Customer Success Management
27. August 2019, mit Joel Kaczmarek, Gero Decker
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen The Art of Sales Podcast von digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es um das spannende Thema Customer Success Management. Heute wirst du also lernen, wie man Kunden bei sich behält, wie man sie glücklich hält, wie man sie ausbaut und natürlich, welche Mechaniken, Personen und ich sag mal Daten und Tools dafür nötig sind. So und wer könnte das besser erzählen als unser SaaS- und Sales-Guru schlechthin, der gute Gero. Guten Morgen, Gero.
Gero Decker: Hallo, Joel.
Joel Kaczmarek: Wie geht es dir bei diesem heißen Wetter?
Gero Decker: Mir geht es sehr gut.
Joel Kaczmarek: Sehr gut. Ich darf dich ja noch beglückwünschen. Du hast ja eine potente Finanzierung in deinem Unternehmen verzeichnen dürfen. Herzlichen Glückwunsch.
Gero Decker: Danke, danke. Man tut, was man kann.
Joel Kaczmarek: Damit man finanziert wird, muss man ja auch gute Umsätze aufweisen. Und ein Baustein dabei ist ja Customer Success. Fangen wir doch mal ganz bodenständig an. Was ist das eigentlich und wozu brauche ich es?
Gero Decker: Genau. Vielleicht dazu eine kleine Geschichte, wie wir eigentlich darauf gekommen sind. Das war, glaube ich, so vor vier, fünf Jahren. Da habe ich einen Kunden getroffen bei einer Veranstaltung und mit dem hatte ich vorher nicht so richtig viel zu tun. Da habe ich die gefragt. Wie läuft es bei denen und wie zufrieden die sind und was die eigentlich so tun? Und da meinten die Gero, ja, euer Produkt, eure Software ist total super, macht genau das, was sie soll. Aber seid mir nicht böse, wir werden wahrscheinlich in zwei Monaten unsere Subscription bei euch kündigen, weil wir haben nicht so richtig das rausbekommen, was wir haben wollten. Die Initiative läuft nicht so richtig bei uns. Irgendwie nimmt das nicht so richtig Fahrt auf. Da bin ich total aus allen Wolken gefallen, weil mein Vertriebler hatte mir erzählt, die sind total happy. Im Support waren die auch nicht irgendwie aufgefallen, dass die irgendwelche Requests gestellt hätten, die irgendwie super kritisch waren oder irgendwelche Dinge, die nicht funktioniert haben. Das heißt, bei uns, in unserer Wahrnehmung war das eigentlich ein glücklicher Kunde. wo alles in Ordnung ist. So, dann habe ich überlebt und habe gesagt, das kann doch nicht sein. Wir können euch doch nicht einfach gehen lassen, ohne nicht alles probiert zu haben, euch irgendwie erfolgreich zu machen. Und dann habe ich gesagt, okay, ich bringe mal so meine besten ein, zwei Leute mit und wir treffen uns für einen halben Tag Workshop bei euch. Die saßen so im Umland von München. Kommen wir mal vorbei und dann gucken wir uns an, was ihr eigentlich so tut den ganzen Tag und woran es hapert. Dann sind wir dort hingefahren und dann haben die uns das gezeigt, was sie so machen. Dann haben wir gesehen, also zum einen auf der Produktseite haben die überhaupt nur einen ganz Mini-Teil unserer Software überhaupt verwendet und viele Dinge kannten die überhaupt gar nicht. Und noch viel wichtiger, die hatten in ihrem Ansatz, in ihrer Initiative irgendwie ganz komisch Dinge probiert. Und dann haben wir so ein paar Geschichten einfach erzählt, wie das andere Kunden machen, wie die so vorgegangen sind. Zwei Wochen später rutscht Rufen die mich an und sagen, Gero, wir haben jetzt so ein paar Sachen mal ausprobiert, was ihr uns in dem Workshop erzählt habt. Das funktioniert ja super. Wir brauchen viermal so viele Lizenzen. Statt einem Kunde, der weggeturnt wäre, also den wir verloren hätten, war auf einmal ein riesen Upsell da, weil die auf einmal Erfolg gesehen haben, auf einmal viel breiter das Produkt ausrollen konnten. Das heißt, Customer Success sitzt quasi, wenn man es ganz plump sehen will, zwischen Vertrieb. Vertrieb ist immer dann unterwegs, wenn es Neugeschäft oder Zusatzgeschäft zu machen gibt. Und Support, das sind die, die sehr reaktiv unterwegs sind. Die sitzen am Telefon oder beantworten E-Mails. Und Customer Success sitzt dazwischen und arbeitet proaktiv, das ist ganz wichtig, arbeitet proaktiv mit den Kunden und stellt sicher, dass sie erfolgreich sind. Das heißt, Customer Success, das heißt explizit nicht Customer Happiness, Das ist immer so die erste Lektion, die man lernt. Es ist viel wichtiger, dass ein Kunde erfolgreich ist und weniger wichtig, dass ein Kunde glücklich ist übrigens. Es korreliert häufig, aber wenn der Kunde erfolgreich ist, dann benutzt er dein Produkt weiter oder deine Dienstleistung und dann baut er es aus und dann kriegt er auch Budgets dafür und kann das weitermachen. Wenn er nur glücklich ist, kann es sein, dass er dir dann sagt, ja, dein Produkt ist total super und ich finde euch als Person total duft, aber mein Chef hat mir gesagt, wir müssen jetzt mal ein bisschen Geld sparen und die Lizenzen einsparen.
Joel Kaczmarek: Okay, verstanden. Jetzt machen wir hier einen Sales-Podcast. Würdest du sagen, also du hast ja gerade gesagt, das ist eigentlich was zwischen Sales, also Vertrieb und dem Kundendienst. Ist für dich Customer Success trotzdem ein Vertriebswerkzeug?
Gero Decker: Ja und nein. Also zunächst mal ist es ein Mechanismus oder eine Funktion, die dir sicherstellt, dass deine Kunden bei dir bleiben. Also der Hauptzweck von Customer Success ist monetär gesehen zunächst einmal und hauptsächlich Retention. Also dass du den Umsatz, den du gemacht hast oder die Verträge, die du angehäuft hast mit deinen Kunden, dass die auch bestehen bleiben. Und auch so nette Nebeneffekte wie, dass du nicht nur einen Kunden hast, sondern dass du einen Advocate, einen Botschafter hast. Einen Kunden, der so erfolgreich ist und daraus so happy ist, dass er der ganzen Welt das erzählt, was er Tolles macht. Das ist der Hauptfokus. Auf der anderen Seite spielt Customer Success eine Riesenrolle darin, auch den weiteren Ausbau oder die weitere Verbreitung. Stichwort Land and Expand. Ich lande mit einem Kontrakt, der 10.000 Euro wert ist und ich will ihn auf 20.000 oder 30.000 oder 40.000 Euro über die Zeit ausbauen. Dann ist es häufig eher Customer Success, die dort eine wichtige Rolle spielen, als der Vertriebler selber.
Joel Kaczmarek: Gerade bei eurem Modell ist es ja so, wenn man eine SaaS-Firma hat, ist man ja churn-sensitiv. Also man versucht sozusagen Abwanderung zu verhindern und gleichzeitig noch Upsells zu erhöhen, höre ich daraus. Plus diese ganzen Marketing-Weitertragungseffekte, die du gerade genannt hast.
Gero Decker: Und was man dazu sagen muss, ein Euro, den ich über Upsells einnehme oder dazu schnallen kann, ist natürlich wesentlich günstiger als ein Euro, den ich über Neukundengeschäft dazu schnalle.
Joel Kaczmarek: Ich habe da mal sogar mal so eine Ratio gehört, dass es irgendwie siebenmal leichter ist, glaube ich, einen bestehenden Kunden auszubauen, als einen neuen zu gewinnen. Und ich glaube, viermal leichter, einen verlorenen zurückzugewinnen, als einen neuen. Ist das so vage, wie du es auch beobachtest?
Gero Decker: Also wie jetzt die genauen Ratios sind, kann ich nicht genau sagen, aber einfach mal bei uns aus dem Nähkästchen geplaudert, wie sehen unsere Zahlen eigentlich aus? Wir haben Churn, also Gross Churn nennt man das, von sechs Prozent jedes Jahr. Also wir verlieren von 100 Euro, verlieren wir sechs Euro an Kundengeldern, exkludierend alle Upsells, die gemacht werden. Also nur von Bestandskontrakten, wie viel bleibt übrig. Und wir haben eine Net Retention von 120%. Also will heißen, von 100 Kunden, die ich am Anfang des Jahres habe, mit diesen 100 Kunden, davon verliere ich vielleicht 1, 2, 3, 4, 5. Aus dieser Kundenbasis, wie viele Euros habe ich 12 Monate später? In unserem Fall habe ich 20% mehr als am Anfang dieses 12-Monats-Zeitraums. Und insgesamt, unser Wachstum jetzt so die letzten 12 Monate war so 70%. Das heißt, 20 Prozent des Wachstums kommt allein aus der bestehenden Kundenbasis und 50 Prozent des Wachstums kommt aus Neukunden, die über diese zwölf Monate dazugekommen sind. Das ist auch keine unübliche Ration. Ich habe letztens einen Benchmark gelesen. Von SaaS Capital, glaube ich, die so eine Korrelation gemacht haben zwischen absoluter Wachstumsrate und Net Retention Rate. Und da sieht man halt sehr stark, dass wenn du mehr als 50 Prozent Wachstum erreichen willst oder die Firmen, andersrum gesagt, die Firmen, die mehr als 50 Prozent Wachstum schaffen, haben häufig eine überproportional hohe Net Retention Rate, will heißen über 110 Prozent.
Joel Kaczmarek: Aber ich meine, das sind eigentlich ziemlich potente Werte, die du gerade gesagt hast. Also ich erinnere mich auch mal, bei Retention ist ja immer das Faszinierende, wie so ein Prozent eine Kurve, die relativ gerade geht, auf einmal wirklich in so einen Hockeystick verwandeln kann. Aber gut, führt uns vielleicht zu weit in die Welt der Software-as-a-Service-Firmen. Geht uns ja mehr um das Globale. Wann genau sollte ich denn mit so etwas wie Customer Success anfangen? Wann ist ein guter Zeitpunkt?
Gero Decker: Also ich würde immer, bevor ich einen Vertriebler einstelle, würde ich einen Customer Success Manager einstellen.
Joel Kaczmarek: Selbst wenn du noch gar keinen Kunden hast?
Gero Decker: Naja, die ersten Kunden musst du als Founder ja sowieso akquirieren.
Joel Kaczmarek: So meinst du, okay.
Gero Decker: Also irgendwie muss ich zu Kunden kommen am Anfang. Und dann stelle ich aber lieber jemanden ein, der sich proaktiv um nichts anderes kümmert, als um meine Bestandskundenbasis. Diese pflegt Also das Feedback sich abholt von denen, mit denen zusammen lernt, mit denen zusammen Ideen entwickelt und diese Kunden ausbaut. Weil am Anfang fünf, sechs wahnsinnig erfolgreiche und zufriedene Kunden zu haben, ist halt Gold wert. Und die sind dann das Fundament, auf dem ich dann wirklich das Initiale, die Initiale Welle des Wachstums dann auch bauen will und kann. Das heißt Customer Success Manager vor Vertriebler.
Joel Kaczmarek: Spannend. Und wie findest du solche Leute? Beziehungsweise vielleicht fangen wir mal noch ein Stück bodenständiger an. Was für Profile sucht man, wenn man jemanden im Customer Success Management installieren möchte?
Gero Decker: Also du brauchst jemanden, der quasi so ein Zwitter ist zwischen jemandem, der gerne hilft, der sonst auch gerne Doktor oder Krankenschwester geworden wäre, sage ich mal. Das sind Leute, die gerne helfen. Und Drei Profile. Also Leute, die gerne helfen, Leute, die so einen gewissen Beratungshintergrund haben, sich in komplexe Thematiken gerne eindenken und nicht so schnell drüber bürsten, sondern sich die Zeit nehmen, sich auch mit Leuten hinzusetzen, zu verstehen, was die wollen, was die umtreibt, was die erreichen wollen. Einen Plan zu entwickeln, wie man da hinkommt. Das ist so diese klassische Beraterdenke. Und auch so ein Spritzer, der Spritzer Tabasco sozusagen in einem Cocktail ist eine gewisse Sales-Affinität. Zu sagen, ich bin nicht nur glücklich damit, einen Status Quo zu behalten, sondern ich sehe das für mich als Ambition auch an, dass der Kunde kontinuierlich ausbaut. Dass ich in all den Gesprächen, die ich mit dem Kunden habe, auch überlege, hey, wo könnten die das denn noch anwenden? Was wären denn noch Themen? Wo könnte ich denn noch Mehrwert rausholen? Mit wem könnten wir denn noch sprechen, damit wir das Thema bei euch noch weiter ausbreiten können?
Joel Kaczmarek: Okay, also im Prinzip ein verkaufsfreudiger, strukturierter, empathischer Philanthrop. Wo findet man solche Leute?
Gero Decker: Die gibt es in anderen Ländern mehr, weil in USA und Großbritannien ist das Thema Customer Success Management als Jobprofil schon länger existent. In Deutschland ist es sehr viel schwieriger, solche Leute zu finden. Also wenn ich jetzt Customer Success Manager ausschreibe und ich sage, ich möchte gerne fünf Jahre Berufserfahrung im Customer Success Management, dann wird man in Deutschland nicht viele finden, weil es diese Berufsbezeichnung noch nicht so wahnsinnig lange gibt. Das heißt, man muss sich dann zusammenklauben quasi aus verschiedenen anderen Ecken. Also Ex-Berater, Leute, die aus den Big Four rauskommen, keinen Bock mehr haben, den ganzen Tag zum Kunden zu reisen und trotzdem spannende Dinge zu machen und spannende Kunden zu betreuen. Dann Leute, die vielleicht so aus einer Pre-Sales-Denke herauskommen, also die sehr produktaffin sind, gerne überlegen, wie ich ein Produkt für ein gewisses Kundenszenario zur Verfügung stellen kann. Dass jemand vorher aus dem Vertrieb kommt, habe ich selten gesehen.
Joel Kaczmarek: Wie teilt man dann deren Aufgabengebiete ein? Also wir haben ja im Sales ja schon mal gehabt, dass wir über Territories gesprochen haben. Also das können Branchen sein, das können Geografien sein. Gibt es das bei Customer Success auch oder ist das gar nicht so?
Gero Decker: Also da ist die Aufteilung so ein Stück weit einfacher. Es geht ja immer nur um Bestandskunden und das ist ja eine diskrete Liste. Da habe ich 50 oder 100 oder 1000 Kunden, die irgendwie zu verteilen sind. Und die ordne ich einfach zu. Meistens nach Sprache zunächst mal. Also wenn ich deutschsprachige Kunden habe, dann will ich da wahrscheinlich einen deutschsprachigen Customer Success Manager draufsetzen und in Frankreich einen Franzosen. So ganz plumpe Themen. Vielleicht habe ich eine Affinität zu diesen Firmen oder einen Hintergrund in dieser Branche. Das hilft auch, aber grundsätzlich wird einfach häufig round-robin-mäßig die Kunden verteilt auf die verschiedenen Customer Success Managers. Wichtig ist dort, die Ratio sauber hinzukriegen. Wie viele Kunden betreue ich denn eigentlich als Customer Success Manager? Weil das kann sehr unterschiedlich sein, gerade in Bezug auf, wie groß meine Kunden sind.
Joel Kaczmarek: Und hast du da so eine Kennzahl, was du sagen würdest, so und so viel Umsatz pro Customer Success Manager oder Anzahl an Firmen oder Personalgröße der Firmen? Gibt es da irgendwie Ratios?
Gero Decker: Also die typische Zahl ist 2 bis 2,5 Millionen ARR, also jährlich wiederkehrender Umsatz, pro Customer Success Manager. Das ist so die typische Ratio, mit der viele Firmen arbeiten.
Joel Kaczmarek: Weil weswegen ich natürlich auch so ein bisschen nach den Territories gefragt habe, ist, oder den potenziellen, wie inzentiviert man denn solche Personen? Oder wie ist die Gehaltsstruktur? Was verdienen die fix und was gibt es für Bonus-Schemata?
Gero Decker: Also typischerweise habe ich einen 80-20-Split oder 90-10, irgendwas dazwischen. 80 fix oder 90 fix und dann der Rest variabel. Und dort habe ich typischerweise zwei Komponenten. Eine ist die Retention-Komponente, also die Kunden, die ich betreue. Wie viele davon bleiben und wie viele churnen oder wie viele reduzieren ihr Vertragsvolumen davon? Das ist sozusagen eine Komponente. Und die zweite Komponente ist, wie viel Upsell, Cross-Sell-Potenzial identifiziere ich. Da gibt es zwei Modelle. Manche Firmen lassen die Customer Success Manager dann auch den Upsell betreuen, also bis zur Bestellung. Das ist in den Fällen möglich, wo es einfach nur Standard ist. Ich will nochmal zwei Lizenzen dazu haben, gib mir einfach eine Orderform und ich bestelle es. Da kann sein, dass der Customer Success Manager die richtige Person ist. Wir bei uns machen so, dass die Upsell-Opportunities zurück in den Vertrieb gehen, weil du wirklich nochmal qualifizieren musst, weil du häufig nochmal an Budgets ran musst, weil du häufig nochmal ganz zusätzliche Abteilungen überzeugen musst und so weiter. Und da messen wir einfach auf den Accounts, die ein Customer-Success-Manager betreut, wie viele solche Upsell-Opportunities werden generiert und wie viel Upsell und Cross-Sell passiert dann hinterher.
Joel Kaczmarek: Und auch wenn es irgendwie für einen CEO immer undankbar ist, über Gehälter zu reden, weil die eigene Organisation hat ja auch zu Kannst du eine Spanne sagen, wie viel von BIS solche Rollen verdienen?
Gero Decker: Das ist nach Ländern erstmal unterschiedlich. In den USA sind die Gelder grundsätzlich ein Stück weit höher als hier in Deutschland. Da bin ich so ein bisschen überfragt, ehrlicherweise. Ich würde jetzt mal ganz grob die Spannbreite angeben 50.000 bis 80.000, 50.000 bis 90.000. Irgendwo in dieser Spannbreite bewegt sich das.
Joel Kaczmarek: Gut, dann tauchen wir mal tief ein in die Mechaniken, wie das genau funktioniert. Was macht so eine Person eigentlich typischerweise? Also was ihre Zielsetzung ist, haben wir verstanden, wo sie verortet ist auch und welche Rolle ihr eigentlich zukommt, aber wie sehen konkret ihre Tätigkeiten aus?
Gero Decker: Da vielleicht nochmal ganz kurz einen Schritt zurück gemacht, wie segmentiere ich eigentlich meine Kunden, weil je nach Segment betreue ich die auch unterschiedlich. Typischerweise gibt es drei Stufen, auf die man die Kunden einteilt. High-Touch-Kunden, Standard-Touch-Kunden und Tech-Touch-Kunden. High-Touch-Kunden, also meistens schneidet man das einfach gemäß Umsatz. Zum Beispiel High-Touch-Kunde heißt 80.000 Euro Vertragsvolumen oder mehr ist ein High-Touch-Kunde und 30.000 oder 25.000 bis 80.000 ist ein Standard-Touch und alles darunter ist Tech-Touch. Kann aber auch anders geschnitten sein. Kann sein, dass Tech-Touch schon bei 10.000 aufhört oder auch schon bei 5.000, weiß ich nicht, je nach Organisation. High-Touch heißt, ich habe sehr regelmäßig mit dem Kunden zu tun. Ich habe häufig sogar fixe Termine im Kalender. Heißt mindestens einmal pro Quartal ein sogenanntes Quarterly Business Review, wo ich mich mit dem Kunden hinsetze. Der Customer Success Manager bereitet sich da sehr ausführlich drauf vor. Was ist die letzten drei Monate passiert? Mit welchen Zielen ist der Kunde eigentlich in das Quartal gestartet? Was wollte er eigentlich erreichen bis dahin? Zahlen, die er vielleicht aus den Systemen mitbringen kann, wie sah Usage des Produktes aus, was sind Dinge, die man mitbekommen hat und so weiter. Dass der Customer Success Manager proaktiv ein Assessment mitbringt, zu sagen, wie sieht es eigentlich aus aus unserer Sicht, wie schlagt ihr euch eigentlich. Und dann man mit dem Kunden diskutiert, der Kunde sagt, was sind die Dinge, die er erreicht hat, die Schwierigkeiten, die er hatte, was hat ihn abgehalten, was sind die Fragen, die ihn gerade umtreiben. Und man gemeinsam dann einen Plan entwickelt und eine Aktivitätenliste quasi definiert, was man in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten gemeinsam tun kann. Der Customer Success Manager schlägt dann häufig vor, keine Ahnung, irgendwelchen Trainingsangeboten oder Training-Content, wenn es dort zum Beispiel Lücken gibt, verbindet mit anderen Kunden, die vielleicht genau das gleiche Problem gerade durchlebt haben oder eine ähnliche Problematik hatten, bietet vielleicht noch Sessions an, wo man gewisse Produktfunktionen sich gemeinsam anguckt oder Dinge mal gemeinsam ausprobiert, bis hin zu, man plant, was für Beratungspakete zum Beispiel für den Kunden auch spannend sein könnten. Und vermittelt dann womöglich ein Beratungsunternehmen für ein 15-50-Tages-Engagement zu dem Kunden.
Joel Kaczmarek: Okay, also Tech-Touch, Standard-Touch, High-Touch. Standard-Touch ist also einfach weniger Frequenz?
Gero Decker: Also das, was ich gerade gesagt habe, High-Touch. Wie gesagt, mindestens einmal im Quartal. Häufig ist es so, dass man mit High-Touch-Kunden mindestens einmal die Woche zu tun hat. Also man hat irgendwie einen halbstündigen Check-In-Call mit dem Kunden und holt sich ab, wie es gerade geht, wie ist der Puls, was sind die Dinge, die einen umtreiben. Und dann die quartalsweisen Meetings, die sind dann strukturiert, gehen mindestens zwei Stunden, vielleicht sogar einen halben Tag oder einen ganzen Tag. Standard Touch ist einfach weniger davon. Also zum Beispiel, man macht jetzt nicht ein ganz Tages-QBR mit dem Kunden, sondern macht es leichtgewichtiger und trifft sich zum Beispiel nur für eine Stunde übers Telefon, um so ein Quarterly-Check-In zu machen. Und man guckt sich an, zum Beispiel auf Basis von Nutzungsdaten des Kunden auf den Systemen, gibt es irgendwelche Ideen, die man hat, sodass man den Kunden proaktiv auf Dinge auch hinweisen kann. Tech-Touch heißt, dass typischerweise kein persönlicher Kontakt stattfindet, höchstens reaktiv, also wenn der Kunde das explizit auch einfordert, sondern dort guckt man auf Basis der Daten, der Informationen, die man zur Verfügung hat, was kann ich an Content hinweisen und so weiter an den Kunden ausspielen. Also das ist so ähnlich wie in Marketing-Automation, wo ich so ein Lead-Nurturing mache, mache ich hier quasi so ein Customer-Nurturing. Also ich kann zum Beispiel, nehmen wir mal an, ich habe in meinem Produkt fünf Funktionen drin und ich sehe, dass er nur zwei davon nutzt. Dann kann ich ihn natürlich in Kampagnen mit einsortieren, wo man ihn darauf hinweist, was ist denn der Wert oder was wäre der Benefit davon, zum Beispiel eine andere Funktion noch mit.
Joel Kaczmarek: Okay, verstanden. Also beim Tech-Touch kommt nur so eine Roboterhand raus und streichelt über den Kopf und wenn ich zugreife, dann geht es auch weiter. Gibt es über Hightouch noch weitere Komponenten oder sind das so die drei?
Gero Decker: In Ausnahmefällen, wenn Kunden sehr, sehr groß werden, dann gibt es das sogenannte One-to-One-Touch-Modell, also wo ich einen Customer Success Manager habe, der ausschließlich für einen einzigen Kunden zuständig ist. Der betreut niemanden sonst und der ist exklusiv nur für diesen Kunden zuständig. Und wichtig dazu zu sagen, Customer Success Management in typischen Subscription-Modellen ist kostenlos oder andersrum gesagt im Subscription-Preis mit eingepreist. Das heißt, der Kunde bezahlt auch nichts dafür. Das ist immer besonders schön, dass er nicht das Gefühl hat, man schreibt irgendwie jede Stunde auf, die man mit dem Kunden verbringt. One-to-One-Touch, also vorhin haben wir ja gesagt, Ratio sind so 2 bis 2,5 Millionen ARR pro Customer Success Manager. Das heißt im Umkehrschluss, wenn ich einen Kunden habe, der mehr als 2 Millionen Euro pro Jahr bezahlt, dann kann ich auch guten Gewissens jemanden abstellen, der Vollzeit nichts anderes macht, als diesem Kunden zu arbeiten. Wir geben auch gerne das Ziel aus, dass man mindestens mal One-to-One-Touch-Kunden, das ist fast selbstverständlich, aber auch bei den High-Touch-Kunden einen Gebäudeausweis vom Kunden bekommt. Das ist so ein Milestone quasi, ein Meilenstein, den man erreicht, weil das ist das Zeichen, wenn ich beim Kunden ins Gebäude ein- und ausgehen kann, ohne mir jedes Mal irgendwie Vornahmeempfang einchecken zu müssen. Das ist häufig ein Zeichen, dass ich beim Kunden angekommen bin und sozusagen tief genug drin bin, stark genug eine Beziehung habe, um den auch vernünftig betreuen zu können. Und so ein One-to-One-Touch-Customer-Success-Manager, das ist häufig so, dass er wirklich auch zwei bis drei Tage beim Kunden verbringt in den verschiedenen Standorten und dort sozusagen durch die Gänge marschiert und dem Kunden wirklich sehr stark auf dem Schoß auch mit sitzt.
Joel Kaczmarek: Aber wenn ich jetzt diese Zahlen, die wir bisher so im Raum hatten, mal durchdekliniere, dann heißt das also, du investierst mindestens 4.000 Euro pro Monat in so einen One-to-One-Touch-Kunden, also der sozusagen sehr, sehr viel Geld investiert. Wenn man jetzt sagt, meinetwegen 2,5 Millionen ist die Ratio pro einzelner Mitarbeiter und bei 80.000, die bei Hightouch quasi sind, hast du also 30, die der betreut. Also kann man sich das Gehalt durch 30 teilen, da kriegt man halt ein Gefühl, das ist schon signifikantes Geld, was man eigentlich investiert, um diese Leute glücklich zu halten.
Gero Decker: Ja und nein. Also nehmen wir mal zum einfachen Rechnen. Zwei Millionen Euro AERA, die ich betreue und ich habe, sagen wir mal, Fully Loaded Cost, Gehalt, Büro, alles 100.000 Euro pro Customer Success Manager. Dann sind das fünf Prozent der Subscription-Summe, die ich für das Customer Success Management ausgebe. Kann man sagen, es ist viel, kann man sagen, es ist wenig. Ich sage, es ist auf jeden Fall sehr gut investiertes Geld.
Joel Kaczmarek: Gut, jetzt haben wir verstanden, was für Personen das sind. Wir haben verstanden, wie die ihre Kunden berühren. Wenn wir jetzt mal auf so ein Meta-Level wechseln, was genau setzen diese Personen um, außer dass die jetzt sozusagen so eng im Kontakt sind? Also machen die Onboardings, gehen die in Problemlösungen, was ich eigentlich mal eher dachte, wäre so Support. Was sind so, wenn du es jetzt mal abstrakt sagst, so die vier, fünf Aufgaben, die so eine Person hat?
Gero Decker: Also erstmal die Phasen, in denen Sie unterwegs sind. Typischerweise kommt der Customer Success Manager ins Spiel, wenn der Kunde Kunde geworden ist, also wenn die Bestellung da ist. Dann ist die erste Phase des Onboarding. Also bei Software-as-a-Service-Produkten ist es so, das Ziel muss sein, innerhalb von 30 Tagen, dass der Kunde produktiv ist. Will heißen, er ist geschult, die Systeme stehen alle, sind da und ich habe sozusagen ein initiales Rauschen an Nutzung des Produktes auch. In schwierigeren Fällen, wo vielleicht noch ein Implementierungsprojekt dran ist oder so, vielleicht dauert es drei Monate, aber hoffentlich nicht länger, bis der Kunde sozusagen produktiv gesetzt ist. Das ist erstmal das erste Ziel für den Customer Success Manager, einen fully onboarded Customer zu haben. verstanden zu haben, wer sind die entsprechenden Ansprechpartner, wer macht was, initiales Verständnis dafür zu haben, was sind eigentlich deren Ziele, wonach werden die intern gemessen, was müssen die erreichen. Das zweite ist dann eine kontinuierliche Aktivität, Drive Adoption, also die Nutzung, die Annahme des Produktes innerhalb des Unternehmens sicherzustellen. Das ist, wie gesagt, eine kontinuierliche Aufgabe. Dann kommen zwei punktuelle Phasen noch mit ins Spiel. Eins ist in dem Moment, wo es darum geht, Richtung Upsell, Crosssell zu marschieren. Da werde ich, also ein komme ich in so einen leichten Vertriebsmodus sozusagen mit rein, wo man dann Sessions organisiert beim Kunden, womöglich Minipiloten nochmal macht oder was auch immer notwendig ist, um quasi diesen weiteren Ausbau des Produktes oder der Dienstleistung zu gewährleisten. Und der vierte Teil ist der sogenannte Win-Back. Also wenn ein Kunde droht zu churnen oder schon seine Kündigung ausgesprochen hat, dann, wie du vorhin schon gesagt hast, ist es einfacher, einen Kunden wiederzugewinnen, als einen komplett neuen Kunden zu akquirieren. Und da muss man auch strukturiert rangehen. Also es darf nicht der Ansatz sein zu sagen, ja danke für die Kündigung haben wir erhalten, ab dann und dann sind die Systeme abgeschaltet, sondern zu sagen, hey, was können wir denn gemeinsam tun, woran liegt es denn, gibt es noch einen Weg, können wir in einer anderen Abteilung weitermachen, wie auch immer. Dass man sozusagen einen Weg versucht zu finden, den Vertrag zu behalten oder zumindest nicht komplett zu verlieren, sondern einen Teil zum Beispiel zurückzugewinnen und dort proaktiv mit dem Kunden zu arbeiten.
Joel Kaczmarek: Okay, jetzt hast du eben gesagt, die Kosten dafür sind eigentlich schon gedeckt. Gibt es trotzdem irgendwann einen Punkt, wo du sagst, okay, ab hier, wenn wir jetzt irgendwie einen Workshop machen für bessere Adoption oder wenn wir da einen Ausbau vorsehen, dass die dann irgendwie Servicekosten haben?
Gero Decker: Customer Success Manager sollten grundsätzlich kostenlos sein für den Kunden, sonst funktioniert das Modell nur halb so gut. Deswegen habe ich häufig eine Zweiteilung, dass ich auf der einen Seite Customer Success Manager habe und auf der anderen Seite ein dediziertes Professional Services Team, die halt dann für Tages-, Wochen-, Monats-, Engagements beim Kunden aktiv sind. Also man kann dann, also Klassiker, der Customer Success Manager hat so ein paar Tools an der Hand, die er mit dem Kunden machen kann im Rahmen von einem Halbtagesworkshop, also zum Beispiel so eine Art Standortbestimmung, so ein Maturity Assessment, wo er Fragenkataloge hat und so weiter und so fort und mit dem Kunden so eine Standortbestimmung machen kann. Wenn das aber aufwendiger ist, weil ich überhaupt erstmal 40, 50, 60, 70 Interviews innerhalb des Unternehmens führen muss, um da hinzukommen, das ist dann nicht mehr Aufgabe des Customer Success Managers, sondern das wäre dann eine klassische Beratungsaufgabe. Oder dann in Projekten zu helfen, das wäre eher eine Aufgabe des klassischen Beraters.
Joel Kaczmarek: Jetzt vermute ich mal, dass die Rolle generell sehr proaktiv ist. Also man sagt ja immer so, es ist ja so ein Sales-Mythos, die Kunden werden sich schon melden, wenn sie was stört, das passiert ja nicht. Jetzt hast du ja auch gesagt, bei deinem eigenen Kunden, du triffst den auf einem Event und du fällst aus allen Wolken. Also ist das sozusagen eine Rolle, die sehr stark immer beim Kunden proaktiv anklopfen muss?
Gero Decker: Genau, also die Customer Success Manager, das müssen Leute sein, die auf einer Party nicht warten, dass jemand die anspricht, sondern die proaktiv auf Leute zugehen, offener Mensch sind und sagen, hey, wer bist du denn? Ich sehe, dir geht es nicht so gut, was ist denn los? Also die müssen auf jeden Fall sehr, sehr proaktiv sein und sich bei den Kunden melden. Es ist natürlich eine andere, fühlt sich anders an, als jetzt jemand, der im Vertrieb irgendwie kalt den Telefonhörer hochnimmt und ständig sozusagen Abweisungen erfährt. Der Customer Success Manager ist ja eine sehr, sehr positive Nachricht an den Kunden zu sagen, hey, ich bin dafür da. Der einzige Zweck, warum ich hier bin, ist, um dich erfolgreich zu machen. Und es liegt an dir, mich zu nutzen. Und wenn du mich mehr nutzt, kostet es dich nichts. Deswegen haben die Customer Success Manager, das sind häufig auch die, die das beste Verhältnis zum Kunden haben.
Joel Kaczmarek: Was sagt die Erfahrung? Wie oft gelingt es, dass man mit Customer Success Kunden zurückgewinnt? Mit diesem Win-Back, was du gerade als letztes gesagt hast.
Gero Decker: Bei uns passiert das zum Glück nicht so häufig, dass Kunden kündigen. Insofern ist die statistische Basis bei uns dafür relativ klein. Aber es ist eher anekdotisch und gerade bei den größeren Kunden spannend. Wenn dir ein 100.000 Euro Vertrag wegbricht, das will man nicht. Und da lohnt es sich auch dafür zu kämpfen. Auf der anderen Seite, was du haben willst, wenn du das Thema Customer Success Management professionell aufsetzt, dann hast du so etwas wie einen Churn Forecast. Also genauso wie die Vertriebler ihren Revenue Forecast haben, wo sie auf drei Monate, sechs Monate Pipeline bewerten können und so eine ungefähre Schätzung abgeben können, wo man landen wird im Umsatz, sollte das Customer Success Management so einen zwölf Monats Sichtbarkeit haben auf Kunden, die likely to churn sind, wo ich das jetzt schon erkennen kann und dann kann ich nämlich schon sechs Monate vorher anfangen, proaktiv dagegen zu wirken.
Joel Kaczmarek: Gut, also wir fassen nochmal ganz kurz zusammen. Kunden werden segmentiert nach Tech-Touch, Standard-Touch, High-Touch oder sogar One-to-One, also immer intensiver, je nachdem, wie viel Umsatz machen. Und so ein Customer Success Manager macht solche Dinge wie Onboarding, er drivet die Adoption, wie du gesagt hast, und er versucht Upsells und Crosstells zu generieren, sowie verlierende Kunden zurückzugewinnen. Jetzt frage ich mich noch ein Stück weit, ist das missbrauchsanfällig? Gibt es zum Beispiel Kunden, die bewusst kündigen, um auf so einem Weg dann vielleicht Druck zu machen oder über so einen Customer Success Pfad vielleicht irgendwie nochmal den Fuß in die Tür zu kriegen? Wird es übermäßig ausgenutzt, dass man quasi so ein Brückenkopf auf einmal wird, obwohl eigentlich der Gedanke eigentlich da ist, eher den so ein bisschen zu begleiten?
Gero Decker: Also es passiert, aber zum Glück nicht sehr häufig, weil gerade wenn ich so eine Geschäftsbeziehung habe und da geht es um ein Vertragsvolumen von 30, 40, 50.000 Euro, dann ist den Leuten das häufig wichtig genug, als dass ich da nicht eine Beziehung riskieren will. Also dieses, ich kündige mal, um dann mit besseren Konditionen weiterzumachen, so wie man das als Privatperson vielleicht mit dem Handyvertrag macht, das passiert im Geschäftsleben relativ selten. Es gibt manchmal so Aktionen, da kommt ein Accenture oder Etikani oder wer auch immer als Berater in ein Unternehmen rein und macht schön eine Einkaufsoptimierung und die gehen durch alle Lieferanten durch und sagen, bei denen könnt ihr nochmal 30% nachverhandeln, kündigt mal den Vertrag, wenn es für euch nicht mission critical ist und dann verhandeln wir nach und kriegen einen 30% günstigeren Vertrag. Das passiert manchmal und ganz ehrlich, an solchen Stellen muss man auch bereit sein, von einem Vertrag sich zu verabschieden. Weil sonst öffnet das Tür und Tor, dass die Leute reihenweise kommen und nachverhandeln wollen. Sondern da sagst du halt einfach, hey, hör zu, wir haben dir den Preis gegeben, weil das der angemessene Preis ist. Und wenn das dir zu teuer ist, dann musst du dich halt auf dem Markt nach Alternativen umsehen. Wenn du glaubst, dass du für 20, 30 Prozent günstiger den gleichen Wert generieren kannst, plus auch noch die Switching-Kosten damit amortisieren kannst, gerne. Guck's dir an. Da muss man dann auch ein Stück weit hart bleiben und auch den Verlust verkneifen können. Aber ansonsten passiert das relativ wenig, weil das bringt ja auch nur Friktion und ungute Gefühle in so eine Beziehung rein. Und so eine Geschäftsbeziehung, die sollte idealerweise warm und herzlich sein.
Joel Kaczmarek: Gut, letzter Themenbereich vielleicht zu dem Thema. Womit arbeiten die eigentlich? Also was sind typischerweise Daten und Tools, die man im Customer Success Management verwendet?
Gero Decker: Also zunächst einmal muss der Customer Success Manager natürlich wissen, wen hat er da vor sich? Wer ist der Kunde? Wer sind die Ansprechpartner? Was hat der überhaupt gekauft? Was für Verträge laufen dort? Wann sind die Renewal Dates? Wie sind die Vertragskonditionen? Gibt es da irgendwelche komischen Mechanismen da drin? Also alles das, was so klassischerweise auch im CRM oder in einem Vertragsmanagement passiert. auftaucht, das müssen die Customer Success Manager einen Überblick haben. Zweitens, das ganze Thema Produktnutzung, also gerade bei Software-as-a-Service-Produkten ist ja das Schöne, dass man quasi gewisse Dinge messen kann, also wie häufig loggen sich Leute ein, wie viele der gekauften Lizenzen sind überhaupt an Leute verteilt, wie viele davon werden monthly, weekly, daily, active usage habe ich da drauf, welche Funktionsbereiche des Produktes werden eigentlich genutzt, welche werden nicht genutzt. Das sind alles so High-Level-Benutzungsdaten des Produktes, die unglaublich wertvoll sind. Dann gibt es natürlich den ganzen Bereich, wo es um die Ansprechpartner selber geht. Also zum Beispiel, nehmen wir mal an, ich habe einen Champion oder einen wichtigen Ansprechpartner beim Unternehmen. Der verlässt das Unternehmen, muss ich mir einen neuen suchen. Das heißt, spätestens in dem Moment, wo wichtige Leute auf LinkedIn ihr Profil umstellen, sollte ich davon mitbekommen haben. Häufig weiß das der Customer Success Manager schon vorab. Da sagen die Leute, du, übrigens, ich gucke mich schon um oder ich bin kurz davor, bei einem anderen Unternehmen zu unterschreiben, aber weil ich dich so gerne mag, will ich vorher schon mal organisieren, dass wir hier die richtigen Übergaben machen und so weiter und so fort. Also Customer Success Manager haben häufig sehr, sehr tiefe Einblicke in die Unternehmen und in die Personen, die dort vor ihnen sind, müssen natürlich damit auch sehr vertraulich umgehen. Übrigens sind Customer Success Manager auch häufig die Empfänger von Initiativbewerbungen. wo auf Seiten der Kunden jemand sagt, das macht so einen Spaß mit euch zu arbeiten und euer Produkt ist so toll und ich finde das Thema so spannend, habt ihr nicht einen Job für mich bei euch? Also lustigerweise haben wir bei uns im Customer Success Management Team eine ganze Handvoll von Leuten, die vorher beim Kunden gearbeitet haben. Natürlich muss man mal ganz genau gucken, weil man will bei den Kunden natürlich nicht Mitarbeiter abwerben, aber Leute, die sowieso auf der Suche sind und sich nach etwas Neuem umgucken, dann ist das eigene Unternehmen womöglich da ein guter Auffangplatz. Und die kennen dann das Produkt und die Nutzung und die Probleme und so weiter aus erster Hand. Also das sozusagen mal so als Grundschwung an Daten, die ich habe. Natürlich habe ich so ähnlich, wie der Vertriebler das macht im CRM-System, dass ich alle Interaktionen, Telefonate, E-Mails, die ich versende, auch logge, sodass nicht nur ich das sehen kann, sondern potenziell auch die Kollegen, wenn ich mal im Urlaub bin oder jemand anderes den Account übernimmt. Das heißt, entweder findet das direkt im CRM-System statt oder in einem separaten System. Ach so, dann zu guter Letzt, ein wichtiges Tool für Customer Success Management sind natürlich Surveys in jeglicher Couleur, sei es NPS-Messungen, Net Promoter Score-Messungen, die ich im Produkt vielleicht mit eingebaut habe, seien es Customer Satisfaction Surveys, so etwas.
Joel Kaczmarek: Und ich sage mal, was ist mit Kommunikationstools? Also musst du irgendwie solche Sachen wie WebEx, GoToMeeting quasi im Abo haben oder weiß ich nicht, also rein von der technischen Verbindung mit dem Kunden hast du da oder ist das relativ egal?
Gero Decker: Das unterscheidet sich nicht groß von den Vertriebskollegen. Klar, du brauchst sowas wie WebConferencing, das ist inzwischen ja Standard-Tools und bei Google hast du deine Google Hangouts. Also es gibt ja tausend Möglichkeiten, das inzwischen zu machen. Ein System, worüber man nachdenken kann, was man über die Zeit einführen kann, gerade wenn das Customer Success Team größer wird. Es gibt dedizierte Customer Success Management Tools. Marktführer ist eine Firma, die heißt Gainsight, die halt quasi auch dieses Thema Customer Success Management mit erfunden oder ist da einer der großen Thought Leader. Unternehmen aus Kalifornien ist nicht günstig, die Software, aber das ist halt ein super System. Wir setzen das selber ein, wo halt zum einen die ganzen Daten, die für die Customer Success Manager relevant sind, zusammenlaufen, wo du dann aggregiert pro Kunde sogenannte Health Scores einsehen kannst. Für jeden Kunden gibt es einen Score zwischen 0 und 100. Du kannst da dein Scoring selber einstellen und du siehst dann genau, wer sind die Kunden, die gerade likely to churn sind oder die, die halt voll im Sattel stehen. Und so ein System kann dir dann auf Basis der Daten, die vorliegen, auch proaktiv Actions vorschlagen. Also nehmen wir mal an, du hast 100 Lizenzen verkauft, der Kunde kommt jetzt auf 90 oder 95 Lizenzen. Dann ist das natürlich ein super Punkt, wo der Customer Success Manager proaktiv sich meldet und sagt, hey, ich habe gesehen, dass ihr jetzt das System richtig gut nutzt, von der Nutzerzahl her. Kann ich euch helfen, die neuen Nutzer zu onboarden? Kann ich da Tipps geben? Oder sollten wir sogar über eine Lizenzerweiterung sprechen?
Joel Kaczmarek: Gibt es so KI-Systeme, die solche Sachen, also ich sage mal, es gibt ja so Predictive Maintenance bei Fahrstühlen. Also weißt du, ein Fahrstuhl geht kaputt bald. oder Kreditkartenfirmen wissen meistens vor den Menschen, dass eine Scheidung ansteht, weil sie das Kaufverhalten quasi tracken. Gibt es das irgendwie bei der Tool-Nutzung auch, dass es Dienste gibt, die dir so ein bisschen KI-basiert sagen können, okay, das ist so ein Kunde, wie du es gerade beschrieben hast, da solltest du mal den Telefonhörer in die Hand nehmen?
Gero Decker: Ja, das ist genau die Idee von solchen Customer Success Management Tools. Ich weiß jetzt nicht, wie viel KI da wirklich drin verbaut ist oder wie viel das manuell konfigurierte Regelwerke sind. Aber die Idee ist, dass diese Tools dich aktiv darauf hinstoßen, was du tun solltest für Standard-Touch- und High-Touch-Kunden und für Tech-Touch-Kunden eine automatische Klassifikation oder Zuordnung von Kunden zu gewissen Kampagnen oder zu gewissen Segmenten macht. Dass du zum Beispiel, wenn du eine Kampagne hast, irgendwie deine Churn-Kandidaten im Tech-Touch-Segment, dass die dann halt bespielt werden mit, was weiß ich nicht, Content so nach dem Motto, how to reboot your initiative oder sowas. Gut.
Joel Kaczmarek: Abschließend, gibt es noch so gute Content-Quellen dazu? Hast du irgendwie Blogs, Newsletter oder irgendwie Anleitungen, die du empfehlen würdest, wenn man sich zu dem Thema weiterbilden möchte?
Gero Decker: Also es gibt zum Thema Events eine ganze Menge inzwischen. Es gibt hier in Berlin eine Meetup-Gruppe, User-Group zum Thema Customer Success Management, die sehr, sehr aktiv ist. Spannenderweise von unserem Head of Customer Success Management, der ist also einer der Mitorganisatoren, einfach dem Umstand geschuldet, dass wir eine der ersten Firmen waren in Deutschland, die das Thema wirklich sehr konsequent und sehr breit angegangen haben. Also diese Meetups sind immer gut besucht und qualitativ wohl sehr, sehr hochwertig von den Vorträgen und von den Diskussionen, die dort stattfinden. Pulse Local heißt das, oder Pulse P-U-L-S-E, also am Puls des Kunden ist die Idee. Das ist eine lokale Gruppe und es gibt auch eine PALS-Konferenz. Früher gab es die nur in Kalifornien einmal im Jahr. Und ich glaube, da gibt es auch inzwischen eine europäische Edition in London oder so. Die ist so das Go-To-Event für Customer Success Management.
Joel Kaczmarek: Hervorragend. Dann hoffe ich, dass unsere Hörer heute auch ganz viel mitgenommen haben, wie sie ihre Kunden behalten und ausbauen können. Ich glaube, Sinn und Mechanik dessen wurden klar. Wie immer freue ich mich aufs nächste Mal mit dir und danke dir ganz, ganz herzlich für all dein tolles Wissen.
Gero Decker: Ich danke dir und hoffe, dass wir jetzt überall großartige Customer Success Teams sehen werden in den Firmen.
Joel Kaczmarek: Genau, wir wollen jetzt Success Stories aus dem Customer Success.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Sales: Ka-Ching! Hier kommt dein Pflichtprogramm, wenn du verstehen möchtest, wie (B2B-)Sales funktioniert. Gemeinsam mit diversen Gästen hebt Joel deine Fähigkeiten im Vertrieb anhand vieler Beispiele und konkreter Tipps auf ein neues Level.