut, um über Probleme und Niederlagen zu sprechen. Der Journalist an sich ist empathisch, er ist vorsichtig, er ist misstrauisch und er freut sich, den Schwachen zu helfen. Wenn man es schafft, in dieser Position mit seinem Anliegen einem interessierten Journalisten gegenüber zu treten, das Ganze noch begleitet von Inhalten, die einen Neuigkeitswert haben, dann ist es mehr als die halbe Miete.
Joel Kaczmarek: Wie wählst du die aus? Also ich meine, du hast ja teilweise Aufträge. Ich habe dich ja verfolgt. Manche Sachen waren irgendwie im Umfeld von Milchkonzernen. Andere waren irgendwie bei Krankenhausketten. Also da gibt es ja eine ganz eigene Landschaft von Medien teilweise, wo man manchmal erst verstehen und lernen muss, wer da auch welchen Impact hat. Und dann gibt es natürlich so diese Metaebene der großen Generalmedien. Wie orchestrierst du die? Wie gehst du vor? Wen wählst du aus für deine Storys?
Marcus Johst: Das kommt immer ganz darauf an. Also jeder Auftrag, jede Problematik, hat ihre eigene Gestalt. Manchmal empfiehlt es sich gar nicht, direkt mit Journalisten in Kontakt zu treten, sondern gewisse Nachrichten einfach passieren zu lassen. Also scheinbar passiv die Dinge ins Rollen zu bringen und die Kugel so zu steuern, dass sie auch dorthin rollt, wo man das gern hat. Ich habe ja schon vorhin darüber gesprochen, also an der Wurzel der Botschaft muss man arbeiten und wenn die gut ist, dann funktionieren Nachrichten teilweise wie von selber. Dann wird ein Eskalationsmodell in Gang gesetzt, wo man letztendlich nur noch leicht steuernd eingreifen muss. Das andere sind natürlich persönliche Hintergrundgespräche, teilweise mit Menschen, die die ich schon jahrelang kenne, wo auch eine Vertrauensbasis besteht, wo auch sehr viel Offenheit da ist und gegenseitiges Vertrauen, dass man sich nicht anlügt und dass die Verbreitung von Inhalten letztendlich kein Glaubwürdigkeitsproblem beim Journalisten ergeben, weil das ist natürlich das Schlechteste, was man tun kann. Dann bleibt diese Tür ein für alle mal verschlossen. Das wäre ja auch eine selbstzerstörerische Unvorsichtigkeit.
Joel Kaczmarek: Okay, also ein Faktor ist eigentlich so Beziehung aufbauen und dann muss man manchmal die Dramatik einer Nachricht sozusagen gut verstehen, um zu wissen, ob ich aktiv kommuniziere oder eher passiv bleibe.
Marcus Johst: Genau, die Inszenierung ist schon der Schlüssel.
Joel Kaczmarek: Aber inszenieren ist gar nicht so leicht. Braucht es da eigentlich immer jemanden wie dich, der solchen Leuten, Unternehmern hilft zum Beispiel und sagt, also bist du dann immer der Regisseur dessen?
Marcus Johst: Gott sei Dank braucht es solche Leute, weil sonst würde ich ja kein Geld mehr verdienen können. Natürlich gibt es auch bei Unternehmern beziehungsweise Auftraggebern Naturtalente, die das einfach im Blut haben, weil Ist auch schön. Und manche brauchen auch gar keine professionelle Hilfe, weil sie sowieso wissen, wie es läuft.
Joel Kaczmarek: Was sind denn im Umgang mit Journalisten so Do's und Don'ts oder Must-Haves und No-Go's? Also Lügen hast du gerade schon gesagt, das ist so ein No-Go. Gibt es irgendwie andere Faktoren, wo du sagst, rate ich stark von ab oder rate ich stark zu hin?
Marcus Johst: Naja, die Verschlossenheit gegenüber Inhalten, also das, nee, das kann ich jetzt nicht sagen, ist natürlich der Killer für jedes Gespräch.
Joel Kaczmarek: Ich erinnere mich mal an einen Satz, den du zu mir gesagt hast. Das hast du gleich mal kommentiert bei Facebook. Das ist bei mir wie eine Leuchtschrift, die man sich ins Büro hängen bleibt, hängen geblieben. Da sagtest du, wenn ein Journalist dich anruft, ist die Story schon geschrieben.
Marcus Johst: Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern.
Joel Kaczmarek: Mir ist das hängen geblieben. Worauf ich hinaus will ist, wenn ich als Unternehmer mit Journalisten zu tun habe, laufe ich dann eigentlich Gefahr, dass die schon eine Story im Kopf haben und ich die gar nicht mehr steuern kann? Also muss ich eigentlich schon viel früher ansetzen?
Marcus Johst: Natürlich. Die guten Journalisten haben die Geschichte schon fertig. Dann, wenn ich natürlich als Wenn ich kontaktiert werde als Betroffener und das Gefühl habe, das wird keine günstige Geschichte für mich, dann muss man natürlich gegensteuern. Aber mit etwas Übung erkennt man schon relativ schnell, in welche Richtung es geht. Und sich gänzlich dagegen zu verwehren, macht wenig Sinn. Also da rate ich einfach zu maximaler Kooperation. Und vor allen Dingen, wenn es schmerzhafte Inhalte sind, mit denen der Journalist auf dich zukommt, dann musst du ihm einfach ein Angebot machen, das besser ist.
Joel Kaczmarek: Also du bist wieder beim Thema Story. Ja. Lass uns doch dann mal rüber tauchen. Also erste Säule von mir war ja so ein bisschen PR erzeugen, jetzt haben wir so ein bisschen das Thema PR abwehren. Wie gehst du denn da vor? Was ist denn dein Vorgehen, wenn du merkst, da kommt eine PR-Welle auf mich zu, die ich irgendwie umlenken muss?
Marcus Johst: Im Grunde genommen, also meistens ist wenig Zeit. Oft gibt es nur noch eine Chance, nämlich Ablenkung. Das heißt, Wenn der Punkt, auf den die Nachrichtenlage zusteuert, für mich sehr schmerzvoll ist, muss ich einfach einen anderen Punkt anbieten, der vielleicht auch unangenehm ist, aber lange nicht so schmerzvoll.
Joel Kaczmarek: Hast du mal ein Beispiel, wie sowas aussehen kann? Kann ja hypothetisch sein.
Marcus Johst: Als es in der Milchwirtschaft ein grobes und europaweit wahrgenommenes Produktproblem eines großen Milchprodukteherstellers gab, haben wir beschlossen, die Krise so darzustellen, Das ist eine Lobby-Anstrengung einer ausländischen Ach Gott, jetzt verirre ich mich gerade.
Joel Kaczmarek: Aber eigentlich gut.
Marcus Johst: Ich hatte vor wenigen Jahren mal einen Kunden mit einem schwerwiegenden Produktproblem in der milchverarbeitenden Lebensmittelindustrie. Ein verheerendes PR-Desaster, das leider schon im Laufen war, als ich da eingeschaltet wurde. Glücklicherweise gab es eine dünne Stimme in diesem grauenhaften Konzert aus dem Ausland, wo jemand versucht hat, meinen Kunden – ach Gott, ich kriege das nicht hin –. Wie kann man das klar auf den Punkt bringen, Mensch? Es gab vor einigen Jahren mal einen Auftrag aus der Lebensmittelindustrie, wo ein wirklich dramatisches Produktproblem durch Verunreinigung aufgetaucht ist und der Hersteller als verantwortungsloser Lebensmittelproduzent dastand. Glücklicherweise gab es aus dem Ausland ein dünnes Stimmchen einer Herstellerlobby, die gesagt haben, ja, diese deutschen Produkte, die dürfen nicht mehr zu uns importiert werden, weil die alle gefährlich sind. Das war ein großes Glück. Wir haben diesen Trittbrettfahrer aufgebaut zu dem eigentlichen Problem meines Kunden und wir konnten also das richtig große und nachhaltige Desaster abwehren. Trotzdem war das natürlich keine schöne Situation.
Joel Kaczmarek: Okay, also angeblich so ein klassisches Beispiel wieder deiner Aufmerksamkeitsumlenkung, dass du dir eine Sache rausziehst und sozusagen wie so einen Faden und den besonders groß erscheinen lässt, sodass das Licht auf was anderes fällt. Hast du da eine gewisse Methodik, nach der du das machst?
Marcus Johst: Ich habe vor ein paar Jahren durch Zufall im Rahmen meiner Fortbildung in Frankreich einen sehr klugen Mann kennengelernt, einen Kommunikationswissenschaftler der Universität Marseille, der mich eingeführt hat in die Strategien von John Boyd, der ja den berühmten OODA-Loop entwickelt hat. John Boyd war ein militärischer Berater des Pentagon, geistiger Vater des ersten Irak-Feldzuges, offenbar ein sehr schwieriger Mensch, inzwischen schon lange gestorben, schwerer Alkoholiker, aber genialer Kopf, genialer Denker, Konfliktdenker. der sehr viele theoretische Schriften veröffentlicht hat, allerdings testamentarisch verfügt hat, dass kein Mensch jemals damit Geld verdienen darf. Deswegen sind die original Schreibmaschine getippten Manuskripte frei herunterladbar im Internet. Man muss sie halt finden. Hochinteressante, sehr schwierig geschriebene englischsprachige Manuskripte. John Boyd hat den OODA Loop entwickelt. OODA steht für die vier Phasen eines Konflikts, in denen sich jeder befindet. Orientation, Quatsch, nochmal. Observation, Orientation, Decision und Action. Und wenn sich zwei konkurrierende Gegner behaken, ob das jetzt nun im Rahmen eines militärischen Konflikts oder mit der entsprechenden PR ist, dann sind beide in diesem Loop. Und die Herausforderung von mir ist es, gegen einen kommunizierenden Feind in dessen OODA-Loop einzudringen. Das geht mittels einer sehr strukturierten Positionsanalyse relativ schnell. Das schafft man innerhalb von zwei Stunden. Und noch eine Stunde später hat man eine komplette Krisenkommunikationsstrategie, die dauerhaft funktioniert.
Joel Kaczmarek: Lass uns doch mal die vier Phasen so ein bisschen durchgehen. Also Observation und Orientation klingt ja so ein bisschen ähnlich. Observation heißt also, ich verorte mich und schaue, was sozusagen passiert.
Marcus Johst: Ganz wichtige Phase, einfach zurücktreten und sich von außen betrachten. Wo stehe ich denn? Was ist passiert? Was sind die Vorwürfe? Wo sind die anderen? Wer sind die anderen? Wissen wir, sind das Feinde? Sind das nur neutrale Beobachter? Sind das Opportunisten, die überlegen, wo sie aufspringen? Was ja auch die klassische Rolle der Medien wäre. Und dann Die eigene Position im Zusammenspiel mit allen Playern auf diesem Feld definieren und Maßnahmen entwickeln, diese Positionen so zu verschieben, dass ich am Ende meine Wunschposition innehabe.
Joel Kaczmarek: Okay, also Decision und Action ist ja eigentlich so ein bisschen selbsterklärend. Das heißt, ich treffe eine Entscheidung, wie ich basierend auf dieser Verortung mich jetzt verhalten sollte und Action ist, ich prozessiere das dann. Hast du da noch irgendwie Techniken, mit denen du arbeitest? Das ist ja erstmal relativ oberflächlich, so Meta-Ebenen, nachdem man da vorgeht. Also woher findest du denn immer den Faden, an den du ziehen musst?
Marcus Johst: Down to Earth bringt mir dieses Prinzip.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Kommunikation: Tauche ein in die Welt der Unternehmenskommunikation! Zusammen mit Expert:innen und Kommunikationsprofis analysieren wir praxisnahe Beispiele und teilen konkrete Tipps in Bereichen wie PR, interner und externer Kommunikation oder Werbung.