Rose Bikes - “Mut oder Tschüss!”

24. Juli 2020, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek Marek und heute geht es um eine spannende Firma, nämlich Rose Bikes. Vielleicht habt ihr die auch schon mal gesehen. Wenn man wie ich öfters mal in den Alpen ist, sieht man immer junge und alte Menschen auf diesen Fahrrädern durch die Gegend fahren. Wir haben im Büro auch jetzt schon welche. Und wir wollen heute das Unternehmen kennenlernen, sowie dessen CEO, den guten Marcus Diekmann.

So, und heute nimmst du mit aus dieser Folge, dass du einerseits natürlich was über Marcus lernst und wie er so arbeitet, was ziemlich spannend ist, so viel kann ich schon mal vorwegnehmen, aber sicherlich auch über das Unternehmen. Strategie, welche Taktiken verfolgt man da, welche Herangehensweisen. Und was ich besonders spannend finde heute, werden wir auch mal darüber reden, warum muss man eigentlich mutig sein, gerade wenn man in Transformation ist. Mut oder Tschüss ist so eins unserer Labels heute. Und das andere, und das wollte ich auch schon mal in einem eigenen Podcast herausbringen, ist nämlich der Preis des Erfolgs. Weil alle Leute sagen immer, es sieht alles so einfach aus von außen, wie schafft er das? Das ist alles immer interessant from the outside, aber das Ganze hat auch oft einen Preis, wenn man diesen Erfolg wirklich erstreben will. So, und darüber reden wir heute. Lieber Marcus, schön, dass du da bist.

Marcus Diekmann: Moin, danke, dass ich da sein darf.

Joel Kaczmarek: Erzähl mal ein bisschen was über dich. Was ist so dein Background? Was hast du gemacht, bevor du jetzt irgendwie Fahrräder verkauft hast?

Marcus Diekmann: Du, ich bin wirklich ganz früh schon gestartet. Mit 18 habe ich schon Fahrräder verkauft. In einer Tankstelle. Also Sprit und Fahrräder habe ich verkauft. Und Zigaretten, muss ich zugeben. Und die letzten Jahre, ich hatte damals das große Glück, eine tolle Agentur, Shopmacher gründen zu dürfen. Die gibt es auch immer noch. Tolle 70 Leute in Gescher. Danach war ich in der Geschäftsleitung Betterbet Holding. Dazu gehörte in Deutschland Matratzen Concord oder gehörte dort Matratzen Concord zu. Ja und heute, dann war ich bei Axel in der Geschäftsführung und Axel ist der größte E-Bike Hersteller der Welt und der zweitgrößte Fahrradhersteller. Also da kam ich wieder zurück, da gab es keine Zigaretten und auch kein Benzin, aber zumindest Fahrräder. Und über Axel dann wieder zurück in die Heimat, in das wunderschöne Münsterland zu Rose.

Joel Kaczmarek: Gut, also ich fasse zusammen, du hast Zigaretten verkauft, Benzin, Fahrräder, Matratzen, jetzt fehlen eigentlich nur noch Frauen und Waffen und Alkohol, dann hast du alles durch, was böse ist.

Marcus Diekmann: Aber ich habe Zippo-Feuerzeuge jahrelang verkauft, denn ich hatte das tolle Vergnügen, fünf Jahre mit meinem ehemaligen Mitgesellschafter Thomas Gotthard die exklusiven Vertriebsrechte für Zippo.de, AT und NL zu besitzen und über deren Domain Zippos direkt verkaufen zu dürfen. Und da gab es, die Zippo-Leute waren immer sehr Whisky-affin. Ich konnte es zwar nicht verkaufen, aber zumindest mit denen häufig trinken.

Joel Kaczmarek: Ja, ich habe sogar schon mal darüber nachgedacht, mit dem Zippo-Feuerzeug zu Studienzeiten, wenn man noch in seiner Aufreißer-Sturm- und Drangphase so ein Feuerzeug zu kaufen, um den Damen dann immer Feuer reichen zu können.

Marcus Diekmann: Ja, heute, und das war auch zum Schluss das tatsächliche Thema, also super erfolgreiche Zeit mit diesem Zippo-Onlineshop. Aber Frauen mögen Zippo nicht. Ich hatte das auch immer gedacht, man wirkt besonders männlich mit diesem Zippo, aber sie hassen es, weil es nach Benzin riecht. Also darum Auch bei Zippo die Transformation zum Gas, wo sie sich tatsächlich noch mit sehr schwer tun, aber wirklich wichtig, um auch zukünftig diesen Benzingestank wegzukriegen.

Joel Kaczmarek: Ja, aber da merkt man ja, nah am Kunden dran sein und ich habe so den Eindruck bei dir, dass das was ist, was du auch bei Rose irgendwie stark verfechtest. Lass uns doch mal eintauchen, also wer das noch nicht kennt, wie würdest du demjenigen Rose beschreiben? Klar, ihr verkauft Fahrräder, das ist erstmal plain und simple, aber es steckt ja mehr dahinter.

Marcus Diekmann: Wir verkaufen sportive Fahrräder. Das ist schon mal die erste Abgrenzung. Und das für alle, die wirklich Lust haben, ein sportives Rad zu fahren, egal ob sie damit Brötchen beim Bäcker holen wollen und sie ein tolles, premium, sportives Rad haben möchten oder ob sie damit die Alpen überqueren oder durch den Wald jagen wollen. Egal ob Mountainbike, Trekkingbike, Touring, egal ob Racing. In diesen Disziplinen, wenn man sich dort bewegen möchte, dann ist man immer bei uns richtig. Das Das Ganze natürlich jetzt auch elektrifiziert. Das Ganze jetzt auch in der nächsten Ausbaustufe per Connectivity gelöst. Also das sind alles die Themen. Und ich denke, wir sind vom Design immer top, wir sind vom Service immer top und wir sind vom Preis-Leistungs-Verhältnis. in unseren Segmenten, nämlich in den gehobenen Mittelpreislagen bis zum Premium, sind wir wirklich immer sehr häufig top im Preis.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wir haben auch welche hier im Büro. in der Tat, weil mein Mitarbeiter, der Jan, der unsere Podcasts verantwortet, sagt, er will mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen aus dem tiefsten Wedding. Also wir ziehen immer auf, es ist hier so der Ghetto-Bezirk, was Spaß. Und der war auch gleich bei euren Rädern irgendwie mit dabei. Was zeichnet euch denn aus? Also was ist so ein bisschen euer USP? Weil ich sage mal so, der normalsterbliche Deutsche kennt vielleicht sowas irgendwie wie Cannondale oder Kettler. Also es gibt so ein, zwei Marken, die man auf der Straße einfach schon drei, vier Mal vorbeifahren sehen. Aber was ist so euer Produktfeature?

Marcus Diekmann: Das Krasse, was die Gründer eigentlich die letzten und mit dem Team zusammen immer sehr gut etablieren konnten, war das Customizing, sodass du wirklich an unseren Rädern fast alles individuell zusammenstellen kannst, außer der Rahmen, der natürlich durch unser Engineering entwickelt wird, aber du dann wirklich maximal Customizing-Freiheit hast und das ist toll für unsere Kunden. Und das wird auch wirklich genutzt und das sieht man auch von unseren Profis, die dann sich wirklich die Bikes mit viel Liebe zum Detail so zusammenstellen. Das ist echt, glaube ich, eine Ausnahme, das ist echt ein großer USP. Gleichzeitig haben wir natürlich auch mittlerweile viele seriell gefertigte Bikes, weil nicht jeder, zum Beispiel ich, wäre völlig überfordert, mir so ein Das ist ja der Fluch und Segen von 1000 Möglichkeiten. 1000 Möglichkeiten zu haben, bedeutet auch, dass du 1000 Möglichkeiten bedienen können musst und dich auch aus 1000 Varianten entscheiden können musst. Und dafür haben wir auch mittlerweile Lösungen und haben auch gute, serielle Fahrräder. Aber das ist eigentlich so unser größter USP. Neben dem tollen Design, neben dem tollen Engineering, neben dem tollen Preis, wirklich dieses harte Customizing.

Joel Kaczmarek: Ihr stellt also selber her und verkauft auch selber?

Marcus Diekmann: Ja.

Joel Kaczmarek: Verkauft ihr auch ganz normal über stationär und über die klassischen Plattformen?

Marcus Diekmann: Ja, wir verkaufen online, wir verkaufen stationär, aber alles nur unter eigener Kontrolle. Wir sind also wirklich ein vertikalisiertes Brand. Wir haben keine Fachhandelsabhängigkeit und nichts. Darum hast du auch eine unglaublich hohe Preissicherheit bei uns, weil wir nicht erst Mondscheinpreise rausgeben müssen, damit wir dann auf der Fläche die Verkäufer verhandeln können, sondern wir sind da wirklich online first getrieben. Der beste Preis steht schon sofort am Rad und den kriegst du on- und offline bei uns auf allen Kanälen.

Joel Kaczmarek: Okay, also wenn ich jetzt irgendwie zu sowas wie Stadler gehe oder ich kenne ehrlich gesagt gar nicht so großartig andere Fahrer, da ist eher mein Unwissen halt geschuldet. Da kriege ich eure Räder nicht, sondern die kriege ich quasi nur direkt von euch.

Marcus Diekmann: Nur von uns. Wir zukünftig mit Sicherheit, wir sind jetzt in tollen Kooperationsgesprächen und ich kann mir vorstellen, dass zukünftig auch du die tollen Rose-Bikes woanders kaufen kannst, weil auch für uns wichtig ist, immer mehr Service-Touchpoints zu haben. Dann aber werden wir auch das Bike verkaufen und wir werden immer nur in Kooperationen das machen. Also wir werden nicht das machen, werden keine Marke werden, die wir in die Fachhandelsabhängigkeit geben werden.

Joel Kaczmarek: Warum macht ihr das nicht? Also was ist die Überlegung dahinter? Das ist mal Leuten, die sich damit nicht tagtäglich beschäftigen, irgendwie auseinander nimmst.

Marcus Diekmann: Wenn wir uns mal anschauen, was im Handel gerade am stärksten sich entwickelt, das sind immer die vertikalisierten Brands. Gucken wir uns den großen wirtschaftlichen Erfolg von Ernstings Family im Kinderbereich an. Gucken wir uns Zara an. Gucken wir uns H&M an. Diese ganzen Erfolgsgeschichten, das sind alles welche, die selber Preis, Produkt, Service, Organisation in einer Hand und unter Kontrolle hatten. Alles, was sich gerade schwer tut, sind markenübergreifende Händler, P&C in der Krise, MyToys, Toys’R‘Us, alles in der Krise, alles diese markenübergreifenden Händler. Und das liegt daran, weil du dich auf die Chance, du kommst sofort in viele Flächen, das Negative, du bist sofort in einer Preisschlacht und Intransparenz, dann werden die Margen klein, das lohnt sich für keinen, das fällt auf den Hersteller zurück, dann hast du Probleme, Probleme, Probleme und ist auch für einen Kunden nicht optimal gelöst. Und wir könnten unserem Kunden wirklich versprechen, dass egal wo er ist, immer das maximale Service- und Beratungserlebnis, weil wir es komplett unter Kontrolle haben, erlebt.

Joel Kaczmarek: Wobei alle, die du gerade so genannt hast, die sind jetzt alle auch gerade nicht so geil situiert, was sicherlich auch mit dem Amazon-Thema zu tun hat. Verkauft ihr auch über Amazon eure Fahrräder?

Marcus Diekmann: Nee, Fahrräder noch nicht, Bekleidung, Teile und Zubehör auch noch nicht. Aber wir werden jetzt, und wir haben es gerade angekündigt, auch zukünftig über Amazon, Ebay, Otto und auf allen Kanälen verkaufen.

Joel Kaczmarek: Oh, das ist ja ein großer Schritt für euch.

Marcus Diekmann: Ebay ist dabei ehrlich gesagt Prio F. Das weiß ich noch nicht, ob das morgen sein kann. Was interessant ist, dass unsere Räder bei Ebay schon nach wie vor noch relativ gut auch gebraucht verkauft werden durch die Kunden. Also somit findet man uns. Und was ganz spannend ist, wir haben schon erste Tests gemacht und haben das Rose-Brand in Teile und Zubehör schon auf Amazon gestellt. Und das hat tatsächlich sehr gut funktioniert.

Joel Kaczmarek: Wie geht es dir damit? Also man ist ja immer so, ich glaube Alexander Graf sagt immer, Amazon macht die Crackdose auf. Also auf der einen Seite ist es irgendwie verführerisch, man fühlt sich erstmal gut, aber man kommt halt in so eine brutale Abhängigkeit rein, auch wenn man nicht aufpasst.

Marcus Diekmann: Absolut, aber wir sind ja auch da, Herrscher unserer Marke, Herrscher unserer Produkte und ich glaube, Amazon ist wirklich sackgefährlich, wenn du als Händler mit markenübergreifenden Artikeln zu Amazon gehst, weil du keinen USP hast. Du verkaufst Marke X, bist einer von 1000, der das T-Shirt weiß von S. Oliver auf Amazon verkauft. Ich glaube, das ist scheiße, weil dein einziger USP ist, den Preispunkt noch wieder runterzusetzen. Total blöd, deine Margen werden immer kleiner, das kannst du auch sehen. Jede Woche sinken die um 1% durch den Ruhertrag, den du erzielst, bis es irgendwann dann ins Niemandsland abwandert. Wenn du aber als Markenhersteller zahlst du 15% Provision, zahlst du ein paar Aufschläge mehr Für Vermarktungskosten kannst du das super machen, weil ich meine, 50% der Suchanfragen, vielleicht mittlerweile 60% der Suchanfragen starten nicht bei Google, starten auf Amazon. Da sind viele Kunden, die auch unsere tollen Produkte kaufen wollen. Welches Recht haben wir, zu sagen, da sind wir nicht? Und solange du wirklich das selber unter Kontrolle hast, ist es kein Problem. Als markenübergreifender Händler würde ich sagen, ist das nur eine Kurzfriststrategie und danach ist der Tod.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, ich habe das auch mal bei Kärcher gehört, dass Kärcher eine der wenigen Marken ist, die Amazon partout auch nicht ersetzt, kriegt durch irgendwie eigene Brands oder eigene Lösungen, weil man, also wenn man sozusagen an dem Punkt ist, dass der Produktname schon fürs Produkt steht, so wie Tempotaschentuch, Kärcher, da sagt ja keiner Luftdruckreiniger oder Hochdruckreiniger, dann ist das glaube ich sowieso nochmal anders. Okay, verstanden. Wart ihr von Anfang an eigentlich so oder habt ihr das dahin gedreht?

Marcus Diekmann: Ja, ist ja krass. Rose ist ja der Transformationsweltmeister. Und da muss ich ein großes Kompliment an dieses unglaubliche Team von Rose machen, weil die sind als kleiner Innenstadthändler angefangen in Bocholt. Und Bocholt ist jetzt nicht München, ist nicht Berlin, nicht Frankfurt, ist einfach nur Bocholt im Münsterland. Liebe Bocholter, ich mag Bocholt nicht, dass es falsch verstanden wird, aber es ist nicht der Nabel der Welt. Dann aus diesem kleinen Laden ist man Versandhändler geworden. Eigentlich aus der Not, weil man hatte Überbestand an Fahrrädern und hatte dann Sportfahrräder angefaxt und hat per Fax gesagt, wir haben hier noch Fahrräder, kauft die doch. Daraus ist der Katalog entstanden und man ist wirklich mit diesem Katalog zur Legende geworden in der Biker-Szene.

Dann hat man entschieden, scheiße, der Katalog ist super erfolgreich, aber das wird nicht die Zukunft sein, weil wir hören plötzlich, alle sind im E-Commerce. Jetzt müssen wir Richtung E-Commerce werden. Dann ist dieser markenübergreifende Händler Rose zum E-Commerce-Händler geworden. Das hat er gesagt, scheiße, das reicht nicht, nur markenübergreifende Artikel online zu verkaufen und offline zu verkaufen im Laden, das reicht auch nicht. Wir müssen Markenhersteller werden. Dann ist man erst mit Eigenmarke, das heißt gelabelt, gute Artikel zu sourcen, dann zu Rose zu machen, in Komponenten zusammenzubauen. Dann hat man gesagt, das reicht auch nicht, wir müssen eigenes Engineering aufbauen und müssen zur echten Marke werden. Und dann on- und offline das voll auszurollen und überall tatsächlich dann zum Omnichannel-Händler zu werden, aber mit einem absoluten Digital-First-Positionierung.

Joel Kaczmarek: Okay, man darf also dazu sagen, eure Eigenmarke muss man immer noch mal ein bisschen komplexer sehen, weil ganz viele Unternehmen machen ja eine Eigenmarke. Also du hast vorhin Pico und Kloppenburg angesprochen. Die machen dann meinetwegen so McNeil-T-Shirts, dann verkaufen sie die für 20 statt für 40, die namhafte Konkurrenz. Dann ist das quasi mehr so Margen abfischen im Sortiment. Bei euch ist es quasi wirklich ein Markenkern. Also es ist nicht so 

Marcus Diekmann: Aber so sind wir nicht gestartet. Und wenn man sagen möchte, was kann man eigentlich aus Rose lernen, wenn man heute als Händler mit markenübergreifenden Artikeln positioniert ist, kann ich nur sagen, fangt an Eigenmarke aufzubauen und ihr müsst nicht sofort in Stufe 1 echter Markenhersteller sein, wie wir es heute sind, sondern fangt erstmal an zu labeln, aber das wirklich hochgradig kuratiert und mit gescheitem Sortiment, was dem Kunden echten Mehrwert bringt und von dort aus entwickelt ihr euch echt zur vertikalisierten Marke.

Joel Kaczmarek: Wo produziert ihr eure Drahtesel?

Marcus Diekmann: Das ist ja alles komponentenbasiert und ganz viel kommt natürlich aus Asien, wie die in der gesamten Fahrradbranche. Dann hast du natürlich das ganze Engineering in Deutschland, dann hast du die ganze Montage in Deutschland. Teile und Komponenten kommen wieder aus anderen Ländern, aber der Hauptfokus ist tatsächlich der reinen Fertigung, also der Herstellung der Komponenten, das ist dann in Asien. Der Shimano zum Beispiel ist ein Beispiel, ein riesengroßer asiatischer Hersteller, den viele kennen, absoluter Asiate.

Joel Kaczmarek: Ja, weil ich konnte das null einschätzen. Wir haben im Büro darüber diskutiert, im Vorfeld von unserem Podcast, wo das eigentlich gefertigt wird. Und lustigerweise, da merkt man ja, wie dann Marken sich festsetzen. Bei Cannondale zum Beispiel habe ich mal assoziiert, handmade in the USA. Dann habe ich gesagt, okay, heißt das, dass die da auch die Rahmen gießen und so weiter oder schrauben die da eigentlich nur zusammen?

Marcus Diekmann: Man muss da wirklich immer trennen nach Engineering. Und da kann ich sagen, das haben wir wirklich geschafft, in Deutschland wirklich mit einem ganz, ganz tollen Team richtig cool aufzubauen. Und die ganze Montageleistung, die ist bei uns in Deutschland und Komponenten weitgehend aus Asien.

Joel Kaczmarek: Gib uns mal ein Gefühl, wer jetzt noch keines von euren Fahrrädern besessen hat oder sich angeschaut hat. Was kostet so ein Ding? Was ist so der Einsteigerpreis und bis wo geht das hin?

Marcus Diekmann: Das heben wir übrigens auch gerade hervor, weil wir das bisher nie getan haben. Wir haben tolle Einstiegsräder, die fangen so bei 700 Euro an. Und ich glaube, ich habe auch gesehen, ihr habt ja von uns auch ein Console zum Beispiel. Ich glaube, das kostet ab 700 Euro. In der Grundkonfiguration kannst du dann auch ausbauen bis 1400 Euro. Das ist schon mal ein tolles Einstiegsbike, aber der Durchschnittsbon ist deutlich höher bei uns. Und wenn man das mal sieht, dass wir es auch schaffen, online viele Bikes mit einem Durchschnittsbon über 2.500 Euro zu verkaufen, dass wir Bikes haben, ein tolles Mountainbike, was wir gerade rausgebracht haben, was über 5.000 im Rennradbereich tolle Bikes für 6.000 Euro anbieten. So, das ist so in der Bandbreite so alles dabei. Und ich würde mal sagen, der Durchschnittskunde, der bei uns ein Bike kauft, gibt heute über 2.000 Euro aus. Wir stellen jetzt noch unsere tollen Einstiegsbikes noch mehr nach vorne, damit wir auch viel mehr Kunden auch den Einstieg gut ermöglichen können. Das war tatsächlich in der Vergangenheit ein bisschen zu wenig.

Joel Kaczmarek: Also ich meine, wir haben in der Tat, ich habe so einen Account Solo und ich glaube, wir lagen so bei 1400 oder 1200. Und ich glaube, unser Mitarbeiter, der Jan, der hat ein schickeres gekriegt, weil er aus dem Wedding muss. Der muss schnell radeln können, weil sie ihm sonst hier die Molotow-Cocktails hinterherwerfen. Der hat so einen Randonneur, glaube ich. Und das war, glaube ich, so bei 22, 25, irgendwie so in dem Dreh. Und ich sage mal so, ich hatte Andre Bajorat da. Ich weiß nicht, ob du den kennst. Der ist ja hier so der Fintech-Papst von Deutschland und der ist ja beliebt, also er liebt ja Fahrradfahren. Und das ist so einer, der irgendwie sagt, so ja, ich sag so, hey, weiß nicht, André, alles Gute zum Geburtstag, mal angerufen, so ja, so cool, danke. Was hast du geschenkt gekriegt? Ach, ich hab mich selber bestellt, ich hab mir ein neues Fahrrad gekauft für irgendwie 7.500 Euro oder so. Also ist das so ein bisschen eure Schlagklientel, dass man sagt, Leute, die halt wirklich das Wie soll ich sagen, als Passionsobjekt benutzen und nicht so für den Daily Travel, so höre ich daraus.

Marcus Diekmann: Ja, auch das. Wir kommen halt sehr stark aus dem Sport und Sport wird immer unsere wichtigste Kern-DNA bleiben. Das wird immer unsere wichtige Säule bleiben. Aber wir wandeln uns und transformieren uns gerade zum Lifestyle-Brand. Und im Lifestyle-Brand ist es wichtig, dass wir wirklich unser tolles Know-how in Produktpreis und Service wirklich auch dem Alltagsfahrer zur Verfügung stellen, der damit nur durch Berlin radelt. Damit werden wir im nächsten Jahr auch mit tollen Urban-Bikes rauskommen, werden in diesem Jahr noch viel machen und das ist so der Wandel, wo wir uns gerade bewegen. Und dann hast du natürlich, dann sind wir auch nicht mehr nur bei den Vielfahrern, nicht nur bei den Amateuren oder sogar Profis, sondern dann sind wir wirklich im Alltagsbereich, im Urban-Bereich, im City-Bereich und das ist so unsere nächste große Ausbaustufe.

Joel Kaczmarek: Ja, also ich kann flüstern hier, dieses Count Solo 2 habe ich, glaube ich, das ist schon ein Biest. Gut, okay, verstanden. Wie viel Umsatz macht ihr mit Fahrrädern eigentlich so? Kannst du das sagen, pro Jahr?

Marcus Diekmann: 50-50. Also wir machen 102 Millionen Umsatz und die Hälfte mit Bekleidung, Teile, Zubehör und die andere Hälfte mit Bikes.

Joel Kaczmarek: Und jetzt hast du eben gesagt, ihr habt sozusagen dieses Einsteigersegment, was du forcierst. Ich frage mich ja immer so, wenn du vorher Matratzen gemacht hast, dann kennst du das ja sehr, sehr genau, wenn man ein Item teuer verkauft und dann sieben Jahre nichts mehr verkauft. Das ist ja eigentlich so klassisch bei Matratzen. Wie ist das bei Fahrrädern? Hast du so viele Zubehörthemen und irgendwie Liebhabersachen, dass die immer wieder kaufen?

Marcus Diekmann: Ja, das ist das Rose heute und Rose morgen. Das ist natürlich ein großer Unterschied, weil wenn wir mehr in das Lifestyle-Segment gehen, dann nehmen die Kaufzyklen natürlich ab. Wenn du heute unsere Profis, die bei uns kaufen, das sind wirklich Bike-Fanatiker, die kaufen sich auch alle zwei, drei Jahre ein neues Bike. Die wollen immer das neueste Modell haben. Wir haben natürlich einen anderen Trend, den wir auch gerade merken durch die Elektrifizierung, die E-Bikes. Da kaufst du auch alle drei Jahre ein neues Bike. Das heißt, die Kaufzyklen verkürzen sich gerade drastisch, weil Mein Vater zum Beispiel, der will immer das neueste Modell haben mit der neuesten Motoren-Technik, der will die nächste Antriebstechnik haben, einen besseren Akku haben, die Akkus werden auch schlechter nach drei, vier, fünf Jahren. Will dann einfach immer, wie mit den Handys, immer das Neueste und vom Neuesten. So wandelt sich das gerade sehr stark. Ansonsten fuhren natürlich sonst der Hobbyfahrer, der privat einfach damit zur Arbeit fährt oder sonst ist der auch vielleicht, dass er einen Fachhandel gekauft hat, der kaufte sich tatsächlich tendenziell eher alle sieben Jahre ein neues Bike wie die Matratzen. Heute ist ja zum Volkssport. Ich meine, ich sehe so viele Leute und da freue ich mich auch mal drüber, weil wir freuen uns natürlich über jeden, der sich aufs Bike setzt. Aber ich meine, es ist doch verrückt geworden. Jetzt kauft sich jeder auch Radklamotten dazu, obwohl er vielleicht einmal im Monat gefühlt 20 Kilometer eine Tour mit dem Fahrrad macht. Da hätte er sich auch mit Jeans auf dieses Fahrrad setzen können. Aber ich freue mich da drauf, weil Fahrrad ist in, Bewegung ist in, Gesundheit ist in und das finde ich natürlich mega, wenn das dann auch die Leute so leben. Aber darum sieht man auch wunderschön, wie der ganze Umsatz an Bekleidung, Teile, Zubehör, wie der einfach wirklich wächst. Du hast eine tolle Tasche, die du dir hinten dran machst, wo du dann Reisegepäck Gefühlt wird jeder, und das ist natürlich schön, weil ich kenne das von mir selbst auch, jeder wird zum Tracking-Papst und fühlt sich selbst, wenn er über die Münsterländischen Miniberge fährt, als würde er die nächste Alpenberg-Währung machen.

Joel Kaczmarek: Ja, ich denke gerade an Jan, der heute Morgen mit seinem Fahrrad ankam, der hatte auch so ein Outfit an, der hatte jetzt zack so einen Koffer, so eine Tasche an der Seite dran, hat sich ein teures Schloss gekauft. Hat sich irgendwie, weiß ich nicht, immer noch hier und da Zubehör geholt, also das merke ich schon. Und in der Tat, ich erinnere mich, als ich mal bei Globetrotter war und habe gesagt, ich hätte gerne eine Regenjacke. Dann hat er mir zwei Modelle gezeigt und das eine Modell waren so 800 Euro oder so. Und ich sage so, warum soll ich denn jetzt für eine Regenjacke 800 Euro zahlen? Und er meinte, ja, damit können Sie Kopf über einem Gletscher hängen und haben die Ärmel geschützt, dass Ihnen kein Schnee in die Ärmel läuft. Ich habe den Eindruck, ich habe den ja der Tassen im Schrank gehabt. Also was ich sagen will ist, man merkt glaube ich, die Gesellschaft tendiert zu immer mehr Leistungen, die vielleicht einfach gar nicht mehr verhältnismäßig ist, was mich ja freut für dich, dass ihr dann da sozusagen Nachfrage generiert.

Marcus Diekmann: Ja, was ich schon sagen muss und das möchte ich noch im Plädoyer, also für uns ist das natürlich toll und für die Mobilitätslösung ist das auch schon wichtig, dass Fahrrad einfach eine ganz andere Bedeutung bekommt und dass viele Leute sich zumindest mit Regenjagden und so ausstatten, um damit auch wirklich zur Arbeit fahren zu können und vielleicht, liebe Automarken, nichts gegen euch, aber vielleicht weniger Abgase in die Umwelt pusten.

Joel Kaczmarek: Jetzt hast du erzählt, 50% Fahrradumsatz, 50% Bekleidung. Wie ist es denn bei deinen Kanälen? Also ihr habt auch eigene Läden? Ja. Wie viele?

Marcus Diekmann: Drei Stück. München, Posthausen, bei Bremen und Bocholt.

Joel Kaczmarek: Okay, das hat dann jetzt mehr, sage ich mal, so ein bisschen was von Flagship-Store oder

Marcus Diekmann: Absolut.

Joel Kaczmarek: Mehr zum Gucken. Weil sonst wäre so mein Interesse mal gewesen, wie sich das bei euch verteilt von den Umsätzen, welcher Kanal was macht. Also ihr macht direkt über Internet, ihr macht die drei Läden, was noch?

Marcus Diekmann: Das wäre es.

Joel Kaczmarek: Das wäre es. Und jetzt perspektivisch Amazon, Ebay und Otto.

Marcus Diekmann: Genau, und wir fangen dann mit Otto und Amazon an. Aber man darf alleine in unserer Bocholter Laden, wir haben in Bocholt einen Laden mit 4000 Quadratmetern, ist auch mehrfach ausgezeichnet für das beste Einkaufserlebnis. Nicht nur in der Bike-Branche, sondern handelsübergreifend. Kann sich jeder mal auch im Internet anschauen. Ist wirklich toll gestaltet, wenn man dann weiß, dass der mehr als zehn Jahre alt ist und immer noch so modern aussieht. Also wirklich cooler Job damals gemacht. Absolutes Einkaufserlebnis. für Emotionalisierung auch eines Brands, kann man dort sehr schön beobachten. Und dieser Laden, der dreht wirklich fast 19 Millionen Euro nur auf dieser Fläche in Bocholt. Und das ist ebenfalls schon enorm.

Joel Kaczmarek: Crazy. Was ist sonst so dein Verhältnis zu stationären Läden?

Marcus Diekmann: Das ist eine böse, böse Fangfrage. Also ich fände ehrlich gesagt 50 Prozent der Läden völlig überflüssig. Ich glaube, sie waren früher wichtig und darum ist es auch keine Kritik an der Vergangenheit, sondern Notwendigkeit für die Zukunft, weil ich sehe viel zu viele Läden, die markenübergreifende Artikel verkaufen, die sich früher regional abgegrenzt haben. Regional spielt für mich überhaupt keine Rolle mehr, weil ich spätestens über Amazon oder über uns oder sonst wem kriege ich die Klamotten sowieso am nächsten Tag zu mir. Also von der ist das Ganze weg. Ich finde viel zu viele Läden mit Verkäufern, die nicht mehr richtig motiviert sind. Ich finde alte Konzepte, die sich nicht weiterentwickelt haben zu zu teuren Preisen, zu Mondscheinpreisen teilweise. Dann immer nur dieses Genörgelt, ihr wollt uns alle töten, weil ihr auch online kauft, ihr bösen, bösen Kunden. Diesen ganzen Handel habe ich ehrlich gesagt null Bock. Ich verstehe, dass das nicht einfach ist, verstehe auch deren Sorgen und deren Probleme und das, finde ich, sollte man auch ernst nehmen, aber es wird sie nicht retten. Und ehrlich gesagt, Schaufenster schwarz zu machen, wie das ja manche Städte jetzt so ein bisschen probiert haben, um zu zeigen, wie die Stadt ohne Handel aussähe, langweilt mich.

Joel Kaczmarek: Aber nochmal ganz kurz der Nachtrag, ihr verkauft schon auch Non-Rose-Bike-Produkte, oder? Also ihr habt auch, weiß ich, einen Anhänger mal von einer anderen Firma oder Klamotten?

Marcus Diekmann: Thule, genau. Ja, Anhänger, Thule, wir haben auch Bekleidung, tolle Hosen von anderen Marken, Rucksäcke oder auch Shimano, ne? Wir haben auch Shimano-Zubehör.

Joel Kaczmarek: Ist man da eigentlich in so einer Abhängigkeit drin, wenn man selber Fahrräder herstellt? Weil Shimano-Gangschaltungen sind, glaube ich, vielen Leuten ein Begriff. Also manche Sachen kann man wahrscheinlich und will man gar nicht selber machen, weil es Leute gibt, die das besser können, oder? Ja, absolut. Also wahrscheinlich ist es so ein, wie sagt man, so ein Flickenteppich aus Submarken, hätte ich ja jetzt mal vermutet. Gut. Aber dein Plädoyer gerade für die geschwärzten Schaufenster langweilig, ist ja mal eine gute Überleitung zu dem, was ich eingeleitet habe, dass du heute auch mal ein bisschen darüber reden willst. Mut oder Tschüss, wie du mal so schön sagst. Was heißt das für dich?

Marcus Diekmann: Ja, ich finde das interessant. Ich bin 2005 mit E-Commerce angefangen. Und damals, das war so die zweite Welle des E-Commerce, komm, damals war das so eine kleine Gruppe an Leuten. Der Alexander Graf hat da schon so ein bisschen mitgemischt, schon ein paar andere haben da mitgemischt, aber das war echt so ein kleiner Haufen. Gerüchteweise waren wir immer die Jungs, die nur Pizza essen und im Keller sitzen ohne Tageslicht. Das waren die E-Commercler damals, die keine Bedeutung hatten, sondern dann nahm das an Rasanz an. Und damals sagten schon alle Branchen, oh, wir müssen uns mit E-Commerce, die ganze traditionelle Handel, wir müssen da richtig Gas geben. Und heute, jetzt haben wir ja wirklich 2020. Und ich hatte 2012 ja auch ein Buch rausgebracht dazu, zu dem Thema und so. Und hatte da sehr klar geschrieben, was kann man tun, was kann man nicht tun. Wie muss man sich als Unternehmen, bevor man in den E-Commerce einsteigt, wie muss man sich als Unternehmen verändern, damit man dort gewinnen kann. Wir hatten da eben schon drüber gesprochen, ein veraltetes, nicht mehr wettbewerbsfähiges Offline-Konzept auf Online zu übertragen, bleibt scheiße. Nur jetzt auf zwei Kanälen.

Das ist also keine Geschäftsstrategie. Und darum funktionieren diese Online-Shops auch so in der Form nicht. Nur wenn du deinem Produkt bereit bist, radikal deine Produktpolitik deine Preispolitik, deine Servicepolitik, deine Organisation, deine Reichweite und deine IT und Prozesse komplett umzustellen. Nur dann kannst du auch On- und Offline gewinnen. Das heißt, jede Company muss sich nicht mehr stationär vergleichen, sondern muss sagen, habe ich im Vergleich zu den führenden Online-Herstellern überhaupt noch einen USP? Und wenn ich den nicht habe, kann ich nur sagen, Tschüss statt Mut. So, was ist aber passiert? Das haben die alle verstanden Ich habe auch gesagt, Marcus, das verstehen wir alles. Du hast absolut recht. Wenn ich mich heute mit denen unterhalte, jetzt sagen wir 2020, nicht mehr 2005, nicht mehr 2010, wie weit seid ihr mit eurer Roadmap? Ja, wir arbeiten noch dran. Ja, wie viele Jahre wollt ihr denn noch brauchen? Das ist dieses Lippenbekenntnis, das stimmt, das ist alles wichtig, aber der Mut, radikal dann Dinge abzuschneiden, Geschäftsbereiche aufzugeben, die gestern richtig waren, die heute aber nicht mehr zukunftsfähig sind. Dafür sich mehr zu fokussieren auf andere Dinge, die das Geschäft weitertreiben können, erfolgreich machen können, das fehlt in schätzungsweise 70% von allen traditionellen Unternehmen, die ich kenne.

Joel Kaczmarek: Naja, ich meine, also fair point, aber ich mache mal ein bisschen den Gegenpol auf. Normalerweise wäre ich ja derjenige, der die kritisiert, aber jetzt bin ich mal ihr Anwalt. Ich kann mir schon vorstellen, die Komplexität daran ist ja auch hoch. Du hast Produktkategorien, die machen Umsatz. Dann hast du irgendwie, also besonders schwierig wird es ja, wenn du so ein Media Markt bist oder so und dann hast du quasi so ein Franchise-System. Jeder Shop steht für sich und dann hast du sozusagen wechselseitige Interessen. Da kommt ja viel Komplexität rein. Wie hast du es denn bei Rose gehandhabt zum Beispiel? Da wird es ja ähnliche Tendenzen mal gegeben haben.

Marcus Diekmann: Absolut. Aber auch da, wenn man sich das mal anschaut, also erstmal, es ist ja unglaublich viel Wissen in den Köpfen der Mitarbeitern. Als ich bei Rose angefangen bin, habe ich erstmal die Leute gefragt, das mache ich eigentlich immer, was würdet ihr eigentlich machen, wenn ihr in der Geschäftsordnung, Geschäftsführung oder in welcher Position auch immer seid? Oder was sind die zehn Dinge, die euch am meisten stören? Und das ist jetzt alles schon drin. Da habe ich mir alles aufgeschrieben, habe das bewertet nach drei einfachen Kriterien. Bringt es uns mehr Umsatz? Macht es den Kunden glücklich? Und ist es nah an unserer Kern-DNA? Das heißt, können wir es eigentlich richtig gut und ist es machbar, es umzusetzen? Ich möchte mal ein Beispiel machen. Wir waren in 13 Ländern und haben in 13 Ländern unsere Fahrräder verkauft und auch in vielen dieser Länder Country-Manager gehabt, die diese Märkte betreiben. Das haben wir jetzt maximal reduziert. Du kannst zwar in diesen 13 Ländern weiterhin ein Rose Bike bestellen, aber wir sind jetzt nur noch in 5. Aber diese 5, die machen wir einfach besser, mit mehr Power, mit mehr Fokus. Darum konnten wir die Leute auch intern umstellen, die vorher für diese 13 Länder zuständig waren, jetzt nur auf die 5. Das war aber eine harte Entscheidung, weil wir in diesen anderen Ländern auch Millionen an Umsätzen gemacht haben. Und das meine ich mit Mut.

Hört sich wahnsinnig an, diese Umsätze einfach drauf zu verzichten. Und ich meine, guck es dir an, wir sind 20% gewachsen. Aber mit weniger Ländern, mit mehr Gewinn, und mit mehr Fokus. Das gleiche haben wir im Bikesortiment gemacht. Wir hatten 178 verschiedene Bikes und haben die radikal entschieden, auf 104 zu kürzen. Und wir werden jetzt sie noch weiter kürzen auf 98. Aber diese 98 oder diese 104, die werden wir einfach besser machen. Und das haben wir auch dieses Jahr getan. Noch mehr Leidenschaft, nicht, weil wir vorher keine Leidenschaft hatten, weil wir jetzt mehr Kapazitäten haben. Und wir sind auch im Bike-Verkauf gewachsen, weil wir mehr Zeit für Marketing, mehr Zeit für Produktentwicklung und, und, und und alles und in den Abverkauf investieren konnten. Und das sind harte Entscheidungen. Aber wenn ich das bei vielen Unternehmen sehe und beobachte, die treffen einfach diese Entscheidung, nicht Dinge abzuschneiden. Weil die sagen, ey, dann machen wir ja noch Geld. Das verstehen wir. Die sagen immer, komm her mit dem Thema, aber das bringt doch noch 10% im Umsatz. Ja, wenn es 10% des Umsatzes macht, ist toll. Wenn daraus 20% Komplexität entsteht, 30% der Verhinderer ist für Fokus, dann ist es einfach nur Quatsch.

Joel Kaczmarek: Ja, aber ich kann auch nachvollziehen, das tut natürlich weh, wenn man auf einer Flughöhe ist und wir reden ja jetzt von Unternehmen, die wirklich mehrere hundert Millionen Euros irgendwie schieben, da sind 10% halt richtig, richtig viel Geld. Und ich glaube, denen fehlt immer so ein bisschen die Vision, wenn ich das abcutte, wo kommt es jetzt wieder her? und dann dreimal so viel idealerweise. Hast du da einen Tipp oder eine Herangehensweise?

Marcus Diekmann: Ja, ja, ja. Das kann man ja bei uns halt sehen. Ich kenne so viele Hersteller, die in so vielen Ländern tätig sind, wie bei Rosa auch der Fall jetzt war. Hätten aber zum Beispiel in Deutschland, Österreich, Schweiz, nimm mal sogar noch Schweiz raus, Deutschland, Österreich, Holland, so angrenzende Länder, die sogar noch EU sind, wo du eigentlich gar keine Probleme hast, da hätten sie noch viel Raum, in diesen Ländern mehr Gas zu geben. Warum machen sie dann nicht als erstes diese Länder, bis sie die perfekt beherrschen perfekt das da ausgesteuert haben und gehen dann in das nächste Land. Stattdessen probiert man immer, diese Option noch mitzunehmen, diese Option noch mitzunehmen, diese und macht eigentlich keins richtig zu Ende. Und ich glaube, da ist alleine schon ein Riesenspielraum. Zweitens, das hat man auch bei uns gesehen, weil in Deutschland und überall sind unsere Umsätze gestiegen nachdem. So, zweitens, wenn ich meine ganzen Verkäufe auf weniger Produkte stellen kann, die Produkte aber auch noch besser mache, dass sie noch härter am Kunden ausgerichtet werden, hole ich daraus locker die Umsätze wieder rein.

Und dann kommt noch hinzu, dass wir haben uns halt zu sehr treiben lassen, weil wir alle sind Experten und das kann man eigentlich in jeder Branche. Guck dir mal die Matratzenbranche an. Geh mal heute in so ein klassisches Matratzengeschäft rein. Geh mal in Fahrradladen rein. Du wirst sehen, dass du dort 200 Matratzen findest. Wofür braucht der Mensch 200 Matratzen? Es gibt vielleicht 8 oder zwölf verschiedene Körpertypen. Da streitet sich so die Wissenschaft drüber, ob es acht oder zwölf sind. Diese acht oder zwölf, die haben vielleicht drei unterschiedliche Preisvorstellungen, good, better, best. Und sie haben vielleicht noch irgendeine, eine will irgendwie Taschenfeder kehren, der andere will lieber das, andere haben, okay. Dann redest du über 36 oder 40 Matratzen in total. Würdest du also 160 abschneiden? Erhöhst du die Drehung dieser 40 maximal, ist es für den Kunden viel verständlicher. Gleichzeitig erhöhst du den Rohertrag, weil du mehr pro Ding absetzt, dein Gewinn.

Die Komplexität nimmt drastisch ab für Lagerkosten und alles Mögliche. Du brauchst nicht mal mehr so ein großes Geschäft. Du kannst alles, alles viel besser machen. Und nochmal, es ist für den Kunden viel einleuchtender, verständlicher. Und das sieht man, Bett 1 mit einer Matratze, Marktführer in Deutschland geworden. Geh mal in so ein Fahrrad an. Ey, da stehen 200 verschiedene Stahlrahmen aneinander. Und dann geh mal da durch und sag, was wirklich der Unterschied zwischen diesen einzelnen Bikes ist. Das weiß kein Mensch. Warum macht man sich dann diese ganze Arbeit, dreht diese ganze Geschichte? Ich kenne Fahrradhersteller, die stellen pro Jahr tausend verschiedene, bringen jedes Jahr tausend neue Modelle raus. Wofür? Weil wir alle Spezialisten sind und für den Spezialisten es klar ist, dieses eine Detail macht noch einen riesen Unterschied. Für 90% der Kunden macht es aber null Unterschied. Stattdessen weglassen, Bike wird günstiger für den Kunden, wird noch attraktiver und du kannst auf die Kernthemen, die dem Kunden wirklich helfen, mehr Gas geben.

Joel Kaczmarek: Gut, wir können also schon mal ein bisschen zusammenfassen. Das Erste, was wir gelernt haben von dir, war Mitarbeitern zuhören, weil es ist ja ganz lustig, dass du sagst, man redet eigentlich mit drei Leuten und schon hat man irgendwie Know-how da. Dann Fokussierung, also wirklich mal sich auf das konzentrieren, was wesentlich ist und diese Dreier-Matrix, die finde ich eigentlich echt ganz interessant aufzumachen. Was hast du gesagt, wie nah es an der DNA ist, was den Kunden glücklich macht und Umsatz bringt? Und was mich auch noch beschäftigen würde, Kundenverständnis. Das war ja auch so ein Thema, was wir auch aufgemacht haben am Anfang. Du hast ja schon mal so eingehend gesagt, man muss seinen Kunden zuhören. Vielleicht kann man es ja ein bisschen zuspitzen. Vielleicht kann man ja sagen, machen viele Unternehmen vielleicht den Fehler, sich gar nicht so sehr zu konzentrieren, was eigentlich die Kern-DNA ihres Unternehmens ist, wofür sie stehen, was sie dem Kunden bieten, sondern verlieren sich so in Details. Ist das was, was du auch öfters beobachtest?

Marcus Diekmann: Absolut. Bei dem ganzen E-Commerce-Thema. Ich hatte damals viele Möbelhäuser betreut. Wirklich diese großen Möbelhäuser. Und ich fand das immer interessant in den Dialogen mit den Geschäftsführern, dass die mir erzählen konnten, ey, Marcus, ich habe hier so ein Megaprojekt gemacht, ich habe ein neues Café und Restaurant in unserem Möbelhaus gebaut. Die konnten mir jedes Detail erzählen. Dann habe ich gesagt, sag mal, hast du eigentlich schon mal online geguckt, wie sich die Kunden entwickeln? Nee, Marcus, online habe ich jetzt keine Ahnung, da bin ich jetzt auch raus, da bin ich Okay, du bist Möbelhändler. Du willst mir also erzählen, dass du eineinhalb Jahre damit verbracht hast, dieses scheiß fucking Restaurant. Das hättest du dem Mitarbeiter geben können und hätte sagen können, bau mir dieses scheiß Restaurant. Es ist nicht deine Aufgabe, Koch zu werden. Stattdessen hättest du gucken sollen, fuck. Was kaufen die Leute auf Otto.de? Das ist einer der erfolgreichsten Möbel-Online-Händler. Warum kaufen die da die Möbel? Was kann ich daraus lernen? Was kann ich für mein Business übertragen, um das weiterzuentwickeln? Warum müssen bei Möbelhändler-Kunden nach Bestellung eines ganz normalen Sofas sechs bis zehn Wochen warten, dass dieses scheiß Sofa kommt, was wirklich ein Massenprodukt ist? Nicht Hardcore-Customizing. Ich meine, wir denken bei Möbel-Customizing nur, weil ich das anders anordnen kann, das wäre Customizing. Wie kann ich da meinen maximalen Kundenmehrwert optimieren? Stattdessen sitzt du in diesem fucking Restaurant und hast dich einfach mit diesem Restaurant beschäftigt. Das ist nicht Kern-DNA. Das ist eine tolle Serviceleistung. Das ist nicht die Zukunft deines Businesses. Bringt es viel Umsatz? Vielleicht. Aber im Verhältnis zum Möbelverkauf, nein. Bringt es viel Gewinn? Nein. Bringt es einen Kundenmehrwert? Ja, als Service. Aber Kundenmehrwert, wenn du stattdessen in zwei Wochen die Möbel zum Kunden kriegen würdest, wäre der Kundenmehrwert fünfmal so hoch. Wenn du stattdessen zehn Prozent günstiger an den Möbeln werden könntest, wäre der Kundenmehrwert zehnmal so hoch. Dann würden die auf deinem Café scheißen. Das ist die Wahrheit.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wie geht es dir denn damit? Also, ich habe ja so ein bisschen das Gefühl, du hast, glaube ich, einen Punkt, dass man sich nicht mehr traut, Entscheidungen zu treffen in solchen Unternehmen. Weil es einfach auch so komplex, so vielschichtig geworden ist und so viele Interessen. Ja. Also wäre ja eigentlich mal interessant, wie gießt du denn sowas zum Beispiel um? Also wie baust du deine Organisation, dass ganz klar ist, es gibt eine Umsetzer-Ebene und es gibt eine Entscheider-Ebene. oder trennst du das gar nicht so? Es ist ja ganz oft auch so in, dass man sagt, ja, wir machen jetzt Bottom-up, hier dürfen jetzt so Mitarbeiterinitiativen gestartet werden und dann geht so ein Sammelsurium, so ein kleiner Zoo los und so. Hast du da irgendwie was an der Hand, so ein Werkzeug?

Marcus Diekmann: Ja, also, jetzt möchte ich mal einmal mit einem Irrglauben aufräumen. Es gibt drei Ebenen. Strategisch, taktisch, operativ. Das muss man als erstes mal als Grundverständnis haben. Wir reden ja bei jedem Projekt, was wir machen, das wäre strategisch. Aber strategisch ist wirklich nur high, high level. Dass wir vielleicht in ein Land wie Holland gehen, das ist vielleicht eine strategische Fragestellung. Die kann nur die Geschäftsführung treffen. Das ist nicht mit Ownership gemeint. Das ist nicht mit Leadership gemeint. Das ist auch keine demokratische Entscheidung. Es ist Pflichtaufgabe des CEOs, das zu entscheiden. Und wenn wir das meinen mit Ownership, dann ist es völlig falsch. Denn das ist nämlich das, was wir machen. Das muss man immer. Wie wir erfolgreich in dem Land werden, das sind taktische und operative Themen.

Und das muss taktisch super gut erarbeitet werden, muss operativ extremst gut ausgerollt werden. Das ist per Ownership. Da braucht man maximalen Handlungsspielraum für die Leute. Dass die wirklich test, learn, build bigger umsetzen. Dass man denen auch erlaubt, Fehler zu machen, aber schnell daraus zu lernen, sich weiter zu optimieren. da muss man maximal Freiheit geben, um die Power der guten Leute, Schwarmintelligenz und diese ganzen Themen nutzen zu können. Aber nicht verwechseln. Wenn ich heute Unternehmen höre, die sagen, das große Was, das diskutiere ich mal demokratisch mit meinen Abteilungsleitern. Sorry, kein Verständnis dafür. Führt nur dazu, dass wir drei Jahre lang diskutieren, drei Jahre lang philosophieren, tausend Meinungen und immer wieder hin und her, keiner trifft Entscheidung, Zeit vorbei. Ich kann mir immer anhören, was einer damit meint und dieses auch meine Meinung wieder ändern. Aber die Entscheidung, das Was, trifft nur der CEO. Taktische und operative Ebene, maximale Freiheit im Ownership.

Joel Kaczmarek: Mhm. Ich habe ja auch das Gefühl, dass viele so ein Stückchen betriebsblind werden und dass man so in seiner eigenen Bubble sich immer wähnt oder einfach nur agiert. Also ich glaube auch, wie du sagst, man redet immer denselben und dann sagst du ja, frag sieben Leute, kriege ich acht Meinungen. Jetzt habe ich bei dir mitgekriegt, dann darfst du mir auch mal sagen, du hast irgendwie nur einen Drei-Tages-Vertrag, also du bist nur drei Tage CEO.

Marcus Diekmann: Ja, Teilzeit-CEO quasi, würde man dann im Arbeitsrecht dazu sagen.

Joel Kaczmarek: Du bist also der Drei-Tage-CEO, der teilweise auch in anderen Firmen rumtingelt. Das machst du jetzt, glaube ich, nicht nur aus Bereicherungsgier, sowieso nicht. Also ich schätze mal, in deiner Rolle muss man das nicht wegen Geld machen, sondern wahrscheinlich eher wegen geistigem Impact. Beschreib doch mal, weil das finde ich, glaube ich, mal ganz interessant, Leute darauf hinzuweisen, dass man auch mal seine Bubble verlassen muss und wie man das machen kann.

Marcus Diekmann: Ich war ja früher Inhaber einer Agentur und waren so 90 Leute damals oder 86. Und was ich immer gemerkt habe, ich hatte viele Mandanten beraten. Und das Krasse ist, wenn du viele Mandanten berätst, du kriegst unglaublich viel Input immer rein. Es ist ja nicht so, dass du zu einer Firma fährst, nur du bringst dein Wissen mit. Ehrlich gesagt zahlen die dich, dass du immer ein Dauerstudium bekommst. 50 Prozent deren Know-how saugst du ja auch ab. Dadurch konnten wir uns immer weiterentwickeln. Das war wirklich brillant und dieses Prinzip habe ich quasi darauf übertragen, weil ich mir heute nicht vorstellen kann, dass es sinnvoll ist, dass ein Geschäftsführer fünf Tage in seinem Büro, immer in seiner Branche, immer nur in seiner Firma hockt, das kann zu nichts führen. Und ich habe gemerkt, die meisten Impulse bekomme ich tatsächlich, wenn ich mich mit anderen tollen Unternehmen und Unternehmern austausche, wenn ich mit Leuten mich treffe, auf Veranstaltungen gehe, lerne, lerne, lerne. Und darum geht es wirklich. Ständig lernen, nicht betriebsblind werden. Und aus all diesen Tätigkeiten nehme ich immer wieder irgendeinen Impuls mit, den ich bei Rose einbringen kann.

Und darum glaube ich, ist es hocheffizient. Zweitens schützt es mich davor, nie in Details abzurutschen. Ich meine, es gibt viele Geschäftsführer, die meinen tatsächlich, sie müssten entscheiden, welche Wandfarbe hinter dem Bild auf der Toilette ausgewählt werden muss. Und weil wir so unverzichtbar sind. Aber dafür habe ich doch ganz tolle Leute. Dafür braucht mich keiner. Mir müssen meine Abteilungsleiter sagen oder unsere Direktoren, haben sie ihre KPIs erfüllt, haben sie ihre Action Points erfüllt? Oder brauchen sie meine Hilfe? Egal mit Know-how oder mit Entscheidungen, mit Geld oder wie kann ich helfen? Aber sie brauchen mich nicht dafür, dass ich diese Alltagsgeschichten mache. Diese Zeit investiere ich wiederum in diese anderen Bereiche, bringe dann wieder neue Impulse mit und kann meine Leute auch wieder mit weiter schulen und coachen, inspirieren und motivieren.

Joel Kaczmarek: Gut, also kein Micromanagement und über den Tellerrand hinaus. Absolut.

Marcus Diekmann: Ich glaube, wenn das alle machen würden, würden sich Firmen doppelt so schnell entwickeln.

Joel Kaczmarek: Jetzt beschäftigt mich noch eine Sache, bevor wir mal zum Preis des Erfolgs kommen, was ich ja ein ganz spannendes Thema finde. Die Rolle von so einem CDO ist auch noch was, was ich ganz oft beobachte. Also viele schaffen sich das an, als wenn es jetzt so ein Stück weit so en vogue ist, einen CDO zu haben. Das ist hier der Onkel, der unser Digitalgeschäft jetzt mal formt. Wie würdest du sowas aufhängen? Weil ich habe manchmal den Eindruck, dass das so fuzzy ist. Also das heißt bei jedem so ein bisschen was anders. Es ist irgendwie unklar. Also wenn ich mit dem CDO zu tun habe, würde ich mich immer fragen, als jemand, der mit einer Firma kooperieren will, hat der eigentlich Durchgriff oder nicht? Das sind so ein paar Klassiker, die mir einfallen. Wie siehst du das?

Marcus Diekmann: Also ich entschuldige mich auch bei allen Zuhörern. Also der CDO, das ist der größte Hirnfurz des Jahrhunderts. Ich weiß gar nicht, was das sein soll. Ich meine, ich habe da mal gut davon gelebt. Das ist ein guter Marketing-Gag. Weil das liest sich echt gut. Hey, du bist der CDO. Und ich meine, ich war der CDO. Das liest sich super. Und jeder sagt, wow, du bist der CDO. Das ist mega. Das ist total in. Und darum finde ich auch geil, diesen Titel zu haben. Aber ansonsten ist es ein Marketing-Gag vor dem Herzen. Es ist wie antidepressiver bei einem Herzinfarkt. Denn erstmal ist völlig unklar, was ist der CDO eigentlich? Ist das ein IT-Mensch? Ist das ein Business-Mensch? Und es muss immer ein Business-Mensch sein. Denn IT follows strategy. Es kann gar nicht umgekehrt sein. Das heißt, es muss einer sein, der die Produktpolitik umändert, die Preispolitik. Ihr erinnert euch eben noch. Ich hatte doch gesagt, diese 6, die Services, die IT und Prozesse. Kann er aber nicht, weil da sitzt ein Marketingleiter, der sagt, nö, du darfst CDO sein, aber bitte nicht zu viel in meinem Bereich. Dann ist da plötzlich der HR-Chef, der sagt auch, nö, ich möchte aber nicht zu viel in meinem Bereich. Da ist der Vertriebschef, der hat auch noch irgendwas zu sagen. Er kann also gar nicht durchgreifen. Er ist irgendwie eine Stabstelle, der tolle Ideen hat. Dem hört man vielleicht zu oder auch nicht. Dann ist da der CEO, der sagt, nee, ihr müsst das untereinander moderieren. Das heißt, er ist, ich habe das mal gelesen auf Wikipedia, Entschuldigung, dass ich den Herrn nicht zitieren gerade kann, weil ich nicht den Namen weiß, wie ein Tiger ohne Zähne. Das fand ich mal ganz amüsant zu dem. Und darum, da unklar ist, was seine Rolle ist, unklar ist, was er machen soll, darum bringt er mal gar nichts. Und ehrlich gesagt, ich würde dieses anders sehen. Ich würde einen CDO sagen, den kann man sich reinholen als Interimsmanager, der meine Mannschaft, der meine Abteilungsleiter trainiert, meine Direktoren trainiert, wie man heute neu arbeitet, damit der Marketingleiter zukünftig on- und offline beide Welten versteht, neue Arbeitsweisen versteht, digital versteht, dass der Vertriebsleiter das lernt und der HR-Chef und alle. Wenn die das nicht verstehen, brauche ich keinen CDO, dann brauche ich einfach neue Abteilungsleiter, neue Direktoren, dann ist da das Fehler. Und wenn der CEO das nicht versteht, braucht er auch keinen CDO, dann braucht die Firma einfach einen neuen CEO. Völlig einfach.

Joel Kaczmarek: Also wie in der Chemie ein Katalysator. Etwas, das beschleunigt und sich im Prozess auflöst.

Marcus Diekmann: Genau, aber es ist keine Funktion, die man im Unternehmen braucht. Er kann entweder nur für eine dieser Bereiche der Chef sein oder er muss der CEO sein.

Joel Kaczmarek: So, jetzt habe ich wie gesagt ein Thema noch zum Schluss, was ich spannend finde, weil ich sowieso mal, ich hatte mal überlegt, so einen Monolog dazu zu machen. Preise des Erfolgs. Du bist ja jetzt jemand, den darf man als erfolgreich bezeichnen. Also du bist an einer spannenden Firma, du hast viele spannende Firmen in der Vergangenheit begleitet, dabei sicherlich auch Fehler gemacht und gelernt. Vielleicht kannst du auch ein paar Sätze dazu nachher sagen. Also man darf dich als erfolgreich einordnen. Was viele Leute sich, glaube ich, immer fragen, also hast du mir im Vorgespräch auch erzählt, wie macht der das? Also das beschäftigt die Leute. Und ich habe auch so das Gefühl, die Leute machen sich aber auch keine Gedanken, was ist der Preis? Also das merke ich immer wieder. Ich will auch meinen Kindern immer beibringen, es ist wichtig zu studieren und so weiter und so fort. Und ich bin jetzt, glaube ich, in der Lage, wenn man da war an der Stelle, weiß man, was es kostet in jeglicher Hinsicht. Wie gehst du mit dem Thema um?

Marcus Diekmann: Ja, ich habe ja für mich selber gerade so einen Prozess durchlaufen und ich durchlaufe den immer noch in diesem Jahr. Bin jetzt letztes Jahr 40 geworden, liegt aber nicht nur an dem Alter, ist so dazu geschuldet. Und seit ich 23 bin, bin ich irgendwie in dieses, ich hatte das Glück, wirklich unglaublich jung in so eine Managementrolle reinrutschen zu dürfen. Ehrlich gesagt hat mich das früher völlig überfordert, war mir gar nicht klar. Diese Überforderung, die habe ich einfach ausgeglichen durch noch mehr Arbeit, durch ganz wenig Schlaf, war sogar stolz darauf zu sagen, hey, ich bin richtig hart, vier Stunden Schlaf, das reicht mir, ich kann immer Vollgas geben. Und wenn man das mal so zurückblickt, und ich möchte auch gar keine Trauergeschichte, weil es war Ich hatte wirklich das Glück zu sagen, dass da am Ende viel Erfolgreiches rausgekommen ist. Aber der Preis ist, dass ich eigentlich seit ich 23 bin bis 40 eigentlich nur für den Beruf gelebt habe. Und das muss ich wirklich sagen. Und das Tag und Nacht, sieben Tage die Woche. Außer vielleicht mal ein bisschen Sport zwischendurch, ein bisschen Familie zwischendurch, ein bisschen Freunde.

Und ich kann nicht sagen, dass ich den Preis als bester Freund des Jahrhunderts gewinnen darf. immer da, wenn Krankheit kommt oder wenn Probleme da sind, aber ich bin ja im Alltag gar nicht da, weil ich nur in diesem Büro und das werde ich radikal ändern, auch da mehr Fokus. Ich bin unglaublich dankbar, dass Freunde und Familie immer noch zu mir halten und das weiß ich und das ist auch ein tolles Geschenk, aber man muss wirklich und dieses Work-Life-Balance, das möchte ich gar nicht überstrapazieren, weil ich mache das wirklich auch gerne, was ich mache, aber in anderen Einklang. Und jetzt lerne ich gerade dabei, wer ist eigentlich der private? Marcus Diekmann, hat mir einen Coach dazu genommen, der mir seit sechs Monaten hilft. Ich meine, wenn ich im Urlaub war, habe ich immer E-Mails beantwortet, Und selbst wenn ich gesagt habe, jetzt mache ich das mal gerade nicht, weil ich mit Freunden und Familie unterwegs war, habe ich es trotzdem heimlich immer gemacht. Habe immer eine Ausrede gefunden, warum ich auch mal nicht wieder in den Urlaub gehen konnte. Scheiße, es ist wieder, ich muss das noch machen. gehe weniger auf Konferenzen, sehe zu, dass ich trotzdem in den Wichtigsten dabei bin, um diesen Input, habe Beiratstätigkeiten niedergelegt, bleibe aber trotzdem am Markt dran und kompensiere das anders.

Ja, und jetzt habe ich plötzlich mehr Freizeit. Jetzt muss ich wirklich lernen, was mache ich damit? Keine E-Mails zu lesen, nicht nur Business-Themen. Ich weiß gar nicht, wenn man sich mit mir privat unterhält, außer nach Fußball, weiß ich, und ein bisschen Politik, weiß ich gar nicht, worüber ich reden soll, weil ich immer nur den ganzen Tag über Business reden kann. Jetzt muss ich lernen, wieder privaten Smalltalk zu führen. Und für meine Freunde vielleicht nicht nur da zu sein, weil wir diesen Stammtisch haben. Für meine Freunde nicht nur da zu sein, wenn die mal Probleme haben, sondern einfach mal auch einfach im Alltag da zu sein. Und das andere Thema ist, auch nicht immer gewinnen zu wollen. Hört sich verrückt an, wenn ich joggen gehe, probiere ich gleich nach ein paar Wochen 25 Kilometer Joggen zu gehen. Wenn ich Rennrad fahre, probiere ich einfach immer schneller Fahrrad zu fahren. Und jetzt fahre ich einfach mal gemütlich durch die Gegend. Da muss man sich mehr mit sich selbst beschäftigen und auch sich selbst besser kennenlernen. Und das finde ich wirklich so einen großen Umbruch. Und wenn ich eins wirklich, wo ich sage, es ist nicht schlimm, dass man das nicht mehr in der Vergangenheit ändern kann, aber was ich jetzt für die Zukunft definitiv ändern möchte, ist wirklich Privatort zu sein.

Joel Kaczmarek: Ja, ich finde, da steckt so viel drin, weil ich ertappe mich auch dabei, wenn man so viel arbeitet und irgendwie Erfolgserlebnisse hat, man ist ja irgendwie immer so richtig ein bisschen drauf. Und ich weiß, ich habe mal so ein Antistress-Seminar besucht und da hat sie mir halt auch im Prinzip so beigebracht, ja, das sind ja alles mal so Mini-Gratifikationen. Jede E-Mail, jedes abgearbeitete Problem gibt einem irgendwie so einen kleinen Kick. Und das Lustige ist, ich entdecke mich bei viel, was du sagst, wieder. Mir geht es auch so, meine Frau und ich haben uns noch einmal einen freien Tag genommen, sind mit dem Lietzensee spaziert und dann hat sie mir quasi gesagt, so, ey, ich will jetzt nicht über Arbeit reden, das geht mir alles auf den Sack gerade. Ja. Oder mir wächst einer, wenn du so weiterredest, ja, dann lass uns doch bald über was anderes reden. Und ich hatte 50, 100, 150 Meter, um diesen Sehprobleme zu überlegen, was berätest du mit deiner Frau? Wir arbeiten in der gleichen Firma, ja, deswegen, also das kenne ich. Und ich möchte Leute immer dafür sensibilisieren. Es fühlt sich immer gut an, oben zu sein und es fühlt sich gut an, unten zu sein. Aber das Runterkommen ist der Tod.

Marcus Diekmann: Absolut, aber das ist wirklich für uns alle so wichtig. Ich glaube nicht mehr in die Fünf-Tage-Woche. Ich glaube, mit Digitalisierung und Co. kommt es mehr darauf an, die Kreativität reinzubringen, die Ideen reinzubringen, die Impulse reinzubringen, auch auf immer mehr Positionen und dann tatsächlich auch Richtung vier Tage gehen zu können. Und wir müssen wieder lernen, wieder andere Werte nach vorne zu stellen. Und das finde ich wirklich so wichtig und das kann ich auch jedem nur als Tipp geben. Und das muss ich sagen, das war wirklich der Preis des Erfolgs. Und jetzt das zu ändern, ist tatsächlich nicht einfach. Ich dachte wirklich, nehmen wir mal vier Wochen Urlaub, dann habe ich das ja schon geändert. Das stimmt nicht. Ich wusste gar nicht, wirklich nicht, was ich mit diesen vier Wochen anfangen sollte. Und ich muss auch sagen, man enttäuscht ja auch privat wirklich tolle Leute dadurch. Und das auch mal wieder zu sehen und dann auch hinzugehen und zu sagen, man kann auch nicht einfach sagen, ich entschuldige mich, dass ich das enttäuscht habe. Ich meine, man kann es nur zeigen.

Joel Kaczmarek: Naja, vor allem, ich habe die Tage so in der Einsicht gehabt, die sind eigentlich total banal, aber das hat mich dann endlich mal getroffen und ich dachte, jetzt hast du mal ein halbwegs ein Verständnis. Ich frage mich immer, wenn ich mit meinen Eltern über meine Firma rede, warum meine so viel anstrengender wirkt als ihre damals. Und ich habe dann so drüber nachgedacht und irgendwann kam mir der Trigger, dass ich dachte, naja Früher war es so, mein Vater hat vielleicht irgendwie einen Auftrag gebuhlt, hat einen Fax geschickt, dann kam das irgendwie an, dann haben die einen Brief aufgesetzt, der kam drei Tage später an, weil das kam noch nicht wie den nächsten Tag und so weiter. Das heißt, man hatte eine gewisse Periodik, sozusagen eine gewisse Länge. Und das bei allen Dingen. Drucken, E-Mails verschicken statt Briefe, Telefonate und so weiter. Und dann habe ich gesagt, naja, jetzt haben wir diese ganzen digitalen Tools. Und was die Leute machen ist, alles wird schneller, effizienter. Man nimmt dann aber nicht Sachen runter, sondern man nimmt immer noch mehr rauf, weil jetzt geht ja mehr. Und gleichzeitig beobachte ich, dass ganz viele Leute das toll finden, beschäftigt zu sein. Die nehmen es als Leistungsmerkmal. Ich bin beschäftigt, dann bin ich effektiv und gut. Und ich glaube, das ist nicht so. Was ich von dir gerne mal noch lernen würde, wäre, du warst ja auch in der Beratung tätig. Wir können ja mal ein bisschen später was zu den Privatfolgen vom Beraterleben sagen. Aber man fragt sich ja manchmal, warum merken solche Leute eigentlich nicht, dass sie immer so eine Karotte vor der Nase haben und in so einem Hamsterrad drinstecken?

Marcus Diekmann: Ja, das ist wirklich verrückt, ne? Ich meine, ich war nie drogenaffin, das ist irgendwie komplett an mir vorbeigegangen. Brauchst du auch nicht, weil die Droge ist das Dauerfeedback, egal ob positiv oder negativ, aber du bekommst ein Feedback und das ist geil, du gehst von einem Workshop zum nächsten und mal kritisiert er dich, mal kriegst du ein Megalob und dafür arbeitest du dann plötzlich und du merkst das nicht. Wie du plötzlich von diesem, wie so eine Droge, bis zwei Uhr im Büro sitzt, um die nächste geile Präsi zu machen, die am nächsten Tag wieder zu präsentieren. Und erst so rückblickend denkst du, was für ein Scheiß. Ey, da saß ich bis zwei Uhr nachts immer, um dann morgens um acht irgendeine Präsi zu zeigen. Immer derselbe Scheiß, aber du kommst da nicht raus. Du musst einmal dich zur Seite stellen und dann zurückblicken. Es ist wirklich so eine Droge und die funktioniert bei jedem. Guck dir mal IT-Leute an. Die machen einen Hammerjob. Ich meine, das sind im Augenblick so das Rückgrat der Weltwirtschaft. Also das ist ja wirklich mega. Das sind Genies. Wenn du heute einen Online-Shop baust, da kriegst du nicht Dauerfeedback. Du musst erstmal arschlange programmieren, bis du diesen Online-Shop fertig hast. Und wenn der live geht, dann treten erst die Probleme auf und du musst den wieder reparieren. Das heißt, selbst wo die ganzen Berater, die ganzen Designer sich feiern, weil dieser Shop live ist, haben die erst wieder die negative Arbeit. Und trotzdem können die sich so geil motivieren und sich untereinander, aber die kommen halt über ganz andere Werte. Während alle anderen wirklich nur von einem Erfolg zum anderen hinhecheln. Und darum ist diese Karotte unglaublich wirkungsvoll. Und du kannst auch in der Beratung unglaublich gut die Leute damit motivieren. Hey, du kannst morgen den nächsten Geschäftsführer kennenlernen. Du kannst übermorgen bei dieser großen Firma, da darfst du vorsprechen. Hey! Und wenn du es richtig geil machst, dann lernst du auch noch den Director. Und wenn du es richtig gut machst, darfst du mit dem sogar nach Essen gehen.

Joel Kaczmarek: Und irgendwann bist du Partner, wenn du es richtig, richtig, richtig gut machst.

Marcus Diekmann: Ja, das funktioniert echt wie Sau. Und wenn wir uns alle davon ein bisschen lösen, dass das eigentlich gar nicht so wichtig ist. Weil wir leben ja zum Glück in einer Zeit, wo es uns fast allen in Deutschland halbwegs gut geht. Man muss vielleicht auch gar nicht diesen Director treffen oder den CEO treffen, ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Dann funktionieren diese Möhren nicht. Aber die Sachen, die du da machst, auf die du dich dann konzentrierst, die machst du wie bei den 104 Bikes, die machst du dann richtig gut.

Joel Kaczmarek: Ja, ist komisch. Ich meine, du hast ja im Prinzip so, im Vorgespräch hast du gesagt, ich habe mein Privatleben depriorisiert. Und ich ertappe mich da auch manchmal bei. Also fairerweise muss ich sagen, es kommt immer ein bisschen darauf an, wenn man Kinder hat, wie alt die sind. Ich finde, wenn die zwischen eins und vier sind, kann es einfach anstrengender sein, zu Hause mit einem oder zwei Kindern zu sein, als zu arbeiten. Das ist wirklich anstrengend, aber auch schön, keine Frage. Das finde ich interessant, zu lernen, wie man wieder Privatmensch ist und auch irgendwie mal einen Gang zurückzuschalten, weil ich finde, darüber redet keiner. Aber ich weiß, ich war bei einem Freund, der hat eine große Designagentur und der meinte so, ja, weißt du, Wenn hier mal die Berater reinkommen, die gehören nämlich zu einer großen Beratung, die sind immer am Kotzen. Die gucken erstmal, kriegen große Augen. Das erste, was die ankotzt, ist, warum wir hier so ein geiles Büro haben, warum wir so verspielt sein dürfen. Das zweite ist, das sind die Typen, die früher die Typen, die bei uns gearbeitet haben, in der Schule in den Mülltonner gesteckt haben und ihnen hinten auch so den Schlüpper hochgezogen haben. Und jetzt wundern die sich, warum die hier so frei sein können. Und gleichzeitig haben die schon irgendwie die zweite Ehefrau, die Kinder wollen nicht mehr mit denen reden und so weiter und so fort. Also da redet ja keiner drüber, ne? Hast du sowas bei dir auch viel beobachtet, so in den Umfällen, in denen du warst, dass das so, dass das auch so ein Preis von Erfolg ist, dass das Privatleben halt so weit zurücktritt, dass es auch manchmal zerbricht?

Marcus Diekmann: Ja, absolut. Zwei Dinge dazu, was mir immer wichtig ist, weil immer wenn wirklich Probleme da waren oder Krankheit oder sonst was, dann war ich auch da. Also das ist nicht, bei Prior C hört es sich ja ganz gruselig an, aber ich war im Alltag einfach kein guter Unterstützer. Das muss ich einfach wirklich fair auch einräumen. Aber weder für meine direkte Familie, auch für Freunde, für alles das. So, jetzt kommen wir dazu. Mir erzählt fast jeder Manager, den ich kennengelernt habe, der 60 ist, in jeder Firma, Marcus, was du von mir lernen kannst, ich habe mein Leben versemmelt. Weißt du, ich habe mich mal um meine Familie nie gekümmert, jetzt sind die alle erwachsen, sind ausgezogen, scheiße, ich habe Scheißverhältnisse zu meiner Frau, ich habe Scheißverhältnisse zu meinen Kindern, bin hier zwar sauerfolgreich, aber mit der Hälfte des Erfolgs wäre ich auch ausgekommen und würde das gerne alles zurückdrehen. Anscheinend ist das ja so eine Erkenntnis, die man mit 50, 60 irgendwie gewinnt. Aber keiner, auch die, hätten vorher diese Entscheidung getroffen, als sie auf diesem Weg waren. Versteht ihr, dass ich meine, es geht ihr in Schand? So, und in meinem Freundeskreis habe ich so viel gesehen, die kein gutes Verhältnis zu ihren Kindern haben, die wirklich, wie du sagst, dritte Ehefrau haben oder sonstiges. Das ist doch alles scheiße. Was bringt dir das denn am Ende des Tages, wenn du alleine in deiner Bude, von mir aus auch in deinem Penthouse hockst, wo auch immer, hast diesen Porsche vor der Tür. Ich meine, hast du schon mal probiert, diesen Porsche mit auf deinen Sofa zum Kuscheln zu nehmen? Funktioniert scheiße.

Also das heißt, dann hockst du da, hast du von mir aus 100 Interviews mit dir gelesen, aber ich meine, das bringt dir am Ende auch nichts, denn das beeindruckt deine wirklichen Freunde auch nicht, ob du jetzt 200 Mal in der Zeitung oder einmal in der Zeitung standst. Denen interessiert nur, ob du eine Currywurst zum Grillen auflegst. Und ich glaube, das müssen wir drehen und das ist mir auch wirklich wichtig, sich davon nicht mehr lenken zu lassen. Und ich möchte mir nichts sagen lassen. von meinen Kindern und meine Kinder sind jetzt vier und zwei, möchte ich mir nicht in 20 Jahren sagen lassen, ja Papa, du warst zwar nett, alle zwei Wochen, wo du dann einmal kurz mit uns gespielt hast, das war auch lustig sogar, Aber ansonsten warst du nie da. Und das Einzige, was wir von unserem Vater gelernt haben, ist, dass er nie da war. Und das will ich mir unter keinen Umständen vorwerfen lassen. Und die Gefahr ist groß, dass man das erst leider wie diese Manager mit 60 erkennt, wenn es zu spät ist. Und ich glaube, dank auch diesem tollen Coach, das früh genug zu sehen. Naja

Joel Kaczmarek: und vor allem ein Punkt, der ja noch fehlt, ist das Thema Gesundheit, also du hast gesagt, du bist nicht drogenaffin, ich auch nicht, also ich bin wie du, meine einzige Droge ist Zucker, Schokolade, bei dir ist glaube ich noch Kaffee vielleicht on top oder so, weiß ich nicht, aber ich meine, es gibt ja auch durchaus den einen oder anderen, das habe ich auch schon erlebt, also man sieht es den Leuten ja nicht an, also ich habe da einen schlechten Blick für, aber das kriegst du ja auch nicht mit, was die so einschmeißen. Und ich meine, ich habe Geschichten gehört von Unternehmern, von Gründern, Gründerinnen, beider Geschlechter, ganz egal. Also ich weiß noch, mir ist eine in Erinnerung geblieben, die hat mir irgendwie erzählt, bei ihr sind die Haare zurückgegangen und das Zahnfleisch ist zurückgegangen, Haare ausgefallen, so ein Stress hatte die. Ich habe eine andere Bekannte gehabt, die hat in einer Agentur gearbeitet, die konnte auf einmal nichts mehr essen, die war gegen alles allergisch und die hat sich irgendwie nur noch vom Schokoriegeln ernährt. Also das kriegst du ja nicht mit, wenn die mit 60 dann reich, krank und allein sind.

Marcus Diekmann: Lustig ist, ich habe erstmal diese Wertvorstellung, dass wir überhaupt, ich meine, jetzt dreht sich das auch in der Presse zum Glück, dieses Hochfeiern. Wir sind alle Helden, weil wir nur vier Stunden schlafen können oder fünf. Was ja krasse Spuren am Körper entlässt. Ich habe letztens so eine Hautanalyse machen lassen. Total verrückt, ein Tiefenscan. Da war gerade so ein Angebot, das habe ich wahrgenommen. Ja, ein tolles Geschäft. Hauthafen in Hamburg, wirklich toll. Da habe ich diese Tiefenanalyse, einen Scan machen lassen. Und dann kam raus, dann sagt dir wirklich dieses Ergebnis. Es ist Tiefenanalyse, nicht was du siehst oberflächlich. Dieser Mensch schläft radikal zu wenig. Das sieht man schon in den tiefen Schichten. Er ernährt sich scheiße. Zu viel McDonalds, zu viel Burger King oder irgendein anderes Fastfood-Zeug hat er schon in seinem Leben gemacht. Kam alles raus. Ich habe nichts gesagt vorher. Und dann dachte ich, kacke, ich fühle mich so stark, ich fühle mich so fit und kann auch noch so schnell rennen. Aber Die Spuren sind schon da. Und das wird bei jedem so sein, weil kein Mensch es geschafft hat, vier Stunden zu schlafen. Das ist nur kurzfristig. Und um die Leistungsfähigkeit zu erhalten, alleine deshalb schon die Kreativität zu erhalten, müssen wir ja schon alle in andere Modi wechseln.

Joel Kaczmarek: Wo wir schon sehen, Striptease machen, was mich ja als letztes nochmal interessieren würde, zweifelst du auch öfters an dir?

Marcus Diekmann: Ich zweifle immer an mir. Also man muss wissen, dass ich vom Typ her das Die mich nicht gut kennen, würden das vielleicht gar nicht so einschätzen. Ich weiß ziemlich genau, was ich gut kann und ich weiß ziemlich genau, was ich schlecht kann. Und ich habe mich immer auf meine Stärken konzentriert. Aber ich bin nicht so ein Typ, der nur 100% von sich überzeugt ist. Überhaupt nicht. Ich bin wirklich kritisch mit mir und vielleicht manchmal auch zu kritisch. Ich bin kritisch optimistisch, auch immer mit mir selbst. Und das war immer mein Antrieb, alles zu verändern. Und ich bin wirklich einer, der immer ständig alles verändern will. Aber manchmal muss man auch lernen, einfach mal zufrieden zu sein. Wenn wir morgen unsere Umsätze um 20% steigern, den Kunden um 5% noch glücklicher gemacht haben, dann denke ich, okay, das war super. Geiles Team, dass das geschafft hat, ist wirklich dieses großartige Team. Aber dann denke ich so, jetzt müssen wir wieder 5% und wir müssen noch 20%. Versteht sich das meine? Das meine ich immer mit kritischem Optimismus. Und werde auch da mit meinem Coach gerade lernen, mal zumindest einen längeren Atem des Glücks und das Glück zu genießen.

Joel Kaczmarek: Ja, ich weiß nicht, ob du da das mit sagen wolltest, was mich beschäftigt. Manchmal, ich tue mich schwer damit, mich über Erfolg manchmal zu freuen.

Marcus Diekmann: Das meine ich damit. Das ist eigentlich die gleiche Aussage. Das kann ich auch besser mit anderen Leuten als mit mir selber. Ich lobe mich zum Beispiel auch viel zu wenig. Ich finde, das muss man auch mal machen. Ich denke eher darum, das habe ich nicht gut gemacht. Scheiße, daraus noch lernen. Ich probiere immer zu reflektieren, aber eigentlich immer nur aus dem Negativen. Und selten glaube ich mir mal, da bin ich wirklich relativ hart zu mir, zu sagen, hey, das war doch mal super. Wirklich, ich gehe joggen, habe immer eine Stoppuhr laufen, gucke, wie viele Kilometer ich geschafft habe und denke, scheiße, hättest du da nicht so ein Loch gehabt, wärst du nochmal ein paar Mal schneller gerannt. Weißt du? Ich sage aber selten, hey, das war doch mal cool und ist gar nicht wichtig. Ich habe jetzt das erste Mal das Handy weggelassen. Ich gehe einfach ohne dieses Handy und mache mich völlig frei. Wofür hat man eigentlich den ganzen Erfolg? Wenn man sich über nichts darüber so richtig mal freuen kann. Außer für kurze Momente. Jetzt möchte ich eine letzte Geschichte sagen, weil das fand ich am bezeichnendsten.

Bevor ich 23 wurde, war ich wirklich so ein kleiner, verträumter, ich bin immer noch ein Optimist, ich bin wirklich ein Optimist. Aber da war ich noch ein verträumter, kreativer Optimist. Gar nicht so kritisch. Und dann hatte ich irgendwie geträumt, ich wollte immer schon Dinge verändern. Das war immer schon in mir. Das war immer mein Antrieb. Da habe ich geträumt, wenn ich irgendwann mal das große Glück habe, die tollsten Unternehmen in Coesfeld beraten zu dürfen, in meiner kleinen Heimatstadt, wo ich geboren bin, dann wäre ich glücklich. Da habe ich die erste große Firma aus Coesfeld beraten dürfen. Da war ich Richtig glücklich, zwei Tage lang. Und dann dachte ich, wenn ich jetzt die größte Firma, Nachbarort Münster, das wäre krass, Münster ist ja viel größer, wenn ich da eine ganz große Firma beraten dürfte, dann wäre ich glücklich. Wenn ich in Münster eine große Firma beraten dürfe, ein großes Glück gehabt, da war ich nur noch einen Tag glücklich.

Dann habe ich gedacht, scheiße, wenn ich jetzt in Westfalen, wenn Shopmacher mal in Westfalen richtig bekannt wird und wir richtig tolle Unternehmen haben. war ich einen halben Tag glücklich. Und plötzlich haben Thomas und ich, meine Mitgesellschaft, uns erwischt, wo wir eine richtig fette Firma gewonnen haben. Wir hatten eine richtig fette Firma. Hätten wir eine ganze Woche die Bude zuschließen müssen und uns alle besaufen müssen. Eine Woche lang. Wir haben uns nicht mal mehr gratuliert, weil das plötzlich Alltag geworden ist. Und das ist verrückt. Und das war mein erster Eye-Opener, wo ich dachte, hier geht alles schief. Der wirtschaftliche Erfolg ist zwar da, aber quasi der Rückschuss nicht.

Joel Kaczmarek: Es gibt diesen Film, ich überlege gerade, wie der heißt. Die Musik, weiß ich, hat Eddie Vedder geschrieben. Es handelt von einem jungen Mann, der so auf irgendeinem Elite-College seinen Abschluss macht und dann nimmt er wirklich seine ganzen Ausweise und seine ganze Identität, verbrennt die. Und dann zieht er los mit dem Rucksack, läuft weg und der kampiert im Prinzip irgendwo in Kanada, im Yukon, in so einem, kennst du den Film zufällig? Weiß nicht gerade, wie, „Into the Wild“ heißt der Film. Und dann campiert der da in so einem VW-Bus, also so ein VW-Bus-Wrack steht nirgendwo in Kanada. Der lebt da so frei und genießt das so. Und dann setzt halt der Winter ein oder der Sommer. Und der Fluss, über den er im Winter halt rübergelaufen war, der ist halt auf einmal reißend, der kommt nicht mehr zurück. In die eine Richtung geht es quasi in die Wildnis und da, wo die Zivilisation wartet, da ist halt der Fluss und der kommt nicht mehr zurück.

Und dann kriegt er irgendwie eine Infektion und verhungert oder irgendwie sowas in die Richtung und dann eine Mischung aus beidem. Und er hat so ein Buch. was er immer liest, immer nur das eine Buch. Und dann schreibt er als letzten Satz rein, so die letzte Szene, „Luck only when shared“. So, das fand ich eigentlich total geil. Und das trifft ein bisschen, ist ja so meine Schlussempfindung mit dir. Also man muss das nicht nur mit anderen teilen. Also was hilft dir der 60-jährige Kranke mit dem Porsche? Und genauso muss man auch echt lernen, das mit sich wieder selber zu teilen. Absolut. Von daher danke ich dir ganz, ganz herzlich, dass wir heute nicht nur die Geschichte von Rose Bikes per se kennengelernt haben, sondern auch deine persönliche und was man vielleicht in seinem Leben so anders machen kann, um Erfolg auch genießen zu können und den Preis gering zu halten.

Marcus Diekmann: Ich danke dir auch.

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Unternehmensführung

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Unternehmertum: Denn getreu dem digital kompakt Motto "Lerne von den Besten" trifft sich Joel in freudiger Regelmäßigkeit mit den erfolgreichsten Unternehmer:innen aus der Startup- und Digitalwirtschaft. Egal ob Scale-up, Soonicorn, Unicorn oder erfolgreicher Mittelständler – in unseren Episoden zu Unternehmertum lassen dich die Besten hinter ihre Kulissen blicken und nehmen dich mit auf eine Reise zur Strategie, Entstehung und Entwicklung ihrer Firmen.