Kunsthandel 🖼️: Kunst kaufen und verkaufen

26. Juli 2023, mit Joël Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek, ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt. und wenn der liebe Gero Decker da ist, dann reden wir normalerweise über Sales. Und ich sage normalerweise, weil heute reden wir über was ganz anderes, nämlich Gero hat sich in ein neues Hobbyprojekt reingenerdet, was ich für interessant auch für andere halte. und deswegen sprechen wir heute darüber, wie man eigentlich mit Kunst Geld verdienen kann. Also dem Kaufen und Verkaufen von Kunst, aber natürlich auch dem Machen von Kunst. Und Gero hat da aus eigenem Interesse anscheinend zugefunden, oder Gero? dazu.

Gero Decker: Ja, aber gar nicht aus dem Interesse heraus, damit Geld zu verdienen. Joel, du mündst das schon wieder, hier reduzierst das auf den kommerziellen Aspekt. Ich wollte einfach nur eine Wand füllen mit einem spannenden Gemälde und so fing alles an.

Joel Kaczmarek: Ja, mega. Und wie bist du dann eingestartet?

Gero Decker: Also ich habe einen Schulfreund und der ist begnadeter Maler. Hat sich aber entschieden, Unternehmensberater zu werden. Turbokapitalist sozusagen. Malt aber die Wochenenden durch und bei Corona noch so mehr. Und es ist ganz spannend, weil er mich eingeführt hat in diese ganze Welt, die ja mehrere Seiten hat. Die eine Seite ist Kunst zu produzieren, Kunst zu machen, spannende Kunst zu schaffen. Und auf der anderen Seite gibt es einen Markt dahinter, Leute, die sich dafür interessieren, die das handeln und wo womöglich irre Summen bezahlt werden. Und da so diese ganzen Mechanismen zu verstehen, da bin ich halt Ingenieur und will das sozusagen in die Einzelteile zerlegen und gucken, wie funktioniert das eigentlich alles.

Joel Kaczmarek: Wie heißt dein Freund?

Gero Decker: Frank Pietras.

Joel Kaczmarek: Ist das nicht der, der mal zu dir gesagt hat, Gero, gute Kunst muss wehtun?

Gero Decker: Das hat er auch mal gesagt, genau.

Joel Kaczmarek: Ja, cool. Okay, verstehe. Mal so Big Picture. Kann man mit Kunst denn Geld verdienen als Künstlerin oder auch als Käuferin?

Gero Decker: Also als Künstler kann man das, aber das machen nur ganz, ganz wenige. Wenn man sich anguckt, wie viele ... Studenten Kunst studieren, wie viele Leute Kunst produzieren und was kommt dann als Durchschnittsgehalt dahinter heraus? Ich habe so Statistiken gehört, dass der durchschnittliche Künstler in Berlin so roundabout 10.000 Euro im Jahr verdient mit der Kunst. Dann zeigt das, dass es einen ganz, ganz langen Longtail gibt an Leuten, die dort nichts oder nur sehr wenig verdienen. und dann gibt es sehr, sehr wenige, die zu ihren Lebzeiten genügend Bekanntheit haben, genügend Erfolg haben, um damit auch signifikant Geld zu verdienen.

Joel Kaczmarek: Also es ist ein bisschen wie bei so Buchautoren, wo ich mal gelernt habe, wenn du irgendwie Frank Schätzing bist oder Charlotte Link, dann machst du damit Geld. Also wahrscheinlich so 20 bis 100 Leute in Deutschland und alle anderen, da ist es eher so Zubrot.

Gero Decker: Ja, Hobby, Bestimmung, wie man es auch immer sieht.

Joel Kaczmarek: Krass. Und was sind so die Determinanten? Weil wenn ich anfange, mich damit zu beschäftigen, wird ja die erste Frage sein, warum ist Künstler B durch die Decke gegangen und Künstlerin A aber nicht oder weiß was?

Gero Decker: Ja und das Faszinierende ist ja, ich gucke, also nehmen wir jetzt mal Gemälde, ja, ich gucke da drauf. Und da sehe ich einen Strich drauf oder einen Kreis oder was auch immer oder wie ein in Kinderstil gekrakeltes Bild von irgendwelchen Fantasiefiguren. Und das eine Bild ist Millionen Euro wert und das nächste ist ein Ladenhüter für 500 Euro. Die Diskrepanz könnte ja größer nicht sein. Aber was man dort verstehen muss in der Kunstwelt ist, bei der Frage, was ist denn jetzt bedeutend und was ist denn jetzt nachgefragt, ist das eine ganz große Konsensbildung, die über Jahre entsteht. Wo Leute sagen, boah, der ist spannend oder die ist spannend, die stelle ich mal aus, die nehme ich in meine Galerie auf. Es gibt mehr Leute, die das finden. Leute gucken da drauf, die kommen in Museen an oder an anderen Stellen. Und über die Jahre bildet sich dann eine Reputation. Und diese Reputation entwickelt sich auch nicht für ein Einzelbild. Das ist ganz spannend. Ganz selten nur gibt es so das eine Bild, was irgendwie ganz toll und besonders und hoch gelobt ist. Sondern man redet typischerweise über das Werk, über das Oeuvre. Ja, es werden immer fancy Begriffe benutzt. Das Oeuvre heißt eigentlich nur die Grundgesamtheit all dessen, was ein Künstler über sein Leben schafft. Man geht davon aus, dass das alles miteinander verbunden ist, dass alles aufeinander aufbaut, dass alles ein Entwicklungspfad ist. Und dieses Lebenswerk, das sich entweder noch fortschreitet, wenn ich lebender Künstler bin, oder was halt abgeschlossen ist, wenn ich schon gestorben bin, das ist das, worauf es ankommt. Und die Frage ist, ist dieses Lebenswerk spannend oder halt auch nicht.

Joel Kaczmarek: Und wenn wir mal über... Typen von Kunst reden, ich würde jetzt in das Pricing oder in den Wert reintauchen, ist das in allen Bereichen gleich? Also macht es einen Unterschied, ob ich ein Gemälde kaufe, eine Skulptur, eine Fotografie, einen Print oder, oder, oder?

Gero Decker: Also es gibt da Natürlich Sachen, die verkaufen sich leichter, einfach weil sie, also zum Beispiel Gemälde, die kann ich an die Wand hängen, die kann ich einfach transportieren und passen überall hin. Gegeben, die sind jetzt weniger als vier Meter hoch, dann wird es schon wieder schwierig, weil sie dann nicht mehr ins Wohnzimmer passen. Aber solche Sachen verkaufen sich halt tendenziell besser. Deswegen, wenn man zum Beispiel in Kunstauktionen guckt, dann sind dort zu 80 Prozent Gemälde oder gemäldeartige Sachen, die man sich halt an die Wand hängt und dann halt Skulpturen oder Installationen zu wesentlich kleineren Teil. Wenn ich mir Kunstausstellungen angucke, also wenn ich auf die Venedig Biennale oder was es dort an noch sonstige Ausstellungen geht oder Ausstellungen in Museen, dann sieht man relativ wenig Bilder. die dort an der Wand hängen. Und das meiste sind irgendwelche Installationen, womöglich noch mit Video und Sound. Und die gehen durchs ganze Gebäude und noch übers Gebäude hinaus. Das sind natürlich dann Dinge, die völlig impraktikabel sind, dass man sich die ins eigene Wohnzimmer holt. Und dementsprechend wenig werden die dann auch gehandelt. Und da ist man dann manchmal überrascht, dass es wahnsinnig bekannte Künstler mit wahnsinnig bekannten Kunstwerken gibt, die dann aber für einen sehr moderaten Preis zu haben sind.

Joel Kaczmarek: Jetzt mal frech um die Ecke gefragt. Im Hip-Hop gab es ja immer diese Tricks, damit die in die Charts kamen, haben die immer Boxen verkauft, weil dann ist der Gesamtaußenpreis relativ hoch, das heißt, die haben für 50 oder 100 Euro so eine Box verkauft, da war ein Hoodie drin und noch ein Poster und dies und das und jenes und damit haben sie sich für die Charts quasi einen hohen Außenpreis gesichert. Kann ich jetzt als Künstlerin zum Beispiel auch sagen, naja, ich mache irgendwie eine sehr intelligente Ausstellung in Form von einer Installation in einem tollen Museum, ich hebe dadurch meine Reputation an und ich verdiene zwar nicht mit diesem Kunstwerk Geld, aber alle meine anderen Werke werden sozusagen weil ich ja quasi meine Sichtbarkeit erhöhe.

Gero Decker: Das versucht ja jeder. Also jeder Künstler, jede Künstlerin, die hat das Ziel, in Museen, in den großen Kunstausstellungen gefeatured zu werden. Aber die wenigsten schaffen das ja. Guckt man sich an, wie viele Hunderttausende von Künstlern es gibt und davon werden dann halt nur zwei oder drei oder vier ausgewählt, die dann dort ausstellen dürfen. Deswegen, dieser Mechanismus ist natürlich bekannt. dass man dort rein will. Aber es gibt natürlich alle möglichen Gatekeeper-Entscheider auf dem Weg. Und das ist halt auch nicht nur eine singuläre Entscheidung, wo über Nacht sozusagen ein völlig unerkannter, unentdeckter Künstler, unentdeckte Künstlerin sozusagen jetzt vom MoMA entdeckt wird und das MoMA macht jetzt eine Einzelausstellung für diesen Künstler. Das passiert einfach nicht. Sondern es ist etwas, was sich über die Zeit entwickelt, wo es Referenzpunkte gibt und wo sich halt was aufbauen muss. Es gibt wenige Ausnahmen. Eine ganz verrückte verrückte Ausnahme war, als diese ganze NFT-Geschichte hochgekommen ist. Vielleicht hat es der eine oder andere gehört, da gab es eine Auktion von einem Künstler, Beeple, eigentlich, ich glaube, Grafikdesigner oder so, wenn ich es richtig gesehen habe. Und der hat sich vorgenommen, irgendwie jeden Tag irgendwas zu machen. Und der hat diese Sammlung halt bei Christie's bei einem Auktionshaus verkauft, ich glaube für 60 Millionen oder sowas, für ein crazy amount. Und der war halt vorher als Künstler eigentlich unterferner liefen, ja, unbekannt. Aber dadurch, dass er halt da was Spannendes in dieser Kryptoszene gemacht hat, der ist übernommen, bekannt geworden und hat Riesenpreise erzeugt, aber das ist wirklich die 0,00001% Ausnahme.

Joel Kaczmarek: Und wenn ich jetzt erfolgreicher Künstler werden möchte, was ist denn eher der Hebel, dass ich viele Kunstwerke verkaufe über Galerien, über Händler oder dass ich oft ausgestellt bin?

Gero Decker: Wie gesagt, ausstellen, dort kriege ich halt die Recognition dafür. Und wir können ja gleich nochmal über ein Scoring reden, weil man erfasst natürlich alles datenbasiert inzwischen. Das fasziniert mich natürlich auch als IT-Nerd. Wie kann ich diese Welt eigentlich vermessen und vergleichbar machen? Aber Ausstellungen sind halt das, was dir die Credits gibt und dich sozusagen als Künstler noch oben spült. Aber ich bin jetzt selber kein Künstler. Ich kann jetzt nicht sagen, wie einfach oder schwierig das ist. Ich habe nur gehört, dass zum Beispiel, wenn du Kunst studierst, Kunst produzierst, dass in den meisten Fällen dir gar nicht erzählt wird, du guck mal, ob du nicht ein Galerist eine Galle... die dich ausstellt. oder guck mal hier, sprich mal mit denen, mach dich mal dort bekannt, dass du anfängst auszustellen. Und viele Leute wahrscheinlich hoffen, irgendwie das passiert so alleine. oder dieses marktschreierische will ich gar nicht, ich will mich nicht selber vermarkten. Das ändert sich jetzt gerade so ein bisschen mit Instagram. Also fast jeden Künstler, der momentan produziert, den findet man auf Instagram. Aber auch dort, ich meine, wir kennen das alle, wie Social Media funktioniert. Nicht automatisch, nur weil ich ein Instagram-Account habe, wo ich irgendwie ein paar Bildchen hochlade, wäre ich auf einmal Insta-famous. Das ist dann auch nur ganz wenigen vorbehalten.

Joel Kaczmarek: Ja, ich wollte dich gerade fragen, macht Prominenz was aus? Udo Lindenberg ist irgendwie ein entfernter Bekannter von mir und ich habe dann mal aufgeschnappt, dass er teilweise mit seinen Kunstbildern mittlerweile mehr verdient als mit seiner Musik, weil ich echt baff war. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber hilft sowas, wenn ich jetzt irgendwie sehr bekannt bin oder auf Instagram viel Reichweite habe, dass ich dann ein teurerer Künstler oder Künstlerin bin?

Gero Decker: Ja, also es gibt ja alle möglichen, die anfangen sozusagen, wenn eine Karriere so ein bisschen abäppt, in der Kunst sozusagen weiterzumachen. Ist nicht sogar Brad Pitt unter die Künstler gegangen? und eine ganze Reihe von Faktencheck hinterher. Aber viele, viele Leute haben diesen Weg beschritten. Klar, du bist halt eine Brand. Was spannend ist, es kommt immer noch auf Einzelpersonen an. Als Unternehmer interessiert mich das natürlich. Bei uns sind Brands immer Firmen. Und hinter der Firma, da steht eine Organisation und da stehen zum Teil Hunderte oder Tausende von Mitarbeitern. Und wenn einer geht oder kommt, dann ist die Brand immer noch da und unberührt. Bei Kunst ist das anders. Man redet über die Namen der Leute. Es gibt auch Künstlerkollektive, wo Leute zusammenarbeiten, aber meistens sind es Einzelpersonen, sozusagen der geniale Künstler, die geniale Künstlerin, die irgendwie ein spannendes Leben führt und das, was man dort erlebt, in Kunst übersetzt. Und insofern hilft es natürlich, wenn ich aus anderer Stelle diese Brand befeuern kann und schon mitnehmen kann, weil die Leute dann automatisch eher gucken, aha, was macht der denn? Oder Otto Waalkes oder wer auch immer. Ja, da guckt man sich an, oh, der hat da die Ottifanten selber gemalt. Ja, das hänge ich mir jetzt an.

Joel Kaczmarek: Und kannst du mir nochmal ein Gefühl geben, ist das jetzt ein bisschen wie in einer Börse, wenn jetzt jemand irgendwie viele Fans hat, viel gekauft wird und viel in Ausstellung ist, dass er dann besonders hoch rangiert? oder hat das gar nichts unbedingt damit zu tun, der reine Abverkauf mit dem Wert der Person?

Gero Decker: Also es gibt zwei Dinge, die man unterscheiden muss. Einmal gibt es den kommerziellen Erfolg, dort muss man dann wieder unterscheiden. Wie viel des kommerziellen Erfolges landet eigentlich beim Künstler und wie viel des kommerziellen Erfolges landet eigentlich im Sekundärmarkt? Da können wir ja gleich nochmal drüber sprechen, wie sich das alles gestaltet. Also auf der einen Seite kommerzieller Erfolg und auf der anderen Seite quasi diese Cultural Recognition. Wie werde ich gehandelt? Jetzt nicht monetär, sondern ... wie wichtig werde ich erachtet und das, was ich tue. Und da gibt es zum Teil Künstler, denen ist das völlig egal oder womöglich sogar zuwider kommerziell erfolgreich zu sein oder dort Dinge verkaufen zu müssen und hauptsächlich darauf optimieren, sozusagen Cultural Recognition zu haben. Aber jeder muss natürlich so sein Apartment finanzieren und die Brötchen kaufen und womöglich die Kinder mit Schulsachen ausstatten. Und so ein bisschen Geld will man dann doch verdienen. Und wenn ich die Bilder teurer verkaufen kann, dann ... Macht man das meistens auch, weil es einem dann wahrscheinlich auch besser geht.

Joel Kaczmarek: Und gibt es denn eine Korrelation oder sogar Kausalität zwischen Cultural Recognition und kommerziellem Erfolg? oder ist das entkoppelt voneinander?

Gero Decker: Also es gibt definitiv eine Korrelation, aber es gibt auch erstaunliche Beispiele, wo das nicht der Fall ist. Also Beispiel, einer der allgemein wahrgenommen als einer der Top-Künstler weltweit ist, der letzten Jahres Andy Warhol. Jeder kennt ihn von den Marilyn-Bildern oder den Dokumentationen, die über ihn gedreht wurden und so weiter. Wenn man seine Bilder kauft, dann vor allen Dingen die Originale, die kosten halt gerne Millionen. Und die sehen auch toll aus und die kann man sich schön an die Wand hängen und die sind manchmal auch sehr bunt und so. Ist auch schön anzuschauen. Und da trifft sich halt Cultural Recognition. Er hat halt Wege beschritten. Kunstwerke geschaffen, die halt Leute interessieren, die gezeigt werden, die durch die Museen gehen und so weiter. Und gleichzeitig sagen die Leute, boah, das würde ich auch gerne selber besitzen und davon, was bei mir an der Wand hängen haben und dafür bin ich auch bereit, signifikant Geld auszugeben. So mal so. ein Gegenstück dazu, es gibt aus Deutschland den erfolgreichsten Künstler der letzten Jahre, sozusagen von der Cultural Recognition her, ist Josef Beuys. Wenn man seine Kunstwerke anguckt, die sehen meistens nicht schön aus. Da ist irgendwie ein Schlitten und da ist irgendwie ein Filz drauf gespannt und eine Taschenlampe, so that's it. Oder da ist irgendwie ein Stuhl und da sind irgendwie 20 Kilo Butter drauf geschmiert. Das stellt man sich halt nicht so sehr gerne ins Wohnzimmer. Und diese Werke, wenn man ins Museum geht, dann sieht man die alle und er hat Generationen von Künstlern total beeinflusst und hat einen riesen Beitrag geleistet. Bei ihm fehlt halt so dieses dekorative Schöne und deswegen kostet es auch einfach nicht so viel. Und auf einmal hast du dann einen Künstler, der top of the world ist. Aber wo man gar nicht so tief in die Tasche greifen muss, um was von ihm zu kaufen.

Joel Kaczmarek: Und wenn man jetzt Kunst nochmal betrachtet wie so eine Anlageklasse an der Börse, gibt es da so eine Art Hierarchie, dass Gemälde irgendwie die besten Preise erzielen, dann kommen Skulpturen, dann Fotografie. Wie ist es auch mit digitaler Kunst? oder ist es relativ gleich, es kommt eher auf den Künstler an?

Gero Decker: Also die höchsten Preise kommen meistens durch Gemälde, wenn man sich so die Auktionen anguckt. Fotografien rangieren da ganz, ganz, ganz, ganz weit dahinter. Also es ist selten, dass Fotografien irgendwie Millionenbeträge erzielen, aber auch Fotografien können bis in die Hunderttausende von Preisen mit reinreichen. Aber Gemälde, wie gesagt, die können in die Millionen, Zehn Millionen, Hunderte von Millionen gehen von den Preisen, die dafür Leute bezahlen. Vom Investmentansatz her oder der Preisentwicklung muss man sich das so vorstellen wie Startups. Ja, du hast halt Pre-Seed, Seed, Series A, Later Stage, IPO und dann 80 Jahre an der Börse DAX 30. So und da sind natürlich die, sozusagen die Volatilität ist eine andere, also oder die Frage, wie sicher ist es, dass ich das Ding überhaupt wieder später verkauft bekomme. Also wenn ich so einen Blue Chip habe, so heißt es auch in der Kunst, genau wie bei Aktien, genauso wie ich eine SAP oder Siemens Aktie in zehn Jahren immer noch einfach verkaufen können werde und wahrscheinlich zu einem sehr ähnlichen Preis wie heute, ist das bei Blue Chip Kunst genauso. Wenn ich natürlich das als sozusagen Wertentwicklungsding angucke, dann kann ich natürlich, wie wir wissen, Die größten Returns pro Investment kann ich mit einem Pre-Seed oder Seed-Investment machen. In der Digitalwelt gehe ich da als Business Angel rein. Bewertung 2 Millionen Euro für die Firma und dann hinterher ist es mit 20 Milliarden an der Börse. Und ich habe das 10.000-fache für mein Investment wieder zurückbekommen. Das kann dir auch passieren bei Kunst. Du entdeckst jemanden, der ist frisch, unerkannt, ist zum ersten, zweiten, dritten Mal in einer Galerie vertreten. Dort kaufe ich ein Kunstwerk für 1.000, 2.000 Euro. Und holler die Poller, 20 Jahre, 30 Jahre später wird es für Millionenbeträge gehandelt. Das kann einem passieren. Ist aber, wie gesagt, Super, super selten und noch viel seltener übrigens als bei Digital Startups. Also Digital Startup Seed Stage sind die sicherere Bank dagegen. Wie häufig habe ich schon Leute getroffen, die vor 40, 50 Jahren irgendwie scheinbar hochgelobte Kunstwerke erstanden haben in der Galerie bei ihnen um die Ecke. Und die gucken jetzt drauf und sagen, den Preis, den ich jetzt dafür erzielen würde, ist halt entweder genau das gleiche oder sogar nur die Hälfte davon, was ich damals vor 40 oder 50 Jahren bezahlt habe. Weil die meisten Künstler sich halt im Preis auch einfach nicht entwickeln und auf der Stelle treten. Und da hat man hoffentlich auch noch viel mehr Spaß an dem Kunstwerk als jetzt nur den Investmentaspekt.

Joel Kaczmarek: Wie sehr hängen denn eigentlich Wertentwicklung und Verknappung zusammen? Also wenn ich jetzt als Künstlerin irgendwie wenig Werke produziere, ist es dann automatisch so, dass ich dann wertvoller werde oder wenn Werke kaputt gehen etc. oder macht das gar nicht so sehr den Unterschied?

Gero Decker: Also das kann ich gar nicht genau sagen. Also viele der sehr, sehr bekannten und sehr, sehr kommerziell erfolgreichen Künstler haben ja wahnsinnig viel Kunst auch produziert, die zum Teil tausende oder zum Teil zehntausende von Werke in ihrem Leben geschaffen haben. Also so jemand wie ein Picasso, der hat ja Zeugs rausgehauen am laufenden Band. Also gefühlt ist da ja jeden Tag irgendwas bei ihm entstanden. Und das ein Leben lang. Da sind einfach unglaublich viele Werke da draußen. Aber weil die Brand, weil die Nachfrage nach Picasso halt so riesengroß ist, werden auch noch die kleinsten Teile noch gewissen Wert erzielt. Ich kenne mich nicht genau aus, wie kann ich jetzt sozusagen als Künstler das beeinflussen. Ich würde vermuten, zumindest nach den Gesprächen mit vielen Künstlern, die ich getroffen habe, ist das auch nicht der primäre Antriebsgrund, sondern der primäre Antriebsgrund ist die Frage, also kann ich gut davon leben, das sozusagen so als Baseline und danach ist es mir viel wichtiger, dass ich halt wahrgenommen werde mit der Kunst, die ich mache und dafür die Recognition bekomme, die ich erhoffe und ob dann mehr Werke helfen. Es gibt die, die sagen, ich will, dass meine Kunst möglichst von vielen gesehen wird und die machen dann Kollaborationen womöglich mit, hier Beispiel, letzte Woche ist live gegangen Ross, der bei dir auch schon im Podcast war, Kollaboration mit Adidas, ich glaube Schuhe oder Shirts oder was auch immer die zusammen gemacht haben und sogar den ersten Adidas NFT haben die glaube ich zusammen gemacht. Krass. wenn ich es richtig gesehen habe. Das hilft natürlich unglaublich, Reichweite zu generieren und gesehen zu werden. Oder gerade die Street-Art-Künstler, die halt Kunst auf der Straße in der Stadt machen. Der primäre Antrieb ist, dass möglichst viele Leute das sehen, was sie so produzieren. Dass da jeder jeden Tag vorbeigeht und sagt, boah, cool, das ist spannend oder es regt mich zum Denken an. Und auch Künstler, die explizit sagen, ich will nicht nur ... Originale in den Markt geben, also Dinge, von denen es nur genau eins gibt, sondern ich will, es nennt sich dann Edition, Multiples in den Markt geben, wovon es dann 100 oder 200 oder 500 gibt. Oder ich will sogar noch breitere Kollaborationen haben, wo es dann in die Tausenden geht und damit Socken bedruckt werden und so weiter. Einfach damit möglichst viele Leute das sehen.

Joel Kaczmarek: Lass uns doch den Teil auch nochmal ganz kurz vertiefen, bevor wir mal über das Scoring auch reden. Also du hast gerade schon von Editionen geredet. Was gibt es denn sonst noch? Also ich habe von dir gelernt, es gibt sowas wie Originale, Unikate, Editionen und Prints.

Gero Decker: Genau, Originale und Unikate ist das Gleiche. Also es ist ein Kunstwerk, davon gibt es genau nur eins auf der Welt. Gibt es typischerweise ein Zertifikat oder irgendwie so ein Echtheitsnachweis dahinter oder es gibt Stellen, die dir halt überprüfen können, dass das auch wirklich ein Original ist. Dann gibt es sogenannte Editionen. Meistens oder angefangen bei 20 Stück oder 50 Stück, 100 Stück, 200 Stück, wo genau das Gleiche sozusagen mehrfach gedruckt oder produziert wird, wie auch immer. Manchmal mindestens mal unterschrieben. Also dass der Künstler wenigstens noch Hand angelegt hat oder sogar noch einen Pinselstrich draufgesetzt hat oder was auch immer. Da noch was draufgeklebt hat, um zu sehen, dass es mehr ist als nur ein Poster. Beispiel das erste Kunstwerk, was ich selber gekauft habe vor vielen, vielen Jahren. Das war bei einer dieser Christo-Verhüllungen. Und da konntest du halt so ein Poster kaufen. Und auf dem Poster klebte dann halt so ein Stück Stoff von dem Material, das Christo da benutzt hat, um mal wieder irgendwas zu verpacken. Und da war halt eine Unterschrift von ihm drauf und davon gab es halt irgendwie, keine Ahnung, 5000 Stück oder so. Und das ist halt kein Unikat, sondern es gibt es halt 5000 Mal auf die gleiche Art und Weise, aber es ist immer noch limitiert. Und dann gibt es halt Prints, also man kann auch... Wenn man zum Beispiel Andy Warhol gerne mag, dann muss man einfach mal auf Google gehen und nach Andy Warhol suchen und das Marilyn-Bild oder was auch immer und wird sich denken, wait a minute, wieso kann ich das für 10, 15 Euro kaufen? Naja, weil das Bild halt einfach digital kopiert, auf den Drucker gelegt, von Leuten in Posterform halt rausgereicht. Wie das jetzt genau rechtlich funktioniert, I don't know. Aber ab einem gewissen Punkt kannst du das beliebig multiplizieren, beliebig vervielfältigen und dann hast du halt genau nur noch die Druckkosten, die dort anfallen.

Joel Kaczmarek: Wird eigentlich im Kunstbereich fleißig bestochen? Weil wenn jetzt irgendwie Galerieausstellungen was Wertvolles sind, vielleicht war man mal im Studium zusammen oder man bezahlt Geld oder du weißt, was ich meine. Da bist du ja eigentlich total machtvoll, wenn du Kurator oder Kuratorin bist.

Gero Decker: Also ich habe da zumindest noch keine dunklen Machenschaften mitbekommen. dass das irgendwie schamlos ausgenutzt wird oder zu Korruption führt. Der Galerist, wir können jetzt mal durchdeklinieren, wie funktioniert eigentlich diese Kette sozusagen von der Produktion bis es hängt bei mir an der Wand oder steht bei mir auf dem Boden oder im Garten oder wo auch immer. Also Künstler, Künstlerin produziert etwas, aus einem Erguss von Kreativität entsteht da etwas oder auch einfach nur aus einer Bierlaune heraus. Wie kommt das jetzt zum Sammler, zu der Person, die es an die Wand hängt oder zum Museum? Entweder der Künstler verkauft oder die Künstlerin verkauft es direkt. Das passiert heute tatsächlich häufiger als noch früher, weil man irgendwie eine Instagram-Page hat, weil man eine Homepage hat, wo man es bestellen kann und dann wird es zugeschickt. Was typischer ist, ist der Weg durch eine Galerie. Galerien, das sind diese Dinger. Wo man sich mal fragt, wie kriegen die denn hier die Miete finanziert in diesen tollen Gegenden? Da ist ja gar keiner drin, verkaufen die auch was? Man muss dazu wissen, und so eine Galerie macht typischerweise so alle vier bis sechs bis acht Wochen eine neue Ausstellung. Da kommen ein, zwei, drei, vier, fünf Künstler, die halt zu dieser Ausstellung gehören. Da gibt es dann diese berühmten Vernissagen, wo man am Donnerstagabend, Freitagabend hingeht und dann kostenlos Weißwein schlürft. Warum nicht Rotwein? Habe ich mal gefragt, weil sie sagten, ja, Rotwein kriegt man von den Bildern schlechter wieder runter, deswegen Weißwein. Und da hätte ich gefragt, sag mal, aber ihr wisst doch, dass 90% der Leute oder 95% der Leute, die zu so einer Vernissage kommen, die kommen einfach nur, um ein paar Bilder anzugucken und halt kostenlos Wein zu trinken. Naja, aber es gibt halt auch genügend, die kommen und was kaufen. Die finanzieren den Wein für alle Handel mit. So, aber man muss dazu wissen, dass der Revenue-Share zwischen Galerist, Galeristin und Künstler, Künstlerin typischerweise 50-50. Also wenn ich dort was für 5000 Euro in einer Galerie kaufe, dann landen wahrscheinlich 2500 Euro bei der Galerie und 2500 beim Künstler, bei der Künstlerin. Also der Cut, der da in den Preis reingeht, ist halt signifikant. Insofern hat der Galerist, die Galeristin natürlich ein intrinsisches Interesse, Künstler auszuwählen, die auch sich verkaufen. Hoffentlich auch schon in der ersten Ausstellung oder meistens ist das ja eine Zusammenarbeit, die über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte hält. Und man macht immer wieder Ausstellungen zusammen, dass sich das über die Zeit halt auch einfach gut verkauft. Und dann verdiene ich damit. Und dann habe ich ein ureigenes Interesse, halt die Künstler auszuwählen, wo man glaubt, aus denen wird was. Und die bringt man dann und die promotet man und so weiter. Und die Galeristen, die haben nicht nur die Funktion quasi des Abverkaufs. oder des Matchmakings zwischen Käufer und Künstler, sondern die haben halt auch eine ganz wichtige Rolle in dem Ökosystem, nämlich den Künstler, die Künstlerin quasi bekannt zu machen, das Werk zu erklären, auch womöglich mit Museen zu sprechen, zu promoten, um sozusagen die Bekanntheit des Künstlers, der Künstlerin zu steigern. Deswegen ist die Wahl der Galerie immer eine ganz wichtige für den Künstler, weil das halt einen großen Einfluss darauf hat, wie sich die Karriere weiterentwickelt.

Joel Kaczmarek: Gut, also wir haben die KünstlerInnen, wir haben den Galeristen und ... Dann gibt es ja noch sowas wie Kunstkritiker auch. Welche Rolle spielen die in diesem Spiel?

Gero Decker: Also Kunstkritiker, die hatten früher eine ganz große Rolle, weil das waren die, die entschieden haben, ob jetzt Kunst wertvoll ist oder nicht oder ob das einfach nur Mist ist, dieser schwarze Strich auf weißem Grund. Kunstkritiker, das sind die allwissenden Leute, die die Kunstgeschichte rauf und runter kennen und alles gesehen haben und dann schlau darüber schreiben in Zeitschriften oder wo auch immer und dann sozusagen Kunst zerreißen. Passiert relativ selten, erstaunlicherweise. Oder halt für besonders gut empfinden und da ihren Segen draufgeben und sagen, das ist was. Die hatten früher eine Riesenrolle. Inzwischen ist das wesentlich weniger so, weil es gibt halt viele, viele Marktmechanismen, die das teilweise ersetzen. Wenn Leute viel Fame bekommen über die verschiedenen Medienplattformen, wenn sie in Auktionen und so weiter einfach genügend Interesse erfahren, dann ersetzt das zum Teil diese Einzelmeinung von wenigen und wird eher zu so einem Crowdsourced-Qualitätssiegel.

Joel Kaczmarek: Und welche Rolle spielen SammlerInnen? Weil theoretisch können die ja auch Nachfrage befördern, wenn sie zum Beispiel viel kaufen. Also man könnte ja nach dem Startup-Prinzip jetzt sagen, ich investiere in einen Künstler, den ich für FIFA spreche, halte früh, kaufe mir ein paar Kunstwerke von dem und dann versuche ich irgendwie Marktdruck zu erzeugen, indem ich den Galerien oft ausverkaufe, auf das ihnen viele Galerien buchen etc. Funktioniert sowas, aber vielleicht kannst du auch mal so Big Picture sagen, wie so die Sammler-Szene gestaltet ist.

Gero Decker: Joel, du versuchst das hier völlig runter zu simplifizieren auf den schnöden Markt. Ramon, ja. Ich bin entsetzt. Aber das Lustige ist, wenn du mit Sammlern redest. Also wer ist Sammler? Sammler ist jeder, der Kunst kauft, um sie dann an die Wand zu hängen. Ich habe eine andere Definition von Sammlern gehört. Ich habe gehört, naja, es gibt die, die Kunst kaufen, um ihr Haus zu verschönern. Und Sammler wird man dann, wenn man das erste Mal ein Kunstwerk gekauft hat. Und man weiß, man kann es nicht mehr aufhängen, weil man keinen Platz mehr hat. Und man hat es trotzdem gekauft, dann ist man Sammler. Aber die landläufigere Definition ist, jede Privatperson oder auch Firmen, die Kunst kaufen, um die sich irgendwo hinzupacken, um sie dann anzugucken, das sind Sammler. Was für eine Rolle haben die? Naja, die wollen erstmal spannende, schöne, interessante Kunst für sich selbst haben, aus einem ganz großen Eigeninteresse. Und die haben da viel Spaß dran, an den Kunstwerken selber oder auch ... wenn es noch lebende Künstler sind, in der Interaktion mit den Künstlern zu verstehen, was hängt dahinter, was ist da der Werdegang und wo geht die Reise hin? Da so ein bisschen Teil davon zu sein und das beeinflussen zu können. Es gibt Leute, die da super, super aktiv sind in der Szene, zum Beispiel hier in Berlin. Jeder, der sich für zeitgenössische Kunst interessiert, sollte auf jeden Fall mal in den Bunker in der Reinhardstraße gehen. Da lebt das Ehepaar Boros und die haben die sogenannte Boros Collection. In diesem ganzen Bunker hängt Kunst. Und auch alle paar Wochen erneuern die das. Mega spannend. Und die haben da echt immer crazy Sachen. Und die haben halt selber Spaß daran, sich damit zu beschäftigen, das zu kaufen, eine eigene Sammlung zu haben. Aber dadurch, dass sie das öffnen, die haben quasi das Privatmuseum geöffnet, sind die super aktiv, geben die Szene zurück. Oder damals, als zum Beispiel der Corona-Lockdown war, waren die auch mit am Start, als zum Beispiel diese Kunstausstellung in Berghain gemacht wurden. Wo das Berghain irgendwie versucht hat, zu überleben und noch ein bisschen Geld zu machen. Und dann haben sie da drin einfach Kunstausstellungen gemacht. Und solche Leute, die sind halt nicht nur sozusagen Nehmer und tauschen quasi Geld gegen ... eine tolle Zeit und eine tolle Erfahrung, sondern die geben halt zurück in die Kunstwelt und versuchen das aktiv zu befördern, arbeiten mit den Künstlern und so weiter.

Joel Kaczmarek: Jetzt hast du ja vorhin vom Sekundärmarkt gesprochen. Damit ist wahrscheinlich das gemeint, was man auch, also ich kenne das aus dem Videospielebereich, dass sich die Hersteller von Computerspielen immer ärgern, wenn man Spiele gebraucht weiterverkauft, weil dann verdienen sie ja nichts mehr dran. Ist im Kunstbereich damit dasselbe gemeint, dass wenn du toller Künstler bist, hast du das Bild einmal verkauft und in den Fortverkäufen nicht mehr partizipierst?

Gero Decker: Genau, in den meisten Fällen ist das tatsächlich so. Also Primärmarkt heißt ... Der Künstler, die Künstlerin verdient Geld damit, dass ein Kunstwerk zu einem Käufer kommt. Und dort kriege ich zumindest einen prozentualen Anteil davon, von diesem Verkauf. Sekundärmarkt heißt, dass jemand, der der neue Eigentümer des Kunstwerkes ist, das weiterverkauft an jemand anderen. Also klassisches Beispiel Auktionshäuser. Dort bei einem Auktionshaus ist ja der Verkäufer nicht der Künstler selber. sondern ein Sammler, eine Sammlerin, die sich von dem Kunstwerk trennen wollen. Und da gibt es drei schöne Gründe dafür. Death, Divorce und Dead. Also ich habe Kunst geerbt und kann damit partout nichts anfangen. Oder ich kann mich als Erbengemeinschaft nicht einigen, kriegt der eine das grüne und der andere das rote Bild. Und wir wollen es jetzt zu Geld machen. Das ist der eine Grund, warum Kunst verkauft wird. Der zweite Grund, Divorce, Scheidung. Man kann sich wieder nicht einigen, wer kriegt das grüne und wer kriegt das gelbe Bild. Und dann sagt man, okay, dann wird es halt verscherbelt auf dem Sekundärmarkt. Geld lässt sich halt einfacher in zwei Teile teilen. Oder Dad, ich bin pleite, brauche Geld und muss da ein bisschen was zu Geld machen. Das sind die drei typischen Gründe, warum Kunst im Auktionshaus landet. Und dort wird dann halt ein neuer Käufer gesucht. Und das geht dann zack, zack, zack, zack, zack. Da ist auch keine große Emotionalität dabei. Da wird dann in Inkrementen hochgegangen und der meistbietende kriegt es, egal ob er sich dafür interessiert oder nicht. So, das ist das Sekundärmarkt. Es gibt noch einen zweiten Sekundärmarkt. Es geht natürlich nicht nur über Auktionshäuser, sondern auch über ... Also Kunsthandel, das sind einfach Leute, die kennen Käufer und Verkäufer von Kunst und bringen die zusammen, geben da ihre Expertise, was denn so eine Price Range denn typischerweise sein sollte, überprüfen vielleicht nochmal die Echtheit des Kunstwerks, um das es dort geht und leiten das Ganze dann ein und kriegen dann wiederum einen Teil dieser Transaktionssumme. Häufig auch wirklich irre. Beträge von 15 bis … 40 Prozent der Gesamttransaktion.

Joel Kaczmarek: Wie verhält es sich denn mit digitaler Kunst? Also NFTs haben ja irgendwie einen Boom erlebt oder es gibt ja sowas wie Videoinstallationen oder andere Formen von Digitalkunst. Ist sowas auch gut handelbar und mit einer Wertentwicklung versehen? Oder ist es so ein bisschen, ich habe den Eindruck, dass NFT zum Beispiel ja total implodiert ist und dass das sehr stark nachgelassen hat. Aber wie ist denn das in der professionellen Kunstsammlerszene?

Gero Decker: Also NFT ist ja eine spannende technologische Weiterentwicklung von Digitalkunst, weil Digitalkunst ja primär erstmal leicht kopierbar ist. Und diese Frage, was ist eigentlich das Original, ist halt da sehr schwierig. Da wird dann irgendwie ein USB-Stick vom Künstler signiert oder eine tolle Box gepackt, die es nur dreimal auf der Welt gibt, um es quasi so unique zu machen. Und NFT, dadurch, dass ich es auf der Blockchain quasi identifiziere und trackbar mache, dadurch kriege ich ja diese Uniqueness hin. Ich kann es immer noch weiterhin kopieren, aber sozusagen die Unique Ownership kann ich durch die Blockchain festhalten. Also insofern ist das eine spannende Entwicklung. Aber erstens ist Digitalkunst halt relativ wenig praktikabel. Du brauchst halt immer irgendwas, wo du das dir drauf anguckst. Ist das jetzt die Apple Watch und dann gibt es die Apple Watch 25 in ein paar Jahren und auf einmal sieht das nicht mehr so hübsch aus. Oder hängst du dir zu Hause einen Bildschirm an die Wand, um das abzuspielen, diese Animationen. Und wenn du nach Hause kommst, geht der Bildschirm dann wirklich automatisch an oder guckst du dir das dann zweimal im Jahr, wenn du Gäste hast, schaltest du das an. Also es ist wenig praktikabel. Das ist mit dem Gemälde anders, das hängt immer da. Die Farben sehen anders aus, ob es hell oder dunkel ist. oder eine Skulptur, die ist halt immer da und die kann ich mir angucken und die kann ich anfassen und dadurch ist es einfach von der Praktikabilität her weniger. Aber es gibt Leute, die finden das cool und spannend. Deine Frage nach dem Markt, also NFT, das ist ja total durch die Decke geschossen. Das war übrigens eine ganz andere Käuferschaft als die, die irgendwie Gemälde und so gekauft haben, sondern es waren viele Leute, die halt viel Vermögen in Krypto haben, irgendwelche dicken Ethereum-Taschen. die voll gefüllt sind mit digitaler Währung. Und da wurde halt dann digitale Währung getauscht gegen animierte Bildchen oder was auch immer es dann halt war. Und wie mit jedem Medium stellt sich immer die Frage, wie spannend oder wertvoll oder bleibenden Impact hat das denn eigentlich, was dort an Kunst entsteht? Weil nur das Medium selber ... Nur, dass ich es jetzt auf der Apple Watch mir zum Beispiel angucken kann. Ja, okay, ist das erste Mal spannend. Aber wird es in 10 oder 20 oder 30 Jahren immer noch spannend sein? Dann entscheidet es halt andere Dinge. Wenn man die Analogie macht, zum Beispiel Gemälde. Gemälde gibt es ja ewig lange. Und es hat sich halt über die Jahre und Jahrhunderte entwickelt, was spannende Gemälde sind und was nicht. Und vielleicht war es die ersten drei Jahre einfach total cool, mit Farbe auf Leinwand was malen zu können. Und es war alles spannend. Und dann hinterher hat man gesehen, Manche Bilder sind halt spannender als andere. Und dieser Weg ist halt jetzt in der ganzen Digitalkunst wird genauso beschritten. Das heißt, nicht alles, was gestern noch cool war, ist halt heute immer noch cool. Aber manche Sachen sind halt weiterhin cool und noch cooler.

Joel Kaczmarek: Lass uns auch mal ein, zwei Sätze über die Handelbarkeit von Kunst sagen. Also ich habe jetzt von dir schon gelernt, ich kann entweder über einen Galeristen verkaufen, wenn ich nicht der Künstler bin. Also sind die auch sekundärmarktfähig?

Gero Decker: Die primäre Aufgabe ist, Primärmarkt zu machen, also vom Künstler an Käufer zu geben. Aber die haben natürlich, Einen spannenden Marktzugang, weil Leute, die vorher schon mal was dort bei der Galerie gekauft haben, die wollen vielleicht auch später mal was verkaufen. Und häufig habe ich natürlich Käufer, die sagen, boah, da war die Ausstellung von Künstler XYZ, war super cool, war aber so schnell alles ausverkauft, hast du nicht nochmal zwei, drei Werke extra irgendwo anders her, wovon ich dann eins kaufen kann? Insofern sind die eigentlich in einer guten Position. Manche machen das. Ich weiß nicht, ob das alle machen. Das ist aber eher so ein Nebeneffekt.

Joel Kaczmarek: Wie ist es denn sonst mit der Handelbarkeit von Kunst? Gibt es auch Online-Plattformen, dass ich zum Beispiel sagen kann, wie so eine Art Marktplatz? Gibt es im Digitalen was? Ich schicke die Kunst vielleicht ein, sie wird geratet, sie wird auf Echtheit geprüft und ich kann sie dann dort verkaufen. oder ist das eher ein Offline-Business?

Gero Decker: Du kannst einfach auf eBay gehen. Bei eBay wird alles Mögliche verkauft, aber bei eBay werden halt nur Sachen in gewissen Price-Ranges verkauft. Ich weiß noch, vor ein paar Jahren hatte ich ein Gespräch mit eBay-Leuten und da war es halt was super, super, super Besonderes, dass eine Auktion bis auf 40.000 Euro für irgendeine seltene Schallplatte hochgegangen ist. Das war halt für die so ein Ausnahmephänomen, dass für solche Price Ranges dort was drüber verkauft wurde. Also ich sage mal so, diese Feldwald- und Wiesenkunst, die halt keine bis wenig Recognition hat, davon kannst du auch Sachen bei eBay finden. Aber die hochpreisigeren, besonderen Sachen, die gehen halt typischerweise über die spezialisierteren Anbieter. Und Auktionshäuser ist halt da ein häufig genommener Weg. Und da gibt es halt so auch dann Tier 1, Tier 2, Tier 3. Die bekanntesten sind Christie's und Sotheby's, vielleicht noch Phillips, die da weltweit agieren. Und dann gibt es aber auch Unbekanntere oder welche, die eher lokal operieren.

Joel Kaczmarek: Ich sag mal sowas wie Catawiki zum Beispiel. Spielt das eine Rolle unter KunsthändlerInnen und KunstsammlerInnen? Oder schaut man da eher ein bisschen mit Naserumpfen drauf?

Gero Decker: Alles ist erlaubt, ja. Und es ist immer die Frage, was man ... In welchem Segment man auch kauft. Wenn du junge Kunst und bisher noch unbekannte Kunst und dementsprechend häufig günstigere Kunst kaufst, ist der typische Weg einfach über Galerien oder direkt vom Künstler. Wo du halt nah dran bist an der Production und das ist der einfachste Weg, das zu tun. Wenn du halt sozusagen an High-End-Sachen interessiert bist. die halt auch schon 20 Jahre alt sind, naja, dann gehst du halt zu den großen Auktionshäusern. So hat halt jedes Segment so seine Daseinsberechtigung oder seine Wege und Channel und Daseinsberechtigung. Diese, ich sag mal, größeren, automatisierteren Plattformen im Netz, die bedienen halt eher das günstigere Segment.

Joel Kaczmarek: Wir können ja auch mal so ein Stück weit uns dem Pricing irgendwie nähern, weil spannend ist. ja, was muss man eigentlich ausgeben, um Kunst kaufen zu können? Und ich denke da gerade an so Plattformen, die ja mittlerweile auch aus dem Boden schießen, wo es um die Fraktionalisierung von Kunst geht. Also sowas wie Timeless, wo du sagen kannst, ich kaufe mir irgendwie ein Hundertstel von einem Andy Warhol original signierten Bild. Wie beobachtest du denn sowas?

Gero Decker: Das ist die Frage, was mich antreibt. Also wenn ich... das als Investmentobjekt sehe, dann macht das natürlich total viel Sinn, auch so ein tokenized Bruchteil von einem Kunstwerk zu haben. Dann habe ich halt ein Hundertstel von einem Picasso und ein Tausendstel von einem Richter und ein Zweihundertstel von einem was auch immer. Und dann kann ich halt später das wieder verkaufen und dann gibt es den Nächsten, der den Bruchteil dann übernimmt. Also aus einem Investmentgesichtspunkt macht das, glaube ich, viel Sinn. Was ich bisher noch nicht gesehen habe, was mich eigentlich wundert, ist, dass ich einen Bruchteil kaufe und dann so eine Art Timeshare-Modell habe, weißt du? Also stell dir vor, ich habe ein Zwanzigstel oder ein Zwölftel, um es einfach zu machen, ein Zwölftel eines Kunstwerks und ich darf dann dieses, nehmen wir mal an, das ist ein Gemälde, darf dann dieses Gemälde einen Monat pro Jahr an meiner Wand hängen haben. So wie es bei Immobilien viel gibt. Das habe ich noch nicht gesehen, komischerweise. Weil die Leute, die das sich an die Wand hängen, dann häufig der alleinige Eigentümer sein wollen, warum auch immer.

Joel Kaczmarek: Ja, Magnus Resch hatte doch, glaube ich, mal so ein Modell, wo man Kunst mieten kann. Ist die Vermietung von Kunst für Künstler und irgendwie Galeristen und Co. eigentlich relevant oder ist das kein Geschäft?

Gero Decker: Also ich habe das bisher nur gesehen bei hier so Geschäftsräumen. Also wenn du dein Büro ausstatten willst mit Bildern und du weißt aber, dass du nur drei Jahre in diesem Büro bist und du weißt auch nicht, ob du dir nächstes Jahr Kunst noch leisten kannst und willst oder nicht, dann ist das ein gangbarer Weg. Aber für private Leute habe ich das bisher noch nicht gesehen, ehrlicherweise.

Joel Kaczmarek: Und bei NFTs, was wir ja gerade hatten, war ja ein Charming-Part das mit den Royals oder Royalties. die KünstlerInnen nochmal Geld kriegen vom Weiterverkauf. Gibt es das im klassischen Kunsthandel auch, dass du sagen kannst, mein Kunstwerk ist an eine Lizenz gebunden, wenn du das weiterverkaufen willst, dann musst du?

Gero Decker: Jaja, also das gibt es. Man kann ja in diesen ganzen Auktionshäusern ganz transparent reingucken. Manche Werke haben das. Ich habe noch nicht ganz verstanden, was da die Regel dahinter ist, ob das mit Nationalitäten zu tun hat oder ob ein Kunstwerk initial gefleckt sein musste. Schon beim Erstverkauf. Aber es gibt so gewisse Weiterverkaufs-Fees. Aber die sind meistens nur ein ganz kleiner Bruchteil dessen, was dort als Kaufpreis bezahlt wird. Also selbst wenn ich das habe, profitiere ich trotzdem nur marginal.

Joel Kaczmarek: Okay. Und was wir ja gerade eigentlich nochmal anschneiden wollten, auch mit diesen Fraktionalisierungen, war, was kostet denn eigentlich Kunst? Fängt das irgendwie bei 10.000 an, bei 100.000? Was muss ich ausgeben, wenn ich ein Kunstwerk mir kaufen möchte? Also klar, wenn es mir gefällt, dann ist es ein anderes Thema, als wenn ich es jetzt als Investment betrachte. Das ist ja wahrscheinlich eher eine Investmentfrage. Was kostet sowas typischerweise?

Gero Decker: Also wir können ja mal bei, einfach Gemälde, weil das einfach ein sehr typisches Medium ist, mal angucken. Und da gibt es zwei Faktoren. Einmal ist es die Größe, die plumpe Größe. Es gibt so Quadratmeterpreise. Und so werden dann Preise auch gebenchmarked, so nach dem Motto, der Quadratmeterpreis für diese Art von Bild von der und der Künstlerin war die letzten zwei Jahre so, deswegen verkaufe ich es jetzt für den Preis. Also Quadratmeterpreise und dann ist natürlich die sozusagen vom Künstler abhängig. und dann für den Künstler, für die Künstlerin noch die Frage, ist das jetzt ein besonders gelungenes Werk oder halt auch nicht. Hier von Gerhard Richter, einer der teuersten lebenden Künstler. Wahrscheinlich der teuerste lebende Künstler. Hab ich letztens so ein Pixelbild gesehen mit 4000 schwarz-weißen Pixeln drauf. Da hab ich mir gedacht, also, Gerhard ... Also beim besten Willen, ja. Also das war jetzt keine Glanzleistung und dieses Bild war dann auch relativ günstig für seine Verhältnisse zu haben, im Vergleich zu den Bildern ähnlicher Größe. Aber jetzt mal in absoluten Preisen. Ich war eben auf dem Weg hierher, habe ich bei so einer Galerie hier auf dem Weg reingeschnuppert, ganz spannend, die hatten zwei Künstler, einen amerikanischen Künstler. der schon sehr weit war in seiner Karriere, der auch nicht mehr lebt. Und die Bilder waren so durchschnittlich auch 30, 40 Jahre alt. Und da waren die Bilder so, ich glaube, das günstigste bei 100.000 und das teuerste bei 400.000, was sie dort hatten. Und dann hatten die eine ganz junge Künstlerin hier aus Berlin, Ambra Durante, habe ich vorher noch nie gehört, den Namen, Jahrgang 2000. Und ihre Bilder waren so für roundabout 1.000 Euro zu haben. Die waren jetzt nicht wandfüllend, die es dort für 1.000 Euro zu haben gab, aber ... Toll gemacht, wirklich spannend, wirklich spannende Sachen. Und das ist wahrscheinlich so das untere Ende, wo es losgeht. Wenn ich einen Künstler habe, der, sagen wir mal, schon ein bisschen unterwegs ist und der hat schon in dem einen oder anderen Museum, wo der ausgestellt und produziert weiterhin fleißig, ist vielleicht in der Mitte der Karriere so 40, 45, 50 Jahre alt. Format 50 mal 70 Zentimeter, was auf viele Wände passt. Da muss ich dann wahrscheinlich so 3.000 bis 6.000 Euro ausgeben. Also in dieser Preisrange gibt es wahnsinnig viel und auch von sehr spannenden Künstlern.

Joel Kaczmarek: Und ich weiß, ich lasse heute den Kapitalisten Arsch raushängen, aber wie sind so die Wertentwicklungen über Jahre? Also in zehn Jahren, was ist so der Wertzuwachs bei einem klassischen Kunstwerk, wenn es bombig läuft versus wenn es eher mediocre ist und wenn es vielleicht irgendwie gar nicht läuft?

Gero Decker: Also wenn es Bombe läuft, also Beispiel, meine Frau und ich, wir haben uns total in eine polnische Künstlerin oder in ihre Bilder verguckt. Dachten, boah, super cool. Die nimmt so alte Bilder von vor 200, 300 Jahren als Vorbild und malt die ab. Aber die Köpfe sind verhüllt oder werden dann zu Blumen oder sowas. Es nimmt sozusagen so diesen Schönheitsbegriff auf die Schippe und stellt ihn in Frage. wie er jahrelang für Frauen galt. Eva Juszkiewicz heißt die Künstlerin. Jahrgang 84 ist sie geboren. Jahrelang unbekannte Künstlerin und die Bilder hat man für auch so großformatige Bilder hat man vielleicht für 15, 15, 20.000 Euro kaufen können. Ihre Bilder wurden jetzt die letzten 12, 18 Monate durch die Bank weg zwischen einer halben Million und anderthalb Millionen verkauft. Also das ist natürlich, wenn du sowas hast, das ist eher der absolute Ausreißer, dass du ein Bild für sagen wir mal 15.000 Euro gekauft hast oder 20.000, so ein Großformat da und verkaufst es dann für eine halbe Million, das ist halt schon. und diese Wertentwicklung dann innerhalb von wenigen Jahren, das ist halt extrem selten. In den meisten Fällen bewegt es sich gar nicht vom Fleck. oder ich war bei meinen Eltern zu Hause und dann wollten die auch mal wissen, oh hier, du kennst dich doch jetzt aus und so und wie viel ist das denn wert, gucken wir hier mal in die Preisdatenbank rein und so. Ja und da stellte sich halt raus, die meisten Bilder waren halt fast nichts wert bis unverkäuflich, wo Bilder in Auktion gegeben wurden und keiner wollte die haben. Das ist halt eher das Typische, was wahrscheinlich für die meisten Kunstwerke gilt. Aber wenn ich mich natürlich später, sag ich mal, in den Markt einkaufe, also Kunstwerke habe von ... die auch schon sozusagen zum Kaufzeitpunkt, ein Bild, was ich für 20, 30, 40.000 Euro koste, das ist relativ unwahrscheinlich, dass es im Wert jetzt total implodiert. Aber dass es im Wert explodiert und riesig steigt, das ist in den meisten Fällen leider nicht so.

Joel Kaczmarek: Lass uns mal über das Scoring reden, was du vorhin auch schon mal angerissen hast. Also wenn heutzutage alles datenbasiert ist, wie bemisst man denn heutzutage, ob eine Künstlerin oder ein Künstler wertvoll ist? Gefragt, gibt es da so Metriken für? Wie schaut man sich das an?

Gero Decker: Also da werden mehrere Sachen gemessen. Einmal sozusagen, wie viel sind die Kunstwerke wert? Bleiben wir jetzt mal wieder bei Gemälden als einfachen Beispiel, wo ich Quadratmeterpreise messen kann. Ab dem Moment, wo diese Künstler durch Auktionen durchlaufen, dann sind ja die Preise öffentlich. Die kann man dann öffentlich einsehen und da gibt es entsprechende Datenbanken, die dir halt zeigen, wie viel kostet ein Künstler eine Künstlerin und wie entwickelt sich das über die Zeit. Das ist der eine Weg, aber das sehe ich ja erst sehr spät. Die meisten Künstler, die kommen ja auch nie im Sekundärmarkt signifikant an. So, davor geht es halt um diese Frage Cultural Recognition, wie wichtig, wie spannend ist eigentlich ein Künstler eine Künstlerin und das kann ich sehr früh schon messen. Da gibt es eine spannende Webseite, die nennt sich Artfacts, artfacts.net. Da kann man draufgehen, kann alle möglichen Künstler, die haben hunderttausende von Künstlern in der Datenbank, kann man draufgehen und dann sieht man ganz genau, bei welchen Ausstellungen, also in Galerien, in Museen, in Kunstausstellungen, ist der Künstler, die Künstlerin vertreten. Und die haben dort das sozusagen als Scoring-Mechanismus genutzt. Zu sagen, also zum Beispiel hier in Berlin, da gibt es halt, so ähnlich wie beim PageRank für Scoring von Webseiten, da sagt man, manche Galerien sind halt spannender und manche sind weniger spannend. Ja, keine Ahnung. Max Hetzler in Berlin ist spannender als irgendwie die Galerie XYZ um die Ecke. Und es gibt dann sozusagen mehr Punkte. Oder halt ein Museum, keine Ahnung, Hamburger Bahnhof in Berlin ist halt wichtiger als irgendwie das Stadtmuseum Schweinfurt.

Joel Kaczmarek: Wie bemisst man sowas, diesen Page-Rank in Anführungsstrichen?

Gero Decker: Ja, das habe ich auch noch nicht so ganz verstanden. Das muss ich noch rausfinden. Ich sage dir dann Bescheid. Oder dann halt Kunstausstellungen. Also zum Beispiel diese Biennalen oder was es da auch immer gibt. Das wird gerankt. Und Kunstmessen gibt es auch noch. Kunstmessen, dort gibt es so Events wie Art Basel oder Art Cologne und wie sie alle heißen, wo sozusagen komprimiert auf zwei, drei, vier Tage alle möglichen Galerien ausstellen und da Kunst am laufenden Meter vertickert wird. Das wird alles gemessen und getrackt, wie viele Auftritte hat ein Künstler, eine Künstlerin dort. Und so ermittelt sich dann der Score.

Joel Kaczmarek: Du hast ja auch so eine spannende App mir teilweise mal gezeigt, wo wirklich so Vier-Felder-Matrixen zu Künstlern aufgemacht werden. Was hat es damit auf sich?

Gero Decker: Ja, das hat genau mit diesem Scoring, setzt darauf quasi auf, also artfacts.net ist die Webseite und die haben eine App gebaut, die nennt sich Limna, L-I-M-N-A. Ist ganz nett gemacht, da kann ich auch Künstler, ist die gleiche Datenbank, Künstler suchen. Und dann sehe ich vier Felder, einmal Cultural Recognition, die speist sich genau aus diesem Score, den wir gerade besprochen haben. Und dann gibt es halt, von 0 bis 100 geht das. 100 wäre ein Andy Warhol, 0 wäre jemand, der halt noch nie aufgetreten ist. Dann gibt es International Presence, also ist das jemand, der ... oder die nur lokal aufgetreten ist, ja, Berlin only, Deutschland only oder halt weltweit vertreten. Dann gibt es Career Length, ja, wie lange ist die Person eigentlich schon unterwegs. So, und jetzt muss ich tatsächlich nochmal spicken, was die vierte Dimension war. Und zwar, ich sag's dir gleich, hier haben wir's, ta-da-da-da-da-da-da, Art Fair Presence, genau, die haben das extra nochmal ausgewiesen, sozusagen Art Fairs, Kunstmessen. Jetzt Art Cologne, Art Basel nochmal separat ausgewiesen. Sozusagen als Indikator, wie viel Commercial Tradeability ist da sozusagen.

Joel Kaczmarek: Würden wir mal einen Spaß machen und mal auch so ein bisschen reingucken. Heute stand März 2023, wer da wie viel so wert ist. Also wenn du jetzt zum Beispiel Andy Warhol eingibst, was kostet da so ein Quadratmeter?

Gero Decker: Andy Warhol pro Quadratmeter, schauen wir mal, wie viel war, ob er uns damit das... den Fußboden auslegen können. Estimate für pro Quadratmeter, also Photograph haben sie hier das genannt, aha, interessant, Viertelmillionen.

Joel Kaczmarek: Okay, krass. Wie wäre es jetzt mit Gerhard Richter, den du zum Beispiel gerade gesagt hast?

Gero Decker: Gerhard Richter, da kostet der Quadratmeter, so, wie viel Quadratmeter hat dein Wohnzimmer? Quadratmeter kostet 540.000 Euro.

Joel Kaczmarek: Krass. Jetzt hast du ja vorhin zum Beispiel Kai gesagt, Kai Ebenhof-Ross, ein Street-Artist hier aus Berlin, wo man ein bisschen auf normalsterblichem Niveau, auch wenn er super talentiert ist und tolle Sachen macht, zu gucken, was kostet da so ein Quadratmeter?

Gero Decker: Na, sagt die App, Quadratmeter kostet 4000 Euro.

Joel Kaczmarek: Okay, wow, aber auch schon nicht schlecht. Ist so ein Udo Lindenberg, by the way, auch drin? Wenn ich vorhin im Großbruch erzählt habe, der macht so viel Geld mit seiner Kunst.

Gero Decker: Na, jetzt gucken wir mal, Udo Lindenberg pro Quadratmeter. Udo Lindenberg gibt es quadratmeterweise. 7000.

Joel Kaczmarek: Ja, okay, krass. Dann ist ja Kai schon mal ganz gut unterwegs. Und dann lass uns doch noch mal zwei angucken, die du vorhin auch eingangs genannt hattest. Beuys haben wir, glaube ich, in einem Vorgespräch gesagt. Da Vinci zum Beispiel wäre auch mal interessant. Mal so ganz alte Künstler oder Picasso.

Gero Decker: Beuys, der ist ja nicht so ein klassischer Maler. Deswegen frage ich mich, wie sie hier überhaupt den Score gemacht haben. Da steht 170.000 Euro für Beuys. Aber die Zahl macht irgendwie Urke keinen Sinn. Und man findet wirklich spannende Kunstwerke von Beuys. Wirklich in der Price Range vierstellig oder niedrig fünfstellig. Auch Sachen, die man in Dokumentationen sieht oder in irgendwelchen Magazinen liest, kann man Beuys wirklich relativ kostengünstig in die eigene Sammlung aufnehmen. Wen wolltest du noch suchen?

Joel Kaczmarek: Da Vinci.

Gero Decker: Da Vinci. Na, der wird jetzt nicht mehr so groß gehandelt, weil ...

Joel Kaczmarek: Gibt's ja kaum was im Verkauf.

Gero Decker: Nee, gibt's ja nix, ja. Die ganzen Werke gehören halt den Museen oder Nationalsammlungen. Keiner will's verkaufen. Ja, lustig. Wenn das mal so wäre. Leonardo da Vinci kostet pro Quadratmeter 40.000 Euro. Ich glaube, hier haben wir gerade die Grenzen dieser App. Weil es gibt halt auch einfach keinen Markt für.

Joel Kaczmarek: Was ist mit Picasso als Letzten noch? Weil du meintest, der hat so viele Kunstwerke gemacht, dass der tagtäglich was produziert hat. Eine Radierung oder so.

Gero Decker: Picasso, uff. Oh, da haben wir jetzt hier unseren Highscore. Picasso sagt, die App 21 Millionen pro Quadratmeter.

Joel Kaczmarek: Okay, krass. Aber ein auf jeden Fall schon mal sehr, sehr spaßiger Ritt. Lass uns vielleicht mit einer Sache noch schließen, weil du hast ja mich angemauert, dass ich immer nur noch am Geld frei, das stimmt ja. Und dein Freund, den du ja eingangs zitiert hast, sagt ja auch immer, Gero, es gibt Kunst, die ist schön und es gibt Kunst, die ist wichtig. Wie schlägt denn dein Herz? Wenn man sich jetzt fürs Thema Kunstsammeln interessiert, sollte man sich Kunst kaufen, die einem gefällt oder sollte man sich vielleicht auch mal Kunst kaufen, die wichtig ist?

Gero Decker: Also wenn du dir selber was kaufst, dann willst du es wahrscheinlich auch angucken und du musst ja damit leben können. Also wir haben jetzt zum Beispiel drei Kinder und da gucken wir uns natürlich schon an, ist das... Kunstwerk jetzt so wie, ne, kreiert das Albträume bei den Kindern? Das ist halt so ein Ausschlusskriterium, ja? Oder stehen da jetzt irgendwelche Worte auf dem, oder irgendwelche Handlungen, ja?

Joel Kaczmarek: Schimpfworte, Nackedei-Sachen sind also auch so eher nicht en vogue bei euch.

Gero Decker: Ja, Nackedei ist schon okay, aber halt, keine Ahnung, willst du jetzt ein Foto von irgendeiner Orgie an die Wand hängen und deine Kleinkinder gehen da jeden Tag dran vorbei? I don't know, ja? Also, wir haben für uns entschieden, da gibt's halt so gewisse Ausschlusskriterium. wo Dinge, die wir vielleicht noch uns angucken würden, aber für die Kinder nicht in Frage kommen. Ich habe da schon so einen gewissen ästhetischen Anspruch dran. Also wenn es einfach grottenhässlich ist und man so jeden Tag denkt, oh scheiße, das tut einfach nur in den Augen weh, dann würde ich das selber nicht kaufen. Aber es ist wirklich ganz spannend. Wie gesagt, ich war diese Woche vor ein paar Tagen in dieser Boros Collection. Und da sind halt schon so ein paar Kunstwerke, die tun halt auch echt weh, wenn du drauf guckst. Und die haben zum Beispiel so Puppen quasi wie so total überdreht, das, was man auf Insta sieht, sexualisiert, kommerzialisiert und das halt nochmal sozusagen maximal auf die Spitze getrieben und dann halt so als 3D-Puppen dort, die aber hyperrealistisch aussehen, da ausgestellt. Du kannst da kaum weggucken, weil es ist irgendwie so wahnsinnig faszinierend. Aber es tut halt auch so einfach nur weh, wenn du es anguckst. Und ich finde es spannend, durch so eine Kunstausstellung zu gehen und das mal anzugucken für fünf Minuten und drüber nachzudenken. Würde ich mir das in das Wohnzimmer stellen? Wahrscheinlich nicht.

Joel Kaczmarek: Lieber Gero, es hat viel Spaß gemacht und ich bin mal gespannt, was ich noch so tue, was du demnächst noch so zu berichten hast. Für heute schon mal vielen, vielen Dank und vor allem, dass du hier die Kunstfahne hochgeholt hast und nicht nur die Kapitalistenfahne. Das war heute ausnahmsweise mein Job. Ich bin ein bisschen beschämt von mir selbst, aber gut. Alles für die Quote heute, Mama. Lieben Dank. Hat sehr viel Spaß gemacht, Joel.