Sales-Typen erkennen und einsetzen
11. Juli 2019, mit Joel Kaczmarek, Gero Decker
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen The Art of Sales Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es um das Thema Sales-Typen. Aus diesem Podcast wirst du mitnehmen, was für Typen gibt es eigentlich beim Thema Verkaufen, wie sind sie gestrickt, wie kann ich sie am besten einsetzen und wie schaffe ich es trotzdem eine Standardisierung und eine gewisse Planbarkeit in meinen Sales zu bekommen. Und wen gibt es, der das besser erklären kann als den guten Gero Decker. Moin Gero.
Gero Decker: Hallo Joel.
Joel Kaczmarek: Heute mal zusammen mit den Temperaturen, kurzes Update zu euch. Wie geht es Signavio, was passiert bei euch?
Gero Decker: Super, läuft. Ja. Wie immer. Das Geschäft brummt. Es ist mal wieder Quartalsende. Da ist immer viel zu tun, gerade im Bereich Vertrieb.
Joel Kaczmarek: Und dann stehen zeitnah die Sauftouren an, wenn man sich high-fiven, die neuen Accounts sozusagen.
Gero Decker: Ja, am Ende des Quartals kann auch gerne gefeiert werden.
Joel Kaczmarek: So, starten wir direkt rein, wie eigentlich immer. Sales-Typen. Wahrscheinlich hängt es ja in erster Linie mal davon ab, was für ein Produkt du eigentlich führst. Das heißt, da wirst du ja schon mal ein Stück weit gucken, was für Menschen du dir für deinen Sales holst. Aber was sind denn für dich so die Achsen, nach denen du Sales-Typen unterteilst?
Gero Decker: spannende frage. wir haben über die jahre viel experimentiert was für was für typen brauchen wir eigentlich in auf den sales positionen? und früher hatte ich so diese achse unerfahren erfahren. und die zweite achse domain expertise. oder kennt sich jemand eigentlich mit dem mit dem bereich aus oder nicht? ja und dann war sozusagen das top. das mögliche kandidat war der der aus deinem bereich kommt fachlich mit dem auskennen was du tust plus 15, 15, 20 Jahre Erfahrung hat und ein alter Hase sozusagen ist in dem, was er tut. Meine Sicht auf die Dinge hat sich da ziemlich stark gewandelt über die Zeit. Und da hat mir mal so ein Artikel geholfen, den ich irgendwo gesehen habe. Ich glaube, es war eine McKinsey-Studie oder so. Welche Charakterzüge, welche Typen brauchst du eigentlich pro Produktkategorie? Und die haben herausgefunden, dass es einen riesen Unterschied macht, ob dein Produkt ganz stark spezialisiert ist auf eine bestimmte Branche oder auf ein ganz bestimmtes Thema oder ob du ein Produkt hast, was eher breit angewendet werden kann, über Branchen hinweg oder über mehrere Themen hinweg. Weil der Effekt oder das, was man beobachtet bei diesen sehr spezialisierten Produkten, ist, dass du häufig einen wesentlich kleineren addressable Market hast. Du hast beispielsweise, nehmen wir mal an, deine Kunden sind Telekommunikationsunternehmen, dann hast du davon fünf in Deutschland. Das ist sozusagen dein addressable Market und du kannst es dir nicht leisten, einen dieser fünf nicht als Kunden zu haben. Und du kannst nicht einfach zum nächsten weiterspringen, wenn es mit dem einen nicht klappt, sondern du musst dich tief, tief reingraben in deinen Zielmarkt. Und deswegen den Charakterzug, den du bei solchen Produkten brauchst, ist Persistenz. Leute, die mit dem Kopf durch die Wand gehen können. die scheinbar unmögliche Hürden überwinden können irgendwie und sich da reingraben. Bei den eher horizontalen Produkten ist es leicht was anderes, was man dort braucht oder was zum Erfolg führt. Und zwar ist es, dass der Vertriebler möglichst smart ist. und sich möglichst gut in das spezielle Kundenszenario oder in den speziellen Use Case eindenken kann. Dass er heute mit Branche X arbeiten kann, morgen mit Branche Y. Heute mit Use Case 1, morgen mit Use Case 2. Und sich dort sehr, sehr schnell einarbeiten kann. Sehr schnell recherchiert, sich sehr schnell Wissen aneignen kann. Jemand, der sehr schnell lernen kann und sich Wissen in den Kopf pumpen kann und das gut verarbeiten kann. Weniger jemand, der, wie gesagt, mit dem Kopf durch die Wand geht sondern eher wird jemand erfolgreich sein, der halt sehr schnell sich in diese Themen inhaltlich einarbeiten kann und eine Glaubwürdigkeit beim Kunden erzeugen kann. zu diesem Thema. Und das ist das Erstaunliche, dass bei diesen vertikalen Produkten du eigentlich viel weniger in dem Thema drin stecken musst, weil dein Produkt tut es ja, dein Produkt hat diese Spezialisierung da drauf. Du kannst sehr schnell lernen, sehr einfach lernen, was macht dein Produkt aus, was macht es anders, weil du einen sehr, sehr abgegrenzten Bereich adressierst. Das heißt, du musst weniger smart sein an der Stelle, weniger anpassungsfähig, sondern mehr persistent und mehr der tiefe Bohrer. Das hat sich bei uns auch so herausgestellt. Wir haben eine ganze Reihe von Vertrieblern eingestellt, die bei uns grob aus der Branche kamen, sogar von Wettbewerbern, die dort die Top-Seller waren. Wir haben aber nicht genug darauf geachtet, genau diese Charakterzüge. Was sich dann hinterher häufig herausgestellt hat, war, dass sie bei den vorherigen Firmen sehr erfolgreich dadurch waren, ein standardisiertes Playbook abzuarbeiten. und mit dem Kopf durch die Wand zu gehen mit diesem Playbook. Während bei uns, einem Produkt, was eher horizontal ist, was sehr breit angewendet werden kann, das einfach nicht mehr funktioniert. Du kannst nicht das Playbook so stark vordefinieren für deine Vertriebler, sondern du musst einfach darauf hoffen und darauf vertrauen, dass sie smart genug sind, sich in das Thema des Kunden einzuarbeiten. Das heißt, wir sind dazu übergegangen, dass wir Leute genommen haben, die halt erwiesenermaßen sich schnell einarbeiten können und verzichten lieber darauf, dass sie sich in unserem Bereich zum Beispiel mit dem Prozessmanagement-Thema gut auskennen.
Joel Kaczmarek: Jetzt hast du ja eine Software, die Business-Prozess-Modeling macht und Management. Also ihr dreht euch um Business-Prozesse. Da hast du gesagt, ihr seid eher horizontal unterwegs. Ihr könnt so ein Thema ja auch ein Stück weit vertikalisieren. Also du könntest jetzt hingehen und könntest sagen, du machst eine Sales Unit, die sich nur an Versicherungen wendet. Du machst eine Sales Unit, die sich irgendwie nur an Logistikunternehmen wendet oder Hersteller oder, oder, oder. Macht sowas Sinn? Also kann man auch eine Sales Organisation so bauen, dass man beide Typen ein Stück weit verheiratet? Den smarten, der horizontal verkaufen kann und den persistenten, der vertikal verkaufen kann?
Gero Decker: Das ist eine Frage der Vertriebsorganisationsgröße, die du hast. Wir haben für uns herausgefunden, dass die wichtigste Segmentierung vor allem erstmal die Größe der Kundenorganisation ist. Also in unserem Fall die Anzahl der Mitarbeiter. Bei uns haben wir so SML, XL als Kategorien und wir haben einen anderen Vertriebsansatz und separate Teams pro Unternehmensgröße. Man könnte auch sagen, okay, ich mache eine Vertikalisierung, ich ignoriere die Kundengröße und mache eine reine Vertikalisierung. Das hatten wir früher sogar. Da hatten wir jemanden, der nur Banken betreut. Leider ist der Vertrieb an die Deutsche Bank oder an die Commerzbank komplett anders als an die Sparkasse, die um die Ecke sitzt, die womöglich nur wenige hundert Mitarbeiter hat gegenüber einem global aufgestellten Konzern mit zehntausenden oder hunderttausenden von Mitarbeitern. Insofern hat bei uns sich herausgestellt, dass als Lerneffekt oder als Clusterbildung Unternehmensgröße von der Sales-Haptik einfach viel wichtiger ist als die Vertikalisierung. Wenn man jetzt sehr reife Vertriebsorganisationen anguckt und im Softwarebereich ist wahrscheinlich die reifste Vertriebsorganisation, die es in Deutschland gibt, die von SAP. Die gehen genau, die sind in zwei Dimensionen organisiert. Eine Dimension ist Unternehmensgröße und die andere Dimension ist Vertikalisierung. Und in deren Fall ist es dann auch so, dass ich Produkte und viele Dinge dann wirklich auch an die einzelnen Verticals extrem anpasse. Ich habe beispielsweise ein ERP-System und ein ERP-Produkt im Allgemeinen und die haben dann angefangen, Industry Solutions zum Beispiel für Utilities zu machen. direkt vorzukonfigurieren, zu bauen und dann auch mit eigenen Vertriebsteams und eigenen Vertriebsansätzen entsprechend auszustatten. Aber dafür brauche ich wirklich eine Vertriebsmannschaft, wo ich, sagen wir mal, auf Deutschland gesprochen, sagen wir mal 200 Vertriebler aufwärts habe oder noch mehr, dass sich so eine Organisation entlang von zwei Dimensionen lohnt. Solange ich, sagen wir mal, 50 bis 100 Vertriebler habe, wäre das ein bisschen overengineert, sondern da will ich dann wahrscheinlich nur eine Dimension entlang derer ich mein Vertriebsteam organisiere. Und bei vielen Softwarefirmen hat sich das herausgestellt, dass Unternehmensgröße eigentlich der treibende Faktor ist.
Joel Kaczmarek: Okay, also haben wir gelernt, als erstes definiert mein Produkt schon ein Stück weit, was für Sales-Typen ich anziehen kann. und als zweites im Prinzip mein Kundensegment. Kannst du nochmal spezifizieren, wie sich quasi Sales-Typen bei mir unterscheiden müssen, wenn sie an einen kleinen Kunden versus wenn sie an einen mittleren oder einen großen Kunden verkaufen?
Gero Decker: Also erstmal korreliert sehr stark, wie groß ist mein Kunde und wie viel Geld kann ich mit diesem Kunden verdienen? Was ist der Preis für das Produkt, was ich diesem Kunden anbiete? Bei Software kann zum Beispiel die Range sehr groß sein von, sagen wir mal, 10.000 Euro im Jahr für kleine Kunden. im Gegensatz zu einer Million Euro im Jahr für einen sehr großen Kunden. Kann sein, dass die Funktionalität genau die gleiche ist oder 80, 90 Prozent Überlapp hat und sich nicht grob unterscheidet, aber allein die Anzahl der Nutzer, die ich habe, den Wert, den ich stifte, auch die Vielfalt an Themen, die ich womöglich beim Kunden adressiere, ist bei einem großen Kunden wahrscheinlich größer als bei dem kleinen Kunden. So und von diesem Selling Price hängt natürlich ganz stark ab, da hatten wir glaube ich auch eine separate Folge zu, was für ein Vertriebsmodell ich darauf setzen kann. Also wenn es sehr, sehr günstig ist, dann kann ich nur Credit Card Sign Up zum Beispiel machen. Ich habe eine Marketingmaschinerie und dann kaufen die Leute per Kreditkarte. Bei 10.000 Euro kann man schon profitabel ein sogenanntes Inside-Sales-Modell umsetzen. Das funktioniert aber nur dann, wenn ich eine sogenannte High-Velocity hinbekomme. Also ein Vertriebsmodell, wo jeder Vertriebler nicht nur ein oder zwei Kunden pro Quartal gewinnen kann, sondern Dutzende. Also nehmen wir mal an, typische Quota sind 300.000, 400.000 Euro oder noch mehr zusätzliches ARR, Subscription Volume, pro Vertiebsmitarbeiter. Dann kann man sich ausrechnen, dass wenn ich 10.000 Euro Average Selling Preis habe pro Kunde, dann muss ich halt 30 bis 40 pro Jahr entsprechend zahlen, das heißt 10 im Quartal. Das schaffe ich nur, wenn ich wie gesagt so ein High-Velocity-Modell habe, wo ich auch manchmal bewusst die Zeit begrenze, wie viel Vertriebsaufwand stecke ich denn eigentlich auf einen Kunden. Da lohnt es sich nicht, ein riesiges Verkaufsteam zu involvieren. Also wenn ich bei so einem Verkaufspreis auch noch Produktmanager involvieren muss und noch Pre-Sales habe und noch den und noch jenen, dann lohnt sich das nicht mehr, dann ist es einfach nicht mehr profitabel. Sondern dort brauche ich Leute, die sehr, sehr schnell solche Opportunities qualifizieren, durchgehen, hat es dort eine realistische Chance. Und wenn es keine realistische Chance hat, in den nächsten sechs bis neun Monaten zu einem Deal zu führen, dann muss ich das auch wieder sein lassen und parken und wieder sozusagen in die Liste zurückstecken und dann mich auch einfach konsequent mit anderen Opportunities beschäftigen. Und wir hatten da so interessante Diskussionen bei uns auch intern. Ich gehe gerne zu den Vertrieblern und frage, wenn ein neuer Kunde gekommen ist, ja, was machen die denn eigentlich, was ist denn der Benefit für die und wie benutzen die das genau, wer sind die User, was haben die denn im ersten Monat erreicht und so weiter und so fort. Und ich war lange Zeit sehr frustriert, wenn die Leute mir gesagt haben oder sich herausstellte, sie haben eigentlich gar nicht so eine richtige Ahnung, was der Kunde so genau macht und mit der Software vor allen Dingen anstellt. Und dann habe ich angefangen, den Vertrieblern auch die Hausaufgabe zu geben, einfach viel, viel mehr sich dort reinzuarbeiten, viel, viel stärker noch rauszuarbeiten, was ist denn der konkrete Wert und wer sind die konkreten Leute? und so weiter und so fort. stellte sich heraus, dass wir damit den Vertriebsansatz künstlich verlangsamt haben. dass wir auf einmal weniger Kunden gewonnen haben, weil die Leute einfach viel, viel mehr Zeit darauf verwendet haben, genau diesen Kontext zu erforschen, all diese Recherche zu machen, zusätzliche Gespräche zu führen und so weiter. Zurück zu dem alten Modell, zu sagen, okay, für einen 10.000-Euro-Deal, was brauche ich da typischerweise? Da brauche ich eine Webdemo, die dauert 30 bis 60 Minuten und ich brauche vielleicht noch zwei oder drei Anrufe und dann muss die Bestellung aber auch da sein. Sonst ist es zu viel Arbeit. Wenn ich anfange, dort 10 Touchpoints zu haben oder 20, bis eine Bestellung kommt, dann lohnt es sich irgendwann nicht mehr. Weil ich halt auch die vielen, vielen Opportunities habe, die halt nicht konvertieren auf eine Bestellung. Wenn ich jetzt über ganz große Kunden rede, da habe ich einen ganz, ganz anderen Ansatz. Häufig hilft es auch, dem Vertriebler ganz bewusst nur ganz wenige Zielaccounts zu geben. Also man sagt dem Vertriebler, dein Jagdgebiet quasi sind genau folgende fünf Unternehmen. Nicht mehr. Wenn ich mir Unternehmen wie SAP angucke oder andere, da ist das Jagdgebiet häufig noch viel kleiner, dass sie nämlich sagen, du hast nur genau diese eine Firma, an die du verkaufen kannst. Oder nur diesen einen Teil der Firma, an die du verkaufen kannst. Da denkt man, das ist ja schon ziemlich extrem. Da beschneide ich die Person ja ganz schön. Aber eigentlich macht man da nämlich was Gutes, man tut dem Vertriebler den Gefallen, ihm genügend Zeit zu geben, sich wirklich tief in dieses Unternehmen einzuarbeiten. Man stelle sich vor, ich will Volkswagen zum Beispiel als Kunden gewinnen. Das ist ein Unternehmen mit Hunderttausenden von Mitarbeitern und ich habe gefühlt 50 verschiedene Einflugschneisen oder vielleicht 200 verschiedene Einflugschneisen, wie ich in diese Organisation reingehen kann. Wer ist für mich die Spannendsten? Ist es die Entwicklungsabteilung? Ist es die Einkaufsabteilung? Sind es die Shared Service Center? Ist es die Produktion in Tschechien? Ist es die Vertriebsorganisation in Amerika? Ist es MOJA, der neue Mobilitätsdienst in Hamburg oder wo die auch immer sitzen? Was ist meine Einflugschneise da rein? Wer sind meine Ansprechpartner? Wie komme ich dort vorwärts? Und ich muss quasi einen sehr strategischen Plan machen, wo ich glaube, am schnellsten Fuß zu fassen innerhalb dieses Konzerns, auch die schnellsten Ergebnisse und positive Wertschaffung für den Kunden zu erreichen, um dann direkt schon am zweiten und am dritten und am vierten und am fünften Szenario zu arbeiten. Wenn ich die erste Unterschrift schon bekomme, dann ist das natürlich ein schöner Moment, den Kunden gewonnen zu haben. Aber eigentlich ist das nur ein Zwischenmeilenstein und ich muss schon lange einen Pfad aufgezeichnet haben und mit dem Kunden gemeinsam entwickelt haben. Wo kommt die zweite Unterschrift her innerhalb der nächsten 30 oder 60 Tage? Wo kommt die dritte Unterschrift her? Wo kommt die vierte? Wo kommt die fünfte? Das heißt, wenn man mal so eine Analogie benutzen will, dann ist der sozusagen Large Account Vertriebler, eher so etwas wie ein Schachspieler, der schon immer drei, vier, fünf, sechs Züge im Voraus plant, sehr strategisch vorgeht. Wenn ich das erreicht habe, dann kann ich das machen. Wenn ich den Schritt erfolgreich gemacht habe, dann komme ich dort rein. Wenn ich den überzeugt habe, dann komme ich zu dieser Person vorgedrungen. Wenn ich diesen Use Case erfolgreich gemacht habe, dann habe ich ein super Referenzprojekt, um das zu machen. Während der Verkäufer für kleinere Deals ist er so wie der Jongleur. Der hat fünf Bälle oder zehn Bälle gleichzeitig in der Luft, die müssen in der Luft gehalten werden. Wenn der Ball anfängt, sich komisch zu verhalten, gut, dann lasse ich ihn runterfallen und nehme mir einen neuen Ball und jongliere mit dem weiter und versuche, ihn ins Ziel zu bringen. Und für den Jongleur, der muss halt zu jedem Zeitpunkt, nehmen wir mal an, Average Selling Price 10.000 Euro, Sein Ziel ist, im Quartal zehn Deals zu closen. Kann ich mir ausrechnen, ich habe einen durchschnittlichen Vertriebszyklus von sechs Monaten. Das heißt, ich muss zu jedem Zeitpunkt 60 Opportunities gleichzeitig in der Luft halten. 40, 50, 60, damit ich realistischerweise auf diese Zahl überhaupt kommen kann.
Joel Kaczmarek: Ich überlege gerade noch, was andere gute Bilder sein können. Also wir haben den Schachspieler, der die großen Kunden bearbeitet. Wir haben den Jongleur, der die kleinen bearbeitet. Dann hatten wir ja vorhin, wenn ich ein horizontales Produkt habe, bin ich eher der smarte, kreative. Wenn ich ein vertikales habe, bin ich eher der persistente. Vielleicht geht der Tennisspieler. Vertikal ist so ein Tennisspieler, der ist persistent. Der muss über drei Stunden auf dem Kord stehen, den Ball immer zurückhauen. Und der horizontale ist mehr so der Football-Spieler. Der muss irgendwie 50 unterschiedliche Züge im Kopf haben und wissen, wie der Gegner ist. Passt das? Ist gar nicht schlecht, oder?
Gero Decker: Ja, ist gar nicht schlecht. Oder der Persistente ist der Kletterer, der sozusagen keine Sekunde sich verschnaufen darf und immer aufwärts gehen muss. Und ich weiß ja nicht, was die beste Analogie ist.
Joel Kaczmarek: Was ist denn sonst aber so mit dem ganzen Faktor Persönlichkeitstyp? Also man würde ja eigentlich immer denken Ich höre ja manchmal hier gerne so Vertriebsoffensive von Dirk Kreuter und dann ist der mal ganz stolz und erzählt, er hat selbst irgendwie schon Türsteher irgendwie als Sales-Leute eingestellt, weil das ist irgendwie eine Typfrage. Du bist ein Verkäufer, du bist keiner. Man kann vieles lernen, aber es gibt manchmal einfach so Typen, die so eine Verkaufspersönlichkeit sind. Hast du so Prägungen, die du siehst, die Verkäufer als Typen irgendwie öfters haben, wo quasi, wir haben jetzt gehabt, das Produkt beeinflusst die Verkaufstypenart, das Kundensegment. Gibt es auch sozusagen natürlich den Menschen selber, der so die Typen vorgibt?
Gero Decker: Ich meine, so ein Grundzug ist, du musst eine gewisse Extrovertiertheit haben. Also wenn du Angst hast, mit Leuten zu sprechen oder dich unwohl fühlst, einfach auf Leute aktiv zuzugehen, dann wirst du wahrscheinlich im Vertrieb nicht glücklich. Das zweite ist, mit ständigen Niederlagen umgehen können. Die Leute werden dir ständig sagen, will ich nicht, brauche ich nicht, ist doof, das andere ist besser. Und wenn man sich davon zu schnell unterkriegen lässt, dann ist es einfach schwierig. Was ich aber auch gesehen habe, ist, dass Leute, denen quasi alles egal ist, die gehen rein, die geben ihr Bestes, ich kriege ein Nein, okay, next, ist egal, dass das auch schwierig ist. Also der Typ, der ein Stück weit auch persönlich verletzt ist, in dem Moment, wo jemand ihm sagt, ja, das ist aber total doof, So einen gewissen Schmerz musst du schon fühlen, weil sonst kämpfst du auch gar nicht hart genug. Also es darf dich jetzt nicht total fertig machen, dass du womöglich auch auf täglicher Basis Absagen und negative Rückmeldungen kriegst. Es darf dich nicht fertig machen, aber es darf dir auch nicht egal sein. Also irgendwie so ein gesunder Mix, sich dort voll zu identifizieren und ein Stück weit mitzuleiden, ist glaube ich doch ganz wichtig.
Joel Kaczmarek: Und sonst, ich habe ja auch manchmal erlebt, wenn jemand verkauft, gibt es so den einen, du sitzt da und machst sowas, was du machst, du hast so dein Meeting, hüpfst da mal in den Raum rein und sagst, okay Leute, an wie viel Opportunity arbeitet ihr gerade? Man ist ja sehr variabel, was jemand als Opportunity irgendwie definiert. Es gibt ja so den einen, der verkauft dir sozusagen den, den er schon nur noch als Prospekt quasi sich ausgeguckt hat als halbgemachten Deal, während andere eigentlich erst, wenn die Tinte schon quasi in den Füller gefüllt wird, darüber reden.
Gero Decker: Das ist ein ganz spannendes Thema, wenn es in Richtung Skalierbarkeit von einer Vertriebsorganisation geht. Ich habe immer diese unterschiedlichen Typen in Bezug auf, wie sicher bin ich mir eigentlich oder wie sehr jubel ich eigentlich schon sehr früh im Prozess. Die, die schon high fivend durch die Büroräume laufen, wenn gerade mal das Erstgespräch stattgefunden hat. Der Gegenüber mag total begeistert sein und so, aber ganz ehrlich, wenn ich mir so einen Vertriebsprozess angucke, der Deal ist halt noch nicht durch. nachdem ich ein tolles Erstgespräch geführt habe mit dem Kunden. Gerade wenn ich durchschnittlich Sales Cycle von mehreren Monaten habe, dann kann ich mich ganz stark darauf einstellen, dass es eine ganz, ganz lange Reise ist, bis ich zu so einer Bestellung komme. Freuen ist gut über die Fortschritte, die man macht. Aber jetzt ist die Frage quasi aus Makrosicht, Skalierbarkeit der Vertriebsorganisationen, Was brauche ich denn eigentlich? Und was ich brauche, ist eine Vergleichbarkeit in der Planung, eine Vergleichbarkeit im Forecasting. Weil sonst schaffe ich es als Organisation nicht, erstens eine Vorhersehbarkeit zu haben in meinem Modell, aber zweitens schaffe ich es auch nicht, Dinge vernünftig zu priorisieren. Es gibt gerade die, die sehr früh schon Erfolge vermelden. Das sind häufig auch die, die dann sämtliche Ressourcen innerhalb des Unternehmens auf sich vereinen und sagen, guck mal, das Ding ist super riesig und das ist so ein sicherer, cooler Deal. Aber wir müssen jetzt hier nochmal drei Leute draufwerfen, um den letzten Meter zu laufen und dann haben wir es geschafft. Und dann gibt es die ganz anderen, die sehr, sehr vorsichtig an solche Deals rangehen. Und man wundert sich im CRM-System, da ist irgendwie nichts erkennbar. Und die Opportunity entsteht quasi erst fünf Minuten oder eine Stunde, bevor die eigentliche Bestellung reinkommt. Und die sind dann vielleicht auch, präsentieren das dann ganz stolz und sagen, guck mal hier, ich habe einen totalen Überraschungsdeal gelandet. Guck mal, wie schnell ich das hier umgewandelt bekommen habe. In Realität waren die einfach sehr, sehr vorsichtig darin, was sie geforecastet haben. Deswegen die goldene Regel dort ist oder der Weg raus ist, ich muss eine sehr starke Standardisierung haben in meinem Vertriebsprozess, vor allen Dingen, wenn es um die Qualifizierung von Opportunities geht. Also wann, typischerweise rede ich über verschiedene Stages in dem Vertriebsprozess und es muss ganz, ganz klare Regeln geben, wann bin ich denn eigentlich in welcher Stage unterwegs. Zum Beispiel, erst wenn ich der präferierte Anbieter bin, Das heißt, der Kunde hat mir schon gesagt, wir wollen mit euch gehen, ihr seid der Chosen Vendor, erst dann darf ich in Stufe 4 zum Beispiel sein. Wenn ich diese Aussage vom Kunden noch nicht habe, sondern der immer noch sucht und der immer noch ein oder zwei andere Alternativen evaluiert, dann bin ich halt erst maximal auf Stufe 3. Oder erst in dem Moment, wo die Commercial Terms alle fertig gemacht sind und nur noch Vertragswerk ausgetüftelt werden muss oder nur noch die Bestellung ausgelöst werden muss. Vielleicht bin ich erst dann in Stufe 6 zum Beispiel. Und da muss ich eine ganz harte Standardisierung haben und auch jemanden haben, der ganz stark hinterher ist, sich anzugucken für jeden einzelnen Vertriebler, wo steht deine Pipeline eigentlich gerade? Und wie viel Luft ist da drin? Also für die, die die Dinge gerne mal überschätzen, wie viel ist sozusagen Inflated Pipeline? Und für die Leute, die immer sehr, sehr vorsichtig sind, wo sind die Opportunities oder die reiferen Opportunities, die du vielleicht bisher nicht als solche deklariert hast? Weil erst wenn ich diese Standardisierung über alle Vertriebler hinweg eingezogen habe, Erst dann kann ich zum Beispiel sagen, wo mache ich eigentlich wie viel Pre-Sales-Effort rein? Wo schicke ich mein Legal Team oder meine Vertragsexperten? Wo schicke ich die jetzt prioritär drauf? Wo schicke ich den CEO hin, um entsprechend Dinge in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen? Wo schicke ich meine Produktmanager oder sogar einen Entwickler hin? Weil dort, das sind alles Ressourcen, die knapp sind im Unternehmen. Und ich muss mir genau überlegen und sehr, sehr gut priorisieren, wo ich die reinstecke.
Joel Kaczmarek: Gut, wir fassen also zusammen. Es gibt bestimmte Charakterzüge, die ein Verkäufer sowieso haben sollte, sowas wie gerne verkaufen, kein Problem haben, mit Ablehnung. Es ist schon ein bisschen persönlich, wenn etwas nicht funktioniert, dann haben wir jetzt bestimmte Achsen schon mal definiert. Also das Produkt gibt vor, vertikales Produkt muss eher der Bergsteiger sein, eher persistent, horizontales Produkt durch großen Addressable Market, eher der smarte Footballspieler, der vielleicht viele Strategien irgendwie in der Pipe hat und schnell so ein Strategy-Book lernt, dann das Kundensegment, wo wir einmal den Jongleur hatten, der mit kleinen Kunden irgendwie in großer Zahl jongliert und den Schachspieler, der eher sozusagen das Mastermind ist, der die großen Accounts lange bearbeitet. So, und dann hast du gerade noch als letztes die beiden Faktoren, wie manage ich das, dass ich das standardisiert kriege, wenn du einerseits Leute hast, die eher sozusagen die Zurückhaltenden sind und andere eher die Inflator genannt hast. So, jetzt stellt sich ja die große Frage, wie erkenne ich diese unterschiedlichen Typen? Also wenn ich die vielleicht schon eingestellt habe, wie erkenne ich die bei mir in der Organisation und verteile sie um? Oder muss ich mich vielleicht von ihnen trennen? Oder wenn ich im Recruiting bin, woher weiß ich, ob jemand jetzt eher ein Jongleur ist oder ob er irgendwie eher der Inflator ist? Woran siehst du solche Eigenschaften?
Gero Decker: Also in den meisten Fällen stellt man ja Leute ein, die schon eine gewisse Erfahrung aus vorherigen Jobs mitbekommen. Da kann man sich einfach sehr genau angucken, wie haben sie eigentlich vorher gearbeitet, was für Produkte haben sie vorher verkauft. Man kann sich durchführen lassen, wie sieht eigentlich so ein Vertriebsprozess aus, wie sehen die einzelnen Stufen aus. Aus deren Einschätzungen, was glauben Sie, womit Sie besonders erfolgreich oder nicht erfolgreich waren in der Vergangenheit. Da bekommt man das schon relativ schnell raus. Zum Beispiel, man lässt sich mal durch ein Beispiel durchführen, wie hat so ein Vertriebsprozess stattgefunden, mit wie vielen Leuten hatte ich es denn eigentlich zu tun, sowohl auf Kundenseite als auch auf der eigenen Seite. Wenn man dort jemanden hat, ja, ich habe alles von Start bis Ende alleine gemacht und beim Kunden, da hatte ich diesen Champion, das hat super funktioniert und Folgende drei Schritte habe ich mit dem unternommen und dann habe ich die Bestellung bekommen. Okay, dann habe ich jemanden, der ist eher für so ein High-Velocity-Modell wahrscheinlich geeignet und eher so ein Jongleur. Wenn ich jemanden habe, der mir erzählt, guck mal und dann habe ich mir folgenden Plan gemacht und dann habe ich erst mit folgenden drei Leuten und dann mit den nächsten drei Leuten und so, dann habe ich eher diesen Schachspieler. Wenn jemand eher über vertriebstaktische Themen oder über Preisnegotiation zum Beispiel sich ganz stark darauf fokussiert, dann hat man häufig eher jemanden, der auf diese eher vertikalen Vertriebsszenarien spezialisiert ist. Wohingegen, wenn jemand eher darauf Wert legt zu sagen, wie man gemeinsam mit dem Kunden eine Lösung definiert hat, wie hinterher das Produkt oder die eigene Dienstleistung eingesetzt werden kann, dann hat man womöglich jemanden vor sich sitzen, der eher so einen für so ein horizontales Modell geeignet ist. Aber vor allen Dingen auch, was haben die für Produkte vorher verkauft? Wenn das jemand ist, der hat vorher, keine Ahnung, einen Ersatz für ein Post-Ident-Verfahren verkauft, ja gut, das ist halt super nischig. Da kann ich auf diese vertikalen Szenarien schießen. Wenn ich jemanden habe, der hat eine, keine Ahnung, eine Plattform as a Service verkauft, der wird sehr wahrscheinlich sehr viel breiter verkauft haben müssen, weil es einfach nicht so Standard-Playbook-mäßig verkaufbar ist.
Joel Kaczmarek: Kann man Typen umerziehen? Also ist jemand, der in seiner Vergangenheit eher persistenter Verkäufer war, auch tauglich smarter Verkäufer zu werden, vice versa? Oder sagt die Erfahrung, du bist sozusagen, was du bist und das lässt sich schwer umerziehen?
Gero Decker: Da fehlen mir die Erfahrungspunkte, das kann ich nicht genau abschätzen. Was ich sagen kann, ist, dass dieses Thema, auf welche Kundengröße bin ich eigentlich fixiert, dass das typischerweise ein Karrierepfad ist. Also wenn ich in der Vertriebskarriere anfange, dann gibt es häufig solche Rollen wie Business Development Representative als quasi Einstiegsposition in die Vertriebskarriere, wo ich Lead-Qualifizierung mache und mit Kunden oder potenziellen Kunden einfach in hohem, hohem Volumen umgehe. Dann quasi als Entwicklungsschritt werde ich zu einem Inside-Sales-Mitarbeiter. wo ich Dinge experimentieren kann, wo ich mich selber ausprobieren kann, wo ich einfach ein höheres Volumen an Kunden habe, selber mal austesten kann, wo fühle ich mich wohl, wo komme ich schneller zum Ziel, aber wo es auch wiederum nicht ganz so schlimm ist, wenn mal eine Opportunity schief geht. Warum auch immer. und man dann einfach daraus lernen kann. In dem Moment, wo ich so ein Large Account Seller werde, da muss ich halt einfach schon sehr, sehr erfahren sein und so die typischen Anfängerfehler vermeiden, weil ich habe einfach nur einen relativ eingeschränkten Spielraum, den ich habe, ein eingeschränktes Feld, auf dem ich spiele, wo ich halt auch keine Erde verbrennen kann oder wo ich es mir nicht leisten kann, dass ich suboptimal in gewissen Bereichen
Joel Kaczmarek: arbeite. Hervorragend. Das macht mir immer viel Spaß. Das ist faszinierend, was bei dir eigentlich alles an Erfahrungen rausfällt und wie du das so strukturiert kriegst. Ich sehe schon, wir müssen irgendwie mal dein Playbook machen, so eine Gero-Sales-Bibel oder sowas in der Art. Werde ich dich mal hier weiter bearbeiten. Aber in diesem Sinne, vielen, vielen Dank. Ich glaube, jetzt kann irgendwie jeder sich ein bisschen besser vorstellen, welche Typen es gibt und ich freue mich schon sehr aufs nächste Mal mit dir.
Gero Decker: Ich mich auch. Bis zum nächsten Mal. Ciao. Tschüss.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Sales: Ka-Ching! Hier kommt dein Pflichtprogramm, wenn du verstehen möchtest, wie (B2B-)Sales funktioniert. Gemeinsam mit diversen Gästen hebt Joel deine Fähigkeiten im Vertrieb anhand vieler Beispiele und konkreter Tipps auf ein neues Level.