Lars Jankowfsky: Über Erfolg in Asien und Deutschland

10. September 2024, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und kennt ihr diesen Effekt, dass es manchmal in eurer Branche so Household-Names gibt von Menschen, wo ihr sagt, wow, ja, den kenne ich und man hat so das Gefühl, man hat schon mal was zusammen gemacht und ist sich aber gar nicht sicher, ist man sich eigentlich schon mal gegenseitig begegnet? Und so einen Effekt habe ich heute mit dem lieben Lars Jankowsky, der heute mein Gast ist. Der hat nämlich eine ganz lange Internetgeschichte und ich glaube, wir waren so in der gleichen Bubble unterwegs, aber wir haben festgestellt, nein, wir haben glaube ich noch nicht zusammen kommuniziert. Doch er ist jetzt auf mein Radar wiedergekommen, weil er einfach viele spannende Dinge macht. Denn er ist schon seit längerer Zeit in Asien unterwegs, konkreter vor allem in Vietnam. Heute machen wir einen Podcast, während er in Kairo sitzt, also vielleicht kriegt ihr auch noch ein bisschen Stadtgeräusche mit. Und ich glaube, wir haben heute ein ganz geiles Bouquet an Themen, weil, na klar, tauchen wir mal in die Vergangenheit von Lars ein, was er da so gemacht hat, auch in sein neuestes Baby NFQ Asia, was da so am Start ist, glaube ich, auch ganz spannend. Und vor allem aber auch mal so einen Outside-Blick auf Deutschland zu kriegen von jemandem, der aus Asien guckt. Auch den Asien-Input mal zu kriegen. Dann noch ein bisschen Big-Picture-Themen, sowas wie KI, Frauen in der IT. Also ich glaube, heute ist ganz, ganz viel dabei. Und deswegen freue ich mich lieber, Lars, dass wir endlich mal hier Nägel mit Köpfen machen und uns zusammensetzen. Moin, moin.

Lars Jankowfsky: Moin, moin. Hallo, Joel. Freut mich wirklich, dass ich hier sein darf.

Joel Kaczmarek: Wo wohnst du eigentlich mal, frech gefragt, wenn ich dich jetzt hier so ankündige? Wohnst du ein bisschen in den Hotels dieser Welt oder hast du einen festen Wohnsitz?

Lars Jankowfsky: Beides. Also ich bin ein echter Nomade. Ich habe zwei Wohnsitze, würde ich mal sagen. Einmal in Thailand und Bangkok, weil meine Frau kommt ja aus Thailand. Die möchte immer gerne nach Hause gehen und mein gefühltes Zuhause ist Vietnam. Gemeldet bin ich und Steuern zahlen tue ich allerdings in Singapur.

Joel Kaczmarek: Das ist ja mal ne Vita. Wo kommst du gebürtig her?

Lars Jankowfsky: Ich bin born and raised in Bavaria, also geboren in Memmingen im Allgäu, unter Allgäu und fühle mich als Bayer. Auch wenn ich weiß, dass die Berliner da nicht so gerne drauf schauen. Das ist immer noch meine Heimat.

Joel Kaczmarek: Ja, du redest hier mit einem Preußen, also pass auf, was du sagst. Ja, aber schön. Ich werde vor allem auch mal dich so als Mensch ein Stück weit kennenlernen, bevor wir so in dein Tun eintauchen. Wie kommt es, dass du so eine Flucht in die Fremde hast, dass du so Fernweh hattest, dass du so viel irgendwie im Ausland unterwegs bist?

Lars Jankowfsky: Ja, das ist eine gute Frage. Ich habe irgendwann mal gelernt, dass ich in der Wachstumszone für meinen Charakter bin, wenn ich mich sozusagen aus meiner Komfortzone bewege. Das hat schon angefangen damals, als ich studiert habe. Ich habe studiert in Kempten an der Fachhochschule. Das war sehr, sehr schwierig. Die hatten ein sehr hartes Vordiplom und wenn man das dann geschafft hat, dann war es relativ einfach. Und das war dann so einfach, dass ich mich gelangweilt habe und ich dann sofort umgezogen bin an eine andere Universität nach Nürnberg. Was echt schrecklich war. Ich habe es gehasst, aber das hat mich innerlich doch ganz schön nach vorne gebracht. Ich habe, glaube ich, auch von meiner Mutter, wir sind relativ häufig umgezogen, sehr viel mitgenommen und fühle mich richtig als Weltbürger und als Nomade. Ich bin ja damals, wenn ich mal kurz ein bisschen nach vorne springen kann, bei Swoodoo, das haben wir ja gut verkauft in den USA, da war ich quasi zwei Jahre halb. Fest in den USA bei Kayak, VP Engineering. Das war für mich das erste Mal so richtig weit weg. Davor, meine allererste Firma hatte ich mal in der Tschechei gegründet, dann später NFQ vor 20 Jahren in Litauen. Das war auch sehr abenteuerlich, direkt nach der Öffnung Vietnam, Thailand, Singapur, jetzt Kairo, Polen. Ich finde das alles super spannend.

Joel Kaczmarek: Ich würde aber schon gerade sagen, für den Bayern nach Nürnberg zu ziehen, ist wahrscheinlich schon wie Ausland. Franken und Bayern haben noch so ein Ding, glaube ich.

Lars Jankowfsky: Ja, Nürnberg war schon schön. Ich habe damals, und jetzt muss ich aufpassen, was ich sage, weil vielleicht hassen mich die Menschen aus Ansbach, aber ich habe den Fehler gemacht, ich habe in Ansbach gewohnt und bin dann nach Nürnberg gependelt und Ansbach ist als Student nicht wirklich toll, würde ich sagen. Du hast Studenten und eine sehr große Polizeischule und natürlich auch die Regierung dort und das war's. Also da habe ich mich gar nicht wohl gefühlt.

Joel Kaczmarek: So, und jetzt hast du ja eben schon ein bisschen angerissen, so Sfudo fiel als Name, Kajak, nimm uns doch mal an die Hand, was so im Expressverfahren deine Internet-History ist, weil ich hab ja gesagt, du bist so ein Household-Name für mich eigentlich gewesen, damals zu Gründerszene-Zeiten, dass man dich einfach irgendwie kannte, du warst so einer, ich hab grad gesagt, so Martin Wasawski und du, ihr wart mir irgendwie immer so zwei Namen, so auf der Checkliste, aber noch nicht abgehakt, so, ja.

Lars Jankowfsky: Da freue ich mich, dass das klappt. Also ich bin ja schon, sagen wir mal, fortgeschrittenen Baujahrs. Ich habe quasi angefangen als Softwareentwickler 1993. Meine erste relevante Internet-Erfahrung ging los. Ich war quasi der erste Entwickler bei einer Agentur namens Virtual Identity und wir haben damals 97, 98 rum die ersten Online-Shops umgesetzt. Das war Pionier. Das hat auch natürlich nicht wirklich viel funktioniert, weil noch nicht so richtig viele Leute im Internet waren, aber das waren quasi die ersten Shops. Und dann habe ich mich 1998 selbstständig gemacht, beim ersten Unternehmen. Wir waren drei Entwickler und haben gesagt, wir machen das jetzt alles besser. Was konnte schiefgehen? Natürlich viel. Ja, ist klar, sie waren jung und wussten nicht, was sie taten, aber es war auch eine gute Erfahrung. Und wir haben dann quasi bis zur Dotcom-Bubble für alles gearbeitet, was Rang und Namen hat. Also Pixelpark und ID Media, wie die ganzen hippen Läden hießen damals, haben wir überall mitgearbeitet. Und als dann die Dotcom-Bubble geplatzt ist, ist quasi mein erstes Unternehmen auch mitgeplatzt. Aber es war ein gutes Lehrgeld. Dann habe ich so ein paar kleinere Geschichten gemacht. Ich war CTO bei einer ganz kleinen Airline, Flickr Basel. Dann haben wir mit dem Kaupo-Shop den allerersten PRP-Online-Shop gebaut. Das ging aber nicht wirklich gut und dann auch sehr schnell Oxit gegründet. Und ich habe das dann im stillen Kämmerchen programmiert und mit meinem Bruder und dann später dem Roland Fesenmayer zusammen haben wir das relativ groß aufgezogen.

Joel Kaczmarek: Sag mal Menschen, die das nicht kennen, was das für ein Unternehmen ist, weil es ja durchaus, sage ich mal, nicht unrelevant.

Lars Jankowfsky: Ja, Oxit war eigentlich der erste relevante Online-Shopping-Lösung in Deutschland. Wir haben sicherlich damals das Internet mitgeprägt und den E-Commerce mitgeprägt. Ich habe mich Es war ganz lustig, zu der Zeit gab es ja Magento, die waren natürlich noch nicht so groß, aber immer wenn wir ein neues Feature rausgebracht haben, hat Magento das auch später rausgebracht. Wir haben immer gesagt, das gibt es doch nicht, die können doch nicht auf uns gucken, aber doch haben sie. Ich habe irgendwann mal Roy Rubin getroffen auf einer Veranstaltung und haben darüber geplaudert und er hat mir gesagt, ja klar, wir haben immer ganz genau geschaut, was in Deutschland passiert, weil das für die ganz am Anfang einer der wichtigsten Märkte war und da haben sie sich schon auch immer daran orientiert, was wir so gemacht haben.

Joel Kaczmarek: Ist das so ein bisschen dein Ding, dass du versuchst immer Sachen anzugehen, die jetzt vielleicht nicht so ausgetrampelt sind als Pfade?

Lars Jankowfsky: Absolut, ganz genau. Ich habe halt für mich festgestellt, dass ich am besten funktioniere, wenn ich irgendwo bin, wo ich mich erstmal freischwimmen muss. Das macht mir auch großen Spaß. und die Chancen, also sobald, wenn man in einem neuen Markt ist, ein Markt, der, und das ist jetzt egal, ob wir jetzt über einen Markt reden, vertikaler Markt wie der E-Commerce, Oder aber auch ein Upcoming-Land, so wie Vietnam. Das spielt eigentlich keine Rolle. Also wenn man irgendwo ist, wo dann quasi der Markt nach oben geht, wenn man sich da gut positioniert, steigt man quasi unweigerlich auch mit dem Markt. Ich habe ja schon immer, habe ja vorher gesagt, so diesen Reisevirus gehabt. Und bei Spudo war das halt so, es gab damals die Reihen eher 1-Euro-Flüge. Und die waren aber nicht zu finden. Da musste man manuell die ganze Webseite immer durchklicken und jeden einzelnen Datum ausprobieren. Und ich habe mir dann gesagt, okay, das müssen wir automatisieren und habe mir selber so ein Tool gebaut. Und das war eigentlich die Geburtsstunde von Swoodoo. Und dann haben wir mit dem Wolfgang Heigl zusammen, der sozusagen mein ewiger Mitgründer oder der Business Master meint, ich war ja mal der Techie. dahinter war. Mit dem haben wir dann zusammen das Ruderhof gebaut. Dann Christian Salla, der heute Partner bei Holzbrink ist auch, als dritter Gründungspartner. Das war ein Dreamteam. Das war richtig gut. Wir haben innerhalb von drei Jahren im Prinzip den deutschen Markt zugemacht. Es gab ja zu dem Zeit hunderte irgendwelche Webseiten, wo man Flüge suchen konnte. Haben die alle platt gemacht. Und wir hatten in unserem Businessplan drin stehen, dass wir verkaufen wollen, zum Beispiel an Kajak. Und so war das dann ja auch.

Joel Kaczmarek: Und was würdest du sagen, war so eure Secret Source, weswegen ihr den Markt platt gemacht habt, wie du es gerade genannt hast?

Lars Jankowfsky: Absoluter Fokus auf Data Driven. Wir waren sehr früh, das was heute ein Standard ist, wir waren sehr, sehr früh unglaublich fokussiert auf unsere Zahlen. Und wir haben überhaupt nicht auf andere geschaut, sondern uns einfach bemüht, das allerbeste Produkt zu machen. Also ich habe wirklich niemals Mitbewerber angeschaut oder die Webseiten. Die Leute haben immer gesagt, ah, die haben das oder die machen das. Und ich immer so, ja, das kann sein, habe ich mir noch nie angeschaut. Wir versuchen für unseren Nutzer das beste Produkt zu machen. Und das hat gut funktioniert.

Joel Kaczmarek: Aber ich meine, eigentlich ist ja, wenn du bei dem anderen guckst, auch mal so ein bisschen eine Anregung dabei. Das war dir sozusagen aber zuwider?

Lars Jankowfsky: Ja, genau. Natürlich, du hast recht, das wäre schlau gewesen. Da kann man auch was lernen. Aber ich bin da wirklich sturköpfig und muss das immer selber machen. Ich kann auch übrigens, du hast gesagt, du willst mal meinen Charakter kennenlernen. Ich kann keine Sachbücher lesen. All diese Bücher, die so durch die Bubble immer getragen werden, hast du das Buch gelesen oder das Buch gelesen? Ich habe nichts davon gelesen. Und das liegt daran, dass ich das einfach irgendwie nicht annehmen kann, ohne dass ich das nicht selber erfahre.

Joel Kaczmarek: Und wir nehmen uns doch mal an die Hand. Was machst du denn eigentlich jetzt so in Asien? Also du hast ja von NFQ erzählt. Was hat es damit auf sich? Wie bist du unterwegs? Wie darf man sich dich heute vorstellen?

Lars Jankowfsky: Also die NFQ ist entstanden, wie die Jungfrau zum Kind kommt. Ich habe ja vorher erzählt, dass ich in der Dotcom-Bubble quasi dann Oxit gebaut habe und auch damals den ersten Dienstleister in Deutschland. Und damals gab es keine Entwickler in Deutschland. Und dann kannte ich jemanden, der jemand kannte in Litauen. Und ich habe da dann mein eigenes Team aufgebaut. 2000. Und da haben wir Oxit gebaut, da haben wir Spudu gebaut und irgendwie bin ich ja doch ganz bekannt in der Szene. Da sind immer wieder Leute zu mir gekommen und sagten so, Lars, da hast du irgendwie einen Victor, kann ich auch wie hier haben? Und ich sagte, ja, geh da nach Litauen. Hat mich relativ wenig interessiert, obwohl ich Gesellschafter, Gründungsgesellschafter war, weil ich schon eher über skalierbare SaaS-Business und so weiter, das finde ich schon spannender als Dienstleistung. Da hat sich das irgendwie verselbstständigt. Vor elf Jahren, vor zwölf Jahren bin ich quasi das erste Mal, der Wolfgang gesagt, du, ich bin nicht aus meinem letzten Gig raus. Und Wolfgang meinte, kümmere dich doch mal um die NFQ. Wir waren damals 180 Leute in Litauen, was nicht schlecht ist, also relativ big fish in a small pond. Jetzt sind Litauen nur drei Millionen, inzwischen glaube ich zweieinhalb Millionen Leute. Das ist ein recht kleines Land. Und da war klar, wir müssen woanders hin. Dann haben die gesagt, ja, lass uns mal in der Ukraine was machen oder in Weißrussland. Und ich kannte aber einen guten Freund, der für Microsoft Singapur gearbeitet hat, der hat gesagt, du musst dir das mal anschauen. Hier ist der Hammer. Und dann bin ich das erste Mal nicht als Tourist nach Asien, bin so auf die Konferenzen Tech in Asia und Ekelhunds und so die Großen und war komplett geflasht. Sowas hatte ich noch nie, niemals erlebt, sowas in meinem ganzen Leben. Der Hunger der Leute und wie die nach vorne gestürzt sind, unfassbar. Das ist es. Du und heute, wir marschieren an die 800 Leute, wir sind in sieben Ländern, wir sagen halt, wir sind Deep Tech Consultants und haben dann aber auch die Global Delivery hintendran. Das heißt, wir sind Consultants, wir sagen dir, wie du deine Schmerzen löst, aber gleichzeitig können wir sie dann auch lösen. Das zu einem fairen Preis.

Joel Kaczmarek: Aber jetzt mal unter uns. Du hast eine Firma mit 180 Mitarbeitern quasi so auf der Arschbacke mitgenommen, die lief so nebenbei und du hast dich da gar nicht für interessiert?

Lars Jankowfsky: Das ist richtig, ja. Also ich bin natürlich nicht alleine. Da sind ja auch noch andere gute Leute und Mitgründer dabei. Also das würde ich überhaupt nicht sagen, dass ich das alles ganz alleine gemacht habe. Als Gründer bist du immer in einem Team und ich glaube, das ist auch wichtig, dass du die richtigen Mitstreiter hast. Und da hatte ich Glück.

Joel Kaczmarek: Wie zieht man so ein Ding dann von Litauen mal eben nach Asien um? Weil ich meine, du kannst ja nicht von den ganzen 180 Leuten verlangen, dass die ihren Arbeitsplatz wechseln. Oder hast du die remote sozusagen beibehalten und das Team quasi international geführt?

Lars Jankowfsky: Ja, na klar. Also die Litauer, die sind ja weitergewachsen. Das sind inzwischen auch, glaube ich, 300, 400. Ich bin dann erst mal nach Thailand gegangen, weil das kennt man so als Deutscher. Dann war ich ja ganz gut vernetzt und Rocket Internet hat ja in Südostasien überall in jedem Land diverse Startups aufgebaut. Lazada und wie sie alle heißen. Und aus dem Rocket-Umfeld fallen ja auch immer wieder Unternehmer raus. Also die da mitgegründet, die gehen dann raus, die gründen was einfach. Dadurch gibt es eine relativ große Szene an Ex-Rocket-Mitarbeitern, die in Südostasien sehr, sehr erfolgreich was machen. Und über dieses Netzwerk habe ich alle Länder gescoutet, habe mich mit denen getroffen und habe halt verstanden, wo ist der richtige Ort, wo sind die Vor- und die Nachteile von den verschiedenen Ländern und habe mich dann auf Vietnam committed. Das war eine ganz rationale Entscheidung.

Joel Kaczmarek: Was ist es bei Vietnam, dass du sagst, funktioniert am besten? Geht es da um Gehaltslevel? Geht es um Talente? Was ist es da?

Lars Jankowfsky: Ja, natürlich spielt Gehalt oder damals hat es eine große Rolle gespielt. Heute sind die Gehälter mehr oder weniger weltweit ungefähr alle gleich. Die Verfügbarkeit der Leute und der Hunger, ich glaube, das ist der große Unterschied. Wenn eine Gesellschaft natürlich schon relativ satt ist, so wie wir das sind in Deutschland, geht es hauptsächlich darum, nichts zu verlieren und seinen Bestand zu wahren. Während wenn man halt nichts hat, dann möchte man nach vorne marschieren. Dann arbeiten die Leute halt 12, 14, 18 Stunden oder machen zwei volle Jobs und träumen noch davon, ihr eigenes Start-up zu machen. Wir diskutieren ja die 4- oder sogar die 3-Tage-Woche. Und das ist halt natürlich was, wenn ich gründen möchte und wenn ich nach vorne gehen möchte, dann möchte ich doch die Menschen mitnehmen an Bord, die auch wirklich Bock haben und Vollgas haben. Deswegen glaube ich, dass Südostasien oder Asien insgesamt eine riesen Zukunft hat. Haben wir ja auch die letzten zehn Jahre gezeigt. Die Entwicklung ist ja unfassbar groß.

Joel Kaczmarek: Du hast es gerade in so einem Nebensatz gesagt, dass die Gehälter international gleich sind. Ich hatte immer gedacht, bei Entwicklungen, der eine macht es in Weißrussland, der andere irgendwie in Asien und so weiter. Ich habe immer gedacht, dass die da so den Unterschied sozusagen in den Gehaltsniveaus nutzen, um günstig zu entwickeln. Aber wenn der sozusagen international mittlerweile gleich ist, dann ist es also gar kein Cashgame mehr, sondern es ist echt eher so ein Motivationsspiel, was du da siehst.

Lars Jankowfsky: Natürlich gibt es Ausreißer. In den USA sind die Gehälter natürlich sehr hoch und in diversen anderen Metropolen. Da sind aber auch die Lebenshaltungskosten ja unglaublich hoch. Aber ansonsten, sagen wir mal, das kommt immer darauf an als Seniorentwickler, 2.000, 3.000 brutto zu haben, ist so, egal in welchem Land, mehr oder weniger Standard. Und dann gibt es aber hier die, die ein bisschen mehr und ein bisschen weniger kriegen. Und 2.000, 3.000 brutto ist gar nicht so weit weg von Deutschland, weil natürlich die Lebenshaltungskosten auch deutlich niedriger sind.

Joel Kaczmarek: Und sag mal jetzt mal, um mal so ein Stück weit vielleicht sogar leicht rassistisch anmutende Vorurteile mit dir zu diskutieren. Ich erinnere mich, meine Frau war länger in China und die hat mir von China immer erzählt, naja, wenn du chinesischen KollegInnen irgendwie eine Aufgabe gegeben hast, dann haben die genau das gemacht, was du gesagt hast, aber auch wirklich exakt. Also da wurde überhaupt nicht mitgedacht, gar nicht, sondern es war so sehr straight. Wenn du was total Grundliches nicht gesagt hast, dann wurde es auch nicht gemacht. Und es gibt ja auch so diesen schönen Satz hier, I know copyright, it's my right to copy. Also so sehr viel, sag ich mal, Nachgeahmtes. Ist es gerechtfertigt, also auch mit Blick auf Vietnam? Erlebst du das da auch so? Oder ist es so ein eingemottetes und auch noch komplett falsches Vorurteil, was man als Deutscher sich vielleicht gerne noch aufsagt?

Lars Jankowfsky: Nein, also das gibt es. Das nennt sich übrigens Chinaman-Mentality. Da gibt es ein Wort dafür, das ist so eine Top-Down. Also so nach dem Motto, du bist hier, um genau das zu tun, was ich dir sage und nichts anderes. So denken die und fühlen. Und das hat sich aber stark gedreht über die letzten zehn Jahre. Also vor zehn Jahren sah auch China noch völlig anders aus. Da war es ja ganz stark, ging es immer um Kopien. Heute kommen ja die Innovationen aus China. Mein Geschäftsführer, der hat sich einen Jetur gekauft. Ich kannte die Marke gar nicht. Also hier in Kairo, das ist eine chinesische Marke, das ist ein Familienvan, Siebensitzer, mit dem fahre ich jetzt hier seit einer Woche rum. Also ein Bombenauto, ja, für wirklich einen guten Preis. Also wirklich, wir haben, ich habe ja auch Kunden, deutsche Kunden, da sitzt du drin, fasst dir das Leder an, schaust die Sachen an und sagst so, Scheiße, also das ist absolut auf unserem Niveau, sogar noch drüber, würde ich sagen, weil da viele kleine Gemix sind und Dinge, die jetzt deutsche Autos nicht haben. Also und so sieht die Zukunft aus. Also ja, du hast recht, das war so, das ist auch teilweise noch so. Aber das ändert sich sehr, sehr, sehr schnell und sehr stark. Vielleicht auch nochmal ganz kurz ein Ausflug zum Thema Asien. Ich bin ja vor elf Jahren nach Asien genau dafür, dass ich quasi gute Entwickler, hungrige Leute finde für den deutschen und den amerikanischen Markt. Heute hat sich das eigentlich gedreht. Ich spreche heute mit ganz vielen Unternehmern, die sagen, du bist jetzt schon so lange da, können wir über Marktzugang reden? Ich würde gerne meine Produkte jetzt dort verkaufen. Ich kenne in unserer Bubble Menschen, die du wahrscheinlich auch kennst, die auf einmal in Japan, in China, in Vietnam verkaufen und damit gar nicht gerechnet haben. Und zwar zu ganz normalen Preisen, jetzt nicht günstig. Das ist eine völlig andere Entwicklung auf einmal. Also wir auch als NFQ, natürlich ist der deutsche Markt für uns weiterhin wichtig, aber die Wachstum sehen wir in Asien und hier in GCC, Golfstaaten. Also ich komme gerade aus Riyadh, wir haben einen Vertriebsmitarbeiter oder wir nennen das Entrepreneur in Residenz eingestellt, also den ersten Mitarbeiter, der es jetzt aufbaut und ich war komplett geflasht von Saudi-Arabien, aber komplett. Also so diese alte Wüste, diese alten Gebäude, gleichzeitig diese unfassbare Moderne, also unfassbare. Also ich war jetzt gerade da, in Riyadh war gerade die eSport World Championship. Das war 6 Milliarden Dollar investieren nur in eSports. Und die World Championship 60 Millionen Dollar Preisgeld. FIFA World Cup sind 400 Millionen Euro. Das ist nochmal ein Unterschied, aber das geht ja jetzt erst los. Und wir sind jetzt schon bei 60 Millionen.

Joel Kaczmarek: Ich meine, die ziehen ja da ihre Golfliga hoch und kaufen ja die ganzen Fußballer da ein und so. Findest du sowas nicht manchmal auch schwierig in den Ländern, in denen du unterwegs bist? Dass man ja auch oft sagt, also es stecken ja nicht selten Diktaturen dahinter. Das Geld kommt aus irgendwie schmutzigem Erdöl, also Planetenverunreinigung und so weiter. Dann hast du so Frauen-versus-Männer-Rechte. Dann hast du irgendwie, wird mit Geringverdienerangestellten umgegangen. Also es gibt ja in den Nationen, in denen du dich bewegst, durchaus auch Dinge, die man jetzt, sage ich mal, als deutsch-sozialisierter Demokrat vielleicht ein bisschen schmerzhaft findet, um es mal harmlos auszudrücken.

Lars Jankowfsky: Ja, das hast du jetzt schön gesagt. Das ist natürlich so. Das sind keine Demokratien. Das muss man ganz klar verstehen. Und ich bin Gast hier und so muss ich mich dann auch benehmen und das muss ich akzeptieren. Ich wäre nicht nach Saudi-Arabien vor drei Jahren gegangen, als die noch nicht offen war. Die haben ja erst vor kurz, also circa vor drei Jahren angefangen, ihr Land komplett umzubauen. Die Frauen fahren Autos, laufen rum, wie sie wollen, wählen. Also all diese Dinge, die wir ja im Kopf haben, sind ja schon geändert oder werden gerade noch ändern. Die diskutieren gerade, dass es Alkohol geben soll. Es gibt wohl schon einen offiziellen Alkoholstore nur für Diplomaten, aber es ist jetzt angedacht, dass das dann in Hotels auch kommt. Also peu à peu ändert sich da ganz viel. Und ich glaube, dass es ein bisschen vermessen ist zu sagen, nur unsere deutsche Demokratie ist das richtige Mittel für alle Menschen auf diesem Planeten. Dem ist sicher nicht so. Und B, es ist auch so, wenn ein Land auf dem richtigen Weg ist, dann ist natürlich mit diesem Land Business zu machen auch ein Stück weit. nicht nur Anerkennung, sondern auch Hilfestellung. Mach bitte weiter so. Ich würde jetzt auch nicht nach Nordkorea gehen zum Beispiel und dort Geschäfte machen, egal wie lukrativ das wäre. Das sind einfach meine moralischen Werte. Aber wenn ein Land halt sagt, okay, wir sind auf dem richtigen Weg, wir ändern das jetzt, dann ist es gut. Und aus meiner Sicht muss es keine Demokratie sein. Kann sich ja jeder im Prinzip raussuchen. Ich bin Gast und weder Saudi noch Vietnam noch Thailand sind Demokratien.

Joel Kaczmarek: Apropos Gast, wie bist du aufgenommen worden in den Umfeldern, in denen du dich da bewegst? Also wurdest du da, sag ich mal, freudig aufgenommen? Ist es tolerant? Ist es auch so, dass man dir Türen öffnet? Oder hast du umgekehrt eher auch mit Ressentiments zu tun gehabt? Musstest du Widerstände überwinden? Wie ist das so als Deutscher in Asien?

Lars Jankowfsky: Ja, natürlich ist es nicht ganz einfach. Es gibt ja das Bild von dem deutschen Rentner, der jetzt nach Asien geht, um ein günstiges Leben zu haben mit hübschen Mädels oder so. Und die existieren sicherlich. Und es gibt auch viele Aussteiger, sagen wir mal, denen es finanziell nicht so gut geht. Die versuchen so ein leichtes Leben zu haben oder sich irgendwie so durchzuwurschteln. Da ist auch übrigens nichts Schlechtes daran. Aber wenn du jetzt da hingehst, um ernsthaft Business zu machen, dann wissen die Menschen natürlich nicht, wie sie dich einzuordnen haben. Was bist du denn für jemand? Und einer der allerersten Fragen, wenn du in Asien lebst, die du immer gestellt bekommst, ist, wie lange bist du schon hier? Und wenn du halt sagst ein, zwei Jahre, nicken die Leute halt freundlich und denken sich, ja, jetzt warten wir mal noch ein paar Jahre, ob er es schafft. Und ich habe das ganz deutlich gespürt. Also ab so fünf Jahren und dann auch bei zehn Jahren eine ganz klare Änderung der Qualität der Kontakte. Aha, der ist seit zehn Jahren da. Gut, der ist ernst zu nehmen. Jetzt können wir mal miteinander sprechen und Geschäfte machen. Das ist nicht mal jemand, der hierher kommt, weil er eine gute Zeit haben will oder English Teacher. Also das typische Vorurteil. Die Leute, die aus den englischsprachigen Ländern kommen, die werden dann English Teacher.

Joel Kaczmarek: Jetzt hat sich ja dein Blick sehr gewandelt. Wie guckst du so auf Deutschland drauf? Also aus deiner jetzt asiatisch geprägten internationalen Weltenbürgerperspektive. Viele hier haben ja, glaube ich, so ein bisschen so den Kopf schüttelt. Du hast auch vorhin so ein bisschen, glaube ich, im Nebensatz gesagt, ja, die Drei-Tage-Woche. Am besten irgendwie auch nur halbtags und keine Ahnung. Also man sagt uns ja so ein bisschen nach satt zu sein und nicht mehr so ehrgeizig und unsere Tugenden verloren zu haben. Zum Beispiel.

Lars Jankowfsky: Also ich bin jetzt niemand, keiner derjenigen, die nur über Deutschland meckern. Es gibt unglaublich viele Dinge, die gut sind in Deutschland. Das muss man mal ganz deutlich sagen. Und ich bin sehr, sehr, sehr dankbar, dass ich in Deutschland geboren bin, dass ich da eine Schulbildung haben konnte, die nichts kostet. Also fangen wir mal an mit Schule und Universität. Das kostet 20.000, 30.000 pro Jahr pro Kind, wenn du eine gute internationale Schule haben willst. Das musst du erst mal zahlen und das kriegst du umsonst in Deutschland. Das sind alles Dinge, die wir so für selbstverständlich ansehen, die sind unglaublich wichtig. Auf der Haben-Seite, auf der nicht so guten Seite ist natürlich, du hast recht, wir sind sehr stark mit uns selbst beschäftigt. Wir schauen ganz stark nach innen und wenig nach außen. Und was gerade passiert, ist, dass im Prinzip das Ausland, viele Länder einfach mal eben uns rechts überholen. Während wir diskutieren, drei Tage, Woche, uns echauffieren über Gendern oder was auch gerade ein Thema wichtig ist, wird eben nicht darüber gesprochen, was ist wirklich wichtig. Wo positionieren wir uns denn jetzt in Deutschland? Wer wollen wir denn sein? Wir profitieren ja immer noch ganz stark von unserer Positionierung. Also Deutschland, der Exportweltmeister, was wir ja nicht mehr sind, durch die Industrialisierung, wo wir uns ganz klar nach vorne gebracht haben, deutsche Qualität. Maschinenbau, Mittelstand, super Unternehmen da. Aber jetzt, wir befinden uns ja in der AI-Revolution, haben wir komplett verpasst. Wir haben ja schon die Digitalisierung, hängen wir ja schon hinten dran. Und bei der AI-Revolution, da sind wir ganz, ganz abgeschlagen. Das bedeutet, wenn du dir mal überlegst, dass in den nächsten zehn Jahren das die relevante Industrie sein wird und wir sind jetzt schon auf den hinterletzten Plätzen, da mache ich mir schon große Sorgen.

Joel Kaczmarek: Du als Techie, wie ordnest du das so ein? Wir wollen jetzt gar nicht mal über sagen, ist jetzt die Firma besser oder die, sondern eher mal so in Strömungen gedacht, also 10 Jahre in die Zukunft, 15 Jahre in die Zukunft oder vielleicht auch nur 5, mal zu sagen, was würdest du sagen, Status Quo, was bedeutet das für eine Gesellschaft, was wird sich ändern, hast du da so Hypothesen zu?

Lars Jankowfsky: Naja, jede Menge. Also die Zahlen sind ja eindeutig. Alle Statistiken, alle großen Consultancies haben ja Umfragen gemacht, haben alle ihre Prognosen rausgegeben und der Mittelwert ist ja ungefähr bei 30 Prozent aller Jobs werden ersetzt durch AI. Das ist ja jetzt übrigens auch spannend. Wir haben ja immer Angst gehabt, in der industriellen Revolution haben die Leute immer Angst gehabt, sozusagen wegrationalisiert zu werden. Und deswegen wurden die White-Collar-Worker, heute werden ja die White-Collar-Worker wegrationalisiert. Also die Anwälte, Bankmitarbeiter, also denen geht es auf einmal an den Kragen. Der Bauer auf dem Land der wird immer noch gebraucht. Oder der Fliesenleger. Das muss man deutlich sagen. Also genau das Gegenteil von dem, wofür wir vor 20 Jahren Angst haben, ist jetzt eingetreten. Und 30 Prozent aller, da gibt es ja gar keine Lösung für. Und das ist ja nur der Stand heute. Wenn du dir jetzt mal anschaust, du kennst sicher Figure AI, dieses Roboter-Startup. Ich weiß nicht, ob du dir dieses Video mal angesehen hast. Also quasi Roboter-Startups, bei denen auch die ganzen Großen, insbesondere der Jeff Bezos und so weiter, investiert haben, die quasi Roboter bauen. Da gibt es unfassbar beeindruckende Videos, Live-Videos, wie die heute schon funktionieren. Und wenn du dir das anschaust, dann weißt du ganz deutlich, dass wir jetzt bei den 30 Prozent über die White-Collar-Worker reden, aber in 10, 15 Jahren tun diese Roboter auch Bedienungen im Lokal, manuellen Job, Altenpflege, was immer du dir denken kannst, wird durch diese Roboter ersetzt. Dann haben wir nicht mehr 30, sondern vielleicht 50 Prozent aller Menschen, die keine Arbeit mehr haben. Und das Riesenproblem, was wir jetzt gerade haben, ist, dass in unserer Gesellschaft Wert mit Geld gleichgesetzt wird. Du bist ja nur etwas wert, wenn du auch erfolgreich in deinem Job bist, Geld nach Hause bringst. Und je mehr Geld du nach Hause bringst, desto mehr wert bist du. Das war nicht immer so. Im alten Griechenland, die Philosophen, die Sokrates und so weiter, das waren relativ arme Kirchenmäuse. Die waren aber hoch angesehen, weil sie einen kulturellen Wert geschaffen haben. Aber heute, wenn du sagst, ich bin Bildhauer, kannst du ja mal versuchen, eine Frau zu daten. Also wenn du nicht irgendwie deine Werke für viele tausend Euro verkaufen darfst. Good luck. Das ist eine ganz brotlose Kunst. Und wenn du das jetzt mal im Kopf hast und dann denkst, ja 50 Prozent und es ist eigentlich egal, ob wir dann über bedingungsloses Grundeinkommen oder Harz oder was es auch immer an Lösungen gibt, nachdenken. Wenn diese Menschen quasi nicht gewertschätzt werden von der Gesellschaft, dann hast du Mistgabeln und den Mob auf der Straße. Das ist unweigerlich, wird das kommen. Weil das ist ja ein Grundbedürfnis eines Menschen, dass du als Mensch respektierst und wahrgenommen wirst. Und ich respektiere eine Putzfrau genauso wie einen Vorstandsvorsitzenden als Mensch. Insbesondere, wenn die einen guten Job macht und das gerne macht. Und wir müssen umdenken und wir müssen weg von diesem Denken, dass wir sagen, Geld ist gleich Anerkennung, ist gleich Wert.

Joel Kaczmarek: Was glaubst du denn, was noch was wert ist dann eigentlich in der Zukunft? Weil darum geht es ja, ich habe auch drüber nachgedacht, weil selbst wenn du jetzt Kultur schaffst oder Wissenschaft, ja, also irgendwas, wo so ein ingeniöser Moment drin ist, wo du dir was erdenkst, weil ich würde ja sagen, KI ist ja vor allem sehr gut da drin, sag ich mal, auf Trainingsdaten Sachen nachzubauen, nachzuentwickeln, also, aber nevertheless, also auch die Kunst, die da entsteht, der Laie, würde ich mal sagen, so ein Bild aus Midjourney fasziniert den genauso, wie wenn das irgendwie ein Künstler drei Wochen lang designt hat, also da stellt man sich ja diese Frage, was ist eigentlich noch was wert? dann, ja?

Lars Jankowfsky: Im Falle der Kunst, da haben wir relativ wenig Innovationen, das ist natürlich alles Kopie, das ist seelenlos. Und ich glaube, das ist das, was wir wieder wertschätzen müssen, unsere menschliche Seele zu sagen, pass auf, ich denke mir da was aus und da hat noch niemand drüber nachgedacht. Das hat jetzt gar nicht unbedingt was mit Innovationen zu tun, aber richtig großartige Kunst ist ja genau das. Und das ist dann ganz egal, ob du Schriftsteller bist oder sonst was. Und das ist, sagen wir mal, wenn ich jetzt so einen Groschenroman nehme, das kann man durch AI auch wunderbar weiterschreiben lassen. Da brauche ich keine Autoren mehr, aber einen ernsthaften Autor. Philosophen, das geht halt nicht. Andersrum übrigens, ich habe mich gestern mit jemandem unterhalten, ich habe gestern jemanden kennengelernt, der hat ein Startup, der hat ein autistisches Kind, der hat ein Startup gebaut, mit dem er Leuten mit Lernbehinderung Zugang zu schwierigen Texten geben will. Das heißt, die nehmen Weltliteratur, sowas wie Nietzsche, die ganzen Denker und Dichter dieser Welt und nehmen dann mit Hilfe von AI und natürlich manueller Arbeit, nehmen diese Werke und machen die in leicht verständliche Sprache, sodass auch Menschen, die etwas eingeschränkt sind, das verstehen können. Wovon reden die da und warum? Finde ich super. Also dann AI für sowas zu nehmen.

Joel Kaczmarek: Aber trotzdem, was ist so deine Vision in fünf Jahren? Also Heugabeln und Fackeln auf der Straße, lerne ich jetzt.

Lars Jankowfsky: Ich glaube nicht in fünf Jahre, aber die Tendenz ist ja klar. Wir müssen jetzt hier nicht auf die Wahlergebnisse in Thüringen eingehen, aber es ist ja deutlich und niemand von den etablierten Parteien nimmt das ernst. Du musst dir mal überlegen, wenn du sagst, die Leute sind Wir müssen denen nur unsere Politik besser erklären. Dann ist das ja nichts anderes, wie ich sage, du bist zu dumm, zu kapieren, dass das, was ich mache, gut für dich ist. Und das will doch niemand hören. Also ich will jetzt gar nicht über Inhalte reden, aber die Kommunikation, die wir den Menschen, also die Politik den Menschen dort andient, ist unter aller Würde. Und natürlich wählen die dann jemand anders. Dann reicht es halt nicht zu sagen, wir müssen die Menschen ernst nehmen und dann machst du halt so weiter wie vorher. Das funktioniert nicht. Wir haben so ein bisschen den Blick für das Wesentliche verloren. Und das ist natürlich sehr viel einfacher populistisch, sich jetzt darüber aufzuregen, dass jetzt gegendert werden muss oder das, was weiß ich, zum Thema LGBT oder sonst was. Da kann man sich ja wahnsinnig drüber aufreden. Und das sind auch schwierige Themen. Das muss man mal deutlich sagen. Aber Das sind alles nur Nebelkerzen. Das sind alles Themen, die gar nicht wirklich wichtig sind für uns und für die Zukunft unserer Kinder. Und ich finde das wirklich schwierig.

Joel Kaczmarek: Glaubst du, dass es ein Demokratie Phänomen ist?

Lars Jankowfsky: Ja, natürlich auch. Also Politiker denken natürlich immer nur in ihren Wahlzyklen. Vier Jahre und dann will ich wieder gewählt werden. Wenn du da aber gegen ein Land stehst wie China, die eine 100 Jahre Plan machen und sagen in den nächsten 100 Jahren Machen wir jetzt das, also hier Thema Seidenstraße, neue Seidenstraße und so weiter, solche Themen. Und die dann ganz klar durchgezogen werden über Jahrzehnte, da haben wir doch keine Chance. Also wir müssen uns doch committen als Deutschland auf gewisse Grundziele und Werte sagen. Das machen wir. Und das dann egal, wer an der Regierung ist, das wird weitergeführt.

Joel Kaczmarek: Eine Frage habe ich noch an dich, Lars. Wann sollte ich eher sicherheitsorientiert denken und wann eher innovationsorientiert? Wann ist es okay, ein bisschen deutsch zu sein und wann ist es okay, ein bisschen asiatisch zu denken? Weißt du, was ich meine? So, was ist so vielleicht abschließend so dein Blick da drauf?

Lars Jankowfsky: Du, das ist auch gar nicht asiatisch. Ich war ja länger in den USA, da habe ich viel gelernt. In Zeiten einer Krise ist es wichtig, mutig zu sein, nach vorne zu gehen. Und wir haben ja gerade, um jetzt mal ein bisschen auf die digitale Welt zurückzukommen, wir haben Rezession, wir haben AI, wir haben eine Krise. Und was passiert gerade ist, dass Leute nicht investieren wollen in vielen Bereichen, weil es Unsicherheit gibt, weil sie nicht genau wissen, was passiert, dann machen sie erstmal nichts. Als Covid kam, die ganzen Autovermieter pleite gegangen sind, hatte ich einen Kunden gewonnen aus den USA, der gesagt hat, ich baue jetzt eine Autovermietung. Da habe ich gesagt, Moment mal, hast du einen Dachschaden? Herz hat gerade Chapter 11 angemeldet. Ja, sagt er, genau das ist jetzt der Zeitpunkt, eine neue Autovermietung zu machen. So denken Menschen, die nach vorne gehen. Während wir sagen, die sind doch gerade pleite gegangen, machen wir auf gar keinen Fall. Das ist ja keine gute Idee. Also um dir eine Frage zu beantworten, antizyklisch. Also wenn alle anderen nach unten gehen, das ist dann der Moment, wo du investierst. Wenn alle anderen investieren und sagen, super, da wäre ich dann vorsichtig. Also antizyklisch denken, nach vorne gehen, Chancen nutzen, nicht unbedingt mit der Masse gehen. Also FOMO ist ja hier, Fear of Missing Out, ist ja ein riesiges Thema, dem wir alle unterliegen, ich auch. Der ist so scheiße. Jetzt bin ich zu spät dran. Sind ja schon alle da. Ist nicht so. Mach einfach dein Ding. Ich will nicht sagen, in Deutschland ist alles schlecht. Ist auch ganz sicher nicht alles super in diesen ganzen anderen Ländern. Am Schluss sind aber doch alle Menschen gleich. Wir wollen alle das Gleiche. Jeder möchte irgendwie leben. Jeder möchte seine Familie ernähren. Vielleicht auch noch sich ein iPhone leisten können. einen sicheren Arbeitsplatz haben. Und das ist egal, wo du bist, ob du in Afrika bist, in Asien, in Deutschland, auf dem Dorf, in Thüringen oder in der Stadt, in Berlin. Das geht allen Menschen so. Und wenn man das mal versteht, dann versteht man, dass wir eigentlich alle verbunden sind und eigentlich alle das Gleiche wollen. Und das ist dann auch egal, was jetzt da für eine Regierungsform ist. Solange man sich benimmt, ganz salopp gesagt, kein Arschloch ist und anderen Menschen nicht sozusagen seine Meinung aufoktroyiert, sondern Menschen leben und leben lassen, dann ist das doch in Ordnung. Wenn ich in einem Land lebe, das nicht mein Geburtsland ist, dann bin ich der Gast und dann befolge ich die Regeln und respektiere die Menschen. Und du wirst von mir sicher nie irgendwie was Schlechtes hören über diese Länder. Wenn du mich jetzt zu dir nach Hause einladen würdest, sagen wir mal, wir sitzen da in deinem Wohnzimmer, da gehe ich doch auch nicht hin und sage, Joel, du hast dein Wohnzimmer komplett falsch eingerichtet. Das geht gar nicht. Dann sagst du, du hast Sonntagsschaden. Raus mit dir. Aber wir Deutschen machen genau das. Wir gehen in andere Länder und sagen denen, ihr macht alles falsch. Nur so wie wir das jetzt machen, ist das richtig. Das ist nicht angemessen.

Joel Kaczmarek: Lieber Lars, es hat mir sehr viel Spaß gemacht, da mit dir mal den Blick zu weiten und endlich mal das überfällige Gespräch mit dir zu führen. Vielleicht sollten wir das mal öfters tun.

Lars Jankowfsky: Sehr gerne. Ja, wirklich gerne. Vielleicht auch mal ein bisschen mehr über die digitale Welt. Wir sind heute doch sehr viel abgedriftet in ein bisschen politische und soziale Themen. Das ist aber auch ein ganz wichtiges Thema, was mich beschäftigt. Und was mir am Herzen liegt, weil mir Deutschland sehr, sehr am Herzen liegt und wir müssen was ändern.

Joel Kaczmarek: Schönes Schlusswort. In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal.

Lars Jankowfsky: Joel, ich danke dir.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Unternehmertum: Denn getreu dem digital kompakt Motto "Lerne von den Besten" trifft sich Joel in freudiger Regelmäßigkeit mit den erfolgreichsten Unternehmer:innen aus der Startup- und Digitalwirtschaft. Egal ob Scale-up, Soonicorn, Unicorn oder erfolgreicher Mittelständler – in unseren Episoden zu Unternehmertum lassen dich die Besten hinter ihre Kulissen blicken und nehmen dich mit auf eine Reise zur Strategie, Entstehung und Entwicklung ihrer Firmen.