Die verschiedenen Rollen im B2B-Sales

21. Februar 2017, mit Joel KaczmarekGero Decker

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TAOS 2 - Rollen im Sales Autor: Digital kompakt **** Vorstellungsrunde und Einführung in Thema **** **Joel Kaczmarek: **Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von The Art of Sales von Digital kompakt. Gero, wer bist du und was machst du?

Gero Decker: Ich bin** **Gründer und CEO von Signavio, einer B2B SaaS Company aus Berlin. Wir bedienen mittelgroße und große Unternehmen und helfen ihnen, Veränderungen und Prozesse zu bewältigen, sowie Prozesse zu optimieren.

**Joel Kaczmarek: **Also ich spiele einmal den Übersetzer. B2B heißt, er richtet sich an Geschäftskunden -Business to Business. Und SaaS heißt Software as a Service. Er verkauft also eine Software, die sich übers Internet beziehen lässt. Heute wollen wir uns folgender Frage widmen: Welche Rollen gibt es eigentlich im Sales? Denn gerade im Firmenkundenbereich ist das etwas komplizierter, als man vermuten würde. Viele haben vielleicht diesen fliegenden Begriff des Sales Reps schon einmal gehört. Aber da gibt es ja noch ein paar andere Rollen. Wir wollen heute darüber sprechen, was solche Personen tun, was sie für einen Background haben, wie man sie findet, worauf man achten muss und wie viel Erfahrung so jemand haben sollte, wobei wir anschließend zu erklären versuchen, wie ein Vertriebsprozess strukturiert ist. Einer der Begriffe, die ich heute schon kennen gelernt habe, ist Hunting vs. Farming. Das heißt, manche Kunden muss man jagen und manche muss man ernten. Gero, wie würdest du anfangen, Rollen in der Sales-Organisation zu erklären?

**Gero Decker: **Die ganz zentrale Rolle im Sales ist tatsächlich der Sales Rep. Andere Namen dafür wären so etwas wie ein Account Executive oder Account Manager. Das ist im Prinzip die zentrale Vertrauensperson, die zentrale Kontaktperson zum Kunden hin. Also sozusagen das eine Gesicht, das uns als Software-Unternehmen vertritt und sozusagen für alle Sorgen und Nöte die zentrale Anlaufstelle darstellt. Er betreut den Kunden entlang des ganzen Vertriebsprozesses, also typischerweise vom ersten Kontakt an. Sehr früh, von den ersten Kontakten bis zur Bestellung und manchmal sogar darüber hinaus, ist er der, der die Fäden zusammenhält. Aber in einer Vertriebsorganisation, gerade wenn sie größer wird, gibt es noch eine ganze andere Reihe wichtiger Rollen. Es gibt natürlich das Marketing Team, das hoffentlich Interesse im Markt kreiert, so dass man über einen White Paper Download [White Paper = Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, das eine Übersicht über Leistungen, Standards und Technik gibt], über ein Display, über eine Trialversion oder über ein Event, das man veranstaltet, irgendwie auf den Softwareanbieter aufmerksam wird und das sozusagen ein Lead erzeugt [Lead-Generierung = Herstellung erfolgreichen Kontaktes zwischen Interessenten und Unternehmen]. Dann gibt es die Rolle der BDR's, Business Development Representatives, oder manchmal auch Sales Development Represetatives genannt. Das sind juniorige Leute, die auch sehr früh in einem Vertriebsprozess involviert sind. Es gibt Pre Sales, es gibt Legal, also die Leute, die hinterher mit den Verträgen zu tun haben. Aber es gibt auch noch andere Rollen, wie zum Beispiel den Produktmanager, den Customer Success Manager und auch den Sales Leader.

Was macht ein Sales Rep? **** **Joel Kaczmarek: **Bevor wir uns durch die unterschiedlichen Level durchhangeln, gehen wir vielleicht nochmal etwas auf den Sales Rep ein, weil der so der Dreh- und Angelpunkt von allem ist. Was ist das typischerweise für ein Typ? Denn wenn du mir sagst, dass das eigentlich die Person ist, die den Kunden die ganze Zeit managt, ihn nurtured, wie man ja so neudeutsch sagt, also ihn anreichert und die eigentlich die zentrale Position ist, dann denkt man ja erst mal, das das eine sehr seniorige, sehr erfahrene Person sein muss, die wahrscheinlich auch sehr viel zwischenmenschliches Feingefühl hat. Wie muss man sich das vorstellen? Was muss der können, was hat der für einen Background, was studieren solche Leute? Denn im Sales hast du ja sonst auch immer viele Quereinsteiger. **** Gero Decker: Ganz wichtig bei Sales Reps ist, dass sie ambitioniert sind, dass sie hungrig sind, dass sie etwas erreichen wollen. Das sind Leute, die kein Problem mit ambitionierten Zielen haben, die monetäre Anreize gut finden. Abschluss-orientiert wäre so ein anderer Begriff. Sie haben sozusagen immer die Bestellungvor Augen und arbeiten auf diese hin. Ob diese Person zwangsläufig seniorig sein muss, kommt zum einen darauf an, mit wem man es beim Kunden zu tun hat. Es kommt aber ebenso darauf an, wie viel Guidance oder Führung ich als Organisation anbieten kann. Wenn icheher juniorige Leute habe, dann muss ich sie womöglich mehr anleiten, mehr an die Hand nehmen. Wenn ich aber beispielsweise ein neues Land erobern möchte, wie etwa Skandinavien, wo ich überhaupt nur ein oder zwei Leute im Land sitzen habe, dann ist man häufig besser damit bedient, dort jemand seniorigen einzusetzen, weil er eigenmotiviert arbeiten und sich dort seinen Tag selbst gestalten kann. **** **Joel Kaczmarek: **Was hat so jemand studiert? Hat der überhaupt studiert?

**Gero Decker: **Manchmal haben Vertriebler nicht studiert. Die meisten Vertriebler, die ich kenne, haben studiert. Ich sag immer, das was der Vertriebler im Studium lernt, sind gute Manieren. Und sich über Themen auch vernünftig mit den Leuten unterhalten zu können. Beim Sales geht es immer um Menschen. Auf der Kundenseite muss ich Menschen überzeugen. Ich muss keine Maschinen überzeugen, sondern ich muss einen guten Eindruck hinterlassen und Vertrauensbeziehungen aufbauen. Und deshalb sind das häufig sehr kommunikative, eher extrovertierte Menschen, die Spaß daran haben, rauszugehen. Viele haben BWL studiert, aber auch alles mögliche andere. Es ist nicht so, dass ich im Studium Vertriebs-Skills lerne. **** Wie findet man einen guten Sales Mitarbeiter? **** **Joel Kaczmarek: **Wenn du dir jetzt die Bewerbungen für eine ausgeschriebene Stelle anschaust, worauf achtest du da im Lebenslauf? **** **Gero Decker: **Auf das, was er vorher gemacht hat. Bei juniorigen Leuten ist es immer ein gutes Zeichen, wenn sie in der Vergangenheit harte Jobs gemacht haben. Dass sie beispielsweise mal im Call Center gearbeitetoder dass sie für Amnesty International Abonnements auf dem Breitscheidplatz vertickert haben. Dass sie in der Vergangenheit schon mal Sales-Erfahrungen gemacht haben, bei denen sie idealerweise auch dieAufgabe hatten, Produkte zu verkaufen, die schwierig an den Mann zu bringen sind. Finanzprodukte wären so ein Klassiker. Wenn man durch eine solche Schule durchgegangen ist, ist man zumindest abgehärtet und wird von 20 mal Nein am Tag nicht aus der Bahn geworfen. Anders als in den USA gibt es in Deutschland nicht so wahnsinnig viele große und erfolgreiche B2B-Software-Unternehmen. Deswegen kann man nicht ganz aus dem Vollen schöpfen. Wenn ich beispielsweise in den USA ein Service-Unternehmen habe, dann suche ich mir Leute, die in den letzten fünf Jahren nichts anderes als SaaS-Vertrieb gemacht haben. In Deutschland gibt es gar nicht genug Firmen, um das zu realisieren.

Und das Zweite ist, wie die Performance in den vorherigen Jobs war. Manchmal gibt es Leute, die eher aus der Beratungsschiene oder Professional-Services-Schiene kommen. Da muss man sich immer genau angucken, ob die eigentlich eher Spaß an dem Abschluss oder ob sie eher Spaß am Erklären haben. Wenn sie eher Spaß am Erklären haben, gibt es auch Produkte, bei denen das ganz stark im Vordergrund stehen muss und der Abschluss sozusagen von ganz alleine kommt. Aber Leute, die zu viel Spaß am Erklären haben, kommen häufig gar nicht zum Abschluss.

**Joel Kaczmarek: **Woran erkennst du, wie gut ein Bewerber wirklich ist?

**Gero Decker: **Das ist eine grundsätzliche Beobachtung. Wenn ich bei einem Bewerbungsgespräch sitze und ich nicht total beeindruckt von dem Menschen bin, dann sollte ich ihn auch nicht einstellen. Denn wenn ich nicht beeindruckt bin, dann wird der Kunde wahrscheinlich auch nicht beeindruckt sein. Man muss eigentlich - viel stärker als in anderen Rollen - geflasht sein von der Person, die da vor einem sitzt. Aber auf die jeweilige Vergangenheit bezogen, gibt es natürlich die Möglichkeit, das einfach zu erfragen: Was war dein Quota in der Vergangenheit? Wie stehst du dort? In großen Organisationen gibt es häufig so etwas wie einen President's Club oder Winners Circle, wo die besten fünf oder zehn Prozent aller Mitarbeiter ausgezeichnet werden. Wenn die Leute da zwei, drei Jahre dazu gehört haben, ist das ein super Zeichen.

Die Aufgaben eines Sales-Mitarbeiters **** **Joel Kaczmarek: **Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade die Zielgruppe im Softwarebereich relativ komplex ist. Wenn man an CIO's [=Leiter Informationstechnik] verkauft, ist das etwas völlig anderes, als wenn man im Versicherungs- oder Finanzbereich etwas verkauft. Wie kannst du denn bei einem Sales Rep eigentlich sicherstellen, dass er per se mit dieser Zielgruppe klarkommt?

**Gero Decker: **Vertriebler sind auch durchaus für eine ganze Bandbreite von Szenarien gut geeignet, wenn sie zwei Dinge mitbringen: Sie müssen zum einen schlau sein. Sie sollen auf der Kundenseite ja als Experten wahrgenommen werden. Du repräsentierst das Unternehmen und auch alles, was das Unternehmen zu bieten hat. Das muss der Vertriebler glaubhaft beim Kunden präsentiert bekommen. Außerdem muss es einer sein, der gut mit einer ganzen Bandbreite verschiedener Charaktere zurechtkommt.

**Joel Kaczmarek: **Muss man denn eigentlich Angst haben? In Deutschland war ja gerade Groupon [= US-amerikanisches Unternehmen, das diverse Websites mit Rabatt-Angeboten betreibt] so das Thema. Muss man sich, wenn man so eine Organisation aufbaut, Gedanken machen, dass man bei diesen Sales Reps Gefahr läuft, dass das so eine Art Söldner sind, die nicht so richtig nachhaltig sind?

**Gero Decker: **Das ist eine Kultur, die man als Unternehmen natürlich prägt und das ist die Frage, was für Abschlüsse ich als Unternehmen suche und wie ich incentiviere [=Anreize schaffen]. Ich denke, dass das häufig eher mit dem sozialen Umfeld des Unternehmens, als mit einer Charaktereigenschaft einer Person zu tun hat. Aber du sprichst einen guten Punkt an. Groupon war insofern ein Segen für das Berliner Ökosystem, weil in solchen Unternehmen auf das Thema Sales bezogen durchaus gute Dinge gelehrt wurden. Ich heiße jetzt nicht alles gut, aber dort wurde zum ersten Mal richtig Wert auf das Thema Sales gelegt. Wir haben auch Kollegen, die aus diesem Daily Deals-Umfeld kommen. High Velocity Sales.

**Joel Kaczmarek: **Was heißt das?

**Gero Decker: **Bei diesen Groupon-Modellen war es ja so, dass ich häufig Abschlüsse innerhalb des gleichen Tages oder innerhalb einer Woche machte. Ich ging zum Massage-Salon, erklärte denen das und abends hatte ich schon die Unterschrift. Das ist natürlich eine besondere Art und Weise und funktioniert auch nur bei solchen kleinen Kunden. In komplexeren Vertriebssituationen geht das nicht. Gerade bei Software Sales redet man meistens über Monate andauernde Sales Cycles. Da kann ich weder den Kunden über den Tisch ziehen, noch kann ich ihn irgendwie zu etwas drängen.

Was machen Marketing und Pre Sales?

**Joel Kaczmarek: **Gut. Dann gehen wir mal auf die Brückendisziplinen, die du gerade schon angesprochen hattest, ein. Marketing war ja zum Beispiel so ein Bereich. Was sind das für Typen, was haben die für eine Aufgabe? Wie muss ich mir das vorstellen?

**Gero Decker: **Marketing ist typischerweise in verschiedene Bereiche unterteilt. Das, was für den Sales-Bereich am spannendsten ist, ist das Thema Field Marketing. Das sind die, die in den Regionen in den Zielsegmenten direkt mit den Vertriebskollegen arbeiten. Je nachdem, was für Spielarten man dort hat - wenn man beispielsweise viel über Events macht - sind das einfach Leute, die Spaß daran haben, zu organisieren und dort Events auf die Beine stellen, zu denen die Leute hinkommen und wo sozusagen das Interesse geweckt wird. Wenn es eher Content Marketing ist, dann ist das eine ganz andere Spielart. Das heißt, je nachdem, welchen Kanal man dort bespielt, sind das die unterschiedlichsten Disziplinen aus dem Marketing. Es geht darum, bei den Vertriebskollegen kontinuierlich Interesse zu wecken. Denn wenn der Abschluss naht, entwickeln die irgendwann einen Tunnelblick. Dann gibt es links und rechts, bis auf diese Opportunity nichts mehr. Das ist bei Marketing nicht so. Dort geht es darum, konstant Interesse zu wecken, meine Bekanntheit am Markt kontinuierlich zu steigern und dauerhaftmit den Leuten ins Gespräch zu kommen und sie auf das eigene Angebot zu lenken.

**Joel Kaczmarek: **Und im Vergleich dazu Pre Sales? Das war ja auch so eine der Rollen, die du angesprochen hattest. Das klingt erst einmal relativ ähnlich, dass jemand sozusagen Sales macht, bevor dann der eigentliche Sales Rep reingeht. Oder ist das falsch interpretiert?

Gero Decker: Der Name Pre Sales kommt daher, weil sie vor der Bestellung involviert sind. Pre sales im Gegensatz zu Post Sales. Nein, Pre Sales sind technische Leute, typischerweise mit dem Hintergrund Wirtschaftsinformatik, Informatik, die das Produkt sehr, sehr gut kennen. Die aber auch sehr kommunikativ sind, die sich in das Szenario des Kunden eindenken können. Die häufig einen kleinen Prototyp zur Verfügung stellen, indem sie das Produktauf das Szenario des Kunden hin darstellen oder ein kleines Beispiel präsentieren. Das sind die, die auch die ganz detaillierten Fragen zum Produkt beantworten können. Wie kann ich das in meine Single-Sign-On-Infrastruktur einbinden? Wie funktioniert zur Not auch der API-Zugriff? Wie kann ich das System konfigurieren? Was auch immer an technischen Fragen aufkommt. Wenn Unternehmen Ausschreibungen machen und sozusagen einen strukturierten Anforderungskatalog rausschicken, dann sind es häufig die Pre-Sales-Kollegen, die durch diese ganzen detaillierten Fragen durchgehen und die im Prinzip das Produkt-Know-how haben. Und dann gibt es eben je nach Modell eine Ratio, wie viele Pre-Sales-Kollegen ich eigentlich pro Sales-Kollegen brauche. Im klassischen B2B-Software-as-a-Service-Bereich findet man häufig eine Ratio von drei zu eins oder vier zu eins. In Extremfällen mal zwei zu eins. Drei zu eins heißt, dass auf drei Sales Reps ein Pre Saler kommt. Die teilen sich sozusagen diesen Pre Saler und können über seinen Kalender verfügen und ihn dann beispielsweise zu Web Meetings, vor Ort Terminen oder Workshops hinzuziehen.

**Joel Kaczmarek:**Also ist Pre Sales im Prinzip eine Person, die einen Expertenstatus in der Tiefe besitzt.

**Gero Decker: **Genau. Diejenigen, die alles, was es rund um das Produkt zu wissen gibt, wissen.

Wa ist die Aufgabe eines Business Development Represantative (BDR)? **** **Joel Kaczmarek: **Gut, also haben wir Marketing, das die Nachfrage reinholt, das die Leads bringen soll. Dann hatten wir jetzt schon die Vertiefung mit dem Pre Sales, dann den, der den Prozess übergreifend managt, den Sales Rep. Jetzt hatten wir auch das Thema BDR bzw. Business Development Representative. Was macht so eine Person?

**Gero Decker: **Die können in zwei Richtungen laufen. Einmal sind die typischerweise an Bord, um eine sogenannte Lead-Qualifizierung zu machen. Wenn ein Lead reinkommt, zum Beispiel über einen White Paper Download, dann schauen sich die BDR's das an und qualifizieren über einen Fragen- bzw. einen Kriterienkatalog, ab wann so ein Lead eigentlich spannend ist. Die machen womöglich Hintergrundrecherche, stellen dort Informationen zusammen, die ich einfach über Linked-In oder Google beziehen kann. In den meisten Fällen sind das aber auch die, die dann den ersten persönlichen Kontakt mit dem Kunden haben. Die anrufen und sich Problemstellungen oder das Szenario vom Kunden erklären lassen und vielleicht schon mal in die eine oder andere Richtung Informationen geben können. Oder wenn sich der Kunde ganz speziell für ein Thema interessiert, kann er womöglich schon mal auf ein Dokument, ein Fact Sheet, ein White Paper oder auf ein Video hinweisen. Und der Übergabepunkt zwischen BDR und Sales Rep ist im Prinzip dann, wenn der Lead zu einem so genannten Sales Qualified Lead geworden ist. Das bedeutet also eine relevante Zielgruppe, eine relevante Geographie, ein relevantes Ziel-Unternehmen. Und dass tatsächlich konkretes Interesse und das Potenzial besteht, dass dabei eine Bestellung herauskommen könnte. Das ist die eine Funktion.

**Gero Decker: **Die andere Funktion, die BDR's oder SDR's häufig haben, ist - zusätzlich zum Marketing, das ja ein Inbound-Kanal ist, wo Leute auf einen zukommen - auch Outbound-Aktivitäten durchzuführen. Das heißt, da hat man typischerweise Account-Listen oder Target-Listen von Unternehmen oder Personen, die für einen besonders spannend sind und die BDR's versuchen dann, an diese Kollegen heranzukommen. Also sei es, die Person über Linked-in oder auch per Telefon zu kontaktieren. Das heißt gezielt Leute, bei denen man vermutet, dass sie für einen sehr spannend sind, zu adressieren und dann herauszufinden ob sie sich für das Thema interessieren und ob sie bereit sind, sich - ob virtuell oder persönlich - mit dem eigenen Sales Rep dort zu treffen. Und dort ist dann häufig der Übergabepunkt so eines SQL's, Sales Qualified Leads. Dass man ein initiales Meeting vereinbart und das sozusagen entsprechend vorqualifiziert hat.

**Joel Kaczmarek: **Was für Typen sind das, die man sich für so eine Stelle rekrutiert?Wenn die einerseits als eine Art Filter fungieren und andererseits trotzdem Kunden anfüttern. Das hört sich ja einerseits ein bisschen nach Experte an, andererseits aber schon nach etwas in der Richtung, was auch ein Sales Rep mitbringt.

**Gero Decker: **Typischerweise ist das die erste Stufe auf einem Sales-Karrierepfad. In den USA ist es sehr etabliert, dass ich die ersten 12, 18, 24 Monate in so einer BDR-oder SDR-Rolle verbleibe. Und wenn ich dann einen gewissen Reifegrad erreicht habe, dann wandere ich im Vertriebsprozess weiter. Dass ich irgendwann selbst die ersten Meetings übernehme bis dahin, dass ich tatsächlich zu einem Sales Rep werde, der bis zur Bestellung gehen kann. Der dann sozusagen Quota Carrier wird. Auch in Berlin sieht man dieses Modell häufiger, dass Leute das am Start ihrer Berufslaufbahn für ein, zwei, maximal drei Jahre machen. Dieser Job ist sehr anstrengend, gerade wenn ich Outbound-aktiv bin. Das kann man nicht auf ewig machen. Deshalb ist es, wie gesagt, häufig ein Einstiegspunkt bevor es dann irgendwann in der Karriere weitergeht.

**Joel Kaczmarek: **Und warum macht so jemand aktives Outbounding, wenn man eigentlich ein Marketing hat, das mir ja eigentlich schon die Inbound-Anfrage reinholt? Warum schickt man jetzt zusätzlich noch mal Leute raus, die aktiv versuchen, Leute reinzuziehen?

**Gero Decker: **Früher war es noch viel verbreiteter Outbound rauszugehen. Jetzt mit dem Web, wo sich die Leute sehr stark informieren, würde ich behaupten, dass Inbound in letzter Zeit relevanter geworden ist. Warum mache ich Outbound? Naja, ich will einfach meinen Lead Funnel [= Salesfunnel = Verkaufstrichter] vorne möglichst groß ziehen und manche der Leute, die für mich spannend sind, gehen womöglich nicht aktiv auf die Suche oder wissen manchmal gar nicht, dass es diese Produktkategorie gibt. In den USA sehen wir das sehr häufig, dass wir mit Leuten in Kontakt kommen, mit ihnen über ihre Probleme und Herausforderungen reden und die uns dann sagen "Oh ich wusste gar nicht, dass es Software für so etwas gibt". Die würde ich mit einem Inbound-Modell womöglich nur sehr schwer erreichen. Outbound ist einfach eine gute Ergänzung. In Software-Unternehmen sagt man typischerweise, dass es irgendwann auf ein 50/50 Modell hinausläuft. 50 Prozent kommt Inbound. 50 Prozent kommt über Outbound.

Der Ablauf eines Sales Cycles **** **Joel Kaczmarek: **Gut. Dann haben wir ja schon mal ein Bild bekommen. Du hast gesagt, dass das eigentliche Ziel darin besteht, dass man Inbound und Outbound beide mit 50 Prozent austariert bekommt. Und mit Funnel ist eigentlich wortwörtlich ein Trichter gemeint, das heißt man hat vorne das Marketing, das versucht, für alle interessierten Nutzer Materialien zu schaffen und eine Welt zu kreieren, die Interesse generiert. Und du hast die BDR's, die das Gleiche machen, indem sie aktiv auf den Kunden zugehen. Dann den Sales Rep, der das ganze Thema irgendwann übernimmt, wenn man merkt, dass sie qualifiziert genug sind und der greift auf so eine Pre-Sales-Person zurück, die die Dinge nochmal in der Tiefe erklären kann, wenn es jetzt beispielsweise um IT-Aspekte geht. Ist das sozusagen das, wie der Prozess strukturiert ist? Kann man sich das so vorstellen?

**Gero Decker: **Den Prozess kann man natürlich noch beliebig ausdetaillieren. Die spannende Frage sind tatsächlich die Rollen und die Übergabepunkte. Also Marketing zu BDR oder Marketing zu Sales Reps ist ein sogenannter Marketing Qualified Lead. Heutzutage nimmt man da häufig so ein Scoring Modell, dass man sagt, ein White Paper Download ist noch nicht spannend genug, um mit dem potenziellen Kunden zu reden, aber wenn er sich drei White Papers gedownloaded und ein Video angesehen hat, wird es spannend. Oder wenn ich ihn auf einem Event oder auf einem Kongress getroffen habe, gehe ich direkt auf ihn zu. Das ist der Marketing Qualified Lead, wo ich solchen Score häufig voll automatisiert ermittle. Dann der Übergabepunkt BDR-Sales Reps, den Sales Qualified Lead. Wenn ich viel mehr Inforationen und idealerweise eine Verkaufschance habe. Der Pre Sales wird nicht in allen Fällen eingebunden.

**Joel Kaczmarek: **Kannst du vielleicht den Unterschied zwischen SQL und MQL, also Marketing Qualified Lead und Sales Qualified Lead nochmal erläutern?

**Gero Decker: **Marketing Qualified Lead ist, wenn ich über die Aktivität der Person ein gewisses Mindestmaß an Interesse festgestellt habe. Aber es gibt eben häufig die Leute, die einfach so im Window Shopping Mode sind. Die gucken sich einfach mal an, was es so da draußen gibt, um auf dem aktuellsten Stand zu bleiben. Zum SQL wird es eigentlich dann, wenn die Leute so langsam anfangen, eine Timeline zu haben und anfangen, über Budgets nachzudenken und sagen "Hey, ich habe ein konkretes Projekt, dafür brauche ich etwas" oder idealerweise "in den nächsten sechs Monaten muss ich mir auf jeden Fall etwas ausgesucht haben". Wenn ich einen SQL habe gibt es typischerweise das Initial Meeting. In Amerika heißt das häufig Executive Overview, das ist ein etwa 30 bis 60 Minuten langes Orientierungs Gespräch, bei dem man herausfindet, was die ganz konkreten Problemstellungen sind und um welche Projekte es sich handelt. In diesem Gespräch werden im Prinzip drei Fragen beantwortet. Einmal "why change?", das heißt, den Kunden dazu zu bringen, tatsächlich etwas tun zu wollen. Dann das "why now?", in dem Sinne, dass auch jetzt etwas getan werden muss und nicht erst zwei oder drei Jahre gewartet wird. Und dann sozusagen "why vendor x?", wenn ich schon mal einen ersten Pointer platziert bekommen habe und der Kunde das Gefühl hat, dass ich derjenige bin, der ihm bei seinen Problemen helfen kann.

**Gero Decker: **Das mündet dann typischerweise in einen In Depth Termin, das heißt einer Product Demo, bei der man sich das Produkt m Detail anguckt, wobei es häufig auf den Newscase oder das Problem des Kunden zugeschnitten ist. Das wiederum führt dann idealerweise über zur initialen Preis Diskussion oder Seizing-Fragestellungen. Also wenn ich beispielsweise erst mit 30 Leuten anfangen möchte, die dieses und jenes tun sollen und ich folgende Funktionen dafür brauche, da kommt man dann sozusagen in die Fragestellung rein, ob wir das produktseitig bieten können und ob wir einer Range sind, in der wir ungefähr align sind. Das heißt, dass dort dann gewissermaßen ein Quote [= konkretere Preisschätzung im Gegensatz zur Price Indication] oder zumindest eine Price Indication [= Vorstufe zur Quote] herauskommt. Die nächste Stufe ist dann, dass ich zum sogenannten Vendor of Choice werde. Meistens gibt es ja mehrere Optionen, die der Kunde evaluieren kann.

**Gero Decker: **Das heißt, der Schritt bedeutet dann, dass ich das Commitment vom Kunden haben möchte im Sinne von "Wenn wir uns kommerziell und vertraglich einig werden, dann nehmen wir euch. Ihr seid der favorisierte Anbieter und an dieser Stelle müssen wir uns nur noch einigen". Der nächste Schritt ist, tatsächlich in die detaillierten, kommerziellen Verhandlungen hineinzugehen und die letzten Details nochmal durchzugehen. Und dann, auf die vertragliche Seite bezogen, geht man als Vendor natürlich immer mit Standardvertragsdokumenten rein und hofft, dass das genauso übernommen wird. Aber gerade bei großen Kunden ist es so, dass sie doch ihre eigenen Vorstellungen haben, zu welchen Bedingungen sie einkaufen.

**Gero Decker: **Das heißt, dort gibt es dann das klassische Redlining. Idealerweise schickt man denen seine eigenen Vertragsdokumente und die redlinen das im Sinne einer Angabe von Änderungswünschen. Dann schaut im Anschluss das eigene Legal Team drüber, was davon akzeptabel ist. Oder, im für den Anbieter schlechteren Fall, kommt der Kunde mit einem eigenen Vertragswerk und sagt beispielsweise, dass das sein Standardvertrag für den Einkauf von Software ist, von dem er ausgehen möchte. Dann nimmt der Anbieter das Redlining vor. Danach kommt man zu einem Verbal Commitment, das heißt, dass man sich sowohl vertraglich als auch kommerziell einig ist und gekauft werden kann. Aber zuvor muss das noch durch eine Approval-Runde geschickt oder die Unterschrift intern abgeholt werden. Das kann in manchen Fällen nochmal mehrere Wochen dauern, bis man von diesem Verbal Commitment dann tatsächlich zu der Issued Purchase Order [= Bestellung, Auftragsbestätigung] kommt.

**Joel Kaczmarek: **Bei den ganzen Begriffen merkt man, dass das ganze sehr anglophil geprägt ist...Kannst du uns mal ein Gefühl geben, wie lange welche von den Phasen so in etwa dauert?

**Gero Decker: **Die wichtigste Zeit, die gemessen wird, ist typischerweise von einem MQL oder von einem SQL bis hin zu einer Purchase Order. Das ist der klassische Sales Cycle. Und der liegt, wenn man richtig, richtig, richtig schnell unterwegs ist, bei zwei bis drei Wochen. Aber da gibt es wirklich sehr wenige B2B-Firmen, die solche Sale Cycles haben. Im Extremfall liegt die bei ein bis zwei Jahren. Wenn man gut unterwegs ist, liegt man irgendwo bei vier bis sechs Monaten, würde ich sagen. Dass es von einem MQL oder SQL bis zu einer Purchase Order bis zu neun Monate dauert, ist aber auch üblich.

Welche Hürden können während eines Sales-Prozesses auftreten? **** **Joel Kaczmarek: **Was ist so deine Erfahrung, welcher dieser Schritte am längsten dauert? Wir hatten jetzt das In Depth Meeting, dann hatten wir das erste Kennenlernen, dann hast du diesen Vendor of Choice. Was ist in diesem ganzen Schritt das, was eigentlich die meiste Zeit kostet und die größten Hürden darstellt?

**Gero Decker: **Zu diesem initialen Meeting kommt man meistens sehr schnell. Also wenn das Interesse da ist, bekommt man das schnell hin. Diese initiale Produkt Demo ebenfalls. Das ist abhängig vom Kunden. Bis zu einem Vendor of Choice zu kommen, dauert bei manchen aber. Wir hatten jetzt letztens gerade wieder den Fall einer öffentlichen Verwaltung, die Ausschreibungen machte und sich die ganzen Anbieter kommen ließ und so weiter und dann gab es einen Verfahrensfehler und dann musste das wieder neu gemacht werden und dann klagte jemand und so weiter. Also in diesem konkreten Fall zieht sich das seit drei Jahren hin, um von den Initialen Meetings bis zu einem Vendor of Choice zu kommen. Aber das ist jetzt ein Extrembeispiel. Wenn man erst einmal zum Vendor of Choice gekommen ist, dann geht man typischerweise davon aus, dass dieser Deal mit 75 prozentiger Wahrscheinlichkeit auch zustande kommt.

**Joel Kaczmarek: **Hast du da generell sowas wie Quoten, bei denen du sagst, wenn man bei A steht, ist die Wahrscheinlichkeit, nach B zu kommen so oder so groß? Das ist sicherlich sehr individuell, aber hast du da Erfahrungswerte gesammelt?

Gero Decker: Das hängt von Firma zu Firma ab. Da gibt es die unterschiedlichsten Metriken entlang des Weges. Bei vielen Software-Firmen ist es so, dass das Initial Meeting irgendwo bei einer Verkaufschance zwischen 10 und 25 Prozent liegt. Wenn ich zu diesem Initialen Meeting gekommen bin, dann konvertiert einer von vier oder einer von zehn oder irgendetwas dazwischen. Und sobald ich zu einer Price Indication gekommen bin, also wenn ich tatsächlich über Preise rede und ein Budget da ist. Bei vielen Software-Firmen ist es so, dass man das dann schon auf ungefähr 50 Prozent setzt, also, dass jeder Zweite, mit dem man diese Diskussion hat, dann auch tatsächlich konvertiert. Beim Vendor of Choice, wie gesagt, 75%. Verbal Commitment 90 Prozent. Selbst, wenn ich das Verbal Commitment habe, kann es in zehn Prozent der Fälle noch schief gehen, weil zum Beispiel der Entscheider krank wird oder abgesetzt wird oder weil irgendwelche Budgets gestrichen werden.

Hunting, Farming, Adoption und Expansion

**Joel Kaczmarek: **Gut. Jetzt haben wir ja viel rund um das Thema Neu-Geschäft geredet. New Business ist so das eine. Dann hast du ja im Sales-Bereich immer gerne dieses schöne Thema Upsell und Cross-Sell, also Upsell heißt jaim Prinzip, so wie ich das verstehe, dass man ihnen das gleiche Paket in höherer Taktung verkauft und Cross-Sell ist, dass man artverwandte Produkte verkauft, klassischerweise so eine Suite [Zusammenstellung verschiedener Software-Module in einem “Paket”]. Das war ja ein bisschen das, was wir als Hunting vs. Farming hatten. Wir haben jetzt viel über Hunting geredet. Wie verändert sich denn dieser Prozess, wenn es eher in den Bereich Farming geht? Da müssen wir wahrscheinlich auch nochmal über neue Rollen reden und ob das noch die gleichen Akteure in der gleichen Art und Weise sind, die da wirken.

**Gero Decker: **Selbst bei einem Neukunden ist das Spiel mit der Bestellung noch nicht abgeschlossen. Typischerweise eine oder zwei Phasen, die sich direkt anschließen. Eine ist die Adoption-Phase: Typischerweise gibt man sich 90 oder manchmal nur 30 Tage, in denen geschaut wird, ob der Kunde das Produkt tatsächlich auch aktiv einsetzt. Denn wenn er in den ersten ein bis drei Monaten nicht dazu kommt, das Produkt auch aktiv zu nutzen, dann wird er es wahrscheinlich gleich wieder links liegen lassen. Das nennt man dann Adoption Phase. Dann kommt man in die Expansion Phase rein, also sozusagen in den Farming-Modus, bei dem es darum geht den Kunden kontinuierlich zu betreuen und ihm natürlich auch dabei zu helfen, das Produkt bestmöglich zu nutzen, den bestmöglichen Benefit daraus zu generieren. Aber für einen als Unternehmen ist es auch spannend zu sehen, ob er noch weitere Seeds braucht, also ob er mehr Leute bedienen muss, ob er mehr Funktionalität braucht, ob er mehr Volumen braucht, oder ob er sogar zusätzliche Produkte für sein Szenario benötigt. Die ganz zentrale Rolle, die dann ins Spiel kommt - Post Sale im Gegensatz zu Pre Sale - ist auf Neudeutsch Customer Success. Das ist in Software-as-a-Service-Unternehmen der Begriff Customer Success Management, den man für die proaktive Betreuung ab der Bestellung benutzt. Das sind dann **Customer Success Manager, **also Personen, die die Kunden betreuen, die viel Spaß daran haben, kontinuierlich mit den Kunden zu arbeiten, sich in deren Szenarien einzudenken und ihnen die bestmögliche Unterstützung bei der Nutzung der Produkte zu geben. Und das nicht zwangsläufig mit dem Ziel, zu upsellen und zu cross-sellen.

Gero Decker: Das sind keine Vertriebler, sondern die schauen, dass der Kunde dabei bleibt, zufrieden ist und zu einem Botschafter für das Produkt wird. Und sobald der Eindruck entsteht, dass die eventuell ein bisschen mehr von uns brauchen und sozusagen ihren Kontrakt erweitern müssen, dann geht der Customer Success Manager wieder zu dem entsprechenden Sales Rep und sagt: "Hey, komm mal mit" und der Sales Rep übernimmt dann typischerweise wieder die Diskussion mit dem Kunden, um dort wieder zu einem Commercial Agreement zu kommen und dann hoffentlich den Kontrakt entsprechend auszubauen.

**Joel Kaczmarek: **Also selbst das Farming durchläuft nochmal ein Stück weit diesen Zyklus aus den Abläufen, den wir gerade beschrieben haben.

**Gero Decker: **Genau. Der Upsell Lead wird an der Stelle dann nicht durch das Marketing oder die BDR's generiert sondern durch den Customer Success Manager.

Welche Rolle nimmt das Thema Legal im Vertriebsprozess ein?

**Joel Kaczmarek: **Was ist denn eigentlich mit der ganzen Abteilung Legal? Der Faktor ist jetzt auch schon paar mal genannt worden. Welche Rolle nehmen die wann ein und sind das eher Bremser oder sind das auch Förderer?

**Gero Decker: **Juristen sind halt so ein spezielles Völkchen. Jeder, der schon einmal mit Anwälten zu tun hatte, hat gesehen, dass es die gibt, die in allem immer ein Problem sehen und die das dann bis zum Umfallen ausdiskutieren wollen. Weshalb man für die Leute, die man als Legal Team im Rahmen des Betriebsprozesses an Bord haben möchte, gut beraten ist, sich Pragmatiker zu suchen. Manchmal brauche ich gar keine Legal-Abteilung. Nämlich dann, wenn die Deal Sizes sehr klein sind und ich sozusagen standardmäßig abverkaufen kann. Also häufig die Sachen, die über einen Webshop vertrieben werden. Da gibt es gar keine Diskussion über Legal Terms. Sobald ich aber Sales Reps an Bord habe und das nicht über ein Shop-Modell machen kann, dann brauche ich eigentlich immer einen Legal. Am Anfang kann man das abwickeln über Kanzleien, die man sozusagen on demand dazu nimmt. Das ist natürlich entsprechend teuer. Ab dem Moment, ab dem man vier, fünf, sechs Sales Reps an Bord hat, macht es Sinn, auch eine Legal-Person einzustellen, die im gleichen Raum sitzt wie die Vertriebskollegen oder die zumindest sehr nah an den Vertriebskollegen dran ist.

**Joel Kaczmarek: **Wen schützt denn so eine Legal-Person eigentlich? Eher den Kunden, eher dich oder ist das so eine Mischung? Also was genau ist deren Aufgabenprofil? Denn am Ende des Tages kann so ein Sales Rep so einen Vertrag ja auch schreiben. Da hast du so eine Standardvorlage, welche Leistung du zu welchem Zeitpunkt lieferst und dann wird das rausgeschickt. Eigentlich muss dein Ziel ja sein, möglichst wenig Reibungsverluste im Legal-Bereich zu haben.

**Gero Decker: **Genau, ja, das ist immer das Ziel. Aber es gibt natürlich schon eine Bandbreite, wie so ein Vertrag aussehen kann mit den Kunden und was für Terms da drin stehen. Da geht es um Haftungsfragestellungen. Dann gibt es so etwas wie Escrow-Fragestellungen, also wo der Kunde irgendwie Source-Code-Zugriff bekommt in dem Moment, in dem die Firma Insolvenz anmeldet. Es gibt tausend Haken und Ösen, wo Legal-Kollegen beim Kunden kreativ werden im Bezug auf das, was sie dort haben möchten. Und es geht dann meistens nur um Anpassungen von Standardverträgen. Also in den seltensten Fällen wird ein Vertrag von Anfang bis Ende neu geschrieben. Das passiert auch, aber sehr selten. Es geht eher um die Verfeinerung irgendwelcher Klauseln. **** Der Einfluss von Produktrollen und Zusammenfassung **** **Joel Kaczmarek: **Jetzt haben wir über Go to Market sehr intensiv geredet und Produktrollen kamen bisher noch gar nicht vor. Abschließend nochmal die Frage, welchen Einfluss denn eigentlich Produktrollen auf diesen ganzen Sales-Prozess haben. Was haben die da für eine Aufgabe?

**Gero Decker: **Also das ändert sich sehr, sehr stark im Laufe des Lebenszyklus des Unternehmens. Also wenn ich ein, zwei, drei Jahre am Markt bin, dann ist es häufig so, dass am Produkt noch sehr viel gedreht werden muss, um einen Deal zu gewinnen. Das heißt, Produktmanager und sogar Entwickler sind häufig sehr aktiv in den einzelnen Opportunities involviert. Wenn ich eine entsprechende Menge an Kunden gewonnen und eine gewisse Wiederholbarkeit drin habe, also ich sage mal, 100, 200, 500 Kunden gewonnen habe, dann muss es eigentlich das Ziel sein, dass RND - also die Produkt Abteilung inklusive Produktmanager - an dem Verkaufsprozess gar nicht mehr beteiligt sind. Natürlich wollen die wissen, was denn am Markt ankommt und welche Fragen und Einwände aufkommen. Aber eigentlich sollten sie nicht aktiv eingreifen müssen. Sicherlich, wenn besonders große oder komplizierte Kunden daherkommen, die sagen, dass sie etwas bestimmtes brauchen und dass sie erst bei dir kaufen, wenn sie etwas bestimmtes bekommen, dann haben die Produktmanager und die Entwickler die Aufgabe, sich das anzuschauen. Wenn der Pre Sales mit dem Latein am Ende ist oder es eben um Veränderungen des Produktes geht, dann geht das sozusagen von dem Pre Sales an das Produktmanagement. Die gucken sich das an und machen dann eine Aussage, ob das auf die Product Roadmap passt, zu wann das zugesagt werden kann, ob sie das überhaupt vertraglich wollen, einen fixen Termin zuzusagen oder ob das bei ihnen zu viel durcheinanderwürfelt. Mit der Zeit sollten Entwicklung und Produktmanagement, ich sage mal so über den Dauen gepeilt, auf jeden Fall in weniger als fünf Prozent aller Opportunities beteiligt sein müssen. Idealerweise in überhaupt keiner.

**Joel Kaczmarek: **Gut. Dann fassen wir also nochmal zusammen. Wir haben unterschiedliche Rollen besprochen: Da hatten wir ganz am Anfang das Thema Marketing, wo es eigentlich darum geht, Inbound-Nachfrage zu generieren. Da hatten wir zum Beispiel Content Marketing als einen Bereich. Dass man White Papers erstellt, um auf diesem Wege an Kunden oder Interessenten zu kommen. Dann hatten wir das ganze Thema Business Development Representatives, wo es um Lead-Qualifizierung ging und darum, teilweise auch selbst Outbound-Anfragen zu starten, das heißt Kunden selbst aktiv zu suchen und zu schauen, ob diese irgendwie passend sind. Wenn man die ausreichend qualifiziert hatte, ging es über in den Sales Rep, von dem man sagt, dass der eigentlich diesen ganzen Verkaufsprozess managt, bei dem wir dann diese unterschiedlichen Phasen hatten. Und als Akteure, auf die man dann in dem Fall zurückgreift, wurden einmal Pre Sales genannt, wenn es um tiefe technische Fragen ging oder Anpassungen des Produkts ging. Und Legal, wenn es um die rechtliche Gestaltung geht. Wenn man dann diese Initial Purchase Order hatte, gab es eigentlich irgendwann immer den Faktor Customer Success, also ob man es hinbekommt, diese anfänglichen Testphasen wirklich in eine Dauerutzungsphase zu überführen. Das gilt sozusagen einmal für diese Hunting-Phase, also ein neues Geschäft zu jagen, ebenso aber auch für das ganze Thema Farming, also dem Ausbau eines bestehenden Geschäfts. Und das war es, so grob zusammengefasst, eigentlich auch schon. Habe ich das richtig wiedergegeben?

**Gero Decker: **Ist doch gar nicht so schwer, oder?

**Joel Kaczmarek: **Ja. Ich danke dir ganz herzlich, dass du wieder so viel Zeit für uns aufgebracht und dein Wissen mit uns geteilt hast. Bis zum nächsten Mal.

**Gero Decker: **Bis zum nächsten Mal.

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